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Full text of "Mitteilungen der Kaiserlich-Königlichen Geographischen Gesellschaft"

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_ MITTHEILUNGEN 


DER 


KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT. 


H. JAHRGANG 1858, EFT I, 


REDIGIRT 


FRANZ BERN, 


Kr. BEHGRATH. ERS I SECR RDER KK OGRA 


WIEN, 1858. 
DRUCK VONNM AURER. 


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MITTHEILUNGEN 


DER 


KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT. 


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II. JAHRGANG 1858. 


REDIGIRT 


FRANZ FOETTERLE, 


K. K. BERGRATH,, ERSTEM SECRBTÄR DER K. K. GEUGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT 


WIEN, 1858. 
DRUCK VON M. AUER. 


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INHALT 


des zweiten Bandes. 


Seite 
Statuten der k. k. geographischen Gesellschaft. . . . een elte. =. V. 
Geschäftsordnung der k. k. geographischen Gesellschaft. Pa: ee ne. VCLE: 
Verzeichniss der Mitglieder der k. k. geographischen Gesellschaft. . . IX 
Verzeichniss der an die k. k. geographische Gesellschaft im Vereinsjahre 1858 ' einge- 

gangenen Bücher, Karten ete, 
Beriehte über die Versammlungen der k. k. "geographischen Gesellschaft. 
Jahresve En ae am 3. November 1857. 

Haidinger W. Jahresbericht. ,. DS EL ER, 1 
RedenF. W. Freih. v. Antrag des Dankes an den Präsidenten. Sue ag en ref LO 
Foetterle F, Rechenschaftsbericht. . .. ee ee en 1 
RE TREE SEK GRTREE n  reEäeNr: JENRR EN Se WER. 
Wahl von neuen Mitgliedern. eolerdi BE 


Foetterle F. Vorlage eingegangener Druckschriften ünd Karten. ee ro ah 
Versammlung am 17. November 1857. 


Fürst von Salm. H. Eröffnung der est EEE TE DEP) 
Wahl von neuen Mitgliedern. . . . 25 
Foetterle F. Mittheilung des Dankes von inehreren Herren für die Wahlz zu "Ehren Und 
eorrespendirenden Mitgliedern... . ee ee A BT 
Foetterle F. Vorlage eingegangener Druckschriften. . . 26 
Reden F. W. Freih, v. Vorlage BE und statistischer Karten. von "Schweden 
und Norwegen. . . 27 
Hingenau 0. Freih. v. Mittheilung über einen "Ausflug ih in ie Marmaroser Karpathen 
TOR Dr AN AMIN.T, 29 
Simony F. Ueber das Leben und Wirken des PRAIER NEg 6. M. "Vischer von 
ER 20s 0 29 
Versammlung am 4. "December 1857. 
Wahl von neuen Mitgliedern. . . 29 


Foetterle F. Mittheilung des Dankes von Aare Herrn für die Wahl z zu Ehren und 
eorrespondirenden Mitgliedern, . . - .. 0 2» 2200 Bee... 29 
Foetterle F, Vorlage eingegangener Druckschriften . . . 29 
CzoernigK. Freih. v. Vorlage derjenigen Druckschriften, welche von | Seite der ver- 
schiedenen k. k. Ministerien dem internationalen statistischen FIEER 
in Wien vorgelegt wurden. . 31 
HansalM.L. Vorlage naturhistorischer und eihndpräphisöher Gegenstände aus Sudan. 32 
Versammlung am 22. December 1857. 
Fürst vonSalmH. Tod des ordentlichen Mitgliedes F. W. Freiherrn v. Reden . . 33 
Fürst von Salm H. Tod der ordentlichen Mitglieder P. G. Fitzinger und W. Zäobinsky. 34 
FoetterleF. Beitritt Ihr. kaiserlichen Hoheiten der Herren Erzherzoge Johann und 
Ludwig Joseph als re der Gesellschaft. . ...... 34 


Wahl von neuen Mitgliedern. . . 35 
Foetterle F. Mittheilung des Dankes von mehreren Herren für die Wall z zu "Ehren und 
eorrespondirenden Mitglieden. . . SE leere) ea, 
Foetterle F, Mittheilung eines Schreibens von A. Petermann, Sn ihre ee Ind 
Foetterle F. Vorlage eingegangener Druckschriften. . . . . 36 


Foetterle F. Mittheilung von Middendorf’s über den Fortgang se seines Reisewerkes über 
Sibirien, so wie über die Expedition Sewerzow’s nach den Steppen des 
Syr Darja, und von Chanikoff’s nach Persien. . . ». 2 2 22.200.086 


I 


Seite 
Haidinger W. Vorlage des 4. Bandes von Humboldt’'s Kosmos, . . 36 
Haidinger W. Commodore von Wüllerstorf’s Schreiben von der Novara von der 
Simonsbay. . . 38 
Haidinger W. Vorlage von Dr. =. K. Kane ea „Ärotic. Exploration the second Grinell 
EERBÄTNONEIORO na ters eriea le. 6, Kara ee ER Er 8 
Wahl Haidinger’s zum Ehrenmitgliede der k. geographischen Gesellschaft i in London „. 41 
Guggenberger M. J. Das Wassergebiet des Wienflusses. . . . 5 Sfr ar AR 
Kotschy Th. Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. . . 2. 222.2... .42 


Versammlung am 5. Jänner 1858. 
Fürst von Salm H. Beitritt Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn es a: 


als Ehrenmitglied der Gesellschaft. ....... Be rmrAE 
Wahl von neuenMitgliedern. , . . 42 
Foetterle. F. Mittheilung des Danken’ von elasnn Herten ee die Wahl z zu "eorsespon- 

direnden Mitgliedern. Nah Dee £ 5 
Foetterle F. Vorlage eingegangener Druckschriften. Le 43 


FoetterleF. Mittheilung Dr. E. H. v. Costa’s über P. EEE es Beschreibung 
des slovenischen Landes‘ ete,, Nachrichten über den historischen Verein 


in Krain.. . 44 
Foetterle F. Einsendung von "Seeschichten- Karten von dem k. k. Fregatten "Capitän H. 

Ve» THLOW;. . are 00, 0. ren Wie ee 44 
Haidinger W. Bericht über Wlangali’s „Reise nach den östlichen BHRIRON -Steppen“‘ 

übersetzt von Dr. Löwe. = 45 
Haidinger W. Vorlage der neuesten Neaahion von der Noyanale von Da F. fee 

stetter von Rio de Janeiro. . ee 
Steinhauser A. Ueber Entstehung und Ausbildung der Schichtenkarten. ale . 50 
Schlagintweit Dr. H. Mittheilung ethnographischer Beobachtungen in Ost- Indien .. 50 
Heufler L.R. v. Mittheilung eines zigeunerischen Wörterverzeichnisses. ... . . 50 


Versammlungam19. Jänner 1858. 
Fürst von Salm. Beitritt Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn aaa Albrecht als 


Ehrenmitglied der Gesellschaft... .... » 5 En .ı 
Wahl von neuen Mitgliedern. .. N. a 
FoettterleF. Vorlage eingegangener Druckschriften. ae 53 


FoetterleF. J. Schmidt’s Nachrichten über das Eıdbeben am 15. Jänner ir in Öllmütz. 53 
Hingenau O0. Freih. v. Vorlage des Berichtes der Handels- und Gewerbekammer 
in Pavia für die Jahre 1853—1856.. . . . RR ER NL, 
Steinhauser A. Ueber Entstehung und Ausbildung der Schichtenkarten. in 
Versammlung am 9. Februar 1858. 
Fürst von Salm, Beitritt Ihr. kaiserlichen Hoheiten der Herren Erzherzoge Fer- 
dinand Maximilian, Karl Ferdinand und Joseph als Ehren- 


mitglieder der Gesellschaft, oltauye a 57 
Foetterle F. Antrag zur Bewilligung eines Reisebeitrages für Hrn. Eekhold, . : 
Wahl von neuen Mittgliedern. . . 58 


FoetterleF. Mittheilung des Dankes mehrerer Herren für die Wahl : zu Ehren- und 
eorrespondirenden Mitgliedern, und Vorlage eingegangenen Druckschriften. 59 


Jeitteles_L.H. Ueber das Erdbeben am 15. Jänner 1858. . . 59 
Haidinger W. Schreiben Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Be Johann 
über ein Terrain-Modell von Schabs bei Brixen... . . 63 
Haidinger W. Vorlage von A. Ravenstein’s Erläuterungen zu Major Papen’s Höhen: 
Schiehtenkarte von Central-Europa... . 63 
Haidinger W. Sir. Murchison’s Nachricht über die Abreise Liwingstone‘ s nach Afrika 64 
Steinhauser A, Vorlage von Schichtenaufnahmen und Schichtenkarten. . . 64 
Cybulz J. Ueber En von Plastik beim Unterrichte in der PerSLNOe "des 
Terrains. . . . SA . 64 


Kiesewetter W. Vorlage seiner r „ethnographischen Reisebilder. « SE 
Versammlung am 2. März 1858. 
Helfert Dr. A. Freih. v. Beitritt Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn ae Karl 


Ludwig als Ehrenmitglied der Gesellschaft ..... . 86 
Wahl von neuen Mitgliedern. . . AR ION, 
FoetterleF. Geschenk des Herrn 6. Schwert an Din ekeahntlen und) Karten, ENEH FROH) 
Foetterle F. Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam von Dr. Karl 

Scherzer. .. EEE 122 .16.nn. a 


Urlinger P. Ueber die Höhenbestimmungen des Gross- Glockner. . EEE 


Haidinger W, Vorlage der 1. und 2. Lieferung von L. Libay’s Reisebilder aus Egyp- 
ten und dem Orient. E 

CzoernigK. Freih. v. Vorlage der „Uebersicht der Waaren Ein- "und Ausfuhr Oester- 
reichs für 1857. . . +. 

CzoernigK.Freih, v. Ueber die Wichtigkeit des Tortes als Brennstoff ih in Oesterreich 

Fritsch K. Bericht über Dr. A. Mühry’s „„Klimatologische Untersuchungen‘ ete. . . 

Cybulz J. Vorlage seines plastischen Unterrichtsmateriales in der Terraindarstellung 

DENE SE am 16. März 1858. 

Wahl von neuen Mitgliedern. 

Steinhauser A. Vorlage des Schichleaplanes der Stadt Wien von nR. v Hauslab. 

Haidinger W. Ueber J. Schmidts „Untersuchungen über die SA IUR des Bour- 
don’schen Metall-Barometer“ ete, . . ? =. are 

Cybulz J. Erklärung der Anwendung der Plastik bei der Terrainlehre. 

Simony F. Vorlage von F. Feil’s Relief der Spitzkofelgruppe. . . 

Göhlert J. V. Ueber den Einfluss der geologischen und olimatlschen Verhältnisse auf 
die Bevölkerung in Nordamerika nach Dr. J. Wynne’s „Report on the 
vital Statistics of the U. St.“ . . . ers 

Kiesewetter W. Vorlage seiner „ethnographischen Reisebilder. « Ä 

Versammlung am 6. April 1858, 

‘Wahl von neuen ordentlichen und eorrespondirenden Mitgliedern, > 

Hingenau O. Freih. v. Ueber Freih. v. Czoernig’s Antrag ae eines Comites 
für die Torflrage. 

Hauer F, v, Vorlage von J. Schmidts Untersuchungen. über das Erdbeben a am 15. 
Jänner 1858. .. . 

Streffleur V. Ueber Dr. J. R. Lorenz’ s „Vergleichende 'orographisch- ie 
Untersuchungen der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der 
Salzach, der Enns und der Mur, E ER 

Streffleur V. Relief der Donaumündungen, . . 

Zhishman Dr. J. Resultate der Forschungen über Hanno’s 8 Expedition a an der West- 
küste von Afrika. 

Kerner Dr. A. Ueber die Verschiedenheit der Torfbildenden Moorei in n Niederösterreich. 

Versammlung am 20. NE; 1858. 

Wahl eines neuen Mitgliedes, 

Warhanek W. Vorlage eingegangener Druckschriften. a 

HeuflerL. B. v. Vorlage von Schubert’s ‚Stellung der Inseln zu ı den Continenten“ 'ete. 

Haidinger W, P, Tehihatehef’s Reise nach Kleinasien. . a 

Becker Dr. M. Ueber ethnologische Verhältnisse des Oetschergebietes . 

Simony F. Vorlage eines Messaparates bei landschaftlichen Aufnahmen . 

Schöninger, Vorlage astronomisch-geographischer Versinnlichungsmittel . 

Versammlung am 4. Mai 1858. 

Warhanek W. Vorlage eingegangener Druckschriften. 

Warhanek W. Subseription für das Ressel-Monument. . . 

Haidinger W. Ein Schreiben M. J. Maury’s an Dr. K. Seherzer über "mehrere 
Beobachtungen. 

Simony F. Ueber die Anwendung des Zirkelaparates zu | aproximatisen "Winkel- 
messsungen. n 8 RE FAIR 


ee am 18. Mai 1858. 
Wahl eines ordentlichen Mitgliedes. 
Becker Dr. M. Commission für den wissenschaftlichen Verkehr mit den Missionen. 
Schmidt Dr J. Ueber Erdbeben, . 
Andrian Ferd. Freih. v. Vorlage einer geognostischen Sammlung : aus s Borneo, Java "ete. 


Versammlungami1. Juni1858. 
Fürst von Salm. Beitritt Sr. k. Hoheit des Kronprinz Regenten von Schweden und 
Norwegen Karl Ludwig Eugen als Ehrenmitglied der Gesellschaft. 
Wahl von neuen Mitgliedern. 
Warhanek W. Mittheilung des Dankes mehrerer Herren für die Wahl zu Ehren und 
eorrespondirenden Mitgliedern. . . 
Haidinger W. Vorlage von Capitän B. B. Maroy’s Bericht "über dessen Erforshung 
des Big Witchita von R. K. Warreni. Erforschungen im Dawta Lande 
im Jahr 1855, von Dr. F. V. Hayden und F, B. Meck Erläuterungen 
einer geologischen Karte und Durchschnitten der Gegend am Missouri. 
Haidinger W. Sir R, Murchison’s ‚‚The farewell Livingstone Festival.“.. . 
I* 


Seite 


7 


104 
110 


IV 


Haidinger W. Vorlage eines Beitrages zur Theorie der Luftströmungen und der Ver- 
theilung der Winde auf der Erdoberfläche von Com..B. von Wüillerstorf, . 

Haidinger W. Mittheilungen aus Briefen der Herren v. Wüillerstorf, Dr. K. Scherzer 
und Dr. F. Hochstetter von Singapore.- . 

Kämtz L. F. Bemerkungen über die Ursachen der früheren grösseren Ausdehnung der 
Gletscher in den Alpen und in Scandinavien, 

Haidinger W. Mittheilung einer Note über die Schwefelquelle von Mauritzing bei 
Botzen von Dr. G. Proell. . . . 

Haidinger W. Note über die SPRRGBLEMDe bei Gandegg nächst Eppan i in Tirol‘ von 
Dr. G. Proell. . 

Streffleur. Bericht des Dr. I. B. Lorenz über die Untersuchung "der Salzburger 
Torfmoore, 5 

Veran am 18. nakl 1858. 

Fürst von Salm. Beitritt Sr. kaiserlichen Hoheit des Grossfürsten Constantin von 
Russland als Ehrenmitglied der Gesellschaft. , ... . 2... 

Wahl von neuen Mitgliedern. E 

Becker Dr. M. Vorlage eingegangener Druckschriften. 

Steinhauser A. Mittheilung eines Berichtes des Herrn J. M. Ziegler u üher die” 1op0- 
graphischen Arbeiten der Schweiz. s : . 

Ziegler J. M. über W. Munzinger's Reisen in Nordabyssinien. - Pate fe re 

Ruthner Dr. A. v. Eine Ersteigung der Ortelesspitze. . . os gi. 

Versammlung am 19. Oetober 1858. 

Foetterle F. Begrüssung der Versammlung. . 

Foetterle F. Beitritt Sr. Majestät des Kaisers von Brasilien "Dom "Pedro I. en 
Ehrenmitglied der Gesellschaft. . re eo 

Wahl von neuen Mitgliedern. 

Foetterle F. Vorlage eingegangener Druckschriften. e 

Tehihatchef P. Mittheilungen über seine bisherige Reise in Kleinasien. . 

Haidinger W. Mittheilung der im Laufe des Sommers an ihn gelangten Briefe und 
Sendungen von der „‚Novara.“ . 

Clement Dr. K. J. Ueber die Bodengestaltung "des Meeres zunächst der Mündung 
der Elbe. 

Haidinger W. Vorlage von U. Palacky’s „Zem&pis Weobeeny vedeky sroynäväch,« 
und wissenschaftlicher Geographie. 1. Band 1. Heft. . 

Haidinger W. Oberst P. Force über Franklin und Mac Clure’ s Entdeckung "der 
Nordwestpassage. ö ER. . 

Haidinger W. Vorlage mehrerer Blätter der „New. York Times“. 2 

Steinhauser A, Vorlage von Dr. H, Kiepert’s Karten von Armenien und "Mexikd, 
Centralamerika und Westindien, und von Mittel-Amerika. 

Steinhauser A. Vorlage von Dr. Metger’s Nautischer Geographie.“ . 


Abhandlungen. 

I. Alt Dr. A. v. Ein Ausflug in die Marmaroscher Karpathen. ® 

U. Simony F. und J. Feil. Ueber das Leben und Wirken des Geographen ® M. 
Vischer, F 

II. Guggenberger J.M. Das Wassergebiet des Wienflusses. . , 

IV. Steinhauser A, Beiträge zur Geschichte der Entwicklung, sowohl See- als 
Landkarten. . . nalen Kara ee Be 

V. Kotschy Th. Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. in 

VI. Scherzer Dr. K. Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam : jm ı indie 
schen Ocean. 02 

VII. Schmidt J. F. J. Untersuchungen über das Fräbebön" am 18, "Jänner 1858. 

VIII. Zhishman A. E. Die Nikobaren Inseln. 

IX. Wüllerstorf-Urbair B.v. Beitrag zur Theorie der Lufströmungen und "der 
Vertheilung der Winde auf der Oberfläche der Erde. “ 

X. Kämtz Dr. L. F. Bemerkungen über die Ursache der früheren grösseren Aus- 
dehnung der Gletscher in den Alpen und in Seandinavien. . 

XI. Scherzer Dr. K. Die Längen- und ee von St. "Paul und 
Amsterdam. . . . Eh a re an 

XH. Scherzer Dr. K. Die Fingebornen der Nana 5 

XI. Zimmermann J. Ein Beitrag zur Ethnographie Ost- Galiziens. 

XIV, Ruthner Dr. A.v. Eine Ersteigung der Ortelesspitze. 

XV. Scherzer Dr. K. Mittheilungen aus Shangai. . B 

XVI. Scherzer Dr, K. Das erste Jahr der Erdumsegelung S. M. Fregatte Novara ® 


104 
131 
202 


230 
241 


245 
246 
277 
287 
295 
305 


STATUTEN 


DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


GEOGRAPHISCHEN GESELLS CHAFT. 


I. Zweck und Mittel. 


1. Der Zweck der Gesellschaft ist, die Interessen der geographischen Wissenschaft in 
ihren verschiedenen Richtungen zu fördern. 

2. Die Mittel zur Erreichung dieses Zweekes sind periodische Versammlungen, Heraus- 
gabe von Druckschriften und Karten, Unterstützung, Zuerkennung von Preisen, anzulegende 
Sammlungen von Büchern, Karten und anderen zweckdienlichen Gegenständen, 

3. Die Gesellschaft schöpft die Mittel zur Bestreitung ihrer Auslagen und Vermehrung 
ihres Besitzes aus Beiträgen, welche sie erhält an Geld und andern Gegenständen, 


2. Bildung und Erneuerung. 


4. Die Gesellschaft besteht aus: a) ordentlichen Mitgliedern, 3) ausserordentlichen 
Mitgliedern, c) eorrespondirenden Mitgliedern und d) Ehrenmitgliedern & im Inlande, ß im 
Auslande. 

5. Ordentliche Mitgfieder sind diejenigen, welche einen Jahresbeitrag von 5 Gulden 
©. M., oder für Lebenszeit die 12! /,fache Ausgleichungssumme per 62 fl. 30 kr. zahlen. 

Ausserordentliche Mitglieder sind diejenigen, welche einen Jährlichen Beitrag von 
mindestens 10 fl. C. M. leisten 

6. Zur Aufnahme als ordentliches oder ausserordentliches Mitglied wird der Name von 
einem Mitgliede dem Ausschusse vorgeschlagen, von diesem der nächsten Gesammtversamın- 
lung empfohlen und durch absolute Majorität angenommen. 

7. Dieses Verfahren ist für Jene Personen, welehe sich vorbehaltlich der Allerhöchsten 
Genehmigung und ihrer eigenen Annahme der Statuten als eventuelle Mitglieder der Gesell- 
schaft erklären, nicht mehr erforderlich. 

8. Zu correspondirenden Mitgliedern werden jene Personen gewählt, welche, ohne 
einen Beitrag zu leisten, die Interessen der geographischen Gesellschaft durch ihre persön- 
liche Thätigkeit fördern. 


Gesammtversammlung vorgeschlagen und mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt, Die Auf- 
nahme eines Ausländers als Mitglied der Gesellschaft hat nicht ohne Genehmigung des Mini- 


len. — Die Verabsäumung der Einzahlung des Jahresbeitrages nach Jahresfrist wird als Aus- 
trittserklärung betrachtet, 

12. In den Gesammtyersammlungen hat jedes anwesende Mitglied Eine Stimme, Es 
hat das Recht Anträge zu stellen, welche an den Ausschuss zu richten und schriftlich dem 
Secretär zu übergeben sind, 

Die Mitglieder werden durch Druckschriften, welche sie unentgeltlich in Empfang 
nehmen können, in der Kenntniss der Vorgänge erhalten. 

Sie benützen die Sammlungen nach den in der Geschäftsordnung bestimmten Normen, 


IV. Geschäftsführung und Leitung. 


’ 13. Die Geschäftsführung geschieht theils: a) in den Gesammtversammlungen durch 
die versammelten Mitglieder, 5) durch die von denselben gewählten Functionäre, 


vl 


14. Die den Gesammtversammlungen zur Entscheidung vorbehaltenen Geschäfte sind: 
a) Wahl aller Mitglieder, 5) Wahl der Functionäre, c) Annahme der Geschäftsordnung, d) die 
Genehmigung des jährlich zu legenden Rechnungsberichtes, e) Aenderung der Statuten, wobei 
übrigens die Allerhöchste Genehmigung vorbehalten ist. 

15. In der Regel findet jeden Monat eine Gesammtversammlung statt. Der Tag dersel- 
ben wird in der Wiener-Zeitung bekannt gemacht. 

16. Ausserordentliche Versammlungen können nur durch den Ausschuss bestimmt 
werden, und müssen dann ebenfalls in der Wiener-Zeitung bekannt gemacht werden. 

17. Alle übrigen Geschäfte besorgt ein Ausschuss durch die Functionäre, 

Diese bilden einen Körper, der in seiner vollständigen Zusammensetzung aus 34 Ver- 
trauensmännern besteht. a) Ein Präsident mit einjähriger Functionsdauer. 5) Sechs Vice- 
Präsidenten mit zweijähriger Funetionsdauer und jährlicher Erneuerung der Hälfte. Nach 
dem ersten Jahre bestimmt das Loos die Austretenden. c) Zwei Seeretäre. d) Ein Rech- 
nungsführer. e) Ein Cassier, und zwar alle vier mit einer in der Geschäftsordnung zu be- 
stimmenden Functionsdauer, /) Zwei Prüfungseommissäre der Jahresreehnungen mit ein- 
maliger Function der Prüfung. g) Einundzwanzig Ausschussmänner mit dreijähriger 
Functionsdauer und jährlicher Erneuerung eines Drittheils. Nach dem ersten und zweiten 
Jahre bestimmt das Loos die Austretenden. Ä 

18. Der Präsident und die sechs Vice-Präsidenten sind nach dem Austreten nleht 
sogleich wieder zu derselben Function wählbar. 

19. Der Präsident leitet die Verhandlungen in den Gesammt- und Ausschuss-Sitzun- 
gen, welche letztere er beruft. Er gibt am Schlusse seines Funetionsjahres einen Jahresbericht. 

20. Die Vice-Präsidenten unterstützen den Präsidenten in der Geschäftsleitung und 
vertreten denselben nach einem einmonatlichen Turnus. 

21. Die Secretäre führen die Protokolle in den Sitzungen, besorgen die Correspondenz 
und überwachen die Sammlungen. Einer der Seeretäre legt den im Ausschuss berathenen, 
jährlich zu legenden Rechenschaftsbericht in der Gesammtsitzung vor. 

22. Der Rechnungsführer und der Cassier besorgen die Geldangelegenheiten der Ge- 
sellschaft. 

23. Sämmtliche Functionäre werden von dem Präsidenten oder von dem ihn vertre- 
tenden Vice-Präsidenten zu Ausschuss-Sitzungen berufen, in welchen die Anwesenden 
Stimme haben. 

24. In diesen Ausschuss-Sitzungen werden sämmtliche Geschäfte der Gesellschaft er- 
ledigt, welche nicht der Gesammt-Versammlung vorbehalten sind; die vor die letztere kom- 
menden Fragen und Anträge näher erwogen und die zu fassenden Entschlüsse vorbereitet. 

25. Sowohl für die Gesammt- wie Ausschuss-Sitzungen leitet ein Seeretär die Vorbe- 
reitungen. 

26. Jede Abstimmung, sowohl in den Gesammt- wie Ausschuss-Sitzungen geschieht 
nach absoluter Majorität der Stimmen. 

27. Ueber jede Gesammt- und Ausschuss-Sitzung wird ein Protocoll geführt, welches 
von dem jedesmaligen Vorsitzenden, dem Secretär und einem anwesenden Ausschussmanne 
gefertigt wird. 


V. Vertretung und Schlichtung von Streitigkeiten. 


28. Die Gesellschaft wird durch den Präsidenten oder im Falle seiner Verhinderung 
durch den ihn vertretenden Vice-Präsidenten gemeinschaftlich mit einem Secretär nach aussen 
und den Behörden gegenüber vertreten. 

29. Der Natur der Gesellschaft nach sind eigentliche Streitigkeiten nieht denkbar. — 
Die etwa eintretenden Verschiedenheiten der Ansichten, die sich auf die Erreichung der 
gesellschaftlichen Zwecke beziehen, werden in den Ausschuss-Sitzungen vorgetragen, und in 
Anträge formulirt, in einer Gesammtsitzung zur Entscheidung vorgelegt. 


VE. Auflösung der Gesellschaft. 


30. Im Falle der Auflösung der Gesellschaft, welehe vorläufig zur Kenntniss der poli- 
tischen Landesstelle zu bringen ist, entscheidet die Gesammtsitzung über die Modalitäten der 
Auflösung, insbesondere aber über die bezüglich des Gesellschaftsvermögens zu treffenden 
Verfügungen. 


vi 


GESCHÄFTS-ORDNUNG 


DER KAISERLICH - KÖNIGLICHEN 


GEOGRAFISCHEN GESELLSCHAFT. 


Der Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der geographischen Wissenschaft in 
ihren verschiedenen Richtungen und zwar durch periodische Versammlungen, Herausgabe 
von Drucksehriften und Karten, Unterstützungen, Zuerkennung von Preisen, anzulegende 
Sammlungen von Büchern, Karten und anderen zweckdienlichen Gegenständen. Die Geschäfts- 
Ordnung hat daher nähere Erörterung für alle diese Zweige, so wie für die Geschäftsführung 
im Allgemeinen zu enthalten. . 

Die Geschäftsführung geschieht: 

a) durch die Functionäre: 


I. Präsident. 


1. Der Präsident führt bei allen Sitzungen den Vorsitz, eröffnet dieselben, leitet die 
Verhandlungen und schliesst sie. 2. Er unterfertigt die Diplome und alle wichtigeren Acten, 
in welchen die Gesellschaft als Ganzes nach Aussen und den Behörden gegenüber repräsen- 
tirt ist, 3. Er beruft die Ausschuss-Sitzungen. 4. Er nimmt die von dem Rechnungsführer und 
Cassier von drei zu drei Monaten verfassten Rechnungsabschlüsse zur Kenntniss. 5. Er weist 
specielle wissenschaftliche oder administrative Gegenstände in vorkommenden Fällen eige- 
nen Referenten aus der Zahl der Aussshuss- oder der übrigen Miglieder zu. 6. Er gibt am 
Schlusse seines Functionsjahres einen Jahresbericht. 7. Im Verhinderungsfalle wird er durch 
den in der Tour stehenden Vice-Präsidenten vertreten. 


I. Vice-Präsidenten. 


8. Die sechs Vice-Präsidenten vertreten den Präsidenten in allen seinen Functionen 
und zwar von Monat zu Monat abwechselnd in alphabetischer Reihenfolge. 


Ill. Secretäre. 


9. Den beiden Secretären fallen alle die Gesellschaft betreffenden administrativen 
Geschäfte zu, in welche sie sich theilen. 10. Alle an die Gesellschaft gerichteten Zusendun- 
gen gehen an den ersten Seeretär; derselbe beantwortet alle Briefe, Anfragen und Acte 
im Einverständnisse mit dem Präsidenten und legt sie nöthigenfalls berichterstattend in der 
Ausschusssitzung vor. 11. Er trägt diein den Ausschuss-Sitzungen formulirten Anträge in den 
Gesammt Sitzungen zur Entscheidung vor. 12. Er legt ferner alle eingegangenen Tausch- oder 
Gesckenkgegenstände in den Gesammtversammlungen, so wie die an die Gesellschaft einge- 
sendeten wissenschaftlichen Aufsätze dem Ausschusse vor. 13. Er führt über die für die Ge- 
sammtversammlung angemeldeten Vorträge eine eigene Aufschreibung. 14. Er unterfertigt mit 
dem Präsidenten alle Diplome und alle Acten, so wie allein die minderwichtigen eurrenten, 
administrativen Gegenstände der Correspondenz. 15. Er verfasst den am Schlusse des Jahres 
zu legenden Rechenschaftsbericht und legt ihn der Ausschuss-Sitzung und der allgemeinen 
Versammlung vor. Dieser Rechenschaftsbericht enthält zugleich den Rechnungsabschluss des 
Jahres, so wie Voranschläge, 16. Er leitetim Einverständnisse mit dem Präsidenten den Druck 
der Gesellschaftsschriften. 17. Er führt über die Mitglieder ein genaues Verzeichniss. 18. Er 
führt die Kanzleidirection, 19. Er unterfertigt alle an den Cassier zur Auszahlung gerichte- 
ten Anweisungen. 20. Die Function des ersten Secretärs dauert vier Jahre. 21. Der zweite 
Secretär führt bei allen Sitzungen das Protocoll und unterstüzt den ersten Seeretär in allen 
seinen Geschäften. 22. Er besorgt ferner die Ordnung und Aufsicht der Bibliothek und der 
Sammlungen, worüber er genaue Cataloge führt. 23. Er führt ferner über alle an die Gesell- 
schaft eingegangenen Gegenstände eine chronologische Vormerkung und eine eigene Inven- 
tarsrechnung. 24. Die Function des zum ersten Mal gewählten zweiten Secretärs dauert 
zwei Jahre, später ebenfalls vier Jahre. 

AV. Rechnungsführer. 

25. Der Reehnungsführer nimmt alle an den Verein gelangenden Gelder in Empfang 
und übergibt sie dem Cassier zur Aufbewahrung, worüber ein eigenes Vormerkungsbuch 
zwischen Beiden geführt wird. 26. Er übernimmt alle zur Zahlung einlaugenden Contos und 


vu 


weiset den Betrag zur Auszahlung an den Cassier mittelst eigener vorgedruckter Anweisun- 
gen, die vom Seeretär mitgefertigt sind. 27. Er führt über sämmtliche Einnahmen und Aus- 
gaben eine eigene Geldrechnung und übergibt dem Präsidenten von drei zu drei Monaten 
einen vom Cassier mitzufertigenden Rechnungsabschluss. 28. Er unterfertigt mit dem Cassier 
die Jahreskarten. 29. Er bereitet alljährlich einen vollständigen Jahresabschluss vor und 
übergibt denselben dem ersten Seeretär. 30. Die Function des Rechnungsführers dauert drei 
Jahre. 


V. Cassier. 


31. Der Cassier nimmt die ihm vom Rechnungsführer übergebenen Gesellschaftsgel- 
der in Empfang und führt hierüber eine genaue Aufschreibung. 32. Er zahlt alle an ihn ge- 
richteten vom Rechnungsführer und Secretär unterfertigten Anweisungen aus, und verzeichnet 
dieselben. 33. Sobald die Barschaft Einhundert Gulden übersteigt, legt er sie fruchtbringend 
an. 34. Er unterzeichnet alle vom Rechnungsführer verfassten dreimonatlichen und Jahres- 
reelinungen. so wie die Jahreskarten. 35, Die F' unction des Cassiers dauert zwei Jahre. 


VI. Prüfungs-Commissäre. 


36. Die Prüfungs-Commissäre revidiren die vom Rechnungsführer zu legende Jah- 
resrechnung und die vomzweiten Secretär zu führende Inventarialrechnung am Jahresschlusse. 


VII. Ausschussmitglieder. 


37. Die Ausschussmitglieder haben in den Ausschuss-Sitzungen entscheidende Stimme. 
38. Sie übernehmen in vorkommenden Fällen Referate zur Erledigung. 
b) durch die 


Gesammt-Versammlungen. 


39. Den Vorsitz bei diesen führt der Präsident; ist dieser nicht anwesend, so über- 
nimmt der Monats-Vicepräsident, als dessen Slellvertreter, den Vorsitz. Sollte derselbe nicht 
anwesend sein, oder den Vorsitz ablehnen, so folgt der nächstgereihte Monats-Vicepräsident 
u.s.f. 40. Sollte auch keiner der Vice-Präsidenten anwesend sein, oder den Vorsitz ab- 
lehnen, so leitet ein im Alphabet zunächst folgendes Ausschussmitglied die Verhandlungen. 
41. Gegenstände der Gesammtsitzungen sind: die wissenschaftlichen Vorträge, die die Gesell- 
schaft betreffenden Mittheilungen, und die der Gesammt-Versammlung durch die Statuten 
vorbehaltenen Geschäfte. 42. Die Vorträge werden von Mitgliedern der Gesellschaft gehalten. 
43. In besonderen Fällen ladet der Präsident oder der erste Secretär, im Einverständnisse 
mit demselben, zur Abhaltung eines Vortrages auch solche Personen ein, welche nieht Mit- 
glieder der Gesellschaft sind. 44. Wer einen Vortrag zu halten beabsichtiget, wird ersucht, 
davon dem ersteh Secretär schriftlich oder mündlich, wo möglich zwei Tage vor der Versamm- 
lung die Mittheilung zu machen. 45. Zur Besehlussfähigkeit der Gesammt-Versammlung ist 
die Anwesenheit von mindestens einundzwanzig Mitgliedern erforderlich. 


Jahres-Versammlung. 


46. Die erste Gesammt- Versammlung im Monat November eines jeden Jahres wird zu- 
gleich als Jahres-Versammlung betrachtet, in welcher der Jahresbericht und der Rechen- 
schaftsbericht vorgelegt wird. 47. In derselben werden die erforderlichen Wahlen der Func- 
tionäre vorgenommen. 


Ausschuss-Sitzungen. 


48. Zu den Ausschuss-Sitzungen werden die Functionäre besonders eingeladen. 49. In 
denselben führt der Präsident oder der ihn vertretende Monats-Vicepräsident den Vorsitz. Die 
Sitzung beginnt mit der Vorlesung des Protocolls der vorhergegangenen Ausschuss-Sitzung. 
50. Gegenstände der Ausschuss-Sitzungen sind: die Berichte des ersten Secretärs über die 
gefassten Beschlüsse, die wichtigsten die Gesellschaft betreffenden Einläufe, und die einge- 
gangenen Anträge. 51. Zur Beschlussfähigkeit ist die Anwesenheit von mindestens sieben 
Functionären erforderlich. 52. Alle anwesenden Funetionäre sind stimmfähig; bei gleicher 
Stimmenzahl entscheidet der Präsident. 53. Auf Verlangen eines Mitgliedes ist über den 
Schluss der Debatten abzustimmen. Sobald der Schluss der Debatte ausgesprochen ist, hat 
nur noch der Antragsteller oder Berichterstatter das Recht zum Worte. 54. Rei der Frage- 
stellung ist ein Antrag auf Aussetzuug des Beschlusses eine auf spätere Zeit vor allen mate- 
riellen Verbesserungsvorschlägen zur Abstimmung zu bringen. Von zwei selbstständigen An- 
trägen ist derjenige zuerst zur Abstimmung zu bringen, durch dessen Annahme der andere 
Antrag von selbst hinwegfällt. Ausser diesem Falle hat der weitergehende Antrag den Vor- 
rang vor dem andern. Im Uebrigen gehen Verbesserungsvorschläge den Hauptanträgen vor. 


IX 


Herausgabe von Drucksehriften. 

55. Die Gesellschaft veröffentlicht Drucksehriften , deren Ausdehnung von den vorhan- 
denen Geldmitteln abhängt. 56. Diese sollen enthalten: a) die Sitzungsberichte über die 
Gesammtsitzungen der Gesellschaft; b) Abhandlungen sowohl von Mitgliedern, wie von Nicht- 
mitgliedern, über geographische Gegenstände. 57. Die Abhandlungen werden von den Sit- 
zungsberichten dadurch getrennt gehalten, dass sie eine abgesonderte Paginirung erhalten. 
58. Jeder Verfasser erhält von seiner gelieferten Abhandlung fünfzig Separat-Abdrücke 
gratis. 59. Die Redaetion führt der erste Seeretär im Einvernehmen mit dem Präsidenten. 


Bibliothek. 


60, Alle an die Gesellschaft einlangenden Druckscehriften und Karten werden in einer 
Bibliothek aufbewahrt, deren Aufsicht der zweite Seeretär führt. 61. Ueber dieselben wird 
ein gehöriger Katalog und ein chronologisches Vormerkbuch der einlangenden Gegenstände 
geführt. 62. Jedes Mitglied ist berechtigt, aus der Bibliothek die Druckschriften zu benützen. 
63. Gegen jede Entlehnung aus dem Vereinslocale wird eine Empfangsbestätigung ausgestellt. 
64. Auch andere an die Gesellschaft eingehende Gegenstände werden in der Bibliothek auf- 
bewahrt, und hierüber wird vom zweiten Secretär ein eigenes Inventarium geführt. 


Hilfspersonale. 


65. Zur weiteren Besorgung der Geschäfte wird den Secretären ein Scriptor zur 
Aushilfe und ein Diener gegen monatliche Entschädigung beigegeben. 


k. Kk GEOGRAPHISCHE GESELLSCHAFT. 


Funetionäre. 


Präsident: 
Salm-Reifferscheidt-Krautheim Hugo, Se. Durehlaucht Fürst von, Ritter des goldenen Vliesses, 
Grosskreuz, k. k. Reichsrath ete. 
Vice-Präsidenten: 
Chmel Joseph, Se. Hochwürden, Chorherr zu St. Florian, Ritter, k. k. Regierungsrath, Vice- 
Director, M. K. A, 
lligely August von, Commandeur, k. k. Generalmajor, Direetor des k. k. Militär. geographischen 
Institutes. 
Haidinger Wilhelm, Ritter, Phil. Dr., k. k. Seetionsrath, Direetor der k. k. geologischen 
Reichsanstalt, M. K. A. 
Helfert Alexander Freiherr von U. J. Dr., Unterstaatssekretär im k. k. Ministerium für Cultns 
und Unterricht. 
Lanckoronski-Brzezie, Casimir Graf, k. k. wirkl. Kämmerer. 
Steinhauser Anton, k. k. Rath. 
Secretäre: 
1. Foetterle Franz, k. k. Bergrath. 
2. Warhanek Wilhelm Friedrich, k. k. Professor. 


Bechnungsführer: 
Hornig Emil, k. k. Professor. 
Cassier: 
Artarla August, Kunsthändler. 
Censoren: 


Harmat Anton, Revident im statistischen Bureau des k. k. Handelsministeriums. 
Schimmer Gustav Adolf, Revident im statistischen Bureau des k. k. Handelsministeriums. 


Ausschuss- Mitglieder: 


Andrlan Werburg Vietor Freiherr von, k. k. wirkl. Kämmerer. 

Becker Moriz A., Phil. Dr., k. k. Schulrath. 

Bergmann Joseph, Ritter, Custos im k. k. Münz- und Antiken-Cabinet, M.K. A. 

Czörnig Karl, Freiherr v. Czernhausen, U. J. Dr,, Commandeur, Seetionschef im k. k. Han- 
delsministerium, €. M. K. A. 

Fenzl Eduard, Med. Dr., k. k. Professor, Direetor des k. k. botanischen Hof-Cabinets, M.K.A. 


X 


Ficker Adolf, U. J. et Phil. Dr., Ministerial-Seeretär im k. k. Handelsministerium. 

Fitzinger Leop., Med. et Phil. Dr., Custos-Adjunkt am k. k. zoologischen Hof-Cabinete, M. K.A. 

Fritsch Karl, Adjunkt a. d. k. k. Central-Anstalt für Meteorologie u. Erdmagnetismus, ©, M.K.A. 

Hauer Franz, Ritter von, k. k. Bergrath, C. M. K. A. 

Ileufler zu Rasen und Perdonegg Ludwig, Ritter von, k. k. w. Kämmerer, k. k. Seetionsrath. 

Hingenau Otto Freiherr von, k. k. wirkl. Kimmerer, Bergrath, Professor. 

Hörnes Moriz, Ritter, Phil. Dr., Custos und Vorstand des k. k. Hof-Mineralien-Cabinetes, 

Kotschy Dr. Theodor, Custos-Adjunkt am k. k. botanischen Hof-Cabinete. 

Kreil Karl, Ritter, Phil. Dr., Direetor der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erd- 
magnetismus, M.K. A. 

Muszynskl Karl, Hauptmann im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 

Reissek Siegfried, Med. Dr., Custos-Adjunkt am k. k. botanischen Hof-Cabinete. 

Ruthner Anton v., U. J. Dr., Hof- und Gerichts-Advokat. 

Scheda Joseph, Major im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 

Simony Friedrich, k. k. Professor. 

Sireffleur Valentin, Seetionsrath im k. k. Finanzministerium. 


Ehren - Mitglieder. 


Im Inlande: 
Se. k. k. Hoheit der Durchlauchtigste Prinz und Herr 
Erzherzog Ferdinand NMaximillan. 
Se. k. k. Hoheit der Durchlauehtigste Prinz und Herr 
Erzherzog Karl Ludwig. 


Se. k. k. Hoheit der Durcehlauehtigste Prinz und Herr 
Erzherzog Albrecht. 
Se. k. k. Hoheit der Durchlauchtigste Prinz und Herr 


Erzherzog Karl Ferdinand, 
Se. k. k. Hoheit der Durehlauchtigste Prinz und Herr 
Erzherzog Stephan. 
Se. k. k. Hoheit der Durehlauchtigste Prinz und Herr 
Erzherzog Joseph, 
Se. k. k. Hoheit der Durehlauchtigste Prinz und Herr 
Erzherzog Johann. 
Se. k. k. Hoheit der Durehlaucehtigste Prinz und Herr 
Erzherzog Ludwig Joseph. 
Boue Dr. Ami, M.K. A., Wien. 
Hauslab, Se. Excellenz Franz Ritter v., k. k.w. Geh. Rath, k. k. Feldmarschall-Lieutenant, Wien. 
Nostitz Gräfin Pauline v., geborne Freiin Des-Granges, Sehöndorf bei Neu-Arad, Ungarn. 


Im Auslande: 


Se. Majestät der Kaiser von Brasilien 
Dom Pedro II. 
Se. kaiserliche Hoheit der Grossfürst 
Constantin von Russland. 
Se. königl. Hoheit der Kronprinz-Regent von Schweden und Norwegen 
Karl Ludwig Eugen. 
Bache Alexander D., Superintendant des Coast Survey der Vereinigten Staaten von Nordamerika 
Washington. 
Baer Dr. Karl Ernst von, kaiserlich russiseher Staatsrath und Akademiker, St. Petersburg. 
Barth Dr. Heinrich, Ritter des Bath-Ordens, Ham burg. 
Baeyer, königl.preussischer Generalmajor und Abtheilungschef im grossen Generalstab, Berlin. 
Beaumont Leonce Eile de, Ritter, kaiserlich französcher Senator, beständiger Seeretär der kai- 
serlichen Akademie der Wissenschaften, Paris. 
Brisbane Sir Thomas Macdougall, Bart., königl. grossbritanniseher General-Lieutenant, Präsident 
der königl. Gesellschaft von Edinburg, Edinburg. 
Candolle Alphons de, Professor, Genf. 
Demidoff Anatol Fürst von, kaiserlich russischer Kammerherr, Staatsrath, San Donato bei 
Florenz. 
Daumas Melchior, kaiserl. französischer Divisions-General, Direktor der Abtheilung für Algier 
im Kriegsministerium, Paris. 
Dieterlei Dr. Thomas, königl. preussischer geheimer Ober-Regierungsrath, Director des stati- 
stischen Bureau, Mitglied der königl. Akademie der Wissenschaften, Berlin. 


xl 


Dove Heinrich Wilhelm, königl. preussischer Professor, Mitglied der königl. Akademie der 
Wissenschaften, Berlin. 

Duperrey Louis Isidore, kaiserl. französischer Admiral, Paris. 

Dupin Karl Baron, kaiserl. französischer Senator, Mitglied des Instituts von Frankreich, Paris. 

Ehrenberg Dr. Christian Gottfried, Ritter, Professor, Mitglied der königl. Akademie der Wissen- 
sehaften, Berlin. 

Ermaun Dr. Adolph, königl. preussischer Professor, Berlin. 

Fitz Roy Robert, königl. grossbritannischer Rear-Admiral, Mitglied der königl. Gesellschaft, 
London. 

Fremont John Christ., Oberst der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Washington. 

Fries Dr. Elias, Ritter, königl. schwedischer Professor, Upsala. 

Grey Sir George, Gouverneur des Kaplandes in der Kapstadt. 

@rinell Henry, Viee-Präsident der geographischen Gesellschaft in New-York. 

Hansteen Christian, Commandeur, königl. schwed. Professor, Christiania. 

lerımann Dr. Friedrich Benediet Wilhelm von, königl. bayer. Staatsrath, Director des statist. Bu- 
reau und Vorstand der k. General-Bergwerks- und Salinen-Administration, München. 

Hooker Sir William Jackson, Ritter, Direetor des königl. botanischen Gartens, Mitglied der k. 
Gesellschaft in London, Kew. 

Humboldt Alexander Freiherr von, Se. Exe., Berlin. 

Jomard Edme Frangois, Präsident der geographischen Gesellschaft inParis, Mitglied des kaiserl. 
Institutes von Frankre ich, Paris. 

Keyserling Alexander Andre jewitsch Graf von, kaiserl. russischer Kammerherr, Reval. 

Kupffer Adolph Theodor, kaiserl. russischer Staatsrath, Akademiker, St. Petersburg. 

Lamont Dr. Johann Ritter, Conservator der königl. Sternwarte, München. 

Lesseps Ferdinand von, Paris. 

Luca Se. Exeellenz Anton Xaver de, apostolischer Nuntius, Erzbischof von Tarsus, Grosskreuz 
der königl. bayer. Krone, Mitglied der h. Congregation de Propaganda fide ete., Wien. 

Lütke Th. P., kaiserl. russischer Admiral, St. Petersburg. 

Lyell Sir Charles, Ritter, Mitglied der königl. Gesellschaft, London. 

Martlus Dr. Karl Philipp Friedrich von, königl. bayer. Hofrath, Commandeur, Ritter, München. 

Middendorff Adolph Theodor von, kaiserl. russischer Staafsrath, beständiger Seeretär der kai- 
serl. Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg. 

Moreau de Jounes Alexander, Mitglied des Institutes von Frankreich, Paris. 

Murchison Sir Roderiek Impey, Grosskreuz, Mitglied der königl. Gesellschaft und Präsident der 
königl. geographischen Gesellschaft, London, 

uetelet Dr. Adolph Lambert Jacob, Director der königl. Sternwarte, Präsident der Central- 
Commission für Statistik, Brüssel. 

Rawliuson Heinrich Creswicke, königl. grossbritannischer Oberst, Commandeur, Mitglied der 
königl. Gesellschaft, London. 

Ritter Karl, königl. preussischer Professor, Präsident der Gesellschaft für Erdkunde, Berlin. 

Rose Dr. Gustav, Professor dsr Mineralogie, Berlin. 

Rüppel Dr. Eduard, Frankfurt a.M. 

Sabine Hänsel, königl. grossbritannischer General-Major, Mitglied der königl. Gesellschaft, 

ondon. 

Sınyth William Henry, königl. grossbritannischer Rear-Admiral, Ritter, Mitglied der königl. Ge- 
sellschaft, London. 

Struve Friedrich Georg Wilhelm v., kaiserl. russischer Staatsrath, Direetor der kaiserl. Stern- 
warte, Pulkowa. 

Sykes en Henry, königl. grossbritannischer Oberst, Mitglied der königl. Gesellschaft, 

ondon. 

Tebihatchefl Peter von, kaiserlich russischer Kammerherr, Nizza und St. Petersburg, 

Vicomte de Verneull Philipp Eduard le Poulletier, Mitglied des kaiserl. Institutes von Frankreich, 
Viee-Präsident der geologischen Gesellschaft von Frankreich, Paris. 

Whewell Reverend William D. D., Master of Trinity College, Mitglied der königl. Gesellschaft 
in London, Cambridge. 

Wied Seine Durcehlaueht Maximilian Prinz von, Wied. 

Larco del Valle y Huet, Seine Excellenz Don Antonio Remon, Grosskreuz, königl. spanischer 
General-Lieutenant, Präsident der königl. Akademie der Wissenschaften, Madrid. 


Correspondirende Mitglieder. 
Im Inlande: 
Heuglin Theodor Ritter von, k. k. Consulats-Verweser in Chartum. 
Kremmer Alfred von, k. k. Viee-Consul und Consulats-Leiter in Cairo. 
Loosey Karl, k. k. General-Consul in New-York. 
SchwarzDr. Wilhelm, k.k. Seetionsrath und Kanzlei-Direetor desk. k. General-Consulats inPar is. 
Magyar Ladislaus Amerigo, in Bih& in Afrika. 


Xu 


Im Auslande: 


Abich Hermann, kaiserl. russischer Staatsrath, Akademiker, St. Petersburg. 

Anderson Ch. J., Stockholm. 

Angelrodi E. J., k. k. Viee-Consul in St. Louis, Missouri, U. S. A. 

d’Avezac, Seeretär der geographischen Gesellschaft, Paris. 

Berghaus Dr. Heinrich, königl. preussischer Professor, Berlin, 

Bickersteth Dr., Inspeetor sämmtlicher Spitäler, Kapstadt. 

Bleck Dr. W. H.J., Kapstadt. 

Buist Dr. F. Georg, Mitglied der königl. Gesellschaft in London, Seeretär der geographischen 
Gesellschaft, Bombay. 

Carrasco Don Eduardo, Cosmografo major del Peru, Professor, Direetor der nautischen Schule, 
Lima. 

Castelnau Graf Franeis de, kaiserl. französischer General-Consul, Kapstadt. 

Dana James D., Professor, New-Haven, Connecticut. 

Darwin Charles Esq., Mitglied der königl. Gesellschaft in London, Down bei Bromley, Kent. 

Daussy Peter, Commandeur, Mitglied des kaiserlichen Instituts von Frankreich, Paris. 

Emory W. E., Major der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Washington. 

Engel Dr. Christian Lorenz Ernst, Regierungsrath im königl. sächsischen Ministerium des Innern, 
Vorstand des statistischen Bureau’s, Dresden. 

Ewald Ludwig, grossherzogl. hessischer Ober-Steuerrath, Vorstand des Vereines für Erdkunde 
und verwandte Wissenschaften, Darmstadt. 

Ferreira Lagos Dr. Manoel, kaiserl. brasilianischer Professor, Rio de Janeiro, 

Forchhammer Dr. Peter, Professor, Kiel. 

Galton Franeis Esq., Mitglied der geographischen Gesellschaft, London. 

Gibbon M. Mae Jupes, Intendant des botanischen Gartens in der Kapstadt. 

Grewinck Dr. Constantin, kaiserl. russischer Professor, Dorpat. 

Grisebach Dr. August, königl. hannoverseher Professor, Göttingen. 

Hamilton William John Esq., Mitglied der königl. Gesellschaft, Präsident der geologischen 
Gesellschaft, London. 

Hampe Ernst, Apotheker, Blankenburg. 

Heer Dr. Oswald, Professor, Zürich. 

Helmersen Gregor v., kaiserl. russischer General-Major, Akademiker, St. Petersburg. 

Heury Joseph, Seeretär des Smithsonian Institution, Washington. 

Holding Mr. J. C., Kapstadt. 

Hooker Joseph Dalton, Mitglied der königl. Gesellschaft in London, Direetor-Assistent der 
königl. Gärten, Ke w. 

Jochmus A., königl. preussischer General-Lieutenant. London. 

Johnston Alexander Keith Esq., Mitglied der königl. Gesellschaft, Edinburg. 

Junghuhn Dr. Franz, Batavia. 

Juritz Dr. ©. F., Kapstadt. 

Kämtz Dr. Ludwig Friedrich, kaiser]. russischer Professor, Dorpat. 

Karsten Dr. Hermann, königl. preussischer Professor, Berlin. 

Kiepert Dr. Heinrich, Mitglied der königl. Akademie der Wissenschaften, Berlin. 

Kolbing Dr., Missionär zu Gnadenthal im Kapland. 

Köppen Peter v., kaiserl. russischer Staatrath, Akademiker, St. Petersburg. 

Kütziug Dr. Traugott Friedrich, königl. preussischer Professor, Nordhausen, 

Lachlan Mr. Mae, zu Stellenboseh im Kapland. 

Laing Dr. T., Inspeetor sämmtlieher Spitäler in der Kapstadt. 

Lamansky Eugen v., Seeretär der kaiserl. russischen geograph. Gesellschaft, St. Petersburg. 

Layard Mr. L., Seeretür des Südafrikanischen Museums, Kapstadt. 

Legoyt August, Chef des Bureau für allgemeine Statistik im kaiserl. Ministerium des Innern, 
Paris. 

Livingstone Dr. David, London. 

Maclear Mr., Direetor der Sternwarte, Kapstadt. 

Malte-Brun V. A., Redaetions-Seeretür der geographischen Gesellschaft, Paris. 

Maury Alfred, General-Seeretär der geographischen Gesellschaft. Paris. 

Maury M., Direetor der Sternwarte der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Washington. 

Mettenius G., königl. sächsischer Professor, Leipzig. - 

Müller Karl, königl. sächsischer Professor, Halle a. d. 8. 

Neumann, königl. bayerischer Professor, Münehen. 

Papen August, königl. hannoverseher Major a.d., Frankfurt a.M. 

Pappe Dr. L., Kapstadt. 

Petermann Dr. August, Geograph der Perthes’sehen geographischen Anstalt, Gotha. 


XI 


Peters Dr. Wilhelm, königl. preussischer Professor, Berlin. 

Poeppig Eduard, königl. süchsischer Professor, Leipzig. 

Rawson Mr., Kolonial-Seeretär, Kapstadt. 

Roser Dr., Missionär zu Gnadenthal im Kapland. 

Sartorlus v. Walterhausen Dr. Wolfgang Freih., königl. hannoverseher Professor, Göttingen. 

Schlagintweit Dr. Adolf, Berlin, 

Schlagintweit Dr. Hermann, Berlin. 

Sehlagintwelt Dr. Robert, Berlin. 

Schomburgk Sir Richard Henry, königl. grossbritannischer General-Consul, Siam. 

Schüch de Capanema Dr. Wilhelm, kaiserl. brasilianischer Professor, Rio de Janeiro. 

Shaw Dr. Norton, Seeretür der königl. geographischen Gesellschaft, London. 

Seemann Dr. Berthold, Redaeteur der Bonplandia, London. 

Sendtner Dr. Otto, königl. bayerischer Professor, München. A: 

Sick Dr. Paul von, königl. würtembergischer Finanz-Assessor, Seeretär des statistischen 
Bureau’s, Stuttgart. . 

Spruner Karl von, Oberstlieutenant im königl. bayerischen General -Quartiermeisterstabe, 
München. 

Sturz Johann Jacob, kaiserlich brasilianischer General-Oonsul, Berlin. 

Sydow Ernst von, königl. preussischer Hauptmann a. D., Gotha. 

Vogel Dr, Eduard, Reisender in Cent ral-Afrika. 

Wagner Dr. Moriz, München. 

Wappaeus Dr. Johann Eduard, königl. hanno verscher Professor, Göttingen. 

Weddell Hugo A., Garten-Direetor im Mus&e imp£rial d’histoire naturelle, Paris. 

Wyley Mr., Kapstadt. 

Ziegler W. M., Palmgarten bei Winterthur in der Schweiz. 


Ausserordentliche und ordentliche Mitglieder. 


Jahr. (Die ausserordentlichen Mitglieder sind mit As MA. bezeichnet.) 
1856 Abel Joseph, k. k. Schichtenmeister. Cilli. 
1857 Alpenburg August Ritter von, Realitätsbesitzer, Innsbruck. 

Alt Alois, Dr. U. J., Landes-Advokat. Krakau. 


2 
1558) Anaker Emil Edler von, Lieutenant im k. k. Linien-Infanterie-Regimente Erzherzog 
Albrecht Nro. 4%, zugetheilt im k. k. Milit. Statist. Bureau. f 
„ Andrian-Werburg Ferdinand Freiherr von, Geolog an der k. k. geologischen Reichs- 
Anstalt. 


1856 Andrlan - Werburg Vietor Freiherr v., k. k. wirkl. Kämmerer. A: Ms (12 fl.) Stadt, 
Seilerstätte 803. 
PR Aukershofen Theophil, Freiherr von. Mauer bei Wien. 
1857 Antolue Franz, k. k. Hofgärtner, k. k. Hofburg. 
1856 Arensteln Joseph, Se. Hochw., Phil. Dr., Ritter, k. k. Professor. Stadt, Heiligen- 
kreuzerhof. 
„ | 10 Arneth Joseph C., Ritter, k. k. Regierungsrath, Direetor der k. k. Münz- und An- 
tiken-Cabinete. Stadt, alter Fleischmarkt 697. 


jr Artarla August, Kunsthändler. Stadt, Kohlmarkt 1151. 

4 Arlarla Claudius, Kunsthändler. Stadt, Kohlmarkt 1151. 

2 Auer Alois, Ritter, Philos. Dr., k. k. Hofrath, Direetor der k. k. Hof- und Staats- 
druckerei. Stadt, Singerstrasse 913. 

„ Auerhahn, Erzieher bei Herrn Grafen Kinsky. Stadt, Freiung 62. 

er Augustin Vinzenz Freiherr von, Se. Excellenz, Grosskreuz, k. k. wirkl. geheimer 
Rath, Feldzeugmeister. A. M. (20 11.) Wieden 103. 

„ Bach Dr. Alexander Freiherr von, Se. Exeellenz, Grosskreuz, k. k. wirkl. gehei- 


mer Rath, Minister des Innern. A. M. (10 fl.) Stadt, Wipplingerstrasse. 

HS Bajzatlı Michael von, k. k. Oberst. Stadt. 

"1857 Balbl Eduard von, k. k. Professor. Venedig. 

1856 Bauer Alexander, Dr. Ch., Assist. d. Chemie am k. k. polyt. Instit, Stadt, Kärthner- 
strasse 1049. 

1857| 20 Bauer Edmund, Gemeinderath, Direetor des stabilimento teenieo, Consul von Hayti 
und Buenos-Ayres, Triest. 

1856 Baumgartner Andreas Freiherr v., Se. Excellenz, Philos. Dr., Grosskreuz, k. k. wirkl. 
geheimer Rath, Präsident der K. A. W. A. MI. (15 fl.) Stadt, Seilerstätte 803. 

1857 "ae Anton, k.k. Hauptmann und Militär-Aerarial-Gebäude-Inspector. Wiener- 

eustadt, 


3 


=) 


40 


50 


60 


70 


Bersey de la Volta Stephan Freiherr von, Ritter des k.k. Maria Theresien Ordens, 
k. k. Oberst-Lieutenant, Stadt, Bauernmarkt 378. 

Beer Joseph G. Landstrasse 138. 

Beck Friedrich, Buchhändler. Stadt 603, 

Becker Moriz A., Phil. Dr., k. k. Schulrath. Landstrasse, Razumowskyg. 93. 

Bell Samuel, Seetionsrath im k. k. Ministerium des Innern. Landstrasse, Wagg. 662. 

Bergmann Joseph, Ritter, Custos im k. k. Münz- und Antiken-Cabinete. M. K. A. 
Landstrasse, unteres Belvedere 642. 

Bilhuber Hermann, Ch. Dr. Josephsdorf am Kahlenberge bei Wien. 

Blaha P. Franz, Pfarrer, Heraltitz, Mähren. 

Blumfeld Franz Seraphin Edler von, Comthur. Ministerialrath im k. k. Handelsmini- 
sterium. Stadt 136. 

Böhm Joseph Georg, Phil. Dr., Direetor der k. k. Sternwarte. Prag. 

Bonitz Hermann, Phil. Dr., k. k. Universitäts-Professor. M. K. A. Wieden 348. 

Boschan Friedrich, Med. Dr. Stadt, alt. Fleisehmarkt 702. 

Boschan Friedrich, k. k.priv. Grosshändler, Stadt, Tuehlauben, Gungel’sches Haus 437. 

Brachelll Hugo, Beamter im statist. Bureau des k. k. Handelsministeriums. Spittel- 
berg 134. 

Braumüller Wilhelm, Buehhändler. A. IM. (10 fl.) Stadt, Graben 567. 

Breuner-Enkevoirth Aug. Graf, k. k. Oberst-Erbland-Kämmerer. A. M. (12 fl.) Land- 

strasse Nr. 6. 

Brozowsky Wenz,, Viee-Director der Gremial-Handelssehule. Stadt, Tuchlauben 557. 

Bruck Karl Freiherr v., Se. Excellenz, Grosskreuz, k. k. wirkl. geheimer Rath, Finanz- 
Minister, A. MM. (10 fl.) Stadt, Himmelpfortgasse. 

Brujmann Wilhelm, k. k. Bergeommissär. Schmöllnitz. 

Brunner Joseph, Direetor des k. k. Ober-Gymnasiums zu Vinkovee. 

Brunner von Wattenwoyl Karl, k. k. Telegraphen-Director. 

Bubich Sigismund, Erzieher, Mariahilf 42. 

Bücker Dr. B. F., Informator in Plönen bei Takum in Kurland. 

Bühler Ernst, Ingenieur der k. k. a. priv. Kaiser Ferdinand’s Nordbahn, Prerau. 

Bunk Franz, Central-Direetor der freiherr]. Rothsehild’schen Eisenwerke. Wittko- 
witz, Mähren. 

Burckhardt Ulrich, Assistent an der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erd- 
magnetismus. Wieden 303. 

Burg Adam, Ritter von, k.k. Regierungsrath, Professor, M. K. A. Wieden 348. 

Bürger Johann. Währing Nr. 133. 

Busan Hermann v., Hofrath des k. k. Obersten Gerichtshofes. Stadt, hoh. Markt 512. 

Butterweck Karl. Alservorstadt. 127. 

Chmel Joseph, Se, Hochwürden, Chorherr zu St. Florian, Ritter, k. k. Regiernngs- 
rath, Viee-Direetor. M. K. A. Stadt, Teinfaltsstrasse. 73. 

Civelli Joseph, Besitzer der geographischen Anstalt in Mailand. 

Conrad Michael, Seetionsrath im k. k. Finanzministerium. Landstrasse, Rennweg 636 

Costa Ethbin Heinrich von, U. J. et Phil. Dr., Seeretär des histor. Vereins von Krain. 
Laybach. 

Cybulz Ignaz, k. k. Artillerie-Hauptmann und Professor an der k. k. Kriegsschule. 
Alservorstadt 144. 

Czedik von Bründlsberg Alois, k. k. Professor. Wieden, Favoritenstrasse 314. 

(zernin, Graf von Chudenitz Eugen, Se. Excellenz, k. k. wirkl. geheimer Rath. A. M. 
(25 fl.) Josephstadt, Glaeis 213. 

(zoernig Karl Freiherr von Czernhausen, U. J. Dr., Seetionschef im k. k. Handels- 
ministerium. ©. M. K.A. A. M. (10 fl.) Stadt, alter Fleischmarkt 690, 

Dauscher Anton, U. J. Dr. Pressbur g- 

Decker Karl, k. k. Kunstmeister in Jaworzno. 

Denk Anton, Stadt 571. 

Dolezal Anton, Revident im statistischen Bureau des k. k. Handelsministeriums. 

Drasenberger Joseph, k. k. Rechnungsrath. Landstrasse, Heumarktglaeis 498. 

Dreer Franz von, Doetor der Medizin. Triest. 

ERBE Julius, k. k. Hauptmann, Professor an der k. k. Artillerie- Akademie, 

Ilmütz. 

Egger Franz, U. J. Dr., k. k. Hof- und Geriehts-Advokat. Stadt, Wollzeile 776. 

Egger Alois, Professor am k. k. akademischen Ober - Gymnasium. Landsträsse, 
Hauptstrasse 2. 

Engelhardt Ignaz, Seetionsrath im k. k. Handelsministerium. 

Enk von der Burg Karl, k. k. Schulrath. Josephstadt 216. 


1857 
1356 


80 


90 


XV 


Ernuszt von Gerdovehak Emerich, Gutsbesitzer. Josephstadt 319. 

Eitingsbausen Constantin, Ritter von, Med. Dr., Professor an der k. k. medie, ehirurg. 
Josephs-Akademie. Alservorstadt 222 

Fablsch Joseph, k. k. Oberst, Direetor der k. k. Artillerie-Akademie. Ollmütz, 

Farkas von Vukotinovie, Gutsbesitzer. Agram. 
Velder Cnjetan, U. J. Dr., k.k.Hof- und Geriehts-Advokat. Stadt, Kohlmarkt 1149/50. 
Fenzl Eduard, Med. Dr., k. k. Universitäts-Professor, Direetor des k. k. botanischen 
Gartens. M. K. A. Landstrasse, Rennweg 698. { F 
Ficker Adolph, U. J. et Phil. Dr., Ministerial-Seeretär im k. k. Handelsministerium. 
Landstrasse, Hauptstrasse 370. 

Figdor Gustav, k. k. priv. Grosshändler. Jägerzeile 579. F ö 

Filippl Eduard, Ritter, Oberst-Lieutenant in der k. k. Marine-Artillerie, Seetions- 
ehef beim k. k. Marine-Commando. Triest. 

de Florl Franz. Professor an der k. k. Nautischen Akademie. Triest. N 

Fitzinger Leopold, Med. et Phil. Dr., Custos-Adjunkt am k. k. Hof-Naturalien - 
Cabinete. M. K. A. Wieden 64. & 

Fligely August von, Commandeur, k. k. General-Major, Direetor des k. k. militür 
geographischen Institutes. A. M. (20 fl.) 

Foetterle Franz, k. k. Bergrath. Landstrasse, Razumo wskygasse 93. 

Frankl Joseph Adam Paul, Med. Dr. Stadt, Weihburggasse 939. 

Frauenfeld Georg, Custos-Adjunkt am k. k. Hof-Naturalien-Cabinete. 

Friesach Karl von, Med. Dr. 

Fritsch Joseph, k. k. Zollbeamter. Zinnwald. 

Fritsch Karl, Adjunkt an der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagne- 
tismus ©. M. K. A. Wieden, Favoritenstrasse 303. 

Gabler Wilhelm, Phil. Dr, Rossau 199. 

Gabrlely Joseph von, Rechnungsrath im k. k. Handelsministerium. 

Ganahl Johann, Hauptmann im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 

Gatscher Albert, Se. Hochw., Capitular des Stiftes Schotten und k. k. Professor. 

Ghequier von Mely-Nadasd Paul Sigmund, Hofrath des k. k. Obersten Gerichtshofes, 
Laimgrube 184. 

Gigl Alexander, Biblietheks-Offizial im k. k. Ministerium des Innern. 

Gintl Wilhelm, Phil. Dr., k. k. Telegraphen-Direetor. C. M. K. A. Leopoldstadt 623. 

Glas! Karl, Professor an der k. k. Ober-Realschule am Schottenfeld. 

Gmelln Otto, Phil. Dr., Stadt, obere Bräunerstrasse 1136. 

Göhlert T. V., Ministerial-Coneipist im k. k. Ministerium des Innern. 

Gorlzutii Franz Freiherr v., k. k. Feldmarschall-Lieutenant, Truppen -Divisions- 
Commandant. Venedig. 


100 Götsch Georg, Wundarzt. Tsehars bei Naturns, Vintschgau in Tyrol. 


Grailich Joseph, Phil. Dr., k. k. ausserordentlicher Professor, Custos-Adjunkt am 
k. k. Hof-Mineralien-Cabinete. Landstrasse, Hauptstr. 286. 

Grimm Johann, Direetor der k. k. Montan-Lehranstalt. Pfibraın. 

Grün Dionys, k. k. Professor. Landstrasse 487. 

Grünne Ferdinand Graf, Ober-Lieutenant im k. k. Civalart Uhlanen- Regiment. 
Birnbaum nächst Lundenburg. 

Grüner Karl, Hauptmann im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 

Guggeuberger Ignaz Martin, k. k. Hauptmann. Wieden 376. 

@uggenthal Vietor von, k. k. Major, Vorstand der k. k. Kriegs-Bibliothek. 

Ye Ludwig, Ritter von, Viee-Präsident der k. k. Central-See-Behörde 

riest. 

Haecker C. Friedrich, Reamter der k. k. priv. Credit-Anstalt. Landstrasse, Wag- 

gasse 663. 


110 Haldinger Eugen, k. k. priv. Fabriksbesitzer. Ellbogen. 


Haidinger Rudolph, k. k. priv. Fabriksbesitzer. Ellbogen. 

Haldinger Wilhelm, Ritter, k. k. Seetionsrath, Direetor der k. k. geologischen 
Reichsanstalt. M. K. A. Landstrasse, Ungergasse 363. 

Hankenberg Theodor, Ritter von. Stadt, Bürgerspital. 

Harmat Anton, Revident im statist. Bureau des k.k. Handelsministeriums. Landstr. 337. 

Hartinger Anton, Lithograph. Mariahilf. 

Hartinger August, Lithograph. Mariahilf. 

Nartnigg Paul, Bergwerks-Beamter der Venetianischen Bergbau-Gesellschaft. Sape 
pada bei Auronzo. 

Haueis Emil, Lehramts-Candidat, Landstrasse 533, 


XV 
Eintr. 
„Jahr. 


1856) 120 Hauer Franz Ritter von, k. k. Bergrath. Landstrasse, ©. M. K. A. Lagergasse 744., 


Hauer Joseph Ritter von, Se. Excellenz, k. k. wirkl. geheimer Rath. A. IT. (10 fl.) 
Landstrasse, Hauptstrasse 279. 

Hauer Julius Ritter von, k. k. Maschinen-Inspeetors-Adjunkt. Landstrasse 279. 

Hauer Karl Ritter von, k. k. Hauptmann und Vorstand des ehemischen Laboratoriums 
der k. k geologischen Reichsanstalt. Landstrasse, Ungergasse 375. 

Hauke, Direetor der Handels-Akademie. 

Heine Gustav, Redaeteur des Fremdenblattes. Stadt, Wollzeile 774. 

Heinrich Alois, Seeretär des niederösterreiehischen Gewerbe-Vereines. 

Heinzel Ferdinand, k. k. Post-Controlor. 

Heisler Ferdinand von, U. J. Dr., Senats-Präsident des k. k. Obersten Geriehts- 
hofes. Stadt, Singerstrasse 896. 

Helfert Alexander Freiherr von. U. J. Dr., Unter-Staatsseeretär im k. k. Ministerium 
für Cultus und Unterricht, Stadt, Wollzeil 769. 


130 Heller Karl, Professor am k. k. Theresianum. 


Hengelmüller Mich., Hofrath des k. k. Obersten Gerichtshofes. Stadt, neuen Markt 1053. 

Hepites Alexander Constantin von. Stadt, Bürgerspital. 

Hepites Georg v., Med. Dr. Stadt, Bürgerspital. 

Hess Heinrich Freiherr von, Se. Excellenz, Grosskreuz, k. k. wirkl. geheimer Ratlı, 
Feldzeugmeister. Stadt 1073. 

Hessler Ferdinand, Phil. Dr., k. k. Professor. C. M. K. A. Neue Wieden 775. 

Heufler zu Rasen und Perdonegg Ludwig Ritter von, k. k. wirkl. Kämmerer, Seetions- 
rath im k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht. Landstrasse 747. 

Hieber Carlmann, Phil. Dr., Direetor des k. k. Ober-Gymnasiums. Gratz. 

Hierschel Joachim, Ritter, Ingenieur. Stadt, untere Bräunerstrasse 1130. 

Bietzinger Karl Freiherr von, Se. Exeellenz, k. k. wirkl. geheimer Rath, Reichsrath. 
Stadt 548. 


140 Hingenau Otto Freiherr von, k. k. wirkl. Kämmerer, k. k. Bergrath, Professor. Stadt, 


Seilerstätte 804. 
Hirtenfeld J. N., Redaeteur der Militär-Zeitung. Rossau 127. 
Hocheder Johann Karl, Ministerial-Seeretär im k. k. Finanz-Ministerium. 
Hochstetter Ferdinand, Phil. Dr., Geolog der k. k. geologischen Reichsanstalt. 
Hochstetter Karl, Fabriksbesitzer. Hrusehau, Mähren. 
Bock Karl, Ritter von, Phil. Dr., Seetionschef im k. k. Fınanzministerium. Stadt, unt. 
Bäcker strasse 746. 
Hofer Joseph, Professor an der k. k. Realschule in der Leopoldstadt. Leopoldst. 185. 
Hofler Joseph, Beamter bei der Dampfsehiffahrts-Gesellschaft. Alservorstadt 15. 
Hoflinger Johann Baptist von, U. J. Dr., Hof- und Gerichts-Advokat. Stadt 785. 
Hoffmann Leopold von, k. k. Hof- und Ministerial-Seeretär. Stadt Nr. 753. 


150 Högelsberger Karl, Professor an der k. k. Ober-Realsehule auf der Landstrasse 


Landstrasse, Gemeindegasse 74. 

Bolenia Edmund, Gutsbesitzer. Egendorf, Ober-Oesterreich. 

Hölzel Eduard, Buch- und Kunsthändler. Ollmütz. 

Hopfner Johann, Erzieher bei Sr. Durchlaueht dem regierenden Fürsten von Liechten- 
stein. Stadt Nr. 44. 

Hörnes Moriz, Phil. Dr., Ritter, Direetor des k. k. Hof-Mineralien-Cabinets. 

Hornig Emil, Professor an der k. k. Ober-Realschule auf der Landstra®se, Stadt, 
Wallfischgasse 1020. 

Hornstein Karl, Phil. Dr., Adjunkt an der k. k. Universitüts-Sternwarte. €. M. K. A. 

Hovanyi Franz, Se. Hochw., Domherr v. Grosswardein. Stadt, Bürgerspital. 

Iruby Franz, k. k. Catastral-Archivar, Alservorstadt 210. 

Hruby Karl, k. k. Gensd’armerie-Lieutenant. 


160 Hruby Moriz, Ober-Lieutenant im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 


Hügel Karl Freiherr von, Se. Exeellenz, Grosskreuz, k. k. wirkl. geh. Rath, ausseror- 
dentlieher Gesandter und bevollmächtigter Minister. A. MR. (10 fl.) Florenz. 

Jan Georg, Direetor des städtischen Museums. Mailand. 

Jilly Gustav, Professor am k. k. Ober-Gymnasium. Ollmütz. 

Jokely Johann, Geolog an der k. k. geologischen Reichsanstalt. 

Kafka Eduard, U. J. Dr., k. k. Hof- und Gerichtsadvocat. Stadt, Wollzeile. 

Kaiser Johann Nepomuk, Ritter, k. k. Universitäts-Professor. Landstrasse 304. 

Keler Sigmund von, Hauptmann im k. k. General-Quartiermeister-Stabe. 

Kerner Anton, Med. Dr., Professor am k. k. Josephs-Polytechnikum. Ofen. 

Kintz! Leopold, k. k. General-Major, Alservorstadt, Glaeis 200. 


XVvI 


1856| 170 Kiraly Jos. Paul, Director des evangelischen Ober-Gymnasiums. Oedenburg. 
1857 Kluger von Teschenberg Adolph, Hauptmann im k. k. General-Quartiermeister-Stabe, 
Pest. 
1558 Klun Vincenz Dr. Phil., Professor an der Handels-Akademie. 
1857 Koczlezka Wenzel, Hauptmann im k.k. Lin. Inf. Reg. Erzh. Wilhelm Nr. 12, Professor 
am k. k. Cudetten-Institute. Krakau, 
1886 Kögler Wilhelm. k. k. Professor. Prag. 
Fr Koilstka Karl, k. k. Professor am st. Polytechnieum. Prag. 
1857 Kornhuber Gustav Andreas, Med. et Phil. Dr., Professor an der Ober-Realschule. 
Pressburg. 
1858 Kotschy Oscar, Pfarrer. Bistritz, Schlesien. 
1856 Kotschy Dr. Theodor, Custos-Adjunkt am k. k. botanischen Hof-Cabinet. Josefsstadt, 
Roferanogasse 78. 
1857 Kralnsky Alois Ritter von, Hauptmann im k. k. Lin. Inf. Reg. Erzh. Stephan Nr. 58. 
„ | 180 Krasicki Kasimir Graf. A. M. (10 fl.) Lemberg. 
1856 Kreil Karl, Phil. Dr., Direetor der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erd- 
magnetismus. M. K. A. Wieden, Favoritenstrasse 303. 
1857 Kriehuber Ludwig. Alte Wieden, Schmölerlgasse. 
1858 Kronenfels Johann Ritter von, Lieutenant im k. k. Lin. Inf. Regimente Grossherzog 
von Baden Nr. 50. Czernowitz. 
1857 Krumhaar Joseph, Ministerial-Conzipist im k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht. 
1856 Krziwanek Franz, k. k. Ober-Lieutenant, Professor an der k. k. Militär-Akademie. 
Wiener-Neustadt, 
1857 Kubinyl August von, k. k. Rath, Direetor des ungarischen National-Museums. Pest. 
3 Kubinyi Franz von, Gutsbesitzer. Pest. 
1858 Kukula Wilhelm, Professor an der k. k. Ober-Realschule. Laybach. 
1857 Kunesch Adalbert, Se. Hochw., Professor an der k. k. Nautischen Akademie. Triest. 
1856| 190 Kunzek August, k. k. Universitäts-Professor. €. M. K. A. Erdberg 108. 
1857 Kupferschmidt Adolph, k. k. Salinen-Cassa-Offizial. Bochnia. 
1858 Kurz Eduard, Lehramts-Candidat. Laimgrube 99. 
1856 Lanckoronski- Brzezie Kasimir Graf, k. k. wirkl. Kämmerer. A. M. (25 fl.) Stadt, 
Schenkenstrasse 51. 
185% Langner Julius, Hauptmann im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 
1856 Lanza Franz, Med. Dr., Professor am k. k. Ober-Gymnasium. Spalato. 
1857 Lens Louis Guislain de, Seeretär der Galizischen Karl-Ludwigs-Bahn. Stadt 903, 
1856 Lerch Johann, Med. et Phil. Dr. Leopoldstadt 675. 
„ Lewynski Heinrich, Se. Hochw., Professor am k. k. Ober-Gymnasium. Lemberg. 
„ Leydolt Franz, Med. Dr., Professor am k. k. polytechnischen Institute. M. K. A. 
Landstrasse, Heumarkt-Glaeis 500. 
1857| 200 Liebenberg Emil Ritter von, Major im k. k. Lin. Inf. Regimente Nr. 11. Mailand. 
1856 Liebener Leonhard, k. k. Ober-Baudireetor. Innsbruck. 
1858 Lindenberg Louis, Fabriksbesitzer. 
1856 Lipold Mareus Vincenz, k. k. Bergrath. Landstrasse, Waggasse 665. 
1857 Littrow Heinrich von, k. k. Fregatten-Capitain, Direetor der k.k. Handels- und 
Nautischen Akademie. Triest. 
„ Locher Franz, Phil. Dr., Professor. Ellwangen, Würtemberg. 
» Löwenthal J., Redacteur der Oesterreichischen Zeitung. 
1856 Luby Caspar E., Bauverwalter. A. WM. (10 fl.) Landstrasse 236. 
„ Lukas Franz, Phil. Dr., Assistent an der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und 
Erdmagnetismus. Wieden 303. 
1857 Malaguzzi de Valerj Alexander Graf. Venedig. 
» |210 Marck Franz, Professor am k. k. Ober-Gymnasium. Vinkovee, Militärgränze, 
1856 Marenholz K. Th. Ferdinand Freiherr von, k. k. Ober-Lieutenant, Professor an der 
k. k. Militär-Akademie. Wiener-Neustadt. 
1857 Marleni Jacob, Oberst im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 
1856 Marschall auf Burgholzhausen August Friedrich Graf, Erbmarschall in Thüringen, 
k. k. w. Kämmerer, Archivar der k. k. geolog. Reichsanstalt. Stadt, Wollzeile 789. 
1857 Matkovic Peter, Se. Hochw., Professor am k. k. Ober-Gymnasium. Warasdin. 
» Matzenauer Joseph, Piaristen-Ordens-Priester. 
1856 Mayer Karl, Erzieher bei Herrn Grafen Hardegg. Freiung. 


„ Mayr Gustav, Med. Dr., k. k. Professor. Pest. 
Menhardt Johann, Beamter im statist. Bureau desk. k. Handelsministeriums. Wieden 487. 
1857 Meszäros Gustav von, Hauptmann im k. k. General-Quartiermeister-Stabe. Alser- 


vorstadt, Schlösselgasse 318, 
u 


XV 
Fintr, 
Jahr. 


N 


‚1856/220 Metternich-Winneburg Clemens Wenzel Lothar Fürst von, Se. Durchlaucht, Ritter 


1857 
1856 


1857 
1858 
1856 
1858 
1856 


des goldenen Vliesses. Landstrasse, Rennweg. 
Migerka. U. J. Dr. Venedig. 
Miller August von und zu Aichholz. A. M. (20 f.) Stadt, Plankengasse 1111. 
Miller Franz von und zu Aichholz. Hruscehau, Mähren. 
Miller Vineenz von und zu Aichholz. Stadt, Plankengasse 1111. 
Molin Raphael, Med. Dr., Professor an der k. k. Universiät. Padua. 
Morelli Hadrian, k. k. Corvetten-Capitain. Triest. 
Much Mathias, k. k. Finanz-Coneipist. Temesvar. 
Mündel Joseph, Seetionsrath im k. k. Finanz-Ministerium. Alservorstadt 319. 
Muszynski Karl, Hauptmann im k. k. Militär-Ingenieur Geographen-Corps. 


1857| 230 Muth Alexander v., k. k. Landesgerichts-Seeretär. Stadt, alt. Fleischmarkt 696. 


1858 


1857 


Nardi Franz, Dr., Se Hochw. Rom. 

Nemethy Joseph von, Hauptmann im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 

Neumann Franz, Jurist, Stadt, Annag. 995. 

Neumann Julius, Ober-Lieutenant im k. k. Flotillen-Korps, zugetheilt beim k. k. 
General-Quartiermeister-Stabe. 

Obermüller Ignaz, Professor an der städtischen Ober-Realsehule. Pressburg. 

Ortmann Johann, k. k. Reehnungs-Offizial. Landstrasse 351. 

Palacky Johann, Docent an der k. k. Universität. Prag. 

Pasetti Florian Ritter von, Ministerialrath im k. k. Handelsministerium. 

Patera Adolph, k. k. Reichs-Chemiker. Joachimsthal, Böhmen. 


1857 240 Pattloch Otto, Opalgruben-Inspeetor. Dubnik, Ungarn. 


1858 
1857 


1855 
1856 


1858 
1857 


Pechmann Eduard, Ritter, Major im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 
Peters Karl, Med. Dr., Professor an der k. k. Universität. P est. 

Petz Eduard, Hauptmann im k. k. Kriegs-Archiv. 

Pick Hermann, Phil. Dr., Professor am k. k. akad. Ober-Gymnasium. Stadt 594. 
Pierre Vietor, Phil. Dr., Professor an der k. k Universität. Prag. 

Pipitz Dr. F. E., Redaeteur der Tiester-Zeitung. Triest. 

Pittoni Joseph Claudius, Ritter von Dannenfeldt, k. k. Truchsess. Gratz. 

Pirona Julius, Med. Dr., Professor am k. k. Lyeeal-Gymnasium, Udine. 

Pleischl Adolph Martin, Ritter, k. k. Regierunsgrath. Alservorstadt 109. 


‚ | 250 Pohl Joseph, Chem. Dr., Professor am k. k. polyteehnischen Institute. Wieden A62. 


Pokoruy Alois, Med. Dr., Professor am k. k. akad. Ober-Gymnasium. Stadt 74. 

Poszyek Gustav, Professor am evangelischen Ober-Gymnasium, Oedenburg. 

Poiyka Theodor, Ingenieur-Assistent der k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn. 

Pratobevera-Wiesborn Adolph Freiherr von, Hofrath des k. k. Obersten Gerichts- und 
Cassationshofes. 

Proschko Fr. Isidor, U. J. Dr., k. k. Ober-Polizei-Commissär. Linz. 

Radonetz Eduard, k. k. Linienschifls-Lieutenant. Triest. 

Raflelsberger Franz, Eigenthümer der k. k, a. pr. typo-geographischen Kunstanstalf. 
Alservorstadt, Quergasse 349, 

Rakovszky Stephan von, Gutsbesitzer. Pressburg. 

Ratzesberg Ludwig Ritter von, Bürgerspital. 


1856| 260 Reichenbach Karl Freih. v., Phil. Dr. ©. M. K. A, Schloss Reisenberg nächst Wien. 


Reissek Siegfried, Med. Dr., Custos-Adjunkt im k. k. botanischen Hof-Museum. 
€. M.K. A. Landstrasse 408. 

Repitsch Johann, Lehramts-Candidat. Landstrasse 328. 

Reslhuber Augustin, Se.Hochw., C.M.K.A.Direetor der Sternwarte. Kremsmünster. 

Reuss August Emil, Ritter, Professor an der k. k. Universät. M. K. A. Prag. 

Richthofen Ferdinand Freiherr v., Phil. Dr., Geolog an der k. k. geolog. Reichsanstalt. 

Riedwald Max von. Miehelbeuerngrund Nr. 38/41. 

Robert Justin, k. k. priv. Fabriksbesitzer. Oberalm bei Hallein, Salzburg. 

Rochleder Friedrich, Med. Dr., Professor an der k. k. Universität. M. K. A. Prag. 

Robiati Mathias Ambrosius Dr., Professor an der k. k. Ober-Realschule. Mailand. 


1857| 270 Rolle Friedrich, Phil. Dr., Assistent am k. k. Hof-Mineralien-Cabinete. 


Rossiwal Joseph, Revident im statistischen Bureau des k. k. Handelsministeriums. 

Rösler Maximilian, Professor an der k. k. Ober-Realschule auf der Landstrasse. 

Rueber Ignaz Edler v., Oberstlieutenant im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 

Russegger Joseph Ritter von, k. k. Ministerialrath, Vorstand der k. k. Berg-, Forst- 
und Güler-Direetion €. M.K. A. Schemnitz. 

Ruthner Anton von, J. U. Dr., k. k. Hof- und Gerichts-Advokat, Stadt 597. 

Sacken Theodor Freiherr von, k. k. Landesgerichtsrath. 

Safran Emanuel] Freiherr von, Oberst im k. k. Adjutanten-Korps. 


1856 


”„ 
1857 
1856 
1858 
1856 


1858 
1856 
1858 
1856 
1857 
1856 
1857 
1856 


1857 
1856 


XIX 


Salm- Reifferscheidt-Krauthelm Hugo, Se. Durchlaucht Fürst von, Ritter des goldenen 
Vliesses, k. k. Reichsrath. Landstrasse. Razumowskygasse 74. 
Salzbacher Joseph, Se. Hochw., Theol. Dr.,Domherr und Capitular-Prälatzu St. Stephan. 


280 Sapleha Leo, Se. Durchlaucht Fürst von, Stadt 903. 


Sauer Franz, Lehrer der Unter-Realschule zu St Theela auf der Wieden. 

Schabus Jacob, Professor an der k. k Ober-Realschule am Schottenfeld.. 

Schäffer Julius Ritter von, Ingenieur der kk. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn. 

Schallhammer Michael, Reichsritter, k. k. Post-Controlor. Oedenburg. 

Schaub Franz, Phil. Dr. Direetor der k. k. Marine-Sternwarte. Triest. 

Schauensteln Anton, k. k. Berg-Commissär und Docent des Bergreehtes an der k. k. 
Berg- und Forst-Akademie. Sehemnitz. 

Scheda Joseph, Major im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Korps. 

Schefezik Anton, Ingenieur der k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn. 

Scherzer Karl, Phil. Dr. 


290 Schlimmer Gustav Adolph, Revident im statist. Bureau des k. k. Handelsministeriums. 


Schindler Gustav, Ritter, Oberst im k. k. Genie-Corps und General - Archivs- 
Direetor. Wieden 210. 

Schleicher Wilhelm, Gresten, Nied. Oesterreich. 

Schmerling Anton Ritter von, Se. Excellenz, k. k. geh. Rath, Präsident des k. k. 
Obersten Gerichtshofes. 

Schmid, Erzieher bei Herrn Grafen Wilezek. Stadt. 

Schmid! Adolph, Phil. Dr., Professor am k. k. Polytechnieum. Ofen. 

Schmidt Julius, Phil. Dr., Direetor der königl. Sternwarte, Athen, 

Schmidt Wilhelm. Phil. Dr. Augsburg. 

Schmitt Augustin, k. k. Professor. Gumpendorf Nr. 394. 

Schober Johann, Direetor der Realschule. Leopoldstadt. 


300 Scholz Anton, Med. Dr. Prag. 


Schorn Adolph, k.k. Ober-Lieutenant, Professoram k.k. Cadetten-Institute. Krakau. 
Schott Heinrich, k. k. Hofgarten- und Menagerie-Direetor. C.M.K.A. Schönbrunn. 
Schröckinger Julius Ritter von Neudenberg, k. k. Ministerial-Seeretär. Wieden 378. 
Schrötter Dr. Anton, Professor am k.k, polyteehnisehen Institute, M.K.A. Wieden 51. 
Schubert W., Direetor der evangelischen Lehranstalt, Obersehützen, Ungarn. 
Schwarz Karl, Ingenieur-Assistent der k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nor dbahn. 
Schwarz Franz, Med, Dr., Chefarzt im k, k. Hospital. Constantinopel. 

Schwarz Georg, Commandeur. Stadt, Graben 1122. 

Schwarz Gustav Edler von Mohrenstern. A. MI (15 fl,) Jägerzeile Nr. 47, 


310 Schwenda Julius, k. k. Professor an der k. k, Ober-Realsehule a. d. Landstrasse. 


Schweiz W. August, Se. Hochw., k.k. Professor. Josephstadt im h. Piaristen-Collegium. 

Sedlaczek Ernst, Ober-Lieutenant im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 

Seldel J. W., Buchhändler. Stadt, Graben. 

Seldl Johann G. Ritter, k. k. Schatzmeister und Custos am k, k, Münz- und Antiken- 
Cabinete. M, K. A. Alservorstadt 149. 

Sellgmann Franz, Med. Dr‘, k. k. Professor. Stadt 153. 

Seligmann F. A., Med. Dr., k. k. Fregatten-Arzt. Triest. 

Senft Eduard, U. J. Dr., k. k. Geriehts-Adjunkt. Auspitz, Mähren. 

Seybel Emil, k. k. priv. Fabriksbesitzer. Wieden. 

Seydl Mathias, Major im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Oorps. 


320 Simony Friedrich, k. k. Universitäts-Professor. Landstrasse, Waggasse 508. 


Simiginowiez Franz, k. k. Professor. Czernowitz. 

Sommaruga Franz Freiherr von, Seetionsrath im k.k. Finanzministerium, Hoher Markt511. 
Sonderlelthner Georg, Concepts-Adjunkt bei der k. k. Obersten Polizei-Behörde. 
Sonklar v. Innstätten Karl, Major im k. k. Lin. Inf. Reg. Nr. 16. Wiener-Neustadt. 
Spaur Anton Ritter von, Stadt 152. 

Stein Lorenz, k. k, Universitäts-Professor. Leopoldstadt 656. 

Steinhauser Anton, k. k. Rath. Stadt 1072. 

Stift Freiherr von, Stadt 833. 

Streffleur Valentin, Seetionsrath im k. k. Finanzministerium. Landstrasse 747, 


330 Stulebner Eduard. Stadt 342. 


Stur Dionys Geolog an der k. k. geolog. Reichsanstalt. 

Suess Eduard, k. k. Universitäts-Professor, erster Custos-Adjunkt am k. k. Hof- 
Mineralien-Cabinete. 

Szita Alexander, Se. Hochw., Direetor des k. k. Ober-Gymnsiums. Keszthely. 

Teirich Valentin, Phil. Dr,, Direetor der Ober-Realschule auf der Wieden, 


1857 Temple Rudolph, Ober-Lieutenant im k. k. Lin. Inf. Regimente Prinz Friedrich Wil- 
helm von Preussen Nr. 20. Pest. 
1856 Tkalac Emerich Ignaz von, Phil. Dr., Seeretär der Handels-Kammer. Agram. 
4 Tkalec Jacob Franz, Professor am k. k. Ober-Gymnasium. Agram. 
1857 Trotter Vietor, U. J. Dr. 
1856 Tschudi Johann Jacob v., Med. Dr. ©.M.K. A. Jaeoberhof bei Edlitz, Nied. Oest. 


„ Turesänyl Adolph, k. k. Professor. Oedenburg. 
»„ | 340 Turezmanowiez Paul, Gruben-Mitgehilfe bei der k. k. Salinen-Berg - Verwaltung, 
Bochnia. 
1857 Uranitsch Anton, Phil. Dr., Seeretär der Handels-Kammer. Laybach. 
1856 Urlinger Paul, Se. Hochw, Benefiziat. Gresten, Nied. Oesterreich. 
” Yacani de Monte Olivo Camill Freiherr von, Se. Excellenz, k. k. w. Geh. Rath, Com- 


mandeur, k. k. Feldmarscehall-Lieutenant. Mailand. 
1856 Vanicek Franz, k. k. Professor am Ober-Gymnasium. Vinkovee, Militärgränze. 
1856 Velgl Joseph, Hauptmann im k. k. Militär-Ingenieur-Geographen-Corps. 


1857 Wagner Ferdinand, Direetor der Realschule in der Jägerzeile. 
1856 Waibel Georg, Med. Dr. Rossau 112. 
- Walland Ignaz, General-Agent für Eisen-Industrie. Stadt 300. 
” Warhanek Wilhelm, Professor an der k. k. Ober-Realschule. Landstrasse 109. 
„» |350 Wawra Heinrich, Med. Dr., k. k. Marine-Oberarzt. Triest. 
5 Weiss Adolph. Landstrasse 487. 
= Weiss Edmund. Landstrasse 487. 
= Werner Joseph, Freiherr von, Se. Excellenz, k. k. wirkl. geheimer Rath, Unter- 


Staatsseeretär im k. k. Ministerium des Aeussern. Stadt 801. 
1857 Wilczek Johann Graf von, k. k. wirkl. Kämmerer, Stadt 26. 
1856 Wilczek Heinrich Graf von, k, k. wirkl. Kämmerer, Szemered, Ungarn. 
1858 Wilkens ©. F., Handelsmann, 
> Wissiagg Johann, k. k. Landesgerichtsrath. Pressburg, 
1857 Wittmann Alois Ritter von, k. k. Gubernialrath, Direetor des österr. Lloyd. Triest. 
1856 Wohlmann Bruno, Phil. Dr., Erzieher bei Herrn Grafen Hoyos, Alservorstadt 200, 
1858! 360 Woldrich Dr. Johann Nep., Lehramts-Candidat. 
1856 Wolf Heinrich, Geolog an der k. k, geologischen Reichsanstalt. 


x Wüllerstorf und Urbair Bernhard v. Commodore, k, k. Linienschiffs-Capitän. Triest. 
” Würtenberger Franz, k, k. Oberfaetor. Steyer, 
1857 Laufall Franz, Hauptmann im k, k, Militär- Ingenieur-Geographen-Corps. 


begladowiez Titus, Ritter, Se. Hochw., k. k. Professor, Bochnia, 
1856 Lelthammer Anton, Professor am k, k. Ober-Gymnasium, Agram. 
a Zepharovich Vietor, Ritter von, k, k. Universitäts-Professor. Krakau. 
1857 Zerenner Karl, Phil. Dr. Coburg. 
» Ziegl Joseph, Lehrer an der Unter-Realsehule in der Leopoldstadt. 
» | 370 Zeuschner Ludwig. Warschau. 
5 Zhishman Anton Eduard, Professor an der k. k. Handels- und Nautischen Akademie. 
Triest. 
1856 Zhishman Joseph, Phil. Dr., Professor am k. k. Theresianum. Wieden 265. 
1857| 374 Zwach Martin, Ministerialseeretär im k. k. Handelsministerium. 


Die Gesellschaft verlor durch den Tod folgende 
Ehren-Mitglieder : 

Brown Dr. Robert, Mitglied der königl. Gesellschaft, Viee-Präsident der Linne’schen Gesell- 

sehaft, London. 
Kuoblecher Dr. Ignaz, Se. Hochw., apost. Provicar in Chartum. 
Pfeiffer Ida geborne Peyer in Wien. 

Correspondirende Mitglieder : 
Perihes Bernhard, Besitzer der geographischen Anstalt. Gotha. 
Reguly Ant. v., Custos an der k, k. Universitäts-Bibliothek. Pest, 
Rivero Mariano de, Geschäftsträger der Republik Peru. Brüssel. 
Ordentliche Mitglieder: 

Fitzinger Gottfried, Reetor im Piaristen- Orden, Direetor der Haupt- und Unter-Realschule 

bei St. Theela auf der Wieden, Wien. 
Porth Emil. Wien, 
Reden Friedrieh Wilhelm Freiherr, Dr. Wien. 
Ldobinsky Wilhelm, Realschul-Lehrer, Gumpendorf, Wien. 


XXl 


Verzeichniss 


der an die k. k. geographische Gesellschaft im Vereinsjahre 1858 
eingegangenen Bücher, Karten ete. 
1. Bücher. 


Europa. 


Bauer Edmund. Ausflug nach Griechenland. Flüchtige Reise-Notizen. Triest 1858 
Vom Verfasser. — Brachelli H. Fr. Deutsche Staatenkunde. Ein Handbuch der Statistik des 
‚deutschen Bundes und seiner Staaten mit Einschluss der nicht deutschen Provinzen Oester- 
veichs und Preussens. Il, Wien 1857. Vom Verfasser, — Demidofl Fürst Anatol. Reise 
nach dein südlichen Russland und der Krimm durch Ungarn, die Walachei und die Moldau 
im Jahre 1837. Nach der 2. Auflage übersetzt von J. F. Neugebaur. I. II. 1854. Breslau. 
Vom Verfasser. — Hessen Grossherzogthum. Beiträge zur Landes-, Volks- und Staatskunde. 
I. II. Darmstadt 1850— 1853. Von der Ges. f. Erdk. in Darmstadt. — Hietzinger C. B. Edl. v. 
Statistik der Militärgränze des österr. Kaiserthums. 3 Bände. Wien 1817—1821. Vom 
Verfasser. — Hornyansky Vietor. Geographisches Lexicon des Königreichs Ungarn und der 
serbischen Wojwodschaft mit dem Temeser Banate. Ein Hilfsbuch für Behörden, Postämnter, 
Advocatenete. Heft 1—5. Wien 1857— 1858. — (ivelli Josef. Dizionario corografieo universale. 
I—V. Milano 1854—1857. Vom Verfasser. — Koeppen Peter. AGBATAA PEBU3IA 
HEGABAEBANIE O YHGAE KHTEAECH Kb POGGIH 1851. (Untersuchungen über die 
Bewohnerzahl Russlands im Jahre 1851. St. Petersburg 1857.) Vom Verfasser. — Koilstka 
Karl. Ueber einige im Zwittawaer-Thale und im südwestlichen Mähren ausgeführte Höhen- 
ımessungen. Wien 1854. Studien über die Methoden und die Benützung hypsometrischer 
Arbeiten nachgewiesen aus den Niveau-Verhältnissen der Umgebungen von Prag. Gotha 
1858. Vom Verfasser. — Lorenz Dr. Joseph R. Vergleichende orographisch - hydrogra- 
phische Untersuchung der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach, der 
Enns und der Mur oder im Pinzgau, Pongau und Lungau. Wien 1854. Vom Verfasser. — 
v. Posch Joseph. Alphabetisches Verzeichniss aller Ortschaften des Grossfürstenthums Sieben- 
bürgen in ungarischer, romanischer und deutscher Sprache. Klausenburg 1855. Von der dor- 
tigen Hand. Kammer. — Riedwald Maximilian von. Allgemeine politische Geographie und Sta- 
tistik mit besonderer Rücksicht für das österreichische Militär. 2 W. Wien 1856. Vom Ver- 
fasser. — Ruthner Dr. Anton v. Die Alpenländer Oesterreichs und die Schweiz. Wien 1843. 
Vom Verfasser. — Schmitt F. Industrie-Statistik der österreichischen Monarchie für das Jahr 
1856. I. Wien1857. Von Herrn Freiherrn v. Czoernig. — Schmutz Karl. Historisch topo- 
graphisches Lexicon von Steiermark. I—IV. 1822/23. Vom Verfasser. — Toeppen Dr. M. 
Historisch comparative Geographie von Preussen, mit Atlas, Gotha 1858. Von J.Perthes 
geogr. Anstalt. — Topographia Provinciarum austriacarum Austriae, Styriae ... das ist Be- 
schreibung und Abbildung ete. Vom Hrn. k. k. Bergrath Foetterle. — Wien. Statistik 
der Stadt Wien. Herausgegeben von dem Präsidium des Gemeinderathes und Magistrats. 
Probeheft. Wien 1857. Vom k. k, Seetionschef Freiherrn v. Czoernig. 


Afrika 
Aucapitalne Le Baron Henry. Le pays etla Soei&t& Kabyle. (Expedition de 1857.) Paris 
1857. Vom Hrn. Malte Brun. — Belirame Don Giovanni. Lettera sceritta dall’Africa cen- 


trale con annotazioni dell’ Ab. Prof. Fr. Nardi Padova 1858. Vom Prof. Nardi. — Cherhon- 
neau A. Relation du Voyage de M.le Capitain de Bonnemain a Dämes. Paris. 1857. Vom 
Hrn. Malte Brun. — (uny Ch. Observations gen&rales sur le memoire sur le Soudan de M. 
le Comte d’Escayrac de Lauture. Paris 1858. Vom Hrn. Malte Brun. — Drumond Hay H. 
John. Western Barbary its wild tribel and salvage annimals. New Edition, London 1853. 
Vom Hrn. Prof. Ant. Zeithammer. — Dupin Charles Baron. Rapport ä I’ Academie des 
sciences. 1858. Vom Herrn k.k. Seetionsrathe W. Sehwarz. — v. Heuglin Theodor. 
Reisen in Nordost-Afriea. Tagebuch einer Reise von Chartum nach Abyssinien mit 
besonderer Rücksicht auf Zoologie und Geographie unternommen im Jahre 1852/53. 
Gotha 1857. Von J. Perthes geograph. Anstalt. — v. Kremer Alfred. Vortrag über ein vor- 
gelegtes Druckwerk: deseription del’Afrique par un arabe anonyme du VI, Sieele de l’Hegyre, 
Wien 1852. — Schreiben au die kais.Academie aus Cairo 25. März 1351. Description de 
l"Afrique par un geographe du VI.Siecle de I’ Hegyre. 1852. Vom Verfasser. — Leander Rich. 
u. Joh. Reise in Africa zur Erforschung des Nigers und seiner Mündung. Aus dem Engli- 
schen von *,I—UI. Leipzig 1833. — Livingstone Dav. Missionary travels and researches 
in South Africa. London 1857. — Magyar Ladislaıus Reiseskizzen. (Aus den Zeitungen.) 


XXl 


— Malte Brun V. A. Resum& historique des explorations faites dans l’ Afrique australe de 1849 
a 1856 parleRev. Dr. Livingstone. Paris 1857. R&sume& historique de la grande exploration 
de I’ Afrique centrale faite de 1850 a 1855 par Richardson, Barth, Overweg ete. Paris 
1856. Notice geographique et historique sur la Nouvelle Caledonie, deeret6e colonie 
frangaise en Septembre 1853. Paris 1854. Notice sur les decouvertes recentes des Missionaires 
anglais dans l’Afrique equatoriale et sur l’existence de plusieurs grands lacs dans l’interieur 
de Continent; suivi du memoire du R. J. Erhardt. Paris 1856. Vom Verfasser. — Merrecau 
Paul. L’Egypte contemporaine 1840—1857 de Mehemet-Ali a Said Pascha. Paris 1858. Vom 
k. k. Ministerialrath R. v. Negrelli. — Mittheilungen neueste aus Africa von Cruicksbank, 
Galton, Hecequard und Richardson. Leipzig 2. Band. — Paleocapa Pietro. Con- 
siderazioni sulle ultime publicazioni relative alle opinioni espresse in Parlamento dal Sign. 
Stephenson sul taglio dell’ Istmo di Suez e osservazioni sulle lettere del Sign. Mac Clear e 
Marby. Torino 1858. Vom Verfasser. Salt Heinrich. Neue Reise nach Abyssinien in den 
Jahren 1809—1810. Aus dem Englischen und mit Anmerkungen begleitet von Fr. Richs. 
Weimar 1815. Vom Hrn. Prof. Zeithammer. — Schirren C. Der Njandsha und die hydro- 
graphischen Merkmale Africa’s. Riga 1856. Vom Verfasser. 


Asien. 


Belgiojoso Princesse. Asie mineure et Syrie. Souvenir des Voyages. Paris 1858. — Ex- 
pedition to the Lower Murray under the conduet of M. Blandowski. (In der Zeitung von 
Melbourne: The Age Tuesday. 6. October 1857.) Vom Hrn. Pattlo ch. — Kotschy Dr. Theod. 
Reise in den eilieischen Taurus über Tarsus. Gotha 1858. Vom J. Perthes geograph. Anstalt 
— Kruger Jacob. Geschichte der Assyrier und Iranier von XIII—V. Jahrhundert vor Christi. 
Frankfurt 1856. Die Eroberung von Vorder-Asien, Egypten und Griechenland durch die 
Indo-Germanen. Bonn 1855. Nardi Abb. France. Viaggio al Giordano ed al Mar morto- 
Padova 1858. Vom Verfasser. — Schlagintweit Ad. Apercu sommaire des r&sultats de la mis- 
sion seientifique dans l’Inde et la haute Asie. Paris 1857. Reports of the officers engaged in 
the magnetie survey of India Rep. 5—10. 1856/1857. Vom Verfasser. — Tobler Dr. Titus. 
Planographie von Jerusalem mit Plan. Gotha 1857. Von Perthes geograph. Anstalt. 
— Ungewlitter Dr. F. W. Beschreibung des brittischen Indien nach den neuesten amtlichen 
Angaben. Berlin 1855. 


Amerika. 


Ewmory Major. Report on the Survey of the Boundary between the U.S. and Mexico. I. 
Washington 1857. Sammt Karte. Vom Verfasser. — Foree Peter. Grinel Land. Remarks on the 
English Maps of arctie discoveries in 1850 and 1851 made at the ordin. meeting of the Nort. 
Inst. Vom Gen. Consul Dr. Flügel. — Graham L. Col. Report of the Harbors in Wisconsin, 
Illinois, Indiana und Michigan. Washington 1857. (sammt Karten.) Vom Verfasser. — Hewitt 
Abr. S. On the Statisties and Geographes of the Production of Iron. New-York 1856. Von 
der geograph. Gesellschaft. New-York. — Kane El. Kent M. Dr. Arctie explorations. The 
second Grinell Expedition in search of Sir J. Franklin 1853—1855. 2 Bd. Philadelphia 
1857. Vomk. k. Consul Angelrodt. — Kidder B. and F. ©. Fletcher. Brazil and the 
Brazilians portrayed in historieal and deseriptive Sketehes. Leipzig 1857. — Mayer Brantz. 
Observations on Mexican history and Archäologia with a special notices of Zapotee remains, 
Washington 1856. Vom Smithsonian Inst. — Meech L. W. A. M. On the relative intensity 
of the heat and light of the Sun apon different Jatitudes of the earth. Washington 
1856. Vom Smiths. Institut. — Nau Emile. Histoire des Caeiques d’Haiti, Port au Prince 
1855. Von Dr. Scherzer, — Palmer Aar. H. Documents and facts illustrating the Origin 
of the Mission to Japan Washington 1857. Vom Verfasser. -— Scherzer Dr. Karl. Wande- 
rungen durch die mittelamerikanischen Freistaaten Nicaragua, Honduras und San Salvador 
mit Hinblick auf deutsche Emigration und deutschen Handel. Braunschweig 1857. Vom 
Verfasser. — Schmidt Karl. Briefe aus und über die Vereinigten Staaten von Nordamerica 
an Freunde in der Heimath in geographischer, statistischer Beziehung. Altona 1857. — 
de Solis Don Antonio. Historia de la conquistade Mexico, Poblacion y progressos de la 
America septentrional, conoida por el nombre deNueva Espana. Barcelona 1691. Vom 
k. k. Minist, Seer. Ritter von Sehröckinger. Varnhagen F. A. Consideralions geogra- 
phiques par l’histoire du Braril, Examen ceritiqgue... Rapport fait par M. d’Avezac. Paris 
1857. Vom Hrn. d’Avezac. — Varnhagen F. A. Vespuceet son premier voyage ou notice 
d’une decouverte et exploration primitive du Golfe du Mexique et des cotes des Etats Unisen 
1497 et 1498. Paris 1858, Vom Verfasser, — Wagner uud Scherzer Reisen in Nordamerica in 
den Jahren 1852—1853. Leipzig 1854. 3 Bde. Von Verfasser. — Warren Lieut. G. K. Ex- 
plorations in the Dacola Country in the year 1855. Washington 1856. 1. Karte, Vom k. k. 
Ministerium des Innern. 


xx 


Allgemeines. 


Abich Hermann. Ueber das Steinsalz und seine geologische Stellung im Russisch- 
Armenien. St. Petersburg 1857. Ueber die Erscheinung brennenden Gases im Krater des 
Vesuvs im Juli 1857 und die periodischen Veränderungen, welche derselbe erleidet, St 
Petersburg 1858. Vom Verfasser. — Algerle. Tableau de la situation des 6tablissements 
francais dans l’Algerie. 1840—1855. Paris. Catalogue explicatif et raisonn& de l’exposition 
permanente des produits de l’Algerie suivi du catalogue methodique des produits Algeriens 
al’Exposition universelle de 1855. Paris 1855. Vom Hrn, Senator Daumas. — Almanach 
de l’illustration presentant tous les phenomenes c&lestes de l’annee 1858. Paris. — Angel- 
rodt E. C. Jahresbericht an das k. k. Handelsministerium über Handel in St. Louis für das 
Jahr 1857. St. Louis 1858. Annual Review of the commerce of St. Louis together with a 
List of Steamboat dicasters for the year 1857, Vom Verfasser. — Arensteln Dr. Joseph. 
Beobachtungen über die Eisverhältnisse der Donau von 1847—1850. Wien 1850. Vom Hrn. 
Sectionsrathe W. Haidinger. — D’Avezac,. Anciens temoignages historiques relatifs 
a la Boussole. Paris 1858. Vom Verfasser. — Baden Grossherzogthum. Beiträge zur 
Statistik der inneren Verwaltung. Heft 1—5. 1855—1856. Carlsruhe. Summarische Dar- 
stellungen über die Einnahmen, Ausgaben und Vermögens-Verhältnisse im Grossherzog- 
thum Baden im Jahre 1851. Carlsruhe 1855. Maas- Ordnung mit den darauf bezüg- 
lichen Instructionen und Ministerial-Erklärungen. Carlsruhe 1857. Vom grossherzoglichen 
Ministerium. — Balbl Adriano. Prospetto politico geografico dello stato attuale del globo 
sovia un nuovo piano. Venezia 1858. Gea ossia la terra deseritta secondo le norme di A. 
Balbi e le migliori notizie. Opera originale italiana. Fasc. 1—4. Triest 1854-1856. Vom 
Verfasser. — Baeyer J. J. Die Verbindungen der preussischen und russischen Dreiecks- 
Ketten bei Thorn und Tarnovitz. Berlin 1857. Vom Verfasser. — Bemerknngen und An- 
weisungen für die Naturforscher, welche die Expedition Sr. k. k. Apostol. Majestät Fregatte 
Novara unter dem Commando des Obersten B. von Wüllerstorf-Urbair begleiten. 
Von der kais. Academie der Wissenschaften. Wien 1857. Von der kais. Acad. — Berghaus 
Dr. Heinrich. Allgemeine l.änder- und Völkerkunde nebst einem Abriss der physikalischen 
Erdbeschreibung. I—VI. Stuttgart 1837 —1846. Vom Hrn. Baron v. Hitzinger. — Berg- 
werksbetrieb im Kaiserthume Oesterreich im Jahre 1855, dargestellt vom k. k. Finanz- 
ıninisterium. Wien 1857. Vom k. k. Seetionschef Freiherrn v. Czoernig. — Cannabich 
J. G. Pr. Vollständiges Handbuch der Erdbeschreibung. Weimar I—VII. Weimar. Vom 
Hrn. Baron v. Hitzinger. Costa Dr. E.H. Denkbuch der Anwesenheit Allerhöchst Ihrer Ma- 
jestäten Franz Joseph und Elisabeth im Herzogthume Krain. Laibach 1857. 
Die Adelsberger Crotte. Laibach 1858. Vom Verfasser, — Ü2j2ek Johann. Erläuterungen 
zur geognostischen Karte der Umgebungen Wien’s. Wien 1849. Vom Herrn k. k. Sections- 
rath Haidinger. — v. Üzoernig Freiherr. Ethnographie der österreichischen Monarchie. I-- 
III. Wien 1855 — 1857. Ueber die Durehstechung der Landenge von Suez. Wien 1858. Vom 
Verfasser. — Daussy. 'Tables de positions geographiques. 1836—-1860. Paris. Vom Ver- 
fasser — Didot Firmin Imprimeur, Prineipale publications en depöt chez M. Braumüller 
& Vienne, Paris 1857. Vom Hrn. Braumüller. — Dietz Rudolph. Bericht über die Ge- 
werbe-Ausstellung in Carlsruhe im Jahre 1846. Carlsruhe 1847”. Vom Verfasser. — Doblin 
James. The annular Eclipse of Mai 26. 1854. Washington. Vom Hrn. Gen. Cons. Dr. 
Fel. Flügel. — Donegani Giovanni. Guida allo Stelvio. Milano 1842. — kder Johann. 
Pilgerfahrt nach Jerusalem und Rom im Jahre 1856. Salzburg 1857. Vom Hrn. Ad. Patera. 
Ehrlich Karl. Geognostische Wanderungen im Gebiete der nordwestlichen Alpen. Linz 1852. 
Dasselbe in 2. Ausgabe 1854. Ueber die nordwestlichen Alpen. Linz 1850. Vom Museum 


Frane. Carolinum. — Erdmann Axel. Beskrifning öfoer Dalkarlsbergs jernmalmsfält uti Nora 
Soken och Örebro Län, Stockholm 1858. Vom Verfasser. — Ermann A. Einige Beobach- 


tungen über die Kreide-Formation an der Nordküste von Spanien, Berlin 1854. Einige 
Untersuchungen über den Salzgehalt des Meerwassers und dessen Werthe im mittelländi- 
schen und im atlantischen Meere. Berlin. Bemerkungen über einen am Ural gebrauchten 
Seilbohr-Apparat. Berlin. Vom Verfasser. — Feil Joseph. Ueber das Leben und Wirken 
des Geographen Georg Math. Vischer. Wien 1857. Vom Hrn, Prof, Simony. — Forbes 
Jam. D. Norwegen und seine Gletscher. Uebersetzt von E. Zuchold. Leipzig 1855. 
Vom Hrn, E. Zuchold. — Forchhammer P. W. Topographia Thebarum Heptapylarum. Kiel 
1854. Halkyonia. Wanderung an den Ufern des Halkyonischen Meeres. Sendschreiben. 
Berlin 1857. Vom Verfasser. — Fritsch Kark Phenologische Beobachtungen aus dem Pflan- 
zen- und Thierreiche. Wien 1857. Vom Verfasser. — Galizien und Lodomerien. Alphabe- 
tisch geordnetes Ortschafts-Verzeichniss. Lemberg 1855. Vom Hrn. Grafen Krasicki. — 
Galle Dr. J. G. Grundzüge der schlesischen Climatologie. Breslau 1857. Von der schles. 
Gesellschaft f. vaterl. Cultur. — Gilliss J. M. Magnetical and Meteorologieal Observations. 
Washington 1856. Vom Gen. Cons. Dr. Flügel. — Gould Benj. Aptkorp. Report to the Smith- 
sonian Institution on the History of the discovery of Neptune. Washington 1850. Vom 


XXIV 


Gen. Cons. Dr. Flügel. — Grammatik der Pulopelak-Dajaksprache für Anfänger. Barmen 
1856. — Vocabular der Namaqua-Sprache nebst einem Abrisse der Formenlehre derselben. 
Barmen 1854. Von der Rhein. Miss.-Ges. in Barmen. — 6rewingk Dr. C. Beitrag zur 
Kenntniss der orographisch- und geognostischen Beschaffenheit der Nordwestküste America's. 
St. Petersburg 1850. Der Zechstein in Lithauen und Russland. Berlin 1857. Die Smaragd- 
gruben des Ural und ihre Umgebung. St, Petersburg 1854. Ueber die in Granit geritzten Bil- 
dergruppen am Ost-Ufer des Onega Sees. 1854. Vom Verfasser. — Grundentlastung in Oester- 
reich. I. Wien 1857. Vom Freih. v. Czoernig. — Hammer -Purgstall. Dessen hinter- 
lassene Bibliothek. Wien 1857. Von der Braumüller’schen Buchhandlung. — Heinrieh 
Albin. Beiträge zur Kenntniss der geognostischen Verhältnisse des mährischen Gesenkes in 
den Sudeten. Wien 1854, Vom Werner-Verein. — Heinzel Ferdinand. Eisenbahn-, Dampf- 
schiff-, Post-, Cours- und Routen-Buch. N. 4 de 1857. N. 2—4 de 1858. Von Lechner's 
Buchhandlung. — Helmersen Georg. Der Telezkische See und die Teleuten im östlichen 
Altai. St. Petersburg 1858. Reise nach dem Altai im Jahre 1834 ausgeführt. St. Petersburg 
1848. Vom Verfasser. — v. Hermann Dr. F.B. W. Ueber den Anbau und Ertrag des Bodens 
im Königreiche Bayern. I. München 1857. Von der k. Academie der Wissenschaften in 
München, — Hingenau Otto Freih. v. Uebersicht der geologischen Verhältnisse von Mähren 
und Schlesien. Wien 1852. Vom Werner-Verein. — Hiurich’s Verzeichniss der Bücher, 
Landkarten, welche vom Januar 1858 an erschienen. Leipzig 1858. Von der Seidel’ 
schen Buchhandlung. — Heufiler Ludwig Ritter von. Italienische Briefe. Mit einem An- 
hange. Erinnerungen aus dem Küstenlande, Wien 1853. Vom Verfasser. — Hlubek Dr. F. X. 
Die Bewaldung des Karstes. Gratz 1857. Hauptbedürfnisse der Landescultur in Oesterreich. 
Gratz 1857. Vom Verfasser. — Hochstetter Dr. Ferdinand. Karlsbad und seine geognostischen 
Verhältnisse und seine Quellen. Karlsbad 1856. Ueber die Wirksamkeit der Ingenieure 
für das Bergwesen in Niederländisch Indien. Wien 1858. Vom k. k. Sectionsrath W. 
Haidinger. — Hönlgsberg Ben. Edler v. Wildbad Gastein im Jahre 1857. Wien 1558. Vom 
Verfasser. — Hofuann Dr. Conrad. Ueber die Gründung der Wissenschaft altdeutscher Sprache 
und Literatur. München 1857. Von der k. Academie d. Wiss. in München. — Jacini Steph. 
Grundbesitz und Landvolk in der Lombardie. Uebersetzt von Dr.B. Franco. Mailand 1857. 
Vom Freiherrn v. Hingenau. — Jarquoi Eugen. Sur la fabrication de la fonte, du fer et 
de l’acier dans le Thüringerwald et le Frankenwald. Von der k. k. geolog. Reichsanstalt. — Jan 
Giorgio. Cenni sul Museo civico di Milano ed indice sistematico dei rettili ed anfibj esposti 
nel medesimo. Milano 1857. Vom Verfasser. — Jelinek Dr. Karl. Das ständische polytechnische 
Institut zn Prag. Programm zur 50jährigen Erinnerungsfeier an die Eröffnung des Instituts 
10. Nov. 1856. Prag. Von der Direction des polytechnischen Instituts. — Jewett Ch. ©. 
Notices of public libraries in the U. St. of America. Washington 1851. Vom Gen. Cons, Dr. 
Flügel. — Jolly Dr. Ueber die Physik der Moleeurlar-Kräfte. München 1857. Von der k. 
bayr. Acad. d. Wiss. — Kalendarz Rolniezo-Gospodarski. 1851. Von der galiz. Landw. Ges. 
— Kastner Leopold. Telegraphen-Tarif von Wien nach allen Stationen Europa’s u. s, w. 
Septbr. 1858. Wiener-Eisenbahnzeitung. Führer für Reisende auf Eisenbahnen und Dampf- 
schiffen in Oesterreich u. s. w. Septbr., Oetobr. 1858. Der Dampfer. Vollständiges Reise- und 
Coursbuch für Eisenbahnen und Dampfschiffe durch ganz Europa. N. 1—4. 1857—1858 
Vom Verfasser. — Kirschbanm L. Die Athysaurus-Arten der Gegend von Wiesbaden. 1858, 
Ueber Hoplisus puneluosus Ey. und Hopl. punetatus n. sp. Wiesbaden 1858. Vom Verfasser. 
— Kornhuber Dr. G. A. Das Erdbeben am 15. Jänner 1858, besonders rücksichtlich seiner 
Verbreitung in Ungarn. Pressburg 1858. Vom Verfasser. — Kreil Karl. Entwurf eines meteo- 
rologischen Beobachtungssystems für die österreichische Monarchie. Wien 1850. Vom Ver- 
fasser. — Kotschy Theodor. Die Eichen Europa’s und des Orients. 1 Lief. Olmütz 1858. Vom 
Hrn. Hölzel in Ollmütz. Die Vegetation und der Canal auf den Isthmus von Suez. Wien 1858. 
Vom Verfasser. — Krasser J. A. Die Kameiker-Eisgruben bei Leitmeritz und der Eiskeller 
am Kelchberge bei Triebsch. In der Wien. Zeit. Nr. 63 de 1857. — Kunzek A. Wiadomosei 
z fizyki, chemii i mechaniki dla uäytku gospodarzi wiejskieh. Lemberg 1849. Von der k.k, 
galiz. Landw. Ges. — Landkartenkunde. Kritischer Wegweiser zur Beförderung der mathem. 
physie. Geographie und Hydrographie. I-VII. Berlin 1829—1831. Vom Hrn. Commandeur 
G.Schwarz. — Lehmann’s Alex. Reise nach Buchara und Samarkand in den Jahren 1841 — 
1842. Nach den hinterlassenen Schriften desselben bearbeitet und mit Anmerkungen versehen 
von G. v. Helmersen. St. Petersburg 1852. Vom Herausgeber, — v. Liechtenstern Joseph. 
Archiv für Geographie und Statistik, ihre Hilfswissenschaften und Literatur. 1801—1804. 
Encyelopedie der Cosmographie und Statistik. Berlin 1825. Archiv für Welt-, Erde- und 
Staatenkunde, ihre Hilfwissenschaften und Literatur. I—III. Handbuch der allgemeinen 
Welt- und Staatenkunde. I—II. Brünn 1819—1820. Vom Hrn. Baron v.Hitzinger. — Löher 
Franz. Die deutsche Politik König Heinrich’s I. Festrede, München 1857. Von der k. 
bayr. Acad. d. Wiss. — Löwenthal J. Geschichte der Stadt Triest. Triest 1858. Vom Verfasser. 
— Malte Brun V. A. Coup d’oeil d’ ensemble sur les differentes Expeditions arctiques entreprises 


XXV 


ä la recherche de S. John Franklin et sur les decouvertes geographiques. Paris 1855. 
Esquisse historique sur les grandes cartes topographiques de la France. Paris 1858. 
Les cartes geographiques a l’exposition universelle de 1855. Paris 1858. Vom Verfasser. — 
v, Martlus Dr. C. F. Ph. Denkrede auf Chr. J. Weiss. München 1857. Von der k. bayr. Acad. 
d. Wiss. — Maury Alfred. Rapport fait le 27. Nov. 1857 ä la 2. assamblöe generale de la societ& 
geographique sur ses traveaux et sur les progr&s des sciences geographiques depuis le 19. Dec. 
1850. Paris 1857. Vom Hrn. V. A. Malte Brun. — Mayr Dr. G. L. Ausflug nach Szegedin 
im Herbste des Jahres 1855. Wien 1856. Ungarns Ameisen. 1857. Vom Verfasser. — Metger 
Dr. Heinrich. Nautische Geographie I. II. Hannover 1858. Systemastisch methodischer Un- 
terricht in der Geographie auf dem gemischten Gymnasium. 1858. Vom Verfasser. — Niroslaw, 
Der Karst. Triest 1857. Von der Redaction der Triester-Zeitung. — v. Morlot Ad. Erläute- 
rungen zur geologisch bearbeiteten VIIL Sect. der General-Quartiermeisterstabs-Karte von 
Steiermark und Illirien. Wien 1848. Erläuterungen zur geologischen Uebersichtskarte der 
nordöstlichen Alpen. Wien 1847. Von derk. k. geolog. Reichsanst. — Mühry A.d. Climatolo- 
gische Untersuchungen oder Grundzüge der Olimatologie. Leipzig 1858. Vom Verfasser. — 
Murchison Sir Roderick. The farewell Livingstone festival Febr. 1858 Vom Verfasser. — 
Maury M. F. Abstract Log reccomended by the Maritime conference of Brussels. 1855. 
Weather Boock, Abstract Log and meteorological Register. Wom Verfasser. — Maury. 
Letter concerning Lancs for the Steamers Crossing. the Atlantic. New-York 1855. Vom 
Gen, Cons. Dr. Flügel. — Nava e Selmi. Sul caglio vitellino. Milano 1857. Vom k. k. lomb. 
Inst, d. Wiss. — Noback Karl und Jonak. Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie. 
Ausstellung zu Paris im Jahre 1855. Heft 1—28. Wien 1856/58. Von der k.k. geolog. Reichs- 
Anst. — Montau-Handbuch des österreichischen Kaiserstaates für 1857. Vom Freih. v. Czoer- 
nig. —Nauka Pomiaru Gruntow do pratyeznego uZytku ziemskich wlasice. u.s.w. Low. 1853, 
Von der k.k. Ackerbau-Gesellschaft Lemberg. — Oborski Max. Katechizm Polniezy oparty na 
Zasadach Chemii i Geologii. Lemberg 1847. Von der k. k. galiz. Landw. Ges. — Observations 
meteorologlques faites a NijneTagulisk (Ural). 1855-1856. Paris 1857-1858. Von Fürst Dem i- 
doff. — Owen D. D. Report of a geological Survey of Wisconsin, Jowa and Minesota. Phila- 
delphia 1852. Vom k.k.Consul Angelrodt.— Patellani Luigi. Il buco dell’ orso sul Lago di 
Como e le sue ossa fossili. Milano 1850. Von derk. k.geolog. Reichsanst. — v. Pleuker G. Das 
österr. Tabakmonopolseitdessen Ausdehnung aufdas gesammte Staatsgebiet. Wien 1857. Vom 
k.k, Sectionschef Freih, v. Czörnig. — Pohl und Schabus. Tafeln zur Reduction der in Milli- 
metern abgelesenen Barometerstände auf die Normal-Temperatur von 0. ©. Wien 1852. Vom 
Hrn. k. k.Sectionsrath Haidinger. — Prantl Dr. Karl. Ueber die geschichtlichen Vorstufen 
derneueren Rechtsphilosophie, Rede. München 1858. Von der k.bayr. Acad.d. Wissenschaften. 
— Ravenstein A. DieBundes-Plankammer. Ein Versuch zur Begründung ihrer Nothwendigkeit. 
1856. Vom Hrn.k.k Sectionsrath Haidinger. — Reportonthe extension ofthe deeimal system 
to weights and measures of the U. S. New-York 1857. Von dortiger geograph. Ges. - 
Ressel's Jos. Biographie. Triest 1858. Vom Comit& für Ressel's Denkmal. — Reuss Dr. A. 
E. Beiträge zur geognostischen Kenntniss Mährens. I. Wien 1854. Vom Werner-Verein. 
— Riedl v. Leuenstern. Zur versinnlichenden Darstellung der Zeitgleichung. Wien 1856. 
Vom Verfasser. — Ritter Dr. Karl. Die Erdkunde im Verhältnisse zur Natur und zur Ge- 
schichte des Menschen oder allgemeine vergleichende Geographie. I- XVII. 1822/1858 
sammt Namen- und Sach-Register. 2 Bd. 1841/49. Vom Freih. v. Hitzinger. — de Rivero 
Mar. Ed. Colleccion de memorias cientificas agricolas e industriales publicadas en distintas 
epocas. 2 Bd. Bruselas 1857. Vom Verfasser. — Ruthner Dr. Besteigung der Ortelsspitzes; 
aus der Innsbrucker Volks- und Schützenzeitung. N. 103 de 1857. Vom Verfasser. — 
Salluenforste aerariale. Vergleichende Uebersicht nach dem Voranschlage des Verwaltungs- 
jahres 1858 und den Ergebnissen des Verwaltungsjahres 1856. Wien 1857. Vom Freih. 
v. Czoernig. — Salzbacher Dr. Joseph. Erinnerungen aus meiner Pilgerreise nach Rom 
und Jerusalem im Jahre 1837. 2. Bd. Wien 1841. Vom Verfasser. — Salzerzeugung aerariale. 
Vergleichende Uebersicht nach dem Voranschlage für 1858 und den Ergebnissen des Jahres 
1856. III. Wien 1857. — Salaverschleiss, Salzverbrauch und Salzpreise. Vergleichende 
Uebersicht im Kaiserthume Oesterreich binnen den Jahren 1854/56. Wien 1857. Vom 
Freih. v. Czoernig. — Sandberger Dr. Guido. Literarische Notiz über das Werk: Ver- 
steinerungen des rheinischen (devonischen) Schichtensystems in Nassau. Wiesbaden 1855. 
Vom Verfasser. — de Saussure H. Voyage au Mexique. Decouverte d’un ancien Volcan. 
Paris 1857. Vom Hrn. Dr. G. Mayr. — Schmidl Dr. Adolph. Ueber Begriffbestimmungen 
in der Geographie. Wien 1849. -- Beiträge zur Höhlenkunde des Karst. Wien 1850. Vom 
Hrn. k. k. Sectionsrath W. Haidinger. - Schmidt J. F. J. Untersuchungen über das Erd- 
beben am 15. Januar 1858. Wien. — Slmony Friedr, Die Seen des Salzkammergutes. Wien 
1851. Vom Hrn. k. k. Sectionsrath Haidinger. — Sommer Joh. Gottfr. Gemälde der phy- 
sischen Welt. I—VI. Prag 1818/26. Vom Freih. K.v. Hitzinger. — Sommer J. G. Taschenbuch 
zur Verbreitung geographischer Kenntnisse. Prag 1823/48. Vom Prof. Fitzinger. — 
Storch Dr. Franz. Skizzen zu einer naturhistorischen Topographie des Herzogthums Salz- 


XXVI 


burg. I Flora von Salzburg. 1857. Vom Hrn, k. k. Sectionsrath Ritter v. Heufler. — Siraf- 
rechtspflege, Darstellung der Ergebnisse in sämmtlichen Kronländern des österreichischen 
Kaiserstaates bei den Strafgerichten des Civilstandes während des Jahres 1856. 2 Hefte. 
Wien 1857. Vom Freih. v. Czoernig. — Streflleur Valentin. Die Entstehung der Con- 
tinente und Gebirge und die Veränderungen vom Niveau der Meere unter dem Einflusse der 
Rotation ete. Wien 1847. Vom Hrn. k. k. Sectionsrathe W. Haidinger. — v. Stuben- 
rauch Dr. M. Statistische Darstellung des Vereinswesens im Kaiserthume Oesterreich, Wien 
1857. Vom Freih. v. Czoernig. — Swallow G. C. Grape Culture in Missouri. St. Louis 
1858. Vom k. k. Consul Angelrodt. — Sykes Will. Henry. Biographieal Notices. 
London 1857. Vom Verfasser. — v. Thiersch Friedr. Ueber das Verhältniss der Akademie 
zur Schule. München 1858. Von der k. bayr. Acad. d. Wiss. — Thowas Dr. G. M. Ueber 
neu aufgefundene Dichtungen Fr. Petrarca’s., München 1858. Von der k. bayr. Acad. 
d. Wiss. — Tunner Peter. Bericht über die auf der Pariser-Welt-Industrie-Ausstellung von 
1855 vorhandenen Producte des Bergbaues und Hüttenwesens. Wien 1855. Von der k. k. 
geolog. Reichsanst. — Vacani Bar. Cenni grafiei sui colli toscani in relazione agli effetti dei 
venti sciroccali. Milano 1856. Vom Verfasser. — Voigt Dr. Chr. Aug. Vorschlag zu einer 
Eisenbahn, welche Triest und Fiume direct untereinander und beide wieder mit Laibach 
auf dem möglichst kurzen Wege verbindet. Wien 1850. Vom k. k. Sectionsrath W. Hai- 
dinger. — Volger Dr. G. H. O. Untersuchungen über das Phönomen der Erdbeben in der 
Schweiz. Gotha 1857/58. 3 Bd. Von J. Perthes geograph. Anst. — v. Widmann Dr. Her- 
mann. Erläuterungen zur geognostischen Karte Tirols und Schlussbericht. Innsbruck 
1853. Vom Hrn. k. k. Seetionsrath W. Haidinger, — Wlangall’s Reise nach der östlichen 
Kirgisen-Steppe; übersetzt von Dr. Loewe; herausgegeben von G. v. Helmersen. St. 
Petersburg. Vom Herausgeber. — Wurzbuch von Tannenberg Constant. Oesterreichs histor. 
geograph. Literatur im Jahre 1855. Vom Verfasser. — Liegler J. M. Geographische Karte 
der Schweizer-Gewerbsthätigkeit. Winterthur 1858. Vom Verfasser. — Zippe F. X. M. Ueber 
einige geognostische Verhältnisse in den Gebirgszügen der Mitte Böhmens. Prag 1845. Vom 
Hrn. k. k. Sectionsrathe W. Haidinger. — #ucheld Ernst A. Bibliotheca historico natu- 
ralis phys. chem. et mathematica. VII. Leipzig 1857. Vom Verfasser. 


Druckschriften von Instituten „ Gesellschaften ete. 


Agram. K. k. Ackerbaugesellschaft. Gospodarski List N. 47—52 de 1857 N. 1—42 de 
1858. — Amsterdam. Kön. Akademieder Wissenschaften. Verslagenen Mededeelingen VII. 1858. 
VerhandelingenIV— VI. — 1857/1858. Jaarbock 1857/58. Catalogus van de Bockerij I. 1.1857. 
— Barmen, Rheinische Missionsgesellschaft. Berichte 1854—1858 (N. 1—11). — Berlin, Ge- 
sellschaft für Erdkunde. Zeitschrift IIL., IV., V. 1. 1856—1858. — Bologua, Accademia delle 
seienze. Memorie VII. 1856. Rendiconti 1855— 1857. — Boston. American Academy of arts and 
seiences. ProceedingsI. - III. 1848— 1857. IV, N. 1—11. 1847. — Breslau, Schles. Gesellschaft 
für vaterländische Cultur. Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen im J. 1847—1849. 
Jahresbericht für 1850—1856. Denkschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens 1853. Mit- 
glieder-Verzeichniss 1857. — Brünn. K.k.M. schl, Gesellschaft für Ackerbau, Natur- und Lan- 
deskunde. Mittheilungen 1855—1857. — Brünn. Histor. statistische Section der k. k. M. schl. 
Gesellschaft für Ackerbau u. s. w. Schriften IX. 1856. — Brünn. Forstsection für Mähren 
und Schlesien. Verhandlungen 1850— 1858. — Brünn. Werner-Verein. Jahresbericht L.—VH. 
1852/57. Hauptbericht über die im J. 1852 ausgeführten Arbeiten. Wien 1853. Statuten 
1854. — Brüssel. Kön. Akademie der Wissenschaften. Bulletin 26. Ann. 2. Ser. T.I., I.. II. 
1857. Annaire 1858. — Cambridge. American Association for the advancement ofseience. Pro- 
cerdings. 1853— 1857. — Üzernovltz. Verein für Landeskultur und Landeskunde. Mittheilungen 
I. 1857. — Darmstadt. Verein für Erdkunde und verwandte Wissenschaften. Notizblatt 1858. 
Ergänzungsblatt Hft. 1. 1858. — Dorpat. Naturforschergesellschaft. Archiv für die Naturkunde 
Liv-, Esth- und Kurlands I. 1. 1854. — Frankfurt a/M. Geographischer Verein. Jahresbericht 
1855/56. — Giessen. Oberhess. Gesellsch. für Natur u. Heilkunde. Bericht I., IIL—V. 1847, 
1853/55. — Görlitz. Naturforschende Gesellschaft. Abhandlungen VIII. 1857. — Gotha. J. 
Perthes geographische Anstalt. Mittheilungen aus J. Perthes geographischen Anstalt über 
wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie. Von Dr. A. Peter- 
mann. 1857, 9—12, 1858 L.—IX. — Gratz K. k. Landwirthschaftsgesellschaft. Wochenblatt. 
VII. Jahrgang 1857/58. Nr. 1-26. — Hanau. Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Natur- 
kunde. Jahresbericht 1855 bis 1857. Naturhistor. Abhandlungen aus dem Gebiete der 
Wetterau. Festgabe. — Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften. Ver- 
handlungen und Mittheilungen IL.—IX. (N. 1—4) 1851/58. Statuten 1855. — Inusbruck, 
Ferdinandeum. Zeitschrift I.—IIL, V.— VII. 1853—1858. 27ter Jahresberieht für 1855/56, 
Statuten. — Klagenfurt. K. k. Kärnt. Landwirtlischaftsgesellschaft. Mittheilungen über 


XXVl 


Gegenstände der Landwirthschaft und Industrie Kärntens. L.—XV. (1—9) 1844—1858. — 
Klausenburg. K. k. Landwirthschaftsgesellschaft. Sitzungsprotokoll am 27. März 1856 über 
ein Eisenbahnprojeet. — Krakau. K. k. Sternwarte. Stündliche Barometer-Beobachtungen 
zu Krakau, von Dr.M. Weisse und Cr. Kunes. Wien 1857.‘ — Lalbach. Historischer Verein 
für Krain. Mittheilungen 1857 H.6 bis 12, 1858 N. 1—4. Archiv für die Landesgeschichte 
des Herzogthums Krain. Von Dr. V.T. Klun. Hit. 1—3. 1852/54. — Lemberg. K. k. galiz. 
Landwirthschaftsgesellschaft. Rozprawy c. k. galic. towarzystwa gospodarskiego I—XXII. 
1846—1857. Wahlmeinung über die zu errichtende Forstschule. 1850. — London. Royal 
Society. Proceedings IX. N. 30, 31. 1858. Philosophical Transaetions. Vol. 147, P. 3. 1858. 
— London. Geographical Society. Journal XXVI-XXVI. 1857, 1858. — London. Asiatie 
Journal and Monthly Register for british and foreigns India, China and Australia. L—XH. 
1830/33.— St. Louls. Missouri, Academie of science. Transactions I. 1, 2, 1857/58. — Linz. 
Museum Franeisco Carolinum. Berichte V., XI.—XVII. 1841—1855.' Beiträge zur Landes- 
kunde von Oesterreich ob der Enns. 1820—1843. — Linz. K. k. Landw.-Gesellschaft. 
Landw. Zeitschrift 1857, 1858 (1—20). — Mailand. I. R. Istituto di scienze, lettere ed arti. 
Giornale Hft. 54 1857. Atti Heft 8-10 1857/58. Memorie VII. 1—6 1858. — Mailand, 
Accademia fisico-medico-statistica. Atti Vol. .—III. 1855/58. — Moskau. K. Naturforschende 
Gesellschaft. Bulletin. 1857. 3—6 1858. N. 1, 2. Memoires X. 1856. — München. K. Akade- 
mie der Wissenschaften. Abhandlungen der mathem. physical. Olasse VII. 1. 1857. — 
München. K. Sternwarte. Annalen IX., X. 1857, 1858. ‚Beobachtungen des meteorologischen 
Observatoriums auf dem Hohenpeissenberg von 1792—1850, 1825—1837 als I. und II. 
Suppl. Band. Astronomische Beobachtungen, angestellt auf der k. Sternwarte zu Bogen- 
hausen. Von J. Soldner L—V. 1820—1827. Von J. Lamont VI. —XV. 1828—1837. 
Neubrandenburg. Verein der Freunde der Naturgeschichte. Archiv. I, V.—IX., XL, XII, 
1847—1857. —  New-Vork. American geographical and statistical Society. Annual Report 
of the Couneil and oflicers for 1857. Catalogue of the library 1857. — New-York. Central 
Park, First Annual Report on the Improvement 1857. — Padua. Societä d’incoraggiamento. 
Seritti I—I. 1—3 1851/52. Atti della distribuzione dei premj I--IV 1851/56. Il Rac- 
eoglitore I— VII 1852/58. — Paris. Societe de Geographie. Bulletin Tom. XUL—XV. 
N. 7—90 1858. — Paris. Oeuvre de la propagation de la foi. Annales Januar-Sptbr. 1858. — 
Parls. Journal des voyages, decouvertes et navigations modernes ou archivs geographiques 
du XIX. siecle £. 1—44. 1818— 1829. Revue de deux mondes. Ser. II. T. L.—IV, 1830. II. 
Ann. T.1,—IV. 1831. — Paris. L’Isthme de Suez. Journal de l’Union des deux mers N. 1—13. 
1856. — Paris. Nouvelles Annales des voyages de la geographie, de l’histoire et de l’Archeo- 
logie VI. Ser. IV. Ann. f. 1—4. Par M. Malte Brun. — Pest. Pester Lloyd 1858. (N. 
1— 246.) — Philadelphla. Franklin-Institute. Journal. Vol. 335. N.1—6. Vol. 336. N. 1—2. 
1858. — Prag. K. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften. Abhandlungen. V. Folge. IX. Bd. 
1854/56. — Prag. Naturwissenschaftlicher Verein Lotos. Zeitschrift 1851 bis 1858. — 
Pressburg. Verein für Naturkunde. Verhandlungen 1.—II. 1856— 1857. — Pressburg. Ungar. 
Forstverein. Mittheilungen L.—IV. 1854—1858. — Stockholm. K. Akademie der Wissen- 
schaften. Ofversigt 1844—1851. — Turin. Bullettino dell’ Istmo di Suez. Diretto dal Prof. 
Ugo Calandri Ingegnere, I., II, III. 1856/58. — Triest. K. k. Marine-Sternwarte. Magne- 
tische Beobachtung im östl. Theile des Mittelmeeres auf Befehl Sr. k. k. Hoh. des Herrn Erz- 
herzog Ferdinand Max ausgeführt im Jahre 1857 von Dr. Fr. Schaub. Triest 1858. — 
Triest. Triester Zeitung. Nr 10, 11, 19, 293 de 1356. N. 40, 58,183, 297,283 de1857. N.1,93, 
116, 187 de 1858. — Venedig. K. k. Institut der Wissenschaften Atti Ser. III. T. II. disp. 9. 
10 T. III. disp. 1—8. 1857 bis 1858. Memorie VI., VIL., 1856, 1858 3Bd. — Venedig. Colle- 
gium der Mechitaristen. Pasmaveb (Polistore.) (Sammlung von Abhandlungen über Literatur, 
Physik, Oekonomie, Moral ete.) 1843/57. 14 Bd. — Verona. Akademie für Ackerbau, Handel 
und Wissenschaften. Memorie XV.—XXX., XXIL—XXXV. 1834—1857. 21 Bd. — Washing- 
ton. Message from the President of the U. 8. to the two Houses of Congress at the com- 
mencement of 14 Session of the congress 1857. — Washington. Report of the State of the 
Finances for 1855, 1856. — Washington. Report of the Commerce and Navigation 1856. — 
Washington. Departement of War. Report communicating the Several Pacific railroad ex- 
plorations. Washington 1855. Vom k. k. Gen.-Cons. Loosey. — Reports of explorations 
and surveys asertain the most practicable and economical route for a railroad from the 
Mississippi river to the Pacifie Ocean 1853/54. I, Washington 1855. Von Herrn. Jefferson Davis. 
— Report of a Cap. G. B. Me, Clellan one of the Offieiers sent to the seat of War in Europe 
in 1855 and 1856. — Information respeeting the Purchase of Camels for the Purpeses of 
Military Transportation. — Washington. Medical Departement. Army meteorological Register 
or swelwe years from 1843— 1854 inel. compiled from observations made in the offieiers of 
he medical departement of the army at the military poste of the U, St. Under the direction 
of Brev. Ing. Gen. Thomas Lawson. Washington 1855. — Washington. Report of the 


XXVIN 


Superintendent of the Coast surrey showing the progress of tho survey during the year 
1852 — 1856. Vom Verfasser und dann vom k. k. Gen.-Cons. Loosey. — Washington. 
Smithsonian Institution. Contributions of knowledge IX. 1857. Report annual of the Board 
of Regents 1846—1856. — Wien. K. k. Direetion der administrativen Statistik. Uebersicht 
der Waaren-Ein- und Ausfuhr des allgemeinen österr. Zollverbandes. Wien 1857—1858. Mit- 
theilungen über Handel, Gewerbe und Verkehrsmittel I., II., Wien 1850/51. Mittheilungen 
aus dem Gebiete der Statistik VI., 1, 2, 1857. — Wien. K. k. geologische Reichsanstalt 
Jahrbuch VIII. 2, 3, 4. IX. 1—2 1857/58. — Wien. K. k. zoolog. botan. Gesellschaft. 
Verhandlungen I., HI—VU. 1852—1857. Personen- und Sachregister der 5 ersten Jahr- 
gänge 1851—1855. Festkranz zur 2. Jubelfeier. Wien 1853. Bericht über die österr. Lite- 
ratur der Zoologie, Botanik nnd Paleontologie aus den Jahren 1850—1853. Naturwissen- 
schaftliche Abhandlungen. Separatabdruck. Wien 1856. — Wien. K.k. Landwirthschafts- 
gesellschaft. Verhandlungen 1816—1857. Allg. Land- und Forstzeitung. Redig. von Dr. Jos. 
Arenstein. N. 1—40 de 1858. — Wien. Gewerbe-Verein. Verhandlungen und Mitthei- 
lungen. 1857. N. 1—4 de 1858. — Wien. Marien-Verein. Jahresbericht I.— VI. 1852—1858. 
— Wien. Austria, Wochenschrift für Volkswirthschaft und Statistik. Redig. von Dr. Höf- 
ken. X. Hft. 1- 43. 1858. — Wien. Oesterr. Botanische Monatschrift. Von Dr. Alex. 
Skofitz. Januar-Juni 1858. — Wien. Militär-Zeitung. Redigirt von Dr. J. Hirtenfeld. 
N. 87—103 de 1857. N. 1—97 de 1858. — Wiesbaden. Verein für Naturkunde. Jahrbücher 
I.—XI 1844/56. — Winterthur, Schweiz. Polytechnische Zeitschrift. Redig. von Bolley 
und Kronauer. 1856, 1857. 


Handels- und Gewerbekammern. 


Agram. Jahresbericht für 1852, 1853, 1854/56. — Bergamo. Rapporto per l’anno 1852, 
1854—1856. — Botzen. Statistischer Bericht für 1856. — Brescia. Rapporto per gli anni 
1854—1856. — Brünn. Bericht über den Zustand der Industrie, der Handels- und der Ver- 
kehrsmittel im Jahre 1851. Berieht über dieGewerbs-und Handelsstatistischen Verhältnisse des 
Kammer-Bezirkes im Jahre 1851. — Budweis. Jahresbericht für 1851—1856. — Como. Rap- 
porto pel 1854—1856. — (remona, Relazione storica agrieola commereiale industriale della 
provineia di Cremona pel trienio 1854 —1856. — Üzernovifz,. Hauptbericht für 1851. — 
Fiume. Rapporto 1853—1857. Atti d’Uffieio ed Annunzi 1856, 1857, 1858 — Gratz. Bericht 
1852—1856. Statistischer Ausweis 1854 bis 1856. — Kronstadt. Bericht für die Jahre 1851, 
1852. Protokoll von 1857, 1858. Denkschrift über die Führung einer Eisenbahn von Kron- 
stadt in die Walachei. 1855. Nähere Erörterungen über die östliche Eisenbahnfrage 1856. 
Ausweis über Steine, Kalke, Eisen u. s. w. für 1856. Zollbestimmung und Zolltarif für die 
Fürstenthümer Walachei und Moldau auf die Zeit vom 1. Jan. 1854 bis 31. Deebr. 1859. 
Adressenbuch der vorzügliehern Handels- und Gewerbsleute in der Walachei, Moldau und 
Bulgarien, 1858. — Laibach. Bericht für 1851, 1853, 1854/56. — Leoben. Bericht für 1851, 
1853, 1854/57. Bericht über den Stand der österr. Eisen- und Stahl-Industrie. Statistische 
Tafeln über einige Verhältnisse von Obersteyer für 1855. Jahresbericht für 1845/56, 1857, 
Auszug aus dem statistischen Berichte für 1856. — Mailand. Rapporto 1852—1856. Foglio 
1857. — Oedenburg. Jahresbericht für 1854/56. — Olmülz. Statistischer summarischer Ausweis 
1851. Bericht für 1851—1853. — Pavia. Rapporto pel trienio 1852—1856. — Pest. Jahres- 
bericht 1854—1856. Statistische Arbeiten I. Stuhlweissenburg. II. Gran. 1856. — Pilsen. 
Statistiscber Bericht für 1855. Jahresbericht für 1856. — Prag. Bericht für 1851. Statisti- 
scher Bericht I. 1853. Bericht über die Arbeitslöhne ete. 1851. Bericht über die allgemeine 
ordentliche Sitzung. 1856 —1858. — Rovigo. Statistica pel trienio 1851/52. — Salzburg. Be- 
richt 1851— 1853. — Temesvar. Bericht für 1851—1856. — Triest. Navigazione nei porti 
communali del littorale austriaco 1845/49. Navigazione in porti austriaci e speciale in Trieste 
1848—49. Rivista del commercio di Trieste 1854, 1855. del mereato di Trieste 1856. Navi- 
gazione in porti austriaci e navigazione austriaca in porti esteri negli anni 1849—1855. 
Movimento della navigazione commercio negli anni 1856, 1857. Navigazione austriaca nell’ 
estero. 1845—1849. Approdi in Trieste secondo bandiere nei due primi semestri 1856/57, 
1857/58. Schiffahrt in den österr. aerar. Häfen und der öster. Schiffahrt im Auslande 1845 — 
1847. Movimento della navigazione nei porti erariali austriaci 1844/46. Indicazione sulla 
navigazione nei porti erariali austriaci 1838/44. -- Troppau. Bericht für 1852—1856. — 
Udine. Rapporto pel trienio 1851—1856. — Verona. Rapporte generale pel trienio 1854—1856. 
— Viecenza. Rapporto generale sul trienio 1854-1856. — Wien. Statistische Uebersicht 
der wichtigsten Produetionszweige in Oesterreich unter der Enns. Wien 1855. Bericht 
für 1853—1856. Benützung der Berge und fliessenden Wasser in Nieder-Oesterreich. I. 
Wien 1857. 

Unterrichts Anstalten, 

Arad. K. k. Gymnasium, Programm für 1856, 1857. — Bergamo. K. k. Lyceal-Gymnasium. 

Programma per gli anni 1856, 1857. — Bistritz. Evang. Gymnasium. VII. Programm. 1858. 


XXIX 


— Blasendorf. Griech, kath. Gymnasium. Annales 1855, 1857. — Böhmisch Leipa. K. k. Gym- 
nasium. Programm für 1853, 1854. — Botzen. K. k. Gymnasium. Programm für 1853, 1854, 
1856, 1857. — Brescia. K. k. Lyceal Gymnasium. Programma IL—IV. 1852—1854. — Brürx. 
K.k. Gymnasium. Programm für 1855, 1856. — (arlsrule. Polytechnische Schule. Anzeige 
der Vorlesungen für das Jahr 1857—1858. Gesetze 1856. — (illi. K. Gymnasium. Programm 
für 1856. — (zernovliz. K. k. Obergyınnasium. Jahresbericht. 1851—1858. — Elbogen. Ober- 
Realschule, Jahresbericht für 1858. — Feldkirch. K. k. Gymnasium. Programm für 1854. — 
Veltre. K. k. Lyceal Gymnasium, Programma per l’anno 1856. — 6örz. K. k. Obergymnasium. 
Jahresbericht für 1850. Programm für 1857. — Gratz, K. k. Akademisches Gymnasium. Pro- 
gramm für 1855, 1856, 1858. — Gratz. Ständ. technische Lehranstalten. Personalstand und 
Vorlese-Ordnung 1855 —1858. — Gratz. Joanneum. Jahresbericht 1855, 1856. — Gratz. St. st. 
Öberrealschule. V., VI. Jahresbericht 1856, 1857. — Hermannstadt. K. k. kath. Gymnasium, 
Jahresbericht 1855 —1857. — Hermannstadt. C. A. Gymnasium. Programm für 1852, 1853. 
Kaschau. K.k. kath. Gymnasium. Programm für 1857. — Kesmark. Ev. Gymnasium. Programm 
für 1856. — Keszihely. K. k. kath. Gymnasium. Programm für 1854, 1856. — Lemberg. K. k. 
Obergymnasium der Dominikaner. Jahresbericht für 1850—1851. — Mailand. K. k. Lyceal- 
Gymnasium. Atti 1856. 1858. — Mailand. Robiati’s Privat-Lehranstalt. Programma I. 1854. 
— Marburg. K. k. Staatsgymnasium. Programm für 1857. — Melk. K. k. Obergymnasium. VI. 
Jahresbericht 1856. — Oberschützen. Oeffentliche evang. Schulanstalt. Programm für 1854 
bis 1856, 1858. — Oedenburg. Benedietiner Gymnasium. Programm für 1855. — Oeden- 
burg. Evang. Gymnasium. Programm für 1856—1858. — Ofen. K. k. kath. Gymnasium, 
Jahresbericht II. IV. VI. 1853/57. — Ofen. K. k. Oberrealschule. II. Jahresbericht 1857. — 
Olmütz. K. k. Gymnasium. Jahresbericht für 1856. — Pest. K. k. Obergymnasium. Pro- 
gramm für 1857. — Prag. K. k. Kleinseiter Gymnasium. Programm für 1856. — Prag. K. k. 
Altstädter Gymnasium. Progrdmm für 1856. — Prag. K. k. deutsche Ober-Realschule. I. Pro- 
gramm 1857. — Prag. K.k. böhm. Oberrealschule, Jahresbericht von 1856, 1858. — Press- 
burg. K.k. kathol. Gymnasium. Programm I—II, VII, 1851/57. — Pressburg. Städt. Ober- 
realschule. Programm L—VII. 1851/57. — Reichenberg, Öberrealschule. V. Jahresbericht. 
1856. — Sondrio. K. k. Conviet Gymnasium, Programma per l’anno 1854. — Temesyar. K. k. 
kathol. Gymnasium. VII. Programm 1857. — Teschen. K. k. evang. Gymnasium. Programm 
für 1856—1858. — Trient. K. k. Gymnasium. Programma 1856, 1857. Catalogo degli studenti 
1857. — Troppau. K. k. Gymnasium, Jahresbericht für 1855 bis 1857. — Vinkovce. K. k. 
Gymnasium. VI. Programm 1857, 1858. — Wien. K. k. Schotten Gymnasium. Jahresbericht 
für 1856, 1857. — Wien. K. k. Ober-Realschule auf der Landstrasse, I. Programm 1852. 
— Wien. Wiedner Comunal Ober-Realschule. L,—III. Jahresbericht 1856 bis 1858. 


Karten, Pläne u. s. w. 


Himmelskarte mit Linear-Verbindung der Gestirne. Vom Herrn Commandeur Sch warz. 
— Aegypten. Reisebilder aus dem Orient. Von L. Libay. 1—3. Lief. Wien 1858. Von 
Herrn Graf Breuner. j 


Europa. 


Höhenschichtenkarte von Uentral-Europa von A. Papen. Section 1, 7. Frankfurt a/M. 
1858. Vom Verfasser. — Ethnographische Karte der österr. Monarchie. Von Freih. v. Czoer- 
nig, Wien 1853 in 4 Bl. Dieselbe reducirt in 1 Bl. Wien 1856. Vom Verfasser. — Eisen- 
bahnkarte von Oesterreich. Wien 1858. Eisenbahn über den Semmering.”Von Hr. Artaria. 
— Steuerbezirks- und Commissariatskarten von Sierning, Enns und St. Florian, Steyer, 


Schlierbach und Pernstein. Von Jos. Edelbacher. — 4rundriss der Stadt mit sämmt- 
lichen Vorstädten, 4 Bl. Profile von der innern Stadt, 1 Bl. Unrathskanäle, Wasser- und 
Gasröhrenleitungen. 4 Bl. Vom k. k. Ministerium des Innern, — Geologische Uebersichts- 


Karte von Mähren und Schlesien. Von O. Freih. v. Hingenau. Vom Werner Verein. 
— Gebirgs-Aussicht vom Oetscher, 5970 F., von P. Urlinger. 4 Bl. Vom Verfasser. — Land- 
schaftliche Skizzen, gezeichnet von Freiin Kotz Dobrss. 74 Bl. Von der Verfasserinn. — 
Wand-Karte der Schweiz. 1858. 1 Bl. Karte des Kantons Zürich. 1 Bl. (ein 2. Exmpl. für 
Schulgebrauch.) Etat de la carte 1857. Neue Karte der Schweiz 1857. 1 Bl. Von J.M. Zieg- 
ler. Vom Verfasser. Karte der centralen Schweiz. Von R. Lenzinger. Von H. Ziegler. 
— Territorlo Ravennate 1757. Von H. Ad. Senoner. — Schulatlas historisch-geographischer 
von Deutschland, Von Dr, K. Spruner, Von Perthes’ geographischer Anstalt. — Han- 
nover'sche Landes-Aufnahmen. 37 Bl. Vom k. Major A, Papen. — Maps illustrative of the 
physical, geological and historieal geography ete. London. — Bentheographische Karte des 
Meeres zwischen Tenedos und dem Festlande, Von P, W, Forchhammer, Vom Verfasser. 


XXX 


Afrika 


Atlas, übersichtlich und speeiell die Gebiete darstellend , auf welchem die Rheinische 
Missionsgesellschaft thätig ist, Barmen. Von der Miss,-Gesellschaft, — Karte vom öStlichen 
Egypten, entworfen und gezeichnet von Dr. H, Lange. Vom Verfasser. — Esquisse de earte 
geographique des pays au Nord de l’Abyssinie, 2 Bl. Vom Hrn. Ziegler. 


Asien 


Karte von Armenien, Kurdistan und Azerbeidschan. Von Dr, H, Kiepert, Berlin 
1858. Vom Verfasser. — Map ofIndia, By Stanford, London 1857. 2 Bl. — Provinz Schan- 
tong nebst dazu gehörenden Halbinsel Laitschan. Von H. Commandeur G. Schwarz, 


Amerika 


Karte des nördlichen tropischen Amerika, Berlin 1858. 6 Bl. — Neue Karte von 
Mittelamerika in 4 Bl. Von Dr. Kiepert. Vom Verfasser, — Hydrographical Basin of the Upper 
Mississippi River from astronomical and barometrical observations, By J. N. Nicole 1843, 
Von Gen.-ConsulHrn. Dr, Flügel. — Map of CentralAmerika compiled from materials fur- 
nished by the Committie ou foreign relations of the Senate of the U. S. Washington 1856. 
Von der Smithsonian Institution. — Maps of the Rail Roads on the U. S. in operation and 
progress to accompany Report from the Thesaury Departement. By Israel Dr. Andrews. 
Vom k. k. Gen.-Consul Loosey. — Railroad et Township. Map of the State of Ohio. New- 
York 1852. Von H,. Ralley. — (arte de l’Istme de Panama et de Darien et de la Pro- 
vince du Choco reduite d’apr&s le dessin original de M. Aug. Codazzi. Par M. Dr. H. 
Kiepert. 1857. 2 Bl. Vom Verfasser. — Map ofthe Andes by Gibbon. Vonk. k. Gen.- 


Consul Loosey. — Map of that part of the Mineral Lands adjacent to Lacke superior, 
ceded to the U.S. By the Treaty of 1842 with the Chippewas.. Vom Hrn. Gen.-Consul 
Dr. Flügel. — Karte zu Balduin Mollhausen’s Reise vom Mississippi nach der Küste 


der Südsee im Jahre 1853—1854. Nebst Erläuterungen von Dr. H. Lange. Vom Verfasser. 


Australien. 
South Australia. 


BERICHTE ÜBER DIE VERSAMMLUNGEN 


DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT. 


Jahresversammlung am 3. November 1857. 


Eine zahlreiche Gesellschaft hatte sich zur Feier dieser ersten Jahresver- 
sammlung der k. k. geographischen Gesellschaft nach ihrer definitiven Gründung 
eingefunden. Der Herr Vicepräsident Freiherr von Reden führte den Vorsitz. 
Der Herr Präsident, k. k. Sectionsrath Haidinger, der zum allgemeinen Be- 
dauern durch Unwohlsein an der persönlichen Theilnahme gehindert war, hatte 
schon vorher seinen Jahresbericht gesendet, der von dem zweiten Secretär, 
Herrn Professor W. F. Warhanek, vorgelesen wurde: 


Meine Herren! Wohlwollende Gönner und Freundehaben die Ergebnisse 
meiner Bestrebungen für den Fortschritt der Naturwissenschaften milde und günstig 
beurtheilt. Ich bin nur zu sehrüberzeugt, wie weit ich hinter meinen eigenen Wün- 
schen zurück blieb, und doch darf ich der Wahrheit gemäss nicht verhehlen, dass 
Vieles, was ich unternahm, mir höchst schwierig wurde, und dass ich nur dahin 
strebte, mein Bestes zu thun, weil es mir Pflieht schien. Manche Aufgabe ist 
Folge früherer Lagen. Schwieriger als die in der heutigen Ansprache, die 
Periode zu schliessen, für welehe Ihr Wohlwollen, meine hochverehrten Herren, 
mich zu Ihrem Präsidenten wählte, ist mir noch keine vorgelegen. Erlauben Sie, 
dass ich diese Lage näher bezeichne. Man erwartet eine kurze Schilderung des 
Fortschrittes geographischer Wissenschaft in ihren verschiedenen Zweigen, 
während des Jahres meiner Präsidentschaft. Ich hätte allerdings hier nieht noth- 
wendig Alles aus den ursprünglichen Quellen zu nehmen, im Gegentheile, es gibt 
Drucekschriften, welche ich reichlich benützen, selbst nur im Auszuge wiederzu- 
geben brauchte. Nicht zu hoch kann ich in dieser Beziehung den Werth der bei 
Perthes in Gotha erscheinenden Petermann'schen Mittheilungen anschlagen, 
und was die Form, den Geist, den Inhalt selbst betrifft, so verdanke ich bei sei- 
nem Besuche in Wien, dem grossen englischen Geologen und Geographen, Sir 
Roderick Impey Murchison die von ihm, als Präsidenten der Königlichen geo- 
graphischen Gesellschaft in London am 25. Mai, also vor weniger als einem hal- 
ben Jahre, abgehaltene Jahresansprache an diese thatkräftige Gesellschaft. Wäh- 
rend sich auf diese Weise erleichternde Quellen finden, lässt mich aber eben die 
Vergleiehung den ungeheuren Abstand mehr empfinden, ahnen, als vollständig 
nach allen Richtungen erkennnen, in welchem ich mich gegenüber der Aufgabe 
befinde. Hier sehe ich das grösste Wohlwollen, die reichste und uneingeschränk- 
teste Anerkennung wahren Verdienstes, hier die aufopferndste Thatkraft, in den 
rührendsten Bildern, hier die sorgfältigst aufgesammelte vielseitige Kenntniss, 
Vieles nur durch höhere, wahrhaft gebietende Stellung in der Gesellschaft, durch 
Anwendung angestrengtester Kraft zu erreichen. Und nun darf ieh mich selbst 
gewiss nicht einen Geographen nennen, während ich doch auch durch den ur- 
sprünglichen Antrag auf Bildung einer geographischen Gesellschaft in Wien, für 
Oesterreich, hervorgebracht durch das Bedürfniss und die stets zunehmenden 
geographischen Beziehungen, in der That die Verpflichtung nicht von mir abwei- 
sen konnte, als erster Präsident dieser Gesellschaft, bis zu dem statutenmässigen 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II, Bd. 1. Heft. 1 


Q Versammlung 


Ablauf der Funetionsdauer auszuharren. Meine Hilfsmittel, sei es in persönlicher 
Beziehung, nach Alter und Gesundheitsverhältnissen, oder nach den verschiedenen 
gesellschaftlichen Rücksichten sind nur gar zu beschränkt. Das einzige was mir 
übrig bleibt, was aber eben um jener Ursachen willen, selbst nur eine sehr beschei- 
dene Stelle einnimmt, ist, dass ich aus vollem Herzen und gerne überall Dank 
und Anerkennung, und wahre Bewunderung darbringe, wo es mir die That zu 
erheischen scheint. Nicht immer hat man in unserem Wien und Oesterreich von 
wahrem lebhaften Fortschritt der Naturwissenschaften gesprochen. Wir selbst 
erinnern uns der Zeit, wo es nicht so war. Wenn ich den wahren Zeitpunkt des 
Beginnens zu bezeichnen versuchen sollte, so war es gewiss der, wo ein kleiner 
Kreis von „Freunden der Naturwissenschaften“ begann, sich um die- 
serwegen zu versammeln, in gegenseitiger Anerkennung, und dass sie ihre Theil- 
nahme am Fortschritt und ihre gegenseitige Anerkennung freudig aussprachen. 
Als in neuerer Zeit von einer Seite, wo man es in der That nicht erwarten durfte, 
in wenig freundlicher Weise von „gegenseitigen Lobesversicherungs-Anstalten“ 
Erwähnung geschah, habe ich nicht angestanden, mich öffentlich gegen den Geist 
eines solehen Verfahrens auszusprechen, denn er ist es, der im Stande wäre, al- 
len unsern Fortschritt wieder in die alte Riehtung gegenseitiger Anfeindungen 
zurück zu führen. Dieser Wunsch, so weit es in meiner schwachen Kraft liegt, 
der Anerkennung das Wort zu sprechen, soll mich auch ferner beleben. Möchte 
das Prinzip, wenn auch wir das Maass desselben nicht erleben, sich auch bei uns 
in der grossen, des wahren Menschlichen würdigen Weise entfalten, wie in 
jener Jahres- Adresse meines grossen Gönners und Freundes Sir Roderick 
Murchison. 

Mit nicht geringer Freude kann ich heute schon eines gewichtigen bei- 
stimmenden Urtheils zu meiner Aeusserung vom 2. Juni gedenken, das mir aus 
weiter Ferne zukommt. Der kaiserlich russische Staatsrath Herr Dr. v. Renard 
in Moskau, erster Seeretär der dortigen kaiserlichen Gesellschaft der Naturfor- 
scher, schreibt unter dem 27. August an meinen hochverehrten Freund Herrn 
A. Senoner: „Welche schöne, wahre Worte sprach Herr Haidinger in der 
Juni-Sitzung zur Erwiederung, wie erinnerten mich dieselben an unsern ver- 
storbenen Vicepräsidenten, der auch alle Bestrebungen zur Entwicklung der 
Wissenschaften, wenn sie auch noch so gering waren, stets unterstützte, er- 
muthigte u. s. w.* 

In dieser Freude am Erfolg der Freunde und der Gleichgesinnten liegt 
das Leben, die Wirksamkeit der frei gebildeten Gesellschaft. Gibt es auch ander- 
wärts nur zu zahlreiche Mittelpunete des Mangels an Anerkennung, so lassen Sie 
doch uns, meine hochverehrten Herren, in unserer Gesellschaft diesem freundlich- 
wohlwollenden Gefühle nicht entsagen. Man kann jenen nachtheiligen Ein- 
flüssen, wo sie einzeln vorkommen, mit einem Lieblingsworte Goethes immerhin 
ein Gewährenlassen nicht entziehen, aber ich glaubte, dass es meine Pflicht 
sei, das entgegengesetzte Verfahren, das mich immer belebte, vertheidigen zu 
müssen, wo ein Angriff unter so feierlichen Verhältnissen geschah. Gegenseitige 
Anerkennung aber ist das wahre Palladium des Fortschrittes. 

Aber nicht übermächtig darf das Gefühl bei mir werden, im Vergleich mit 
dem Höchsten, so wenig der Aufgabe gewachsen zu sein, welcher ich mich ge- 
genüber befinde, ich muss vielmehr den eigentlichen Gesichtspunet aufsuchen, 
aus welchem ich meine ersten Schritte zur Bildung der Gesellschaft unternahm, 
zur Gewinnung eines festen Punctes, an welchen ein Faden geknüpft ist, da- 
mit an diesem sich allmälig reichere und dem Fortschritte der Zeit entsprechende 
Entwicklungen anreihen, so wie wir es auch anderwärts gesehen haben. Aus 


am 3. November 1857. 3 


diesem Gesichtspunete betrachtet, ist uns allerdings selbst in dem kurzen Zeit- 
raume unseres Bestehens sehr viel des Anregenden zu Theil geworden. 

Ein wenn auch trauriger, doch schöner, erhebender Abschnitt in den An- 
sprachen bei Jahresabschlüssen ist der, wo man in Weihe und Anerkennung der 
dahingeschiedenen Collegen gedenkt. Schon vor dem Beginne der eigentlichen 
Bildung unserer Gesellschaft hatten uns die schweren Verluste durch den Tod ei- 
nes Freiherrny. Hammer-Purgstall, Partsch, Riedl v. Leuenstern be- 
troffen. Ich hatte gehofft diesesmal keine Fortsetzung verzeichnen zu dürfen, und 
doch vor wenigen Tagen erst erreichte uns die Trauerkunde von dem Tode eines 
rüstigen auswärtigen Mitgliedes, des unternehmenden Bernhard Perthes, der 
am 27. October in Gotha, nach einem nur kurzen Krankenlager am Typhus, in 
seinem 36. Lebensjahre aus dem Leben schied. Meinem hochverehrten 
Freunde, Herrn k. k. Bergrath Foetterle, verdanke ich die nachfolgenden 
Angaben: „Bernhard Perthes war der Chef eines der ausgedehntesten 
geographischen Institute in Deutschland, das beinahe seit 70 Jahren in 
Gotha besteht. Er folgte in der alleinigen Leitung desselben seinem im Jahre 
1853 verstorbenen Vater Justus, unter dessen Firma die Anstalt fortbestand, 
Hatte der Letztere es dahin gebracht, dem Unternehmen eine feste, achtung- 
gebietende Basis zu gründen, so war Bernhard Perthes nach seiner Ueber- 
nahme der Leitung der Anstalt bemüht, derselben einen europäischen Ruf 
zu verschaffen. Es war nicht allein das materielle Interesse, was ihn leitete, es 
war vielmehr die Wissenschaft, welche er als die Grundlage der zunehmenden 
Entwieckelung seiner Thätigkeit aufstellte. Es gelang ihm bekannte Autoritäten 
der Geographie für seine Anstalt zu gewinnen, die ihm das von seinem Vater be- 
gonnene Werk fortbauen halfen, und mit deren Hülfe und Unterstützung es ihm 
auch auf das vollkommenste gelang. Schon im Jahre 1854 verherrlichte Dr. 
August Petermann, als Mitglied, die Anstalt mit seinem Namen; ein Jahr 
später war auch die Thätigkeit von Emil v. Sydow für dieselbe gesichert, nach- 
dem Dr. Heinrich Berghaus, Sohn, derselben schon früher angehörte. Mit 
solchen Kräften stieg bald das Ansehen der Anstalt. Sein Haus selbst war jedoch 
nicht die technische Werkstätte, es bildete den geistigen Vereinigungspunet, die 
Seele seiner geographischen Anstalt, aus der alle die grossartigen Leistungen 
auf dem Gebiete der Geographie hervorgingen, die wir unter dieser Firma be- 
wundern. Rasch wusste Bernhard Perthes seine Thätigkeit nicht bloss in Nord- 
Deutschland, sondern über einen grossen Theil Europas auszudehnen, und die 
zahlreichen Unternehmungen dieses Institutes beziehen sich auf ganz Deutsch- 
land, auf unser eigenes Oesterreich, auf Russland, und neuester Zeit selbst auf 
Italien. Seinem Unternehmungsgeiste verdanken wir das anerkannt beste wissen- 
schaftliche Organ für Geographie, die „Mittheilungen aus Justus Perthes geo- 
graphischer Anstalt über wichtige neue Erforschungen aus dem Gesammtgebiete 
der Geographie“, die unter Dr. A. Petermann s Leitung rasch den so sehr 
verdienten Ruhm sich zu erwerben wussten. Die technische Ausführung der 
Leistungen seiner Anstalt wurde zum gröstentheile anderen in Gotha ansässi- 
gen Unternehmern überlassen. Sie war jedoch so bedeutend, dass Bernhard Per- 
thes mehrere lithographische Anstalten, Buchdruckereien und Buchbinder, die 
sämmtlich mehrere hundert Menschen beschäftigten, fast ausschliesslich für sein 
Unternehmen in Anspruch nahm, denn er selbst besass nur ein Farbewerk in der 
Nähe, was er für dieZwecke seiner Anstalt unterhielt. MitRecht lässt sich daher 
behaupten, dass an der Ursache des Wohlstandes, dessen sich Gotha rühmen 
kann, diese Anstalt einen nicht unbedeutenden Antheil hat. Sowohl dieser Um- 
stand, wie sein allbekannter Wohlthätigkeitssinn und seine Menschenfreundlich- 

1 “= 


A Versammlung 


keit machte ihm die Herzen der Gothaer geneigt, und allgemein ist die Trauer 
» um den Dahingeschiedenen, in dem nicht nur die Anstaltihren Leiter, die Wis- 
senschaft einen Gönner und Förderer, die Armen eine Stütze, sondern die Gattin 
einen liebevollen Gemahl, und drei kleine Kinder einen besorgten Vater verloren. * 

Zu der Uebersicht unserer Geschichte übergehend erlauben Sie mir zu- 
vörderst unsere erste und in dem verflossenen Jahre einzige freie Zuerkennung 
für wissenschaftliches Wirken näher zu erörtern. Es ist diess das Ehrenge- 
schenk von 250 fl. Conv.-M., Anweisung zur Befriedigung von Bedürfnissen, für 
Pflanzengeographische Vorarbeiten im Kaiserthum Oesterreich, an Herrn Dr, 
Joseph Maly in Gratz. 

Ich kann hier nicht eine jener wahrhaft glorreiehen Zuerkennungen bevor- 
worten, welche Jahr für Jahr für grosse speeiell geographische Entdeckungen 
ob terras reclusas die Sitzungen der Londoner, der Pariser, der St. Peters- 
burger geographischen Gesellschaften verherrlichen. Unsere Zuerkennung hatte 
vielmehr die durch eigenthümliche Verhältnisse in den Vordergrund tretende 
Natur einer späten Abtragung einer Schuld des Vaterlandes. Es war so eben ein 
Werk unseres hochverehrten Vicepräsidenten, Herrn Dr. Fr. W. Freiherrn von 
Reden an das Licht getreten, das er aus seinem umfassenden statistischen 
Archive, dem Ergebniss eines Lebens, für die Jubelfeier der k. k. Landwirth- 
schafts-Gesellschaft in Wien, „der Boden und seine Benützung im Kaiserstaate 
Oesterreich“ vorbereitet, in demselben von unserem hochverehrten Mitgliede, 
Herrn Dionys Stur, ein Verzeichniss österreichischer Nutzpflanzen. Als Haupt- 
quelle für letzteres wurde überall Dr. Maly genannt. Und für diesen Mann, den 
einzigen, den man vor Allen nennt, erschallt plötzlich ein Ruf seinerLeiden durch 
Krankheit und Mangel. Der Gegensatz der Verdienste zu dem Zustande war zu 
gross, als dass er nicht auf einen raschen Entschluss in menschlicher Theilnahme 
hätte wirken sollen. 

Wenn aber auch die Veranlassung zum Beschlusse durch den Wunsch, 
zu helfen, begründet war, so blieb doch dem Vorgange der wahre Charakter 
freier Zuerkennung für wissenschaftlichen Werth. Einen Augenblick möchte ich 
hier, meine hochverehrten Herren, auf diesem Acte freier Zuerkennung verwei- 
len, wo ein Gegenstand, eine Baarsumme überreicht wird, ohne auf das Neue eine 
zu leistende Arbeit dafür zu fordern, einzig als Anerkennung. In der Ent- 
wieklung unserer gesellschaftlichen Verhältnisse sind wir dergleichen noch wenig 
gewohnt, obwohl sie anderwärts als mächtige Hebel des Fortschrittes bezeichnet 
werden dürfen. Die Baarsumme namentlich gibt zugleich den Ausdruck des Ver- 
trauens, dass der Betheilte selbst den besten Gebrauch davon zu machen wissen 
werde, die Befriedigung des hervortretendsten Bedürfnisses. Ein überreichter 
Gegenstand befriedigt ein Bedürfniss unmittelbar. Tiefer in der Reihe stehen 
ausgeschriebene Preise, bei welchen man nicht leieht ein Dilemma vermeidet. 
Man muss wünschen, dass nicht zu viele Personen bloss für die Bewerbung gear- 
beitet haben, und also Manche leer ausgehen. Aber es ist wahrhaft beschämend, 
wenn man schon im Vorhinein weiss, wer den Preis gewinnen wird. Noch tiefer 
stehen Betheilungen für gewisse festbestimmte Thatsachen, ein Honorar für „so 
viel die Zeile,“ und dergleichen mehr, Beispiele liessen sich leicht in Mehrzahl 
anführen, aber ich will lieber, als das weniger Anregende näher zu erläutern, 
hier nur nochmals den Wunsch aussprechen, dass wir der Natur einer unabhän- 
gigen, entschlossenen, wissenschaftlichen Gesellschaft entsprechend, stets den- 
jenigen Gang einhalten möchten, den wir in dem ersten unserer bezügli- 
chen Entschlüsse wählten. 


am 3. November 1857, 5 


In den Vorgängen unserer fünfzehn Sitzungen selbst im Laufe des Winters 
und Frühjahres zeigte sich frisches, reges Leben. Die erste brachte mir die für 
immer unvergessliche Ehre, das Jahr als Präsident der neuen Gesellschaft, als 
eine wahre Culminations-Periode meines Lebens zuzubringen. Die Wahl geschah 
noch unter der Aufregung der neuen Allerhöchsten Bewilligung der Gesell- 
schaft und ihrer Statuten, und der Ertheilung der wichtigen und folgenreichen 
Bezeichnung einer kaiserlich-königlichen Gesellschaft. Siebenmal war es 
mir selbst durch meine Gesundheitsverhältnisse gegönnt, den Vorsitz zu führen, 
den Freiherren von Reden und von Czoernig, sowie Herrn Director Kreil 
bin ich zu dem grössten Danke verpflichtet, welche die übrigen Sitzungen leite- 
ten, nach den Verhältnisszahlen 5, 2 und 1, 

Mannigfaltige Gegenstände fesselten unsere Aufmerksamkeit. Schon in der 
Sitzung am 2. December, der ersten nach meiner Wahl zum Präsidenten, trat das 
höchste Ereigniss ein, das uns in unseren neuen Verhältnissen anregen konnte, 
die erste Reise um die Welt durch ein österreichisches Kriegsschiff, die k. k. 
Fregatte „Novara,“ für Zwecke der Marine sowohl, als auch für Wissenschaft, 
unter dem höchsten Proteetorate Seiner kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten 
Herrn Erzherzogs Ferdinand Maximilian. Während die Kaiserliche Akade- 
mie der Wissenschaften den an sie gestellten Fragen gemäss zwei Naturforscher 
zur Begleitung wählte, die Herren Dr. Hochstetter und Frauenfeld, den 
ersten ein Mitglied der k. k. geologischen Reichsanstalt, und selbe mit werthvol- 
len Apparaten und Instructionen versorgte, hatte auch unsere neue Gesellschaft 
mit Eifer die Veranlassung ergriffen, um ihre Theilnahme werkthätig zu bewei- 
sen, so die Herren Freiherr von Reden, Ritter von Heufler, Freiherr von 
Riehthofen, Dr. Schiner. Namentlich wurde auch in unseren Sitzungen fort- 
während die Theilnahme rege gehalten. Der persönliche Besuch der Herren 
Dr. Scherzer und Dr. Hochstetter bei Alexander von Humboldt, durch 
unsere Besprechungen vorbereitet, Hochstetter's Ausflug nach London und 
Paris, durch unsere steten freundlichen Verbindungen mit den dortigen Gönnern 
und Freunden der Wissenschaft erleiehtert, waren reich an den anregendsten, 
werthvollsten Ergebnissen, bis zu den erhebenden Augenblicken des Abschiedes 
der Freunde in den Sitzungen am 31. März und am 7. April. Seitdem halten die 
in der Tagespresse enthaltenen Berichte die Aufmerksamkeit desPublikums rege. 
Das ist der Unterschied der Erfolge der Weltfahrten fremder Nationen und dieser 
neuen durch unsere eigenen Freunde und Landsleute, dass dort nur die abstraete 
Liebe zur Wissenschaft uns bewegt, hier aber jedes österreichische Herz fühlt, 
wie es seine eigenen Erfahrungen sind, worüber die Berichte lauten , und dass 
ein Theil seiner selbst es ist, der in fernen Zonen die Macht seines Namens ver- 
kündet, und nützlich für das Vaterland und die Wissenschaft wirkt. Bereits hat 
die erste Einsendung an Gebirgsarten von Gibraltar an die k. k. geologische 
Reichsanstalt Veranlassung zur Gründung eines „Novara-Museums“ gegeben, das 
nun nur noch ein Keim in nicht zu ferner Zukunft sich zu Grösserem entfalten wird. 

Während unsere Aufmerksamkeit auf diese Art den fernsten Gegenden zu- 
gewendet war, wurden wir wieder von Zeit zu Zeit durch verwandte Gegen- 
stände gefesselt, die Nieobaren und den Fontana’schen Bericht über die Ergeb- 
nisse der Fahrt des k. k. Schiffes „Joseph und Theresia,“ die Reisen in Tenasse- 
rim und dem Mergui-Archipel unseres zu früh dahingeschiedenen Landsmannes 
Dr. Helfer und seiner heldenmüthigen Gemahlin , seiner Begleiterin auf allen 
Fahrten, gegenwärtig Frau Gräfin von Nostitz, welcher wir nun die interes- 
santesten Mittheilungen verdanken. 


6 Versammlung 


Herr k. k. Custos-Adjunet Kotschy, gab uns die Erfahrungen seiner 
‘ Reisen im Taurus, in den Nil-Ländern, Freiherr von Reden in der denkwür- 
digen Sitzung vom 2. Juli in Gegenwart des Herrn Apostolischen Nuntius, Mon- 
signor de Luca, den anregenden Ueberbliek der Wirksamkeit unserer eige- 
nen Missionen in Central-Afrika, mancher andern gelegentlichen Mittheilungen 
aus der Literatur nieht zu gedenken. Aber auch aus unserem eigenen Vaterlande 
erhielten wir Reise- und Forschungsberichte, namentlich aus dem Gebiete der 
Kenntniss unserer Gletscher- und Alpenwelt, so schon in der allerersten Sitzung von 
Herrn Major von Sonklar über die Oetzthaler Gletscher, ferner von Herrn Dr. von 
Ruthner über das Glocknergebiet, von Herrn Prof. Simony über den Venedi- 
ger, an welche sich dessen eigener bei Perthes erscheinender physiognomi- 
scher Atlas, sowie das Panorama des Herrn Seelos in Südtirol, unmittelbar an- 
schliessen. 

Ein vielfaches Interesse der eigenthümlichen Bodengestaltungen , mehr 
noch des Einflusses auf den Fortschritt menschlicher Gesittung auf dem Erden- 
rund, bot die Frage der Durchstechung der Landenge von Suez, die so sehr in 
alle unsere Beziehungen eingreift, erst von Frauenfeld, dann von dem Frei- 
herrn von Riehthofen, endlich von Herrn k. k. Ministerialrath Ritter von Ne- 
grelli vorgetragen, bis zu dem Berichte unseres Herrn Seeretärs, k. k. Berg- 
rathes Foetterle, der unserer hohen Staatsregierung überreicht wurde. Alles 
schliesst sich mit wenigen Ausnahmen gleicher Riehtung an. Wäre der Durch- 
stich jetzt schon ausgeführt, wie günstig würde man ihn in den gegenwärtigen 
ostindischen Wirren zum Wohl der Civilisation und der Menschheit haben benüt- 
zen können! Was die Oberflächen-Gestaltung betrifft, erhielten wir mehrere 
Mittheilungen von Herrn k. k. Seetionsrath Streffleur über den Grund des 
Meeres, der Seen und Flüsse, über Gebirgsjoche, Thalbildung; k. k. Hauptmann 
Guggenberger über die Natur und Wirkung der fliessenden Gewässer; geo- 
graphische Mittheilungen vonHerrn Dr. Kerner, über die Umgebungen von Ofen; 
allgemein Geographisches über die Gestaltung der Erde von Herrn Dr. Krüger. 

Mancherlei einzelne Karten, Reliefs und Atlanten wurden in den Sitzungen 
vorgelegt undbesprochen, von der grossen Schichtenkarte desHerrn k. hann. Ma- 
jors Papen, und dem Relief des Glocknergebietes und oberen Drauthales von 
Herrn Keil in Lienz, in der ersten unserer Sitzungen beginnend, Goltons Atlas, 
von dem Freiherrn von Czoernig vorgelegt, der Civelli'schen Erzeugnisse in 
Mailand, der Schichtenkarte der östlichen Alpen von Herrn k. k. Major von Son- 
klar, und des von Herrn kaiserlichen Rath Steinhauser besprochenen 
Ziegler’schen hypsometrischen Atlasses, Herrn L. de Lens galizische Indu- 
striekarte und des Herrn Grafen von Krasieki Bodenkulturkarte; endlich die 
(von Herrn Warhanek vorgelegte) Kiepert'sche Karte von Palästina, die 
Mayer’sche Postkarte aus dem Cursbureau des k. k. Handelsministeriums u. s. w. 
Bei dem grossen Erfolge, mit welchem in neuester Zeit statistische Studien 
durchgeführt werden, fanden die Ergebnisse derselben vielfach Raum in unseren 
Sitzungen. Schon dass Freiherr von Czoernig, Director des k. k. Bureau's 
der administrativen Statistik, Vicepräsident unserer Gesellschaft ist, gab uns in 
einer der Sitzungen die Vorlage der Uebersicht der Waaren-Ein- und Ausfuhr 
des allgemeinen österreichischen Zollverbandes im Sonnenjahre 1856, sowie die 
von Rossiwall’s „Eisenindustrie von Kärnthen,“ sowie manche wichtige Be- 
merkungen bei verschiedenen Veranlassungen. Einem andern unserer hochver- 
ehrten Herren Vieepräsidenten, Freiherrn von Reden, verdanken wir die regste 
Theilnahme an unseren Fortschritten, namentlich auch zahlreiche Ergebnisse, zu- 
sammengestellt aus seiner eigenen unyergleichlichen Sammlung statistischer Quellen 


am 3. November 1857. 7 


über England und dessen Colonien, Siebenbürgen und die Marmaros, Schweden, 
die päpstlichen Staaten, unsere letzte Volkszählung, und noch in den letzten Sit- 
zungen das denkwürdige, aus Veranlassung der Jubelausstellung der k. k. Land- 
wirthschafts-Gesellschaft entstandene Werk über den Boden und seine Benützung 
im Kaiserstaate Oesterreich. Nur Freiherr von Reden war durch seine eigenen 
Vorbereitungen im Stande, solchen Aufgaben zu genügen. Herr k. k. Seetions- 
rath Streffleur berichtete über die Statistik der Cholera in Oesterreich 1855, 
Herr k.k. Seetionsrath Ritter v. Heuflerüber die Statistik der Pflanzengeographie 
in Europa. Viele der mannigfaltigsten Gegenstände mit geographischen Beziehun- 
gen erschienen in den bibliographischen Vorlagen, von welchen ich hier unseres 
hochverehrten Mitgliedes, Herrn Brachelli's deutscher Staatenkunde, von ihm 
selbst vorgelegt, erwähne, ferner Herrn Gigl'sBesprechung des Standes der Biblio- 
graphie in Oesterreich, Herrn Prof. v. Czedik's Vorlage der „Bibliotheca geo- 
graphica,“ HerrnDr. Beck's Besprechung über topographische Lexica, nebst den 
sich daran knüpfenden £rläuterungen und Mittheilungen des Freiherrn von Czoer- 
nig, die Vorlage der Ortsverzeichnisse des Herrn Grafen von Krasicki, des topo- 
graphischen Postlexieons für Niederösterreich, Böhmen, Mähren und Schlesien, aus 
dem Cursbureau des k. k. Handelsministeriums, des Freiherrn von Reden Vorlage 
von Herrn kaiserlichen Rath Steinhauser’s trefllichen Grundzügen der mathema- 
tischen Geographie, und dem biographischen Lexicon des verdienstvollen Herrn Dr. 
Constant von Wurzbach, sowie noch sehr vieler anderen von mancherlei Aus- 
dehnung und Richtung. Ueber Ethnographie erhielten wir Mittheilungen von den 
Herren k. k. Schulrath Becker, A. Gigl, Frauenfeld; über alte Geographie 
gab uns Herr Zhishman schätzbare Nachweisungen über den Inhalt der Werke 
Strabo's und die Quellen, aus welchen er schöpfte, 

Manches endlich wurde besprochen, was den Interessen des Tages ange- 
hörte, und den Bestand und die Geschichte unserer eigenen Gesellschaft, die 
an vielen anderen Gesellschaften so schöne grosse Vorbilder besitzt, die uns 
namentlich Freiherr von Reden in seinem Bericht über die Arbeiten der kaiser- 
lich russischen geographischen Gesellschaft im Jahre 1856 vorführte. 

Mehrere Vorgänge während der Zeit der Unterbrechung unserer Sitzun- 
gen werden uns im Laufe der diesjährigen beschäftigen, eines der aller- 
wichtigsten derselben muss ich jedoch auch hier gedenken, der Abhaltung des 
dritten statistischen Congresses, an welchem mehrere hochverehrte Mitglieder 
der Gesellschaft den lebhaftesten Antheil nahmen. Unter dem unmittelbaren Vor- 
sitze des Herrn k. k. Handelsministers Ritters von Toggenburg vorbereitet, 
war Wien und Oesterreich eben so würdig vertreten, als uns das Ausland Männer 
der ersten Linie zusandte. Unser Vicepräsident, Freiherr von Czoernig, war 
Vieepräsident der Vorbereitung-Commission; an derselben nahmen ausserdem 
Theil unsere Vicepräsidenten: k. k. G.M. A. v. Fligely und Freiherr von Re- 
den, unsere Mitglieder: Freiherr von Baumgartner, Dr. Ficker, Ministe- 
rialrath Ritter von Hock, Prof. L. Stein, Seetionsrath Streffleur, welchen 
sich noch viele Andere als Mitglieder anschlossen. Namentlich im Interesse der 
k. k. geographischen Gesellschaft hatte Herr Seeretär Foetterle Veranlassung, 
mit vielen der ausgezeichnetsten Gäste Verbindungen zu eröffnen oder näher zu 
besprechen, wie den Herren von Hermann, Dietz, von Lamansky, Quete- 
let, von Siek u. s. w. Auch mir ward die Ehre des Besuches mehrerer hoch- 
verehrten Gönner, da mir meine Gesundheits-Verhältnisse nicht gestatteten, 
selbst als Theilnehmer einzutreten. Der Congress und die durch denselben vor- 
bereiteten Verbindungen werden für unsere Gesellschaft von den grössten Erfol- 
gen begleitet sein, 


8 : Versammlung 


In diese Zwischenzeit fallen die zwei unvergesslichen freundlichen Besuche 
unseres gegenwärtigen Ehrenmitgliedes, der Frau Gräfin v. Nostitz, nebst den 
Besprechungen und der Mittheilung der Schriften ihresverewigten Gemahls, des 
unternehmenden Dr. Helfer, sowieder Besuch von zwei hochwürdigen Missio- 
nären aus dem Seminarium Mazza in Verona, der Herren Giovanni Beltrame 
und Angelo Melotta, die am 10. September, in Gesellschaft dreier jüngeren 
geistlichen Begleiter, Oliboni Franceseo, Comboni Daniele, Dalbesio Ales- 
sandro, und eines weltlichen Lehrers, in Triest sich einschifften, um sich von 
Chartum aus neuen Arbeiten zu unterziehen. Herr Beltrame war schon früher 
am blauen Flusse bis nach Schongollo gedrungen, und spricht namentlich in an- 
erkennendster Weise von der grossen Genauigkeit der Nachrichten und carto- 
graphischen Arbeiten unseres hochverehrten Mitgliedes, Ritters v. Russegger. 
Später waren es Herr Johann Palacky von Prag, auf seiner Reise nach England 
und Norwegen, von dem wir auch manche Mittheilungen erwarten, Herr Profes- 
sor Peter Matkovic, gegenwärtig in Graz, so eben nach einem längeren erfolg- 
reichen Aufenthalte und den gründlichsten geographischen Studien, in unmittel- 
barer Nähe unseres Ritter in Berlin in das Vaterland zurückgekehrt; Herr Pro- 
fessor Franeeseo Nardi von Padua, unserer Wissenschaft mit Vorliebe zuge- 
than, von dem uns auch manche werthvolle Mittheilung in Aussicht gestellt ist. 
Diese trefflichen Geographen, sowie unsere Freunde A. E. Zhishman, Zeit- 
hammer sind uns noch immer durch den Ort ihres Aufenthaltes ferne gestellt. 
Möchten wir doch bald den einen oder den andern im Laufe der Veränderungen 
in den gesellschaftlichen Lagen in Wien und in unserer Gesellschaft begrüssen, 
welcher sie sämmtlich bereits als Mitglieder angehören. 

Auch die freundliche Uebersendung der schönen photographischen Abbil- 
dungen von Individuen im ungarischen National - Costüme aus der diesjährigen 
Ausstellung landwirthschaftlicher Gegenstände in Pest fand statt, für welche ich 
der ungarischen Landwirthschaftsgesellschaft unter Vertretung des Vorstandes, 
Herrn von Heinrich, sowie der wohlwollenden Vermittelung des Herrn k. k. 
Statthalterei-Vieepräsidenten Freiherrn von Augusz hier meinen verbindlichsten 
Dank darbringe. 

Noch muss ich hier auch einer wohlwollenden Mittheilung Seiner Exeellenz 
des Herrn k. k. Ministers desInnern, Freiherrn v. Bach gedenken, inFolge welcher 
es vielleicht gelingen dürfte, einen Saal zu unseren Versammlungen in dem der 
Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften gewidmeten Gebäude in der Stadt an- 
gewiesen zu erhalten. Die Zeit meines Austrittes von der Funetion als Präsident 
der Gesellschaft war so nahe abgelaufen, wo die Uebernahme des Gebäudes erst 
am 27. October durch die Kaiserliche Akademie geschah , dass ich nicht mehr 
wagen durfte, noch Unterhandlungen in dieser Beziehung zu eröffnen, die aber 
nun wohl unter günstigern Verhältnissen zu einem erfreulichen Abschlusse ge- 
bracht werden dürften. 

Als Abschluss endlich des ersten Jahres unserer Gesellschaft liegt uns 
heute, dureh die Thatkraft unseres ausgezeichneten Seeretärs, Herrn k. k. Berg- 
rathes Foetterle, gewonnen, der erste Band unserer Mittheilungen , mit dem 
zweiten Hefte vervollständigt vor, der unsere Geschichte bis zum Schlusse des 
Monats October 1857 enthält. Die Natur unserer Anfänge liegt nun unseren 
hochverehrten Freunden und Gönnern vor, und wir hoffen, wie wir es bisher 
erlebten, auf fernere günstige Entwicklungen, die indessen wie überall nur all- 
mählig eintreten können. 

Erlauben Sie mir nun, hochverehrte Herren, dass ich aus dem Fortschritte 
geographischer Wissenschaft in dem abgelaufenen Jahre Ihrer wohlwollenden 


am 3. November 1857, N) 


Aufmerksamkeit einige wenige leitende Punkte vorlege, die mir zunächst den 
lebhaftesten Eindruck machten , wobei ich, was in unserem eigenen Kreise zur 
Sprache kam, nicht weiter berühre. 

Erschöpfendes kann ich wohl bewundern, aber nicht nachahmen. Aber es 
würde dies auch weit die Grenzen überschreiten, welche ich mir heute 
setzen muss. 

Eine der Mittheilungen, die Ihr besonderes Interesse erregen dürfte, ver- 
danke ich dem Wohlwollen unseres hochverehrten Herrn Vicepräsidenten, k. k. 
G.M. v. Fligely, einen Abriss der unter seiner Direction durchgeführten Arbei- 
ten durch das k. k. militärisch-geographische Institut. 

Von den 38 Blättern der Speeialkarte von Böhmen in dem Maasse von 
2000 Klafter auf den Zoll (1: 144.000) sind bisher 24 erschienen, die Zeich- 
nung aller ist vollendet, und die noch übrigen 14 Blätter werden binnen zwei 
Jahren veröffentlicht werden. Dalmatien ist vollständig in der Militäraufnahme 
beendigt. Die Specialkarte im Maasse von 2000 Klaftern folgt unmittelbar nach 
der Karte von Böhmen. Das Gerippe von 14 Blättern der Karte ist bereits auf 
Kupfer gestochen. Zwei Dritttheile von Ungarn sind aufgenommen , der Rest in 
etwa 955 Sectionen ist auf drei Jahre Aufnahmsarbeiten vertheilt. Die 2000- 
Klafter-Karten werden erst später in Angriff genommen. Vor der Hand wird 
eine Generalkarte vorbereitet, im 4000- Klafter-Maass (1: 288.000), auf Stein 
gravirt, in 10'/, Blättern, drei derselben erscheinen demnächst in einer ersten 
Lieferung. Die Originalzeichnung ist ganz vollendet, mit Terrain, so weit mög- 
lich aus den neuen Aufnahmen. Der Stich erfordert noch zwei Jahre. Die neuen 
38 „Comitatskarten“ haben dasselbe Maass, aber keine Bergzeichnung. Eine 
Fortsetzung der „Umgebung von Wien in 3 Blättern“ im Maasse von 1 Zoll 
= 600 Klafter (1: 43.200) erscheint in den nächsten Tagen, die Umgebung 
von Gloggnitz, welche die Eisenbahnlinie über den Semmering, die Raxalpe, 
den Schneeberg u. s. w. enthalten. Im Jahre 1856 wurde die Aufnahme der 
Wallachei auf Grundlage trigonometrischer Vermessungen begonnen. Sie wurde 
Ende October beendet. Sie geschah in dem Maasse von 1 Zoll = 8000 Klftr., und 
es wird eine auf Stein zu gravirende Generalkarte in dem Maasse von 1 Zoll 
= 4000 Klftr. vorbereitet. 

Von grösster Wichtigkeit ist die Mittheilung, dass nun „die Aufnahme der 
noch fehlenden Theile der österreichischen Monarchie, sowie die Herausgabe der 
Special- und Generalkarten der noch nicht erschienenen Kronländer , binnen 20 
bis 25 Jahren stattfinden wird, da dem k. k. militärisch - geographischen Tastitute 
zur Erreichung dieses Zweckes eine entsprechende Vermehrung der technischen 
Abtheilungen in sichere Aussicht gestellt ist.“ 

Auch von unseren eigenen Aufnahmen, der k. k. geologischen Reichsanstalt, 
ist wohl hier der Ort, ein Wort zu sagen, die nun mit dem grössten Erfolge 
durch den Umstand fortgeführt werden, dass die grosse Erfahrung langjähriger 
Arbeiten den Blick unserer ersten thatkräftigen Arbeiter sicher gemacht hat, 
eines Franz Ritter v, Hauer, Lipold, Foetterle, Stur, welchen die später 
eingetretenen Mitglieder Jok&ly, Freiherr von Riehthofen und Andere sich 
würdig anreihen, während wir aus unserer Mitte so manche erfahrene Forscher 
scheiden sahen, einen C2jZek durch den Tod, einen ©. v. Ettingshausen, 
Peters, Hochstetter, v.Zepharovich durch anderweitigen Beruf. Vor 
acht Jahren mit den östlichen Alpen zwischen Wien und Salzburg begonnen, lie- 
gen jetzt durchgeführt die Karten von Ober- und Nieder-Oesterreich, Salzburg 
Kärnthen undKrain vor, nebst bedeutenden Theilen von Böhmen, auch Theile von 
Mähren, Ungarn , Steiermark , endlich die Uebersichtskarte des vorigen Jahres 


10 Versammlung 


von Venedig und der Lombardie, welchen sich in diesem die Uebersicht von 
‚ Tirol und Vorarlberg anschliesst. 

Was das Streben in die Weite betrifft, so enthielt wohl die Nachricht 
über unsere Novara-Fahrt, über Central-Afrika, und unsere hochverdienten Mis- 
sionäre oben das Wichtigste, doch dürfen wir auch nicht der Theilnahme verges- 
sen, die unsere heldenmüthige Reisende, Frau Ida Pfeiffer, in ihren Anstren- 
gungen, nach Madagascar einzudringen, begleitet, wo sie zwar ihren Zweck er- 
reichte, indem sie im Mittelpunete der Insel, in Tananariva, selbst an das Hof- 
lager der Königin geladen war, aber seitdem mit anderen Europäern gänzlich 
aus dem Lande ausgewiesen wurde , sowie der unter so ganz eigenthümlichen 
Verhältnissen lebende und seinen Trieb zur Erforschung neuer Gegenden befrie- 
digende ungarische Reisende, Magyar Läszlö — Ladislaus Amerigo Magyar 
— in Bihe, über dessen Erfahrungen uns Herr Dr. Petermann in diesem Jahre 
Kunde brachte, aus jenem grossen, wenig zugänglichen Lande voll vegetabili- 
schen und animalischen Lebens. 

In einer frühern Periode der Bildung unserer k. k. geographischen Gesell- 
schaft erinnere ich mich, eine Bemerkung gehört zu haben, „eine solche Gesell- 
schaft sei nun ziemlich überflüssig, seitdem man aus „Petermann’s Mittheilun- 
gen“ sich so leicht über alles Geographische mit leichter Anstrengung unter- 
richten kann, sowie auch den seefahrenden Völkern Alles näher liege, als eben 
uns.“ Aber das Interesse, welches sich an die „Novara“ knüpft, gerade das, 
dass unsere eigenen Landsleute die Erfahrungen gemacht haben werden, deren 
Erfolge wir an Anderen bewunderten, eben ein solches wird mächtig gerade 
durch dergleichen treffliche Arbeiten angeregt. Es ist eine der höchsten Aner- 
kennungen, welche dort ausgesprochen wurde; aber liegt uns nicht Alles, was 
Herr Dr. Petermann mit grösster Umsicht und Thatkraft sammelt, schon darum 
weit näher, wenn wir in unserer eigenen Gesellschaft eine ähnliche Anerkennung 
aussprechenkönnen? Auch wir verehren in dem Gebotenen eine der wichtigsten 
Quellen fortlaufend uns zugehender Kenntniss, aber sie muss uns vielmehr zur 
Entwiekelung von Thatkraft, zu Wetteifer anspornen, als dass sie uns gleich, 
weil wir nicht zu folgen im Stande sind, rathlos zurück liesse. Dank also dem 
kraft- und kenntnissvollen Bearbeiter, HerrnDr.Petermann, aber auch dem hoch- 
verdienten, nun verewigten Besitzer der Anstalt, aus welcher das Werk hervorgeht, 
Herrn Bernhard Perthes in Gotha. Aber diese Mittheilungen erweitern sich 
auch fortwährend und beweisen durch die That die ungemein grosse geographi- 
sche Bewegung der Jetztzeit, wie sie selbst nicht in einem Murchison's 
Jahresberichte mit einiger Vollständigkeit mehr gegeben werden konnte. Auch 
die Fortsetzung der „Zeitschrift für allgemeine Erdkunde in Berlin“ nimmt den 
regsten Aufschwung unter dem neuen, trefflich vorbereiteten und unternehmen- 
den Herausgeber, Herrn Dr.K.Neumann, Nachfolger des dahingeschiedenen Dr. 
Gumprecht, der der ersten Entwickelung unserer eigenen Gesellschaft Zeuge 
war, uns auch darum unvergesslich ist, getragen wie sie ist durch die Heroen 
geographischer Kenntniss in Berlin, einen Ritter, Dove, Ehrenberg, Kie- 
pert, K. Andree in Dresden, Wappäus in Göttingen, welchen letzteren uns 
gegeben war, auch in Wien im Herbste zu begrüssen, aber gefördert auch durch 
den mächtigen Einfluss unseres Humboldt und durch die Theilnahme des Kö- 
nigs selbst, der so oft die Kraft der That zur Disposition gestellt. Im verflosse- 
nen Sommer erfreuten wir uns der Rückkehr der zwei Brüder Hermann und Ro- 
bert Schlagintweit. Sie besuchten die Räume der k. k. geologischen Reichs- 
anstalt am 15. Juni. Fast gleichzeitig am 14. hatte Alexander von Humboldt 
an mich geschrieben: „Die Ueberschreitung der Kuenlün-Kette, welche der 


am 3. November 1857, 11 


Himalaya-Kette parallel das nördliche Thibet begrenzt, wird diesen jungen Rei- 
senden ein bleibender Ruhm sein, da die Ueberschreitung durch den Karakorumpass 
(16000 Fuss), um in das Gebiet von Khotan und Jarkand zu gelangen, noch kei- 
nem Europäer von Süden (Kaschmir und Ladak) her, selbst dem verdienstvollen 
Botaniker Thomas Thomson (Hooker, Flora Indica, 1855. J. 1. p. 215) nicht 
gelungen war. Werfen Sie, um sich von der geographischen Wichtigkeit dieses 
deutschen, vom Könige von Preussen und der ostindischen Compagnie 
beköstigten, vierjährigen Unternehmens lebhafter zu überzeugen, einen Blick 
auf meine Carte de U’ Asie centrale, da auf anderen, und zwar neuesten Karten, 
die (ostwestlichen) Parallelketten, Kuenlün und Thianschan, wie die (nordsüdli- 
chen) Meridianketten Koskurt und Bolor, so roh, uncharakteristisch und im Wi- 
derspruche mit allen wichtigen Quellen von Fahian, dem Verfasser des Foe- 
koue-ki(412)undHiuan-Thsang (650) an bisLieutenant John W ood (1838) 
dargestellt sind.“ Wohl ist das hohe Interesse, welches man dort an der Kennt- 
niss des Himalaya-Gebietes nahm, selbst durch die Reise eines königlichen, zu 
früh dahingeschiedenen Prinzen, Waldemar, thatkräftig bewiesen worden, der 
bis zu dem indischen Wallfahrtsorte Gangotri, drei Tagereisen von den Quellen 
des Ganges, vordrang. Der dritte Bruder, Herr Adolph Schlagintweit war 
noch im December 1856 in Rawul-Pindi zurückgeblieben, um die Aufnahme der 
westlichen Theile des Himalaya um Peschawur u. s. w. vorzunehmen und weiter 
gegen Westen von Kabul her Erkundigungen einzuziehen. Möchte er nun, seinem 
Vornehmen entsprechend, in den ersten Tagen in die heimischen Lande zurück- 
kehren, nicht gestört durch die seit der Zeit in jenen Gegenden eingetretenen 
schrecklichen Ereignisse. Wir dürfen bald die Ergebnisse der so trefflich vor- 
bereiteten und unterstützten unternehmenden Reisenden erwarten, da die zwei 
Brüder bereits seit dem Monate August sich in London befinden, um die Einrich- 
tungen zur Herausgabe ihrer umfassenden Forschungen zu treffen, von welchen 
wir aus ihren wissenschaftlichen Berichten an Seine Majestät den König von 
Preussen bereits fortwährend Mittheilungen erhielten. 

Als Ergebniss der Anstrengungen eines deutschen Reisenden, wenn auch 
die Reise im Auftrag der britischen Regierung unternommen wurde, darf ich 
wohl hier derjenigen des Herrn Dr. Heinrich Barth erwähnen, die nun allmälig 
bei Perthes in Gotha erscheint und uns die reiche Ernte an selbstBeobachtetem 
vorführt, sowie an dem Aufgesammelten an Berichten der Eingebornen. Das 
Feld derselben reicht vom 32. bis zum 2. Grade nördlicher Breite, zwischen dem 
19. Grade westlicher und dem26. Grade östlicherLänge von Paris, wie dies Herr 
Petermann so sprechend graphisch in dem 2. diesjährigen Hefte darstellte, 
über die ganze Sahara, von der westlichen Meeresküste beginnend, bis zu den 
unabhängigen Heidenvölkern von Central-Afrika, und östlich bis in das Fluss- 
gebiet des Nil. In dieser östlichen Richtung, im Wadai, gehen nun unsere Nach- 
richten über dessen Freund und Theilnehmer an den neuesten Forschungen, 
Dr. Eduard Vogel von Leipzig, zu Ende, über dessen Schicksal wir in Un- 
gewissheit bleiben. Möge sich erweisen, was Sir Roderick Murchison sagte: 
„Dr. Barth selbst, ebenso wie unsere anderen afrikanischen Medaillenbesitzer, 
Galton und Livingstone, waren todtgesagt, und doch sind wir glücklich, 
sie unter uns zu sehen; so hoffe auch ich noch, dass der treffliche und hoch- 
gebildete junge Vogel mit übler Behandlung und Gefangenschaft davonge- 
kommen sein möge, und dass wir ihm die höchste Belohnung darbringen kön- 
nen, welche unsere Gesellschaft für die genaue Bestimmung so vieler und 
wichtiger Puncte in Central-Afrika bietet.“ 


12 Versammlung 


Ein anderer unser deutschen Könige nimmt sich gleichfalls lebhaft um 
‚ geographische Forschungen an. Man weiss wie König Maximilian Il. von 
Bayern seit mehreren Jahren ansehnliche Summen wissenschaftlichen Werken 
widmet. Herr Dr. J. B. Roth, durch vielfache Kenntnisse und frühere Reisen 
vorgebildet, erforscht nun Theile von Palästina und Arabien und gab kürzlich 
Bericht über seinen Weg durch die Araba bis zum todten Meere. Es war davon 
dieRedegewesen, dass Herr Dr. Moriz Wagner, derReisegefährte unseres Lands- 
mannes Herrn Dr. Scherzer in Central- und Nordameriea, auf der „Novara“ 
die Weltfahrt mitmachen dürfte. Die Sage bestätigte sich nieht, wohl aber be- 
reitet er sich gegenwärtig zu einer zweijährigen Reise vor, deren Gegenstand 
die nördliche Cordillere Südamerieas von der Landenge von Panama bis nach 
Peru sein wird. 

Auch in Paris folgt eine geographische Gesellschaft mit Theilnahme den 
Arbeiten der Geographen. Aber Frankreich ist in seiner neuesten Geschichte 
vielfach darauf angewiesen. Dergeographische Fortschritt der genaueren Kennt- 
niss des durch lange Jahre dem Weltverbande nahezu entzogenen Bodens, geht 
von Algerien aus Hand in Hand mit dem Fortschritt des Besitzes und der Civili- 
sation. Für das eigene Land unter andern durch den Besitz der schönen General- 
stabskarte gedeckt, im Maasse von 1:80,000, in 258 Blättern, von welcher Ende 
1856 bereits 181 veröffentlicht waren, gestützt auf zahlreiche Arbeiten, folgen 
fortwährend Aufnahmen und Karten der Küsten von Frankreich, Italien und an- 
dern Gegenden des Mittelmeeres, an den Küsten von Spanien und Afriea, aber 
auch entlang der Nord- und Ostküste von Südamerica, Island, des nördlichen China, 
von Neuealedonien wurden solche vorgenommen. In Algier selbst hat sich im An- 
fang dieses Jahres eine neue Gesellschaft zur Erforschung von Centralafrica ge- 
bildet, die viel Interessantes an den Tag bringen dürfte. Der Tag liegt wohl 
nieht mehr in unabsehbarer Ferne, wo selbst das reiche Marokko, mit seinen 
buchstäblich vergrabenen Schätzen, durch die Fortschritte Frankreichs in seinem 
Rücken in die Bewegung des freien Weltverkehrs, und der Civilisation hinein ge- 
rissen werden wird. 

Was soll ich nun von den grossen Arbeiten des mächtigen England sagen, 
wie sie uns Murchison gibt, von jenem Lande, das seit Jahren an der Spitze 
der erfolgreichsten Reisen, Forschungen, Unternehmungen, welchen feste An- 
siedlungen und grosse Entwicklungen selbstständiger Staaten folgten. Dort sehen 
wir die von zahlreichen, aus den einflussreichsten Schichten der Bewohner ge- 
bildete königliche geographische Gesellschaft, mit regster Theilnahme die Be- 
wegungen der Erforschung verfolgen, wie sie von der Staatsverwaltung und den 
Einzelnen gefördert wird. Nicht weniger als zwanzig verschiedene Aufnahms- 
Seetionen in verschiedenen Gegenden vertheilt, in der Themse, an der Ost- und 
Südküste von England, in Cornwall und dem Canal von Bristol, in Frith of Forth, 
und nördlich an der Ostküste in Schottland, in den Orkney- und Shetlandinseln, 
Skye, Argyleshire und den Hebriden, in Irland. Hohes Interesse knüpfte sich 
an den im Laufe des Jahres zur Ausführung gebrachten Versuch ein Telegraphen- 
tau von der Insel Valentia bis nach Neufundland zu legen, um die grossen Con- 
tinente Amerika einerseits mit der Masse der drei alten Continente in Europa in 
Verbindung zu bringen. Er ist leider in dieser ersten Phase misslungen, indem 
das Tau riss, nachdem etwa 300 englische Meilen Länge desselben bereits versenkt 
waren, Ein englisches und ein amerikanisches Schiff hatten gemeinschaftlich diese 
grosse Aufgabe unternommen. Ein Gewinn blieb vor der Hand, die genauere 
Kenntniss des Grundes, auf dem das Tau hatte liegen sollen, von beiden Seiten 
in einer Entfernung von 100 bis 200 Seemeilen von den Küsten ziemlich rasch 


am 3, November 1857, 13 


abfallend, vorher 400 bis 700 Faden tief, dann die ganze Entfernung von 1350 
Seemeilen zwischen 1500 und 2170 Faden tief. Letzteres ist die grösste Tiefe 
etwa inderMitte, Die ganze durch Lothe untersuchte Linie zwischen Valentia und 
St. John beträgt 1700 Seemeilen, 60 auf einen Grad. Das Unternehmen, so ver- 
sprechend ist nun einer spätern Zeit vorbehalten. Ausserhalb England werden 
Untersuchungen angestellt im schwarzen undasowischen Meere, dem griechischen 
Archipel und mittelländischen Meer, an der Nord- und Südküste von Afrika, an 
den Küsten von China, von der Tartarei zunächst dem Ausfluss des Amur be- 
ginnend, und im Golf von Siam. Ferner in Neuseeland und den südwestlichen 
Theilen des stillen Meeres. Manche wichtige Punete werden in Nordwest-Amerika, 
namentlich in der Grenzregulirung zwischen England und den Vereinigten Staa- 
ten festgestellt worden sein, wohin eine Expedition unter Capt. G, RichardsR. 
N. segelte. Auch am Ausfluss des Rio de la Plata, in Westindien, Neuschottland 
und dem Golf des St. Lorenzstromes, der namentlich in mehr als 100 Seetionen 
an Seekarten, Planen, Anleitungen zur Segelschiflfahrt vom Rear-Admiral Ba y- 
field, nach einer Arbeit von mehr als einem Vierteljahrhundert vollendet wurde. 

Die Aufnahmen im Innern, geographische sowohl als geologische, nehmen 
ihren geregelten Fortgang. Wie bei dem für unsere gegenwärtigen Aufnahmen so 
fördernden Verfahren wurden auch dort die Blätter durch Photographie übertra- 
gen und zwar dort die Aufnahme des Maasstabes von 1: 10.560 der Natur 
(146®/, Klftr. = 1 Zoll) auf die von 63.360 (880° auf 1). Oberstlieutenant 
James ist gegenwärtig der Leiter des Ordnance Map-Office, der Zusammenstel- 
lung und Herausgabe der Generalstabskarte, Die Grafschaften York, Fife, Kin- 
ross und Linlithgow waren herausgegeben in dem Maasse von 880 Klafter auf den 
Zoll, andere in Vorbereitung, Berwick und Selkirk in den Aufnahmen von 146°), 
Klftr. vollendet, andereim Angrifl. Eine Karte von London in dem grossen Maasse 
war ebenfalls vollendet. 

Die geologischen Karten schliessen sich ganz der geographischen an, die 
Aufnahme geschieht in jenem von 146%, Klftr., die Herausgabe in jenem von 
880. Diese Maasse erscheinen uns um so mehr als wichtige Vergleichungspuncte, 
als unsere Aufnahmsseetionen das Maass von 400, die Publieationssectionen das 
Maass von 2000 Klftr. auf den Zoll haben. 

Der grösste Theil der südlichen und westlichen Grafschaften von England 
ist vollendet, aber selbst der Verkauf steigt, sowie die Untersuchung fortschrei- 
tet, indem das Publieum in den so vielfach der bergmännischen Industrie zugäng- 
lichen Landestheilen sehr wohl die genaue Kenntniss des Grundes zu schätzen 
weiss. 

Manche geographisch wichtige Expeditionen sind von England aus unter- 
nommen worden. So für physikalische Geographie, die Beobachtungen des kö- 
niglichen Astronomen für Schottland Piazzi Smyth, auf den Höhen des Piks von 
Teneriffa, die namentlich auch für die Kenntniss der Liehtverhältnisse, so wie für 
die strahlende Wärme des Mondlichtes wichtig war, die sich vollkommen mess- 
bar zeigte. Die Station in der Guajara von 8843 Fuss über dem Meere, lag schon 
über den Wolken, in der zweiten Station, der Alta Vista, war Herr Smyth 
10710 Fuss über dem Meere, wo er sein Pattinson’sches zwölf Fuss Aequatoriale 
aufstellte, mit dem sich Sterne der 16ten Grösse leicht beobachten liessen. 

War schon Herr Dr. Barth fürdie englische Regierung in Nord- und Cen- 
tral-Afriea thätig, und eroberte durch seine vieljährigen Reisen und treffliche 
Vorbereitung, da er unter andern mit sieben der Sprachen der Bewohner ver- 
traut ist, reichen Erfolg, so schlossen sich noch manche andere Unternehmungen 
an. Zunächst die Sendung nach den afrieanischen Centralländern, die vom Niger 


14 Versammlung 


oder Kwora und seinen Nebenflüssen bewässert werden. Dr. Baikie, der schon 

‘ eine frühere Expedition befehligte, ist auch neuerdings der Führer, mit ihm als 
Ingenieur Herr May, der ihn auch auf der frühern Fahrt auf dem Tehadda oder 
Benue begleitete, Lieutenant Glover zu astronomischen Bestimmungen, Schiffs- 
Arzt Davis und Sammler naturhistorischer Gegenstände. Auch erwartet man 
den Beitritt des so wohlbekannten würdigen Missionärs Samuel Crowther. Ein 
eiserner Schrauben-Dampfer, der „Day-Spring“ von 170 Tonnen Last, 30 Pferde- 
kraft und weniger als 5 Fuss Tiefgang, mit drei Monat Proviant und Kohlen für 
20 Tage wird bis Rabbat den Kwora aufwärts gehen, dort wird man den Dam- 
pfer zurücklassen und mehrere Excursionen im Innern ausführen, namentlich nach 
Sokoto, Isai u. s. w. Es wird selbst möglich sein, mehrere einzelne Abstecher zu 
machen, da die Expedition aus 12 Europäern mit 40 freigelassenen schwarzen 
Seeleuten besteht. Sie soll während der heissen Jahreszeit in einer gesunden 
Gegend nächst dem Zusammenfluss des Kwora und Benue zubringen, wo Herr 
Macgregor Laird eine Handelsstation errichten dürfte. Mit grösster Sorge 
wird man suchen nur friedliche Beziehungen anzubahnen und Alles zu vermeiden, 
was irgend wie zu Misshelligkeiten Veranlassung geben könnte, da nur gegen- 
seitiger Vortheil im Auge behalten werden soll. In einer zweiten Regenzeit soll 
der Benue weiter aufwärts in Adamaua und Hamarua untersucht werden. Diess 
war bei Dr. Baikie's früheren Reisennicht mehr möglich, da die „Plejade“ einen 
grössern Tiefgang hatte. Sir Roderick Murehison erwartet namentlich auch 
für die Geologie des Landes wichtige Erfolge, so wie auch Nachricht über Erze 
und nutzbare Mineralien an Kupfer, Eisen, Gold, Blei oder Steinkohlen, wenn 
er gleich bedauert, dass nicht ein eigentlicher Geologe der Expedition beigege- 
ben worden ist. 

Während hier eine Expedition ausgerüstet ist, sieht man mit Bewunde- 
rung, wasein einzelner britischer Missionär, Herr Dr. David Livingstone, in der 
Erforschung von Gegenden in Südafriea vollbracht hat, welche durch ihn erst 
zur Kenntniss der Welt kamen. Ein Durchschnitt vom Cap gerade nordwärtsund 
dann westlich bis zum Meere nach Loanda in Angola, den portugiesischen Nieder- 
lassungen, und dann wieder den Zambesi hinab, und nach Quilimane, und auf 
Karten verzeichnet mit zahlreichen astronomischen Ortsbestimmungen bis zum 
indischen Ocean. Aber nachdem er in England eine Zeitlang zugebracht, ist er 
bereits wieder nach Africa abgegangen, um in den gesundesten Gegenden, die er 
angetroffen hat, entlang, aber entfernter von der Küste, als die portugiesischen 
Niederlassungen im östlichen Südafriea, die Errichtung von Stapelplätzen oder 
Stationen zu begründen, für den Austausch englischer Waaren gegen Producte des 
Innern, namentlich unter andern auch die Aufsammlung und Zugutebringung einer 
Pflanze, Budze, derenzähes, fasriges Gewebe sie den Eingebornen in ihren rohen 
Gewerben höchst schätzbar macht. Aus den von Dr. Livingstone mitge- 
brachten Mustern hat man einen Stoff dargestellt, der von den ersten Fabrikanten 
als 50 bis 60 Pfund Sterling die Tonne werth erklärt worden ist. Nebst diesem 
so wichtigen Product ist noch Indigo, Baumwolle, deren Anbau sich leicht ver- 
mehren liesse, Wachs, Elfenbein, Eisenerze, viele gute Kohle vorhanden, die eine 
grosse Lebendigkeit des Verkehrs versprechen, als einen der wichtigsten Angel- 
puncte zur endlichen Abschaffung des Scelavenhandels, wenn nach Anderem ge- 
fragt wird, als nach Selaven. 

Die grosse Ausdehnung siebenzehnjähriger Wanderungen und Aufenthaltes 
erlaubte Herrn Livingstone manche Ansichten zu gewinnen, welche ein neues 
Licht über die Gestaltung von Südafriea verbreiten, die Bestätigung von Sir R. 
Murchison's Ansicht, dass ein sehr wasserreiches Centralland es ist, das bei- 


am 3, November 1857. 15 


derseits von höheren Bergketten eingeschlossen wird, durch welche die grossen 
Flüsse sich Bahn brechen. Die Quellen des Zambesi und Congo liegen in Seen 
oder Sümpfen, und reichliche Regen in den Regenzeiten verursachen ein Stei- 
gen der Gewässer, wie es uns am Nil aus dem grauen Alterthum bis heute zur 
alltäglichen Kenntniss vorliegt, und welches daher nicht gerade Schneegebirge 
zur Erklärung erfordert. 

Von der Capeolonie sind die geographischen Interessen ohnedem immer in 
lebhafter Beziehung zu den anstossenden Landestheilen. Wiehtig sind die Nach- 
richten von Dr. Bleek's Erfahrungen in der Colonie Natal, so wie die eben von 
dort, so wie von der Walfischbay an der Westküste ausgegangene Excursion 
des so frühzeitig durch einen Elephanten getödteten schwedischen Forschers 
Wahlberg und die wichtigen nun in der Herausgabe begriffenen Berichte seines 
unternehmenden Landsmannes €, J. Andersson. 

Aber auch von der östlichen Seite her wird neuerdings, unter dem unter- 
nehmenden Capitain Burton, dem Innern von Africa, von Zanzibar und Mombas 
aus, mitEntschlossenheit zu Leibe gegangen, so dass hoffentlich dieZweifel über die 
Natur der Quellen des Nil sich allmälig in Gewissheit der Kenntniss auflösen werden. 

Welche Aufgaben, freilich nicht unmittelbar geographischer Natur, England 
jetzt in Ostindien vorliegen, wissen wir alle nur zu gut, kaum je waren wir mehr 
angeregt, die geographischen Verhältnisse dieses schönen reichen Landes zu 
studiren. Der hohe Werth der seit 54 Jahren im Gange befindlichen trigonome- 
trischen Arbeiten, namentlich von Oberst Waugh während der letzten 25 Jahre 
geleitet, wurde durch die Ehrenmedaille der Londoner geographischen Ge- 
sellschaft anerkannt, welche letzterer in diesem Jahre erhielt. Aber welche grossen 
Erfolge liegen nun auch in Australien vor. Ein Continent, spät entdeckt, noch spä- 
ter mit Anfängen von Niederlassungen versehen, besitzt jetzt vier grosse britische 
Colonial-Staaten „an seiner östlichen, westlichen, und südlichen Küste, während 
er auf die alten Länder Europas einen Goldregen ausgeschüttet, der an Reich- 
thum Alles übertrifit, was bis jetzt in der Geschichte der Menschheit berichtet 
wurde.“ Zahlreiche Expeditionen seit den Arbeiten eines Oxley, Allan Cun- 
ningham, Sturt, Eyre, unseres Landsmannes Leichhardt wurden in das 
Innere gesendet, so dass sich allmälig die mit den grössten Entbehrungen, Drang- 
salen und Verlusten erkauften Ansichten über die Natur desselben zu klären be- 
ginnen, das allerdings eine wahre Wüste zum Theil mit Salzlagerstätten, vielleicht 
mit einzelnen Oasen von besserer Beschaffenheit sein dürfte. Der Leiter der 
letzten grossen Expedition, Herr A. C. Gregory, erhielt im laufenden Jahre 
eine der Ehrenmedaillen der Londoner Gesellschaft. Von dem durch die Herren 
Wiekham und Stokes im Jahre 1839 untersuchten Vietoriafluss beginnend, 
den er ansteigend in südlicher Richtung verfolgte, wandte er sich dann östlich 
und ging quer durch das Land, südlich von des verlorenen Leichhardt Reise- 
weg nach Moretonbay an der Ostküste. Der letzte Landstrich bietet wieder frucht- 
bare Gegenden, die ohne Zweifel in nicht zu langer Zeitallmälig mit dem fortschrei- 
tenden Bedürfnisse, namentlich für Weidegründe ihre Benützung finden werden. 
Es mag hier mit Grund darauf verweilt werden, wie die Entstehung britischer 
Colonien, wie diess auch das südöstlich gelegene Neuseeland beweist, dem stre- 
benden Geiste der Bevölkerung selbst zugeschrieben werden muss. Die Besitz- 
nahme durch die Regierung folgte erst lange nachdem Einzelne als Kaufleute, 
Pflanzer, Missionäre, festen Grund gefasst und Verhältnisse geschaffen, welche 
Schutz durch das Mutterland verlangten. 

Noch eines Unternehmens muss hier gedacht werden, der Untersuchungs- 
reise des Herrn Palliser, in den an die Vereinigten Staaten von Nordamerica 


16 Versammlung 


anliegenden westlichen Gegenden von Canada, zwischen dem 49° und 53° nördl. 
‘ Breite und 100° und 115° westl. Länge. Nebst dem Leiter nehmen die Herren 
Artillerie-Lieutenant Blakiston für Astronomie und Physik, Bourgeau fürBo- 
tanik und Dr. Hector als Arzt, zugleich für Geologie nnd Zoologie, an derselben 
Theil. Der Ausgangspunet ist Fort William am Obern See, die Richtung nach 
dem Winipegsee und dem Quellengebiet des Assiniboineflusses, um im Carlton- 
house-Fort zu überwintern. Das folgende Jahr 1858 ist für die Reise unter den 
Schwarzfuss - und Blut - Indianern bestimmt und zur Untersuchung der Rocky 
Mountains, namentlich um einen Pass innerhalb des britischen Gebietes zu finden, 
über welchen eine Verbindungsstrasse mit der, vorzüglicher Steinkohlen wegen 
so wichtigen Vancouver-Insel eröffnet werden könnte. 

Ich schliesse mit einem Worte über eine Privat-Unternehmung, eine Nord- 
polfahrt, unternommen zur Erforschung des Schicksals des verlorenen Sir John 
Franklin, und der Mannschaft der beiden Schiffe Erebus und Terror. Sie ist 
durch eine hochherzige Frau ausgerüstet, ein rührendes und erhebendes Denk- 
mal der Liebe und Anhänglichkeit, der Hingebung und Beharrlichkeit. 

Man weiss, wie durch Expeditionen, eine nach der andern, auf öffentliche 
und Privatkosten, in England und Nordamerika dureh die Ergebnisse der An- 
strengungen der Herren Sir James Ross, Moore, Riehardson, Inglefield, 
Beleher, De Haven, Kellett, Rae, Anderson, Collinson, Mae Clure, 
Kane in der letztendurch Herrn Grinnell ausgerüsteten Fahrt immer mehr der 
Raum eingeengt worden, wo noch eine Nachforschung angestellt werden kann. 
Auf das wärmste hatten sich einflussreiche Mitglieder dergeographischen Gesell- 
schaft bei der Regierung verwendet, um noch eine letzte Fahrt zu organisiren, 
Sir R. Murehison, Admiral Sir F.Beaufort, General Sabine an der Spitze. 
Humboldt sprach der Unternehmung das Wort, aber die Verhältnisse waren 
nicht günstig. Lady Franklin selbst entschloss sich nun noch einmal, ohne an- 
derer Beihilfe, als die ihrer Freunde, eine Unternehmung auszusenden, die letzte 
welche Kunde bringen wird. Eine trefflich ausgerüstete Schrauben-Yacht, unter 
den Befehlen des ausgezeichneten arctischen Seefahrers Capitain Mae Clinto ck, 
verliess Aberdeen am 1. Juli unter den Augen der Lady Franklin, Lieuten- 
ant W. R. Hobson, Dr. D. Walker sind Begleiter, so wie unter andern auch 
ein verdienter junger Seemann Capitain Allen Young, der selbst schon grosse 
Schiffe befehligt, und nun, nieht nur unter die Befehle Mae Clintock's sich 
stellt, sondern noch aus Eigenem 500 Pfund Sterling zur Unternehmung beiträgt. 
Dazu eine ausgewählte Schiffsmannschaft, so wie der eben noch zu rechter Zeit 
angekommene Eskimo - Dolmetscher Petersen, der auch den verewigten Dr. 
Kane auf seiner letzten Fahrt begleitet hatte. Hohe Begeisterung erfüllt alle 
Freunde und Theilnehmer an der grosen Frage in dieser letzten, dieser Schluss- 
Untersuchung der langjährigen, so ernsten Erforschung der Nordwest-Durch- 
fahrt, die nach der Ansicht von Riehardson und Murehison wahrschein- 
lieh Sir John Franklin in der That selbst zuerst aufgefunden hat. 

Wenden wir uns weiter südlich zu den Vereinigten Staaten von Nord- 
America, so finden wir gleichfalls die geographischen Arbeiten vielfältig in An- 
griffgenommen. Von Herrn A. D. Bache's jährlichem Berichte des „United States 
Coast Survey,“ erhielten wir den Band für 1855, dazu Lieut. Maury’s siebente 
Auflage der Sailing Direetions, und die sämmtlichen Seekarten. Die Segelschifl- 
fahrt selbst ist nun gegen früher oft um !/, der Zeit abgekürzt. Im Innern wur- 
den grosse Arbeiten ausgeführt, wie Nivellements der drei vorgeschlagenen Ei- 
senbahn-Verbindungslinien mit dem stillen Ocean. 


am 3. November 1857. 17 


Die lebhafte Theilnahme an der Zustandebringung des untermeerischen 
Telegraphen, tiefe Sondirungen mit dem Brookes’schen Apparat, Untersuchung 
des Untergrundes, der noch von Professor Bailey in Westpoint zuerst in seiner 
Zusammensetzung aus den feinsten mikroskopischen animalischen Resten nach- 
gewiesen war, nebst vulkanischer Asche u. s. w. fortwährende Untersuchungen 
auch in Central- und Südameriea, endlich die höchst wichtige Eröffnung von 
Handels-Beziehungen mit Japan, über welche auch unsere Gesellschaft Herrn 
Aaron Haight Palmer ein Exemplar seiner vielen, zu diesem Zwecke an die 
Regierung erstatteten Berichte verdankt, welche jener Expedition unter Commo- 
dore Perry voranging. 

Die freundschaftliehen Verbindungen zwischen England und den Vereinig- 
ten Staaten stellen neuerdings auch die nach Herrn Kelley's Vorschlag neu zu 
unternehmenden Arbeiten für die Canalverbindung des stillen Meeres im Thale 
des Atrato- und Truando-Flusses mit dem atlantischen in eine günstige Lage, für 
welche so lange schon von unserem Humb oldt das Wort gesprochen worden ist. 

Kehren wir nun aus dem fernen Amerieanachunserem Europa zurück, doch 
in der entgegengesetzten Richtung, die wir früher gegen Westen einschlugen, 
so gewahren wir neuerdings gegen Osten vorschreitend die Weltstellung der geo- 
graphischen Gesellschaft in St. Petersburg, und die grosse Theilnahme, welche sich 
dort für Erforschung eines wahren Welttheils — Russlands in Europa und Asien — 
ausspricht. Wir selbst verdanken ihr alle bisherigen Publieationen. Von den neuesten 
Arbeiten möchte ich hier der Untersuchung der nördlichsten Theile des Ural, Pae 
Choi und des Petschoralandes gedenken, unternommen oder bearbeitet von Oberst 
Hoffmann, Graf Keyserling, Gustav Rose, y. Brandt, Ruprecht. Gerade 
südlich, aber um 25 Breitengrade entfernt, die Forschungen und Aufnahmen Buta- 
koff's und Khanykoff’s am Aral-See und dem Khanat von Khiwa und östlich 
anschliessend Iwas chtschinzow 's neuerliche Erforschung des Sir Darja. 

Westlich davon die Arbeiten des Akademikers v. Baer am kaspischen 
Meere, der Flottenoffieiere Capit. Iwaschtschinzow und Lieut. v. Koskull. 
Weiter östlich Wlangali's Berichte über die Kirgisensteppe, dann wieder Se- 
menoff's Berichte über den Issikulsee in dem Lande südöstlich von Balkaschsee, 
noch weiter östlich die ältern Forschungen Peters y. Tehihatch eff, der nun 
seit Jahren die höchste Anstrengung mit den grössten Erfolgen für Kleinasien 
entfaltet. Ferner östlich fortschreitend die ArbeitenM eglitzky's amBaikalsee und 
bis zum ochotskischen Meere, von Chitrov am Einfluss des Lena in dasEismeer, 
die ostsibirische Expedition bis zum Amur und dem Meere unter L. A. Schwarz 
und den Lieuts. Roschkoff, Smirägin u. s. w. begleitet von dem Akademiker 
Mayer, die Erforschung durch L. Schrenk des untern Amurlandes an dem 
FlusseAmur und den Nebenflüssen, nördlich dem Gorin, Amguni, südlich dem Ussuri, 
Noor, Chongar und der anstossenden Insel Sachalin, die Erfahrungen des Grafen 
Putjatin den Amur aufwärts und die astronomischen Bestimmungen des Herrn 
Peschtschuroff, die Untersuchungen und Sammlungen der Herren Gerstfeld 
und Mauck im Amurland, die des Herrn v. Dittmar aus Kamtschatka, während 
vom Amur aus sich bereitsrege Handelsbeziehungen mit dem östlich vorliegenden 
Nordameriea eröffnen. 

Grosse Verhältnisse, erhabene Stellungen erzeugen auch entsprechende 
Ideen. Mit den vorhergehenden Unternehmungen harmonirt ganz wohl die That- 
sache, dass die längste Gradmessung die russisch-seandinavische in den vierzig 
Jahren von 1815 bis 1855, von Ismail bis Hammerfest, durch einen Meridianbo- 
gen von 25° 20° durch Arbeiten Russlands ausgeführt wurde. Die grössten übri- 
gen Gradmessungen sind die englischen in England von Dunnose auf der Insel 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II, Bd, 1. Heft. 2 


18 Versammlung am 3. November 1857. 


Wight, durch 10012" 31'.43 und vom St. Agnes-Leuchtthurm auf den Seilly- 

‚ Inseln bis Nord-Rona durch 9013'41'.25, und in Ostindien durch 219 21'16".6 
von Punnä und Kaliana, und die französische dureh 12'/, Breitengrad von Dün- 
kirchen bis zur Insel Formentera, während die verbundenen französischen und 
englischen Messungen einen Meridian-Bogen von 22° umfassen. Frühere Mes- 
sungen waren auf einzelne oder doch nur wenige Grade beschränkt. Nun aber 
schlägt Herr von Struve, Director der Pulkowa Sternwarte, denselben grossen 
Ansichten folgend, in der Sitzung der Pariser Akademie am 5. October vor, die Fort- 
setzung der russischen Gradmessung, wie es Russland beabsichtigte, wenn die 
kriegerischen Unterbrechungen nicht eingetreten wären, durch französischen 
Einfluss südwärts durch die Türkei und bis nach Candia auszudehnen. In Frank- 
reich ist dadurch das Interesse angeregt worden, die französische Gradmessung 
selbst, als ein Nationalwerk wieder weiter nach Africa fortzusetzen, wenn 
die von den Herrn Puissant und Perewoschtschikoff gemachten Anmer- 
kungen es nicht gerathener erscheinen lassen, die mit so grosser Sorgfalt durch- 
geführte russische Gradmessung vorzugsweise zu verlängern. In der Wallachei 
sind übrigens durch unsere österreichischen Ingenieure während der letzten Zeit 
Arbeiten ausgeführt worden, die mit den bestehenden russischen und österreichi- 
schen in Verbindung gebracht, in das Netz einbezogen werden können, Herr v. 
Struve beabsichtigt noch durch eine europäische Assoeiation die Messung des 
35. Breitengrades auf eine möglichst grosse Erstreckung ins Werk zu setzen. In 
Frankreich selbst waren übrigens, wie Herr Marschall Vaillant in jener Sitzung 
mittheilte, neue Messungen des Meridians von Paris und der Parallelen von Brest 
nach Strassburg und von Bordeaux nach Valence ausgeführt worden. 

Schon diese hier verzeichneten wenigen Züge aus der grossen Masse von 
Forschungen, welche durch die Kraft der Einzelnen und der grössten mächtig- 
sten Staaten ausgeführt werden, beweisen die gewaltige Anregung, welche geo- 
graphische Studien, der nicht zu erstickende Wunsch die Erde zu kennen, auf der 
wir leben und die uns entsprechend unserer Kraft zu eigen gegeben ist, in dem 
gegenwärtigen Augenblieke besitzen. Niemals weniger, als in meinen gegen- 
wärtigen Verhältnissen, bin aber ich heute im Stande, die ganze Grösse dieser 
Anregung zu fassen, wo mich so Vieles zum Stillstand, zur Ruhe mahnt. Jüngere 

» frische Kräfte sind berufen, dasjenige fortzuführen, was bisher begonnenist, und 
mir wird es die grösste Freude bleiben, Zeuge des Fortschrittes, auch allenfalls 
mit Rath bereit zu sein, wo er gewünscht werden sollte. 

Ihnen meine hochverehrten Herren bin ich durch die Wahl zum ersten 
Ihrer Präsidenten für die Freude zu dem höchsten Dank verpflichtet, dass 
während derselben auch die Wahlen der ersten Ehren - Mitglieder, eines 
Humboldt, Ritter, Murchison, und eorrespondirender Mitglieder statt 
fanden, über welche es wohl hier am Platze ist, noch einige Worte beizu- 
fügen. Ehrenmitglieder und eorrespondirende Mitglieder bilden eigentlich nur 
Eine grosse zusammenhängende Reihe, mit welcher nach der Gepflogenheit der 
gegenwärtigen Gesellschaften, auch unsere junge Gesellschaft sich schmückte. 
Man wünscht hochverdienten Männern die Verehrung der Gesellschaft, die jedes 
einzelne Mitglied fühlt, darzubringen. Die correspondirenden sind eigentlich 
unsere auswärtigen Mitglieder, Ehrenmitglieder im Ganzen in der Zeit die ältern. 
Dass nicht ein System durchaus beobachtet werden konnte, liegt in der Natur von 
Wahlen selbst. Die Wahl von Ehrenmitgliedern im Inlande beruht auf ganz ei- 
genthümlichen, in der Geschichte unserer Zuständebegründeten Verhältnissen. Ehre 
den heldenmüthigen Frauen, welche unser Verzeichniss zieren, die Karl Ritter 
schon vor Jahren für ihren Unternehmungsgeist, ihre Hingebung verherrlichte. 


F. Foetterle, 19 


Von meinen hochverehrten Gönnern und Freunden, Herrn k. k. FML. Ritter v. 
Hauslab und Herrn Dr. Ami Bou&, seit Jahren hochverehrten Repräsentanten 
der Geographie in Wien, die doch unserer Gesellschaft nieht fehlen durften, 
wurde ich bereits durch wohlwollende Antwortschreiben auf die am 13. erfolgten 
Wahlen hoch erfreut, die ich hier zur Ansicht und für unser Archiv vorlege, 
Correspondirende Mitglieder des Inlandes vertreten unsere geographischen Inter- 
essen im Auslande; wir glaubten in Bezug auf die Bewohner unseres Vaterlan- 
des auch einige Zeit der Entwickelung gönnen zu sollen. Vieles wird sie bringen, 
das sich heute noch nicht voraussehen lässt. Was ich heute in erster Linie fühle, 
ist der innigste, dem tiefsten Herzen entquellende Dank für Alles, was die Gesell- 
schaft fördern half, den hochverehrten Mitgliedern der Gesellschaft selbst und des 
Ausschusses, die wir gemeinschaftlich gewirkt,fmeinem hochverehrten Freunde 
Foetterle, der als Seeretair die schwerste Aufgabe hatte, meinem hohen wohl- 
wollenden Chef, dem Herrn k. k. Minister Freiherrn v. Bach, und vielen andern 
hochgestellten Gönnern, kaiserlichen Erzherzogen, und Seiner k. k. 
Apostolischen Majestätselbst, die unser Bestehen aussprach. Ich bin in un- 
sern Schichten menschlicher Gesellschaft bis zu dem Höchsten hinaufgestiegen, 
der hier unserer Ehrfurcht gebietet. 

In diesem hehren Augenblicke, wo ich in Dank dem allmächtigen 
Lenker erglühe, dass Er mir gewährte, von der ersten Anregung einer geo- 
graphischen Gesellschaft Alles bis zum Schlusse des Ersten Jahres der Präsident- 
schaft der kaiserlich-königlichen geographischen Gesellschaft in 
Wien günstig und glücklich durchgeführt zu sehen und zu erleben, erflehe ich 
aus innigster, treuer Seele allen Segen für unsern Allerhöchsten irdischen 
Beschützer, Seine k. k. Apostolische Majestät, den Kaiser Franz 
Joseph l., und Sein durchlauchtigstes Kaiser-Haus, * 

Der Herr Vorsitzende, Freiherr von Reden, glaubte der allgemeinen Be- 
friedigung und dem grossen Interesse, das dieser Bericht hervorrief, sowie dem 
Danke, den die Gesellschaft dem Herrn Präsidenten Haidinger für die Grün- 
dung sowohl, wie für rastlose und erfolgreiche Vertretung der Interessen der Ge- 
sellschaft zollte, am besten dadurch Ausdruck zu verleihen, indem er die Versammlung 
einlud, durch Erheben von den Sitzen dies kundzugeben. Mit Freude folgte jeder 
der Anwesenden dieser Einladung, welche einen allgemeinen Anklang fand. 

Hierauf las der erste Secretär, Herr k. k. Bergrath F. Foetterle, folgen- 
den Rechenschaftsbericht über die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft vor: 

Meine Herren! Unter die wichtigsten Momente einer Gesellschaft gehört 
gewiss auch die Erste Jahresversammlung, und in dieser bildet der Rechen- 
schaftsbericht über das eben vergangene Erste Vereinsjahr nicht die unwichtigste 
Mittheilung, denn aus dessen Resultaten soll es sich herausstellen, ob die Gesell- 
schaft mit begründeter Voraussicht auf Erfolg, ob sie also rechtzeitig ins Leben 
gerufen wurde, ob sie lebensfähig sei, oder ob über dieselbe der Stab gebrochen 
zu werden verdient. Frohen Muthes und ungescheut darf nun der Ausschuss Ihnen, 
meine Herren, einen Rückblick in die kurze Vergangenheit der Gesellschaft ent- 
hüllen; denn kaum wird sich eine Gesellschaft finden, deren erstes Jahr nach 
ihrer definitiven Gründung sich günstiger gestaltete. Durch einen der glänzendsten 
Sterne Oesterreichs auf dem Gebiete der Wissenschaften ins Leben gerufen, 
durch die Allerhöchste Gnade unseres Monarchen bestätiget und mit dem 
ehrenden Beisatze einer „kaiserlich-königlichen“ geziert, entstand sie unter gewiss 
nicht ungünstigen Verhältnissen; die beinahe fast gleichzeitige Ausrüstung einer 
Weltumseglung durch eine kaiserliche Fregatte hatte nicht verfehlt, die Grund- 
festen derselben noch mehr zu stärken. Die grossmüthige Unterstützung durch 

> 


20 Versammlung am 3. November 1857. 


Se. Excellenz den Herrn Minister des Innern, Dr. Alexander Freiherr v. Bach, 

‚der gnädigst die Benützung des Sitzungssaales (sammt Beleuchtung und Behei- 
zung) der k. k. geologischen Reichsanstalt gestattete, und der unendliche Eifer und 
die Umsicht unseres hochverehrten Präsidenten, Herrn Seetionsrathes Haidinger, 
der überdies der Bibliothek der Gesellschaft ein eigenes Locale ausserhalb des 
Sitzungssaales in demselben Gebäude zuwies, gestatteten, dass die Fonds der jun- 
gen Gesellschaft auf eine sehr fühlbare Weise geschont werden konnten, und 
diese Umstände trugen namentlich zur Kräftigung der Gesellschaft bei. Sind auch 
die Verhandlungen wegen Erwerbung eines geeigneten Gesellschaftslocales im 
Innern der Stadt noch nicht zum günstigen Abschlusse gelangt, und ist auch we- 
nig Aussicht vorhanden, dass die Versammlungen in der allernächsten Zeit dahin 
verlegt werden, so wiegen andererseits die durch die unentgeltliche Benützung, 
Beheizung und Beleuchtung in dem gegenwärtigen Locale sich ergebenden Vor- 
theile diesen Nachtheil auf, und die erfreuliche Erfahrung des zahlreichen Besu- 
ches der Versammlungen beweist zur Genüge, dass Jedermannn freudig die etwas 
zu grosse Entfernung von dem Mittelpuncte nicht scheute. 

Der gegenwärtige Rechenschaftsbericht umfasst eigentlich zwei Jahre, das 
erste vom December 1855 bis 4. November 1856; es war mehr ein Vorberei- 
tungsjahr, jedoch nicht ohne Leben und Thätigkeit, also auch nieht ohne Ausga- 
ben. Vielseitige Unterstützung der Gesellschaft von Aussen, namentlich durch 
Geschenke von Büchern, fällt in jene Periode. Das zweite Jahr datirt von der 
Allerhöchsten Genehmigung der Statuten der Gesellschaft. Es ist diess das eigent- 
liche Erste der Gesellschaft, bei Beginn dessen auch die Funetionäre gewählt 
wurden und der Ausschuss seine Thätigkeit begann; in seinen Sitzungen 
war derselbe bemüht, die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft auf das beste 
zu vertreten und seine Beschlüsse Ihnen, Meine Herren , zur Entscheidung vor- 
zulegen. Er fühlt sich Ihnen zu dem grössten Danke verpflichtet für die günstige 
Aufnahme, die Sie stets seinen Vorlagen zu Theil werden liessen, und die sich 
namentlich auf die Anerkennung geleisteter Arbeiten sowohl durch Bewilligung 
von Geldmitteln, wie durch die Wahl von Ehren- und eorrespondirenden Mitglie- 
dern bezogen. Einen wichtigen Theil seiner Arbeiten bildete die Feststellung 
einer bestimmten Geschäftsordnung, welche Sie, Meine Herren, in Ihrer Versamm- 
lung am 30. December 1856 provisorisch auf ein Jahr annahmen, und deren defi- 
nitive Bestätigung der Ausschuss Ihnen heute noch vorschlagen wird. 

Gestatten Sie mir nun, Meine Herren, etwas näher in die einzelnen Ge- 
schäftsabtheilungen einzugehen. 

Wie Sie ausdem in der Versammlung am 4. Novembery.J.Ihnen vorgelegten 
gedruckten Mitglieder-Verzeichnisse ersehen haben, belief sich die Anzahl der- 
jenigen, welche unter Voraussetzung der Allerhöchsten Genehmigung der Statu- 
ten ihren Beitritt zur Gesellschaft erklärten, auf 198, zu welehen noch während 
des Druckes jenes Verzeichnisses 11 hinzukamen. Zu diesen sind im Laufe dieses 
Jahres 115 neue Mitglieder gewählt worden; drei verlor die Gesellschaft 
durch den Tod; die Gesammtzahl der ordentlichen und ausserordentlichen beläuft 
sich nun auf 321 Mitglieder, wovon 16 ausserordentliche mit einem Gesammt- 
Jahresbeitrag von 229 Gulden €. M., und 305 ordentliche; hievon entfallen 94 
ausserhalb Wien in Oesterreich, 5 ausserhalb der österreichischen Monarchie. 
In Oesterreich sind vertreten die Orte Agram, Bochnia, Dubnik, Ellbogen, Graz, 
Gresten,, Heraltitz, Hruschau, Innsbruck, Kremsmünster, Krakau, Keszthely, 
Lemberg, Mailand, Oberalm, Oberschützen, Oedenburg, Ofen, Olmütz, Padua, 
Pest, Pilsen, Pisek, Prag, Pressburg, Przibram, Schemnitz, Schönbrunn, Spa- 
lato, Steir, Szemered, Temesyar, Triest, Tschars, Udine, Vinkoyce, Wieliezka, 


En 


F. Foetterle, 21 


Wr. Neustadt, Witkowitz. Es sind demnach 40 Orte, von der Residenz angefan- 
gen, bis zum kleinsten Orte der österreichischen Monarchie, in der Gesellschaft 
vertreten. 

Eine der wichtigsten Abtheilungen einer geographischen Gesellschaft ist 
ihre Bibliothek; dass Sie M. H. die unserer Gesellschaft in einem gewiss sehr 
befriedigenden Zustande finden, verdanke ich der freundlichen Unterstützung 
des Herrn zweiten Seeretärs Prof. Warhanek und des Herrn Seriptor 
A. Senoner, denen ich hiefür auch meinen besten Dank sage; Sie finden 
nicht nur einen allgemeinen alphabetischen Katalog, sondern auch einen Zettelkata- 
log und einen Realzettel-Katalog, welch letzterer hauptsächlich durch den Eifer 
des Herrn Senoner zu Stande gekommen ist, und von Herrn Prof. Warhanek 
nach den einzelnen Fächern geordnet wurde. In demselben ist nicht nur der In- 
halt unserer eigenen Bibliothek enthalten , sondern auch Werke aufgenommen, 
wie sie sich aus den Registern anderer Bibliotheken und Zusammenstellungen 
ergaben. Das in der Bibliothek Vorhandene ist darin speeiell bezeichnet. Er 
enthält bis jetzt über 4000 Nummern, und an dessen Vergrösserung und Com- 
plettirung wird fortwährend gearbeitet. 

Die Bibliothek selbst ist in einem eigenen Zimmer der k. k. geologischen 
Reichsanstalt aufgestellt, welches die Gesellschaft der grossmüthigen Unter- 
stützung unseres Herrn Präsidenten verdankt, und dem wir hiefür zum grössten 
Danke verpflichtet sind. 

Der Stand der Bibliothek ist an 


Bücher -Nummerts: art kt re. 2 0262 
mEBandenw hi Mana a Par 979 
an Karten, Planentetene mare 46 


bestehend aus Blättern . . 2.2.2...8320. 

Zu diesem Stande konnte selbstverständlich bei den kleinen Mitteln durch 
Ankauf fast gar nichts beigetragen werden. Alles rührt theils von Geschenken 
und erst in letzterer Zeit vom Tausche gegen die Mittheilungen her. 

Ich fühle mich verpflichtet, den zahlreichen Gebern oft werthvoller Ge- 
schenke den verbindlichsten Dank auszudrücken; es ist eine schöne Reihe von 
hochverdienten Namen. Ich kann nieht umhin, sie hier nochmals zu Ihrer Kennt- 
niss zu bringen, wenn sie Ihnen, Meine Herren, auch aus den einzelnen Vorlagen 
der Werke bereits bekannt sind; es sind die Herren; d’Avezac, in Paris; 
Alberdi D. J. B., in Paris; Balbi E. v., in Venedig; Becker D. P., in 
Odessa; Becker Dr. M., Beer J.,, Bergmann J., Braecheli H., Breun- 
ner Gf. A., Chmel J., in Wien; Civelli J., in Mailand; Carlini F., in 
Mailand; Costa E. H. v., in Laibach; Dr. Davis Gifl., in Washington; 
Emory W.H., in Washington; Erdmann A., in Stockholm; Dr. Frankl 
J. A. P., Frauenfeld G, Fritsch K, Gintl Dr. W., in Wien; Gutmanns- 
thal L. R. v., in Triest; Heinzel Ferd., Heufler L. R. v., in Wien; Heu- 
glin Th. v., in Chartum; v. Hönigsberg Dr. Bened. Edl., in Gastein; Hor- 
ner Dr. G. R., in Philadelphia; Hammer-Purgstall J. Freih. v.; Hoch- 
stetter K., in Hruschau; Jakschitseh Vlad., in Belgrad; Jenzsch Dr. G., in 
Dresden; JochmusA,, in London; Jonghaus u. Venator, in Darmstadt; Dr. 
Kerner, in Ofen; Klun Dr, V., in Zara; Kögler W., in Prag; KoristkaK., 
in Prag; Kotschy Th., in Wien; KotzL.Freiin v., in Prag; KoeziezkaAlex., 
in Ollmütz; v. Kremer Alfr., in Alexandria; Kohl J. G., in Washington; Kra- 
sieki K. Gf. v., in Lemberg; KreilK., in Wien; Lamont J., in München; 
Liebener J., in Innsbruck; LooseyK., inNew-York; Löwenthal J., in Wien; 
MauryM., in Washington; Meidinger H., in Frankfurt a. M.; Nardi Fr. v., 


22 Versammlung am 3. November 1857. 


‚in Padua; Negrelli Fr. v., in Wien; Palacky J., in Prag; Pasini L. v., in 
Schio; Perthes Bernh., in Gotha; Presstl Dr. M., in Emden; Raffelsber- 
ger F., in Wien; Rally W. B., in Cineinnati; Ravenstein Aug., in Frankfurt 
a.M.; Reden Dr. F, W. Freih. v., in Wien; Renard Dr. K., in Moskau; 
ReslhuberA., in Kremsmünster; Riedwald M. y., in Wien; Russegger J.v., 
in Schemnitz; Sandberger Dr. G., in Karlsruhe; Salzbacher Dr. J,, in Wien: 
Scherrer Dr., in Freiburg; Sehirren Dr., in Riga; Schiner Dr. J., 
Sedlaezek E., Seidel L. W., in Wien; Schwartz Dr. W., in Paris; 
Simiginoviez Fr., in Czernowitz; Simony Fr,, in Wien; Sonnklar K. y., 
in Wr. Neustadt; Steinhauser A., in Wien; Sturz J. D., in Berlin; Trask 
Dr. J. B., in Washington; Tormay Dr.K., in Pest; Urlinger P., in Gresten; 
Vacani €. Freih. v., in Mailand; Wappaeus Dr. J. E., in Göttingen; v. 
Wurzbach Const., in Wien; Zaluski J. K. Graf, in Lemberg; Zeitham- 
mer A., in Agram; Zhishman A. E., in Triest; Ziegler J. M., in Winter- 
thur; Zigno A. Freih. v., in Padua; Zuechold E. A., in Leipzig. 

Die Gesellschaften und Institute, durch welche die Gesellschaft die Zusen- 
dung ihrer Publieationen im Tausche gegen die „Mittheilungen“ erhielt, sind fol- 
gende, und zwar zu 

Agram: k. k. eroatisch-slavonische Ackerbau-Gesellschaft. 

Amsterdam: königl. Akademie der Wissenschaften. 

Berlin: Gesellschaft für Erdkunde. 

Brünn: Historisch-statistische Seetion der k. k. mährisch-schlesischen Ge- 

sellschaft für Ackerbau, Natur- und Länderkunde. 

Darmstadt: Gesellschaft für Erdkunde und verwandte Wissenschaften, und 

der mittelrheinisch-geologische Verein. 

Frankfurt a. M.: Geographischer Verein. 

Görlitz: Geographische Seetion der naturforschenden Gesellschaft. 

Laybach: Historischer Verein für Krain. 

Mailand: k. k. Institut der Wissenschaften. 

Moskau: Kaiserliche naturforschende Gesellschaft. 

München: Königliche Akademie der Wissenschaften. 

Washington: Smithsonian Institution. 

Wien: k. k. Direetion für administrative Statistik. 

— — k.k. geologische Reichsanstalt. 

— — niederösterreichischer Gewerbverein. 

Die eingesendeten Werke sind Ihnen M. H. bereits zum grössten Theile bis 
auf die heute noch zur Vorlage kommenden bekannt, als dass es nöthig erscheinen 
würde, sie hier speciell aufzuführen. 

Einen Anhang zu der Bibliothek der Gesellschaft bilden einige Gegenstände 
aus Central-Afrika, welehe in Folge des von Herrn Freiherrn von Reden in der 
Versammlung am 2. Juni |. J. gehaltenen Vortrages von Herrn Lehrer Imhof der 
k. k. geographischen Gesellschaft als Grundlage eines etwa zu errichtenden 
nubischen Museums, gegen Ersatz der Transportkosten zum Geschenke ge- 
macht worden sind. Sie bestehen aus Waffen und Schmuck der Neger, Strauss- 
federn und Eiern, ausgestopften Vögeln und anderen Kleinigkeiten. 

So sehr der Wunsch eines solehen nubischen Museums gerade unserer 
Gesellschaft nahe liegt, so muss er jedoch für den gegenwärtigen Augenblick, 
wo die Mittel der Gesellschaft noch so unbedeutend sind, wohl noch nur nebenseitig 
betrachtet und seine Entwickelung mehr der folgenden Zeit überlassen werden. 

Eine wichtige Abtheilung der Thätigkeit der Gesellschaft bilden die eige- 
nen Druckschriften: 


F, Foetterle. 93 


Das I. Heft war in 1000 Exemplaren aufgelegt, hievon wurden vertheilt : 

321 an die Mitglieder, 

19 an die Mitglieder des Allerhöchsten Kaiserhauses, 

72 an verschiedene Institute und Gesellschaften, von welehen zum Theile 
bereits Gegensendungen eingelangt und angezeigt sind, theils erwartet werden. 
Ich bin jedoch bemüht, diese Quelle der Vermehrnng unserer Bibliothek noch 
weiter auszubeuten, und dureh Einleitung von Austausch andere werthvolle Schrif- 
ten zu gewinnen. 

Das 2. Heft, welches zugleich das Schlussheft des I. Jahrganges 1857 bildet, 
ist soeben im Drucke vollendet, und ich habe die Ehre, dasselbe der hochverehrten 
Versammlung zur Ansicht vorzulegen; es enthält ausser den Sitzungsberichten von 
den Monaten März, April, Mai, Juni und October noch den Bericht über den Stand 
der Suezkanal-Frage, dann Abhandlungen von den Herren Th, Kotsehy, Ch. 
Chappelsmith, Frauenfeld, von Ruthner, Dr. Körner und A. E. Zhish- 
man, mit 2 Tafeln und einigen Holzschnitten; wir finden auch hier wieder 
den Beweis, dass die Anregung einer geographischen Gesellschaft auf keinen un- 
fruchtbaren Boden gefallen, und dass die wissenschaftliche Thätigkeit auf diesem 
Felde rasch im Aufkeimen begriffen sei. Wir sehen aber auch zu deutlich in dem 
bisher Geleisteten die Richtung angedeutet, welehe hauptsächlich der österrei- 
chischen geographischen Gesellschaft vorgezeichnet zu sein scheint; denn ausser 
den dureh die Ausrüstung der k. k. Fregatte „Novara“ zur Weltumsegelung gebo- 
tenen Instruetionen für dieselbe, und zwei anderen allgemeinen Aufsätzen finden 
wir vor Allem im 4 Aufsätzen die österreichische Monarchie, und in 3 anderen 
Afrika und Asien vertreten. 

So sehr ich die Versicherung aussprechen darf, dass ich bemüht sein 
werde, bei der Fortsetzung unserer Mittheilungen nicht hinter dem nun vollen- 
deten Ersten Jahrgange zurückzubleiben, so darf ich wohl die Hoffnung ausdrücken, 
dass die erfolgreichen Leistungen der bisherigen Herren Verfasser auch andere 
Herren Mitglieder zu gleicher Thätigkeit aneifern werden. Erlauben Sie mir 
daher, meine Herren, dass ich hier öffentlich den Herren, welche durch ihre 
werthvollen Beiträge mir so ungemein das Geschäft der Redaetion erleichterten, 
meinen wärmsten Dank ausspreche. 

Ich habe Ihnen, meine Herren, auch gleiehzeitig den Stand unserer Casse 
und einen Auszug aus der bereits durch unsere Censoren, die Herren A. Harmat 
und G. A. Schimmer revidirten Jahresreehnung, welche ich den freundli- 
chen Bemühungen des Herrn Rechnungsführers Professor E. Hornig und des 
Herrn Cassiers A. Artaria verdanke, im Nachfolgenden mitzutheilen : 


Einnahmen: 


Jahresbeiträge von 181 ordentlichen Mitgliedern für 1856 . 905. — kr. 
Jahresbeiträge von 211 ordentlichen Mitgliedern für 1857 . 1055 „ — 
Jahresbeiträge von 14 ausserordentlichen Mitgliedern für 1856 209 „ — 
Jahresbeiträge von 15 ausserordentlichen Mitgliedern für 1857 224 „ — 
Jahresbeiträge von 1 ord. und 1 ausserord. Mitgliede für 1858 25. — 
Reduction der Jahresbeiträge von 2 Mitgliedern in Me 160 „ — 
Reduction der Jahresbeiträge von 1 Mitgliede . . er el) 
Zinsen von Obligationen und Escomptecassa-Anweisungen“ SIE HABS! 583 


Summe 2669 fl. 3 kr. 


SEINE SIE SETS 


94 Versammlung am 17. November 1857. 


Ausgaben: 
“Druck des Jahrbuches und der Pa a ee Mn. N SDD-N- ASNKE: 
Kanzleierfordernisse . . . N  ANTIEEN Tin DS 
RemunerationguesScrplorsme 4 le en ER 2 
Remuneration des Vereinsdienerss . » . 2 .2.2.2..0.4120,— ,„ 
Auslagen für dierBiblioikeke. 7, man ET 
Postporto . . a A en 
Ehrengeschenk an , Herrn Dr. Mally A al — 


Summe 1657 fl. 26 kr, 


Es verbleibt demnach ein Rest von 1011 Gulden 37 Kreuzer für die Ein- 
nahmen des nächsten Jahres; zählt man hiezu nur die Jahresbeiträge der gegen- 
wärtigen ausserordentlichen und ordentlichen Mitglieder mit 1752 Gulden, ohne 
Rücksicht dessen, dass ihre Zahl fortwährend im Wachsen ist, so ergibt sich 
hieraus für das nächste Gesellschaftsjahr 1858 eine sichere Einnahme von 
2765 Gulden 37 Kreuzer. 

Gewiss sind auch diese Zahlen, von welchen zum grossen Theile das Schieksal 
aller Gesellschaften abhängig ist, besonders für eine erst in der Entwicklung 
begriffene Gesellschaft nicht bloss genügend, sondern sogar günstig zu nennen, 
und ich sage im Namen des Ausschusses allen hochverehrten Herren Mitgliedern 
den wärmsten Dank, dass sie sich beeilten, diese wichtige Quelle nicht versiegen 
zu lassen, sowie ich auch hoffe, dass die wenigen noch rückständigen Jahresbei- 
träge bald eingebracht werden. 

Und so lassen Sie uns nun, Meine Herren, nachdem Sie einen raschen 
Rückblick auf die inneren Angelegenheiten geworfen, und diese, wie sich der 
Ausschuss schmeicheln darf, günstig gestellt befunden haben, nochmals dankbar 
des Gründers gedenken, dessen Geiste wir das Hervorrufen der Gesellschaft ver- 
danken, und hoffen wir, dass die Zukunft auch eine würdige Folge der Gegen- 
wart sein werde, in welcher es möglich wird, der Gesellschaft eine immer festere 
Basis zu gründen und immer grössere Ausdehnung zu verschaffen. * 

Der Herr Seeretär Foetterle stellte hierauf im Namen des Ausschusses 
den Antrag, die Versammlung möge, bevor sie zu andern, für den heutigen Tag 
festgesetzten Wahlen übergehe, dieGeschäftsordnung, welche in der Versamm- 
lung am 30. December 1856 provisorisch auf ein Jahr bestimmt wurde, als defi- 
nitiv massgebend annehmen, nachdem sich dieselbe als vollkommen ausreichend 
erwies, welcher Antrag einstimmig angenommen wurde. 

Da nun nach den Statuten die Function des Präsidenten mit dieser Sitzung 
zu Ende geht, so stellte der Ausschuss durch den Herrn Seeretär Foetterle der 
Versammlung den von dem ersteren einstimmig beschlossenen Antrag, dieselbe 
möge Se. Durchlaucht den Herrn Fürten Hugo Karl zu Salm-Reifferscheid- 
Krautheim zu ihrem Präsidenten erwählen, weleher Antrag unter allgemeinem 
Beifall angenommen wurde, 

‚Der Herr Seeretär theilte mit, dass den Statuten gemäss von den sechs 
Vicepräsidenten der Gesellschaft nach dem ersten Jahre drei, durch das Loos zu 
bestimmende, auszutreten haben. Das Loos fiel auf die Herren K. Freiherr v. 
Czörnig, Dr.K. Kreil und Dr. Fr. W. Freiherr v. Reden; bevor zu einer 
neuen Wahl, da die Austretenden zu derselben Funetion sogleich nieht wieder 
wählbar sind, geschritten wurde, stellte Herr Foetterle den Antrag, die Ver- 
sammlung möge den abtretenden Herren Vieepräsidenten für die lebhafte Unter- 
stützung der Interessen der Gesellschaft während ihrer Funetion den Dank der 
Gesellschaft votiren, welchem Antrage durch ein allgemeines Erheben von den 


F. Foetterle. 25 


Sitzen beigestimmt wurde. Hierauf wurden ebenfalls über Antrag des Ausschus- 
ses zu neu eintretenden Vicepräsidenten gewählt die Herren k. k. Seetionsrath 
W. Haidinger, k. k. Unterstaatssecretär Freiherr v. Helfert und k. Rath 
Steinhauser. Die Herren Censoren A. Harmat und G. A. Schimmer wur- 
den für dieselbe Function wieder gewählt. An die Stelle von vier, durch ihre 
Entfernung von Wien ausgetretenen Ausschussmitgliedern und anstatt des einen 
zum Vicepräsidenten gewählten Ausschussmitgliedes wurden die Herren K. Frei- 
herr v. Czörnig, Dr. K. Kreil, Dr, F. W. Freiherr v. Reden, k. k. Professor 
Simony undk. k. Hauptmann K. Muszynski zu Ausschussmitgliedern gewählt, 
und die als solche zum Austritt bestimmten Herren O. Freiherr v. Hingenau 
und Th. Kotschy wiedergewählt. 

Als neu eintretende ordentliche Mitglieder wurden über Antrag des Aus- 
schusses gewählt: die Herren J. Drasenberger, k. k. Rechnungsrath, Dr. Ethb, 
H.v. Costa, Geschäftsleiter des historischen Vereins für Krain in Laibach, A. v. 
Hepites, G. Jiticek, k. k. Ministerialeoneipist, W. Koeziezka, k. k. Ober- 
Lieutenant und Professor an der k. k. Jnfanterie-Schule in Olmütz, Dr. F. J. v. 
Proschko, k. k. Ober-Polizeieommissär in Linz, R. Temple, k. k. Oberlieu- 
tenant in Pesth, und J. Ziegl, Lehrer an der Unter-Realschule in der Leo- 
poldstadt. 

Herr Seeretär Foetterle legte einige theils als Geschenke, theils im 
Tausche eingegangene Druckschriften vor; namentlich machte er aufmerksam auf 
ein sehr werthvolles Geschenk, die vollständige Reihe des „Taschenbuches zur 
Verbreitung geographischer Kenntnisse“, herausgegeben von Johann Gottfried 
Sommer in Prag vom Jahre 1823 bis 1848, welche die Gesellschaft der Güte 
ihres hochverehrten Mitgliedes, Sr. Hochwürden Herrn Direetors G. Fitzinger 
verdankt. Dieses Taschenbuch lieferte stets eine Uebersicht des Neuesten und 
Wissenswürdigsten im Gebiete der gesammten Länder- und Völkerkunde und es 
ist sehr zu bedauern, dass es durch den Tod des Herausgebers aufgehört hat, 
Als Geschenke wurden ferner vorgelegt: Deutsche Staatenkunde, 2ter Band, von 
H. F. Brachelli; Praetische Anleitung zur militärischen Aufnahme von W. Ko- 
eziezka, endlich „die jetzige Aufgabe der Statistik“, Andeutungen als Kommen- 
tar zum Repertorium seiner statistischen und geographischen Sammlungen von 
Dr. Fr. W. Freiherrn v. Reden, mit dessen Uebersendung Letzterer der Gesell- 
schaft abermals die Benützung dieser so ausgezeichneten und ausgedehnten Bib- 
liothek anbot, wofür ihm über Antrag des Herrn Dr. S. Reissek der Dank der 
Gesellschaft ausgedrückt wurde. 

Schliesslich zeigte Herr Foetterle eine grössere Anzahl von werthvollen 
neueren Karten vor, welche Herr Artaria freundlichst für diesen Abend zur Ein- 
sicht übersendete. 


Versammlung am 17. November 1857, 


Der Herr Präsident, Se. Durchlaucht H. K. Fürst v. Salm - Reiffer- 
scheid-Krautheim, führte den Vorsitz. Er eröffnete die Sitzung, indem er 
der Versammlung seinen Dank für die ihm zu Theil gewordene Wahl zum nächst- 
jährigen Präsidenten der Gesellschaft ausdrückte. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden den Statuten entsprechend die Her- 
ren: F. Sauer, Lehrer an der k. k. Unter-Realschule zu St. Thekla aufder Wie- 
den, Se. HochwürdenJ. Matzenauer, Piaristen-Ordenspriester, H. v. Littrow, 
k. k. Corvettencapitän in Triest, zu ordentlichen Mitgliedern und Hr. v. Reguly, 


26 Versammlung am 17, Novemher 1857. 


Kustos an der k. k. Universitäts-Bibliothek in Pesth, zum eorrespondirenden Mit- 
‚gliede gewählt. 

Der Herr Seeretär, F. Foetterle, theilte mit, dass die Herren k. Preuss. 
Generalmajor Baeyer, Dr. Th. Dieteriei, Dr. H. Karsten. Dr. W. Peters in 
Berlin, Dr.J.Lamont,Dr.O.Sendtner in München, Dr. A. Grisebach, Dr. J. E. 
Wappäus in Göttingen, Dr. H. Barth in London, F. v. Lesseps in Paris, L. 
Ewald in Darmstadt, Dr. T. Kützing in Nordhausen und E. v. Sydow in Gotha 
in sehr freundlichen und schmeichelhaften Schreiben der Gesellschaft ihren be- 
sondern Dank für die Wahl zu Ehren- oder eorrespondirenden Mitgliedern aus- 
gedrückt haben. 

Hr. Foetterle legte ferner eine Reihe von an die Gesellschaft theils als 
Geschenke, theils im Tausche eingegangenen Druckschriften vor. Herr Dr. 
Fabri, Missions-Inspeetor der Rheinischen Missionsgesellsehaft in Barmen, sandte 
nebst einer Grammatik der Pulopetak-Dajaksprache und einem Vocabular der Na- 
maqua-Sprache, einen aus 9 Blättern bestehenden Atlas dieser Missions-Gesell- 
schaft, übersichtlich und speziell die Gebiete darstellend, auf welchen dieselbe 
thätig ist. Nach der Mittheilung des Herrn Dr. Fabri befinden sich die Stationen 
der Gesellschaft an drei Puneten: Südafrika, Borneo und China. In Südafrika 
sind ihre Niederlassungen, von der Capkolonie ausgehend, bereits bis zum 21. 
Grad südlicher Breite vorgedrungen, und einer der am nördlichsten wohnenden 
Missionäre wird sich wahrscheinlich in diesem Augenblicke noch auf einer Ent- 
deckungsreise in dem erst vor wenigen Jahren von Galton und Andersson 
entdeckten, aber nur flüchtig berührten Lande der Ovambo befinden. Vielleicht 
gelingt es ihm, bis zu dem räthselhaften Flusse Kunene vorzudringen, und es ist 
die Absicht der Gesellschaft, wo möglich mit einer Niederlassung in das Land der 
Ovambo nachzurücken. Auch auf Borneo wirkt die Mission allmälig von Bandjer 
aus tiefer in's Innere; in China ist sie jedoch wegen des Krieges mit England 
augenblicklich auf Hongkong angewiesen und hatte auch früher nur einen Küsten- 
saum besetzt. Herr Dr. Fabri hatte überdies die Güte seine Vermittlung anzu- 
bieten, im Falle eines oder das andere Mitglied der k. k. geographischen Ge- 
sellschaft eine bestimmte geographische oder naturgeschichtlicheFrage bezüglich 
der von der Rheinischen Missionsgesellschaft besetzten Gebiete beantwortet zu 
haben wünschte. — Das eorrespondirende MitgliedHerr J. M. Ziegler zu Palm- 
garten bei Winterthur in der Schweiz sandte als Geschenk für die Gesellschaft 
seine neue Karte der Schweiz. Sie ist in demselben Massstabe (1: 380,000) 
ausgeführt, wie diejenige desselben Herrn Verfassers, welehe von den Herren B. 
Studer und A.Escher von der Linth als Grundlage ihrer geologischen Karte 
der Schweiz benützt wurde, nur vielfach ergänzt und verbessert, zugleich aber 
durch die Beigabe eines Heftes von Erläuterungen und einem Register zur leich- 
teren Auffindung der Orte auf der Karte und für die Hypsometrie des Landes ver- 
mehrt. Ist schon die Karte in ihrer Ausführung ausgezeichnet, so erscheint die 
Beigabe des Heftes als sehr erwünscht, und es verdiente dieser Vorgang nament- 
lich bei denjenigen Karten Nachahmung, bei welchen durch das zu viele Gedrängt- 
sein der Ortsnamen das Aufsuchen derselben so ungemein erschwert wird. — 
Ferner sandte das correspondirende Mitglied, Herr M. E. de Rivero, General- 
eonsul von Peru in Brüssel, als Geschenk für die Gesellschaft sein aus zwei Bän- 
den bestehendes Werk: „Coleccion de Memorias ceientificas, agricolas & indu- 
striales“, das eine Fülle von wissenschaftlichen Mittheilungen, namentlich wich- 
tige geographische Notizen über Peru, über den in den Cordilleren entspringen- 
den und in den Orinoeo mündenden Fluss Meta, so wie zahlreiche barometrische 
Höhenmessungen in den Cordilleren und ethnographische Nachrichten über ver- 


Dr. 7, W, Frh. v. Reden, 27 


schiedene Indianerstämme enthält. — Der grossherzoglich Baden’sche Ministerial- 
rath Herr R. Dietz in Karlsruhe, Vorstand des statistischen Bureau daselbst, 
übersandte der Gesellschaft als Geschenk eine Reihe von eigenen Publicationen, 
worunter vorzüglich die ganze bisher aus 5 Heften bestehende’ Reihe der „Bei- 
träge zur Statistik der inneren Verwaltung des Grossherzogthums Baden“, her- 
ausgegeben von dem Ministerium des Innern, als eine schöne Bereicherung der 
Gesellschaftsbibliothek zu erwähnen ist. — Als Fortsetzung früherer Zusendungen 
sind der Gesellschaft die Schriften von verschiedenen Instituten und Gesellschaf- 
ten zu Agram, Berlin, Paris, Venedig, Wien u. s. w. zugekommen. 

Herr Dr. F. W. Freiherr v. Reden hielt folgenden Vortrag: 

„Im Report of the 17 Meeting of the British Association for the Advan- 
cement of Science, welches im Juni 1847 zu Oxford gehalten wurde (Abth. VI. 
S. 67 ff.), findet sich ein Vortrag des Grafen Adolph Rosen (jetzt Oberst und 
Mitglied des schwedischen Reichstags) über einige, von Sr. k. Hoheit Karl Lud- 
wig Eugen, Kronprinz von Schweden und Norwegen, selbst gearbei- 
tete Karten für geographische und statistische Zwecke. Dieselben Karten sind im 
„Journal of the R. Geographical Society of London“ von 1848 (Vol. XVII 
p. 95) als eine besonders bemerkenswerthe Erscheinung hervorgehoben. Auf der 
Pariser Weltausstellung wurde diesen Karten eine besonders ehrenvolle Erwäh- 
nung (Mention tres honorable hors concours — Rapports du Jury miwte inter- 
national, Paris 1856 p. 435) zu Theil. Ungeachtet dieser mehrfachen öffent- 
lichen Anerkennungen sind diese Karten bis jetzt nur als Manuseript in sehr we- 
nigen Exemplaren ausgeführt; was um so mehr zu bedauern ist, weil deren allge- 
meine Verbreitung, sowohl für wissenschaftliche als erwerbliche Zwecke sehr 
nützlich sein würde. 

Von diesen Karten lege ich der k. k. geographischen Gesellschaft ein Exem- 
plar zur Einsicht vor, welches (ohne mein Ansuchen) Se. königliche Hoheit mir 
übergeben zu lassen befohlen haben. Je unerwarteter für mich diese hohe Aus- 
zeichnung war, um so inniger ist mein Dankgefühl gegen den durchlauchtigsten 
Geber, welcher darin eine Rechtfertigung auch dieser öffentlichen Besprechung 
finden wolle. — Die Vorbereitungen und Vorstudien zur Darstellung der Karten 
haben den Kronprinzen mehrere Jahre hindurch sehr angestrengt beschäftigt. Es 
war nicht nur erforderlich, die bereits vorhandenen amtlichen Erhebungen sorg- 
fältig zu sichten, zu ordnen und zubenützen, sondern auch die vielen Lücken da- 
rin zu ergänzen und zahlreiche Zweifel zu lösen. Um dieses zu erreichen, hat der 
Kronprinz, neben der amtlichen Korrespondenz, mit jedem Pfarrer, mit allen 
Forstmännern, mitdem grössten Theileder Bergwerks- und Hüttenbesitzer u. s. w. 
eine briefliche Verbindung eröffnet. Dem Kronprinz-Regenten ist dadurch, so 
wie durch häufige eigene Ortsanschauung, zugleich eine umfangreiche und ge- 
naue Detailkenntniss der Verhältnisse des Landes und seiner Bewohner zu Theil 
geworden. Eine Kenntniss, welche, unterstützt von kräftiger unermüdlicher Thä- 
tigkeit und seltener Geschäftskunde, zu den glücklichsten Eigenschaften eines 
Herrschers gehört. 

Zu den einzelnen Kartenübergehend, lenke ich zunächst Ihre Aufmerksam- 
keit auf die Hypsographische Darstellung von Schweden. Diese Karte 
weist die Bodenerhebungen nach, vom Spiegel der Ostsee aufwärts in Abschnit- 
ten von je 100 Fuss berechnet und dem entsprechend in 15 Farbenabtheilungen 
zerfallend. So z. B. sind alle Bodenflächen von weniger als 100 Fuss dunkelgrün, 
zwischen 100 und 200 Fuss hellgrün. zwischen 500 und 600 Fuss braun, zwi- 
schen 1000 und 1200 Fuss dunkelgelb angelegt. Aus diesem sehr übersichtli- 
chen Bilde der Oberflächengestaltung Schwedens ist die gewöhnliche Meinung 


28 Versammlung am 1. Dezember 1857. 


einer durchgängig grösseren Bodenerhebung zu berichtigen. Wie gross auch 
‚ die praktischen Vortheile sind, welche aus dem Ergebnisse dieser Untersu- 
chungen gezogen werden können, wird schon durch Vergleichung dieser Karte mit 
den folgenden völlig klar. Die zweite Karte stellt die Waldflächen Schwe- 
dens dar und zwar nach vier Verschiedenheiten. Dunkelgrün bezeichnet die Ur- 
wälder, deren Inneres grossentheils noch keinen Axthieb oder Säge hörte; sie 
liefern dem Ausfuhrhandel für etwa 18,150,000 Thaler Reiehsmünze jährlich 
Bau- und Nutzholz, z.B. Masten und Bretter vom besten Rufe (aus Sveriges Utri- 
kes Handel ar 1854, berechnet von Agardh in seiner Statsekonomisk Statistik 
1857, III. S. 58 ff.) Hellgrün sind die Wälder angegeben, welche für den inlän- 
dischen Bedarf sorgen; gelb sind die gehauenen Waldflächen und Blössen, braun 
endlich die Anpflanzungen zur Befestigung des Flugsandes. Die Letzteren, auch 
in Norddeutschland, Holland und Belgien seit längerer Zeit angewendet, verdie- 
nen sehr in manchen Landestheilen des Kaiserstaates Oesterreich nachgeahmt zu 
werden. Der ungemein grosse Waldreichthum Schwedens erhellt schon 
aus den Berechnungen des Generaldireetors der Forsten (bei Knut Bonde, La 
Suede et son commerce. Paris 1852 p. 17 J.), wonach 25.000.000 Tunnland 
oder etwa 12.500.000 Hectaren, d. i. 60°/, der Gesammtoberfläche mit Holz be- 
deckt sind. Von diesem werden jetzt jährlich nur etwa 5.700.000 Famnar (von 
je 108 Kub. Fuss = 2.815 Steres) Hölzer geschlagen, wovon 97°%/, im Lande 
verbraucht werden. Eine dritte Karte stellt die Verhältnisse der schwedi- 
sehen Eisen-Fabrikation dar und die Vergleichung ihrer Ergebnisse im 
Einzelnen mit der Waldkarte ist um so interessanter, weil beide Quellen des Er- 
werbes dort im innigsten Zusammenhange und in gegenseitiger Abhängigkeit 
sich befinden. Die Ausfuhr der Erzeugnisse der Eisenindustrie ist für Schweden 
von ungemein hoher Wichtigkeit; sie betrug hinsichtlich der beiden bedeutend- 
sten Artikel (in Skeppund, 1 = 423!/, Grammes) : 
1846, Stabeisen 558.000, Stahl 16.000; 
1847, = 604.000, „ 18.000; 
1853, 5 623.000, „24.000; 
1854, 3 610.000, „27.000; 
1855, % 554.000, „19.000. 

Dieses, im Vergleiche zu dem Verbrauche und zu der Entwicklung in an- 
deren Staaten, langsame Fortschreiten der schwedischen Eisenindustrie, ist kei- 
neswegs der Unthätigkeitder Eisenwerks-Besitzer zuzuschreiben. Denn, selbst 
abgesehen von dem beschränkten Verbrauche des vortrefflichen (aber desshalb 
auch etwas theueren) schwedischen Holzkohlen-Eisens, auch abgesehen von dem 
Stillstande, welcher bisher die Anwendung der verbesserten Transportmittel in 
Schweden erfuhr, hat schon allein der gestiegene Preis des Holzes und der Holz- 
kohle sehr drückend auf die Eisenfabrikation wirken müssen. 

Wenn man die höchst sinnreiche und vortrefflich ausgeführte Eisenkarte 
genau studirt, so findet man auf derselben die Fabrikationsgeschichte jedes 
einzelnen Werks graphisch dargestellt. Denn von den Bergwerken, welche 
durch einen Kreis der Farbe des betreffenden Minen-Distriets angedeutet sind, 
führt eine gleichfarbige Liniezum Hochofen; ebenso von diesem zu den Hammer- 
u. s. w. Werken; endlich eine (rothe) Karminlinie zum Ausfuhrhafen. Diese 
Leitungslinien sind um so wiehtiger, weil in Schweden die durch die natürlichen 
Verhältnisse bedingten Entfernungen der verschiedenen Faetoren zur Dar- 
stellung und Verarbeitung des Eisens und Stahls von einander oft sehr gross 
sind. Das Zusammenlaufen der Karminlinien bei Stoekholm und Gothenburg 


0. Frh, v, Hingenau, F. Simony, F. Foetterle, 29 


bringt die überwiegende Wichtigkeit dieser Häfen auch für den Eisenhandel vor 
Augen. In anderen Staaten Europa’s würde man es für unmöglich halten, Erze 
und Eisen so weite Reisen machen zu lassen und dessenungeachtet das fertige 
Fabrikat im Auslande noch mit Vortheil verkaufen zu können. Der Gedanke, wel- 
cher dieser Eisenkarte zum Grunde liegt, ist so geistreich und praktisch, dass 
dessen Anwendung auch auf andere Erwerbsverhältnisse sehr nützlich wäre. — 
Ein viertes Blatt schwedischer Karten bezweckt den Nachweis der Dichtheit 
und Zunahme der Bevölkerung. Es ist vom General Christ. Loven, Bu- 
reau-Chef des Generalstabs des schwedischen Landheeres, bearbeitet. In einer 
späteren Sitzung werde ich darauf zurückkommen. “ 

Herr ©. Freiherr von Hingenau theilte im Auszuge eine von dem ordent- 
lichen Mitgliede Herrn Dr. A. von Alt in Krakau für das nächste Heft der Mit- 
theilungen der Gesellschaft eingesendete Beschreibung eines von ihm im Sommer 
1855 von Czernowitz aus unternommen Ausfluges in die Marmaroscher Karpathen 
mit. (Siehe dieses Heft: Abhandlungen Nro. 1. S. 1.) 

Herr Professor F. Simony legte im Namen des Verfassers, Herrn Joseph 
Feil, eine Abhandlung vor, welche den Titel führt: „Ueber das Leben und Wir- 
ken des Geographen Georg Matthäus Vischer (aus dem II. Bande der Berichte 
und Mittheilungen des Alterthumsyereines in Wien besonders abgedruckt) und 
gab eine kurze Uebersicht des Inhalts derselben. (Siehe dieses Heft, Abhandlungen 
Nro. II.) 


Versammlung am 1. Dezember 1857. 


Der Herr Präsident, Se. Durchlaucht Fürst H. v. Salm-Reifferscheid, 
führte den Vorsitz. 

Ueber Vorschlag des Ausschusses wurden den Statuten entsprechend von 
der Gesellschaft die Herren: Se. Excellenz K. Freih. von Hietzinger, k.k. 
Reichsrath; E. y. Balbi, k. k. Professor in Venedig; A. Egger, k. k. Profes- 
sor; D. Grün, k. k. Professor, zu ordentlichen Mitgliedern, und Se. Durch- 
laucht Fürst Leo Sapieha zum ausserordentlichen Mitgliede gewählt. 

Der Herr Secretär Foetterle theilte hierauf mit, dass die Frau Gräfin 
P. von Nostitz, die Herren Staatsrath A. Kupfer, Staatsrath P. von Koep- 
pen in St. Petersburg, Staatsrath Dr. F. von Hermann, k. h. Major A. Papen 
in Frankfurt a. M. und k. k. Sectionsrath Dr. W. Schwarz in Paris, der Gesell- 
schaft ihren besondern Dank für die Wahl zu Ehren- oder correspondirenden 
Mitgliedern ausgedrückt haben. 

Herr Foetterle legte ferner eine Reihe von an die Gesellschaft theils als 
Geschenke, theils im Tausche eingegangenen Druckschriften vor. Die k. russische 
geographische Gesellschaft sandte den 11. Band ihrer Abhandlungen , sowie den 
Compte rendu derselben für das Jahr 1856, und einen Bericht über ihre General- 
versammlung vom 28. Mai 1857. Aus dem letzteren ist zu entnehmen, welche 
grossartigen und wichtigen Arbeiten von Seite der k. russischen geographischen 
Gesellschaft im Laufe des Jahres 1857 in Angriff genommen wurden. Die Gesell- 
schaft unternimmt die Herausgabe eines geographischen Lexikons von Russland 
zur Verbreitung der geographischen Kenntnisse, sowie der hierauf bezüglichen, 
sowohl administrativen als wissenschaftliehen Arbeiten im Lande; das Programm 
hiezu ist bereits vollendet, und der Akademiker Herr P. von Koeppen, der in 
dieser Beziehung das reichste Material besitzt, hat es übernommen, ein alphabe- 
tisches Verzeichniss aller derjenigen Worte zu entwerfen, welche in das Lexikon 


30 Versammlung am 1. December 1857. 


aufzunehmen wären. Eine andere in diesem Jahre noch zu beginnende Aufgabe, 
‚ welehe sich die Gesellschaft gestellt hat, ist die Herausgabe einer Generalkarte 
des europäischen Russland. Das Bedürfniss nach einer solchen wurde in Russland 
immer dringender, da die bisherigen Karten nicht genügen. Die militärische 
Strassenkarte, sowie die Spezialkarte sind veraltet, die erste umfasst nicht das 
ganze Reich, die letztere ist vielmehr ein Atlas zu nennen; alle anderen vorhan- 
denen Karten aber sind meist mit zu groben Fehlern überfüllt. Mit Bewilligung 
des Generalstabes hat die Gesellschaft die Ausführung dieser Karte dem topogra- 
phischen Kriegsdepot in St. Petersburg übergeben, und mit den ungeheuren Mit- 
teln des Generalstabes, sowie mit dem reichen wissenschaftlichen Materiale der 
Gesellschaft ist an dem günstigen Erfolge nicht zu zweifeln. Die Karte wird in 
30 Breite- und 48 Längengraden das europäische Russland und den Kaukasus 
umfassen, und zwar im Norden bis an das Nordeap, im Süden bis an die äusserste 
Südspitze des kaspischen Meeres, im Westen an die Grenzen von Preussen und 
Oesterreich, und im Osten bis an die äussersten Grenzen des Gouvernements 
Orenburg reichen, und wird in einem Maassstabe von 1:1.680.000 der Natur 
mit fünf verschiedenen Farben für die Grenzen, dieGebirge, die Flüsse, die Stras- 
sen und die Schrift ausgeführt. Die Kosten dieser Karte sind bei einer Auflage 
von 2000 Exemplaren auf 18.000 Rubeln (72.000 Fr. — 28.800 fl.) ver- 
anschlagt. 
Die von der Gesellschaft veranstaltete wissenschaftliche Expedition nach 
dem östlichen Theile von Sibirien, die bereits drei Jahre dauert, wurde auch im 
Jahre 1857 fortgesetzt und ist bis zu Ende 1858 verlängert. Hingegen musste 
eine bereits beschlossene statistische Expedition an den Wolgastrom zur Erfor- 
schung der Bewegung der Industrie und der Schifffahrt auf diesem Flusse wegen 
Mangel an hiezu geeignetem Personale auf das nächste Jahr verschoben werden. 
Aus den vereinigten Staaten von Nordamerika erhielt die Gesellschaft durch 
die gütige Vermittlung des Generaleonsuls Herrn Dr. F. Flügel in Leipzig, eine 
grössere Anzahl höchst werthvoller Druckschriften, worunter besonders die all- 
jährlich an den Senat erstatteten Berichte der Staatsseeretäre der Finanzen, des 
Handels und der Schifffahrt, des Krieges, sowie die Botschaft des Präsidenten an 
die beiden Häuser des Congresses zu erwähnen sind. Von dem Verfasser, Herrn 
Major Emory, erhielt die Gesellschaft seinen Bericht über die Commissions- 
arbeiten zur Regelung der Grenze zwischen den vereinigten Staaten und Mexico. 
Dieser Band enthält die orographische und geologische Beschreibung des 
ganzen bei dieser Gelegenheit begangenen Terrains, sowie die astronomische 
Bestimmung ungemein zahlreicher Punete; ferner die ethnographische Beschrei- 
bung der dort wohnenden Indianerstämme , und gibt auf 21 Tafeln die Ansichten 
der verschiedensten, innerhalb der Grenzlinie liegenden Gegenden. Die Smith- 
sonian Institution zu Washington sandte den 9. Band ihrer „Contributions to 
Knowledge,“ der eben so reich an lehrreichen Aufsätzen verschiedener Zweige 
der Wissenschaft ist, wie die vorhergegangenen. Eine von dem Coast Survey 
Office in Washington erhaltene Karte von Central- Amerika, zusammengestellt 
nach den Materialien des Comite für auswärtige Angelegenheiten und ausgeführt 
von dem U. $. Coast Survey Office in dem Massstabe von 1/2500000, gehört unstrei- 
tig zu den besseren Uebersichtskarten , welche über jene Gegenden erschienen 
sind, und hat namentlich den Vortheil, dass sie sehr grosse Theile der benach- 
barten Gebiete einschliesst, indem sie 21 Breiten- und 23 Längengrade umfasst. 
Durch die gütige Vermittlung des eorrespondirenden Mitgliedes, Herrn k.k. 
österreichischen Vieeconsuls E. K. Angelrodt zu St. Louis in Missouri, erhielt 


FR, Foetterle, K. Frh, v. Czoernig. 31 


die Gesellschaft das erste Heft der Drucksehriften der in St. Louis neu entstande- 
nen Akademy of Science; und durch die gütige Vermittlung des Herrn k. k. 
Sectionsrathes W. Haidinger das ebenfalls von Herrn Angelrodt gesendete 
prachtvolle Werk von D. D. Owen: Report of a Geological Survey of Wiscon- 
sin, Jowa and Minnesota, das sowohl die geologischen wie paläontologischen 
Verhältnisse jener Staaten darstellt, auf das prächtigste in einem Quartbande von 
638 Seiten mit 71 Holzschnitten und 47 Tafeln, Karten und Durchschnitten aus- 
gestattet ist, und auf Kosten des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten so- 
wohl die Arbeit und die Untersuchung unternommen, wie auch das Werk heraus- 
gegeben wurde. 

Dem eorrespondirenden Mitgliede, Herrn k. H. Major a. D. A. Papen, ver- 
dankt die Gesellschaft die Zusendung von 36 Blättern der von den königlich han- 
nover'schen Generalstabs-Oflicieren aufgenommenen und mittelst Zinkumdruck ver- 
vielfältigten Detailkarten des Grossherzogthums Hessen. — Durch die gütige 
Vermittlung des Herrn k. k. Legationsseeretärs B. Mayer v.Gravenegg erhielt 
die Gesellschaft als Geschenk von Herrn k. k. Professor Eug. von Balbi das 
erste von seinem verstorbenen Vater, dem bekannten Geographen Adrian Balbi, 
veröffentlichte Werk; es ist dies der „Prospetto politico geographico dello 
stato attuale del globo,“ veröffentlicht in Venedig im Jahre 1808. — Der 
gütigen Zusendung des Herrn J. Wenzig verdankt die Gesellschaft das 
höchst interessante, erst vor Kurzem von ihm und Herrn J. Krejei verfasste 
Werk: „Die Umgebungen von Prag.“ In einer kurzgefassten Zusammenstellung 
hat in demselben Herr J. Krej@i auf das trefllichste die orographischen und geo- 
logischen Verhältnisse der Umgegend dieser Stadt geschildert und die interessan- 
testen geologischen Puncte der Kreide-, Steinkohlen- und silurischen Formationen, 
sowie der krystallinischen Schiefer- und Massengebilde in sehr gelungenen Land- 
schafts-Skizzen vorgeführt; während die pittoresken und historischen Schilderun- 
gen, denen eine auserlesene Reihe von Gedichten beigegeben ist, aus Herrn J. 
Wenzig's gewandter Feder stammen. — Das ordentliche Mitglied Herr 
J.Löwenthal sandte den ersten Theil seiner in diesem Jahre veröffentlichten 
Geschichte der Stadt Triest, welche von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1780 
handelt; das Interesse, welches sowohl die treflliche Darstellung wie der Gegen- 
stand selbst bietet, lässt das baldige Nachfolgen des zweiten Theiles hoffen. — 
Herrn k. k. Seetionsrath W. Haidinger verdankt die Gesellschaft die Zu- 
sendung einer gröseren Anzahl von Doubletten-Werken aus seiner Büchersamm- 
lung, und Herrn Professor A. Zeithammer in Agram die Fortsetzung der Zeit- 
schrift „L’Isthme de Suez,“ sowie mehreren Instituten zu Brünn, Breslau, Linz, 
Pest, Pressburg u. s. w. die Zusendung ihrer Publicationen. 

Herr k. k. Sectionschef K. Freiherr von Czoernig übergab der Versamm- 
lung als Geschenk für die Bibliothek der k. k. geographischen Gesellschaft die 
ganze Reihe derjenigen Druckschriften, welche von Seite der verschiedenen k. k. 
Ministerien dem in Wien vom 31. August bis 5. September ]. J. tagenden inter- 
nationalen statistischen Congresse vorgelegt wurden. — Nachdem Herr Freiherr 
von Czoernig zuerst den von ihm über den Programmsentwurf an die Vorberei- 
tungs-Commission des Congresses erstatteten Bericht und das ausgearbeitete 
Programm selbst, beides in deutscher und in französischer Sprache, der Ver- 
sammlung überreicht und die Aufmerksamkeit derselben vorzüglich auf die Thä- 
tigkeit der VI. Section der Vorbereitungs-Commission für Feststellung jener 
Punete gelenkt hat, deren Thatsachen die Naturwissenschaften im weitesten 
Sinne der Statistik an die Hand geben sollen, ging er zur Vorlage der von den 
einzelnen k, k. Ministerien an den Congress gebrachten Druckschriften über. 


32 Versammlung am I. December 1857. 


Das k. k. Ministerium der Finanzen hat zwar eine grosse Zahl der interes- 
- santesten, noch nie veröffentlichten Daten über den Staatshaushalt dem Congresse 
nur in Manuseripten mitgetheilt, gleichzeitig aber die sofortige Drucklegung die- 
ser Tabellen angeordnet, die bereits im Zuge ist. Abgesehen von denselben, 
kamen schon gedruckt zur Vorlage: die sehr inhaltsreichen Monographien über 
das österreichische Salz- und Tabakmonopol, das Montan-Handbuch, der Berg- 
werksbetrieb im Kaiserthum Oesterreich im Jahre 1855. Zwei höchst wichtige 
Mittheilungen waren jene des k. k. Ministeriums des Innern über das Vereins- 
wesen und über die Ergebnisse der Grundentlastung. Zwar ist von diesen letzte- 
ren bloss der Theil, welcher die deutschen und slavischen Kronländer betrifft, 
im Drucke beendet, allein selbst in diesen erreicht das Entlastungseapital nahezu 
300 Mill. fl., aus welchem Umstande allein schon der grosse Umfang jener Maass- 
regel hervorgeht. Die Ausbildung des Vereinswesens gehört der jüngsten Vergan- 
genheit an und spielt bereits eine bedeutende Rolle, welche sich selbst in der 
Ziffer von mehr als 6000 bestehenden Privatvereinen ausspricht. 

Das k. k. Ministerium der Justiz veröffentlichte die Ergebnisse der Straf- 
rechtspflege im Jahre 1856, dem ersten, von dessen Beginne an dasselbe 
materielle Strafrecht, der gleiche Strafprozess in der ganzen Monarchie Gel- 
tung hatte. 

Auch der Gemeinderath Wiens ehrte die fremden Gäste, indem er dem 
Congresse das Probeheft einer Statistik der Stadt Wien vorlegte. Der Inhalt des- 
selben bezieht sich auf geographische und populationistische Momente und ver- 
spricht den Beginn eines Werkes zu werden, welches sich den Darstellungen 
anderer Grossstädte würdig anreiht. 

Herr Freiherr von Czoernig besprach ferner die Nachweisungen der 
Triester Börse-Deputation über die Schiffahrtsbewegung von 1851 bis 1856, und 
kam dann schliesslich auf die vom k. k. Handelsministerium (der k. k. Direetion 
für administrative Statistik) selbst gemachten Vorlagen: Das 1. Heft einer Stati- 
stik der Land- und Wasser-Communicationen des Kaiserstaates, das 1. Heft einer 
Umarbeitung der Industrie-Statistik Oesterreichs, welche zuerst in den grossen 
Tafeln zur Statistik für 1841 erschienen war und schon damals der allgemeinsten 
anerkennenden Würdigung sich erfreute, endlich die grosse ethnographische 
Karte der Monarchie, die Frucht sechszehnjähriger Mühen und ihre Reduction 
auf ein Blatt, sammt den erschienenen drei umfangreichen Bänden einer Ethno- 
graphie der österreichischen Monarchie. Herr Freiherr von Czoernig, Verfas- 
ser der Karte und zum Theil des Werkes, gab umständlich Nachricht über Ent- 
stehung und Zweck beider Arbeiten, und erwähnte namentlich des Abschnittes 
im I, Band der Ethnographie, welcher unter dem Titel „Neugestaltung Oester- 
reichs“ die grosse Umwandlung desKaiserstaates im letztenDecennium nach allen 
ihren Richtungen beleuchtet. 

Herr M. L. Hansal, Lehrer bei der katholischen Mission in Central-Afrika, 
und vor kurzer Zeit von Chartum hieher zu einem kurzen Aufenthalte zurückge- 
kehrt, hatte diejenigen naturhistorischen Gegenstände, welche er von Sudan in 
sein Vaterland mitgebracht, der k. k. geographischen Gesellschaft zur Vermeh- 
rung ihres nubischen Museums zum Geschenke gemacht; er hatte diese Gegen- 
stände der Versammlung vorgezeigt und den Zweck und die Art und Weise der 
Anwendung der meisten mit einigen Worten erläutert. Es befinden sich darunter 
vorzugsweise Hausgeräthe, Arzneien, Waffen und Schmuck mehrerer Negerstämme 
jener Gegend, wie Sesseln, Esslöffeln von Elfenbein, Feuerzangen, Perrücken, 
eiserne Arm- und Halsringe, Tabakkuchen und Pfeifen, Zauberstäbe, Peitschen 


Fürst v, Salm, 33 


aus Nilpferdhaut, Krokodilhaut und Eier, Rhinozeroshorn, Strohgeflechte, Trom- 
batsch, Messer, Schilder, Lanzen, Bogen, Pfeile u. s. w., endlich Inseeten und 
Vögel jener Gegend. 


Versamminng am 22, December 1857. 


Der Herr Präsident, Se. Durchlaucht Fürst H. K. von Salm-Reiffer- 
scheid, führte den Vorsitz. Er eröffnete die Sitzung mit der Mittheilung der 
schweren Verluste, welche die Gesellschaft durch den in letzter Zeit erfolgten 
Tod mehrerer Mitglieder trafen. 

Am 12. d.M. verlor die Gesellschaft eines ihrer thätigsten Mitglieder, Herrn 
Dr. Friedrich Wilhelm Freiherrn von Reden, der vondem ersten Momente, wo in 
Wien die Idee einer geographischen Gesellschaft auftauchte, so wie während ihrer 
Entwickelung und seit ihrer definitiven Gründung bis zu seinem Tode die Interes- 
sen der Gesellschaft mit grosser Vorliebe verfolgte und förderte. In dem ersten 
Jahre des Bestehens der Gesellschaft gehörte er ihr als Vicepräsident, in dem 
zweiten, als Ausschussmitglied an. Er hatte nicht nur die Mittheilungen der Ge- 
sellschaft durch interessante Aufsätze bereichert, sondern war auch stets bemüht 
durch lehrreiche Vorträge in unseren Versammlungen das Interesse an denselben 
rege zu erhalten und zu beleben. Ihm verdanken wir insbesondere die höchst 
wichtigen Mittheilungen über die Statistik Schwedens, Roms, über das la Plata 
Stromgebiet, über die Missionen in Central-Afriea und über viele andere Gegen- 
stände, und schwer trifft sein Verlust die Gesellschaft. 

Freiherr v. Reden war im Jahre 1804 zu Wendlinghausen, im Fürsten- 
thum Lippe-Detmold-geboren. Nachdem er zu Detmold, Lemgo und Göttingen 
studirte, trat er im Jahre 1826 in königl. hannover’sche Staatsdienste, wo er im 
Jahre 1832 als Vertreter für die hoyasche Provinziallandschaft in die erste Kam- 
mer der Ständeversammlung gewählt wurde, darin fast allen wichtigen Ge- 
setz-Commissionen beiwohnte und später zum Generalsecretär des Finanz-Mini- 
sters von Schulte ernannt wurde. Nach Aufhebung des hannov. Staatsgrundge- 
setzes trat er im Jahre 1839 aus dem hannov. Staatsdienste. Als Spezialdireetor 
der Berlin-Stettiner Eisenbahn im Jahre 1841 nach Berlin berufen, trat er hier 
im Jahre 1843 in das Ministerium des Aeussern, wo er später in den Rang eines 
Ministerialrathes erhoben wurde. Im Jahre 1848 kam Freiherr von Reden, als 
Deputirter ins Frankfurter Parlament, und nach Aufhebung desselben fühlte er 
sich veranlasst den preussischen Staatsdienst wieder zu verlassen und nach 
Oesterreich zu übersiedeln, wo er seit dem, seiner Lieblings-Beschäftigung nach- 
gehend, in unserer Mitte weilte. 

Zu seiner wissenschaftlichen und literarischen Thätigkeit hatte Freiherr 
v. Reden seit jeher die Statistik gewählt, und seine ersten Publieationen waren 
bereits statistischen Inhaltes; viele derselben erfreutensich stets der grössten An- 
erkennung, und nicht gering istFreiherrn vonReden’s Verdienst bei der Hebung 
dieses Zweiges auf den Standpunet, auf welchem er sich heute befindet. Hier 
war es vorzüglich die vergleichende Statistik, welche Gleichartiges aus verschie- 
denen Staaten und aus verschiedenen Zeiten zusammenstellt, deren Vertretung er 
sich zur Aufgabe machte und diese selbst mit Aufopferung durch mehr als zwanzig 
Jahre unermüdet verfolgte. Hiedurch gelang es ihm, während dieser Zeit ein stati- 
stisches und geographischesMaterial sich zu verschaffen und in einer Manuseript-, 
Bücher- und Karten-Sammlung wohlgeordnetzusammenzustellen, welehe inihrer Art 
gewiss ihres Gleichen nicht hat. Durch diese Sammlung war es Freiherrn vonR eden 
stets möglich geworden, nicht nur Privaten, sondern auch den einzelnen Staats- 
Verwaltungen jeden Nachweis, dessen dieselben zu ihren vielartigen statistischen 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II. Bd. 1. Heft. = 


34 Versammlung am 22, December 1857. 


Arbeiten bedurften, schnell und genügend zu liefern. Den Beweis, dass er diess 
konnte, lieferte er in einer seiner allerletzten Arbeiten „Ueber den Boden und 
die Bodenbenützung im Kaiserthum Oesterreich“, die wir alle gewiss am besten 
zu schätzen im Stande sind, und welche kaum irgend Jemand ohne y. Reden’'s 
Material in der kurzen Zeit von 2 Monaten zu Stande gebracht hätte. 

Freiherr von Reden besass die so ungemein seltene Gabe, sich das für seine 
Zwecke beste Material zu sammeln und das Gesammelte auch zu benützen, so wie 
er es mit einer ihm eigenthümliehen Liberalität Jedermann zur Benützung überliess. 

Wenn auch im Auslande geboren, so hatte doch Freiherr v. Reden die letz- 
ten Jahre seines Lebens in Oesterreich zugebracht, wohin ihn seine Neigung zog 
und dessen Interessen er auch schon früher stets zugethan war, und dieselben auf 
jede mögliche Weise durch That und Schrift wacker vertrat; an ihm verlor daher 
nicht nur die k. k. geographische Gesellschaft eines ihrer thätigsten Mitglieder, 
sondern auch Oesterreich einen warmen Anhänger und einen eifrigen Vertreter. 

Einen weiteren Verlust hat die Gesellschaft durch den plötzlichen Tod ihrer 
ordentlichen Mitglieder, der Herrn P. Gottfried Fitzinger, Piaristen Ordenspriester, 
Reetor und Direetor der Unterrealschule zu St. Thekla auf der Wieden, und des 
HerrnW.Zdobinsky,Professor an der Communalrealschule in Gumpendorf erlitten. 

Der Herr Secretär Foetterle machte hierauf im Namen des Herrn See- 
tionsrathes W. Haidinger folgende ihm übergebene Mittheilung: 

„Es wird gewiss den hochverehrten Theilnehmern an der heutigen Sitzung 
ein wahrhaft erhebendes Gefühl sein, zu vernehmen, „dass unsere langjährigen 
höchsten Gönner, die durchlauchtigsten Herren Kaiserlichen Hoheiten Erzher- 
zoge Johann und Ludwig, der k. k. geographischen Gesellschaft als Ehren- 
mitglieder huldreichst beizutreten geruhten“. Ich erhielt beide gnädigste Mit- 
theilungen am 10. December, in Folge einer der letzten Funetionen meines Prä- 
sidentenjahres, des ehrfurchtsvollen Vortrages eines am 13. Oetober im Aus- 
schusse gefassten Beschlusses. Ich bat daher um Erlaubniss die in so wohlwol- 
lenden, anregenden Worten abgefassten Mittheilungen in voller Sitzung der Ge- 
sellschaft Seiner Durehlaucht unserem gegenwärtigen hochverehrten Herrn Prä- 
sidenten überreichen zu dürfen.“ 

Der Herr Präsident theilte nun den vollen Inhalt der beiden an Herrn Sec- 
tionsrath Haidinger gerichteten Schreiben mit: 

„Von dem Durchlauchtigsten Erzherzoge Johann von Oesterreich, sei- 
nem gnädigsten Herrn, so eben huldreichst beauftragt, beehrt sich der achtungs- 
vollst gefertigte Seeretär Seiner k. k. Hoheit, Euer Hochwohlgeboren, im 
Höchsten Namen, nicht nur für die unterm 31. Oetober d. J. bewerkstelligten 
Zusendungen zu danken, sondern auch bekannt zu geben, dass der Durchlauch- 
tigste Erzherzog die auf Höchstdenselben gefallene Wahl „Eines Ehrenmitglie- 
des“ der k. k. geographischen Gesellschaft, welcher Sie Herr k. k. Sectionsrath 
mit so anerkanntem reichen Erfolge vorstehen, gerne und huldreichst anzunehmen 
geruhen, und für das Gedeihen dieser Gesellschaft mit den aufrichtigsten und 
besten Wünschen beseelt sind. 

Gratz, am 9. December 1857. Habel, k. k. Hofsecretär.“ 

„Seine kaiserliche Hoheit der durehlauchtigste Herr Erzherzog Ludwig 
Joseph, mein gnädigster Herr, hat mir den Auftrag zu ertheilen geruht, Euer 
Hochwohlgeboren auf die an Höchstihn gerichtete Zuschrift vom 18. October d. J. 
zu erwiedern, dass Höchstderselbe der k. k. geographischen Gesellschaft als 
Ehren-Mitglied mit vielem Vergnügen und um so bereitwilliger beitrete, als diese 
Gesellschaft, — welehe unter Euer Hochwohlgeboren eben so kenntnissvoller, als 
umsichtiger Leitung für die Verbreitung der geographischen Wissenschaftbereits 


F, Foetterle. 35 


so Vieles geleistet, — mit allem Grunde für die Zukunft die ausgezeichnetesten 
Erfolge verspricht. 

Indem der Gefertigte mit dieser Eröffnung der ihm gewordenen höchsten 
Weisung entspricht, erlaubt er sich zugleich den Ausdruck der vorzüglichsten 
Hochachtung beizufügen, mit der er die Ehre hat zu sein 


Euer Hochwohlgeboren gehorsamer Diener 
Wien, den 10. Dezember 1857. Jos. Ott, Hof- u. erzh. Seeretär.“ 


Ueber Antrag des Herrn Präsidenten erhob sich die. ganze Versammlung, 
um für die hohe Ehre, welche ihr hiedurch zu Theil wurde, den durchlauchtigsten 
Herren Kaiserlichen Hoheiten Erzherzogen Johann und Ludwig ihren innigsten 
Dank auszudrücken. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden den Statuten entsprechend von der 
Gesellschaft die Herren: St. Freiherr von Beesey de In Volta, k, k. Oberst- 
lieutenant, Dr. Fr. De Fiori, Professor an der k. k. nautischen Akademie in 
Triest, Dr. K. Hieber, k. k. Gymnasialdireetor in Gratz, Se. Hochwürden A. Ku- 
nesch, Adjunet der k. k, Marine-Sternwarte in Triest, J. Schwenda, Professor 
an der k. k. Oberrealschule auf der Landstrasse, und Dr. A, Uranitsch, Secre- 
tär der Handelskammer in Laibach, zu ordentlichen Mitgliedern gewählt. 

Der Herr Seeretär Foetterle theilte ferner mit, dass die Herren Dr. W. 
Forchhammer in Kiel, E. Hampe in Blankenburg, Freiherr A. v. Humboldt, 
Ph. v, Martius in München, Dr. K. Müller in Halle, Th. P. v. Lütke, G. v. 
Helmersen und v. Middendorf in St. Petersburg, und Dr. A. Petermann 
der Gesellschaft ihren besonderen Dank für die Wahl zu Ehren- oder correspon- 
direnden Mitgliedern ausgedrückt haben, und las das folgende an ihn gerichtete 
hierauf bezügliche in einer für die Gesellschaft höchst schmeichelhaften und ihre 
bisherigen Leistungen anerkennenden Weise abgefasste Schreiben des Herrn Dr. 
A. Petermann vor: 

„Euer Wohlgeboren! Gotha, den 18. December 1857. 

Vorgestern erhielt ich das Diplom, durch welches ich zum correspondiren- 
den Mitglied der k. k. geographischen Gesellschaft ernannt werde, und ich beeil: 
mich, Eurer Wohlgeboren meinen Dank für die gütige Zusendung desselben aus 
zudrücken. — Zugleich ersuche ich Sie, der k. k. geographischen Gesellscha 
gefälligst mitzutheilen, wie sehr ich die für mich so ehrende Auszeichnung ; 
schätzen weiss, die mir durch die Wahl zum eorrespondirenden Mitglied zu The. 
geworden ist, und dass es mir zur ganz besonderen Befriedigung gereicht, künf- 
tig, wenn auch im weiterem Verbande, einem wissenschaftlichen Institute anzu- 
gehören, das trotz der kurzen Zeit seines Bestehens bereits die glänzendsten 
Namen unter denen seiner Mitglieder zählt und die unzweideutigsten Beweise sei- 
ner wissenschaftlichen Bedeutung gegeben hat. 

Das lebhafte Interesse, welches ich vom ersten Tage des Entstehens für 
die k. k. geographische Gesellschaft empfand, glaube ich schon dadurch bewiesen 
zu haben, dass ich in dem von mir redigirten Journale stets über die einzelnen 
Sitzungen derselben berichtete, so lange die Gesellschaft noch kein eigenes wis- 
senschaftliches Organ besass; auch in dem in nächster Zeit auszugebenden 12. 
Heft meiner „Mittheilungen“ wird der nunmehr abgehaltenen ersten Jahresver- 
sammlung derselben Erwähnung gesehehen. Mit dieser letzteren dürfte nun das 
Institut als fest begründet anzusehen sein, indem dasselbe dadurch den Beweis 
lieferte, dass es den älteren dieser Art ebenbürtig zur Seite stehe, und es wird 
mir künftig ein grosses Vergnügen bereiten, auch von meiner Seite etwas dazu 
beitragen zu können, diese nun regelmässig wiederkehrenden Jahresberichte in 
den weitesten Kreisen zu verbreiten, und die Freunde der Wissenschaft zu über- 

3 » 


36 Versammlung am 22, December 1857. 


zeugen, dass die alte, berühmte Hauptstadt des österreichischen Kaiserstaates 
‚ nun auch für die Forschungen auf dem Gebiete der Geographie ein Centralpunet 
geworden sei, wie dieselbe es bereits seit Jahren für so manche andere Zweige 
des Wissens in so ausgezeichneter Weise gewesen ist. 

Genehmigen Euer Wohlgeboren die Versicherung meiner ausgezeichneten 
Hochachtung. Petermann.“ 

Herr Foetterle legte ferner die seit der letzten Versammlung theils als 
Geschenke, theils im Tausche eingegangenen Druckschriften zur Ansicht vor, 
und machte insbesondere auf die Schriften der Handelskammern zu Agram, 
Bergamo, Brünn, Budweis, Chiavenna, Como, Cremona, Fiume, Kronstadt, Lai- 
bach, Leoben, Linz, Lodi, Mailand, Padua, Pavia, Pilsen, Salzburg, Temesvar, 
Treviso, Triest, Udine, Verona, Vieenza und Wien, und der landwirthschaftlichen 
Gesellschaft in Lemberg, des naturforschenden Vereines Lotos in Prag und des 
ungarischen Forst-Vereins in Pressburg aufmerksam, welche sämmtlich einer Ein- 
ladung zur Tauschverbindung folgend, mit grosser Bereitwilligkeit ihre Publica- 
tionen zusandten, 

Aus einem Schreiben des Akademikers Th. v. Middendorf in St. Pe- 
tersburg, theilte Herr Foetterle mit, dass ersterer die Ausarbeitung seines 
Reisewerkes über Sibirien wieder aufgenommen habe und bald zu Ende zu führen 
gedenke. Nebst seinen eigenen Erfahrungen wird es eine allgemeine Uebersicht 
dessen, was bis jetzt von der Geographie, Geognosie, Botanik, Zoologie und Eth- 
nographie Sibiriens bekannt ist, enthalten. Herr von Middendorf theilt ferner 
die Nachricht mit, dass gegenwärtig ein tüchtiger Zoologe, Herr Sewerzow 
in Begleitung des Botanikers Herrn Borozow in den Steppen des oberen Syr 
Darja den Einfluss des Continentalelimas auf die körperlichen Eigenschaften und 
die Lebensweise der verschiedenen Thierarten untersucht, und dass so eben un- 
ter Leitung des bekannten Orientalisten, Herrn von Chanykoff eine Expedition 
nach Persien abgehe, welcher sich nebst jungen Physikern, Geologen und Zoo- 
logen auch Herr Borje als Botaniker anschloss. 

Herr k. k. Sectionsrath Haidinger bittet die Gesellschaft, es rein als eine 
Aeusserung von Wetteifer zu betrachten, wenn er den eben erschienenen vierten 
Band von Humboldt’s Kosmos, dessen Inhalt er doch nur aus einer bescheide- 
nen Entfernung und mit wahrer Ehrfurcht und Weihe betrachten darf, vorlegt. 
Die erste Sitzung unserer Gesellschaft sollte aber doch nicht vorübergehen, ohne 
dass dies geschehen wäre, wenn auch nur Einem der Mitglieder ein Exemplar 
zur Hand gekommen wäre. Ein solches Werk in den wenigen Stunden durchzu- 
studiren, ist freilich unmöglich, aber es gelingt leicht, Dank der klaren Ausein- 
andersetzung des grossen Verfassers, jene Uebersicht über den Zweck und Inhalt 
des Bandes zu gewinnen, welche in der spätern genauern Betrachtung zur Richt- 
schnur diene. Während der dritte Band die uranologische oder siderische Natur 
betrachtet, ist dieser der tellurischen Natur unserer Erde gewidmet. Beide bil- 
den gemeinschaftlich die Erweiterung und mit wahrhaft wunderbarer Sorgfalt ge- 
gebene Ausführung des allgemeinen Naturgemäldes im ersten Bande des Kosmos. 
Wir erhalten hier in einem ersten Abschnitte die bisherigen Ergebnisse der For- 
schungen über Grösse, Gestalt, Dichte, innere Wärme, magnetische Thätigkeit 
der Erde, letzteres nach Geschichte der Erscheinungen der Intensität, Inclination, 
Deelination und des Polarlichtes. Ein zweiter Abschnitt gibt das Bild der Reaetion 
des Innern der Erde gegen die Oberfläche, in der dynamischen Wirkung der Erd- 
beben, der erhöhten Temperatur und aufgelösten Stoffe in den Thermalquellen, 
den Ausbrüchen gasartiger und liquider Stoffe, zum Theil mit Selbstentzündung, 
die Dampf- und Gasquellen, Salsen undSchlammyulkane, die Naphtafeuer, endlich 


W. Haidinger. 37 


„die grossartigen und mächtigen Wirkungen der eigentlichen Vulkane, welche 
(bei permanenter Verbindung durch Spalten und Krater mit dem Luftkreise) aus 
dem tiefsten Innern geschmolzene Erden, theils nur als glühende Schlacken aus- 
stossen, theils gleichzeitig wechselnden Prozessen kıystallinischer Gesteinsbildung 
unterworfen, in langen schmalen Strömen ergiessen.“ 

Alles dies ist mit der unseren Humboldt so ganz bezeichnenden Genauig- 
keit und höchsten Gewissenhaftigkeit für Alles, was er nur immer fremdem Ver- 
dienste zuschreiben, es ehren und zur Anerkennung bringen konnte, mit jenem 
Wohlwollen, das uns erhebt, und, wie Humboldt selbst sich über das „Bild 
des Unermesslichen“ ausdrückt, wie in dem Eindruck alles geistig Grossen und 
moralisch Erhabenen, nicht ohne Rührung ist.“ Hier werden die wichtigsten Vul- 
kane nach ihrer Weltlage vorgeführt und näher bezeichnet. Ihre Zahl auf der 
Erde beträgt 407, nach den Angaben der reisenden Geographen und Geologen von 
Humboldt als Resultat langer mühevoller Arbeit zusammengestellt, von welchen 
225 sich in der neueren Zeit noch als entzündet gezeigt haben. Darunter liegen 
70 auf den Continenten, 155 auf der Inselwelt. Von den ersteren 70 hat America 
53, Asien 15, Europa 1, Afriea 1—2. Die grösste Anzahl Inselvulkane kommt 
auf die Sunda-Inseln und Molukken und die Aleuten und Curilen. Auf den Aleuten 
sind in neuester historischer Zeit vielleicht mehr thätige Vulkane enthalten, als 
im ganzen Continente von Südamerica. Der vulkanenreichste Streifen auf dem 
Erdkörper zieht sich zwischen 75° westlicher und 125° östlicher Länge von Pa- 
ris und zwischen 47° südlicher und 86° nördlicher Breite von Südost nach Nord- 
west in dem mehr westlichen Theile der Südsee. Rund um die letztere, als gros- 
sen Meeresgolf betrachtet, und im Innern desselben liegen — und dieses Resultat, 
setzt Humboldt hinzu, ist sehr merkwürdig — von den 225 nicht weniger als 
198 oder nahe an ?/; der noch thätigen Vulkane. Der nördlichste Vulkan ist der 
Esk auf der kleinen Insel Jan Mayen lat. 7001’ long. 9°51 westlich von Paris, der 
südlichste der Mont Erebus von Sir James Ross 1841 auf seiner grossen südli- 
chen Entdeckungsreise 11.633 Pariser Fuss hoch gefunden, etwa 225 Fuss höher 
als der Pick von Teneriffa, in lat. 77033' long. 164038" östlich von Paris. Ein 
ganz eigenthümlicher Abschnitt, zugleich wichtiger Abschluss bisheriger Anga- 
ben, aber noch mehr Grundlage für künftige, langjährige, grosse Arbeiten han- 
delt von der mineralogischen Zusammensetzung der vulkanischen Gesteine der 
bisher bekannten Vulkane, viele von Humboldt selbst gesammelt oder an ihn 
eingesandt, oder sonst von Anderen gesammelt in, der königlichen Mineralien- 
sammlung in Berlin aufbewahrt und von Gustav Rose auf das Genaueste unter- 
sucht, dessen sechs Abtheilungen der Trachyte hier in zahlreichen Vulkanen aller 
Erdtheile nachgewiesen sind. 

Gab der erste Band des Kosmos eine noch geschlossene Uebersicht, welche 
begierig machen musste auf die hier im Körper des Werkes dargestellten Erwei- 
terungen, so reisst immer wieder der Wunsch, genauer in das Einzelne zu sehen, 
den Leser hin zu den zahlreichen Anmerkungen, aus welehen der Wunsch sodann 
wieder den übersichtlichern Standpunet zu erklimmen, zurückführt auf jenen licht- 
vollen Abschnitt. 

In unserer Gesellschaft dürfte heute übrigens eine Betrachtung nicht ganz 
am unrechten Orte sein, nämlich die, dass doch nur überall jene grossen Zusam- 
menstellungen und Mittheilungen allen Freunden der Erdkunde „zugänglich“ sind, 
welche der erhabene Verfasser des „Kosmos“ in wohlwollendster Theilnahme in 
seinen „Erinnerungen u. s. w.“ in acht enggeschriebenen Folioseiten für die k. k. 
Fregatte „Novara“ niederlegte. Abschriften, auf die wir hoflten, sind nicht zu 
uns gelangt, kaum dürften wir nun wohl die „Erinnerungen“ vor der Herausgabe 


38 Versammlung am 22, December 1857, 


des Hauptberichtes über die Reise nach ihrer Beendigung an das Licht gebracht 
sehen. Freuen wir uns denn, dass dieses grosse Werk gewonnen ist. „Wie soll 
ich nun, schliesst Herr Seetionsrath Haidinger seine Mittheilung, nachdem ich 
Vorstehendes für die Sitzung vorbereitet, meine dankbarsten Gefühle für den 
grossen Meister schildern, als ich vor wenigen Stunden ein Exemplar des Bandes 
von ihm selbst mir als Geschenk gesandt erhielt, nebst einem jener anregenden 
zugleich und wohlwollenden Schreiben, die allen seinen Freunden und Verehrern 
für immer unvergesslich sind. Unser Humboldt hat mich in demselben dazu 
ausersehen, der k. k. geographischen Gesellschaft „den Ausdruck seiner dank- 
baren Verehrung darzubringen,“ aus Veranlassung des von derselben erhaltenen 
Diploms, das noch mit meiner Unterschrift als damaligen Präsidenten versehen war. 
Auch an unsern hochverehrten Seeretär, Bergrath Foetterle, sind „hochach- 
tungsvollste Grüsse“ beigefügt. „Was ich bisher von dem ersten Jahrgange der 
Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft habe lesen können (Heft 2), 
ist von grösstem Interesse. Den sehr fleissigen Aufsatz S. 146 habe ich nicht 
benützen können, aber S. 412 und 585—587 des Ihnen zuletzt überschiekten 
4. Bandes des Kosmos habe ich mich selbst viel mit Amsterdam und St. Paul be- 
schäftigt. Recht angenehm und lebendig geschildert sind auch Herrn Dr. von 
Ruthner's Wanderungen.“ Ueber die geognostische Abtheilung des Kosmos 
selbst heisst es: „Es ist keine Gebirgsart genannt, über die ich nicht mehrfach 
den Rath unseres theuern gemeinschaftlichen Freundes Gustav Rose eingeholt. 
Es gibt Stücke, über die wir seit 12 Jahren eorrespondirt haben. Der Magnetis- 
mus ist wohl nicht in grösserer Vollständigkeit behandelt worden, wie die so sehr 
bisher vernachlässigte Mannigfaltigkeit der Gestaltung, mit welcher vulcanische 
Gebirgsmassen, mit und ohne Gerüsten, in Spalten und Netzen, die sich wieder 
geschlossen oder in Kegel- und Gloekenbergen wie Laven (fliessend oder in zu- 
sammenhängenden Blöcken ausgestossen) an die Oberfläche kamen. Diese mor- 
phologischen , geotektonischen Verschiedenheiten dürfen nieht vernachlässigt 
werden.“ Und „viele Grüsse an den vortrefflieben Statistiker Baron von Reden, 
meinen vieljährigen Freund.“ Leider kommen diese letztern herzliehen Worte 
für den Verewigten zu spät, den wir Alle verloren. Aber indem ich unseres Hum- 
boldt Worten meine eigenen anschliessen konnte, zeigt es sich, dass ich zeit- 
gemässes in der heutigen Vorlage unternahm , wenn ich auch hätte wünschen 
können, besser vorbereitet gewesen zu sein. 

Von dem Herrn Commodore v. Wüllerstorf, erhielt Herr Seetionsrath 
Haidinger ein Schreiben, von der geschützten Simonsbay am Cap der gu- 
ten Hoffnung vom 15. October datirt, woselbst sie am 2. October vor Anker ge- 
gangen waren. Allesbefand sich in bestem Gesundheitszustande, die Naturforscher 
sammt und sonders auf dem Lande zerstreut und mit Sammeln und Untersuchen 
beschäftigt. Reinlichkeit, Ordnung, reger wissenschaftlicher Eifer und Thätigkeit 

nd Hauptzeichen der jugendlichen Kraft und fortschreitender Ausbildung der 
Uapenser. Die Offieiere und Naturforscher der k. k. Fregatte „Novara“ wurden 
auf das Wohlwollendste aufgenommen, so von dem Gouverneur Sir Georg Grey, 
dem Astronomen Maelear u. s. w. An erstern waren unsere Naturforscher unter 
andern auch von Sir Roderiek Murchison empfohlen, an letztern von Admiral 
W.K. Smyth, dessen Sohn Piazzi Smyth, gegenwärtig königlicher Astronom 
in Edinburgh, mehrere Jahre dort zugebracht hatte. Herr von Wüllerstorf 
rühmt namentlich den Meridiankreis, eines der vollkommensten Instrumente, das 
man irgendwo sehen kann, und das der grössten Sternwarte Europas zur wahren 
wissenschaftlichen Zierde gereichen würde. Als ganz eigenthümlich erwähnt Herr 
von Wüllerstorf, dass er fünf junge Kaflern, die sich freiwillig gemeldet hat- 


W, Haidinger. 39 


ten, .als Ergänzung in die Schiflsmannschaft aufgenommen habe. Sie waren ihm 
aus den Gefangenen der letztern Kriege bereitwillig überlassen worden. Ueber 
die Richtung der Fahrt von Rio de Janerio nach dem Cap enthält das Schreiben 
folgende Stelle. „Wir beschrieben nahezu einen Bogen eines grössten Kreises 
von Rio nach dem Cap. Ich wählte diesen Weg einerseits, weil derselbe der 
kürzeste ist, anderseits weil die hier zwischen den Südostpassaten und den west- 
lichen Winden eintretenden Windweehsel für die Geographie und Physik des 
Meeres von grösster Bedeutung sein müssen, und mit Rücksicht auf die Theorie 
der Winde zu namhaften Resultaten führen dürften. In der That ergaben sich 
solche Erscheinungen, dass ich es für wiehtig halte, deren in einer eigenen Aus- 
arbeitung zu erwähnen, die indess vielleicht erst von Madras abgesendet werden 
wird. Nach 25 Tagen hatten wir bei 3200 Seemeilen zurückgelegt und waren 
schon auf 14 Meilen von der Capstadt, als das Glück uns verliess, und ein Sturm 
in aller Form und Regel uns 200 Seemeilen von der Küste gegen Süden trieb. 
Der Wind war eyelonenartig, und wenn auch noch weit entfernt so furchtbare 
Erscheinungen zu bieten, als es die Orcane der westindischen oder ostindischen 
und ehinesischen Gewässer in der Nähe des Mittelpunetes der Cyelonenscheibe 
vermögen, gab derselbe uns doch Gelegenheit die von Reid, Redfield, Pid- 
dington u. a, aufgestellten Grundsätze in praktiseher Weise anwenden zu kön- 
nen.“ Herr Dr. Hochstetter hatte die Höhe der Wellenberge, am 28: Sep- 
tember Abends annähernd auf 30 Fuss gemessen, übereinstimmend mit den Er- 
fahrungen von Wilkes und Seoresby. Herr Commodore von Wüllerstorf 
kommt ferner auch wieder auf die wünschenswerthe Vorbereitung eines „Novara- 
Museums“ zu sprechen. Vorläufig ist unter diesem Namen Herrn Dr. Hochstet- 
ter's Sammlung von Gibraltar in der k. k. geologischen Reichsanstalt aufbewahrt, 
fernere Sendungen sind aber noch nicht eingetroffen. 

Herr k. k. Sectionsrath W, Haidinger legte zur Ansicht dasschöne Werk 
vor: Arctic Explorations the second Grinnell Expedition etc. von Dr.Elisha Kent 
Kane, von der Marine der Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit folgenden 
Bemerkungen: „Dieses Werk wurde von unserem hochverehrten eorrespondiren- 
den Mitgliede, dem Herrn k, k. Viceconsul E. L. Angelrodt in St. Louis, Mis- 
souri, als Geschenk an die k. k. geologische Reichsanstalt eingesendet. Es be- 
rührt noch mehr als die Interessen derselben diejenigen unserer Gesellschaft, 
und gerade um soleher Werke willen, war es längst ein Wunsch eine geogra- 
phische Gesellschaft in Wien zu besitzen, der im Laufe der zwei verflossenen 
Jahre so umfassend erfüllt worden ist. Es ist gewiss die Zeit nicht fern, wo 
auch in deutscher Uebersetzung, ja in allen Sprachen eivilisirter Völker dieses 
Werk eine Bereicherung der Literatur sein wird, wie jetzt in der ursprünglichen 
englischen Sprache, mit allem Einflusse durch wissenschaftliches Ergebniss, und 
für Anregung der Geister und Bewunderung der Männer, die unter so nachthei- 
ligen Verhältnissen ihre schweren Pflichten erfüllen, namentlich der Befehlshaber, 
der leider seitdem in seinem fünfunddreissigsten Jahre in der Havanna seinen 
Tod fand. Aber in einer geographischen Gesellschaft hat das erste Exemplar des 
Werkes, welches in den Kreis der Kenntniss seiner Mitglieder kommt, gewiss 
den lautesten Anspruch auf theilnehmende Vorlage. Sein Inhalt besteht in einer 
einfachen Erzählung aller Ereignisse, welehe mit dieser zweiten nordamerikani- 
schen Forschungsreise, um das Schicksal der Expedition unter Sir John Frank- 
lin zu erkunden, verbunden sind. Schon die erste unter den Befehlen von De 
Haven, hatte Kane als Schiffsarzt begleitet. Er erhielt den Befehl dieser zwei- 
ten, auf der von Herrn Grinnell, Vieepräsidenten der geographischen Gesell- 
schaft in Neu-York, der Unternehmung gewidmeten Brig „Advance“, Auch die 


40 Versammlung am 22, December 1857, 


erste Expedition verdankte dasselbe Schiff den grössten Theil der Ausrüstung 
‚ Herrn Grinnell, daher der Name Grinnell-Expedition. Bei dieser zweiten, be- 

theiligte sich auch Herr Peabody bei der Ausrüstung, sowie die geographische 
Gesellschaft in Neu-York, die Smithsonian Institution, die American Philosophi- 
cal Society in Philadelphia und andere Freunde der Wissenschaft. 

In Begleitung von 17 Mann, darunter H. Brooks und W. Morton, welche 
schon an der ersten Reise theilgenommen, verliess Dr. Kane Neu-York am 30. 
Mai 1853. Er beabsichtigte durch die Smitts-Strasse so gerade wie möglich ge- 
gen den Pol zu dringen, der Westküste von Grönland entlang, und mit Zuhilf- 
nahme von Landreisen, um die Schwierigkeiten der südlichen und Aequatorial- 
strömungen der hohen See zu vermeiden, welche Parry in seinem Versuchenach 
dem Pol von Spitzbergen aus vorzudringen, entgegen waren. Auch lies sich dort 
animalische Nahrung erwarten, so wie die Beihilfe anwohnender Eskimos. Am 1. 
Juli wurde Fiskernäs erreicht, dort ein 19jähriger Eskimo Hans Christian, als 
Jäger geworben, in Upernavik ein Dolmetsch Karl Petersen, dann ging es um 
Cap Alexander herum und nördlich, dannöstlich um dasLand, immer in wachsen- 
der Gefahr, zwischen Eisbergen und Packeis gedrängt, das Schiff zertrümmert zu 
sehen, bis es endlich von denselben umgeben, gehoben und festgestellt wurde. 
Man konnte nun nur noch suchen es in eine etwas gesichertere Lage zu bringen, 
was auch in der nach dem Schiffe genannten „Advanee-Bay“ gelang. Recognos- 
eirungen folgten, Expeditionen, um für dieim nächsten Jahre bevorstehenden Haupt- 
untersuchungs-Fahr ten nach dem Nord Vorräthe in Verstecken (Caches) zu hinter- 
legen, deren letztes unter dem 79° 12' Breite angelegt wurde, der Bau des 
magnetischen Observatoriums, die Vorbereitung für die lange Nacht, die am 24. 
October unter dem 78° 37° Breite beginnt, bei einer Kälte die sehr häufig bis zu 

99° Fahrenheit unter dem Gefrierpunete des Wassers (44° R.) herabsank. Am 
23. Februar erschien die Sonne wieder, am 8. April machte Dr. Kane die Be- 
kanntschaft einer Wandereolonie von Eskimos, dann gingen die Anstrengungen 
wieder auf das Vorrücken gegen den Norden. Nur einem der Americaner, Mor- 
ton, unddemEskimoHans war es erstmit einemHundeschlitten, dann zu Fuss ge- 
lungen, dem grossen Humboldt-Gletscher vorüber bis zu Cap Constitution in 
Washington-Land unter 819 22" vorzudringen, von wo aus noch die Lage des 
Mount Edward Parryin Grinnell-Land, durch den Kemmdy-Chanel getrennt, un- 
ter 82° 30 annähernd bestimmt wurde. Aber hier zeigte sich das grosse über- 
raschende Schauspiel, um dessentwillen die Kane'sche Polarfahrt ewig denk- 
würdig bleiben wird. Von Süden beginnend, hat das animalische Leben fort und 
fort augenommen, hier 600 englische Meilen weiter nördlich sah man offenes 
Meer, Robben, Bären, Enten und Gänse, Landgeflügel wurden sichtbar, zum Theil 
in grossen Schaaren; noch weiter nördlich fand sich mehr Seegeflügel ein, wie 
Möven, Sturmyögel. Und über die offene Wasserfläche brachten gewaltige Luft- 
Strömungen wohl feuchten Nebel, aber keine Spur schwimmenden Eises. Es war 
hier am 26. Juni 1854 der nördlichste Punet der Reise erreicht. Man gewann 
wieder die Brig. Aber es war weder möglich sie aus dem Eise zu bringen, noch 
auf andere Art den Rückweg einzuschlagen, Wohl hatten die Leiden durch Frost, 
Hunger, Sceorbut, einen hohen Grad erreicht, zwei aus der Mannschaft wurdenin 
Eis und Stein beigesetzt. DieHunde waren zum grössten Theil einem Starrkrampf 
schon im ersten Winter erlegen, doch musste nun ein zweiter Winter, eine lange 
Nacht in dem auf den kleinsten Raum beschränkten Schiffe, um nur etwas Brenn- 
holz zu gewinnen zugebracht werden. 

Eine Abtheilung der Mannschaft versuchte es über Land südlich zu dringen. 
Die Lebensmittel wurden getheilt, sie verliessen die Brigam 28. August, wurden 


W. Haidinger. 4 


aber erschöpft und unter Begleitung freundlicher Eskimos am 12. December wie- 
der in das Hauptquartier gebracht. Unter unsäglichen Leiden kam das Frühjahr 
heran, die Eskimos selbst in dem benachbarten Etah hatten mit Hungersnoth ge- 
kämpft und selbst die meisten ihrer Hunde gegessen. Kane musste sich endlich 
entschliessen auf drei Booten, die auf Schlitten gestellt wurden, die Brig am 17. 
Mai zu verlassen. Vielfältig in Lebensgefahr auf den Schlitten und dann in den 
Booten kam die Expedition am 9. August in Upernavik an. Sie wurde von den 
Dänen wohlwollend empfangen, hier und in Godhave, von wo sie endlich auf den 
zwei americanischen Schiffen, der Barke „Release“ und dem Dampfer „Arectie“, 
welche unter Capit. Hartstene derselben zu Hilfe gesandt worden waren, nach 
Neu-York gebracht wurden. Nur ein Boot „Faith“, den Glauben, hatten sie ge- 
rettet (jetztin dem Marinearsenal in Brooklyn aufbewahrt), die Kleidungsstücke 
welche sie trugen, und die Dokumente über ihre Beobachtungen und Erlebnisse. 
Ein grosses Ziel war erreicht. „Werimmer dieses wundervolle Buch liest“, sagt 
Lieutenant Maury „fühlt sich gewiss überzeugt, dass nun der Weg zum Nord- 
pol offen steht, und dass es keine physischen Schwierigkeiten gibt, welche ein un- 
übersteigliches Hinderniss gegen eine durchgreifende und vollständige Erforschung 
bildeten.“ Aber nebst diesem grossen in der Geschichte der Geographie für die 
Nordpolforschungen Epoche machenden Ergebnisse, was ist es denn, das der ein- 
fachen Erzählung vollbrachter wissenschaftlicher Beobachtungen und ausgestan- 
dener Entbehrungen, Gefahren, Leiden und Missgeschicke so hohen Reiz ver- 
leiht? Es ist der wahrhaft christliche Geist des nun in der ersten Blüthe der 
Jahre dahingeschiedenen Führers, in den Namen seiner zwei Boote „Glauben“ 
und „Hoffnung“ bezeichnet, Gefühle die ihn nie verliessen und denen er reich- 
lich die wahre „Liebe“ im Herzen in seinem Wirken hinzufügte. 

Dr. Kane hatte Schwieriges freiwillig und muthig unternommen, er blieb 
seiner Pflicht getreu, klar und vorsorgend, grossmüthig und gewissenhaft, ein 
hohes Beispiel für immer. Sein erster eigentlicher Reisezweck, das Aufsuchen 
von Nachweisungen über das Schicksal der Fran klin’schen Expedition war freilich 
nicht erreicht, aber aus seiner eigenen Erfahrung hat er bewiesen, wie es gewiss 
möglich sei, in jenen hohen Breiten das menschliche Leben zu erhalten, wenn 
man Vieles von den Eskimo-Gewohnheiten annimmt, namentlich die Nahrung von 
rohem Fleisch, die vorzüglich antiseorbutisch wirkt, wenn man mit mehr eivilisir- 
ter Vorsicht und den Schusswaffen von den Jagderträgnissen des Sommers oder 
Tages gefrornen Vorrath für die Nacht — den Winter zurücklegt. 

Aber während wir den kühnen, hingebenden Nordpolfahrer Kane für seine 
grossen Eigenschaften bewundern, so mahnt uns ein naher, erst kürzlich über 
einen hochverehrten Freund und Arbeitsgenossen hereingebrochener Schlag, dass 
man ähnliche grosse Eigenschaften in den von jenen verschiedensten Lebensver- 
hältnissen entwickeln kann. Ein grosser Gedanke war es, früh im Leben gefasst, 
durch mehr als ein Vierteljahrhundert, unter Aufopferungen aller Art durchge- 
führt, wenn auch in unabhängiger gesellschaftlicher Stellung, dem unser zu früh 
dahingeschiedene Freund und Gönner, Freiherr von Reden, mit der ganzen 
Kraftund Beharrlichkeit seines Geistes lebte, und der mitten in seinem angestreng- 
testen Wirken uns entrissen wurde. 

In der Sitzung der königlichen geographischen Gesellschaft in London am 
23. November wurden nach dem vorgelegten Blatte der „Literary Gazette“ vom 
28. November der frühere Präsident der k. k. geographischen Gesellschaft, 
Herr W. Haidinger und Herr Graf Albert dellaMarmora zu Ehrenmitglie- 
dern gewählt. Herr k. k. Seetionsrath Haidinger glaubt dieses für ihn so 
ehrenvolle Ereigniss der hochverehrten Gesellschaft anzeigen zu müssen, haupt- 


49 Versammlung am 5. Jänner 1858. 


sächlich deswegen, weil, während der Graf Albert della Marm ora ein wahrer, sei 
langen Jahren hochverdienter Geograph ist, er selbst nicht auf den Namen eines 
Geographen Anspruch machen könne, jene Auszeichnung also in Wirklichkeit die 
Gesellschaft selbst am näehsten betrefle und die Thatsache der Wahl ein Zeichen 
lauter Befriedigung der „Royal Geographieal Society“ in London sei, dass wir 
nun in Wien und Oesterreich ein gesellschaftliches Organ für Theilnahme an den 
Fortschritten geographischer Kenntniss besitzen. „Während ich jener glanzvollen 
Gesellschaft meinen Dank ausspreche, ist das gleiche meine Pflicht auch in der 
Mitte unserer Gesellschaft darzubringen, auf deren Bestehen sich jene Wahl 
gegründet.“ 

Herr k. k. Hauptmann M. J. Guggenberger gab eine hydrographische 
Skizze über das Wassergebiet des Wienflusses. (Siehe Abhandlungen dieses 
Heftes Nr. II.) 

Herr Th. Kotschy gab eine kurze Uebersicht der bisherigen Kenntniss 
über den weissen Nil, indem er zugleich ein vor Kurzem der Gesellschaft von 
dem Verfasser, Herın F. de Lesseps zugesendetes kurzes „Memoire sur le 
Nil blane et le Soudan“ vorlegte. (Siehe Abhandlungen dieses Heftes Nr. V.) 


Versammlung am 5. Jänner 1858. 


Der Herr Präsident, Se. Durchlaucht H. K. Fürst von Salm-Reiffer- 
scheid führte den Vorsitz, Er eröffnete die Sitzung mit der erfreulichen Mit- 
theilung, dass auch Se. kaiserliehe Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog 
Stephan gnädigst geruht haben, der k. k. geographischen Gesellschaft als 
Ehrenmitglied beizutreten, und las das hierauf bezügliche huldvolle Schreiben 
Sr. kaiserlichen Hoheit an die Gesellschaft vor. 

„An die kais. königl. österreichische geographische Gesellschaft. 

Zu Handen des früheren Präsidenten, Herrn Sectionsrathes Wilhelm Haidinger. 

In Erwiederung der geehrten Zustellung aus Wien vom 31. October 1. J. 
erkläre ich mich mit Vergnügen bereit, der k. k. geographischen Gesellschaft als 
Ehrenmitglied beizutreten — einem Vereine, der in meinem grossen Vaterlande 
so warmen Anklang gefunden — der aus Männern gebildet ist,. die sich der all- 
gemeinsten Achtung und Anerkennung erfreuen. — Ich bin stolz darauf, dass 
Ihre Wahl, meine Herren, auch auf mich gefallen ist, und kann nur den innigen 
Wunsch hegen, dass es mir ermöglicht werde, im Interesse der Gesellschaft wir- 
ken, ein nützliches Glied der grossen Kette werden zu können, die es sich zur 
Aufgabe gestellt hat, die geographischen Interessen der schönen Monarchie zu 
fördern und zu vertreten; es soll mir jederzeit zur Freude gereichen, in solcher 
Weise meine Dankbarkeit zu erkennen zu geben, für die Aufmerksamkeit, die 
Sie mir erweisen. 

Schloss Schaumburg, den 24. December 1857. Erzh. Stephan.“ 

Ueber den Antrag des Herrn Präsidenten sprach die Versammlung durch 
ein allgemeines Erheben von den Sitzen ihren Dank für diese Gnade Sr. kaiser- 
lichen Hoheit dem durchlauehtigsten Herrn Erzherzoge aus. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden von der Versammlung den Statuten 
entsprechend folgende Herren zu ordentlichen Mitgliedern der Gesellschaft ge- 
wählt: Dr. V. Klun, Professor an der Wiener Handels-Akademie; F. Wilkens 
und W. Kukula, Lehrer an der k. k. Realschule in Laibach. 

Der Herr Seeretär Foetterle theilte mit, dass die Herren H. Abich in 
St. Peterburg, Dr. W. Sartorius Freiherr von Waltershausen in Göttingen, 


F. Foetterle, 43 


und A. v. Reguly in Pest der Gesellschaft ihren besonderen Dank für die Wahl 
zu eorrespondirenden Mitgliedern ausgedrückt haben, 

Herr Seeretär Foetterle legte nun die der Gesellschaft zugegangenen 
Druckschriften vor. Die Handels- und Gewerbekammern zu Fiume, Olmütz, Prag, 
Pavia und Rovigo sandten als Tausch ihre bisher veröffentlichten Berichte. Von 
dem zoologisch-botanischen Vereine in Wien erhielt die Gesellschaft die sämmt- 
liehen bisherigen Publieationen, und die königliche Akademie der Wissenschaften 
in München, das I. R. Instituto Lombardo in Mailand u. s. w. sandten die Fort- 
setzung ihrer Druckschriften. Dem correspondirenden Mitgliede, Herrn H. Abich 
in St. Petersburg, verdankt die Gesellschaft die Zusendung seines Werkes: 
„Ueber das Steinsalz und seine geologische Stellung im russischen Armenien,“ 
und dem ordentlichen Mitgliede Herrn K. Fritsch die Uebergabe des 6. Heftes, 
Jahrgang 1855, seiner verdienstvollen phänologischen Beobachtungen aus dem 
Pflanzen- und Thierreiche innerhalb der österreichischen Monarchie. Das ordent- 
liche Mitglied Herr Dr. E.H. v. Costa in Laibach sandte als Geschenk sein sehr 
nett ausgestattetes „Denkbuch der Anwesenheit Allerhöchst Ihrer Maje- 
stäten Franz Joseph und Elisabeth im Herzogthume Krain,“ dessen Rein- 
ertrag er dem historischen Vereine für Krain gewidmet hat, 

Herr Foetterle theilte auch noch folgende ihm von HerrnDr. E.H. v. Costa 
in Laibach eingesandte Notizen mit: „Bereits wiederholt wurde in den Sitzungen 
auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht, welehe in unserem vielsprachigen 
Oesterreich die Schreibung der Ortsnamen verursache, und es wurde aus diesem 
Grunde sowohl die Nothwendigkeit eines umfassenden topographischen Ortslexi- 
kons hervorgehoben, als auch angeführt, was in dieser Riehtung hie und da be- 
reits geschah. Ich erlaube mir nunmehr, die Aufmerksamkeit auf ein kleines 
daher einschlägiges Werkehen zu lenken, das — obgleich bereits 1854 zu Wien 
erschienen, doch nur wenigen bekannt sein dürfte, da es einerseits gar nicht in 
denBuchhandel kam, sondern im Selbstverlage des Verfassers blieb, und anderer- 
seits in einer leider gerade wissenschaftlichen Kreisen unzugänglichen Sprache ge- 
schrieben ist. Der Titel dieses Werkes lautet in wörtlicher deutscher Ueber- 
setzung: „Kurze Beschreibung der slovenischen Lande, und Uebersicht der poli- 
tischen und gerichtlichen Eintheilung des Königreichs Illyrien und des Herzog- 
thums Steyermark, mit einem beigefügten slovenischen und deutschen Namens- 
verzeichnisse der Orte, Märkte, Städte u. s. w. Herausgegeben von P. Kosler 
(dermalen k. k. Notar in Sessana), Wien 1854. XVI und 57 pp. in 8.“ Der Titel 
gibt den Inhalt des Buches genau an. Es genügen daher einige Bemerkungen. 
Die topographische Skizze der von Slovenen bewohnten Lande Krain, Kärnthen, 
Steiermark, Küstenland und Theile Italiens und Ungarns ist zwar ganz kurz, aber 
dennoch gediegen, charakteristisch und prägnant. Eine Kupfertafel stellt die 
Wappenschilde der einzelnen Landestheile dar. Eine zum Büchlein gehörige 
Landkarte der slovenischen Lande ist vortrefflich gezeichnet und gestochen. Hier 
aber interessirt uns vor Allem das „Verzeichniss der Ortsbenennungen.“ Dieses 
ist nämlich derart eingerichtet, dass es auch denjenigen, die der slovenischen 
Sprache nicht mächtig sind, zur Benützung zugänglich ist. Es enthält nämlich 
in alphabetischer Reihenfolge ungetrennt sowohl die slovenischen, als auch die 
deutschen Ortsnamen, immer unter Beifügung der zweiten Namen. So findet sich 
2. B. die Stadt „Laibach“ sowohl unter diesem Schlagworte, als auch unter ihren 
beiden slovenischen Namen „Ljubljana“ und „Iblana,“ und es ist dem Worte Lai- 
bach die doppelte slovenische Bezeichnung, dieser letztern aber der deutsche 
Name beigefügt. Bei jedem Ortsnamen findet sich ferner angegeben, in welchem 
Kronlande der betreffende Ort liege. Ist sonach diese äussere Einriehtung höchst 


44 Versammlung am 5. Jänner 1858. 


praktisch, so verdient andererseits der Verfasser auch in Bezug auf den Inhalt 
alles Lob. Die Schreibung der Namen ist höchst eorreet, das Verzeichniss aber 
möglichst — ja, man kann sagen ganz vollständig. Es enthält beiläufig 5000 Na- 
men. Das ganze Werk aber sammt der dazu gehörigen Karte ist nicht nur ein 
ehrenyolles Zeugniss für die Gelehrsamkeit und den aufopfernden Fleiss des Ver- 
fassers, sondern verdient auch allseitig benützt zu werden, da es dann dazu dient, 
auch unter Deutschen die richtige Schreibung und das Verständniss slovenischer 
Namen zu befördern,“ 

Gleichzeitig erlaube ich mir noch, über einen anderen Gegenstand zu be- 
richten. Der historische Verein für Krain, der auch topo- und geogra- 
phische Untersuchungen in den Kreis seiner Aufgabe stellt, hält monatliche Ver- 
sammlungen, bei welchen wissenschaftliche Vorträge aus dem Gebiete der Ge- 
schichte und Topographie gehalten werden. So verlas Herr Professor Metelko 
bei der XVII. Monatsversammlung am 5. November v. J. eine höchst interessante 
historisch-topographische Skizze von Strug (zwischen Reifnitz und Seissenberg 
in Krain), welche Herr Pfarrer Namre eingeschickt hatte und die im December- 
hefte der Vereinsmittheilungen abgedruckt wurde. Bei der nämlichen Versamm- 
lung begann auch und setzte bei der XIX. Versammlung am 3. December fort das 
Vereinsmitglied Herr Wilhelm Urban eine Reihe von Vorträgen, deren Zweck 
dahin geht, in einer kritischen Umschau Bericht zu geben, was auf dem Gebiete 
der Geo- und Topographie Krains seit dem Anfange des XVII. Jahrhunderts bis 
in die Gegenwart in der Literatur geleistet wurde. Diese Rundschau ist äusserst 
werthvoll und vom Verfasser mit viel Umsicht und kritischem Verständniss zusam- 
mengestellt. Sie wird im Jahrgange 1858 unserer Mittheilungen abgedruckt wer- 
den und wird sicherlich nicht bloss künftigen Bearbeitern der TopographieKrains, 
sondern auch Allen, die die Gesammtverhältnisse Oesterreichs in's Auge fassen, 
die erspriesslichsten Dienste leisten. * 

Das ordentliche Mitglied Herr H. v. Littrow, k. k. Fregatten-Capitän, 
sandte mehrere Karten und zwar 1. Einen mit Höhenschichten und verschiedenen 
Farbentönen in Farbendruck von dem k. k. militärisch-geographischen Institute 
ausgeführten Plan der Bai von Topla. — 2. Zwei plastische Darstellungen des 
Meeresgrundes „Porto nuovo bei Aneona und Bucht von Antivari (Albanien)“ nebst 
den hiezu gezeichneten Schichtenplänen in Farben. — 3. Einen Lothungsplan 
von Ancona mit den Sondirungen in Ziffern nach der alten Methode. — 4. Den- 
selben Plan in Tiefschiehten und Farbentönen; nebst einer Erläuterung dieser 
Gegenstände. Herr v. Littrow bemerkte in einem dieses schöne Geschenk be- 
gleitenden Schreiben, dass er im Jahre 1854, wo ihm der ehrenvolle Auftrag zu 
Theil wurde, einen Theil der Küste von Dalmatien in den Karten der k. k. Marine 
zu rectifieiren und neuzulothen, überall die Methode der Darstellung in Höhen- 
(oder besser Tief-) Schichten mit entsprechenden Farbentönen mit Vortheil anwen- 
dete, und den 16 Miglien langen Canal von Cattaro, die Häfen vonBudna und Fraste, 
Ragusa, Ragusa vecchia, Valle diBreno, Gravosa, Malfi, Calamotta, Canal von Curzola 
(zwischen Curzola und Sabioncello), Hafen von Curzola (Porto Pedocchio), Rosa- 
rio, Lesina (Hafen und Canal), Lissa, Citta veechia (auf Lesina), Porto Ragosnizza, 
Hafen von Sebenieeo sammt Canal, Rhede von Vodizze, Hafen von Zara, und jenen 
von Ancona, Pesaro und Porto nuovo von Ancona, nebst derBay von Antivari, ge- 
lothet, wo es nöthig war, neu aufgenommen und den Meeresgrund in Schichten 
bezeichnet, für das Archiv des hydrographischen Institutes der k. k.  BriegsniEruE 
ausgearbeitet habe. 

Die im Frühjahre 1858 fortzusetzende Arbeit dürfte Sur: mit Beibehalt 
derselben Methode zu Ende geführt und ein für die Navigation im adriatischen 


F. Foetterle. W. Haidinger. 45 


Meere, besonders aber für die Küstenfahrt höchst nothwendiger Handatlas der 
vorzüglichsten Rheden, Häfen und Passagen dem Piloten - Buche beigegeben 
werden. Dieses Piloten - Buch (Portolano), das vor mehr als 30 Jahren unter 
der Leitung des jetzigen Herrn Obersten von Marieni, als Vorstand der Auf- 
nahmen zur Anfertigung unserer vortrefflichen Seekarten, beinahe ganz eigenhän- 
dig von ihm geschrieben wurde, ist eine so gelungene vollkommene Arbeit, dass 
es wohl schwer, wo nicht unmöglich sein dürfte, etwas Aehnliehes, geschweige 
denn Besseres und Zweekmässigeres zu verfassen, und Jenen, die mit der Reeti- 
fieation unserer Seekarten des adriatischen Meeres beehrt werden sollten, wird 
der gegenwärtig im Gebrauche stehende Portolano des Herrn Obersten Marieni 
immerhin als Urtext dienen müssen, während nur jene Correeturen vorzunehmen 
wären, welche durch die Ergebnisse der Neulothungen und durch Veränderungen 
an der Formation der Küste bedingt werden. Als ein auflallendes Resultat seiner 
bisher vorgenommenen Lothungen im adriatischen Meere, erwähnte Herr von 
Littrow hier nur, dass sich die Tiefen im Meergleichen zu jenen die vor 30 
Jahren gemessen wurden, an der Küste Dalmatiens vergrössert haben, während 
sie an der westlichen Küste (Italiens) geringer gefunden wurden, was deutlich für 
das Vorrücken der Küsten und gegen das Zurücktreten der See spricht. Nähere 
Untersuchungen, wie sie sich bei der zu erwartenden Küstenaufnahme von selbst 
ergeben werden, mögen diese augenscheinliche Thatsache näher beleuchten, für 
die übrigens schon die Topographie der Alten, bezüglich der Lage von Aqui- 
leja, Ravenna, Comaechio und selbst Venedig spricht, in welch letzterer Stadt 
wir Zeitgenossen selbst die untrüglichsten Beweise von dem Vorrücken der 
Küste haben. 

Herr k. k. Seetionsrath Haidinger überreicht durch den Herrn Secretär 
im Namen des Herrn kaiserlich russischen Generalmajors Gregor von Helmer- 
sen, derihm das Werk zu diesem Zwecke übersandte, die von Herrn Dr. Löwe 
übersetzte und von Herrn v. Helmersen in den Beiträgen (von Baer und Hel- 
mersen) zur Kenntniss des russischen Reiches, wo sie den 20. Band ausmacht, 
herausgegebenen „Reise nach der östlichen Kirgisen-Steppe“ des Capitäns im 
Corps der Bergingenieure Wlangali. Sie erschien in russischer Sprache im Jahre 
1853 erst in mehreren aufeinander folgenden Nummern des „Bergjournals“ und 
sodann als selbstständiges Werk, auch war in Erman’s „Archiv für die wissen- 
schaftliche Kunde von Russland“ bereits 1854 ein Theil derselben ins Deutsche 
übersetzt. In dem vorliegenden Bande stellte nun Herr von Helmersen die ur- 
sprünglichen Berichte nebst neueren Mittheilungen zu einem Ganzen zusammen 
und sorgte überdiess für eine sach- und sprachrichtigere Uebersetzung. Die Reise 
selbst war im Auftrage der Ober-Bergbehörde in den Sommermonaten der Jahre 
1849 und 1851 ausgeführt worden, und zwar 1849 die nordöstliche, 1851 die 
südöstliche Steppe der Kirgis-Kaissaken, zu dem Zwecke, um einige Uebersicht 
der nutzbaren Mineralvorkommen der vielen Gebirgszüge zu gewinnen, welche 
diesen ausgedehnten Theil Mittel-Asiens durchziehen. Es ist diess nach einer bei- 
gegebenen, nach den gegenwärtigen Kenntnissen möglichst berichtigten Karte, 
die Gegend unmittelbar südlich von Semipalatinsk und Ustkamenopolsk am Ir- 
tysch, bis nach Kuldsha am Ili, der in den Balchasch-See sich ergiesst, in seinem 
oberen Theile der chinesischen Dzungarei, Thianschan-Pelu der Karten angehörig. 
Sie reicht vom 44° bis zum 50° N.B. und vom 90° bis 103° Oest. L. von Ferro, 
westlich an den Balchasch-, östlich an den Saissan-See anschliessend, den der 
Irtysch durchströmt. Wlangali's Schilderungen sind höchst wichtig und an- 
regend. 


46 Versammlung am 5. Jänner 1858. 


In neuester Zeit ist auch in jenen entfernteren Gegenden manche Unterneh- 
mungslust rege geworden. In einem Nachtrage berichtet Herr von Helmersen 
über ein für den Balchasch-See vorliegendes Dampfschiflfahrts-Privilegium, über 
die Ausdehnung der Goldwäschereien an der ehinesischen Grenze, besonders 
südlich vom See Ala-Kul und zwar durch Chinesen, die mit grossen Entbehrungen 
sich selbst in dieses den Kirgisen zuständige Gebiet wagen. „Es ist eine Leiden- 
schaft für das Suchen und Ausbeuten edler Metalle in die Chinesen gefahren, so 
dass sie bereit sind, sich mit den Kirgisen herumzuschlagen ; nur Eins fürchten wir, 
sagen sie, das ist — die Flinte.“ Es bezieht sich diess nicht nur auf das Gold, 
sondern auch auf Silber werden neuerdings viele Arbeiten unternommen, wie 
diess vorzüglich in dem chinesischen Gebiet der Umgebungen des See's Gsairam 
der Fall ist, der von allen Seiten von Gebirgen mit Silbererzen in Ueberfluss um- 
geben ist, besonders aber in den Bergen Ssun-schu, welche sich am Passe Ku- 
ketom mit den Alatan-Rücken gerade gegenüber den Quellen der Lepssa und des 
Karatal vereinigen. Man schliesst daraus auch auf ähnlichen Reichthum in dem 
kirgisischen Gebiete, wie diess auch dieFundgruben am Tentekssu bestätigen. Süd- 
westlich von Wlangali's Fortsetzungsgebiet liegt die vonSemenow in der neue- 
sten Zeit bereiste Umgebung des See's Issi-kul, die er von Kopalsk aus unternahm. 

Herr k. k. Seetionsrath Haidinger legte die neuesten von der „Novara“ 
eingelaufenen Nachrichten in einem Schreiben des Herrn Dr. Hochstetter an 
ihn vor, begonnen am 11. September, geschlossen am 15. desselben Monats zur 
See, unter 34° s. Breite und 10 w. Länge von Greenwich. Dr. Hochstetter schreibt: 
„Double double toil and trouble, fire burn and cauldron bubble,“ das Wort, das 
Sie auf unsere letzten Tage in Wien anwendeten — es gilt für jede Station, an 
der wir nach langer Seefahrt landen und es ist ein besonderes Glück, welches uns 
bis jetzt begleitete, dass es im thatsächlichsten Sinne nieht auch für unsere See- 
fahrten gilt, denn sonst würde es mit Musse und Zeit für die Berichte in die Hei- 
math sehr schlecht aussehen. So aber findet man sie wenigstens theilweise auf 
hoher See, und wenn die offene See zwischen Amerika und Afrika in der Nähe 
von Tristan d’Aeunha, in dessen Länge, aber um 300 Meilen nördlicher wir uns 
heute befinden, uns auf hohen langen Wogen auch tüchtig schaukelt, so hindert 
mich das doch nieht am Schreiben, zu dem ich in Rio Janeiro leider nieht mehr 
kommen konnte. Meine Nachriehten kommen daher wohl etwas spät, aber nach meiner 
Berechnung gerade recht zum Anfang der Winter-Saison. Könnte ich selbst der 
ersten Sitzuug der geologischen Reiehsanstalt, in der sich die Freunde wieder- 
sehen, um einander die Erlebnisse und Resultate des Sommers mitzutheilen, bei- 
wohnen, so könnte ich Ihnen wohl auch Manches erzählen, nicht, wie sonst, aus 
Böhmen, sondern aus fernen Gegenden, und doch in vieler Beziehung ganz Aehn- 
liches. Die Basalte, Phonolithe, Trachyte und Tuffe auf Madeira haben mich leb- 
haft an das böhmische Mittelgebirge erinnert, und bei Rio de Janeiro war ich 
zwischen Graniten und Granat-führenden Gneissen wieder ganz im Böhmerwalde. 
Das Materiale ganz dasselbe, aber die äussere Form gänzlich verschieden. Sogar 
Gneiss und Granit, nicht blos Thiere und Pflanzen, nehmen unter den Tropen 
tropische Formen an; doch darüber später; zuerst ist es meine Pflicht, Ihnen 
über die Ausführung der verschiedenen Aufträge, welche Sie mir für Rio Janeiro 
gegeben haben, zu berichten. 

Schon den zweiten Tag nach unserer Ankunft inRio hatte ich die Ehre, durch 
Dr. Schüch de Capanema, der vor mehreren Jahren in Wien am polytech- 
nischen Institute studirte, jetzt Besitzer einer Papierfabrik in der Sierra d’Estrella 
und Professor der Geologie und Mineralogie an der kaiserlichen Militär-Akademie 
zu Rio ist, in eine Abend-Versammlung des kaiserlichen historisch-geographischen 


W. Haidinger. Dr, Hochstetter, 47 


Institutes eingeführt und daselbst dem KaiserD om Pedro II. vorgestellt zu werden. 
Se. Majestät ist Proteetor dieses wissenschaftlichen Institutes, das gewissermassen 
die Akademie der Wissenschaften in Rio ist, und führt bei den Sitzungen, die 
alle 14 Tage Freitag Abends von 6—8 Uhr stattfinden, persönlich den Vorsitz. 
Nachdem die Mitglieder des Institutes den Kaiser beim Eintritt in den Sitzungs- 
saal nach üblicher Sitte durch Handkuss begrüsst hatten, wurde ich vorgestellt 
und sprach dem Kaiser genügend aus, dass ich den Gruss der k. k. geologischen 
Reichsanstalt und der k. k, geographischen Gesellschaft in Wien an das k. histo- 
risch-geographische Institut überbringe, und dass es der Wunsch dieser Gesell- 
schaften sei, mit dem Institute in bleibende wissenschaftliche Verbindung und re- 
gelmässigen Schriftenaustausch zu treten, worauf Se. Majestät erwiederte, dass 
auch Er das sehr wünsche, eine solche Verbindung könne nur von Vortheil für 
die Wissenschaft in Brasilien sein. Während der Sitzung selbst übergab ich so- 
dann im Verlauf der Tagesordnung Ihr Schreiben an den Präsidenten des Institu- 
tes, Viseonte de Sapucahy, der es verlas. Es ergab sich, dass die früheren Bü- 
chersendungen von Seiten der k. k. geologischen Reichsanstalt nicht vollständig 
angekommen waren, es fanden sich in der Bibliothek des Institutes nur einige Hefte 
unseres Jahrbuches vor. Daher bot ich alsbald ein vollständiges Exemplar sämmt- 
licher Publieationen der geologischen Reichsanstalt so wie die Publieationen der 
Freunde der Naturwissenschaften an, die mit grossem Danke angenommen wurden 
und die ich dann in einer späteren Sitzung vorlegte. Aehnliches Missgeschick, wie 
über der ersten Sendung von Seiten der geologischenReichsanstalt muss aber auch 
über der Gegensendung von Seiten des historisch-geographischen Institutes an 
die geologische Reichsanstalt geschwebt haben, da in Wien nichts ankam. Der 
Kaiser sagte in portugiesischer Sprache und liess mir durch Dr. v. Capanema 
verdolmetschen, dass ihm unerklärlich sei, wie weder die eine noch die andere 
Sendung den Ort ihrer Bestimmung erreicht habe, und ordnete huldvollst die Ab- 
sendung eines zweiten Exemplares der Druckschriften des historisch-geographi- 
schen Institutes an die k. k. geologische Reichsanstalt an. 

In einer späteren Sitzung des historisch-geographischen Institutes am 21. 
August, in welcher die Naturforscher der „Novara“, Dr. Scherzer, Frauen- 
feld, Zelebor und ich in corpore erschienen und dem Kaiser vorgestellt wurden, 
waren auch bereits drei vollständige Exemplare der Revista trimensal de Insti- 
tuto historico e geographico do Brazil, die dreimonatlichen Lieferungen vom 
Jahre 1841 bis 1856 umfassend, vorbereitet, und wurden uns noch vor der Ab- 
reise der „Novara“ durch den Vicepräsidenten des Institutes Manoel Ferreira 
Lagos übergeben. Zwei der Exemplare werden vom Cap der guten Hoffnung aus 
abgeschickt werden, das eine für die kais. kön. geologischeReichsanstalt, das andere 
für die kaiserliche Akademie der Wissenschaften bestimmt. Das dritte wird 
Dr. Scherzer, wie er mir sagte, von Madras aus an die kais. kön. geo- 
graphische Gesellschaft einsenden. Se. Majestät der Kaiser unterhielt sich 
nach der Sitzung mit jedem Einzelnen von uns auf's Freundlichste und 
Herablassendste, erkundigte sich über die wissenschaftlichen Resultate der Aus- 
flüge, welche wir in der Umgegend gemacht, und gab, indem Er jeden Ein- 
zelnen in seinem Fach auf interessante Punkte aufmerksam machte, den hohen Grad 
naturwissenschaftlicher Bildung und das warme Interesse für die Wissenschaft zu 
erkennen, durch die sich Se. Majestät so sehr anszeichnet. Vor der Abreise aber 
wurden wir noch durch ein sehr interessantes huldvolles Geschenk überrascht, 
indem uns der Kaiser je ein Exemplar der von ihm selbst veranstalteten Pracht- 
Ausgabe des neuesten, in Brasilien sehr hochgehaltenen Heldengedichtes a Con- 


48 Versammlung am 5. Jänner 1858, 


federagao des Tomayos por Domingos Jose Goncalves de' Magelhües über- 
geben liess.“ 

Ueber die neue grossartige Durchforschungs-Expedition des brasilianischen 
Kaiserreichs berichtet Herr Dr.Hochstetter, was er inRio zum Theil von meh- 
reren Mitgliedern derselben in Erfahrung brachte. 

„Das Unternehmen ist einer Commission anvertraut, die den Namen führt: 
„Kaiserliche wissenschaftliche Commission zur Durchforschnng des Innern einiger 
Provinzen von Brasilien“ und besteht aus 5 Sectionen: 

1. Botanische Section: Dr. Franeiseo Freire-Allemao, zugleich Prä- 
sident der Commission; Adjunet: Dr. Manoel Freire-Allemao. 

2. Geologische und mineralogische Section: Dr. Professor Guilherme 
Schüch de Capanema; Adjunet: Miguel Antonio da Silva. 

3. Zoologische Section: Dr, Manuel Ferreira Lagos; Präparatoren : 
Joao und Lucas Villareal mit zwei Gehilfen. 

4. Astronomisch - geographisch - physische Seetion: Professor Giacomo 
Raja Gabaglia, mit drei Marine- und fünf Genieoflizieren als Adjuncten. 

5. Ethnographische Section: Dr. Antonio Gongalves Dias, der Dichter, 
zugleich mit der Reisebeschreibung beauftragt. 

Professor Jose dos Reis Carvalho wird die Expedition als Maler und 
Photograph begleiten. 

Das historisch-geographische Institut hat bereits Instruetionen für diese 
Commission ausgearbeitet, die von der Regierung genehmigt wurden, Instruetio- 
nen, welche weniger wissenschaftliche Vorschriften enthalten, als vielmehr nur 
die allgemeinen für den praktischen Nutzen des Landes wichtigen Gesichtspunete 
hervorheben. 

Die astronomisch-geographische Section ist besonders stark bedacht , weil 
es in Brasilien an guten astronomischen Ortsbestimmungen noch gänzlich mangelte, 
Vermessungen, wo solche stattfanden, wurden bisher und auch jetzt noch nur mit 
der Boussole ausgeführt. Die Aufgabe der Commission ist es, durch Ziehung 
eines trigonometrischen Netzes eine Grundlage für spätere Catastral-Vermessun- 
gen zu gewinnen. 

Die Expedition soll auf das Grossartigste ausgerüstet werden; schon jetzt 
beläuft sich der Kostenaufwand für in Europa angekaufte und bestellte Apparate 
und Instrumente auf sehr hohe Summen. Vieles haben wir selbst schon reisefertig 
verpackt gesehen, Eben so grossartig sollen die Mittel sein, welche der Commis- 
sion während der Dauer der Expedition selbst zu Gebote stehen. Capanema 
sprach von 200,000 fl. jährlich. 

Die Commission soll im Mai 1858 ihre Arbeiten in der Provinz Ceara begin- 
nen und dieselbe auf die Grenzprovinzen Rio Grande do Norte, Parahyba, Pernam- 
bueo, Piauhy und Maranhao ausdehnen. Diese Arbeiten werden jedoch nur als 
provisorische Vorarbeiten betrachtet, um nach den dabei gesammelten Erfahrun- 
gen dann nach einem grösseren Plane definitive Arbeiten vorzunehmen, die sich 
nach und nach über den ganzen grossen Kaiserstaat ausdehnen sollen. Das Unter- 
nehmen wird als ein nationales betrachtet und behandelt, und Ausländer scheinen 
vor der Hand prineipiell ausgeschlossen zu sein, 

Da ich nun schon einmal bei den Symptomen eines wissenschaftlichen Le- 
bens bin, welches sich in Brasilien unter der väterlichen Aegide des Kaisers 
selbst zu entwiekeln beginnt, so muss ich auch noch die Palestra scientifica 
erwähnen, den neuesten, erst seit 1856 bestehenden naturhistorischen Verein zu 
Rio, zu dessen eorrespondirenden Mitgliedern der Commodore B. von Wüllers- 
torf und die Naturforscher der „Novara,“ als sie in corpore der Sitzung am 


Dr, Hochstetter, 49 


21. August im Saale der k, k. Militär-Akademie beiwohnten, ernannt wurden. Es 
war ein hübscher Zufall, dass gerade in dieser Sitzung das eben erschienene 
erste Heft der Publieationen dieses Vereins, unter dem Titel: Revista Brasiliera, 
Journal de sciencias lettras e artes dirigido por Candido Baptista Oliviera vor- 
gelegt wurde und gleich an die neuen eorrespondirenden Mitglieder vertheilt 
werden konnte, 

Noch erwähne ich, dass ähnlich, wie in Wien in der „Wiener Zeitung,“ so 
in Rio in dem officiellen „Jornal do Commereio“ die Sitzungsberichte des Institu- 
tes, wie der Palestra veröffentlicht werden. 

Sie sehen aus diesen Mittheilungen, dass in Brasiliens Kaiserstadt sich wis- 
senschaftliches Leben und Treiben unter ganz ähnlichen Formen zu entwickeln 
beginnt, wie in Europa schon seit langer Zeit. Dass dabei Manches bis jetzt 
blosse Form ist, in die ein gehaltvoller Inhalt erst hineinwachsen, sich hineinleben 
muss, lässt sich nicht läugnen, Aber das ist bei aller beginnenden Entwicklung, 
wo die Form, unter der die Blüthe sich entfalten muss, schon im Voraus gegeben 
ist, der nothwendige Fall, Und wenn Brasilien, das bis jetzt die Kenntniss seiner 
Reichthümer und seiner Naturschätze fast nur Ausländern, und darunter vorzugs- 
weise deutschem Fleiss und deutscher Wissenschaft verdankt, nun aber auf eige- 
nen Füssen zu stehen sucht, lohnende Früchte dieses selbstständigen Strebens 
auch erst nach langen Jahrzehnten, wo wieder andere Namen die Träger dieser 
Bestrebungen sind, ernten sollte, so gebührt doch dem jetzigen Kaiser das un- 
sterbliche Verdienst, zu alledem die Grundlage gelegt zu haben. 

Dass in Brasilien das Verdienst Oesterreichs für die Kenntnisse des Landes 
nicht vergessen ist, das bewies die überaus freundliche Aufnahme, welche uns 
die Männer der Wissenschaft in Rio angedeihen liessen, das beweisen die zuvor- 
kommendsten Anordnungen der kaiserlichen Regierung, um der „Novara“-Expe- 
dition den kurzen Aufenthalt in Rio de Janeiro so nutzbringend als möglich zu ma- 
chen, Ein bemerkenswerther Toast bei Gelegenheit einer Fischerei und Jagd. 
die mehrere Mitglieder jener Untersuchungs-Commission für die „Novara“-Expe- 
dition veranstalteten, galt „Oesterreich“ als dem Staate, der Brasiliens Unab- 
hängigkeit zuerst anerkannte, der Brasilien eine Kaiserin geschenkt, und der die 
erstere grössere wissenschaftliche Expedition nach Brasilien geschickt (die Expe- 
dition vom Jahre 1817, welche die Erzherzogin von Oesterreich begleitete).“ 

Herr Sectionsrath Haidinger nennt dazu noch die von dem Herrn k. k. 
Bergrath Foetterle auf die Einladung der Herren v. Martius und Sturz zusam- 
mengestellte erste geologische Karte von Brasilien. 

Für geologische Nachrichten bezieht sich Herr Dr. Hochstetter auf 
ausführliche, von ihm an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften einge- 
sendete Berichte. Es war bestimmt worden, dass während des Aufenthaltes der 
„Novara“ in der Simons-Bay Dr. Hochstetter auch die Algoa-Bay besuchen 
würde, wenn eine Dampfschiffverbindung den Ausflug möglich machte. Gelingt 
diess, so schreibt Dr. Hochstetter noch einmal, vom Cap, sonst wohl erst vier 
Monate später von Madras nach dem Besuch von St. Paul und Amsterdam und 
Ceylon. „Halten Sie uns während dieser Zeit nicht für verloren, sondern denken 
Sie sich im Gegentheil, dass wir reich durch das auf jenen Inseln gewonnene 
Material und den Vollgenuss der herrlichen tropischen Natur Ceylons eines benei- 
denswerthen Daseins uns erfreuen.“ Er fügt noch hinzu: „Dass Dr. Robert Lal- 
lemant, unser bisheriger Reisegenosse, auf seinen eigenen Wunsch in Rio de 
Janeiro ausgeschifft wurde, ist Ihnen wohl schon längst bekannt,“ und schliesst 
„mit den herzlichsten Grüssen an alle Freunde und Collegen.“ 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II, Bd. 1. Heft. 4 


so Versammlung am 5. Jänner 1858. 


Herr k. k. Rath A. Steinhauser, hielt einen Vortrag über Entstehung 
und Ausbildung der Schichtenkarten überhaupt und in Oesterreich insbesondere 
aus Veranlassung der von dem nunmehrigen k. k. Fregattenkapitän und Direetor 
der nautischen Akademie in Triest, Herrn Heinrich von Littrow, eingesendeten 
Mittheilung über neue Hafenaufnahmen im adriatischen Meere, welche mit Linien 
gleicher Tiefe versehen sind und durch zunehmend dunkleren Farbendruck die 
wachsenden Tiefen des Meeresgrundes bezeichnen. (Siehe S. 44 und Abhandlun- 
gen dieses Heftes Nr. IV.) 

Herr Dr. Hermann Scehlagintweit, der mit seinen beiden Brüdern 
Adolph und Robert durch nahe drei volle Jahre in Ostindien und im Himalaya- 
Gebirge mit Unterstützung Sr. Majestät des Königs von Preussen und der ost- 
indischen Compagnie sich aufhielt, und von dort im Monate Juni v. J. zurückge- 
kehrt war, gegenwärtig aber für eine kurze Zeit sich in Wien aufhält, theilte einige 
ethnographische Beobachtungen über die drei grossen Volksgruppen mit, welche 
gegenwärtig Ostindien bewohnen, und zwar die ursprünglichen Einwohner, 
die Hindus und ihre in Kasten gesonderten Abkömmlinge, und die mongolischen 
Mussulmans; er zeigte mit Bezug hierauf namentlich die Broncemaske eines Son- 
thals, d. i. eines der noch unverändert gebliebenen ursprünglichen Einwohner, 
ferner einige Original-Miniaturbilder, Theile einer Gallerie von Porträten von 
Abkömmlingen der Randschit-Sings-Dynastie. Herr Dr. H. Schlagintweit 
legte ferner eine von Ostindien mitgebrachte grosse Karte vom oberen Irrawaddy 
und eine Liste sämmtlicher meteorologischen Beobachtungs-Stationen, bei 168 an 
der Zahl, vor, an welchen während seiner Anwesenheit in jenem Lande zum 
grossen Theile auf seine Veranlassung Beobachtungen gemacht wurden ; diese 
waren an einigen Puneten mit wirklicher Sorgfalt, und an allen für mittlere Ver- 
hältnisse ganz gut brauchbar angestellt. 

An den Vortrag des Herrn Dr. Hermann Schlagintweit anknüpfend, 
machte Herr k. k. Sectionsrath L. Ritter von Heufler die Mittheilung, sein 
Vorredner habe sich an ihn gewendet, um anthropologische Untersuchungen 
an einzelnen Individuen reiner Abstammung einiger österreichischer Völker- 
schaften, namentlich auch an Zigeunern anzustellen, welche bekanntlich 
nach dem Ergebnisse der neuesten Forschungen in verhältnissmässig später 
Zeit eingewanderte Indier sind. Es sei ihm gelungen, dem Wunsche des 
Herrn Schlagintweit zu entsprechen. Bei dieser Gelegenheit habe er sich 
erinnert, ein zigeunerisches Wörterverzeichniss zu besitzen, welches er im 
Jahre 1850 einem Zigeuner in Hermannstadt abgefragt und niedergeschrieben. 
Herr Dr. Hermann Schlagintweit habe die Güte gehabt, dieses Verzeich- 
niss in Beziehung anf seine Uebereinstimmung oder Verwandtschaft mit dem 
Hindostani, der Vulgärsprache Ostindiens, zu prüfen. Da habe sich die Vermuthung 
bestätiget, dass auch die siebenbürgischen Zigeuner noch einen Schatz von Wör- 
tern besitzen, welche mit dem Hindostani identisch oder doch nahe verwandt 
sind. Da die Zigeuner sich ihrer Sprache nur in ihrem gegenseitigen mündliehen 
Verkehr bedienen, so ist vorauszusetzen, dass dieselbe immer mehr von dem 
Einflusse der Sprachen des Landes, in welchem sie gerade leben, zersetzt wird. 
Diesem Einflusse sind bei den siebenbürgischen Zigeunern vorzüglich die vielen 
rumänischen Wörter zuzuschreiben. Auch hat die langsame Wanderung von 
Indien bis Siebenbürgen gewiss auch einen Einfluss auf ihre Sprache gehabt, so 
dass einLinguist, der sich in die Sprache der siebenbürgischen Zigeuner vertiefte, 
in derselben Anhaltspunete finden müsste, um auf den Gang ihrer Wanderungen 
und selbst auf die Dauer ihrer Wanderplätze Schlüsse zu ziehen. Bei der Sprache 


L. Ritter v. Heufler. 51 


der siebenbürgischen Zigeuner gehören wohl die slavischen und griechischen 
Spuren hieher. In dem folgenden Wörterverzeichnisse, welches lediglich als eine 
Anregung zu weiteren Studien anzusehen sei, bedeutet das zweite Wort in jeder 
Zeile die Angabe des Hermannstädter Zigeuners. Wo ein drittes Wort ohne Be- 
zeichnung seiner Herkunft folgt, konnte Herr Dr, Hermann Schlagintweit es 
als identisch oder nahe verwandt im Hindostani beisetzen. 


Zigeunerisches Wörterverzeichniss 


Sonne, kam. Geld, lowe. 

Mond, tschomöt, tSand t$=tsch. Essen, chau (ich esse), gehen wir zum Essen, 
Stern, stele. dschasa mete chas kau. 

Erde, epii. Trinken, pau (ich trinke), pfo. 

Wasser, parii, näni. Singen, siliabau (ich singe). 

Luft, aier. Schlafen, sowäü (ich schlafe). 

Wind, barbäl. Lieben, mange drago (mir lieb). 

Regen, deloparii (es regnet). Nehmen, lau (ich nehme), lau = Imperativ. 
Hagel, delobär (es hagelt). Ich trage, me piriawan. 

Feuer, jag, ag. Ich koche, kerawan. 

Es ist warm, tatschipe. Geh, scha, tschäu. 

Baum, porikin. Ich, me, mäi=mir, 

Vater, dat. Du, tu, tum, 

Mutter, mäma, ma, Wir, ame, ham. 

Sohn, tschau. Ihr, tumu, tum= du. 

Tochter, tschei. Er, koko. 

Mensch, manris. | Ich esse, me chau, ham kata, ich esse (Con- 
Kopf, scherön, sir. jugation im hindost. verschieden: fort, 
Bruder, prahl. verloren); 

Schwester, pehn. du issest, tu chas; 

Auge, jakä, ak. er isst, wo chal, auch koko chal; 
Augenbrauen, sbrietschenje. wir essen, ame chas; 

Nase, nak, nag. ! ihr esset, tume chan, 

Mund, müc, mu. | sie essen, kekola chan; 

Ohr, kahn, khan. ich habe gegessen, me chalium; 

Zahn, dant, dant. du hast gegessen, tu chalial; 

Zunge, tschip, tschib. er hat gegessen, koko chaliast; 

Hand, wast. wir haben gegessen, ame chaliam; 

Nagel, nugie. ihr habt gegessen, tu me chalian; 
Nasenlöcher, 'nari. sie haben gegessen, kokola chalian; 

Nagel (an der Wand), karfint. ich werde essen, me kai chau; 

Leben, schiwas. du wirst essen, tu kai chas; 

Tod, mulön. ihr werdet essen, tume kai chan u. s. w. 
Pferd, grast. eins, jek, ek. 

Hund, schukönl. zwei, dii, do; 

Maus, tschüoka, drei, trie, tiu; 

Vogel, tschirigli, tsiria. ' vier, star, tschär; 

Feder, pöru. fünf, pantsch, pantsch; 

Ei, anrön, anda. | sechs, schou, tsche; 

Horn, sching, sing (oder singh?) sieben, efta, sat; 


Stadt, fore. acht, htouoe, at; 


A*r 


52 Versammlung am 19. Jänner 1858. 


neun, neja, no; 

zehn, desch, däs; 

eilf, deschjek, egäza; 

zwanzig, bisch, bis; 

einundzwanzig, bisch dejek u. s. w. 

dreissig, dranda, tis; 

vierzig, zaranda, tschälis; 

fünfzig, penda, patschis; 

sechzig, schouardesch, sat; 

siebzig, efta ardesch u. s. w.; 

hundert, ischöl, säu; 

zweihundert, duischöl, do säu; 

tausend, milia, hasär; 

eintausend, jeckmilia u. s. w. 

Ich bin, me ljom; 

du bist, tu ljal; 

er ist, koko chin; 

wir sind, ame ljam ; 

ihr seid, tu me ]jan; 

sie sind, kokola chin; 

ich habe, m’ anhin; 

du hast, tuthin; 

er hat, koleshin; 

wir haben, amenhin; 

ihr habt, tumenhin; 

sie haben, kokoleshin, 

reich, barwalou, bära — gross walla= Indi- 
viduum; 

arm, tscheroü, t$6ta = klein; 

gross, baroü, bara; 

klein, zinoü; 

schön, schukare; 

garstig, schungalu; 

gut, latschön, ätscha; 

bös, nasul. 

Gott, gulodel. 

Winter, Jöwend. 

Frühling, nur rumänisch: primevare. 

Sommer, milej. 

Herbst, nur rumänisch: tuomne. 


kalt, schill. 

warm, tatön. 

Jahr, borsch, baras, 

Monat, tschom. 

Tag, djess. 

Abend, rati. 

Morgen, tosägla. 

Nacht, ratjal, rat. 

Haus, kör, ghar. 

Kerze, momeli (mom = Wachs). 

weiss, parnou. 

schwarz, kalöu, käla 

roth, lolou, 1äl. 

Die anderen Farbennamen sind nur mehr 

rumänisch. 

Blatt, patrin. 

Wald, wesch. 

Gras, dschjar. 

Blume, lulugj. 

Fisch, matschou, mätschli. 

Kuh, guruni. 

Schwein, balou. 

Stier, guru. 

Lamm, bakrou, päkri. 

Apfel, pahba. 

Birne, ambroul. 

Zwetschke, tschiliewe. 

Traube, drakä. 

Weingarten, resa. 

Korn, dju. 

Hafer, dscheu, tschau—= Getreide im Allge- 
meinen. 

Fuss, punrou, bäun. 

Finger, neja; auch Zehen heissen so. 

Gesicht, muj, mu —=Mund, 

Brust, kolin. 

Rücken, dumou. 

Bauch, por. 

Herz, od). 


Versammlung am 19. Jänner 1858. 


Der Herr Präsident, Se. Durchlaucht K.H. Fürst v. Salm-Reifferscheid, 


führte den Vorsitz. 


Er eröffnete die Sitzung mit der erfreulichen Mittheilung, 


dass auch Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Albrecht 
der k. k. geographischen Gesellschaft als Ehrenmitglied beizutreten geruht haben 
und las das folgende hierauf bezügliche, an Herrn k. k. Seetionsrath Haidinger 


gerichtete Schreiben vor: 


F. Foetterle. J. Schmidt, 53 


„Seine kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Erzherzog Albrecht, mein 
gnädigster Herr, haben mir den angenehmen Auftrag ertheilt, Euer Wohlgeboren 
für die Höchstdemselben wiederholt zugesendeten Mittheilungen der k. k. geo- 
graphischen Gesellschaft zu danken und Eurer Wohlgeboren zugleich zu eröffnen, 
dass Seine kaiserliche Hoheit der unterm 31. October v. J. erhaltenen Einladung 
mit Vergnügen Folge geben, einer Gesellschaft als Ehrenmitglied beizutreten, 
welche nach so kurzem Bestehen schon so schöne Erfolge in der ihr gestellten 
Aufgabe erzielt hat, der Wissenschaft und dem Vaterlande nützlich zu sein. 

Wien am 9. Jänner 1858. Braida m. p. 

G. M.“ 

Ueber Antrag des Herrn Präsidenten erhob sich die ganze Versammlung, 
um hiedurch Seiner kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge 
ihren Dank für die ihr durch diesen Beitritt erwiesene höchste Ehre aus- 
zudrücken. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden von der Versammlung den Statuten 
entsprechend folgende Herren zu ordentlichen Mitgliedern der Gesellschaft ge- 
wählt: K. Glasl, Professor an der k. k. Oberrealschule am Schottenfeld, Ed. 
Haueis, Lehramtscandidat, 0. Kotschy, evangel. Pfarrer zu Bistritz bei Te- 
schen, S. von Keler, Hauptmann im k. k. General-Quartiermeister-Stabe, und 
K. Brunner von Wattenwyl, k. k. Telegraphen-Director. 

Der Herr Seeretär Foetterle legte die der Gesellschaft zugekommenen 
Druckschriften vor. Er erwähnte insbesondere der, der Gesellschaft als Ge- 
schenke zugekommenen „Klimatologischen Untersuchungen“ von Dr. Mühry, und 
der ersten aus zwei Blättern bestehenden Lieferung der „Höhenschichtenkarte 
von Centraleuropa“ von dem k. hannov. Major A. Papen, über welche der Ver- 
sammlung später ausführlichere Mittheilungen gemacht werden. Einen reichen 
Beitrag für ihre Bibliothek erhielt die Gesellschaft ferner von den Vereinen und 
Instituten zu Agram, Botzen, Graz, Kronstadt, Linz, Mailand, Moskau, Padua, Pest, 
Wien u. s. w. 

Herr Secretär Foetterle theilte aus einem erst vor wenigen Stunden ihm 
zugekommenen Schreiben des Astronomen Hrn. J. Schmidt in Olmüz eine Nach- 
richt über das in Olmütz und der Umgebung am 15. Jänner 1.J. Abends verspürte 
Erdbeben mit, die um so authentischer ist, als sie von einem Manne herrührt, 
dessen ausgezeichnete Leistungen in dieser Richtung allgemein bekannt und aner- 
kannt sind. Herr Schmidt schreibt über dieses Erdbeben folgendes : 

„Wenige Minuten nach der Erschütterung erhielt ich darüber die erste 
Kunde, und bereits um Mitternacht hatte ich 12 Aussagen gesammelt, welche 
keinen Zweifel mehr zuliessen. Das Erdbeben war von vielen Personen in Olmütz 
verspürt, namentlich von Damen, welche sich in den oberen Stockwerken der 
Häuser befanden. Die meisten Beobachtungen in der Stadt deuten auf 2 Stösse, 
deren letzter der stärkere war. Die schwingende oder die Wellenbewegung ist 
wahrscheinlicher als jede andere, und hiemit stimmen auch die meisten Wahrneh- 
mungen aus der Umgegend von Olmütz überein, so wie mit der Bemerkung, dass 
die Erschütterung ungefähr von Süden nach Norden ging. 

Das unterirdische Getöse, oft schwer von dem Geräusche der erschütterten 
Gebäude zu unterscheiden, ward nur an 1 oder 2 Orten vernommen. Die übrigen 
Erscheinungen sind die gewöhnlichen, die bei jedem einigermassen fühlbaren 
Erdbeben erzählt werden: Bewegung der Mobilien, Klirren der Gläser, Unruhe der 
Hausthiere und namentlich das Herabfallen der Vögel, die schon schliefen, auf den 
Boden ihrer Käfige, so wie ängstliches Umherflattern. Ich habe mich sogleich be- 


54 Versammlung am 19. Jänner 1858, 


müht, genaue Zeitangaben zu erhalten, ich war schon am folgenden Tage so glück- 
lich, deren zwei sehr zuverlässige in Erfahrung zubringen. Die eine rührt her von 
Herrn Bar. Jos. Eichhoff, die andere vom Herrn Prof. KarlHeller. Beide Herren 
sahen augenblicklich auf ihre Uhren; der Stand der ersten war 6 Stunden vorher 
mit der Zimmeruhr des Herrn Prälaten E. Ritter v. Unkrechtsberg verglichen 
worden, die andere verglich ich 19 Stunden nach dem Erdbeben mit meiner Uhr 
und durch diese mit der Sternzeit-Pendeluhr der Sternwarte. Indessen wird sich 
die Gleichung der astronomischen Pendeluhr erst aus den Zeitbestimmungen am 
Meridiankreise genauer ermitteln lassen. Ist dies geschehen, so wird die genauere 
Kenntniss der Correetion des Zimmerpendels möglich, und sonach die der beiden 
anderen Uhren, welche zur Bestimmung des Momentes der Erschütterung gedient 
haben. Vorläufig kann dies Zeitmoment auf 8 U. 22 M. mittlere Zeit von Olmütz 
gesetzt werden. Zeitangaben von andern Orten werde ich erst näher untersuchen, 
ehe ich sie bekannt gebe. Es liegen deren vor, und zwar mit Angabe der Minuten 
von noch vier anderen Orten. So viel mir bis zum Mittag des 18. Jänner bekannt 
wurde, ist das Erdbeben in folgenden Orten, zum Theil recht stark , verspürt 
worden: 

In Mähr. Ostrau, Prerau, Brodek, Tobitschau, Klenowitz, Prossnitz, Na- 
miest, Olmütz, Sternberg und Hohenstadt. 

Nicht bemerkt ward es angeblich in Wisternitz bei Olmütz, in Hombok, 
in Mähr. Neustadt und in Schönberg. 

Dagegen erhielt ich gestern die Nachricht, dass um 11/, Uhr Nachts eine 
schwache Wiederholung des Erdbebens verspürt w ard, und Biere zu Olmütz und 
Hombok, in welchem letzten Orte der Stoss von 8 h, 22" wie es scheint, unbe- 
merkbar vorübergegangen war. 

Die ferneren Sammlungen der noch zu erwartenden Nachrichten, so wie 
die Ausarbeitung derselben wird der Gegenstand einer späteren Mittheilung sein. * 

Herr O. Freiherr von Hingenau machte folgende Mittheilung:: 

„Die k. k. geographische Gesellschaft hat durch ihren Ausschuss die Han- 
delskammern zum Schriftenaustausche eingeladen und ihre Einladung fand in über- 
raschend kurzer Zeit von beinahe allen Handels- und Gewerbekammern der Mon- 
archie die freundliehste Erwiederung durch alsogleiche Uebersendung ihrer 
Berichte, in denen sich ausser den bekanntlich oft sehr reichhaltigen statistischen 
und wirthschaftlichen Daten auch theilweise höchst werthvolle topographische 
und allgemeine geographische Materialien befinden. 

Diese Handelskammerberichte — allerdings nicht gleich in ihrem Werthe 
— aber immerhin eine nicht unbedeutende Quelle der Landeskunde, theilen mit 
den Gymnasial- und Realschulprogrammen das bescheidene Loos häufig ungele- 
sen auf den Fächern einer Bibliothek oder in den Räumen ämtlicher Gebäude zu 
veralten und doch verdienen beide Arten von Publieationen näher gekannt und 
gewürdigt zu sein. Wenn durch deren Zugänglichkeit in unserer Gesellschafts- 
bibliothek vielleicht Anlass genommen wird, dass mehrere unserer geehrten Mit- 
glieder bisweilen in diesen Fundgruben einheimischer Landeskunde Belehrung 
oder Auskunft suchen, so ist schon Einiges gewonnen; allein es enthebt nicht 
von der Pflicht auch von Zeit zu Zeit Erwähnung von derlei wenig bekannten 
Materialien zu machen und in dieser Beziehung mache ich mir es zum Vergnü- 
gen, dass mir vom Ausschuss dieser Gesellschaft der Auftrag geworden, über 
einen dieser Handelskammerberichte eine eingehende Mittheilung zu machen. 

Es ist der Bericht der Handels- und Gewerbekammer der Provinz Pavia 
-— des südwestlichen Endpunktes unserer Monarchie, den ich die Ehre habe, 


0. Frh. v, Hingenau. b5 


Ihnen vorzulegen. — Ich bemerke in vorhinein, dass ich mich an diesem Orte 
hauptsächlich auf die vorwiegend geographischen Daten einlassen will und die 
statistisch-nationalökonomischen, welche in dem Werke überwiegen, nur andeu- 
ten und den hiezu berufenen Organen zu weiterer Würdigung und Verbreitung 
empfehlen und überlassen muss, allein ein Ueberblick über den Inhalt des ganzen 
Berichtes dürfte doch nicht überflüssig sein. 

Während der uns ebenfalls zugekommene Bericht derselben Handelskammer 
für das Jahre 1852 nur 52 gross Octav Seiten mit einigen Tabellen umfasst, bildet 
der im Jahre 1857 erschienene für die Jahre 1853—1856 einen starken Band 
von 270 Seiten mit zahlreichen Tabellen und einer im grossen Maasstabe ausge- 
führten Industriekarte der Provinz Pavia und zerfällt in zwölf Abschnitte, 
denen ein einleitendes Schreiben an das k. k. Ministerium vorangeht und zwei An- 
hangsstücke folgen. Diese Abschnitte sind: 

I. Ein Ueberbliek über die historischen Ereignisse der Jahre 
1853, 1854, 1855 und 1856, welcher in dem Einbegleitungsschreiben 
mit den Worten gerechtfertigt wird: „Die Kammer hielt es für angemes- 
sen, dem gegenwärtigen Berichte eine allgemeine Uebersicht der bedeut- 
samsten Ereignisse des Quadrienniums voranzuschicken, weil diese in eini- 
ger Beziehung zu den Zuständen des Landes stehen und weil viele Thatsa- 
chen, welche den Fortschritt des Handels und der wirthschaftlichen In- 
teressen betreffen, eben nur in der Zeitgeschichte ihre Erläuterung finden.“ 

Der II. Abschnitt enthält einige allgemeine Bemerkungen, über das in den 
folgenden Abschnitten darzustellende und die auf die Interessen, welche 
die Kammer vertritt, einflusserregenden Acte der k. k. Staatsregierung in 
letzter Zeit. 

Der III. Abschnitt, welchen ich in diesem Vortrage noch näher beleuchten werde, 
behandelt die Topographie des Kammerbezirks, der im 

IV. Abschnitt die Bevölkerung, im 

V. Abschnitt die Landwirthschaft, im 

VI. Abschnitt die Gewerbs -Industrie, im 

VI. Abschnitt der Handel in kurzen monographischen Darstellungen folgen; der 

VII, und IX. Abschnitt handelt von den Steuern, der 

X. Von den Wohlthätigkeits- Anstalten, der 

XI. Vom öffentlichen Unterrichte und im 

XII. werden die Wünsche der Kammer formulirt. 

Als Anhang I. ist ein Bericht des Antheils der Provinz Pavia an der Pa- 
riser Ausstellung uud in der Beilage Il. eine Uebersicht des landwirthschaftlichen 
Turnus (rotazione agraria) beigeben. 

Man sieht schon aus dem Inhalte, wie reichlich der Statistiker und National- 
ökonom aus dieser Quelle zu schöpfen im Stande sein wird, und so sehr ich für 
meine Person diesen beiden Fächern Theilnahme und Interesse schenke, muss 
ich mich doch in Hinblick auf die nächsten Zwecke dieser k. k. geographischen 
Gesellschaft darauf beschränken, dasjenige hervorzuheben, was direct zur nahen 
Kenntniss dieses Landestheiles an sich dient, ohne eben die Unmöglichheit, zwi- 
schen einer geographischen und statistisch-ökonomischen Beziehung scharfe 
Grenzen zu ziehen, in Abrede stellen zu wollen, oder Interessantes bloss desshalb 
zu übergehen, weil es auch zugleich in ‚das Gebiet anderer Institute für diese 
Zwecke einschlägt. 

Schon die Eingangs erwähnte Karte ist keine bloss topographische, sondern 
enthält sowohl durch Zeichen als durch in die leeren Räume eingedruckte Tabellen 


56 Versammlung am 19, Jänner 1858, 0. Frh, v. Hingenau. 


reiche statistische Daten, welehe eben dadurch recht anschaulich gemacht wer- 
den, dass sie neben dem Bilde unmittelbar ihren Platz gefunden haben. 

Bekanntlich bildet die Provinz Pavia den südwestlichen Rand der Lombardie 
zwischen dem Tessin und dem Po, längs welchen Flüssen sie in einer Länge von 
40'/, geographischen Meilen (60 auf einen Grad) bis zur Einmündung des Lambro- 
flusses in den Po sich hinzieht und binnenwärts an die Provinzen Mailand und Lodi 
gränzend 1043.91 Quadrat-Kilometer (18:1 Q.-Meilen) Flächenraum umfasst. Das 
Terrain ist vorwiegend flach und seine mittlere Erhebung über dem Meere wird 
auf 87 Metres angegeben. Geologisch gehört der Boden fast ganz den älteren und 
jüngeren Alluvien an, nur die Hügel von San Columbano sind zur tertiären (Sub- 
appenin-) Formation zu rechnen. 

In den Alluvialschiehten kommen Torflager vor und zwar: bei Buffalora 
(im Thale des Tessin, dann längs dieses Flusses), zwischen Ozero und Zelada, 
(vielleicht selbst weiter unten gegen Pavia. Der Torf ist nicht selten mit Sand 
vermengt, doch finden sich auch Stücke, welche dem holzartigen Torf von Leffe 
bei Gondino gleichen, obwohl letzterer entschieden älteren Ursprungs ist.) Ferner 
sind Torflager bekannt zu Terra dei Negri bei Belgiojoso und zwischen Chignolo 
und Bissone, so wie man beinahe das ganze Terrain zwischen den Hügeln von 
San Colombano, dem Po und dem Lambro und wohl auch das beim Einfluss des 
Tessin in den Po nach den Vegetationsanzeichen für torfmoorig annehmen kann. 

Die alten Alluvien, zu denen die vereinzelten Anhöhen längs des Tessin 
und des Po gehören, bestehen aus Thon, Sand, Gerölle und Schotter. (Stark ver- 
treten sind die Thone, unter denen eisenschüssiger Thon gut unterschieden wer- 
den kann. Es ist jedoch nicht nachgewiesen, ob eine zusammenhängende Schichte 
davon besteht, da hie und da bloss Coneretionen desselben auftreten, wie deren 
auch nicht selten von sandig-eisenschüssiger Art mit Schotter im Tessin gefunden 
werden. — Die Gerölle, welche die höheren Ufer des Tessin bis zum Süd- 
arm des Lombro bilden, enthalten Bruchstücke verschiedener Gesteinsarten, 
vorherrschend Quarzporphyre und Melophyre, was ihren Ursprung aus der Gegend 
von Varese und von den Gestaden des Langensee's (L. Maggiore) kennzeichnet. 
In dieses Alluviengebiet sollen auch die goldführenden Sandschichten gehören, 
von denen mitunter behauptet wird, dass sie mit Sand und Torf wechsellagern, 
wahrscheinlicher aber ist, dass sie nur unregelmässig im Schwemmlande vorkom- 
men. Nur wenige Unternehmer — ein Beweiss ihrer Spärlichkeit! — beschäf- 
tigen sich mit Goldwäscherei und in höchst empirischer und unvollkommener 
Weise. Die Handelskammer hatte im Jahre 1855 eine Commission zur Unter- 
suchung der goldführenden Schichten in den etwa vorhandenen Torf- oder Lignit- 
lagern unter dem Vorsitze des Geologen Prof. Balsamo - Crivelli zusammen- 
gesetzt, über deren Resultat aber dieser Bericht noch nichts enthält, ausser, dass 
diese geologischen Notizen hauptsächlich von dem genannten Gelehrten herrühren. 

Von organischen Resten werden angeführt — die im Tessin und Po gefun- 
denen Elephantenknochen, Schädel van Bos primigenius, priscus, Gehörn und 
Schädel des Cervus megaceros, die sich im Universitäts-Museum zuPavia befinden, 
Der Tessin enthält eine Menge von Geschieben von Granit, Amphibolit, Serpentin 
und Quarz. 

Das Tertiärland — lediglich in den Hügeln von San Colombano repräsentirt, 
ist von Alluvium bedeckt, welches Spuren erratischer Massen trägt und dessen 
Gerölle eisenschüssigen Mergel enthalten; hierauf folgen Sand, dann graue Mergel 
hierauf blauer Letten mit vielen Muscheln und endlich ein rauchgrauer bis weisser, 
eisenschüssiger und gelblicher Kalkstein; sämmtliche Naturgebilde geben Bauma-, 


Versammlung am 9, Februar 1858. Fürst Salm. 57 


terial. Im Tertiärgebiet um Miradolo kommen Salzquellen vor und man vermuthet 
auch Lignit daselbst. 

Ich übergehe die politischen Eintheilungen in 6 Bezirke und deren Flächen- 
ausmass und komme auf die Beschaffenheit des Klimas. Die nur wenig unregelmäs- 
sige Temperatur gab in den geschilderten 4 Jahren einen Durchschnitt von 9075 
Reaumur mittlere Jahreswärme und stellt sich für die Monate in folgender Stufen- 
folge dar : Jänner + 0015, Februar 1065, März 504, April 9066, Mai 1302, Juni 17015, 
Juli 19065, August 19016, September 1407, Oktober 10075, November 408, De- 
zember 0°2. — Maxima und Minima finden sich leider nicht angegeben. 

Die Luft ist — der weitverbreiteten Bewässerung wegen — weich, Nebel 
dicht und häufig, Ost- und Westwinde herrschen vor, erster meist dauernde 
Regen bringend, letzter von Trockenheit begleitet. 

Die Regenmenge — einschlüssig des Schnees — wird im mittleren Durch- 
schnitt für die Jahre 1853—1856 mit 27.8 Pariser Zoll angegeben, davon war 
1853 das feuchteste (35'.5), 1854 das trockenste (21.2). 

Die Hydrographie der Provinz ist auch interessant. Ausser den Flüssen 
Tessin, Po, Lambro und Olona kommen drei Canäle in das Wasser -System der 
Provinz einzubeziehen, der Naviglio, der im Pavesischen 24,800 Meter durchzieht, 
der Canal von Bereguardo mit seiner ganzen Länge (18,000 m.) und der Canal 
von Pavia nach Moirago 23,109 Meter lang. Der Canal von Bereguardo dient jetzt 
bloss zu Bewässerungszwecken, der von Pavia zweigt sich aus dem Naviglio 
grande ab, durchkreuzt in seinem ganzen Laufe 74 Wasserleitungen und hat 17 
Brücken. Er gibt 150 Mailänder Unzen Wasser per Minute, von denen nur 40 
in den Tessin gelangen, alles übrige wird auf die Bewässerung verwendet. (Die 
Wassereintheilung ist in drei Tabellen ersichtlich gemacht, welche die Längen 
zwischen Brücken und Schleussen, das Gefälle und die Höhe der Schleussen 
enthalten.) 

Die Dämme, welche das Flachland vor den Ueberschwemmungen der hoch- 
gehenden Flüsse bewahren, umfassen 33.960 Meter Länge. Ihre Erhaltung wird 
von fünf Dammgenossenschaften (Consorzü d’arginatura) bestritten; bei der 
des Po und Lambro trägt der Staat /, bei. Ausserdem bestehen noch andere 4 
solche consorzii für Ablaufwässer — und ein kostspieliger von der Regierung 
erhaltener Damm von 3570 Meter Länge, der 1847 zum Schutz der Poststrasse 
nach Genua erbaut wurde. 

Herr kais. Rath Steinhauser setzte den in der Versammlung am 5. d. M. 
gehaltenen Vortrag über die geschichtliche Entwiekelung der Niveaukarten fort. 
(Siehe Abhandlungen dieses Heft Nr. IV.) 


Versammlung am 9. Februar 1858. 


Der Herr Präsident H. K. Fürst von Salm-Reifferscheid führte den 
Vorsitz. Er machte die erfreuliche Mittheilung, dass auch Ihre kaiserlichen Ho- 
heiten, die durchlauchtigsten Herren Erzherzoge Ferdinand Maximilian, 
Carl Ferdinand, und Joseph der k. k. Geographischen Gesellschaft als 
Ehrenmitglieder beizutreten geruhten, und las die folgenden hierauf bezüg- 
lichen Schreiben vor: 

„Im höchsten Auftrage Seiner kaiserlichen Hoheit des Durchlauchtigsten 
Herrn Erzherzogs Ferdinand Maximilian gibt sich das Cabinet die Ehre, die 
k. k. geographische Gesellschaft in Kenntniss zu setzen, dass Höchstdieselben 


58 Versammlung am 9. Februar 1858, 


den, unterm 31. October v. J. eingesendeten zweiten Theil der Mittheilungen der 
Gesellschaft anzunehmen geruht haben. 

Unter Einem ist das Cabinet in dem Falle, der k. k. geographischen Ge- 
sellschaft zu eröffnen, dass der durchlauchtigste Herr Erzherzog über die gleich- 
zeitig an Höchstdenselben gerichtete Bitte zu beschliessen befand, der k. k. geo- 
graphischen Gesellschaft als Ehrenmitglied beizutreten. 

Mailand am 20. Jänner 1858. 

Der Leiter des Kabinets Sr. kais. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erz- 
herzogs Ferdinand Maximilian. Frhr. de Pont m. p.* 

Die beiden anderen Schreiben sind an Hrn. k, k. Sectionsrath Haidinger 
gerichtet : 

„Lieber Herr Sectionsrath Haidinger ! 

Ich habe in den ersten Tagen d. M. den zweiten Theil, so wie früher die 
erste Abtheilung des I. Bandes der Mittheilungen der von Ihnen begründeten 
k. k. geographischen Gesellschaft mit dem grössten Interesse empfangen, uud 
spreche ich Ihnen für deren Uebersendung meinen herzlichen Dank aus. 

Indem ich Ihrer eben so freundlichen als ehrenvollen Einladung, dieser 
Gesellschaft als Ehrenmitglied beizutreten, mit Vergnügen entspreche, wünsche 
ich derselben das erspriesslichste Gedeihen, und Ihnen, lieber Herr Sectionsrath, 
die Freude, noch recht lange in Ihrer schöpferischen Thätigkeit auf dem Gebiete 
der Wissenschaft, die Früchte der ersteren reifen zu sehen. — Ich benütze diese 
Gelegenheit, um Sie meiner vollkommenen Hochachtung zu versichern, mit der 
ich bin Ihr ergebener Erzh. Joseph m, p. 

Brandeis a. d. Elbe 25. Jänner 1858. Oberst.“ 

„Se, kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Erzherzog Carl Ferdinand 
haben mir den angenehmen Auftrag ertheilt, Euer Hochwohlgeboren für die 
höchstdemselben wiederholt zugesendeten Mittheilungen der k. k. geographi- 
schen Gesellschaft zu danken, und Euer Hochwohlgeboren zugleich zu eröffnen, 
dass Se, kaiserliche Hoheit der unterm 31. Oktober v. J. erhaltenen Einladung 
mit Vergnügen Folge gebe, einer Gesellschaft als Ehrenmitglied beizutreten, 
welche nach so kurzem Bestehen schon so schöne Erfolge errungen, in der ihr 
gestellten Aufgabe der Wissenschaft und dem Vaterlande nützlich zu sein. 

Wien am 21. Jänner 1858. 

In Ermangelung eines Obersthofmeisters Baron Orezy m. p., 

Rittmeister, Dienstkämmerer Sr. kais. Hoheit 
des Herrn Erzherzogs Carl Ferdinand.“ 

Ueber Antrag des Herrn Präsidenten erhob sich die ganze Versammlung, 
um hiedurch ihren Dank für die ihr durch diese Beitritte erwiesene höchste Ehre 
auszudrücken. 

Herr Secretär Foetterle theilte hierauf mit, dass Herr Professor Dr. F. 
Unger im Begriffe stehe, aus eigenen Mitteln eine grössere wissenschaftliche 
Reise nach dem Oriente zu unternehmen; dieselbe soll Egypten bis Assuan, fer- 
ner Syrien, Kleinasien, bis an den Taurus und Libanon, Konstantinopel und Grie- 
chenland umfassen, und beiläufig sechs Monate dauern. ‘Herr Professor Unger 
sprach hiebei den Wunsch aus, als Reisebegleiter einen jungen Mann, Herrn 
K. Eekhold, mitzunehmen, der ihm zugleich nach verschiedenen Richtungen in 
seinen wissenschaftliehen Forsehungen behülflich sein sollte. Se. kaiserliche Hoheit 
der durchlauchtigste Herr ErzherzogLudwig Joseph geruhte die Summe von 100 
Gulden diesem Zwecke zu widmen; mit dankenswerther Liberalität bewilligte fer- 
ner hiezu Se. Exzellenz der Herr Unterrichts-Minister den Betrag von 400 Gul- 


F. Fostterle. 1. H. Jeitteles, 59 


den, ebenso wurde von mehreren hochverehrten Freunden und Gönnern der 
Wissenschaft die Summe von 350 Gulden beigesteuert, während das k. k. Han- 
delsministerium die unentgeltliche Benützung der Eisenbahn von Wien nach 
Triest und zurück bewilligte, der k. k. pr. österreichische Lloyd hingegen nicht 
unbedeutende Begünstigungen bei der Benützung seiner Dampfsehifffahrt in Aus- 
sicht stellte, um auf diese Art eine den Zwecken der wissenschaftlichen Reise des 
Herrn Professor Unger förderliche und von demselben gewünschte Reisebeglei- 
tung zu ermöglichen. Gewiss liegen solche Reisen den Interessen der k. k. geo- 
graphisehen Gesellschaft am nächsten, sie kann daher nur den lebhaftesten 
Wunsch hegen, sie nach Möglichkeit, in der Ausdehnung als es ihre geringen 
Mittel zulassen, zu unterstützen, und Herr Foetterle stellte im Namen des 
Ausschusses den Antrag, die Gesellschaft wolle zur Ermöglichung der von Hrn. 
Professor Dr. F. Unger auf seiner wissenschaftlichen Reise nach dem Orient ge- 
wünschten Reisebegleitung in der Person des Hrn. K. Eckhold einen Beitrag 
von 150 Gulden bewilligen. Welcher Antrag auch allgemeinen Anklang fand 
und angenommen wurde. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden den Statuten entsprechend zu 
ordentlichen Mitgliedern die Herren: J. Wissiagg, k. k. Landesgerichtsrath in 
Pressburg, L. Lindenberg, Fabriksbesitzer, A. Schefezik, Eisenbahn-Inge- 
nieur, F. Freiherr von Andrian, Geolog, E. Porth, Geolog, und J. von Schäf- 
fer, Eisenbahn-Ingenieur, und zum eorrespondirenden Mitgliede Herr Alfred von 
Kremer, k. k, Viee-Consul und Leiter des k. k. Consulats in Cairo, gewählt. 

HerrF oetterle theilte hierauf mit, dass die Herren: Se. Durchlaucht Fürst 
A. Demidoff, Dr. U. Berghaus in Berlin, Dr. E, Engel in Dresden, Dr. L. 
Seemann in Hannover, Dr. P, von Siek in Stuttgart, und K.v. Spruner in 
München, der Gesellschaft ihren besonderen Dank für die Wahl zu Ehren- und 
eorrespondirenden Mitgliedern ausgedrückt haben, und legte die seit der letzten 
Versammlung der Gesellschaft zugekommenen Druckschriften vor; darunter 
mehrere Geschenke von den Herren: Dr. Grewinck in Dorpat, seine eigenen 
geographischen Publieationen, Professor Dr. J. Nardi in Padua, E. v. Zuchold 
in Leipzig, Freiherr v. Hingenau, K. Schmutz, dessen historisch topographi- 
sches Lexikon von Steiermark in 4 Bänden; im Tausche gegen die eigenen Pub- 
lieationen sandten ihre Druckschriften die Gesellschaften, Institute, Handelskam- 
mern u. s. w. zu Agram, Breslau, Gratz, Klagenfurt, Krakau, Leoben, Linz, Lon- 
don, Padua, Prag, Wien u. s. w. Herr Foetterle legte auch die erst vor Kur- 
zem vollständig von Herrn Hartleben herausgegebene, und von Hrn. Dr. H. 
Berghaus bearbeitete vierte Auflage von „Balbi's allgemeiner Erdbeschreibung“, 
dieses so allgemein verbreiteten und geschätzten Handbuches der Geographie, 
zur Ansicht vor. 

Der Professor der Naturgeschichte am k. k, Ober-Gymnasium zu Troppau, 
Herr Ludwig Heinrich Jeitteles sendete folgende Mittheilung über das am 15. 
Jänner 1, J. in Mähren, Schlesien und Ungarn stattgehabte Erdbeben mit Rücksicht 
auf Schlesien an Herrn Seeretär Foetterle für die k. k. geographische Ge- 
sellschaft. 

„Das Erdbeben vom 15. Jänner, welches von dem Trentschiner oder einem 
benachbarten Comitate Ungarns ausgegangen zu sein scheint und in Westgalizien, 
preussisch Schlesien und Mähren wahrgenommen wurde, hat sich auch bei- 
nahe in ganz österreichisch Schlesien fühlbar gemacht. Aus den uns von Seite 
des hohen k. k. Landes-Präsidiums bereitwilligst mitgetheilten ämtlichen Berich- 
ten und aus zahlreichen Privatnachriehten, die wir aus allen Theilen unseres 


En 


60 Versammlung am 9, Februar 1858. 


Kronlandes erhielten, ergiebt sich in Beziehung auf Stärke, Ausdehnung der Er- 
schütterung ete. ungefähr Folgendes : 

In den westlichsten Bezirken des k. k. Schlesien, Jauernig und Weidenau, 
wurde es beinahe gar nicht verspürt. Nur in Wildschütz, eine Stunde südöstlich 
von Johannesberg entfernt, wurde in der Pfarrei, in der Schule und im gräflichen 
Schlosse eine schwankende Bewegung bemerkt, Im Bezirk Zuckmantel scheint 
gleichfalls nichts bemerkt worden zu sein. In Freiwaldau hingegen wurden zwei 
Erdstösse deutlich verspürt, die so heftig waren, dass eingeklinkte Thüren sich 
von selbst öffneten. Auf dem nahen Graefenberge hat man nicht das mindeste 
wahrgenommen. Im Bezirk Hotzenplotz wurde die Erschütterung an mehreren 
Orten, besonders deutlich in Hotzenplotz selbst beobachtet. Ebenso in der Stadt 
Olbersdorf. Was den Freudenthaler Bezirk betrifft, so empfand er die Wirkungen 
der Stösse ziemlich lebhaft. In der Stadt Freudenthal wurden sie deutlich wahr- 
genommen von dem Hrn. Dechant, dann im Hause der Deutsch-Ordensschwestern, 
welche gerade auf dem Chore in der Kirche beteten, als die Erschütterung so 
heftig erfolgte, dass die meisten Schwestern erschreckt aufsprangen, da sie ein 
Einstürzen des Chores befürchteten. Auf dem vulkanischen Köhlerberge bei 
Freudenthal, der freilich bis auf das Wirthshaus im Winter unbewohnt ist, wurde 
das Erdbeben nicht bemerkt. In Engelsberg wurde ebenfalls nichts wahrgenom- 
men; in Würbenthal jedoch hat man das Schwanken der Erde mit Sicherheit 
empfunden, während Karlsbrunn davon unberührt geblieben zu sein scheint. Sehr 
deutlich wurden die Stösse an vielen Orten des Bezirkes Bennisch empfunden, 
besonders in Raase, worüber wir jedoch nähere Auskunft noch erwarten, und in 
Spachendorf. An letzterem Orte, weleher schon in der Nähe des vulkanischen 
Rautenberges liegt, wurde die Erschütterung namentlich stark in der Spinnfabrik 
gefühlt. Bilder an der Wand, Teller und Gläser auf den Tischen sollen sich sehr 
lebhaft bewegt haben, Holzstösse wurden auseinander gerüttelt; einige Arbeiter 
verloren die Werkzeuge zwischen den Händen, andern rutschte der Stuhl unter 
ihrem Körper weg. In dem Dorfe Rautenberg selbst scheint nichts verspürt wor- 
den zu sein; nur wenig scheint man in Heidenpiltsch gefühlt zu haben. Diese 
beiden Orte liegen schon in Mähren. In Hof, ebenfalls in Mähren, nicht weit vom 
Rautenberg, wurden mehrere rüttelnde Stösse empfunden. In der Nähe von Hof 
hörte man dabei ein sehr starkes „lang nachhaltendes, gewitterähnliches Brausen 
und Donnern.“ In der Stadt Jägerndorf nahm man zwei sehr deutliche wellenför- 
mige Erdstösse wahr. In der Wohnung des Wächters am Stadtthurme fiel ein 
Käfig herab. Dasselbe geschah in mehreren Privathäusern; in einigen blieben 
Vögel in Folge der Erschütterung beim Herabfallen todt im Käfig liegen. 

Die Erschütterung wurde im Jägerndorfer Bezirk noch verspürt zu Brans- 
dorf, besonders im obern Dorf, ebenso in Braunsdorf; an letzterem Orte wurden 
zwei sehr heftige Stösse bemerkt, die sich um halb zwei Uhr Nachts wiederholt 
haben sollen. In Troppau empfand man die Ersehütterung in sehr vielen Häusern 
deutlich, in wenigen gar nicht. Besonders waren es die einzeln stehenden und 
Eckhäuser, welche das Beben der Erde lebhaft fühlen liessen. Hier, wie überall, 
wurde die Erschütterung deutlicher in den oberen Stockwerken als in den Erd- 
geschossen wahrgenommen. In mehreren Häusern fingen die Glocken von selbst 
zu läuten an, in anderen blieben Pendeluhren stehen, Möbel auf Rollfüssen (Cla- 
viere, Faufeuilles ete.) glitten am Boden fort, leichte Gegenstände wurden von 
höheren Standpuneten herabgeworfen, in einem Hause wurde Wasser aus einem 
Topfe vor den Augen der Frau verschüttet, Mehrere schlafende Personen erwach- 
ten in Folge der Stösse, einige wurden beinahe aus dem Bette geworfen, wach 


L. H, Jeitteles, 61 


im Bette liegende Personen hatten das Gefühl, als ob „irgend ein grosses Thier 
zu wiederholten Malen das Bett zu heben versuche.“ Viele, besonders stehende 
Personen, verglichen ihre Empfindung mit der auf einem schaukelnden Schiffe, 
viele glaubten, der Zimmerboden wolle einsinken. In vielen Häusern nahm man 
deutlich ein Krachen und Klirren, in anderen ein dumpfes Rollen, wie von einem 
schwer beladenen Wagen wahr. Ein Arbeiter am Bahnhofe, der gerade im Freien 
war, hörte einen Knall wie einen entfernten Kanonenschuss, mit lange anhalten- 
dem Nachhall. In der Nähe von Troppau wurde die Erschütterung noch bemerkt 
zu Stibrowitz, Schlackau, Leitersdorf, Eekersdorf, Gilsehwitz und Grätz, ferner 
zu Radun (hier sehr stark), Kyowitz, Hoschitz in preussisch Schlesien, Neu- 
kirchberg (hier ziemlich stark, so dass sich Thüren öffneten), Katscher (wo im 
Pfarrgebäude Risse und Sprünge in Zimmern entstanden), in Dirschel und an 
anderen benachbarten Orten preussisch Schlesiens. Im Bezirke Wigstadtl wurde 
das Erdbeben an mehreren Orten, jedoch nieht in der Stadt Wigstadtl wahrge- 
nommen, während es in Oberdorf-Wigstadtl empfunden ward. In den Bezirken 
Wagstadt und Königsberg wurde es an mehreren Orten deutlich gefühlt. Im Be- 
zirke Odrau wurden die Erdstösse mehr in den tiefer gelegenen Orten, besonders 
an der Oder, als in den höher gelegenen Gebirgsdörfern verspürt. Besonders 
heftig waren sie zu Neumark bei Odrau, wo die Leute erschrocken aus den Häu- 
sern flüchteten. In Friedland, Mistek und Ostrau wurden mehrere (3—4) starke 
Schwingungen empfunden; in Witkowitz will man nichts beobachtet haben. In 
dem Zechenhause der zu Witkowitz gehörigen Hruschauer Grube nahm man zwei 
Erdstösse wahr, die von einem dem Rollen eines schnell fahrenden Wagens ähn- 
lichen Getöse begleitet und so heftig waren, dass sich die in den Mauern schon 
vorhandenen Sprünge ansehnlich erweiterten. In Mistek wurde während der 
Schwingungen ein eigenthümliches Knistern und Klirren gehört. Im Teschner 
Kreise machten sich die Erdschwankungen ferner noch bemerkbar in den Bezir- 
ken Oderberg, Freistadt, Skotschau und Friedeck. In der Stadt und im Bezirk 
Teschen nahm man zwei Stösse sehr deutlich wahr, wovon der erste der stärkere 
war. Heftig war die Erschütterung in der Stadt Bielitz und Umgegend. In Bie- 
litz knarrten Zimmer- und Hausthüren und sprangen mitunter auf; Wanduhren 
schlugen an, Bilder fielen von der Wand. Sehr heftig scheint die Erschütterung 
in Jablunka und Umgegend gewesen zu sein, obwohl in mehreren Häusern nichts 
verspürt wurde. In vielen Häusern bemächtigte sich (wie es in den ämtlichen 
Berichten heisst) Angst und Entsetzen der Bewohner, von denen einige aufspran- 
gen und die Flucht ergriffen, während andere — der Sitte des Landes gemäss 
— geweihte Kerzen anzündeten. 

Die Richtung der Stösse wird, wie natürlich, sehr verschieden an- 
gegeben und wurde am häufigsten gar nicht beobachtet. In Troppau selbst wird 
sie theils als von NW. gegen SO., theils von NO.—SW. gehend angegeben; nur 
Wenige wollen eine westöstliche oder nordsüdliche Richtung bemerkt haben. In 
Freistadt, Mistek, Schwarzwasser, Wagstadt und Oderberg, sowie in Freiwaldau, 
Freudenthal, Hoschitz war die Richtung ostwestlich; in Bielitz,, Königsberg, 
Radun, Jägerndorf, Obersdorf, Wildschütz ging sie von SO.—NW.; in Skotschau, 
Friedeck, Odrau, Olbersdorf, Neu-Kirchberg von NO.—SW.; in Teschen von 
WNW.—0S0; in Ostrau von N—S. 

Was die Zeit des Eintreffens der Stösse betrifft, so liegen wenig 
vollkommen genaue Angaben vor. In Teschen sollen sie um 8? 23" erfolgt sein. 
In Mistek war es nach Angabe des Herrn Apothekers Schwab 8? 20' (Orts- 
zeit), in Oderberg nach der Beobachtung des Herrn Ingenieurs Kutilek 8? 10', 


62 Versammlung am 9, Februar 1858, 


in Ostrau (nach Angabe des Herrn Hütten -Rechnungsführers Naprawnik in 
Witkowitz) 8" 10° (nach der Bahnuhr), als die Ersehütterung stattfand. In Bie- 
litz ist sie nach dem ämtliehen Berichte um 8" 28’, in Friedeck ebenfalls nach 
dem oflieiellen Bericht um 8° 20" wahrgenommen worden. Die ‚Troppauer k.k. 
Telegraphen-Stationsuhr zeigte im Momente der Stösse 8" 20' (Prager Zeit), 
während genau gehende Taschen- und Pendeluhren 8" 30° (Ortszeit) angaben, 
Die Uhr der Spinnfabrik zu Spachendorf zeigte im Momente des Erdbebens 
8b 40°. Die durch die Erschütterung stehen gebliebene Pendeluhr des Herrn 
Oekonomiebesitzers Hein in Schlackau wies 8" 20'. 

Wollte man aus diesen Daten die (mittlere) Geschwindigkeit in der Fort- 
pflanzung der Erdbebenwellen berechnen, so erschiene sie auffallend klein, unge- 
fähr 1/, Meile in einer Minute, 200 Fuss in der Seeunde. 

Allgemein wurde ein auffallendes Sinken des Barometerstandes unmit- 
telbar nach der Erscheinung und in den nachfolgenden 24 Stunden beobachtet. 
So namentlich zu Troppau, Teschen, Oderberg, Bielitz, Schlackau und selbst zu 
Zuekmantel. „ 

An den meisten Orten erhob sich nach vorangegangener Wind- 
stille ein Südwestwind unmittelbar nach dem Beben der Erde. So hier in 
Troppau, wo gleich nach dem Stoss ein Siroceo-ähnlicher Wind aus dieser Welt- 
gegend sieh mit Heftigkeit einstellte, so zu Schlackau, Königsberg, Oderberg, 
Freudenthal. In Teschen und Odrau wehte schon früher Südwestwind, der aber 
gleich nach der Erschütterung in Sturm überging. In Schwarzwasser schlug der 
von SW. nach NO. wehende Wind im Augenblicke der Erschütterung in Sturm 
um, welcher jedoch wenige Minuten nachher wieder verschwand, In Wildschütz, 
dem einzigen Orte im Bezirk Jauernig, wo das Ereigniss beobachtet wurde, war 
(nach dem Berichte des Herrn Pfarrers Kunert), der Stoss selbst mit einem 
heftigen Windstosse, der unmittelbar darauf folgte, fast wie vereint. In Mistek 
schlug der Wind von NW. in SW. um (nach Herrn Apotheker Schwab). In 
Freiwaldau wehte NW., in Wigstadtl NO., in Bennisch Westwind. 

Sehr merkwürdig ist die Einwirkung des bei uns so seltenen Natur- 
ereignisses auf Quellen. Das Wasser eines dreizehn Klafter tiefen Brunnens 
auf dem Gute des Hrn. Hein in Schlackau, der nach dem Zeugnisse des Besitzers 
stets das reinste und beste Wasser gab, war zwei Tage nach dem Erdbeben hin- 
durch getrübt und milchfarbig. Ein sieben Klafter tiefer Brunnen in Hof, dem 
Hrn. Hanel gehörig, gab (nach Mittheilung des Hrn, Apothekers Lauffer) am 
Tage nach der Erschütterung trotz vielfacher Anstrengungen beim Pumpen keinen 
Tropfen Wasser. Erst am 17. zu Mittag stellte sich wieder etwas Wasser ein, 
welches jedoch bis auf den heutigen Tag nur spärlich fliesst, während der Brun- 
nen früher eine bedeutende Wassermasse lieferte. Der 28 Klafter tiefe Brunnen 
des Wirthshauses am Köhlerberg bei Freudenthal, welcher immer reichlich Was- 
ser lieferte, gibt (nach Mittheilung des Hın. Dr. Kubin) seit dem Erdbeben so 
wenig Wasser, dass von dem Eimer kautn der dritte Theil gefüllt zu Tage kommt, 
während das Wasser sonst 2 Klafter über demBoden stand. Das Wasser in dem 
Pumpbrunnen der Pfarrei in Deutsch-Neukirch (preussisch Schlesien), welches 
sonst sehr klar und wohlschmeekend ist, hatte am Morgen nach dem Erdbeben 
einen unangenehmen Beigeschmack nach Schlamm, der sich aber Nachmittag 
wieder verlor. 

Noch müssen wir erwähnen, dass in der Stunde des Erdbebens von mehre- 
ren Aufsehern der k. k. Finanzwache an zwei Orten in der nächsten Nähe von 
Troppau ein sehr grosses Feuermeteor (nicht deutlich begränzt) unter Zu- 
rücklassung eines Schweifes senkrecht herabfallend beobachtet wurde.“ 


W. Haidinger. 63 


Aus einem gnädigsten höchsteigenhändigen Schreiben eines durchlauchtig- 
sten Ehrenmitgliedes unserer Gesellschaft, Seiner kaiserlichen Hoheit des Herrn 
Erzherzogs Johann, gibt Herr Seetionsrath Haidinger Nachricht über ein Ter- 
rain-Modell, das auf Grund von horizontalen Schichten - Aufnahmen von der 
damals zur Befestigung angetragenen Gegend von Schabs bei Brixen in Tirol, in 
der Wohnung Seiner kaiserlichen Hoheit in der k. k. Hofburg in Wien ausge- 
führt wurde und sich gewiss noch in den Modellen-Sälen der k. k. Ingenieur- 
Akademie befindet; „das Terrain wurde aufgenommen und nach horizontalen 
Schichten nivellirt. Diese Arbeit wurde nun modellirt, nemlich inder Art, dass man 
auf dem Plan, nach den Horizontal-Sehiehten (man hatte dieselben rücksichtlich 
ihres Höhenunterschiedes auf 1 Klafter angenommen, nach der Linie wie sie 
die horizontale Riehtung gab) Pappendeckel ausschnitt und auf einander klebte. 
DieDicken der Pappendeckel stimmen nach dem angenommenen Maasstabe mit der 
Höhe einer Klafter überein, So bildeten sich Höhen und Tiefen nach ihrer eigen- 
thümlichen Gestalt. Hättemansich damit begnügt, so hätten sich Stufen ergeben; 
um diesen zu begegnen und die Wirklichkeit darzustellen, wurden die Räume 
mit Wachs ausgegossen und nach ihren Umrissen abgerundet, wodurch sich die 
in der Wirklichkeit bestehenden Terrains-Böschungen ergaben.“ Auf diese 
Grundlage war es Seiner kaiserlichen Hoheit ein Leichtes , Seiner Majestät dem 
höchstseligen Kaiser Franz, der das Modell damals besichtigte, so gut wie an 
Ort und Stelle selbst, was man zu befestigen beabsichtigte, zu erklären. Die Ar- 
beit selbst, auf welche grosse Genauigkeit, Mühe und Fleiss verwendet worden, 
war zur vollen Zufriedenheit Seiner kaiserlichen Hoheit ausgefallen. 

Herr Sectionsrath Haidinger fügt hinzu, dass gewiss auch diese wohl- 
wollende Mittheilung an ihrem Orte in unseres hochverehrten Herrn Vicepräsi- 
denten A. Steinhauser historischen Mittheilungen über die Anwendung der 
Horizontal-Sehichten-Aufnahmen einen denkwürdigen Abschnitt bilden würde. Uns 
allen aber ist sie ein wahrhaft erfreulicher Beweis der hohen Theilnahme, welche 
unser durchlauchtigstes Ehrenmitglied selbst dem Berichte über unsere Sitzungen 
in der Wiener Zeitung angedeihen lässt, welehe doch nur sehr fragmentarisch 
die Vorgänge ausdrücken. 

Herr k. k. Sectionsrath Haidinger legte die im Verfolge der ersten in 
der Sitzung der k. k. geographischen Gesellschaft am 17. Jänner überreichten 
Blätter, die neuerlichst von Herrn Ant. Ravenstein eingesandten „Erläuterun- 
gen zu Major August Papen’s Höhen-Schiehtenkarte von Europa“ in mehreren 
Exemplaren vor, welche auch als Subseriptionseröffnung (12 Blätter, einzeln 
1 Thaler 6 R. G., zusammen 12 Thaler) gilt. Als namhaftesten Theilnehmer in 
einem vorläufigen Subseribenten - Verzeichnisse mit 25 Exemplaren freut sich 
Haidinger, unser eigenes hohes k, k, Ministerium für Cultus und Unterricht ge- 
nannt zu sehen. Dieses schöne Beispiel wird hoffentlich dem so verdienstvollen Unter- 
nehmen guteFrüchte bringen. Nebst jener Subseription ist die Kartenoch zur An- 
schaffung für die Schulen des Kaiserreiches empfohlen. Auch zwei k. k. Prinzen 
und Evzherzoge Stephan (3 Exemplare) und Joseph zieren das Verzeichniss. 
Ihre Majestäten die Könige von Preussen und Hannover (jeder 10 Exem- 
plare) und viele königliche und fürstliche Personen. Die „Erläuterungen“ geben 
den Maasstab 1: 1,000.000; auch, und zwar letzteres aus Veranlassung einer 
Bemerkung A. v. Humboldt’s, ein Farbenschema im Niveau-Durchschnitte von 
dem Spiegel der Nordsee (Cuxhafner Pegel) beginnend, von 0 bis 500 Fuss mit 
100 Fuss Unterschieden, dann von 500 bis 5000 Fuss Seehöhe mit Unterschie- 
den von 500 Fuss; endlich bei den grösseren Höhen mit 5000 Fuss Unterschie- 


64 Versammlung am 9, Februar 1858. 


den. Da überhaupt Farben noch wenig verwendet wurden, so schlägt Herr Major 
Papen vor, die hier gewählten auch späterhin möglichst allgemein als Normal- 
farben anzunehmen. 

Aus einem soeben von Sir Roderik Murchison erhaltenen Briefe vom 
4. Februar theilt Herr Sectionsrath Haidinger Folgendes mit: 

„Unser grosser afrikanischer Entdecker Livingstone segelt am 15. d.M. 
von hier ab, und wir geben ihm noch ein Abschiedsfestmahl, bei dem ich den 
Vorsitz führe. Ich hoffe, Sie haben bereits sein höchst interessantes Werk gele- 
sen, das er mir widmet. Er wird begleitet sein von einem guten Naturhistoriker 
Kirk, einem Geologen und Bergmann Thornton, einem Maler Baines und 
einem guten Seemann, Commandeur Redingfield von der königlichen Marine. 
Er ist zum Consul in den dortigen portugiesischen Colonien ernannt, wird sie 
aber bald wieder verlassen, um sich in das grosse Innere zu vertiefen. 

Herr k. k. Rath Steinhauser zeigte jene Schichtenaufnahmen und 
Schiehtenkarten, sowohl auf Nivellement begründete, als zur Uebersicht bearbei- 
tete, vor, welche er bei seinem letzten Vortrage in der Versammlung am 
19. Jänner wegen Abwesenheit des Herrn Feldmarschall-Lieutenants von Haus- 
lab nicht benützen konnte. Sie bestehen aus dem damals erwähnten Niveauplan 
von Eperies, Aufnahmen des Bombardiereorps (Laaer Berg), der türkischen 
Generalstabsschüler, des Erzberges bei Eisenerz. Bei dieser Gelegenheit wurde 
nachträglich erwähnt, dass durch die Bemühungen des Herrn Prof, Winkler 
vonBrückenbrand an der Mariabrunner Forstschule die Aufnahme in Sehich- 
ten schon frühzeitig im Forst- und Bergwesen Platz griff, und schon im Jahre 
1811 (mach einem Vorschlage Mayer's 1810) die Aufnahme des Weidlingauer 
Reviers, obwohl nach eigenem Geständnisse Winkler’s damals mit nicht ent- 
sprechendem Erfolge, versucht‘ wurde. Ein Modell in Holzschichten des Ischler 
Salzberges befindet sich in Hallstadt. 

Ferner wurden vorgewiesen ein Schichtenplan von Madrid, in Curven von 
10 Fuss Distanz (1848) von Coello und Madoz, Aufnahmskarten in grossem 
Maasse von dänischen Kirehspielen (*/z0000, 5 Sehiehten und mit Culturfärbung)) 
1 Blatt von der dänischen Generalstabskarte (Blatt Kopenhagen 1/0000) und 
2 Blätter der dänischen Generalstabskarte in 1/sooo, mit 5 Schichten, die bereits 
über die Grenze schreiten, welche das deutliche Erkennen der Curven setzt. 
2 Blätter der Karte des Cantons Zürich (*/ss000 mit Schichten von 10 Metres 
Distanz und Culturfärbung), mit rothbraunen eingedrückten Curyen von vortreff- 
licher Ausführung auch im See fortgesetzt, und 1 Blatt der Karte von Schottland 
(*/sosoo, mit 50° Schichten). 

Als Beispiele der successiven Ausbildung wurden vorgewiesen: Dupain- 
Triel's Karte von Frankreich 1802, eine spätere Bearbeitung nach Berghaus 
(vom Herrn FML. Hauslab), Olsen’s Karte von Europa (1830), schwarz 
und colorirt; 1 Blatt der geologischen Karte vonNorwegen, vonKeilhau(1849); 
die Karte von Liefland, von Rothleff; vom Kiffhäuser Gebirge, von Wolf 
(Papen’s Arbeiten waren schon in der vorigen Versammlung zur Ansicht gelangt). 
Zuletzt kamen an die Reihe Chartier, Heft über Situationszeichnung mit dem 
absonderlichen Schiehtenkopfe, und einige wenige Blätter aus den zahlreichen 
Studien des Herrn FML. Ritter von Hauslab, und aus dem Atlas der türki- 
schen Generalstabsschule. 

Der k. k. Artillerie-Hauptmann und Professor an der k. k. Kriegsschule, 
Hr. J. Cybulz, theilte mit, dass er bereits seit mehreren Jahren sich mit der An- 
wendung der Plastik beim Unterrichte in der Darstellung des Terrains beschäftigt, 


J. Oybulz. W. Kiesewetter. 65 


und gestützt auf eine wissenschaftliche Grundlage bei seinen Vorträgen über 
Terrainlehre diesen durch Erfahrung erprobten Unterrichtsvorgang beobachte. 
Herr Cybulz hat diesen Gegenstand zu seinem speeiellen Studium gemacht, und 
glaubt erfolgreiche Resultate bereits erzielt zu haben. Geometrisch eonstruirte 
Grundformen, ihr Uebergang zu natürlichen Theilen des Terrains und zwar je 
nach dem Zwecke in grossem, mittlerem und kleinem Maasse, welche nach den 
bekannten Methoden aufgenommen und plastisch sowohl nach Horizontalschich- 
ten als auch frei abgebildet und galvanisch zu vervielfältigen waren, bilden das Ma- 
terial für eine Unterrichtsmethode, welche die Anwendung gezeichneter oder auch 
gedruckter Vorlagen beim Unterricht entbehrlich macht. Mit der gesteigerten 
Entwickelung der Topographie, von welcher uns die Leistungen der österreichi- 
schen, englischen, französischen und deutschen topographischen Institute, des 
Herrn J. M. Ziegler in Winterthur, des Herrn k. k. Majors Scheda u. s. w. 
Zeugniss geben, tritt auch das Bedürfniss der plastischen Darstellung des Terrains 
bei dem Unterrichte immer mehr in den Vordergrund und findet auch bei den 
verschiedenen Unterrichtsanstalten immer mehr Beachtung, nur sollte in der prak- 
tischen Durchführung zur Erreichung von entsprechenden Resultaten die mecha- 
nische Fertigkeit bei der Darstellung mit der Ausbildung des Formensinnes gleich- 
zeitig geschehen, was herbeizuführen Herr Hauptmann Cybulz zur Aufgabe sich 
gemacht hat. Wie weit ihm diess gelungen, wird er durch Vorlage mehrerer 
zu diesem Zwecke ausgeführter plastischer Terrainmodelle nächstens zu zeigen 
versuchen. 

Herr W. Kiesewetter aus Berlin zeigte eine Reihe seiner „ethnographi- 
schen Reisebilder“ vor, welche er auf seinen vieljährigen Reisen zu sammeln Ge- 
legenheit hatte. In fünfzehn Jahren, von 1838—1853 durchwanderte er Schwe- 
den und Norwegen, einen grossen Theil des europäischen Russland, das mittlere 
Asien, die Tartarei, den Kaukasus und die Krimm, und hielt sich hier stets durch 
längere Zeit bei den Kalmüken, Kirgisen, Kurden, Persern, den Feueranbetern, 
Armeniern, Tartaren u. s. w. auf. Sein Zweck hiebei war, sich naturgetreue 
bildliche Darstellungen der verschiedenen Völkerstämme, ihrer Sitten und Ge- 
bräuche, ihrer Wohnungen und Tempel u. s. w. zu verschaffen. Die auf 
diese Art gesammelten, wahrhaft ethnographischen Reisebilder hatte nun Herr 
Kiesewetter seit der Rückkehr von seinen Reisen vielfach zur allgemeinen 
Kenntniss zu bringen Gelegenheit gehabt. Indem er mit denselben einen grossen 
Theil von Schweden, Dänemark, Norddeutschland durchreiste, hatte er die 
grosse Befriedigung, dass sie überall beifällig aufgenommen wurden. Grosses 
Interesse hatten sie bei Sr. Majestät dem Könige von Preussen, dem er sie vor- 
zulegen die Ehre hatte, erregt. Auch A. v. Humboldt und K. Ritter hatten 
über den wissenschaftlichen Werth derselben sich ungemein günstig öffentlich 
ausgesprochen; und ebenso wurde ihre künstlerische Ausführung als Oelgemälde 
anerkannt. Die Auffassung in der Darstellung der Gegenstände ist keineswegs 
ideal, sondern trägt überall den Charakter des Naturgetreuen, wodurch der wis- 
senschaftliche Werth dieser Sammlung ungemein vergrössert wird. Herr Kiese- 
wetter begleitete die Vorlage seiner Reisebilder mit der geschichtlichen Dar- 
stellung jedes Bildes. Ueber die auf den Wolgasteppen nomadisirenden Kalmüken 
enthält die Sammlung mehrere Darstellungen; so unter andern die Gemahlin des 
regierenden Fürsten an der Spitze der wandernden Horde; den Kampf der 
Frauen und Jungfrauen um die Braut bei Gelegenheit der Hochzeit; die Bestra- 
fung der Hausgötzen; einen musikalischen Wetteifer mit ihren eigenthümlichen 
Instrumenten; ferner ein Modell ihrer aus künstlich aneinandergefügten Stäben 

Mittheilungen der k. k, geogr. Gesellschaft. II, Bd. 1. Heft. 


66 Versammlung am 9. Februar 1858. W. Kiesewetter. 


bestehenden und schnell transportirbaren Zelte, sowie der hölzernen Betmaschine. 
Herr Kiesewetter zeigte ferner die Abbildungen der Sommer- und Winter- 
wohnungen (letztere Erdhöhlen) und mehrere Porträte der am Fusse des Ararat 
wohnenden Kurden , sowie mehrere Sittengemälde der Lappländer vor; endlich 
Gemälde, die Sitten und Gebräuche der Tartaren in der Krimm, ihre Dörfer 
u. s. w. darstellend, sowie Abbildungen des Palastes der Tartaren-Chane zu 
Baktschisarai, dessen goldenes Zimmer, Fontainen- Zimmer, Thränenquelle 
u. s. w. Die ganze Sammlung, von welcher nur ein Theil vorgezeigt wurde, be- 
steht aus mehr als 125 Gemälden und Modellen. 


Dr. A. Freih. v. Helfert. Foetterle. Urlinger. 67 


Versammlung am 2. März 1858. 


Der Vicepräsident HerrDr. A. Freiherr von Helfert führte den Vorsitz 
und eröffnete die Sitzung mit der Mittheilung, dass auch Seine kaiserliche Hoheit 
der Durchlauchtigste Herr Erzherzog Carl Lu dwig der Gesellschaft als Ehren- 
Mitglied huldvollst beigetreten sind, und las das folgende hierauf bezügliche 
Schreiben vor: 

„Seine kaiserliche Hoheit der Durchlauchtigste Herr Erzherzog Car| 
Ludwig haben huldvollst geruht, als Ehrenmitglied der k. k. geographischen 
Gesellschaft b eizutreten. “ 

„Indem sich der Unterzeichnete beehrt, hievon die höflichste Anzeige zu 
erstatten, wurde demselben der höchste Auftrag zu Theil, Euer Hochwohlge- 
boren als dem dermaligen Präsidenten die besten Wünsche für das Gedeihen 
der k. k. geographischen Gesellschaft auszusprechen.“ 

Genehmigen Euer Hochwohlgeboren den Ausdruck der vollsten Hoch- 
achtung, womit sich zeichnet Euer Hochwohlgeboren ergebenster 

ö M. Hornstein. m/p. 

Über Antrag des Herrn Vorsitzenden drückte die Versammlung durch all- 
gemeines Aufstehen ihren Dank für diese ihr zu Theil gewordene Ehre aus. 

Über Antrag des Ausschusses wurden den Statuten gemäss die Herren 
Th. Potyka, Ingenieur der k. k. pr. Kaiser Ferdinands Nordbahn, K. Schwarz, 
Ingenieur Assistent der k. k. pr. Kaiser Ferdinands Nordbahn, und Dr. A. 
Scholz in Prag, zu ordentlichen Mitgliedern der Gesellschaft gewählt. 

Herr Secretär Foetterle theilte mit, dass das ordentliche Mitglied, Herr 
Georg Schwarz mehrere äusserst werthvolle Werke der Gesellschaft zum 
Geschenke gemacht habe, u.z. die Jahrgänge 1830 bis 1833 des „Asiatie Journal 
and Monthly Register for British and foreign India, China and Austral Asia “; 
ferner 44 Bände des „Journal des voyages“ von 1819 bis 1829, und die Fort- 
setzung desselben als „Revue des deux mondes“ von 1830 und 1831; das voll- 
ständige Werk „Kritischer Wegweiser im Gebiete der Landkarten-Kunde“ be- 
stehend aus 7 Bänden, in den Jahren 1829 bis 1835 von Herrn Dr. H. Berg- 
haus, eine Manuskript-Karte der Provinz Schantong, nebst der dazu gehörigen 
Halbinsel Laitschen, vor mehr als 150 Jahren von einem katholischen Missionär 
in China entworfen, und eine von den Jesuiten in Peking herausgegebene 
Himmelskarte, mit der für jene Zeit so höchst merkwürdigen Linearverbindung 
der Gestirne. 

Da diese Werke sowohl durch ihren inneren Gehalt, wie durch die 
Seltenheit für die Gesellschaft von hohem Interesse und Werthe sind, so drückte 
die Versammlung, über Antrag des Herrn Vorsitzenden, Herın G. Schwarz 
für das werthvolle Geschenk dureh Erheben von den Sitzen ihren besonderen 
Dank aus. 

Herr Foetterle theilte den Inhalt einer von Herrn Dr. Scherzer 
von Point de Galle an die k. k. geographische Gesellschaft eingesendeten aus- 
führlichen Mittbeilung über die von der k. k. Fregatte „Novara“ ausgeführten 
Untersuchungen auf den beiden Inseln St. Paul und Amsterdam mit. (Siehe 
Abhandlungen dieses Jahrganges, 1. Heft, Nro. VI. Seite 104.) 

Herr P. Urlinger, Benefiziat in Gresten, sandte folgende Mittheilung 
über die Höhenbestimmungen des Gross-Glockners ein, welche Herr 
Secretär Foetterle vorlegte. 


Mittheilungen der k. k. geograph ‚Gesellschaft, 11. Bd. 2. Heft, 6 


68 Versammlung am 2, März 1858. 


„Wenn schon die Kenntniss der Berg-Höhen überhaupt für den Geographen 
wie für den Naturforscher von grossem Belange ist, so ist diess um so mehr bei 
jenen der Fall, welche nicht blos zu den höchsten eines Landes, sondern eines 
ganzen Welttheiles zählen, die nicht dem Anwohner allein, sondern in den 
weitesten Kreisen bekannt sind, und auf die Gebirgsfreunde der entferntesten 
Länder ihre Anziehungskraft üben, deren Höhenzahl schon in den ersten An- 
fangsgründen der Erdbeschreibung vorkommt. Zu diesen gehört offenbar der 
Grossgloekner, der Grenzpunet dreier Kronländer, Tyrols, Kärnthens und 
Oesterreichs. Seine Höhe wird vom k. k. General -Quartiermeister-Stabe mit 
11.991 Wiener Fuss angegeben. Da ihn die Ortles-Spitze in Tyrol nach den- 
selben Bestimmungen um 361 Fuss überragt, ward er bisher allgemein als 
der zweite höchste Gipfel des Kaiserthums angesehen, bis vor kaum einem 
Decenium (1848) durch die Gebrüder Herren Sehlagintweit diese (Ortles) 
als höchste Spitze degradirt, und dem Glockner das Primat eingeräumt wurde, 
weil ihre Barometer-Messungen diesem 12.158 Pariser = 12.494 Wiener Fuss 
ausgewiesen hatten. Zwar erhielt auch Pater Sehiegg, gewesener Professor 
der Mathematik in Salzburg, auf dem Glockner ein ähnliches Resultat; allein 
theils interessirte man sich damals nicht so sehr dafür, theils war auch sein 
Name weniger bekannt, daher auch seine Angabe kaum beachtet wurde, Bei 
dem Rufe aber, den die Herren Sehlagintweit besitzen, bei der grössern 
Vorliebe für die Alpenwelt, die unserem Zeitalter eigen ist, und durch die 
erleichterte Communication unterstützt wird, konnte es auch nicht anders 
kommen, als dass diese neuere Höhenbestimmung in alle Verzeichnisse auf- 
genommen und von den meisten, die seitdem diesen Hochgebirgs-Gipfel er- 
stiegen, genannt, wenn nicht gar als die richtigere angeführt wurde, weil es 
ja ihrer Eitelkeit schmeichelte, auf der höchsten Spitze des weiten Kaiser- 
reiches, ja ganz Deutschlands gestanden zu haben. Nur zwei wissenschaftlicehe 
Celebritäten, nähmlich Herr Dr. Ant. von Ruthner, und Herr Professor F. 
Simony, beide, besonders aber ersterer in dem Glockner-Gebiete wohl bewan- 
dert, und daher hierin als Autoritäten geltend, haben sich bisher meines 
Wissens dagegen ausgesprochen. Obgleich ich diese Gegenden nie besucht, 
sondern nur aus den Landkarten kenne, wage ich es in bescheidener Entfernung 
mich diesen genanten Herren anzureihen, entschlossen, die genauen Bestimmun- 
gen des k. k. General-Quartiermeister-Stabes in keinem Falle in Zweifel ziehen 
zu lassen, und lege daher die Gründe auf die sich Herr Dr. Adolf Sehlag- 
intweit zu stützen sucht, allen Freunden der Gebirgswelt und der Natur- 
wissenschaften zur eigenen Beurtheilung vor. 

In dem I. Jahrgange (1850)1. Hefte derk.k.geologischen Reichsanstalt führt 
Herr Dr. Sehlagintweit Seite 127, nachdem er auf der vorhergehenden Seite 
den am Grossglorkner von ihm und seinem Bruder Hermann, und gleichzeitig in 
Klagenfurt von Herrn J. Prettner abgelesenen Barometer- und Thermometer- 
stand ete. angegeben, und daraus für die höchste Spitze des Glockner die Höhe 
von 12.158 Par. = 12,494 WFuss abgeleitet hatte, zu seiner Rechtfertigung 
folgendes an: 

„Eine barometrische Messung von Pater Schiegg ergab 11.982 Par. F. 
(11.313 W.) in Sehultes Glocknerreise 18041]. Bnd. p. 308. Seine Bestimmun- 
gen sind mit grosser Umsieht ausgeführt, ich muss jedoch bemerken, dass 
sie auch an andern Puncten stets etwas niederer sind als die unsrigen. Die cor- ' 
respondirenden Beobachtungen waren theils in Heiligenblut, theils in Salzburg 
angestellt; es lässt sich jetzt nach so langer Zeit nieht mehr wohl ermitteln, 
worin der Grund dieser Differenz liege. In dem Auszuge aus den Protokollen 


P. Urlinger. 69 


der k. k. Catastral-Landes-Vermessung von A. Baumgartner findet sich 
Seite 76 die Höhe von 1998.51 W.Klafter — 11.669 Par. Fuss.‘ 

„leh darf vielleicht bemerken, dass die Zahl in Wien.Klaft. 1998.51 von 
der Schiegg'schen Höhe in Toisen 1997,09 nur um 1.42 Einheiten abweicht 
Es wäre wohl möglich, dass man diese Schiegg’sche Bestimmung in den 
Höhen-Tabellen mit aufnahm, wobei jedoch übersehen wurde, dass seine An- 
gaben in Toisen, und nicht in Wiener-Klaftern sind. Indem man später in den 
Handbüchern das Wiener-Mass wieder auf Pariser-Fuss reducirte, musste 
natürlich die Höhe des Gross-Glockner weit geringer werden, als sie Schiegg 
angegeben hatte.“ 

Beleuchten wir diese Worte Herrn Schlagintweit's näher, so ist damit 
offenbar gesagt: Die Herren Oficiere des k. k. General-Quartiermeister-Stabes, 
‚ie in jener Gegend gearbeitet haben, hatten entweder die Spitze des Glockner 
gar nicht gemessen, und dafür die Schiegg’sche Zahl angenommen, oder weil 
wir ihnen eine solehe Behauptung doch nieht zumuthen wollen, oder zu ihrem 
Resultate jene Scehiegg'sche Bestimmung hinzugesetzt und überschen, dass 
diese in Pariser und nicht in Wiener-Mass ausgedrückt sei, oder es hatte diesen 
Fehler der berühmte Professor Baumgartner begangen, der die Protokolle 
des k. k. General-Quartiermeister-Stabes veröffentlichte. Keine dieser Behaup- 
tungen kann ınan von einiger Anmassung ganz frei sprechen. Hören wir weiter 
was Herr Schlagintweit als Grund seiner sonderbaren Vermuthung angibt. 

Pag. 128. „Wir könnten uns sonst nicht erklären warum die trefllichen Be- 
stimmungen des österreichischen General-Quartiermeister-Stabes gerade an die- 
sem Punkteso sehr von jenen P. Schiegg's “und den unsrigen abw eichen sollten.“ 

Darauf erlauben wir unsfolgendeszu erwiedern: Bei dem Rufe der Gelehr- 
samkeit der Herren Gebrüder Schlagintweit, muss es Jedem Wunder nehmen, 
dass sie sich die Abweichung einer einzigen Barometer-Messung von einer 
öfters wiederholten und gut eontrollirten trigonometrischen nicht sollten er- 
klären können. Die Herren Schlagintw eit haben als eorrespondirende 
Station Klagenfurt gewählt. Dieser Ort ist in horizontaler Riehtung eirca 171/, 
Meile, in Benlsschter Erhebung aber 10.587 Fuss von der Spitze des Glockner 
entfernt. Solltees nun Hrn. Dr. Sehlagintweit unbekannt sein, dass die Aende- 
rungen des Luftdruckes in so grosser horizontaler, und noch mehr in vertiealer 
Entfernung in ganz anderer Weise erfolgen als bei nahe und gleich hoch ge- 
legenen Orten, dass ferner die Amplitude der Barometer-Schwankungen schon 
auf geringeren Höhen wie der Glockner etwa 6000 bis 7000Fusshoch viel unbedeu- 
tender, mit einem Worte, dass der Gang des Luftdruckes auf solehen Höhen ein 
ganz verschiedener ist von dem in tiefer gelegenen Puncten. Ein einziger und 
nur oberflächlicher Blick auf eine graphische meteorologische Tabelle zeigt uns 

das. Wir fügen zu dem Ende eine solche Tabelle hei, den monatlichen per 
siehten der meteorologischen Central-Anstalt entnommen; in der die obere 
Zeichnung den Gang des Barometers während des Monats August 1856 zu 
Botzen 752 W.F. die untere jenen auf St. Maria am Stilfser-Joch 7.823 W.F. 
hoch darstellt. Es wurden dazu diese beiden Stationen gewählt, weil sie sowohl 
in horizontaler als in vertiealer Entfernung von einander günstiger gelegen sind 
als Klagenfurt und der Gross-Glockner. Die jedem Tage beigesetzte Zahl zeigt, 
wie viel Fuss der Fehler betragen würde, wenn an diesem Tage einer von 
diesen Punkten durch den andern barometrisch bestimmt worden wäre. Es ist 
einleuchtend, dass durch das Tagesmittel in dem sie dargestellt sind, der Fehler 
eher verringert als vergrössert wird. Die Instrumente sind übereinstimmend und 
mit denen derk.k. meteorologischen Central-Anstalt verglichen. Die Temperatur 
6* 


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.. 


70 Versammlung am 2, März 1558. 


ist berücksichtigt und mit eingerechnet. Die punetirten Linien zeigen die 
Temperatur an den beiden Orten an. 


August 1856. 


"ammuneoayy Opeıa 


Beträgtbeieinem vertiealen Abstande dieser beiden Orte von nur 7071-Fuss 
die Abweichung schon an 12 Tagen des Monats über 200, an zweien über 400, 
und an Einem Tage sogar über 600 Fuss, so muss diese zwischen Klagenfurt 
und dem Glockner, welche 10,587 Fuss abstehen, noch weit grösser sein, und es 
ist somit ein Fehler von 500 Fuss wie ihn Hr. Schlagintweit erhalten, für uns 
keineswegs eine unerklärbare Erscheinung wie für Jenen, sondern vielmehr 
müsste es ein seltener und überaus glücklicher Zufall sein, wenn man an einem 
Tage ein fehlerfreies Resultat erhielte. Es folgt aus diesem, dass eine einzige 
Barometer-Beobachtung auf so hohen Berggipfeln (wenn wir auch von den 
übrigen Mängeln dieser Art Höhenmessungen schweigen) kaum ein annäherndes 
Resultat gibt, und entweder sehr oft wiederhohlt, oder eine ziemlich gleich 
hoch gelegene eorrespondirende Station gewählt werden muss, will man der 
Wahrheit nahe kommen, und dass für uns noch immer die Höhen-Angabe des 
k. k. General-Quartiermeister-Stabes als massgebend erscheint, so lange Herr 
Dr. Schlagintweit nicht bessere Gründe dagegen vorzubringen weiss“, 

Herr k. k. Seetionsrath Haidinger legt die bisher erschienenen Liefer- 
ungen, 24 Bilder, des Prachtwerkes vor: „Aegypten, Reisebilder aus dem 
Oriente, dem hochgebornen Grafen Joseph Breunner hochachtungsvoll ge- 
widmet, nach der Natur gezeichnet und herausgegeben von Ludwig Libay. 
Wien 1857, Eigenthum und Verlag von Ludwig Libay“ ein werthvolles 
Geschenk für die k. k. geographische Gesellschaft und ihm von unserem Mit- 
gliede Herrn Grafen August Breunner übergeben, nebst einigen auf das- 
selbe bezüglichen Bemerkungen. 


W. Haidinger. 71 


„Wenn ich heute, mit der Befriedigung, welche unzertrennlich ist von der 
Erwerbung einer schönen, werthvollen Bereicherung unserer Bibliothek, der 
hochverehrten Gesellschaft dieses Werk vorlege, so bewegt mich zu gleicher 
Zeit so manche Beziehnung zu demselben, über welche ich gerne hier einige 
Worte anreihen möchte. Ich habe oben den vollständigen Titel des Werkes 
gegeben, den Namen des talentvollen Künstlers und Unternehmers zugleich mit 
dem eines in erster jugendlicher Manneskraft vor kurzem dahingeschiedenen 
Sprösslings eines in unserer Geschichte hervorragenden und hochverdienten 
mächtigen österreichischen Grafenhauses. Sie sind unzertrennlich, denn Graf 
Joseph Breunner war es, der unserem trefliiehen Libay die Möglichkeit 
-eröffnete, die Secenen zu sehen, die uns seine treue Hand mit wahrer künstleri- 
scher Weihe vor Augen führt, in dem er ihn als Begleiter auf einer bis nach 
Wadi Halfa ausgedehnten Jagdexeursion mit sich nahm. Es war diess zwischen 
dem 7. December 1855 und dem 21. Mai 1856. Am 17. war Alexändria 
erreicht, von wo die Bergfahrt von Kairo am 1. Jänner beginnend bis zum 
16. Februar, möglichst rasch durchgeführt wurde. Auf der Thalfahrt wurde 
öfters der Jagd wegen gelandet. Diess waren die günstigsten Augenblicke zur 
Entwerfung von Skizzen und Bilder. In Kairo hatte der Graf eine Nilbarke 
gemiethet. Nebst Herrn Libay, war nur noch der Jäger Anton Kriesel von 
Wien mitgekommen. Die übrige Bemannung bestand aus dem Dragoman, einem 
arabischen Koch und zehn Bootsleuten. Zwei Excursionen wurden noch von 
Benisuef aus nach Medinet in Fayum und dem See Möris, und sodann von Kairo 
nach Damiette und dem See Menzaleh unternommen. Am 27. April verliessen 
die Reisenden Alexandria, und kehrten über Smyrna, Constantinopel und Galatz 
nach Hause zurück. Die zahlreichen schönen Erfolge des Herrn Libay erfreu- 
ten sich des besonderen Beifalls des grossen Kenners Freiherrn von Prokesch, 
dessen „Erinnerungen aus Aegypten und Kleinasien“ im frühesten Mannesalter 
ein Pfand gaben für die Entwicklung seines thatkräftigen einflussreichen Lebens. 
Zu den „‚Erinnerungen“ vor mehr als einem Menschenalter geschrieben, geben 
Libay's Bilder wahrhaft künstlerische Erläuterung. Doch freuen wir uns zu 
entnehmen, dass dem Werke auch ein eigentlicher Text beigegeben werden 
wird, und zwar aus der Feder unseres eigenen hochverehrten eorrespondiren- 
den Mitgliedes, Herrn Alfred Ritter von Kremer, k. k. Viceconsul und Con- 
sulatsleiter in Kairo, der mit der trefflichsten Vorbereitung nun schon einen 
mehrjährigen Aufenthalt in jenen an Erinnerungen reichen und für uns Oester- 
reicher durch die Reisen und Schilderungen eines Belzoni, Prokesch, 
Russegger, Kotschy, Knoblecher, die Arbeiten der Missionäre in 
Central-Afrika so anziehenden und wichtigen Gegenden verbindet.“ 

„Libay's Werk bildet gewiss eine höchst dankenswerthe E'weiterung der 
Anschauung, selbst nach dem Vielen, was der Welt von den Arbeiten eines 
Pocoke, Denon und so vieler andern hochverdienten Männer bis zu den 
Erfolgen unseres Lepsius vorliegt.“ 

„Nach Hause zurückgekehrt, entstand von vielen Seiten der Wunsch 
Libay’s Skizzen der Veröffentlichung zugeführt zu sehen. Aber man kennt die 
Schwierigkeiten der Herbeischaffung der Baarmittel zu solehen Zwecken in 
unserer Zeit und in unseren Verhältnissen. Graf Joseph Breunner war es, 
der das Erforderliche ermittelte, Sein ist daher ein doppeltes Verdienst in der 
Begründung des Werkes. Solche Verhältnisse entwickeln sich aber nur allmälig. 
Herr Libay war früh als Zeiehenlehrer der beiden jungen Grafen eingetreten, 
als Graf Joseph erst neun Jahre alt war, und blieb seitdem in den genauesten 
Beziehungen, oft als Gast und von dem kunstsinnigen Vater als Mahler geschätzt 


73 Versammlung am 2. März 1858. 
B 


und beschäftigt. Den für die Ausübung der Kunst so trüben Sommer 1848 
brachte Libay in Salzburg zu, den darauffolgenden Winter in München, 
zugleich mit den Grafen Breunner. Er war dann vielfältig von Seiner 
kaiserlichen Hoheit, dem hochverehrten Gönner der Kunst, Erzherzog Ludwig 
beschäftigt, später 1851 von einem Aufenthalte in Gastein aus, wo auch ich 
seines werthen Umgangs genoss, durch unsern in so mannigfaltigen Riehtungen 
sehützend waltenden Gönner Seine kaiserliche Hoheit Erzherzog Johann nach 
Florenz entsendet, um die Demselben aus früher Jugend theuren Ansiehten und 
Erinnerungen wieder zu geben, Um sie auszuarbeiten, brachte Libay den 
Winter in Rom zu, sah dann Neapel und kehrte mit reichen Erfolgen nach Wien 
zurück, von wo aus dann der Ausflug nach Aegypten unternommen wurde“. 
„Das Werk selbst wird sechzig Tafeln umfassen. Die Lithographie ist mit 
Meisterschaft ausgeführt, grösstentheils von R. Alt, mehrere Bilder auch von 
Sehön, Novopacky, Kaiser; der Druck bewährt den vortheilhaften Ruf 
der artistischen Anstalt von Reiffenstein und Rösch. Die Bilder führen uns 
Nilaufwärts aneinander gereiht nach Alexandria (Ansicht, Nadel der Kleopatra), 
Kairo (Gasse und Bazare, Moscheen, Marienbaum, Hotelgarten), Benisuef 
(Bazar), Kisseir (Nilufer), Siut (Ansicht, Strasse nach den Gräbern), El Gazieh 
(Fellahwohnung), Keneh (Palmenwald, Caffeeschenke), Denderah (Innere An- 
sicht des Tempels), Esne (Schule), Edfu (Innere Ansicht des Tempels), Cum 
Ombu (Tempel), die ersten Katarakten (Ansicht), Insel Philae (Tempel), Wende- 
kreis (Nilufer), Derr (Wohnhaus des Araberfürsten), Ibrim und Marakid (Ruinen 
des Mamelukenschlosses), Ipsambol (Felsentempel), El Baliam (Ansicht)*“. 
„Graf Breunner brachte von seiner Jagd übrigens auch eine Anzahl 
naturhistorischer Gegenstände für das Museum in Grafenegg mit zurück, welche 
nach und nach von Herrn Brandelmayer, Präparator des k. k. zoologischen 
Hof-Kabinetes, aufgestellt wurden. Eine spätere Exeursion für "die Zwecke 
der Jagd und Sammlung hatte Graf Joseph in Gesellschaft des Herrn Grafen 
Karl Forgäch unternommen, der selbst ebenfalls auf dem Scehlosse Ghymes 
bei Neutra in Ungarn ein zoologisches Kabinet besitzt, begleitet von demselben 
Jäger, der mit dem Grafen Breunner in Aegypten gewesen war. Die Gesell- 
schaft verliess Wien am 23. Deeember 1856, die Riehtung war Dresden, Paris, 
Marseille, Algier, wo man am 9. Jänner ankam. Nach einer Exeursion nach 
Coleah, verliessen die Reisenden Algier mit Dampfboot, landeten in Stora, 
und gingen über Constantine nach Biscara, das sie am 8. Februar erreichten. 
Sie besuchten die Umgebung, später die von El Gantarah, Batna, dann wieder 
von Constantine aus sich östlich wendend den See Dgingelly und erreichten 
Tebessa mit der letzten französischen Besatzung an der tunesischen Grenze. 
Von dort war der interessanteste Ausflug zu den noch von Europäern bis dahin 
unbetretenen Revieren der Nememscha, wo sie namentlich auch im Djebel St. 
Abid die Mouflons & manchettes jagten, und auch davon eine Haut mit nach 
Hause brachten. Der Rückweg wurde am 30. angetreten, über Bona mit dem 
Dampfschiffe nach Tunis, dann nach Malta, Neapel, Genua, und über Venedig, 
Triest nach Wien, Ankunft am 12. Mai 1857. Das Museum in Grafenegg wurde 
aus beiden Exeursionen um eine Anzahl interessanter Gegenstände vermehrt, 
deren Namen ich hier in einem von Herrn Brandelmayer verfassten Ver- 
zeichnisse mittheile. Dipus hirtipes, Cireus einerarius, Balco biarmieus, Strix 
oceipitalis, Ardea comata, Numenius tenuirostris, Graculus pygmaeus, Otis 
tetraw, Pteroeles arenarius, Pt. guttatus, Perdix petrosa, Alauda bifasciata, 
Columba livia rupicola, C. risoria, Coracia gracula, dazu den Mouflon, eine 
Gazelle, eine Rieseneidechse. Namentlich über den letzten Jagdausflug kann 


W. Haidinger. K. Frh. v. Czoernig. 73 


ich mich hier mit diesen wenigen Worten begnügen, da Herr Graf Karl 
Forgäch selbst in dem „Naturfreunde Ungarns“, Hefte für März und April d. J. 
die Ergebnisse der gemeinschaftlichen Unternehmung im Druck mittheilen wird. 
Der Herr Graf war so freundlich, mir seine an Ort und Stelle während der 
Reise niedergeschriebenen Anmerkungen mitzutheilen. Herrn Grafen August 
Breunner verdanke ich das von dem Jäger Anton Kriesel während beider 
Reisen geführte Tagebuch, endlich freute ich mich auch in Herrn Libay’s 
anziehende Anmerkungen Einsicht zu gewinnen, für welche ich ihm hier 
meinen innigen und gewiss warmgefühlten Dank darbringe*“. 

„Graf Joseph Breunner beabsichtigte und zwar in Gesellschaft des 
Herrn Libay eine neue Exeursion nach Chartum und dem Inneren von Afrika 
zu unternehmen als er durch den Tod am 18. November 1857 erst 27 Jahre 
-alt seinen Freunden entrissen wurde, so wie alle Hoffnungen, die wir für 
naturwissenschaftliche Forschungen und Aufsammlungen bildeten, welche mit 
Reisen dieser Art verbunden sind.“ 

„In der Herausgabe und Vollendung von Herrn Libay's Werk ist indessen 
keine Unterbrechung eingetreten. Was der Sohn freigebig und kunstfreundlich 
gefördert, steht jetzt unter dem Schutze des Vaters, der diese Erbschaft 
wohlwollend übernahm. Ich darf aber nieht die wenigen Worte meines heutigen 
Berichtes schliessen, ohne der der Förderung unseres Libay in mancher 
Beziehung nahe stehenden dankenswerthen Vortheile zu gedenken, welche mein 
verewigter Lehrer Mohs und ieh selbst vor langer Zeit aus dem freundliehen 
Wohlwollen desselben hochverehrten Gönners und Freundes, des Grafen August 
Breunner genossen. Ersterer begleitete den Herrn Grafen auf einer Reise 
nach England im Winter 1817, mir wurde der Genuss einer Reise in seiner 
Gesellschaft in Frankreich, England und Deutschland im Sommer 1822 zu 
Theil. Je mehr die Jahre fortschreiten, um so mehr ist es natürlich, den 
Anfängen nachzuforschen, an welche spätere durch dieselben hedingte "'hat- 
sachen sich anreihen. So danke auch ich der damaligen Zeit die Eröffnung vieler 
freundlichen Beziehungen, die mir nun unschätzbar sind, an sich selbst, und 
in ihrem Einflusse auf die Entwickelung naturwissenschaftlicher Bestrebungen 
in Wien, seitdem ich als Nachfolger meines unvergesslichen Lehrers Mohs 
nach langer Abwesenheit wieder in meiner Vaterstadt den Aufgaben derselben 
lebte. Nie soll in mir das Gefühl der Dankbarkeit erlöschen.“ 

Nachdem der k. k. Sections-Chef Freiherr von Czoernig der Gesell- 
schaft die von der Direetion der administrativen Statistik herausgegebene 
„Uebersicht der Waaren-Ein- und Ausfuhr Oesterreich's für 1857* und seinen 
über die Kanalisirung des Isthmus von Suez vor der kaiserlichen Akademie der 
Wissenschaften gehaltenen Vortrag mit einigen einleitenden Worten übergeben 
hatte, ging er auf einen für Gegenwart und Zukunft ungemein praktische 
Wichtigkeit darbietenden Gegenstand, die Frage der Brennstoffe, über. 

Da diese Stoffe zu jenen Natur-Erzeugnissen gehören, auf welche die Kul- 
tur Entwicklung eines Volkes den meisten Einfluss übt, so konnten die Wälder 
dem durch die Fortschritte der Industrie hervorgerufenen Bedarfe an Brenn- 
stoffen schon in vorigem Jahrhunderte nicht mehr genügen. Den ersten Platz 
unter den Surrogaten des Holzes musste sodann die Mineralkohle einnehmen, 
zumal sie der Industrie nebst der Masse auch die grössere Möglichkeit der 
Concentration des Verbrauchs für industrielle Zwecke darbot. Allein auch sie 
wird mit hundertfach grösserer Geschwindigkeit aufgezehrt, als sich die Menge 
der Brennstoffe überhaupt zu reprodueiren vermag, wesshalb die Nothwendigkeit 


74 Versammlung am 2. März 1858. 


der Beschaffung eines hinreichenden Vorrathes davon unsere Aufmerksamkeit 
auf den Spätling der fossilen Brennstoffe, den Torf, leiten muss. 

Die Versuche, sich des Torfes als Heizmittel zu bedienen, sind uralt; 
dennoch vermochte dessen Verwendung sieh nicht über den localen Verbrauch 
zu erheben, da die darin enthaltene Pflanzenfaser die Feuchtigkeit allzusehr an 
sich hält und der Comprimirung widersteht, wodurch die Heizkraft des Torfes 
bedeutend vermindert und sein Transport auf einige Entfernung nahezu unmög- 
lich gemacht wird ohne dass der Torf zerbröckelt in Staub zerfalle. Diess ist 
nunmehr anders geworden, seitdem die geniale Erfindung des königl. bayerischen 
Oberpostraths Exter den Torf zu dem Range eines der vorzüglichsten und 
ökonomischesten Feuerungsmateriale erhoben hat. Mittelst des von ihm im 
vorigen Jahre erfundenen Verfahrens zerstört Exter die Pflanzenfaser, redu- 
eirt die Torfmasse in trockenes Pulver, und eomprimirt dasselbe zu einer diehten 
grosse Hitzkraft entwickelnden Schichte, welche in Tafeln geschnitten, ebenso 
leicht unbeschädigt transportirt werden kann. Durch die Lösung der technischen 
Frage war die grosse in Aussicht stehende Reform zur Hälfte angebahnt; es 
erübrigt noch die zweite Hälfte, die Lösung der ökonomischen Frage, ob nämlich 
Exter’s Verfahren sich auch bei seiner Anwendung im Grossen bewährt, und 
namentlich ob dessen Behauptung, den Centner dieses Torfmaterials, welches 
einen Centner der besten Steinkohle an Heizkraft gleichkommt, um 15 Kreuzer 
herstellen zu können, auch für die massenhafte Production gilt. Hierzu bedurfte 
es eines mit Anwendung bedeutender Geldmittel angestellten Versuches im - 
Grossen, welcher in den letztverflossenen Monaten aul Veranlassung der königl. 
bayerischen Regierung angestellt wurdeund zudem günstigsten Resultate führte, 
hierdurch aber erst der Exter schen Erfindung ihre hohe Wichtigkeit verleiht. 

Es fragt sieh nun, welche Folgen diese verbesserte Bereitung des Torfes 
für Oesterreich herbeiführen dürfte? 

Der österreichische Kaiserstaat befindet sich in der vergleichungsweise 
günstigen Lage, dass noch immer 30 Percent seines produetiven Bodens aus 
Waldland bestehen, welches freilich durch viele blossliegende Strecken seines 
Holzbestandes hier und da beraubt ist. Desshalb hat auch die Erfahrung schon 
die Ergreifung strenger Maassregeln zum Waldschutze als nöthig gezeigt, und 
selbst diese sind besonders dort, wo die Montan-Industrie am meisten des 
Brennstoffes bedarf, in den Alpenländern, auf namhafte Schwierigkeiten der 
Durchführung gestossen, indem dort die Wälder dem grössern Theile nach den 
kleinen Grundbesitzern gehören, welche weder die Mittel noch ein hinreichen- 
des Interesse zur Schonung ihrer Waldparcellen haben, in deren Abholzung die 
Abhilfe gegen jede eintretende ökonomische Verlegenheit gesucht wird, Zwar 
fehlt auch die fossile Kohle nicht, aber die Verhältnisse der Ausbreitung der- 
selben sind nicht die günstigsten. Denn abgesehen davon, dass die bisherige 
Production an Mineral-Kohlen noch eine verhältnissmässig geringe ist, so bietet 
sich die Aussicht auf starke Steigerung derselben zunächst nur in einzelnen 
Gebietstheilen dar, dabei wiegt die für gewisse Zwecke minder verwendbare 
Braunkohle ungemein vor, und selbst diese fehlt dort, wo die Industrie ihrer am 
meisten bedürfen würde, indem namentlich die Kohlenlager nur im westlichen 
Böhmen mit den Erzlagerstätten zusammentreffen. Der für alle Zweige der 
Montan-Industrie vorzüglich sich eignende Torf gewinnt sonach in Oesterreich 
an Wichtigkeit, und glücklicher Weise ist der Kaiserstaat mit seinen vielen und 
umfangreichen Torflagern eines dertorfreichsten Länder der Welt. Hr. Freiherr von 
Czoernig legte eine von der Direetion der administrativen Statistik verfasste 
Uebersicht der österreichischen Torflager vor, welche sich über alle Kron- 


Freih. v, Ozoernig. K. Fritsch. 75 


länder erstreeken, und von denen in den nicht-ungarischen Ländern allein 
über 200, davon einzelne nicht weniger als Tausende von Jochen umfassen, 
verzeichnet wurden; bezüglich der ungarischen Länder genügt es, des Hansäg's 
am Neusiedlersee zu gedenken, welcher unzweifelhaft berufen ist, in einem 
oder zwei Decennien die Versorgung der Residenzstadt Wien mit Brennstoff 
hauptsächlich zn übernehmen. Schon als das Exter'sche in Oesterreich privi- 
legirte Verfahren zuerst hier bekannt wurde, ward die Anregung zu einer 
österreichischen Torfbereitungsgesellschaft gegeben, und es dürfte dieselbe 
nunmehr, wo die ökonomischen Vortheile des neuen Verfahrens über allen 
Zweifel gestellt sind, ihrer Verwirklichung entgegen gehen. Aber noch ehe 
man diesen wesentlichen Fortschritt in der Torfbereitung erzielte, hat die hohe 
Staatsverwaltung, in ihrer Sorge für die Schonung des Waldlandes, umfassende 
Einleitungen getroffen, um auf dem Moore nächst Laibach ein grosses Etablisse- 
ment zur Gewinnung von Torf für den Eisenbahnbetrieb auf der Strecke 
zwischen Laibach und Triest herzustellen. Auch andere Corporationen hatten 
sich noch zuvor mit der Torffrage angelegentlich beschäftigt, und namentlich 
gebührt der Handelskammer zu Salzburg die Ehre, zuerst die wissenschaft- 
liche Thätigkeit auf dieses Feld praktischer Erörterung geleitet zu haben. 
Dieselbe stellte nämlich die Bitte an das hohe Ministerium des Innern 
um Veranlassung einer wissenschaftliehen Untersuchung der Torfmoore des 
Herzogthums, welche Bitte gnädigste Berücksichtigung fand. Der von dem 
Ministerium mit dieser Aufgabe betraute k. k. Gymnasiallehrer Dr, J. Lorenz 
hat demgemäss 54 Torfmoore (von welchen das Untersbergerallein 1.200 Joch 
umfasst) mit einer Gesammtfläche von 5.000 Jochen, welche beiläufig 16 Mil- 
lionen Kubikklafter Torfmasse enthalten, aus denen 24.192 Millionen Torfziegel 
geschlagen werden können, untersucht, beschrieben und auf 50 Detail-Plänen 
nebst zwei Uebersichts-Karten eingetragen, zugleich nachdrücklichst auf den 
Unfug des Raubbaues anfmerksam gemacht. Das Operat wurde vom hohen 
Ministerium der Salzburger Landwirthschaftsgesellschaft übergeben, welche in 
ihrem Wochenblatte einen vom k. k. Rathe Dr. L. Ritter v.Köchel verfassten 
Auszug hiervon veröffentlicht. 

Wenn die Angelegenheit hiermit für Salzburg abgeschlossen erscheint, 
so gilt bei der Musterhaftigkeit jenes Berichts und der hohen Wichtigkeit der 
Sache nicht ein Gleiches für Gesammt-Oesterreich, dessen Interessen die 
k. k. geographische Gesellschaft stets vor Allem in das Auge zu fassen berufen 
ist, Herr Freiherr von Czoernig schloss demnach mit dem Antrage: 1. die k.k. 
geographische Gesellschaft wolle sich das Operat des Herrn Professors Dr. J. 
Lorenz von der Salzburger Landwirthschafts-Gesellschaft entlehnungsweise er- 
bitten, um genaue Einsicht davon zu nehmen und eventuell nach dem Muster der- 
selben ähnliche Vorlagen für die andern Kronländer zu veranlassen, oder doch auf 
deren Einleitung hinzuwirken; 2. der Ausschuss möge eine Comite von Fach- 
inännern niedersetzen, dessen Aufgabe wäre, die Torffrage in ihrer Beziehung 
auf Oesterreich fortwährend im Auge zu behalten, alle einschlägigen Nachrichten 
zu sammeln, hierdurch eine genaue Kenntniss der Torf-Moore Oesterreich s 
vorzubereiten und einer möglichst ausgebreiteten Benützung derselben den We'g 
zu bahnen. 

Diese Anträge wurden den Statuten gemäss dem Ausschusse zugewiesen. 

Herr K. Fritsch legte das von dem Verfasser Herrn Dr. A. Mühry der 
Gesellschaft zu gesendete Werk „Klimatologische Untersuchungen u. s. w.“ vor 
und erstattete hierüber folgenden Bericht: 


6b Versammlung am 2. März 1858. 


„In der Ausschusssitzung der k. k. geographischen Gesellschaft vom 
19. Jänner bin ich um die Berichterstattung über ein Werk angegangen worden, 
welches den Titel führt: 

„Klimatologische Untersuchungen oder Grundzüge der Klimatologie in 
ihrer Beziehung auf die Gesundheitsverhältnisse der Bevölkerungen, mit einer 
geographisch geordneten, die gesammte Erde umfassenden Sammlung klimatolo- 
gischer Schilderungen von A. Mühry, Med.Dr. Leipzig und Heidelberg 1858*. 

Diesem Ansinnen entsprechend, habe ich nun die Ehre den folgenden 
Bericht zu erstatten. 

Ich muss gleich im Voraus bemerken, dass ich als Nichtarzt, die Morbilität, 
Constitution oder geographische Verbreitung der Krankheiten bei Weitem nicht 
einer so eingehenden Besprechung zu unterziehen, mich berufen fühlen kann, 
wie die geographische Verbreitung der verschiedenen Abstufungen des Klima's, 
durch welche jenes wesentlich bedingt ist. 

Es sprechen indess Thatsachen dafür, dass der Herr Verfasser berufen 
war, in einer wie in der andern Beziehung billigen Anforderungen zu ent- 
sprechen. 

Eine Reihe vorausgegangener Schriften desselben Herrn Verfassers, wie: 
„Die Grundzüge der Noso-Geographie“ (1856), „Die historische Unwandelbar- 
keit der Natur und der Krankheiten“ (1844) u. s. w., sind empfehlend für diesen 
Theil des Werkes; über den klimatologischen kann ich nicht anstehen, auszu- 
sprechen, dass damit den gegenwärtigen Anforderungen der Wissenschaft Genüge 
geleistet ist. 

Wenn man den klimatologischen Forschungen einen hohen Werth beilegt, 
so hat man vorzugsweise immer den Causalnexus zwischen den meteorologischen 
Vorgängen und unserem physischen und psychischen Wohle, im Auge. Dass die 
Ueberzeugung von einem solchem Causalen-Zusammenhange fest wurzelt, be- 
weisen die zahlreichen und sich von Jahr zu Jahr mehrenden Versuche, die 
Ergebnisse der Morbilitätsstatistik mit den Resultaten der meteorologischen 
Beobachtungen in Einklang zu bringen. Man versuchte diess zuerst an einzelnen 
Orten und mit speciellen Krankheitsformen, später stellte man alle gewonnenen 
Ergebnisse für ganze unter einer gemeinsamen Regierung stehende Länder- 
complexe zusammen. Was das vorliegende Werk betrifft, so nennt es der Herr 
Verfasser: „den ersten Versuch einer Verbindung der in neuerer Zeit ausgebil- 
deten physikalischen Geographie mit der Physiologie und Heilkunde“ — es ist 
also der erste Versuch, den mehrerwähnten Causalnexus in den grossartigen 
Dimensionen darzustellen, welche die Erdoberfläche im Ganzen darbietet. 

Das Werk zerfällt in zwei Hauptabtheilungen: A die allgemeine oder tel- 
lurische; B die specielle Klimatologie. 

Letztere erhält die „gesammelten echten Thatsachen“ wie sie Dr. Mühry 
nennt, welche in der ersten Abtheilung zu einem Ganzen verarbeitet worden 
sind, dem nicht weniger als 570 gesammelte und ausgezogene Berichte zu 
Grunde liegen. ’ 

Das ganze Werk enthält 816 Seiten, wovon 244 auf den allgemeinen 
Theil, auf den ich mein Referat fast ausschliessend beschränken kann, entfallen, 
denn der specielle Theil ist doch eigentlich nur als ein Repertorium, als ein 
Nachschlagehueh anzusehen. 

Zwei Kapitel oder Abschnitte des ersten Theiles behandeln blos die 
Klimatologie, es sind 

I. Die Klimatologie der Gebirge, in ihren Hauptzügen entworfen. A Oro- 
graphische Meteoration, 


-} 


—ı 


K. Fritsch. 


VI. Das Klima von Deutschland, für uns besonders interessant, 

Bemerkungen zu einer die ganze Erdoberfläche umfassenden Karte „der 
klimatischen Vertheilung der Dampfmenge“ bilden den Schluss. 

Gleichsam den Uebergang zu jenen Kapiteln, oder Abschnitten derselben, 
welche hauptsächlich der geographischen Vertheilung der Krankheiten gewidmet 
sind, bilden folgende: 

I. B Orographische Morbilitäts-Constitution. II, Ueber Salubrität der 
Klimate. IV. Die Mischungsverhältnisse der Atmosphäre in geographischer Hin- 
sicht. V. Die Salubritäts-Verhältnisse kleiner Inseln und der Meeresküsten. 
VI. Zur Beurtheilung der natürlichen Ordnung in der jährlichen Morbilitäts- 
Bewegung, besonders in Mittel-Europa. 

Von speeiellen, überwiegend die Morbilitäts-Verhältnisse betreffenden 
Interesse sind: 

II. Ueber die Absenz der Phthisis auf einigen Arealen, besonders in der 
rarifieirten Luft hoher Regionen. VIII. Ueber die Polar-Grenzen der Malaria auf 
beiden Hemisphären. IX. Grenzbestimmung der Pest und noch drei andere, 
welche Krankheitsformen von geringerer geographischer Verbreitung als die 
eben genannten betreffen. 

Um eine vorläufige Uebersicht des ganzen Werkes zu geben, erübriget 
noch Einiges über die Il. Abtheilung oder die specielle Klimatologie, zu sagen, 
jenem Theile, welcher für das praktische Leben von besonderer Wichtigkeit ist. 
Wohl alle Länder sind hier einer erschöpfenden Schilderung unterzogen und 
zwar in folgender Ordnung; 

4. Tropische oder heisse Zone. B. Gemässigte nördliche Zone. ©. Gemäs- 
sigte süd-hemisphärische Zone. D. Polar-Zone. 

Ein besonderer Anhang betrifft Nord-Afrika und die Sahara, dann Inner- 
Asien. 

In diesen Haupt- Abtheilungen nach den Erdgürteln reihen sich die ein- 
zelnen Länder in der Riehtung von Westen nach Osten, indem immer Amerika 
den Reigen beginnt und Asien schliesst. 

Hiemit wäre der Index des Werkes in seinen Hauptzügen erschöpft, und 
ich gehe nun daran, mit derselben Beschränkung, auf den reichhaltigen Inhalt 
desselben einzugehen und zwar mit vorzugsweiser Berücksichtigung der ersten 
Abtheilung, der allgemeinen Klimatologie, welche beiläufig gesagt, als das 
Resume der zweiten oder speciellen Abtheilung anzusehen ist. 

Herr Dr. Mühry beginnt mit der Klimatologie der Gebirge und hebt als 
Hauptmomente derselben hervor: 

1. Die abnehmende Temperatur. 2. Die abnehmende Diehtigkeit der 
Atmosphäre. 3. Die abnehmende Menge des Wasserdampfes. 4. Die zuneh- 
mende Evaporations-Kraft. 

Den geographischen Zonen analog, welehe die Hauptstufen des Klima’s im 
horizontalen Sinne darstellen, unterscheidet er im vertikalen oder in der hypso- 
metrischen Vertheilung der Temperatur: 

1. Die unterste oder heisse Region. 2. Die mittlere oder gemässigte 
Region. 3. Die oberste oder kalte Region. 


Grenzen der Seehöhe Grenzen der mittleren Temperatur 
unten oben unten oben 
1. 0 3000 P. F. +220 180 R. 
n | &. 3000 8000 118 +10 
") 2. 8000 12000 +10 +4 


3. i2000 16000 + 4 u) 


18 Versammlung am 2. März 1858. 


Natürlich gilt diese Scala nur für die Aequatorialgegenden, in der Richtung 
gegen Norden und Süden sinken die Flächen gleicher Temperatur immer mehr 
herab, bis sie die Erdoberfläche in der gleichnamigen Isotherme schneiden. Ein 
Holzschnitt macht diese Verhältnisse anschaulich. 

Wie bekannt steigen die Hypsothermen nicht überall gleichmässig herab, 
sondern erfahren in Folge localer sowohl, wie zeitlicher Ursachen nicht geringe 
Undulationen. Hr. Dr. Mühry untersucht dieselben beispielsweise an der Hypso- 
therme von 0°, bekannt unter dem Namen Schneelinie, deren Sommer- und 
Wintergrenze er näher betrachtet. R 

Hierauf wird das Gesetz der mit der Höhe abnehmenden Wasserdampf- 
Menge erörtert. Der Herr Verfasser nimmt es zuerst in Schutz gegen die 
Ansicht, dass der Wasserdampf mit der Höhe zunehme, indem er anführt, dass 
der Gehalt der Atmosphäre an Wasserdampf ursprünglich immer von der Ober- 
fläche des Meeres, also von unten komme und die Wolken-Gürtel der höheren 
Regionen, nur umgrenzte Räume von niedrigerer Temperatur in der Atmosphäre 
darstellen, in welchen der Wasserdampf sichtbar geworden ist. 

Er unterscheidet in Bezug auf den Dampfgehalt in verschiedener Höhe 
ebenfalls drei orographische Gebiete. 

1. Das dampfreiche in den unteren, bis 4000’; 2. Das regenreiche in den 
mittleren, bis 8000': 3. Das dampf- und regenarme Gebiet in den höheren 
Regionen. 

Ein Holzschnitt veranschaulicht diess. 

Hiernach lassen sich die Klimate in Hinsicht auf ihre‘ Feuchtigkeits-Ver- 
hältnisse am besten in „hoch saturirte und niedrig saturirte“ unterscheiden. 

Für die abnehmende Dichtigkeit der Atmosphäre stellt Herr Dr. Mühry 
folgendes Schema auf: 


Luftdruck bei 0° Temp. Senkrechte Erhebung Zunehmende Differenz 
der Höhenpuncte 

14. + 16972 P. F. 1622 F. 

15 15350 1590 

16 13760 1490 

17 12270 1410 

18 10860 1330 

19 9530 1260 

20 8270 1200 

21 7070 1140 

22 5930 1090 

23 4840 1050 

24 3790 1000 

25 2790 970 

26 1820 930 

27 890 | 890 

28 0 800 

29 800 

29.5 1300 


Die zunehmende Evaporationskraft in der Höhe wird im Allgemeinen 
durch folgende Factoren erzeugt: 1. geringere Dampfmenge in. Verhältniss zur 
Temperatur, 2. intensivere Insolation, 3. vielbewegte Luft, 4. grössere Rarität 
derselben. 


K. Fritsch. 79 


Der letzte Factor bekommt bei abnehmendem Luftdrucke immer mehr die 
Oberhand, denn die Verwandlung des tropfbar flüssigen, d.i. die Evaporation 
desselben erfolgt in einem völlig luftleeren Raume fast augenblicklich, 

Die Hauptmomente des Klimas, welchen der Reisende oder der Bewohner 
auf den Gebirgen zunehmend mit der Höhe ausgesetzt ist, sind demnach: die 
Temperatur nimmt ab, die Dampfmenge nimmt ab, der Luftdruck nimmt ab, die 
Evaporation nimmt zu. 

Es werden jedoch noch mehrere andere, in ätiologischer Hinsicht, wenn 
weniger wichtige, eigenthümliche Gebirgs-Phänomene hervorgehoben. 

Hierauf geht Hr. Dr. Mühry auf die Morbilitäts-Verhältnisse der Gebirge 
über, und unterscheidet 4 Klassen von Krankheiten : 

I. Solche, welehe überall und daher auch hier vorkommen, II, Solche, 
welche nur durch die Temperatur verschieden vertheilt werden. II. Solche, 
welche eigentliche Gebirgskrankheiten zu nennen sind. IV. Solche, welche hier 
absent sind. 

ad I. Zu den ubignitären oder solchen Krankheiten, welche keine Beschrän- 
kung erfahren durch Temperatur, werden unter anderen gezählt: Blattern, 
Scharlach, Masern, Keuchhusten, Catarrh, Influenza, Seropheln, Hömorhoiden 
und andere mir weniger bekannte. 

ad II. Von der Temperatur abhängige Krankheiten sind: 

1. Region von 0° bis 4° R. Herschende Krankheiten: Influenza, Rheuma, 
Pneumonie, Ophthalmie und andere, deren allgemeiner Charakter entzündlich 
ist, und deren Tendenz auf die Respirations-Organe gerichtet ist. Fehlende 
Krankheiten: Malaria, gelbes Fieber, Cholera u. s. w. 

2. Region von 4° bis 10° und 10° bis 18° R, HäufigereKrankheiten: Typhus, 
Gicht, Refrigerosen. Die Heftigkeit anderer Krankheiten, welche die beiden ande- 
ren extremen Regionen charakterisiren, ist hier geringer; dagegen zeigt sich 
eine Fluetuation nach den Jahreszeiten, der Charakter ist im Winter mehr entzünd- 
lich, im Sommer mehr torpide, auch die Tendenz dort mehr nach den Respi- 
rations-, hier mehr nach den Digestions-Organen gerichtet. 

3. Region von 18° bis 22° R. Fehlende Formen: Typhus, Pest, Cretinis- 
mus. Häufige Krankheiten: die terrestrisch miasmatischen in intensiver Weise. 
Die Tendenz der Krankheiten wie in der gemässigten Region (2) während des 
Sommers, nach den Digestionsorganen gerichtet. 

ad III. Hieher gehören im engeren Sinne orographische, allen Gebirgen 
endemische Krankheits-Verhältnisse positiver, wie negativer Art, welehe von den 
meteorologischen Verhältnissen der Gebirge, ausser der Temperatur bestimmt 
werden; also vorzugsweise durch die rarifieirte Luft, einigermassen auch durch 
das Feuchtigkeits-Verhältniss und die zunehmende Evaporationskraft, Es sind: 

a) das Berg-Asthma, eine Athem-Noth, b) die Hautdürre, ce) Ophthalmie 
durch Schneeblenden, d) Hömorrhagie oder Expansion der inneren Gase, e) Kropf 
und Cretinismus. 

Beim Aufsteigen in die rarifieirte Luft erfahren Ungewohnte früher oder 
später, (doch wohl selten in einer Höhe unterhalb 10,000 Fuss) eine Athem- 
Noth, ein Gefühl, als könnten sie nieht genug Luft holen, dabei wird der Herz- 
schlag beschleunigt, dazu kommen Schwindel und Kopfschmerz, Übelkeit und 
ganz besonders grosse Ermattung bei leichten Anstrengungen. Der Zustand 
dauert einige Stunden oder Tage, aber auch einige Wochen; allmählig_ tritt 
Gewöhnung ein. Sehr selten sind Beispiele, dass er tödtlich geworden ist. Es 
ist die volle Erscheinung der Wirkung der allmählig zunehmend wirkenden 
Luft-Verdünnung. Die in dieser verdünnten Luft lebenden Eingebornen zeichnen 


s0 Versammlung am 2. März 1858. 


sich aus dureh stärkere Entwicklung der Respirations-Organe, der Brustkorb ist 
breiter, die Gestalt gedrungener, die Extremitäten sind kürzer als bei den Be- 
wohnern der Tief-Ebenen, dazu kommt noch ein Mangel an überflüssiger Fett- 
bildung. Für sie sind rasche, angestrengte Bewegungen nicht beschwerlich, sie 
laufen, tanzen und graben; sogar Feldzüge und Schlachten sind auf dem hohen 
Rücken zwischen den Cordilleren, in 12,000 Fuss Höhe vorgekommen. 

Als Wirkung der raschen Abdunstung der Perspirations-Feuchtigkeit in 
der rarifieirten, dampfarmen und kalten Luft ist die Haut ungewöhnlich trocken, 
die rasche Verdunstung entzieht zugleich viel Wärme; dazu kommt der scharfe 
kalte Wind; man vermeidet dort jedes Nasswerden der Haut, die Sonnenstrah- 
lung wirkt intensiver, es folgt ein Aufspringen der Haut, (zumal bei Schnee 
und Wind) mit blutenden Rissen und Krustenbildung; an den Augenliedern 
können auf diese Weise besonders heftige Leiden entstehen. 

Durch Schneeblenden, hier noch verstärkt durch die Intensität des Lichtes, 
entsteht zuweilen plötzlich eine mit Luft verbundene Conjunetivitis. 

Auf Höhen oberhalb 17.000 Fuss pflegt zuerst aus den zarten äusseren 
Membranen der Lippen, Augen und Ohren Blut zu treten. Dagegen stellt sich 
auf niedrigeren Höhen z. B. 4500 Fuss, ein Gefühl von Leichtigkeit und Kraft 
ein, verbunden mit frohem Muthe u, s. w. 

ad IV. Die bisher angeführten, den Climaten hoher Gebirge eigenthümlichen 
Processe im menschlichen Organismus nehmen mit der Höhe zu, oder stellen 
sich überhaupt nur hier ein, sind daher positiver Natur; es giebt noch andere, 
welche auf der Höhe abnehmen oder ganz verschwinden, also endemisch absente. 

1. Der Verlauf von Entzündungen ist leichter, Wunden heilen besser, 
2. Die Lungentuberkeln, die Phthisis pulmonum, in Abnahme oder ganz absent. 
3. Sehr selten scheint die Fettleibigkeit zu sein. 4. die Nieren-Funetion weniger 
in Anspruch genommen. 

Man darf hier auch der nieht wenigen Leiden gedenken, welche vorzugs- 
weise auf der heissen Zone im Tieflande Gefahr drohend, durch Aufsteigen oft 
ganz in der Nähe befindlicher Gebirge Schutz und Heilung erfahren, wie z. B. 
die Malaria, das gelbe Fieber, die Cholera u. s. w. 

Das Il. Capitel der allgemeinen Klimatologie enthält die Resultate der 
Untersuchungen „Über die Absenz der Phthisis auf einigen Arealen und in der 
rarifieirten Luft hoher Regionen. 

Ein III. Kapitel, auf dessen Inhalt ich etwas näher eingehen will, spricht 
„über die Salubrität der Klimate in allgemeiner Übersicht.“ 

Zur Beurtheilung der Salubrität hält Herr Dr.”Mühry einen gewissen vor- 
läufigen allgemeinen Maassstab für nothwendig, und wählt statt der mittleren Le- 
bensdauer, deren Ermittlung in den wenigsten Ländern möglich ist, das „Ver- 
hältniss der jährlichen Mortalität zur Zahl der Bevölkerung als einfaches Maass 
der Salubrität, welches immer nahe mit der mittleren Lebensdauer Schritt hält 
und weit leichter zu ermitteln ist. 

Demnach ist dasjenige Klima für das gesündeste zu halten, wo die Be- 
wohner die geringste jährliche Mortalität (eigentlich aber Morbilität) zeigen, 

Das Maximum der Mortalität = 1 : 16 findet man erreicht in New-Orleans 
und Caleuta, das Minimum 1 : 50 in der süd-hemisphärischen gemässigten Zone, 
z. B. zu St. Jago in Chile und in der Capstadt in Süd-Afrika. 

In Europa kommen an einzelnen kleinen Ortschaften eben so günstige Ver- 
hältnisse vor, aber im Ganzen ist 1:40 (wie in England) hierjedoch mehr in 
Folge der Cultur als des Clima’s ein selten erreichtes Verhältniss, In Mittel- 
Europa ist das Verhältniss nicht ungewöhnlich 1: 33, 


K. Fritsch. 81 


Die Salubrität der Klimate zeigt sich im Allgemeinen und hauptsächlich 
bedingt: 

1. durch eine mässige und stätige Temperatur der Luft; 2. durch eine 
gewisse trockene Beschaffenheit des Bodens; 3. durch endemische physische 
Dispositionen (abgesehen von den socialen) zu einzelnen Krankheits-Verhältnissen. 

Es ist jedoch nieht zu übersehen, dass die Salubrität der verschiedenen 
Klimate ia mehrfacher Hinsicht eine bloss relative und zu unterscheiden ist: 
1. in Hinsicht auf Indigenat, worüber uns die Aeelimatisation näher belehrt; 2. auf 
individuelle Disposition der Menschen-Race; 3. auf partielle Gebiete der Mor- 
bilitäts-Verhältnisse, indem bloss eine Krankheitsform zu herrschen oder absent 
zu sein braucht. 

Nachdem der Herr Verfasser den Begriff! der Salubrität nach diesen Ge- 
sichtspunkten von allen Seiten beleuchtet hat, geht er zur Aufzählung der Kli- 
mate über, welche durch ihre Salubrität oder Insalubrität bekannt sind. 

Ich übergehe die Länder der Tropen-Zone und folge dem Herrn Verfasser 
in die uns mehr interessirende gemässigte Zone. 

Hr. Dr. Mühr y versucht vorerst mehrere interessante Fragen in Bezug auf 
Acclimatisation zu lösen, ein Theil derselben ist von ihm schon früher C. M. 
(relative Salubrität) erörtert worden. 

Die Acelimatisation besteht im Allgemeinen darin, dass das Blut an Menge 
und plastischer Beschaffenheit (Fibrine) gewinnt, und dass die Respirations-Organe 
mehr in Anspruch genommen werden, wie auch die Haut. Dieser Vorgang findet 
statt, wenn ein Eingeborner der heissen Zone seinen Wohnsitz mit einem anderen 
der kälteren Zone vertauscht, der entgegengesetzte, wenn ein Eingeborner der 
kälteren Zone seinen Wohnsitz in die heisse verlegt. Herr Dr. Mühry glaubt, 
dass das ganze Menschengeschlecht fähiger sei, mit allgemeiner Gewöhnung von 
Süden nach dem Norden zu rücken, als von Norden nach dem Süden. 

Für die Salubrität der gemässigten Zone in der nördlichen Hemisphäre 
werden beispielsweise folgende Verhältnisse angeführt: 


London 1:40 Berlin 1:38 
Edinburg 1:35 Breslau 1:26 
Genf 1:43 Wien 1:24 


Hamburg 1:30 

Unter den physischen Ursachen dieser Verhältnisse ist ohne Zweifel dem 
Temperaturwechsel der Jahreszeiten und der Tage die grösste Bedeutung zuzu- 
schreiben, in der That finden wir auch im Frühjahre, wo in unseren Breiten die 
Mortalität am grössten ist, auch die grössten Temperaturschwankungen und aus 
einem ähnlichen Grunde wird das Verhältniss, wie wir sehen, auch in den öst- 
lichen Gegenden ungünstiger, als in den westlichen. 

Am auffallendsten zeigt sich dies in der Vertheilung der Krankheiten des 
ersten Lebensjahres oder vielmehr der ersten Monate oder Wochen. Nur an sehr 
wenigen Orten entfällt von der jährlichen Mortalität auf jene des ersten Lebens- 
Jahres nur !/,, häufig ist sie 1/, und kann sich steigern zu !/,, sogar zu 2/; (letz- 
teres auf einer Insel südwestlich von Island.) Für die weiter vorgeschrittene 
Lebenszeit, im Jünglingsalter, gibt das Verhältniss der Lungen-Phthisis die 
Hauptbestimmung der Salubrität ab, das Verhältniss von !/, der ganzen Mortalität 
bildet diese Krankheitsform sehr häufig, in nicht wenigen Städten sogar 1/;. 

Ausser den Temperatur-Schwankungen wirken auch die Bodenverhältnisse 
erheblich, Amsterdam liegt auf feuchtem, thonigem Alluvialboden und hat von 
der Malaria zu leiden; Berlin liegt auf Sand und dankt dem zum grössten Theile 
seine gute Salubrität, weil der Sand trockener und deshalb wärmer ist; Wien 


82 Versammlung am 2, März 1858 


und Paris liegen auf staubreiehen Tertiärbildungen und sind wahrscheinlich dess- 
halb so reich an Lungentuberkulosen u. s. w. 

Dagegen sind besonders gesunde Gebiete: die Dünen-Inseln im nördlichen 
Europa, auch die südlicheren, die Azoren, Madeira, Rhodus u. a., denn sie ver- 
binden das mässige und stetige Seeklima mit einem trockenen Boden. 

Im IV. Kapitel der allgemeinen Klimatologie spricht Herr Dr. Mühry: 
„Ueber die Mischungsverhältnisse der atmosphärischen Luft, in geographischer 
Hinsicht.“ 

Es steht noch immer fest, dass über der ganzen Erdoberfläche die Luft 
überall und beständig ein gleich bleibendes Gemenge von Azot und Oxygen dar- 
stellt, in den Verhältnissen von 79:21 dem Volumen nach und 77:23 dem 
Gewichte nach. Nur noch unwesentliche Beimischungen sind es, die man zu 
unterscheiden hat, und zwar: 1. chemische, wie Kohlensäure, von der man aber 
über dem Meere fast keine Spur findet, Salpetersäure und Ozon, Chlor-Natrium 
über dem Meere. Lokal können noch auftreten: Wasserstoff, Schwefel- oder 
Kohlen-Wasserstoff, Jod. 

Alle genannten Gasarten sind nicht von solcher Bedeutung für den mensch- 
lichen Organismus oder bei weitem nicht in soleher Menge vorhanden, dass sie 
als Factoren in Hinsicht auf ein Klima oder auf eine endemische Lufteonstitution 
angesehen werden könnten, noch weniger als die Ursache irgend einer speciellen 
Krankheitsform — oder sie müssen, wenigstens da sie nur eine sehr beschränkte 
lokale Verbreitung haben, bald im allgemeinen Luftmeere sich diffundiren und 
verlieren. Zu den unwesentlichen Beimischungen der atmosphärischen Luft ge- 
hören ferner: 2. staubförmige Inhärentien, mehr oder weniger beständig in Be- 
wegung, bestehend aus dem kleinsten Detritus theils mineralischer, theils vege- 
tabilischer und animalischer Substanzen, theils auch aus kleinsten Organismen 
(Pilzen und Vibrionen). Die Mehrzahl derselben erklärt Herr Dr. Mühry in 
Bezug auf Sanität ebenfalls für indifferent und nieht für Miasmen. Er lässt nur 
Eines gelten, das Miasma der Influenza und drei andere, im Boden keimende, diese 
sind, die Malaria, das Miasma des gelben Fiebers und der indischen Cholera, 

Ich übergehe dieBetrachtungen desHerrn Verfassers, ob die Ungleichheiten 
der Gravitation auf der Erdoberfläche von einiger Bedeutung sind. 

Das V. Capitel handelt über „die Salubritätsverhältnisse kleiner Inseln und 
der Meeresküsten, “ 

Kleine Inseln, wenn sie von den grossen Bevölkerungen fernliegende Wohn- 
orte sind, haben als Beobachtungsstationen eine grosse Bedeutung, denn sie 
bieten eine besonders günstige Gelegenheit zur reinen Aeusserung der ätiologi- 
schen Verhältnisse. Vor Allem bezieht sich dies auf die Entscheidung über 
originäre Entstehung oder Importation der Contagien oder Miasmen, 

Doch gibt es auch eine Krankheit, die Influenza, welche so wie anderwärts, 
auch hier in der Luft entsteht. Zu den originären Krankheiten rechnet der Herr 
Verfasser z. B. die Dysenteria, Ophthalmia (beides Schleimhaut-Contagien) 
und andere. r 

Die meteorischen Verhältnisse kleiner Inseln sind im Ganzen die Allgemeinen 
des Seeklima’s, ihre Salubritätsverhältnisse hierdurch auch im Ganzen begün- 
stiget; dasselbe gilt auch grösstentheils von dem Meeresküsten — von dem 
Litoral-Klima. ; 

Unter den Litoral- und Insel-Krankheiten sind vor allen das gelbe Fieber 
zu nennen, es hält sich ausschliessend an den Küsten auf, besonders in Schiffen 
und in der Nähe der Häfen; es gibt nur wenige scheinbare Beispiele, dass es 


K. Fritsch. 83 


weiter in das Innere epidemisch eingedrungen wäre, aber diess war längs Flüssen 
mit Seeschiflfahrt. 

Hiemit schliesse ich meinen Bericht über die klimatischen Untersuchungen 
des Herrn Dr. Mühry, es erübriget noch eine grosse Menge interessanten 
Stoffes, allein die Zeit gestattet nicht, hier noch weiter darauf einzugehen. 

Der k. k. Artillerie Hauptmann, Herr J. Cybulz, zeigte einen Theil seines 
plastischen Unterrichtsmaterials in der Terraindarstellung vor. Es waren im 
Ganzen 18 galvanoplastisch ausgeführte Tafeln, welche von den einfachsten For- 
men angefangen, bis zum Hochgebirge übergingen. 

Die ersten fünf Tafeln enthielten 3 Stücke einfacher Fundamentalformen 
u, z.: 1. die Elementarflächen; 2. die Grundform und 3. die Verschwindungs- 
verhältnisse der Flächen. 

Diesen fünf Tafeln schloss sich als Uebergang zur Darstellung von natür- 
lichen Gebilden, die sechste Tafel mit drei Figuren an, welche als die wichtig- 
sten Zusammensetzungen der Grundformen allgemein verbreitet vorkommen, 
und zwar: 1. die Agralllläche; 2, die Mulde und 3. die Einsattelung. Dieser 
Tafel folgen sechs Berg- und Gebirgsformen, welche den Elementarunterricht 
seiner Schule beschliessen. Alle Formen des Elementarunterrichts sind mit 
Horizontaleurven versehen. 

Den zweiten Theil des Unterrichts setzen die verschiedenen Terraincharak- 
tere’zusammen, und zwar in den beiden Massstaben. 1: 14,400 und 1: 28,800 
der natürlichen Grösse. 

Ueber die Nutzanwendung des Werkes wird Herr Cybulz in der nächsten 
Sitzung Näheres mittheilen. 


Versammlung am 16. März 1858. 


Der Herr Vicepräsident, k. k. Rath A. Steinhauser führte den Vorsitz. 

Über Antrag des Ausschusses wurden den Statuten gemäss, die Herren 
J. R. v. Kronenfels, Lieutenant im k. k. Lin.-Infant.-Regiment Nr. 50, 
J.Mündel, k. k. Seetionsrath und St. v. Rakovsky, Gutsbesitzer in Agram, 
zu ordentlichen Mitgliedern der Gesellschaft gewählt. 

Der Herr k. k. Rath Steinhauser theilte einen Schichtenplan der 
inneren Stadt Wien zur Ansicht mit, den er zu diesem Zwecke der zukom- 
menden Güte Sr. Excellenz des Herrn F.M.L. Ritter von Hauslab verdankt; 
derselbe ist von dem Letzteren selbst verfasst und die Höhenschichten sind in 
einem Abstand von 5 zu 5 Fuss aufgetragen; er ist von dem Originale auf die 
vier behufs der Allerhöchst genehmigten Stadterweiterung ausgegebenen 
Blätter der inneren Stadt nebst den angrenzenden Theilen der Vorstädte über- 
tragen worden und ist dem Vernehmen nach zur Veröffentlichung bestimmt. 

Herr k. k. Seetionsrath Haidinger berichtet über eine in vielen geogra- 
phischen Beziehungen, namentlich aber für die Arbeiten der k. k. geologischen 
Reichsanstalt in ihren Landesaufnahmen wiehtige neue Abhandlung des Mitglie- 
des, Herrn Astronomen J. F. Julius Schmidt in Olmütz, von welcher er ein 
Exemplar der Freundlichkeit des Besitzers der Sternwarte, Herrn Prälaten 
Ritter von Unkhrechtsberg verdankt. Sie trägt den Titel: „Untersuchungen 
über die Leistungen der Bourdon’schen Metall-Barometer mit Hinweisung auf 
den Nutzen dieser Instrumente für die Marine,“ Es ist dies wohl eine höchst 
dankenswerthe Arbeit, ein Ergebniss und wahrer Lohn der Beharrlichkeit für 
längere Reihen von geduldig durchgeführten Versuchen und Beobachtungen, 
welche Hr. Schmidt unter persönlicher Mitwirkung des Herrn Prälaten von 

Mittheilungen der k. k, geogr. Gesellschaft. II, Bd. 2. Heft. 7 


s4 Versammlung am 16. März. 


Unkhrecehtsberg und des Herrn Professors Schenk unternahm. Der Er- 
folg war um so wünschenswerther, als in einem eigenen Abschnitte der im 
August und September 1853 in Brüssel abgehaltenen „Conference maritime sur 
l’adoption d’un systeme uniforme d’observations meteorologiques a la mer“, 
(Seite 21 und 63) geradezu verlangt wird, dass das Aneroid-Barometer nicht 
dem Quecksilber-Barometer substituirt werden sollte. Auch Schmidt erklärt 
ein Aneroid, das nicht speciell studirt worden, für nahezu werthlos. Aber darin 
besteht eben der Inhalt jener Schrift. Es wird, und zwar nur für solche, welche 
die Qualität der von Riehard und Bourdon in Paris verfertigten besitzen, 
eine Correetion der Temperatur, wo ein Thermometer im Instrument angebracht 
ist, unter der Luftpumpe studirt und festgehalten. Sie lässt sich durch eine 
ziemlich einfache Curve für jedes Individuum der Aneroide darstellen, aber jedes 
erfordert eine Untersuchung für sich. Sie sind „Individuen“, sagt Schmidt, 
nicht „Exemplare wie die Quecksilber-Barometer“. Die in Olmütz auf der 
Unkhrechtsberg'schen Sternwarte angestellten Untersuchungen wurden 
unter einer Luftpumpe vorgenommen, Barometer und Aneroid gleichzeitig unter 
demselben Reeipienten, bei einem Luftdruck zwischen 29 Pariser Zoll und 
18 Zoll und 8 Linien, wobei der Zeiger des Aneroids in grosser Regelmässig- 
keit sich bewegte, dabei aber fast dreimal die Peripherie seiner kreisförmigen 
Scala beschrieb. Die Beobachtungen wurden später auf dem Gloggnitzer 
Schneeberge bei 1082 Toisen unter einem Luftdruck von 22 Zoll wiederholt. 
Die grosse Leichtigkeit viele Beobachtungen zu machen, ohne aus dem Wagen 
zu steigen, oder ohne beim Reiten abzusteigen, gibt dem Aneroid in der Aus- 
übung so grosse Vortheile vor dem Quecksilber-Barometer. Herr Schmidt 
machte am 4. September 1857 zwischen Freudenthal und Sternberg während 
einer fünfstündigen Fahrt in einem Omnibus gegen 50 Ablesungen, also Höhen- 
bestimmungen, ohne mehr als ein einziges Mal aus dem Wagen zu steigen. 
Anderseits kann man das Quecksilber-Barometer doch auch nieht ganz entbehren, 
mit welchem die vergleichenden Beobachtungen indessen doch nur von Zeit zu 
Zeit an sicheren Stationen durchgeführt werden. Dies ist auch die Art, wie 
Herr Schmidt das Aneroid für die Marine empfiehlt. Immerhin ein Quecksilber- 
Barometer zur Beobachtung nnd Vergleiehung bei stiller See oder am Lande! — 
aber das Aneroid ist unschätzbar bei den bewegtesten, sturmerregten Wellen, 
wo die Beobachtungen des ersteren, ungeachtet er in einem Cardan’schen Ring- 
systeme, wie Lampe, Compas oder Chronometer, doch am Ende, der Schwan- 
kungen wegen, unmöglich werden. 

Schon für die „Novara“ hat Herr Schmidt mit Herrn Dr. Scherzer in 
Bezug auf die Anwendung des Aneroids Verabredung genommen, da sich 
dasselbe schon früher nach Herrn Schmidt’s Versuchen sogar für Höhen- 
messung der Wellenberge vortheilhaft gezeigt hatte, die er am 4. März 1855 
westlich von Spezzia auf 3 Toisen schätzte, 

Herr Schmidt erwähnt, dass auch in Folge von Versuchen in Paris, die 
ihm indessen nicht näher im Einzelnen bekannt geworden, das Aneroid der 
französischen Marine bereits anempfohlen worden sei. Nichts konnte für uns 
Mitglieder der k. k. geologischen Reichsanstalt erwünschter sein, als diese mit 
grösster Genauigkeit durchgeführten Olmützer Versuche, und wir werden uns 
von unserer diessjährigen Sommer-Campagne an mit Nachdruck den Arbeiten 
des hochverehrten Freundes in der Anwendung der Aneroide zu Höhenmessun- 
gen anschliessen. 

Herr k. k. Artilleriehauptmann J. Cybulz erklärt mit Beziehung auf seine 
in den beiden vorhergegangenen Versammlungen gemachten Mittheilungen die 


A. Steinhauser. W. Haidinger. J. F. Schmidt. J. Oybulz. 85 


Anwendung der Plastik beim Unterriehte in der Terraindarstellung, wie er dies 
bei seinen Vorträgen in der k. k. Kriegsschule über diesen Gegenstand praetisch 
ausführe. Diese Methode basirt sich auf eine gründliche Untersuchung und mög- 
lichst genaue Darstellung der geometrischen Beschaffenheit der Formen über- 
haupt. Die Elemente dieses Unterrichtes bilden die bekannten drei Böschungs- 
arten der Flächen, als; stettig, gewölbt und hohl, welehe nach der Richtung 
ihrer horizontalen Ausdehnung, gerad, ein- oder ausgebogen in drei verschiede- 
nen Gruppen zerfallen. Aus diesen stellt Herr Cybulz sechs positive und eben 
so viele negative Grundformen zusammen, deren Bezeichnung den analogen 
Vorkommen in der Natur entnommen ist, und deren Verschneidungsyerhältnisse 
aus der ersten Grundform abgeleitet wird. Die Beziehungen der Linien des 
grössten Falles zur Verschneidungslinie sind auf den Formen durch Anwendung 
der Schraffen ersichtlich gemacht. Der Uebergang von der Darstellung der regel- 
mässigen zu den Terrainformen, so wie die Darstellung der letzteren in ihrer 
Verschiedenartigkeit ist dureh viele Modelle, nach den von Herrn Hauptmann 
Cybulz selbst mitwahrer Meisterschaft ausgeführten Originalen, galvanoplastisch 
abeopirt, angegeben; dieselben stellen mehr weniger ceomplieirte Partien des 
Hochlandes, des Mittelgebirges und des Hochgebirges dar, und sind zur genaue- 
ren Einsicht der Verhältnisse grösstentheils mit Horizontalschichten versehen. 

Herr Prof. Simony legte ein von Herrn F. Keil, Apothekerprovisor in 
Lienz, ausgeführtes Relief der Spitzkofelgruppe vor und theilte zugleich 
die der plastischen Darstellung beigegebenen Erläuterungen im Auszuge mit. 

Herr Keil, bekannt durch seine vielseitigen Leistungen in Gebiete der 
physikalischen Geographie Tirol’s, hatte schon im verflossenen Jahre zwei pla- 
stische Darstellungen, die eine den Glocknerstock, die zweite einen grösseren 
Theil des Tauerngebietes vorstellend, zur Vorlage eingesendet. Das Relief der 
Spitzkofelgruppe zeichnet sich durch eine ebenso verständige als sorgfältige Be- 
handlung des Gegenstandes aus und bildet einen um so werthvolleren Beitrag 
zur Erweiterung der Kenntniss des österreichischen Alpenlandes, als dessen 
Ausführung auf eine grosse Anzahl von Höhenmessungen, zunächst aber auf 
eigene Anschauung basirt ist. Das Relief umfasst jenen, südlich in Lienz 
gelegenen Theil der Drau-Gailthaleralpen, weleher nebst der Drau von dem 
der letzteren zufliessenden Kartitschbache, dem Lesachthale, dem in die Gail 
mündenden Kötschache -Bach und dem bei Ober-Drauburg auslaufenden 
Pirknergraben umgrenzt wird, also ein Terrain von nahe 6 Quadratmeilen 
Flächenraum. Die dargestellte Gebirgsgruppe liefert ein sehr schönes Bei- 
spiel von jener Verschiedenheit der Oberflächengestaltung, welche aus der 
Verschiedenheit der geognostischen Verhältnisse hervorgeht. Die Gegensätze 
in den sanften Formen des Glimmerschiefers und den wild zerrissenen Gestalten 
des Dolomits, welche beide Felsarten in der bis zu 8500 Fuss sich erhebenden 
Gruppe des Kreuzkofels vorherrsehend sind, werden in der plastischen Dar- 
stellung sehr anschaulich gemacht, Dadurch, dass in den Relief die Vertikal- 
und Horizontal-Dimensionen in gleichem Massstabe (1 :48000), die Erhebun- 
gen also in ihren natürlichen Verhältnissen des Ansteigens gegeben sind, eignet 
sich dasselbe zugleich zu einem höchst brauchbaren Lehrmittel für den geogra- 
phischen Unterricht, und es bleibt nur zu wünschen übrig, dass Herr Keil seine 
fruchtbringende Thätigkeit in dieser Riehtung nicht auf die eben vorliegende 
Arbeit beschränken möge, sondern derselben die plastische Darstellung auch 
wire Theile seines schönen Vaterlandes in gleicher sorgfältiger Ausführung 
olgen lasse, 


7* 


86 Versammlung am 16. März. 


Herr J. V. Goehlert machte folgende Mittheilung über den Einfluss der 
‚ geologischen und elimatischen Verhältnisse auf die Bevölkerung in Nordamerika, 
namentlich nach dem von Dr. J. Wynne in New-York im vorigen Jahre ver- 
öffentlichten „Aeport on the vital Statistics of the United States“. 

„Das Territorium der Vereinigten Staaten lässt sich in physikalischer Be- 
ziehung in drei grosse Distriete abtheilen, welehe von einander durch hohe 
Gebirgsketten getrennt sind, Der eine dieser Distriete umfasst die atlantische 
Ebene und Abdachung, und erstreekt sich vom atlantischen Ocean bis zum 
Kamme der Alleghany-Gebirge, er ist der älteste und bevölkerteste Theil der 
Union. Der zweite Distriet umfasst das Mississippi-Becken, von der einen Seite 
von den Alleghany oder der Apalachin-Kette, von der anderen Seite von den 
Felsgebirgen begrenzt, und vom Mississippi und dessen Nebenflüssen durch- 
schnitten. An der nördlichen Grenze dieses Distriets liegen die grossen Land- 
seen, welche 11.300 Kubik-Meilen Wasser enthalten, und über 94.000 Quad.- 
Meilen mit Wasser bedecken. Der dritte Distriet dehnt sich von den Felsgebir- 
gen bis zu den Küsten des stillen Oceans aus und beherbergt, mit Ausnahme 
Californiens, nur eine dünne Bevölkerung. Diese Eintheilung steht mit den geo- 
logischen Verhältnissen des Landes, und diese mit den Lebensverhältnissen der 
Bevölkerung in genauem Zusammenhange. Denn es lässt sich nicht läugnen, 
dass neben dem Clima die geologische Beschaffenheit des Bodens 
einen wesentlichen Einfluss auf den Gesundheitszustand der 
Bewohner ausübt und zur Erzeugung von Krankheiten beiträgt, 
als deren nächste Ursache die Bodenformation anzusehen ist. Die Kalk- 
steinformation, namentlich bröcklicher Art, zeichnet sich durch üppige Vegetation 
und pittoreske Gegenden aus, in welchen die Herbstfieber als vorherrschende 
Krankheitsform auftreten. 

Wo das Substrat mit Thonschiefer zusammengesetzt erscheint, saugt der 
Boden die Feuchtigkeit auf, und es finden sich daher in jenen zumeist flachen 
Gegenden Moräste und Sümpfe, deren schädlicher Einfluss auf die Gesundheit 
sich im Wechselfieber äussert. Die Sandstein-Region trägt den Character des 
Hügel- und Gebirgslandes; der Boden ist trocken und weniger fruchtbar; stag- 
nirende Gewässer sind hier unbekannt. Diese Gegenden können als die gesün- 
desten unter allen angesehen werden. 

Aus diesen Thatsachen lässt sich der Schluss ableiten, dass die Eigen- 
thümlichkeiten einer jeden Gegend als loeale Ursachen eines mehr oder weniger 
günstigen Gesundheitszustandes der Bewohner sich äussere, ganz unabhängig 
von der geographischen Eintheilung, in welehe das Land als Ganzes zerfällt. Der 
Statistik wird es vorbehalten bleiben, den Einfluss dieser localen Ursachen 
ziffermässig nachzuweisen, und dadurch dem Aetiologen die interessantesten 
Aufschlüsse für seine Forschungen zu bieten. 

Der günstige Einfluss des Climas auf den Gesundheitszustand der Bevöl- 
kerung, insofern er durch die Nähe hoher Gebirge hervorgerufen wird, lässt 
sich in den Vereinigten Staaten genau nachweisen; so verdanken jene Theile 
Virginiens, Marylands und Pennsylvaniens, welche am Fusse der Alleghany 
liegen, ihre gesunde Lage grösstentheils der unmittelbaren Nähe dieser ausge- 
dehnten Gebirgsketten; und es ist unter den Bewohnern des Tieflandes und 
der grossen Städte Sitte geworden, die Sommer- und Herbstmonate daselbst 
zuzubringen, wenn die Hitze in der Stadt unerträglich, und im Tieflande fieber- 
bringend wird. 

Der durch Gebirge gewährte Schutz gegen heftige Winde wirkt jedoch 
zuweilen ungünstig auf die Erhaltung einer gesunden Luft, und man findet tiefe 


J. V. Goehlert. 87 


Thäler inmitten hoher und steiler Gebirge, wo die schief einfallenden Winde 
nicht mehr im Stande sind, die aufsteigenden Dünste wegzuführen und die Luft 
zu reinigen, In diesen Thälern herrscht bei unerträglicher Hitze eine ungesunde 
Atmosphäre; Luft und Wasser verlieren ihre belebenden Eigenschaften und 
machen die Gegend in hohem Grade ungesund; daher sie auch selten in der 
Union bewohnt werden. In der Schweiz und in Schottland treten die nachtheili- 
gen Einflüsse solcher Gegenden in der elenden Bevölkerung zu Tage, welche 
sie bewohnt und das Opfer serophulöser und rachitischer Krankheiten wird. 

Neben der Atmosphäre ist vielleicht kein Agens so einflussnehmend auf 
die Gesundheit und mehr thätig in der Erzeugung von Krankheiten, als die 
Feuchtigkeit; denn der Mensch bedarf nicht nur einen bestimmten Luftgrad, 
sondern auch einen bestimmten Dunstgrad zur Erhaltung seines Lebens, 

Bei trockenem Zustande der Atmosphäre in Verbindung mit erhöhter 
Temperatur wird das Ausathmen stärker, und eine grössere Menge Feuchtigkeit 
abgegeben, als zur Erhaltung der Lebensfunctionen erforderlich ist. Aus diesem 
Grunde entsteht im Sommer das Verlangen nach flüssiger Nahrung. 

Der menschliche Körper ist in Folge dessen auch dem Clima entsprechend 
‚organisirt; so besitzen die Bewohner Arabiens und des Innern Afrikas, wo die 
Luft verhältnissmässig wenig Feuchtigkeit enthält, eine trockene Muskellieber, 
während auf den brittischen Inseln und an der Küste Neu-Englands, wo die in der 
Luft enthaltene Feuchtigkeitsmenge ungewöhnlich gross ist, der menschliche 
Körper eine verhältnissmässig grössere Menge flüssiger Stoffe als irgend anders 
wo enthält. 

Zur näheren Beleuchtung des Einflusses der elimatischeu Verhältnisse auf 
die Körperbeschaffenheit mögen noch die Aussprüche einiger Ärzte hier Platz 
finden. Dr. Johnson spricht sich in seinem Werke über däs italienische Clima 
hierüber mit folgenden Worten aus: Der Einfluss des Clima’s nicht allein auf die 
Gesichtsfarbe, sondern auch auf die Gesichtszüge und die ganze Organisation 
des Menschen ist unbestritten. Die Bewohner Italiens ungeachtet ihrer nicht 
mehr erkennbaren Mischung mit gothischem, grieehischem und arabischen Blute 
sind in Bezug auf Gesichtsfarbe und Züge, und selbst hinsichtlich des morali- 
schen Charakters beinahe gleichmässig von der Natur ausgestattet. Und Dr. 
Armstrong behauptet: So mächtig sind die Einflüsse äusserer Umstände, dass 
sie im menschlichen Organismus im Verlaufe weniger Generationen die auffal- 
lendsten Veränderungen hervorbringen, und diese permanent werden. 

Auf den Inseln West-Indiens ist die weisse Race, welcheursprünglich aus 
England stammt, schlank nnd wohl proportionirt und besitzt grosse Leichtigkeit 
in den Bewegungen; eigenthümlich sind ihr die stärker hervorragenden Backen- 
knochen, die tiefliegenden Augen, die blasse Gesichtsfarbe und die kühle Haut. 
Die Abkömmlinge der ersten Ansiedler in Neu-Südwales zeigen dieselben Er- 
seheinuugen, jedoch in geringerem Grade. Und Dr. Priehard bemerkt die 
schlanken und hageren Gestalten der Virginier und der Leute in Carolina sind 
auffallend verschieden von der kurzen, plumpen und rundgesichtlichen Gestalt 
der Formen in den mittleren Grafschaften Englands, obwohl die Race ursprüng- 
lich dieselbe ist und die Abweichung derselben kann nur dem Einflusse solcher 
Umstände zugeschrieben werden, welehe mit der loealen Lage zusammenhängen. 

Die genannten Autoritäten bestätigen den Einfluss des Climas auf die physi- 
sche Körperbeschaffenheit, und die Ausdehnung dieses Einflusses innerhalb der 
weiten Grenzen der Union, deren Clima so unbeständig ist, dass es von den 
Frosten Norwegens zu der Südhitze Alrikas, von der Feuchtigkeit Hollands zu 
der Dürre Castiliens plötzlich übergeht. 


38 Versammlung an 16. März. 


Der Einfluss des Clima’s wird durch längeren Aufenthalt wesentlich, 
modifieirt, in Folge dessen der menschliche Organismus eine Änderung leidet, 
und dadurch fähig wird, den ihn umgebenden schädlichen Einflüssen zu wider- 
stehen. Dieser Process unter den Namen Aeclimatisirung bekannt, tritt beson- 
ders bei jenen ein, welche aus einem kalten in ein warmes Clima übersiedeln. 
Daher verlieren Europäer nach einigen Jahren in den Tropengegenden ihr voll- 
blutiges Aussehen und können dann leichter der Tropenhitze widerstehen; da- 
her sind neue Ansiedler im Mississippi-Becken, welches zu den fruchtbarsten 
Gegenden der Union gezählt wird, in den ersten zwei oder drei Jahren häufiger 
Fieberanfällen unterworfen, und erlangen erst nach einigen Jahren die Fähigkeit, 
den miasmatischen Einflüssen, die sie beständig umgeben, zu widerstehen, wäh- 
rend dem Fremdlinge das Zubringen einer einzigen Nacht in der Regel fieber- 
bringend wird, 

Die gefährlichste Seuche ist jedoch für die noch nicht elimatisirten Frem- 
den das gelbe Fieber, welches innerhalb der Tropengegenden und in den süd- 
lichen Städten der Union auftritt, Es wird von vielen behauptet, dass ein länge- 
rer Aufenthalt in Städten, welche vom gelben Fieber öfter heimgesucht werden, 
wie in Charleston, Savannah, Mobile und New-Orleans Schutz gegen Anfälle 
gewährt. Ob jedoch diese Befreiung permanent sei, steht noch in Zweifel; Dr. 
Stone in New-Orleans meint, dass man die Seuche wenigstens einmal über- 
standen haben müsse, um in Zukunft von ihr verschont zu bleiben. Bei dem letzten 
Auftreten des gelben Fiebers in New-Orleans konnte man genau den Einfluss be- 
obachten, welchen ein Jängerer Aufenthalt in einem warmen Clima ausübt. Unter 
den Fremden aus den nördlichen Theilen der Union wurde eine grössere An- 
zahl vom Fieber befallen, als unter jenen, deren Heimathsort in Kentucki, 
Virginia und Tennessee gelegen, und unter diesen wieder mehr, als unter jenen, 
welche aus Carolina, Alabama und Georgia gebürtig waren. Es wurden nämlich 
vom Fieber heimgesucht, aus den nördlichen Gegenden 328, aus den mittleren 
Gegenden 307, aus den südlichen Gegenden 123 per mille. Dasselbe gilt auch 
für die dort wohnenden Europäer; während jene aus Grossbritanien und Russ- 
land stärker litten, waren jene aus Italien, Frankreich und Spanien den Anfällen 
weniger unterworfen. 

Die genauesten Beobachtungen bestätigen den mächtigen Einfluss, welchen 
das Clima unabhängig von localen Verhältnissen bei läugerem Aufenthalt auf den 
menschlichen Körper ausübt, indem es solehe Veränderungen in demselben her- 
vorruft, welche der heissen oder kalten Zone entsprechen, wobei die Altersver- 
sehiedenheit eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Denn in allen jenen Affee- 
tionen, welche von einer zunehmenden Reizbarkeit des Nervensystems abhängen, 
wie in den durch das warme Clima verursachten Krankheiten, erscheint die mitt- 
lere Lebensperiode als die gefährlichste, während in jenen Krankheiten, welche 
von einer Verminderung jener Reizbarkeit begleitet sind, wie sie im kalten Clima 
zumeist vorkommen, das Alter und eine geschwächte Körperconstitution gewöhn- 
lich unterliegt. 

Fieber, Dysenterie und Leberkrankheiten können als die Krankheiten des 
warmen Clima’s bezeichnet werden, während die Kälte, besonders wenn sie 
plötzlich und unregelmässig eintritt, inflammatorische und sub-inflammatorische 
Affeetionen erzeugt, daher Entzündungen der Schleimhäute, der Luftwege 
(Husten, Bronchitis) mit sich bringt. 

Ein merkwürdiges Beispiel des Einflusses einer anhaltenden Kälte auf den 
menschlichen Organismus bieten Dr. Kane und seine Begleiter bei ihrem Be- 
suche der Polargegenden zur Auflindung Franklin’. 


J. V. Goehlert. 89 


Nach einem dreijährigen Aufenthalte in jenen Gegenden äusserte die 
Sonnenhitze der nördlichen Zone einen so deprimirenden Einfluss auf ihren Kör- 
per, dass sie eine nervöse Abspannung zur Folge hatte, welche mit der völligen 
Unfähigkeit in jeder Thätigkeit begleitet war. Diese körperliche Abspannung 
war bei Dr. Kane so gross, dass sie zuletzt seinen Tod herbeiführte, 

Zum Schlusse erlaube ich mir noch die Bemerkung vom Standpunkte eines 
Oesterreichers beizufügen, dass man auch in unserem grossen Vaterlande ähn- 
liche Thatsachen, ja in noch grösserem Detaile als in den Vereinigten Staaten, 
wo die Statistik und die mit ihr in Verbindung stehende Erforschung der hygie- 
nischen Verhältnisse der Bevölkerung erst in neuester Zeit in Aufnahme gekom- 
men, und Sache der Centralverwaltung geworden ist, ziffermässig nachzuweisen 
im Stande sei. 

Oesterreich besitzt zwei grossartige Institute, die geologische Reichsanstalt, 
und meteorologische Centralanstalt, welche die Thatsachen in Bezug auf geologische 
und klimatische Verhältnisse in den einzelnen Gegenden anzusammeln unablässig 
bemüht sind, es besitzt ausgezeichnete Aerzte, welche den Einfluss jener Verhält- 
nisse auf den Gesundheitszustand der Bewohner richtig zu beurtheilen wissen, 
es besitzt endlich ein statistisches Central-Bureau, welches die vereinzelten That- 
sachen in ein Ganzes zusammenzufassen und die entsprechende Gesetzmässigkeit 
derselben zilfermässig festzustellten, zunächst berufen ist. Das Zusammenwirken 
jener Factoren wird uns ein Bild von dem hygienischen Zustande der Bevöl- 
kerung in den einzelnen Gegenden entrollen können und in dieser Beziehung 
Thatsachen erkennen lassen, von welchen man bis jetzt noch keine Ahnung oder 
doch nur vereinzelte und vage Ansichten hatte, Kein Staat Europa's, mit Ausnahme 
Russlands, ist aber auch zur Erforschung jener Thatsachen mehr geeignet, als 
gerade Oesterreich. Die Völkerstämme sind hier nach allen Richtungen zerstreut 
und verzweigt; Colonien, seit Jahrhunderten begründet, finden sich in einzelnen 
Gruppen wie in grösseren Massen vor, und ganze Volksstämme leben unter dem 
Einflusse verschiedenartiger geologisceher und elimatischer 
Verhältnisse. 

Jenen Einfluss auf den Gesundheitszustand, sowie auf die 
körperliebe Constitution der Bevölkerung in den einzelnen Gegen- 
den nachzuweisen, bezeiehne ich als die Aufgabe, deren Lösung anzustreben, 
die k. k, geographische Gesellschaft mit berufen sein dürfte. 

Zu diesem Behufe besitzen wir, wie schon erwähnt, genaue und detaillirte 
Vorarbeiten von Seite der geologischen und meteorologischen Anstalt; wir 
besitzen das Meisterwerk einer ethnografischen Detailkarte, wir besitzen das 
- von den bewährtesten Fachmännern zusammengestellte und vom dritten statisti- 
schen Congresse adoptirte Programın jener Materialien, welehe die Natur- 
wissenschaften der Statistik zu liefern haben; wir besitzen endlich eine k. k. 
geografische Gesellschaft und in deren Mitte thätige Männer, welche den ange- 
strebten Zweck mit ihren Kräften zu unterstützen nicht zögern werden.“ 

Schliesslich zeigte Herr W. Kiesewetter den zweiten Theil seiner 
ethnographischen Reisebilder vor, welche sich auf die Indischen Feueranbeter 
auf der Halbinsel Abseheron, auf den Kaukasus, auf die Armenier, Perser, Russen 
und die Dalekarlier in Schweden bezogen. 


Versammlung am 6. April 1858. 


Der Herr Präsident, Se. Durchlaueht Fürst Hugo Salm, führte den Vorsitz. 
Ueber Antrag des Ausschusses wurden die Herren Edm. Holenia, Guts- 
besitzer zu Egendorf im Traunkreise Oberösterreichs; Fr. Neumann, Jul. 


90 Versammlung am 6. April. 1858, 


Neumann, Oberlieutenant im k. k. Flotilleneorps; Ed. Kurz, Lehramtseandidat; 
Jul. Schrökinger Ritter von Neudenberg, Ministerial-Sekretär im k. k. 
Finanzministerium; Dr. Franz Schaub, Direetor der k. k. Marine-Sternwarte in 
Triest, und Joh. Nep. Woldrich, Lehramtscandidat zu ordentlichen Mitgliedern, 
ferner die Herren Henry Grinell, Vicepräsident der geographischen Gesellschaft 
in New-York, und Dr. Gustav Rose, Professor der Mineralogie in Berlin zu 
Ehrenmitgliedern, endlich die Herren W. H. Emory, Major der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika in Washington; Alf. Maury, General-Seeretär der 
geographischen Gesellschaft in Paris, V. A. Malte-Brun, Redaetions-Secretär 
der geographischen Gesellschaft in Paris; Ch. J. Andersson, in Stockholm; 
A. Jochmus, k. preussischer Generallieutenant in London, Dr. H. Schlagint- 
weit, Dr. A. Schlagintweit, und Dr. Rob. Schlagintweit in Berlin zu 
eorrespondirenden Mitgliedern gewählt. Der Herr Präsident theilte hierauf eine 
Zuschrift des Herrn k. k. Ministers des Innern, Dr. A. Freiherrn v. Bach mit, 
in welcher Seine Exzellenz über eine Mittheilung von Seiten des h. k. k. Marine- 
Oberkommando in Triest der geographischen Gesellschaft eine Liste von Gelehr- 
ten Brasiliens und des Caplandes, welche sich um die „Novara“-Expedition be- 
sondere Verdienste erworben haben, vorlegt und zur Wahl von correspondirenden 
Mitgliedern empfiehlt. Ueber Antrag des Ausschusses werden von diesen : Sir George 
Grey, Gouverneur der Capstadt, zum Ehrenmitgliede; die Herren Dr. Wilh. 
Schüch de Capanema, kais. brasil. Professor; Dr. Manoel Ferreira 
Lagos, kais. brasil. Professor in Rio de Janeiro; Mr. Maclear, Director der 
Sternwarte; Mr. Ra ws on, Colonial-Seeretär; Dr. Biekersteth; Dr. J. Laing. 
Inspector sämmtlicher Spitäler; Mr! Mae Gibbon, Super-Intendant des bota- 
nischen Gartens; Mr. L. Layard, Secretär des süd-Afrikanischen Museums; Dr. 
W. H. J. Bleek; Mr. J. C. Holding; Dr. L. Pappe; Dr. C. F. Juritz; Mr. 
Wyley in der Capstadt; Mr. Mae Lachlan, Dr. Versfeld zu Stellenbosch ; 
Dr. Roser, Dr. Kolbing zu Gnadenthal zu correspondirenden Mitgliedern 
gewählt. 

Der Herr Vorsitzende theilt mit, dass der Ausschuss der Gesellschaft nach 
sorgfältiger Prüfung des Gegenstandes beschlossen habe, den in der allge- 
meinen Versammlung am 2. März |. J. vom Freiherrn v. Czoernig gestellten 
Antrag zur Bildung eines ständigen Comite's für die Torffrage abzulehnen, und 
lässt folgende vor dem Ausschussmitgliede Herrn O. Freiherrn von Hingenau 
verfasste und schriftlich übergebene Aeusserung hierüber vorlesen: 

„Ueber den Antrag ein eigenes Comite für die Torffrage einzusetzen, 
erlaube ich mir nachstehende wesentliche Bedenken zu formuliren.“ 

„Es scheint mir überhaupt nach den Einrichtungen der k. k. geographischen 
Gesellschaft, so wie nach den Erfahrungen anderer Gesellschaften die Bildung 
besonderer ständiger Comite's für einzelne Fragen nur dann nothwendig, wenn 
eine Gesellschaft, die an sich im Pleno zu Detailerörterungen sich nicht eignet, 
kein genügend eompetentes Ausschuss-Gremium besitzt, oder nur ein solches, 
welches lediglich Ehrenhalber und nicht um der Facharbeit willen zusammen- 
gesetzt ist. Das ist bei unseren Ausschusse nicht der Fall, welcher im Gegentheil 
an eompetenten Fachmännern keinen Mangel hat. 

„Ich gebe zu, dass zur Vorbereitung mancher wichtigen und eomplieirten 
Fragen ein Comite aus den Ausschussmitgliedern selbst zusammengesetzt werden 
kann, obwohl auch bier ein Berichterstatter, der sich nach Bedarf mit ihm be- 
kannten Fachautoritäten bespricht, und dann dem Ausschusse referirt, einer Spal- 
tung desselben in getrennte Comite's vorzuziehen sein dürfte. Denn nicht. mit 
zersplitterten, sondern mit vereinigten Kräften sollen und können wir 


Fürst Hugo Salm. 9 


etwas Tüchtiges leisten, und die von mir hochgeschätzte Theilung der Arbeit, 
kann ich nur darin sehen, dass sieh mehrere Individuen nach ihrem besonderen 
Fähigkeiten in dieselbe theilen, nicht aber, dass sich der einheitlich leitende 
und eben zur Zusammenfassung solcher Einzelarbeiten verpflichtete Ausschuss 
selber in eine oder die andere ständige Commission auflöse, oder in Gefahr 
gerathe — den Anfangs zwischen sich und der Commission noch eine zeitlang 
aufrecht erhaltenen Verband, später schwächer werden zu sehen, bis das Speeial- 
Comite immer tiefer seine Speeialfrage ergreifend, die regen Zwecke und die 
Einheit der Gesellschaft unwillkürlich zu untergraben, in die Lage kommt. Noch 
bedenklieher aber erscheint mir die Aufstellung eines aus Ausschussmitgliedern 
und Nichtmitgliedern zusammengesetzten ständigen Comite's. Abgesehen 
davon, dass damit einer statutenwidrigen Selbstergänzung der Ausschussmit- 
glieder die Bahn geöffnet wird, müsste ein solches ständiges Comite, um nicht 
aus dem Verbande mit dem Ausschusse zu kommen, fortwährend seine Verhand- 
lungen an diesen berichten, seine Resultate vorlegen, zur Veröffentlichung 
durch denselben beantragen und überhaupt jeden seiner Anträge erst auf dem 
statutenmässigen Wege durch den Ausschuss an die Gesellschaft selbst bringen, 
eine Geschäftsvermehrung die mit dem Zwecke der Sache und mit der Zeit der 
Mitglieder in keinem genügenden Verhältnisse stehen dürfte. All’ diess kann — 
ohne Gefahr, den beschränkten Zweck unserer Gesellschaft über einer Speecial- 
frage aus den Augen zu verlieren, der Ausschuss selbst — mit Hilfe eines Bericht- 
erstatters, oder wenn man will, eines kleinen Comite, das sich ad actum zusam- 
menthut und nach der Berichterstattung auflöst, also nicht ständig eine einzelne 
Frage fort verfolgt — weit besser verrichten, zumal er in seiner jetzigen Zusam- 
mensetzung eine grosse Anzahl von Fachleuten, — Geographen, Naturforscher, 
Kartographen, Ethnographen, Geschichtsforscher, Statistiker, Schulmänner und 
Staatsmänner zählt, von denen gerade der grösste Theil sich eifrig an den Arbei- 
ten und Zusammenkünften betheiligt.* 

„Am allerwenigsten aber scheint mir dieser Antrag gerechtfertigt bei einer 
Angelegenheit, welche für die k. k. geographische Gesellschaft, alssolehe, von so 
secundärer Bedeutung ist, als die Torffrage.“ 

„Ich will hier nieht näher erörtern, ob ein Brennholz-Surrogat, wie der 
Torf es unstreitbar für Länder und Zeiten ist, welche an Holz oder Kohlen 
Mangel leiden, auch für Länder und Zeiten, die mit andern Brennstoffen geseg- 
neter sind, von gleicher Wichtigkeit sein mag und dieselben ausserordentlichen 
Mittel zur Einführung in die praetische Verwendung bedürfe. Im Gegentheile 
zeigt die Erfahrung aller Orten, dass Surrogats eben erst durch sein dringendes 
Bedürfniss — dann aber auch sicherer zur Geltung kommen, als durch wohl- 
wollende Agitation, so lange ein wahres Bedürfniss nieht vorhanden ist. Man hat 
zu Kaiserin Maria Theresia’s Zeiten mit sehr mittelmässigen Erfolg Steinkohlen- 
feuerung künstlich ermuntert — ja selbst befohlen; so lange der Wald noch 
reich, das Holz wohlfeil und der Bedarf gering war, blieb es vergeblich — und 
würde es auch heute noch sein, wo man Holz in Fülle besitzt. Ebenso scheint es 
mir mit der modern gewordenen Protection des Torfes zu sein, so lange nicht 
etwa besondere Begünstigungen, Privilegien und Immunitäten das Surrogat vor 
der bevormundeten und besteuerten Holz- und Kohlenproduetion bevorzugen 
sollten. Diess ist aber nieht wahrscheinlich, da es sowohl gegen den Geist unserer 
Gesetzgebung, als gegen das Interesse der Consumenten wäre, daher man es 
billig den dabei allein interessirten Torferzeugern überlassen kann, anzustreben, 
was ihnen zu Frommen scheint. Ob selbst die vielgerühmten, ausser Oesterreich 
in brennstofarmen Gegenden gemachten neuen Erfindungen zur künstlichen Torf- 


92 Versammlung am 6. April 1858. 


pressung u. 8. w., denen ich technische und locale Bedeutung nieht absprechen 
will, wirklich jene Wichtigkeit habe, die einen solehen Apparat von Empfehlung 
und Aufdringung rechtfertigen kann, ist mir, nachdem was an ähnlich ausposaunten 
Erfindungen, z. B. Brdan's Quetschmasehine, Hooibrenk's universelle Heitzung 
durch scharf bewegte warme Luft u. dgl. m., die Erfahrung gezeigt hat, min- 
destens zweifelhaft, und die geographische Gesellschaft, welche weder die Ver- 
breitung einer neuen Erfindung, noch die zärtliche Sorgfalt für Erhöhung des 
Werthes des Torflagers zu ihrer Obliegenheit zählt, kann ruhig abwarten, wie 
viel von der neuen Erfindung sich im Laufe der Zeit als wirklieher und bleiben- 
der Fortschritt darstellen wird. Diess anerkennend, hat auch der hochgeehrte 
Herr Antragsteller erklärt, dass er mit dem Wort „Torffrage“ nicht die Torf- 
frage in ihren ganzen Umfang, sondern nur deren geographischen Theillage, . 
Verbreitung und Beschaffenheit der Torflager — gemeint habe, — obwohl der- 
selbe in freudiger Hoffnung der künftigen Bedeutung des Torfes, die Frage im 
Ganzen wärmer aufgefasst hat, als ich es vermag, der als Geolog und Stein- 
kohlenbergmann noch zweifle, ob es mübelöhnig, das künstlich und mit Kosten 
zu erzeugen, was die Natur in 100jährigen Perioden ohnehin schon fertig ge- 
presst hat, (in den Kohlenlager) und auch die Schwierigkeiten und Kosten des 
Verfahrens brachte, auf welche der ausgezeichnete Eisenhüttenmann P. Tunner 
in einer günstigen Beurtheilung des Exter'schen Torfes dennoch hinzuweisen 
nicht unterlässt. (Vgl. meine Ztschft. F. Bg. u. H. 1. J. Nr. 9.)* 

„In Erwägung aller dieser Umstände scheint mir nun die Bildung eines 
eigenenständigen Comite's für die Torffrage wirklich überflüssig. Die ge- 
wünschte Aufmerksamkeit auf das Vorkommen des Torfes und der Sammlung und 
Publication der Daten darüber kann sehr gut der Ausschuss in gewöhnlichen Ge- 
schäftsgange besorgen; eigene Torfreisende zur Erforschung und Empfeh- 
lung der Torflager, wird und kann er doch nieht aussenden, und es ist die Auf- 
suchung solcher Lager ohnedies nicht unsere Aufgabe. Die Daten über ihr 
Vorhandensein aber sind uns doch zugänglich, da die statistischen Quellen ämt- 
lich fliessen, einen ämtlichen Centralpunct besitzen, bereitwillig und gern zugäng- 
lich gemacht werden und es ihr ungebührlieh als nützlich wäre, weın wir neben 
einen trefllichen statistischen Staats-Institut, noch auf eigene Faust, Torf-Sta- 
tistik machen wollten.“ 

„Dass uns in unserer Gesellschaft die Torffrage nach ihrer industriellen 
Seite nieht berührt, wurde sehon erwähnt; aber sogar warnen möchte ich bei 
diesem Anlasse vor der Hereinziehung von drei Fragen. Industrie und die soge- 
nannte practische Anwendung wurzeln zwar in den Fortschvitten der Wissen- 
schaft, diese selbst aber geht am wirksamsten vorwärts, wenn sie um ihrer selbst 
willen, ohne Rücksicht auf eben beliebte Anwendung betrieben wird, und es der 
Praxis überlässt, die von ihr zu Tage gebrachten Resultate zu ergreifen und zu 
utilisiren, oder ihr über bestimmt gestellte Fragen — Antwort zu geben. Nicht 
umhin kann ich dabei der kräftigen Worte gedenken, mit denen der unvergess- 
liche Leopold v. Buch in seiner auch an national-ökonomischen Daten und Win- 
ken reichhaltigen Reise durch Norwegen, den Verfall der „Drontheimer Societät 
der Wissenschaften“ kennzeichnet: Er sagt: „Der Dämon der populären 
Nützlichkeit hat sich über diese Anstalt, sowie über so viele 
andere verbreitet, und wieimmer, und wieesauch immerfort sein 
wird, haterihren wohlthätigen Einfluss erstickt.“ 

„Auch was die Wiener Zeitung vom 1858 über das Aluminium-Metall 
brachte, enthielt sehr treffende Bemerkungen über die Fortschritte der 


Fürst Hugo Salın. 93 


Chemie, die sie eben seit jener Zeit machte, als sie ohne direeten Anordnungs- 
zweck um ihrer selbst willen getrieben zu werden begann.“ 

„Eine merkwürdige Erfahrung über die Comitebildung für vermengt-wissen- 
schaftlich- und utilitarische Zwecke liegt uns auch in der Heimath vor. Vor 
einigen Jahren beschloss die k. Akademie der Wissenschaften in Wien für einen 
ähnlichen sogenannten praetischen Zweck, nämlich für die Untersuchung 
der österreichischen Steinkohlen einständiges Comite zu bilden. Ich habe 
die mit namhaften Kosten angeschaffenen Apparate in einer Rumpelkammer des 
k. k. polytechnischen Institutes noch im Jahre 1856 liegen gesehen. Von der 
Wirksamkeit jenes „ständigen“ und bis heute meines Wissens noch nicht 
aufgelösten Comit&'s, ist nie etwas bekannt geworden! Ich kann unserer hoch- 
verehrten Akademie zu dem wichtigen Taete nur Glück wünschen, dass sie das 
wirklich unpraetische Projekt, practisch sein zu wollen, in riehtiger Würdigung 
ihrer höheren Aufgabe — einfach hat fallen lassen. Wir sollten uns dieses Bei- 
spiel zu Nutzen machen. Die Steinkohlen sind desshalb nieht unanalysirt ge- 
blieben. Das Bedürfniss darnach war da; auf Verlangen von verschiedenen 
Seiten wurden Kohlenlager untersucht, Prof. Nendtwich in Pest hat schon 
vor Jahren, dann die geologische Reichsanstalt, das Landesmünzprobiramt u. a. 
Laboratorien und Chemiker darin gearbeitet, eineigenes Privatkohlenbureau, rein 
industrieller Art, hat sich gebildet, um die Verbindung der Wissenschaft mit der 
Praxis zu vermitteln und der ersteren die Hand zur Verbreitung dessen zu bieten, 
was sie selbstständig arbeitet. Wie uns der Herr Antragsteller in Aussicht ge- 
stellt hat, soll sich auch für den Torf eine industrielle Gesellschaft mit be- 
deutenden Capitalien bilden; ihr kann man daher füglich die Arbeiten für und 
über den Torf, als in ihren wohlverstandenen Interesse liegend überlassen und 
sich begnügen, im Ausschuss die Sammlung der geographischen Daten im 
Auge zu behalten, unbeirrt von den rein materiellen Interessen der practischen 
Ausbeutung, welche nur Lob, Empfehlung und Anpreisung für sich, Stillschweigen 
aber und Tadel für die Coneurrenz anderer Stoffe gleicher Art zu verlangen 
pflegt. Schliesslich mag endlich noch einer in unserer eigenen Gesellschaft ge- 
machten Erfahrung gedacht werden. Wir haben auch schon einmal ein Special- 
Comite für eine mehr noch als der Torf, geographische, aber doch zugleich 
weiter in die Praxis reichende Frage ereirt — nämlich für die Suezfrage. 
Was war das Resultat? Ein Bericht der, weil er sich in den Gränzen unserer 
Aufgabe nach Thunlichkeit gehalten, in unseren Schriften niedergelegt ist, der 
aber sammt unseren Antheil an der Sache gar bald von einem anderen weitern 
und unserem Standpunkt überragenden Vortrage überflügelt worden ist, der von 
einem unserer Mitglieder in einer anderen Eigenschaft, an einem anderen Orte 
und mit dem glänzenden Apparate einer lebhaft geweckten Veröffentlichung durch 
viele publieistische Organe ausgerüstet, unsere bescheidene Wirksamkeit in 
Schatten gestellt hat, uns zur warnenden Lehre, dass gemischte Fragen, 
wenn sie nach unseren Zwecken nieht erschöpfend behandelt werden können, 
vor ein anderes Forum gewiesen werden sollen. Bleiben wir in dem uns ange- 
wiesenen wissenschaftlichen Gebiete und in unsern statutenmässigen Schranken; 
schwächen wit nicht durch Entsendung detachirter Corps oder Comite's, die cen- 
trale Kraft des Ausschusses und halten wir uns an die Erfahrung, dass Concen- 
trirung auf einen Zweck fruchtbarer wirke als Dilatirung über Alles denkbare 
Wissens- und Strebenswürdige! Non omnia possumus omnes, sagt bescheiden 
der Lateiner; Qui trop embrasse, mal etreint, der feurige Franzose. Es ist leider 
ein Fehler des Deutschen und Oesterreichers, dass er gern über dem Bessern 
und Allgemeinern, das Gute und das Besondere vernachlässigt! Bleiben wir 


94 Versammlung am 6. April 1856. 


bei unserer Aufgabe! und halten wir an der einheitlichen Concentration 
unserer Kräfte für dieselbe fest!“ 

Herr Bergrath Franz v. Hauer legte eine von Herrn Dr. Julius Schmidt, 
Astronomen an der Sternwarte des Domherrn Ritter von Unkhrechtsberg zu 
Olmütz, verfasste Abhandlung über das Erdbeben vom 15. Jänner 1858 vor. 
(Siehe Abhaudlungen dieses Heft. Nr. VII S. 131.) 

Herr Sectionsrath V. Streffleur bespricht die in den Sitzungsberichten 
der kais. Akademie der Wissenschaften (Band XXVI S. 91) erschienene Abhand- 
lung von Prof. Dr. J. R. Lorenz „Vergleichende orographisch-hydrographische 
Untersuchung der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach, der 
Enns und der Mur.“ Indem er der treffiichen Ausführung des beschreibenden 
Theiles dieser Abhandlung volle Gerechtigkeit wiederfahren lässt und namentlich 
hervorhebt, dass man in derselben über die physikalischen Verhältuisse des Salz- 
burgischen Gebirgslandes, sowie über die Natur der Wildbäche und deren Ver- 
sumpfungen genügende Aufklärungen findet, sprieht er sich jedoch mit aller Ent- 
schiedenheit gegen die darin enthaltene Behauptung aus, dass im Pinzgau nieht 
nur eine gründliche und dauernde Entsumpfung, sondern auch die Sicherung der 
gegenwärtigen Palliativ-Bauten zu den Unmögliehkeiten gehöre. Herr Lorenz 
war von der Ansicht ausgegangen, dass zur Erreichung dieses Zieles die Aus- 
tiefung einer nach allen Dimensionen sehr bedeutenden, mehrere Meilen langen 
Rinne im festen Gesteine erforderlich wäre. Diese Ansicht beruhe aber auf einer 
irrigen Anschauung der Natur der Längenthäler. Wie solche überhaupt gewöhn- 
lich, habe auch das mittlere Pinzgau von Mittersill bis Bruck ein zehnmal gerin- 
geres Gefälle als der enge Abfall von Bruck gegen St. Johann. Gleich unterhalb 
Bruck durchsetzt eine Felswand den Fluss nach seiner ganzen Breite; sie bildet 
die Winkelspitze im eonvexen Bruche des Profiles. Wird hier eine Sprengung 
vorgenommen, so muss das Wasser im ganzen oberen Thalgebiete sich senken 
und bei der vermehrten Abflussgeschwindigkeit durch eigene Kraft sich im Allu- 
vium einschneiden. Wie wirksam solche Arbeiten unterhalb Bruck sind, geht 
daraus hervor, dass sich bloss in Folge des Ausräumens des Flussbettes der 
Wasserspiegel vom Jahre 1831 bis 1853 an den Brücken zu Gries um 141%F., 
zu Klämmum I8F.,zu Bruck um 10F. und zu Maria Einöden um 81/,F. eingesenkt 
hat. Das Niveau des Zeller-See’s hat sich um 5F. gesenkt. Viele ehemalige 
Sumpfwiesen sind nun zu Weizeneultur verwendet, das Zellermoos besteht nur 
mehr dem Namen nach, die Sumpffieber sind verschwunden. Diese günstigen 
Resultate sind ausschliesslich der Einwirkung der hohen Staatsverwaltung und 
der Einhaltuug eines vernünftigen Entwässerungsplanes zuzuschreiben. Seit dem 
Jahre 1823 werden darauf jährlich 10.000 fl. C.M. verwendet und diese Summe 
geht nicht, wie Herr Dr. Lorenz meint, in die Sümpfe, sondern den Pinzgauern 
in die Tasche. Der Spruch der bei Stuhlfelden auf einer Tafel zu lesen ist: „Kin- 
der Euch muss geholfen werden,“ welche Worte Se. Majestät Kaiser Franz 
bei einem Besuche der dortigen Gegend im Jahre 1823 der Bevölkerung zum 
Troste sagte, ist zur Wahrheit geworden. 

Noch legte Herr Seetionsraih Streffleur sehr sorgfältig gearbeitete he- 
liefs der Donaumündungen in das schwarze Meer zur Ansicht vor. 

Herr Prof. Zhishmann besprach auf Grundlage eines längeren für die Mit- 
theilungen der geographischen Gesellschaft bestimmten Aufsatzes, die wichtigsten 
Resultate der Forschungen über die von dem Carthaginenser Hanno an der 
Westküste Afrika’s unternommene und im Alterthume mit Recht so bedeutende 
Expedition. Zu diesem Zwecke schien es zuerst nothwendig, einen kurzen histo- 
rischen Ueberblick über die phönieischen Colonien an der Westküste Afrika's zu 


Prof. Zhishmann. 05 


geben. Sie gingen von Tyrus aus und ihre Anlage fällt in die Blüthezeit dieser 
Stadt: 1100—950 v. Ch. Die Macht des grossen Numidenreiches jedoch, wel- 
ches sich gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts v. Ch. zu bilden begann, 
führte den allgemeinen Verfall dieser Colonien herbei, so dass am Ende des 
fünften Jahrhunderts v. Ch. die wenigen noch bestehenden phönieischen Colonial- 
städte eine zweifelhafte Existenz führten, während von den meisten zu Grunde 
gegangenen nicht einmal mehr dieNamen gekannt waren. Im Alterthume herrsch- 
ten über diese Colonien zwei verschiedene Ansichten, indem Strabon und Pli- 
nius, gestützt auf die höchst unsicheren Angaben des Artemidorus einen ehe- 
maligen Bestand solcher phönieischer Colonien an der Westküste Afrika's mit 
Entschiedenheit bestritten, dagegen aber der ungemein kundige Gewährsmann 
Eratosthenes nachgewiesen hatte, dass die ganze Küste vom heutigen Lukos 
oder Elmehassen bis zum Akasse (oder Draa) in einer Länge von 15 geographi- 
schen Meilen mit 300 blühenden Colonien bedeekt war. Herr Dr. Zhishmann 
ging darauf in die Erörterung der Zwecke der Expedition ein, deren vorzüglich- 
sten der zerrüttete Zustand der noch vorhandenen phönieischen Colonien darbot. 
Es handelte sich bei der Gefahr, die dem Handel der Carthager drohte, nicht nur 
darum, dieselben neu zu besetzen, sondern auch neue Niederlassungen zu grün- 
den und allen ein festes politisches Verhältniss zu Cartago zu geben. Nicht min- 
der wichtig war die Aufgabe, über den heutigen Golf von Arguin hinaus, bis wo- 
hin die damalige Runde der Carthaginenser reichte, die afrikanische Westküste 
einer genauen Durchforschung zu unterziehen. Da der Bericht "Hanno's, der 
sich in einer griechischen Uebersetzung erhalten hat, die Hauptquelle für diese 
Expedition bildet, so wurde genauer nachgewiesen, dass man es mit einem un- 
verkürzten Doeumente zu thun habe und dass die vorsichtige Abfassung des- 
selben, welche jede nähere von Colonial- und Handelsverhältnissen vermied und 
die wunderbar klingenden einzelnen Angaben ganz dem Charakter der cartha- 
ginensischen Handelspolitik entsprechen, welche durch lebendige , mitunter 
übertriebene Schilderungen von Gefahr andere Nationen von ähnlichen Unter- 
nehmungen abzuschrecken suchte, dass endlich bei der gegenwärtigen Erweite- 
rung der geographischen und naturhistorischen Kenntnisse alle Angaben des 
Hanno’schen Berichtes nicht nur ihre volle Bestätigung fanden, sondern auch 
den Beweis liefern, dass damals, als Hanno die Expedition unternahm, die Kunde 
über die Westküste Afrika’s weit genauer als in den späteren Jahrhunderten war; 
war ja doch dieser Bericht dem Plinius und seinem Gewährmanne Cornelius 
Nepos, dem Pomponius Mela, ja sogar Strabon unbekannt geblieben. 
Hinsichtlich der Zeit lässt sich auch den von €. Müller in den Geogr. Graeei 
Min. gesammelten Angaben mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die 
Expedition etwa um das Jahr 770 v. Ch. unternommen wurde. Dr. Zhishmann 
_ verfolgte nun die einzelnen Angaben des Berichtes unter Vergleichung der Arbei- 
ten von Dodwell, Bougainville, Kluge, Hug, C. Müller u. a., sowie 
der Reisen von Can da Mosto, Mungo Park, Rennel, Jackson, Barth 
u. A. den Gang der Expedition, welche im Ganzen vom Cap Spartul bis zur Bai 
von Sherboro unter dem 7. Grade nördl. Breite 51'/, Tage dauerte bis hieher. 
Hanno brauchte vom Cap Spartel bis zur Mündung des Sebu beiMamura2 Tage, 
bis zum Vorgebirge Cantin 5 Tage, dann längs der Sümpfe von Safı 1/, Tag und 
bis zur Mündung des Tensift, wo die Ruinen bei Agonz auf’ das alte Karikon Tei- 
chos hindeuten, 1 Tag. Der Weg längs der phönieischen Pflanzstädte an der 
Küste der heutigen Gegend von Suse bis zum Draa oder Akasse betrug 2600 
Stadien und wurde in 5 Tagen zurückgelegt. Von da längs der Sahara bis zum 
Cap Blane brauchte man 12 und bis zur Insel Arguin 2 Tage. Es war diess der 


96 Versammlung am 6. April 1858. 


letzte den Carthaginensern bisher an dieser Küste bekannte Puncet. Hanno ver- 
muthete, die Distanz von Arguin bis zum Cap Spartel komme jener vom Cap Spar- 
tel bis Carthago gleich, was nach Bougainville, wenn man die Küstenentwick- 
lung in Anschlag bringt, nahezu richtig ist. Wichtiger aber ist, dass Hanno sich 
dabei ein stumpfwinkeliges Dreieck und damit die Riehtung der Küste gegen We- 
sten dachte, während die spätern Griechen dieselbe als gegen Osten gebogen an- 
nahmen und die Insel Arguin unter denselben Meridian wie Carthago setzten. Von 
Arguin unternahm Hanno mit einem Theile der Flotte eine Durchforschung der 
Küste bis über die Mündung des Senegal hinaus, kehrte jedoch wieder zurück, 
worauf er in 12 Tagen in gerader Riehtung zum Cap Verd gelangte. Nach dessen 
Umschiffung kam er in 2 Tagen zur Mündung des Gambia, in 5 Tagen zur Insel 
Härang im Golf von Bissago, in 4 Tagen zum Berge Sagres, welchen die Portu- 
giesen im Jahre 1462 entdeckten, und in 3 Tagen in die Bucht von Sherboro 
unter dem 7. Grade nördl. Br. Es war diess der südlichste und letzte Punet der 
Fahrt, da ihn Mangel an Lebensmitteln zur Rückkehr nöthigte. 

Herr Dr. A. Kerner aus Ofen sprach schliesslich über die Verschie- 
denheiten der Torfbildenden Moore in Niederösterreich. 

Der österreichiehische Antheil des böhmisch-mährischen Gebirges, das 
sogenannte Waldviertel, trägt auf seinem Plateau ausgedehnte Hochmoore, die 
namentlich in muldenartigen Vertiefungen mächtig entwickelt erscheinen, Von 
den dort auftretenden geognostischen Substraten sagt ihnen besonders der 
Granit zu; einen Boden, welcher alkalische Erden enthält, scheinen sie zu 
fliehen. 

Von ganz besonderem Interesse ist eine Moorform, welche in ihrer Ve- 
getation theilweise mit dem Hochmoor übereinstimmt und vielleicht mit der 
Zeit auch in ihn übergeht. Sie erscheint gleichfalls auf dem Plateau des 
Waldviertels, häufig sogar auf den Abhängen der höchsten Kuppen. Als we- 
sentlicher Bestandtheil dieser Moorform ist das Torfmoos anzusehen, welches, 
indem es das Wasser wie ein Schwamm zurückhält, selbst an ziemlich steil 
geneigten Abhängen die Torfbildung der umgebenden Vegetation einzuleiten 
vermag. Die geringe Mächtigkeit, in welcher der Torf entwickelt ist, sowie 
der Umstand, dass auf den Wiesen, wo diese Moorbildung im Beginne sich 
zeigt, häufig noch vereinzelte Baumgruppen stehen, in deren Schatten sich 
Pflanzen vorfinden, die sonst nur im Schatten diehter Wälder angetroffen 
werden, macht es höchst wahrscheinlich, dass diese Wiesen noch in histori- 
scher Zeit mit diehten Wäldern bedeckt waren, worauf auch die Namen der 
Ortschaften, die im Waldviertel häufig mit „Schlag“ endigen (Ottenschlag, 
Heinrichsschlag ete.) hinweisen, Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Moor- 
bildung, welche auf diesen Wiesen durch das angesiedelte Torfmoos eingeleitet 
wird, immer mehr und mehr um sich greift und so Wiesen in Torfsümpfe um- 
gewandelt werden. 

Diese Vegetationsform ist eine trostlose Erscheinung, indem sie der Wald- 
eultur entzogen wird und auch der Torf erst in ferner Zeit eine Ausbeute ver- 
spricht. Durch das Ausrotten des Torfmooses würde diese beginnende Moorbil- 
dung am sichersten hindangehalten werden können, und hierzu wäre besonders 
das Bestreuen mitKalk das sicherste Mittel, indem das Torfmoos gegen Kalk sehr 
empfindlich ist und durch kalkhaltiges Wasser schnell zu Grunde geht. 

Ueberall dort, wo das Wasser, welches die Torfbildung einleitet, kalk- 
haltig ist, bilden sich daher auch keine Hochmoore, sondern Grünlandsmoore, 
deren Vegetation vorwaltend aus Gräsern und Riedgräsern besteht. Ob alle 


Grünlandsmoore infra-aquatische Bildungen sind, wie Lesquereux behauptet 
’ 


W. F. Warhanek. W. llaidinger. 97 


kann vorläufig noch nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Die ausgebreiteten 
Moore in dem benachbarten Ungarn, z. B. der Hansäg am Neusiedler See, sind 
unzweifelhaft infra-aquatische Bildungen, ob aber auch die Grünlandsmoore des 
Wiener Beckens infra-aquatische Bildungen sind, muss die nähere Untersuchung 
erst feststellen. Uebrigens sind die Moore desWiener Beckens, namentlich jene 
bei Moosbrunn, mit den südbaierischen Mooren, welche Sendtner „Wiesen- 
moore“ nannte, vollkommen identisch, und auch jenes Gebilde, welches sich im 
Grunde der südbaierischen Moore entwickelt findet und dort „Alm“ genannt wird, 
scheint mit dem Sumpfkalk unserer Moosbrunner Wiesenmoore gleichartig 
zu sein. 


Versammlung am 20. April 1858. 


Den Vorsitz führte der Herr Viee-Präsident Dr. A. Freiherr von Helfert. 

Herr K. Hruby, Oberlieutenant im k. k. Ingenieur-Geographen-Corps, 
wurde über Antrag des Ausschusses zum ordentlichen Mitgliede gewählt. 

Der zweite Sekretär W. F. Warhanek legte eine Reihe von Büchern 
vor, welche die Gesellschaft als Geschenk erhielt. 

Herr Seetionsrath Ritter von Heufler überreicht für die Bibliothek der 
k. k. geographischen Gesellschaft drei Programme des evangelischen Gymna- 
siums zu Oberschützen in Ungarn, welche einen fortlaufenden, noch nicht ge- 
schlossenen Aufsatz des Direktors Wilhelm Schubert enthalten, unten dem 
Titel: „Die Stellung der Inseln zu den Continenten, und die Be- 
deutung der ersteren in geologischer und ethnologischer Hin- 
sieht mit Anwendung auf die historisch- geographische Methode. 
und gibt einen Auszug der ausführlichen Berichte von Herr k. k. Rath A. Stein- 
hauser aus der Gymnasial-Zeitung. 

Der Verfasser schiekt eine allgemeine Einleitung voraus, in welcher er 
den nothwendigen Zusammenhang der eulturgeschichtlichen Stadien der Völker 
mit den Naturganzen schildert; er weiset hin auf die gänzlich verschiedene 
Physiognomie zwischen dem alten und dem neuen Continente in allen Beziehun- 
gen, in horizontaler Lage, in der Bildung der Gebirgsketten und Massen, in 
elimatischer Hinsicht u. s. f.; er geht über auf die ersten Culturvölker an den 
Systemen der grossen Zwillingsströme in China, Indien, Vorderasien und den 
südlichen Halbinseln und am Nil, welchen sich Hebräer und Phönicier an- 
schliessen, endlich Griechen und Römer; er nennt die Namen verschwundener 
Völker, der Kymerier, Sarmaten, Seythen, Pelasger, Philister u. s. w.; kömmt 
dann auf die Völkerzüge der Hunnen zu sprechen und gelangt reflectirend zu 
dem Schlusse, dass erst mit dem Wandern und dem Zustammenstossen der 
Völker der historische Boden und die Culturgeschichte beginne. Ferner wird 
auf die Wichtigkeit des Malayischen Stammes hingewiesen, diese Phönicier 
des Ostens, der Bewohner der asiatischen Inselwelt, es werden die Sagen er- 
wähnt, welche die Tschubtschen nach Amerika und wieder zurück nach Asien 
wandern lassen, eben so die räthselhaften, in mehr als Halbdunkel liegenden 
Wanderungen der Azteken und Tolteken. Noch ein Blick auf den Urtypus der 
Nationen und auf die gemachten Versuche aus den climatischen Degenerationen 
Racenklassen aufzustellen, und zum Schlusse als Resultat der vorangehenden 
Betrachtungen „dass, da in der Natur nichts zufällig und bedeutungslos erscheint, 
sondern alles Harmonie und eine ewige Gesetzmässigkeit ausspricht, auch die 


98 Versammlung am 20 April 1858. 


Grundform der Erdfeste bedeutungsvoll und bestimmend für die Entwicklung der 
Menschheit geworden ist. 

In der zweiten Abtheilung beschäftigt sich der Herr Verfasser beinahe 
ausschliesslieh mit den asiatischen Inselgruppen, erklärt ihren Zusammenhang 
mit den Gebirgszügen des Continents und mit den Linien vuleanischer Thätig- 
keit, erwähnt der Bemühungen zur Erforschung eines Gesetzes der Erhebungen, 
der gewagten Hypothesen aus dem Zusammentreffen der Erscheinungen. Er 
schildert die Parallelzüge der Gebirge in Aequatorrichtung, die Zerrissenheit 
des Landes in der Nähe der vuleanischen Knoten mit Rücksicht auf den Wechsel 
der geologischen Verhältnisse, und geht dann zum ethnologischen Theile über. 

Die Bevölkerung der asiatischen Inseln durch den Stamm der Malayen 
wird historisch nachgewiesen, und derselbe (nach Latham) in die Hauptelasse 
der Mongoliden eingereiht. Es wird auf die Strömungen der, Völkerschaften im 
indischen Archipel hingewiesen und in Polinesien, wie sie von Ost nach West 
und von Sumatra aus von West nach Ost stattgefunden haben, wie sich indische, 
arabische und chinesische Bildung Einfluss erwarb, und aus solcher Zusammen- 
wirkung der heutige Zustand entstand. Dann wird jede einzelne Völkergruppe 
des grossen Archipels nach ihren Charakterzügen einzeln durchgegangen und 
ziemlich tief in die Geschichte der Malayen und ihres maritimen Einflusse einge- 
gangen. Endlich wird auch der Einwanderung der Europäer gedacht, durch 
welche neue Elemente der Civilisation eingedrungen sind, Diese detaillirte 
Untersuchung führt zum Schlusse, dass ein abweichender äusserer Typus der 
Erdgestaltung eine verschiedene organische Entwicklung im Völkerleben bedinge 
und die Inselreihen nicht bloss (geologisch betrachtet) Fortsetzungen der Con- 
tinente, sondern auch Völkerbrücken sind, welche an den grossen Bewegungen 
der Culturvölker des Festlandes mehr oder weniger Antheil nehmen. Damit 
schliesst der vorläufige Theil der Arbeit. 

Die gründliche wissenschaftliche Erörterung in angemessenem Umfange 
und gewählter Sprache würde derselben einen würdigen Platz in den Abhand- 
lungen jeder gelehrten Gesellschaft einräumen, und es ist im Interesse der 
Wissenschaft zu wünschen, dass Herr Director Sehubert zur Fortsetzung die 
nöthige Musse finden möge. Auch in dem jüngsten Programme hat sich unser 
verehrtes Mitglied durch Mittheilung von Höhenmessungen aus der Umgebung 
des Schulorts um die Vaterlandskunde verdient gemacht. 

Herr Warhanek las nachfolgende Mittheilung des Herrn k. k. Seetions- 
rathes Haidinger: 

In der Zwischenzeit zwischen der letzten und der heutigen Situng ver- 
weilte ein hochverehrtes Ehrenmitglied unserer Gesellschaft, Herr Peter von 
Tehihatchef, zwei Tage in unserer Mitte, auf der Reise von Paris nach Con- 
stantinopel, um sich von dort und zwar das achte Mal nach Kleinasien zu be- 
geben. Er wird von Samsun aus in seiner früheren Gepflogenheit eine 
Karavane von einer Anzahl Dienern mit 12 bis 16 Pferden bilden und geht so- 
dann den Lyeus (Germeili Tschai) aufwärts nach Schabehane Kararsissar und 
hierauf nach Ehingar am Euphrat, den er sodann thalabwärts verfolgt. Den 
Rückweg nach Samsun nimmt er über Ssiwas und Tokat, Später sollen noch die 
nördlichen Küstenländer bis nach Seutari vorgenommen werden. Die von 
Tehihatehef diesmal zu untersuchenden Gegenden von Armenien und Kurdi- 
stan gehören zu den wildesten und am wenigsten bekannten der Halbinsel. Wir 
verfolgen billig die Ergebnisse dieses seltenen Forschers mit grösster Theil- 
nahme, der fähig ist, sich eine riesenhafte Aufgabe, die wissenschaftliche Er- 
forschung vonKleinasien zu stellen, und kräftig und beharrlich, um sie mitErfolg 


M. A. Becker. Prof, Simony. 99 


zu lösen, Wir dürfen hoffen ihn im Spätherbste in einer unserer Sitzung will- 
kommen zu heissen, um anregende Mittheilungen von den Ergebnissen seiner 
diesjährigen Anstrengungen entgegenzunehmen, Bereits liegen den Freunden 
der Wissenschaft zwei Bände seines grossen Werkes „Asie mineure“ vor, die 
Geographie, Climatologie und Zoologie, zwei folgende enthalten die neuesten 
Ergebnisse botanischer Forschungen, in welchen auch die reichen Erfolge 
unseres hochverehrten Mitgliedes Herrn Kotschy (nebst denen des Herrn 
Boissier) hohe Anerkennung finden. In einer Mittheilung an die Socidte 
botanique de France vom 13. November 1857, welche hier nebst einer An- 
sprache, die er am 16. Mai 1857 in der ausserordentlichen Sitzung derselben 
Gesellschaft als Präsident im Motpellier gehalten, vorliegt, gibt Herr von 
Tehihatchef eine höchst anziehende Uebersicht und eine Anzahl pflanzengeo- 
graphischer Ergebnisse für Klein-Asien. Er vergleicht die Flora der fünf Haupt- 
gebirgsgruppen, des Bulgardagh, des Olymp, des Argäus, des Alidagh und des 
Ararat, die sich auf eine höchst merkwürdige Weise in Bezug auf den bei 
weitem grössten Theil der ihnen angehörigen Pflanzenspecies als verschieden 
von einander darbieten. Keine einzige Species ist allen fünf Gebirgsstöcken ge- 
mein, unter 2000 Species gibt es nur vierzehn, welche auf dreien der Gebirgs- 
stöcke vorkommen, nur der neunzehnte Theil (von 1665) der Species kommen 
gleichzeitig auf dem Olymp und dem Bulgardagh vor, und noch ein geringeres 
Zahlenverhältniss auf je zwei der andern Gebirgsstöcke. Nur einen Augenblick 
darf ich bei dem Inhalte werthvoller Mittheilungeu verweilen, über welche unsere 
eigenen Mitglieder, Fenzl und Kotschy zu sprechen berufen sind. Von dem 
ersteren so gründlichen Kenner und Forscher, so wie von Herın Boissier 
rühren die meisten der Bestimmungen der neu aufgefundenen Pflanzens pecies 
her, wie Tehihatchef als den höchsten Beweis für die Sicherheit derselben 
mit hoher Befriedigung erwähnt, — Aber ich wünschte meine Anerkennung der 
hohen wissenschaftlichen Stellung Tehihatehef's auszusprechen, der unbeirrt 
selbst durch die politischen Kämpfe, den oflenen, blutigsten Krieg zwischen 
seinem Vaterlande und demjenigen Lande, das ihm für die Förderung der wissen- 
schaftlichen Bearbeitung seiner Reise-Erfolge die höchste Anziehungskraft dar- 
bieten konnte, ruhig seinen Weg verfolgt, ein wahres noli turbare circulos 
istos! Gewiss verdient ein solcher Beweis von Hochachtung, der Wissenschaft 
dargebracht, auch unsererseits wieder die grösste Anerkennung. Herr von 
Tehihatehef führt nebst einem (Quecksilber-Barometer auch zwei Bour- 
don ’'sche Aneroide mit sich. Ich habe ihm noch vor seiner Abreise die Mit- 
theilungen des Herrn Julius Sehmidt zur Vergleichung übergeben. 

Der k. k. Schulrath Becker hielt hierauf einen Vortrag über die ethno- 
logischen Verhältnisse des Oetschergebietes. Er theilte mit, dass eine Mono- 
graphie über den Oetscher und seine nächste Umgebung von einem Verein von 
Freunden der Landeskunde in der Herausgabe begriffen sei. Diesem Werke war 
der folgende Vortrag gewidmet, in welchem der Herr Vortrageude in kurzen 
Skizzen einige Berufarten in jenem Landstriche, welche eine gewisse hervorra- 
gende Stellung einnehmen, den Gebirgsbauer, den Holzknecht, den Almhirt und 
die Sehwaigarin schilderte. 

Herr Professor Simony, hinweisend auf den hohen Werth landschaft- 
licher Darstellungen als Veranschauungsmittel in der geographischen Wissen- 
schaft, besprach zunächst das Wesen der landschaftlichen Projeetion im 
Allgemeinen, deutete auf die gebräuchlichen Hilfsmittel hin, welehe angewendet 
werden um bei den Aufnahmen den im Raume verschieden vertheilten Linien die 
richtige Perspective zu geben, und wies dann nach, wie unzureichend die meisten 

Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft. 11. Bd. 2. Heft. s 


100 Versammlung am 4. Mai 1858. 


dieser Hilftmittel sind, wenn es sich darum handelt, in dem anzuführenden Bilde 
für alle Theile des darzustellenden Gegenstandes einen gleiehen Maassstab der 
Verjüngerung einzuhalten, Dieser letztere Umstand macht die Mehrzahl der Bil- 
der nur wenig geeignet, aus den Kontouren die auf senkrechte Erhebung und 
horizontale Vertheilung der Massen und Punete bezüglichen Elemente zu er- 
mitteln. Er zeigte dann einen höchst einfachen Apparat vor, welchen er seit 
Jahren bei seinen landschaftlichen Aufnahmen benützt, einen Apparat, wel- 
cher sich bei einiger Uebung im Gebrauche nicht nur zur Aufnahme von Land- 
schaftsbildern jeder Ausdehnung dadurch empfiehlt, dass mit ihm alle scheinbaren 
Horizontaldistanzen der darzustellenden Punete nach einem gleichbleibenden 
Maassstab der Verjüngerung gemessen uud unmittelbar auf dem Papier aufge- 
tragen werden können, sondern auch dadurch, dass bei sorgfältiger Adju- 
stirung mit ihm wirkliche Winkelmessungen bis auf einen möglichen Fehler von 
5 Minuten ausführbar sind, ein Grad von Genauigkeit, welcher zur annähernden 
Bestimmung von Horizontaldistanzen und relativen Höhenunterschieden für viele 
Zwecke vollkommen ausreicht. Die nähere Darlegung, wie man bei der Ad- 
justirung dieses eompendiösen Apparates (welcher aus einem gewöhnlichen Zir- 
kel und zwei feinen Seidenschnürchen besteht, die an den beiden Schenkeln des 
ersteren befestigt, von bestimmter Länge und am entgegengesetzten Ende durch 
einem beim Gebrauche zwischen den Zähnen festzuhaltenden Knopf verbunden 
sind) zu verfahren hat, um ihn mit annähernder Sicherheit als Winkelmesser an- 
wenden zu können, so wie die Angabe der Benützung desselben bei den pano- 
ramatischen Aufnahmen hat sich der Vortragende für die nächste Versammlung 
vorbehalten. 

Zum Schlusse zeigte Herr Sehönninger eine Sammlung verschiedener 
astronomisch-geographischer Versinnlichungsmittel, namentlich zwei eomplieirte 
Telluro-Lunarien vor. 


Versammlung am 4. Mai 1858. 


Den Vorsitz führte der Vicepräsident, Herr k. k. Rath A. Steinhauser. 

Der zweite Seeretär, Herr W. J. Warhanek, legte eine Reihe von 
Druckwerken vor, welche als Geschenk an die k. k. geographische Gesellschaft 
eingegangen waren. 

Derselbe machte der Versammlung bekannt, dass der Ausschuss über Ein- 
ladung des Comites zur Erriehtung des Ressel-Monuments beschlossen habe, 
einen Subseriptionsbogen im Bureau der Gesellschaft anzulegen. 

Herr Seetionsrath Haidinger theilt aus einem Schreiben von Herrn Dr. 
Seherzer den Inhalt einer Abschrift mit, welche dieser von einem Schreiben 
des berühmten Directors der Sternwarte zu Washington, Lieutenant M. J. Maury 
eingeschlossen hatte. Herrn Dr. Scherzer's Brief ist von Madras, 1. Februar 
datirt. Er war mit dem Dampfer „Ava“ abgeschiekt worden, nebst Sendungen 
an Büchern, Mineralien u. s. w. Man weiss, das der Dampfer scheiterte, aber der 
Brief wurde nebst Anderem gerettet, und trug den aufgedrückten Stempel 
„Saved from the wreck of the Ava“. Lieutenant Maury's Brief ist vom 3. 
Jänner 1857 datirt. Er fand Scherzer nicht mehr in Europa, sondern gelangte 
erst in Rio de Janeiro in dessen Hände. Er gibt mehrere wichtige Andeutungen 
über zu machende Beobachtungen. So schickte Maury eine Karte des Stillen 
Oceans, aus Manuseript-Bemerkungen entstanden, die an dem National-Obser- 
vatorium aufbewahrt wurden, mit an die 350 mit doubtful, shoal u. s. w. be- 
zeichneten Punete. Capitän Rodgers, der Japan und die Ostküste von Asien 


W. Haidinger. F. Simony. 101 


besuchte und dann durch die Behringsstrasse nordwärts fuhr, auf einer von der 
Regierung der Vereinigten Staaten ausgerüsteten Expedition, trug alle seine 
später zur Veröffentlichung bestimmten Erfahrungen in diese Karten ein. Maury 
macht auf eine Insel oder Gruppe von Inseln aufmerksam, etwa in 53° bis 53° 
30° südl. Br. und 7230 bis 74030 östl. L., südlich vom Vorgebirge der guten 
Hoffnung, auf dem geraden Wege nach Australien, die selbst von Kerguelens- 
land aus besucht, aber noch nicht auf den Karten eingetragen sind, 

Ferner hebt er die Wichtigkeit der Ozonbeobachtungen hervor mit Jod- 
papier, wie sie Lieutenant Jansen von derHolländischen Marine im verflossenen 
Winter auf einer Reise von England nach Ostindien ausgeführt. Er fand am 
meisten Ozon ausserhalb der Tropen und in gegen die Pole zu blasenden Winden, 
am wenigsten in den Passaten und in den gegen den Aequator zu gerichteten 
Winden. Da Lieutenant Jansen in Ostindien dient, so trifft vielleicht die 
„Novara“ mit ihm zusammen, was gewiss für alle die Herren zur höchsten Be- 
friedigung gereichen würde, 

Ein Marine-Offizier in Nordamerika schlug vor, mit Wasserstoffgas ge- 
füllte Kautschukbälle, ähnlich den bekannten Spielballons, zu verwenden, um die 
Luftströmungen zu studiren. Namentlich sollten sie in den Passaten und Cal- 
men ausgelassen werden, ähnlich den in die See geworfenen Flaschen für die 
Wasserströmungen. 

Wichtig ist es zu erfahren, wie tief das strömende Wasser reicht. Der 
Golfstrom hat oft eine Geschwindigkeit von 4 Meilen in der Stunde und strömt 
noch in einer Tiefe von 2000 Klaftern, Bei dieser Tiefe beträgt die Pressung 
6000 Pfund auf den Quadratzoll, hinreichend um tiefe Schründe in die Ober- 
fläche zu schneiden, und doch bewiesen Maury's frühere Erfahrungen das Da- 
sein einer Schicht, eines Kissens von vollkommen ruhigem Wasser. 
Glanzvolle Ergebnisse müssten aus Studien dieses Gegenstandes folgen. Tiefe 
Sondirungen wären gleichfalls sehr wichtig, mit dem Aufsammeln des Seegrun- 
des, wie sie vorzüglich im atlantischen Ocean angestellt wurden u. s. w. 

Die erwähnten Karten fand Herr Dr. Scherzer in Rio vor und sandte 
mir den Brief in Abschrift zur Mittheilung an alle hochverehrten theilnehmenden 
Freunde, um seinen Dank dem trefflichen, kenntnissreichen Manne auszudrücken, 
dem die Physik des Meeres so viel verdankt und der mit so warmer Theilnahme 
auch in dieser Veranlassung sich unser österreichisches Unternehmen zum Ge- 
genstande seiner Sorgfalt genommen hat. 

Herr Professor Simony, anschliessend an den in der !etzten Versamm- 
lung gehaltenen Vortrag über einen zu landschaftlichen Aufnahmen und zu appro- 
ximativen Winkelmessungen geeigneten Zirkelapparat, legte näher dar, wie das 
an sich höchst einfache Instrument zu adjustiren sei, um für die beiden Zwecke 
gleichmässig benützt werden zu können. Hat man für die landschaftlichen Auf- 
nahmen z. B. den Massstab festgestellt, dass ganze Panoramen in der Länge von 
8 Fuss, einzelne Bilder, welehe etwa den sechsten Theil des Gesichtskreises 
umfassen, die Länge von 16 Zoll erhalten sollen, so muss den beiden Zirkel- 
fäden eine solche Länge gegeben werden, dass, wenn der sie verbindende 
Knopf zwischen den Zähnen festgehalten und der Zirkel bei gespannten Fäden 
mit den Spitzen aufwärts senkrecht vor ein offenes Auge gehalten wird, die 
horizontale Entfernung vom Augenbrennpunkt bis zu den Zirkelspitzen dem Halb- 
messer eines Kreises von 8 Fuss Umfang (r = 183.3 Linien) entspricht. Die beiden 
Fäden (möglichst wenig elastische Seidenschnürchen) werden demnach die Länge 
von 183.3 Linien weniger der Grösse haben müssen, um welche in dem senk- 
rechten Gesichtsprofil der Augenbrennpunet gegen die Vorderzähne zurücksteht. 

8* 


102 Versammlung am 4. Mai 1858. 


Zur genaueren Ermittlung dieser benöthigten Radiuslänge macht man den Knopf 
vorläufig verschiebbar und verfährt weiter in folgender Weise. Man misst in 
einem grösseren Wohnraume von einer Wand ausgehend auf dem horizontalen 
Boden eine gerade Linie von z. B. fünf Klaftern genau ab und eben so bestimmt 
man auf der Wand durch ein Zeichen die Höhe des Auges über dem Boden. 
Aus der Grösse dieser beiden senkrecht auf einander stehenden Linien lässt sich 
unmittelbar der Winkel berechnen, unter welchem jener Theil der Wand vom 
Boden bis zur Augenhöhe von dem entgegengesetzten Endpunkt der gemessenen 
Linie erscheinen muss, und eben so lässt sich direet berechnen, wie gross die 
Sehne des gefundenen Winkels sein muss, wenn der Radius = 183.3 Linien ist, 
Visirt man von dem einen Endpunkte der Horizontallinie nach dem gemessenen 
Theile der Wand in der Weise mit dem Zirkel, dass seine beiden Spitzen genau 
in die Fuss- und Augenhöhe einfallen, so muss der gerade Abstand zwischen den 
Zirkelspitzen der Länge der Sehne entsprechen, welche aus dem gefundenen 
Winkel und dem Radius von 183.3 Linien berechnet wurde. 

Ist der Abstand der beiden Spitzen grösser, so ist die Entfernung dersel- 
ben vom Brennpunkt des Auges noch zu gross, im entgegengesetzten Falle zu 
klein. Durch Vor- oder Zurückschieben des Knotens und wiederholte Visirungen 
kann die gewünschteRadiuslänge genau gefunden werden. Ist die letztere endlich 
erreicht, so wird der bisher verschiebbare Knopf festgenäht, und sein nunmeh- 
riger Abstand von den Zirkelschenkeln zur künftigen Controle wegen möglicher 
Veränderung der Fadenlänge genau abgemessen und notirt. Hierauf wird auf 
gut geleimten festen Papier ein Kreis mit dem Radius von 183.3 Linien gezeich- 
net, bis auf Fünftel Grade getheilt und in Bogen von 30 — 40 Grad derart zer- 
schnitten, dass ein solcher Abschnitt bequem in einem Notizenbuch untergebracht 
werden kann. Auf diesem Abschnitt lässt sich jeder mit dem Zirkel gemessene 
Winkelabstand zweier Landschaftspunete unmittelbar numerisch ablesen. Bei 
6 — Sfacher Repetition der Messungen kann eine Winkelgrösse in dieser Weise 
bis auf 5 Minuten ermittelt werden. In Verbindung mit einem Barometer kann 
dieser höchst einfache Apparat dienen, von einem Standort aus die relativen 
Höhenunterschiede einer grossen Anzahl anderer Punete zu finden. Das an den 
Barometern oben befindliche Messingblättchen, in welchem der Aufhängering 
eingefügt ist, lässt sich durch forgfältigen Schliff so zurichten, dass man bei 
ruhigem Hängen des Instrumentes über die kleine glänzende Fläche hinbliekend 
leicht Punete in den verschiedenen Theilen der Umgebung aufsuchen kann, 
welche im Horizont des Beobachters liegen. Misst man mit dem Zirkel von sol- 
chem mit dem Standort in einem Niveau liegenden Puneten senkrecht auf- oder 
abwärts nach jenen Puneten, deren Höhenunterschiede man ermitteln will, so 
darf man blos mit dem Zirkel den Winkel messen, um welchen die letztern 
senkrecht vom Horizont abstehen und dann nach dem gefundenen Winkel und 
den aus guten Karten abzunehmenden Horizontalabstand den Höhenwerth 
berechnen. 

Dass auch andere trigonometrische Aufgaben mit diesem kleinen Instru- 
mente bis zu einem für viele Fälle ausreichenden Grade von Genauigkeit gelöst 
werden können, ergiebt sich aus dem Angeführten von selbst. Die practische 
Anwendung des Zirkels bei den Landschaftsaufnahmen soll in der nächsten Ver- 
sammlung näher besprochen werden. 


Versammlung am 18. Mai. 1358. 


Den Vorsitz führte der Herr Präsident Se. Durchlaucht Fürst Salm. 
Zum ordentlichen Mitglied wurde gewählt Herr Dr. F.X. Schwarz, Chef- 
arzt im k, k. Hospitale in Constantinopel. 


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u or A 


N. A. Becker, Dr. J. Schmidt. 103 


Herr k. k. Sehulrath Becker berichtet in Verhinderung des Herrn Sec- 
tionsrathes Ritter v. Heufler über einen von dem Letzteren an den Ausschuss 
gestellten und von diesem zum Beschluss erhobenen Antrag, wornach als Organ 
des Ausschusses eine Commission für den wissenschaftlichen Verkehr mit den 
Missionen aufgestellt wird. Die Aufgabe der Commission soll darin bestehen, für 
die Missionen, welche von Oesterreich aus wirken, und, wo möglich auch jene, 
welche von der Congregation de propaganda fide in Rom ausgesendet werden, 
jene Gegenstände zu bezeichnen, welche in geographischer Beziehung im weite- 
sten Sinne von Interesse sind, die von den Missionen erhaltenen Auskünfte und 
Sendungen wissenschaftlich zu bearbeiten, von Zeit zu Zeit die eingesendeten 
Gegenstände zum Besten der Missionen für das Publieum auszustellen und sodann 
für den Fall, als keine spezielle Widmung vorliegen sollte, an jene k. k. Ca- 
binete abzugeben, wohin sich dieselben ihrer Beschaffenheit nach eignen. Die 
Missionsvereine und Missionsfonde, welche von Oesterreich aus wirken, sind der 
Leopoldinen-Verein für Nordamerika, der Marien-Verein für Central-Afrika, der 
Verein zur Unterstützung der Katholiken im Türkischen Reich und im Orient, 
der Selavenredemptions-Verein zur Förderung christlicher Zwecke in der Türkei 
im Allgemeinen, ursprünglich bestimmt zum Loskaufen von Christen aus der 
Selaverei und von den bestandenen Orden der Trinitarier herrührend, endlich 
das General-Commissariat des Franziskaner-Ordens für das heil. Land. 

Die Commission, welche aus folgenden Herren Mitgliedern besteht: Diree- 
tor Kreil als Vorsitzender der Physik, Custosadjunkt Fitzinger für Anthro- 
pologie und Zoologie, Sectionsrath Ritter v. Heufler, und Custosadjunkt 
Kotschy für Botanik, Bergrath Foetterle für Geologie, k. Rath Stein- 
hauser für Geographie, Ministerialeoneipist J. Jire&ek für Ethnographie und 
Sprachenkunde, zugleich als Berichterstatter, hat bereits eine Sitzung abgehal- 
ten und in derselben die erforderlichen Bestimmungen über die Geschäftsbehand- 
lung und Vertheilung der Aufgaben berathen, und es sind deren Beschlüsse von 
dem Ausschusse genehmigt worden. 

Herr Dr. Julius Schmidt, Astronom der Sternwarte des Herrn Prälaten 
R. v. Unkhrechtsberg zuOlmütz, machte einige Mittheilungenüber Erdbeben. 
Er machte zunächst aufmerksam auf die sehr häufigen Erschütterungen im nord- 
westlichen Theile von Unter-Oesterreich, in der Gegend von Litschau, über 
welche kürzlich ein Bericht der k. k. meteorologischen Centralanstalt vorgelegt 
ward. Dieser enthält Beobachtungen des Herrn Rauscher in Josephsthal, und 
beginnt mit der von starker Detonation begleiteten Erschütterung am 12. Sep- 
tember 1854. Das Datum der spätern Erdbeben ist nur für 1855 nicht speciell 
notirt, weil man sich darauf beschränkte, blos die Monate Mai, Juni und August 
zu nennen. Der heftigste Erdstoss wurde am 30. September 1857, Abends 7 
Uhr in Litschau und Umgegend beobachtet, der letzte hisher bekannt gewordene 
am 10. April 1858. Man hält in dortiger Gegend den westlich von Litschau sich 
erhebenden Eulenberg für das Centrum der Detonationen und der Erdbeben. 

Der Vortragende berührt sodann die jüngst von der böhmischen Statt- 
halterei eingesandten drei Schriftstücke bezüglich des Erdbebensim Böhmerwalde 
am 24. April 1858, Mittags. Die Erschütterung war weder an Stärke noch an 
Ausdehnung beträchtlich. 

Endlich theilt er mit, von dem Prof. Dr. Sadebeck am Magdalenäum in 
Breslau einen sehr vollständigen Bericht über diejenigen Orte Preussens erhalten 
zu haben, welche von dem Silleiner Erdbeben am 15. Jänner 1858 betroffen 
wurden. Er fügt hinzu, dass alle diese Einzelnheiten mehr ausführlich in seiner 
Monographie des letzigenannten Erdbebens behandelt werden sollen. 


104 Versammlung am 1. ‚Juni 1858. 


Herr Ferdinand Freiherr von Andrian zeigte eine geognostische Suite 
aus Borneo, Java und einigen anderen Inseln des Indischen Meeres vor und 
knüpfte daran einige Bemerkungen über geognostische und mineralogische Zu- 
sammensetzung. Die wichtigsten der dort auftretenden Formationen sind Granit 
mit Erzgängen, eine neptunische kohlenführende der Tertiärperiode angehörige 
Bildung, welche noch überdies viel Thoneisenstein und Sphaerosiderit enthält; 
das reiche, Gold und Diamanten führende Alluvium und Producte der schon 
lange thätigen Feuerberge. 


Versammlung am 1. Juni 1858. 


Der Herr Präsident, Se. Durchlaucht Fürst Hugo Salm-Reifferscheid 
führte den Vorsitz. Er theilte mit, dass laut einer Zuschrift Sr. Excellenz des 
Herrn Ministers des Innern, Dr. A. Freiherrn von Bach, Seine königliche Hoheit 
Karl Ludwig Eugen, Kronprinz Regent von Schweden und Norwegen, der 
k. k. geographischen Gesellschaft als Ehrenmitglied beizutreten geruhte. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden den Statuten gemäss folgende Her- 
ren zu ordentlichen Mitgliedern gewählt: Dr. Gustav Jilly, k. k. Professor in 
Olmütz, Ed. Filippi, k. k. Oberstlieutenant, Adrian Morelly, k. k. Fregatten- 
Capitän, und Eduard Radonetz, k. k. Linienschiffslieutenant in Triest. 

Herr Seeretär W arhanek theilte mit, dass die Herren G. Rose in Berlin, 
Dr. L. F. Kämtz in Dorpat und Generallieutenant A. Jochmus ihren beson- 
deren Dank für die Wahl zu Ehren- und correspondirenden Mitgliedern ausge- 
drückt haben. 

Herr k. k. Seetionsrath W. Haidinger machte folgende Mittheilung: 

Den verbindlichsten Dank bin ich verpflichtet, Seiner Durchlaucht unserem 
hochverehrten Herrn Präsidenten für die Veranlassung darzubringen, die es mir 
gestattet, der k. k. geographischen Gesellschaft über jene zwei Druckschriften 
zu berichten, welche wir der freundlichen Gewogenheit Seiner Excellenz des 
Herrn Ministers des Innern, Freiherrn Alexander von Bach verdanken. 

Es sind folgende: 

1. Message of the United States u. s. w. Botschaft des Präsidenten der 
Vereinigten Staaten enthaltend, entsprechend dem Senatsbeschlusse vom 26. Fe- 
bruar, den Bericht und Karten von Capitän R.B.Marey über dessen Erforschung 
des Big Witchita und das Quellengebiet des Brazosflusses. ZumDruckam 29. April 
1856, Senat, im 34. Congress. 1. Session. 48 Seiten. Karten im Maassstabe 
von 1: 600.000. 

2. Explorations in the Dacota Country in the year 1855 u. s. w. For- 
schungen im Dacota-Lande im Jahre 1855, von Lieutenant G. K. Warren, 
topographischen Ingenieur der „Sioux-Expedition.“ Zum Druck 22. Mai 1856. 
Senat, im 34. Congress. 1. Session. 79 und VI Seiten, 2 Karten im Maasse von 
1: 300.000 und 1: 600.000. 

Beide Mittheilungen eröffnen uns höchst anziehende Bilder der ethnogra- 
phischen Verhältuisse und des grossen Staatslebens in der Erwerbung vonKennt- 
niss und Besitznahme des Bodens der westlichen Ländereien in den Vereinigten 
Staaten von Nordamerika durch den anglo-amerikanischen Stamm, während die 
Ureinwohner allmählig sich zu festen Wohnsitzen bequemen müssen, die man 
ihnen reichlich gewähren will, während es unmöglich wird, in dem Fortschreiten 
der Ausdehnung der Wohnplätze der weissen Ansiedler, ihr unstätes, bloss durch 
Jagd gefristetes Dasein gewähren zu lassen. 


un 


W. Haidinger. 105 


Capitän Marey war im Jahre 1854 mit Vollmachten der Regierung zu 
Washington, sowie mit den Karten versehen, auf welchen die bereits vergabten 
Ländereien ersichtlich waren, ausgesandt, um für die Stämme der im Flussge- 
biete des kleinen und grossen Witchita, einem südlichen Nebenflusse des Red 
River, der noch in den Mississippi fällt, und des Brazos im nördlichen Texas, noch 
immer ohne festen Sitz jagenden Indianerstämmen, aus dem besten noch nicht 
vergabten Land „Reservationen“ mit denselben zu verabreden, was denn auch 
mit deren Zustimmung gelang. Vortrefllich fruchtbares Land mit Wald und Was- 
ser, etwa eine geographische Quadratmeile oder vier Leagues (60 auf 1 Grad) _ 
lang und breit, erhielten am Brazos, unterhalb des Forts Belknap die Jenies und 
An-dak-has und die Caddos. Sie wünschten diese Lage innerhalb der Linie des 
Forts hauptsächlich aus dem Umstande, dass die westlichen Stämme der Coman- 
chen zur Zeit ihrer Ernte sonst das Verlangen nach Gastfreundschaft so weit 
ausdehnen, bis nichts mehr zu verzehren übrig ist. Die südlichen erhielten einen 
Fleck Landes von gleicher Grösse und Vortrefflichkeit nach Fruchtbarkeit, gutem 
Wasser und Wald etwas über einen Grad weiter westlich am Clearfork, einem 
südlichen Nebentlusse des Brazos, der sich unmittelbar in den Golf von Mexico 
ergiesst. Die Auswahl geschah während einer am 15. Juli begonnenen Excur- 
sion, von Fort Belknap aus bis wieder dahin zurück am 21. August, nördlich 60, 
westlich 110, südlich 20 und östlich 20 englische Meilen umfassend, Capitän 
R. B. Marey vom 5. Inf. Reg: als Commandirenden mit dem Lieutenant N. B. 
Pearce und G. Chapin und einer Escorte von 40 Mann des 7. Inf. Reg. Er 
war noch begleitet von Major Neighbors, indischen Speeialagenten. Ein Theil 
der Exeursion konnte mit den Wagen und der Escorte zurückgelegt werden. Für 
denjenigen nördlich am grossen Witchita gegen Nordwest wurde aber ein Reiter- 
ausflug vorgezogen, da Schnelligkeit der Bewegung nothwendig war, weil man 
leicht auf feindlich gesinnte Stämme stossen konnte. Man sah in der That im 
Südwesten der Prairie grosse Feuer, die, wie sich später herausstellte, von einer 
Horde von 150 nördlichen Comanchen, Kioways, Arapahos, Cheyennes und Sioux 
herrührten, die mit einer andern mehr westlich gezogenen Horde von 100 ihrer 
Kameraden sich zu einem Rendezvous an dem Uebergang des Rio grande unter 
dem Presidio del Norte zu einem Racheeinfall in Mexico verabredet hatten, 
wo in einem Bergpass bei Durango eine frühere Raubexpedition selbst wieder 
durch Verrätherei nahezu aufgerieben worden war. Der obere Theil des Witchita, 
sowie das südlich davon anschliessende Quellengebiet des Brazos grenzen schon 
an die Wüste des Llano estacado und zeigen selbst schon einen wahren Wüsten- 
character. 

Hier stösst man bereits auf die grosse Gypsformation, die seit Marey's 
früherer Expedition im Jahre 1849 auch in H. D. Rodger's geologische Karte 
der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Boston 1855, aufgenommen worden 
ist, ebenso wie die Steinkohlenformation um Fort Belknap, wovon auch jetzt wie- 
der Sammlungen an Kohlen und an zahlreichen Fossilien aus den Kohlenschich- 
ten nach Hause gebracht wurden. Das Wasser der Flüsse in dem ungeheuren 
Gypsgebiete enthält sehr viel Bittersalz und ist nicht trinkbar, ja es ist in der 
trockenen Jahreszeit ganz eoncentrirt, von stärkster medieinischer Wirkung, so 
dass auch die Indianerstämme diese Gegenden vermeiden. Der Salt-Fork-Zufluss 
des Brazos fliesst durch eine Salzwüste, hat aber jenseits derselben süsses Was- 
ser. Der Anblick von Wüste schwindet, sobald man weiter südlich in das Fluss- 
gebiet des Clearfork-Nebenflusses des Brazos kommt, und macht den erfreulich- 
sten Ansichten des schönsten eulturfähigsten Landes Platz. Capitän Marcey be- 
vichtet über die Hilfsmittel in Beziehung auf das Pflanzen- und Thierreich. Von 


106 Versammlung am 1. Juni 1858. 


den ersten erscheint die Mesquite, eine Acaeienart, sehr wichtig, von Dr. Tor- 
rey als neue Species der Linn&'schen Gattung Prosopis, als Prosopis glandulosa 
bestimmt, später durch Dr. Gray und Dr. Torrey als Algarobia glandulosa 
(Hist. nat. Amer. 1. p. 399) beschrieben. Dieser Baum ist in den grossen west- 
lichen und südlichen Ebenen weiter als irgend ein anderer verbreitet, häufig zwi- 
schen dem 20.0 und 36.° nördl. Br. und 97.° und 103.0 westl. L. Gr. oft der 
einzige Waldbaum. Am Gila steht er in den grössten Exemplaren westlich vom 
Rio del Norte. Durchmesser 4 bis 15 Zoll, selten 20 Fuss hoch, knorrig, stach- 
‚lig, grobes sprödes Holz, einem dunklen Mahagony ähnlich, brennt gut, selbst 
grün, mit dauerhafter Kohle und höchst dauerhaft. Wächst auf wasserlosen Stre- 
eken, aber erheischt guten Grund, daher die Mesquite flats im westlichen Texas 
sehr gesucht. Blüht im Juni, die Schotenfrucht reift im September, und wird von 
den Eingebornen sowohl vielfältig benützt, als sie auch für Wild aller Art, 
Pferde, Hirsche, Antilopen, Truthühner reiehe Nahrung gibt. Auch ein dem 
arabischen ähnliches Gummi schwitzt aus Stamm und Aesten aus. Wild ist noch 
an manchen Orten so häufig, dass während der Exeursion der Ertrag der Jagd 
reichliche Mahlzeiten gab. auch Fische waren an einigen Orten häufig. Aber die 
grossen Büffelheerden sind bereits in der Abnahme begriffen und kommen nur 
mehr den nördlichen Stämmen zu Gute. Um so unerlässlicher ist der Entschluss 
der Stämme, das freilich von den Jägern mehr als selavisch betrachtete Acker- 
bauleben sich gefallen zu lassen. Marey gibt anziehende ethnographische Schil- 
derungen. Die zwei südlichen Comanchenstämme unter „Senaco“ und „Ketum- 
see“ sind bereits bis auf etwa 1100 Seelen zusammengeschwunden, die mittle- 
ren Comanchen die „No-co-nies“ und „Ten-nu-wees“ unter den früheren „Pah- 
hah-eu-ka,“ „Po-hah-eot-o-wit“ und „Choice“ zählen etwa 3500. Sie leben im 
Winter in Texas, im Sommer den Büffeln folgend, gehen sie nordwärts über den 
Red River und Canadian gegen den Arkansas. Die nördlichen Comanchen sind 
die wildesten. Sie gehen Sommer und Winter den Büffelheerden nach und leben 
von der Jagd, noch ganz entfernt von irgend welchen Ansiedlungen oder Militär- 
posten der Weissen. Sie sind es, die öfters Einfälle in Mexico machen, 

Aber im Ganzen ist von einer Seite dieAbnahme der Büffelheerden so fühl- 
bar, und der weisse Mann rückt von der andern Seite so mächtig heran, dass die 
Zeit nicht sehr entfernt erscheint, wo dieser Zustand aufgegeben werden muss, 
nicht ohne vorauszusehende Kämpfe, aber von ganz unzweifelhaftem Ausgange, 
der allmählich durch die Untersuchungen der Hilfsmittel des Landes in Expeditio- 
nen der vorliegenden Art zwischen der immer fortschreitenden Ansiedlung auf 
den verkauften Staatsländern von der Regierung vorbereitet wird. 

Weniger freundlich als am Witehita und Brazos gestalten sich die Verhält- 
nisse in jener grossen Streeke Landes zwischen dem 40.° und 48.° nördl. Breite 
und 94.° und i12.°L. Gr. in dem nördlich und östlich vom Missouri, westlich 
und südlich von noch undurehforschten oder doch sehr wenig bekannten Gebirgs- 
erhebungen und dem Nebraska oder Platteflusse begränzten grossen Flächenraum. 
Hier sind stellenweise die Büffelheerden noch so häufig, wenn auch in raschem 
Abnehmen begriffen, dass die Indianer reichlich in beständigem Nachsetzen auf 
ihren Zügen ihren Lebensunterhalt gewinnen, während andere Theile nahezu als 
Wüsten bezeichnet werden müssen. Auch war Herrn Lieutenant G.K. Warren’s 
Expedition eine zum Theil militärische. Er hatte von Fort Leavenworth oberhalb 
des Einflusses des Kansas in den Missouri, aus, mittelst Dampfer sich nach dem 
Fort Pierre zu begeben, um dort als topographischer Ingenieur eine militärische 
Reserve auszulegen und den Missouri bis zum Einflusse des Shyenneflusses zu 
untersuchen. Hierauf ging er quer dureh das Land in südlicher Richtung von Fort 


W. Haidinger. 107 


Pierre nach Fort Kearny am Platte- oder Nebraskaflusse (301 Meilen). Hier 


schloss er sich der „Sioux-Expedition“-Armee unter dem Brevet Brigadier Gene- 


ral W.S. Harney an und zog bis zu dem westlich nahe an den schwarzen Ber- 
gen (Black hills) am nördlichen Hauptzuflusse (North Fork) des Platteflusses 
liegenden Fort Laramie (335 Meilen). Von da ging es wieder quer durch das 
Land nach Fort Pierre zurück (323 Meilen), erst über das Quellengebiet des 
V’Eau qui court oder Rapid river, dann entlang dem oberen Lauf des White 
river, durch die Sand- und Schuttfelsen und Hügel der berühmten Mauvaises 
terres oder bad lands an den Quellengebieten der Zuflüsse des Big Shyenne und 
des little Missouri. Von dort ging endlich Warren noch auf der östlichen Seite 
des Missouri in Minnesota bis Sioux City (274 Meilen). Welcher Art die Reisen 
zur Recognoseirung in jenen Gegenden sind, lässt sich lebhaft aus der Bemer- 
kung abnehmen, welche der unerschrockene Ingenieur von der ersten Abtheilung 
der Expedition quer durch das Land von Fort Pierre nach Fort Kearny dem Iti- 
nerar selbst voranschiekt. „Als ich mich zu dem Unternehmen anschiekte, und 
ausschliesslich von Hrn. Carrey und mir selbst eine Anzahl von sechs Personen 
zur Begleitung genommen hatte, widerriethen mir meine Waffengenossen, die 
Offiziere des Forts, es zu unternehmen, und der commandirende Offizier machte 
ernstliche Anstalt, ıit seiner militärischen Autorität als mein Vorgesetzter mei- 
nem so „tollkühnen Unternehmen entgegenzutreten, das ihm nichts als die Aus- 
sicht sicheren Unterganges in sich trug. Man wusste, dass der Weg durch das 
Land der Brule's (die als unsere erbittertsten Feinde gelten) hindurch geht, und 
man hatte keine Kenntniss von ihrem Aufenthalte oder ihren Absichten. Wir 
konnten auch, sagte man, die Ponea’s und Pawnee's begegnen , von denen we- 
der die einen, noch die andern anstehen würden, uns zu berauben oder ein so 
kleines Häufchen „auszuwischen“ („to wipe out“), wohl wissend, dass die Belei- 
digung den Brul&'s zugeschrieben werden würde, Dann war der Weg gänzlich 
unbekannt und nie bereiset, und man konnte nicht voraussehen, welchen Hinder- 
nissen und welchem Aufenthalte wir begegnen würden. Meine Absicht war in- 
dessen nicht ohne gründliche Betrachtung der Verhältnisse und sorgfältige Be- 
sprechungen mit den Bewohnern des Landes gebildet. Das Wetter war noch zu 
warm, es war am 1. August, alsdass sich dieKriegshorden gebildet hätten und es 
war die Erntezeit, die Zeit „süsses Korn“ („sweetcorn“) zu machen, so dass die 
Indianer wahrscheinlich auf diese Art beschäftigt sein mussten. Unsere Gesell- 
schaft bestand aus hocherfahrenen Prairie-Männern, vier davon waren Halbblut- 
Dacotas, und wir waren gut bewaffnet; wir waren entschlossen, stets wachsam 
zu sein und Nachts zu reisen, wenn wir in die Nähe des Feindes kämen. Kein 
Feuer wurde Nachts angezündet und kein Zelt aufgeschlagen. Herr Gapin von 
der Pelz-Compagnie versicherte mich, er glaube, wir würden nicht einen Indianer 
antreffen, und das Ergebniss bestätigte seine Vorhersagung. Wir sahen neue 
Fährten der Poncas am !’Eau qui court und von den Brul&'s in den Sand Hills 
und einige verlassene Lagerplätze der Pawnees am Loup fork, aber keine India- 
ner. Wir führten unsere Reise in 15 Tagen durch. Ich hoffe, diese Erläuterung 
wird mich von jeder Anklage, tollkühn oder unkluggehandelt zu haben, befreien.“ 
Warren gibt nun viele höchst werthvolle Nachweisungen, die er während der 
Zeit einsammelte. Die Indianer sind noch sehr zahlreich und so vollständig un- 
abhängig, dass viele Stämme sich wenig um die von Osten her immer weiter sich 
ausbreitenden Weissen bekümmern oder diese wieder von dem jedesmaligen Zu- 
stande oder Aufenthalte der ersteren genaue Kenntniss besitzen. Ihr eigentlicher 
Stamm ist als Gesammtheit der der Dacotas, „die Verbündeten oder Alliirten“, 
auch sprechen sie von sieh als den Ocheti Shaowni, „den Sieben Rathfeuern.“ 


108 Versammlung am 1. Juni 1858. 


Es sind die folgenden: 1. die Mde-wakan-tonwans, Dorf des Geistsees; 
2. Wahpekutes, Laubschützen; 3. Wahpe-Touwans, Dorf im Laube; 4. Sisi- 
tonwans, Moordorf; diese vier sind die Mississippi und Minnesota Daeotas, auch 
Isanties — angeblich 6200 Seelen: 5. Ihank tonwans, Dorfam Ende, auch 
Wichiyelas die erste Station; 6. Ihanktonwannas, ein Zweig der vorigen; 7. Ti- 
tonwans, Dorf der Prairie, die westlichsten Stämme sollen mehr als die Hälfte der 
ganzen Dacota Nation bilden. Sie haben nie Korn gebaut und bilden selbst sieben 
namhafte Stämme, die 1. Unkpapas, „welche allein ihr Lager schlagen“ ; 2. Siha- 
sapas, „Sehwarzfüsse“; 3. Oo-he-non-pas, „Zweikessel-Bande“; 4. Sichangas, 
„Gebrannte Schenkel oder Brul&'s“; 5. Agalalas, „Bergbewohner“; 6. Minikan- 
yes, „Uferpflanzer“; 7. Itahzipchois „Bogenmark, sans are.“ Die Gesammtzahl 
der Daeotas von 5 bis 7 am und westlich vom Missouri wird auf 24,000 geschätzt‘ 
in 3000 Lodges mit 4800 Kriegern. Es scheint, dass ihre Anzahl eher zu als ab- 
nimmt. Die Dacotas folgen den Büffelzigen über die Prairien im Sommer und 
schlagen ihre Lodges im Winter in den Auen an den Ufern der Flüsse und Seen 
auf, wo sie ihre Pferde mit der Rinde des Wollbaumes nähren, was bereits zu 
grosser Zerstörung des Holzstandes geführt hat. Sie sind höchst wild und krie- 
gerisch, und schiessen mit einer Schnelligkeit und Sicherheit ihre Pfeile auf ihr 
Ziel ab, wie sie nur eine geübte Hand mit einem Revolver zu thun im Stande ist. 
Das Wild wird mit Pfeil und Wurfspies in vollem Jagen erlegt. Eine kraftvolle 
militärische Besatzung ist das Einzige, was die weissen Einsiedler schützen oder 
den Indianern Achtung einflössen kann. Sie erhalten auch manchmal „nützliche 
Verweise“, wie die Brul&'s und Ogalalas am 3. September 1855 am Blue Water 
„die sie nicht sobald vergessen werden.“ Noch geringer ist bisher die Kenntniss 
der westlich in den Black Hills und im Quellengebiet des nördlich im den Missouri 
fallenden Yellowstone-Flusses lebenden mächtigen und kriegerischen Stammes 
der Crows. Noch einige kleinere und grössere Stämme sind an den Grenzen des 
Gebietes zerstreut, nördlich die mächtigen Assiniboins. 

Herr Lieutenant Warren schlägt nun als höchst wichtig fernere Expe- 
ditionen in fortschreitender Richtung vor, darunter namentlich eine vollständige 
Aufnahme des Missouri vom Fort Pierre aufwärts bis zum Einfluss des Yellow- 
stone-Flusses und andere. 

In die Karten wurde alle Kenntniss von früheren Reisenden Major Long, 
J. N. Nieollet, Capitän Fremont undCapitän Stansbury eingeschlossen. Tri- 
gonometrische und barometrische Höhenmessungen, magnetische, meteorologische 
Beobachtungen mit Thermometer und Psychrometer wurden angestellt und mit- 
getheilt, zoologische und botanische, geologische Gegenstände gesammelt. In 
einem Anhange gibt noch W. P. Blake Bericht aus den geologischen Aufsamm- 
lungen über die Natur der Schiehten in den Mauvaises terres in Nebraska, sowie 
ein höchst werthvoller Bericht von Herrn F. V. Hayden über den geologischen 
und physikalischen Charakter der Gegend am obern Missouri, den Boden, die 
Pflanzen- und Thierwelt angeschlossen ist. 

Gleichzeitig mit den zwei oben erwähnten Congress-Schriften für die k. k. 
geographische Gesellschaft erhielt ich selbst unmittelbar als Geschenk zweier 
wohlwollender Freunde, der HerrenDr. F. V. Hayden und F.B. Meek in Philas 
delphia, einen Separatabdruck aus dem Proceedings der Academy of Natural 
Seiences daselbst, Mai 1857, 1. Notes explanatory u. s. w. Erläuterungen einer 
Karte und von Durchsehnitten der geologischen Structur der Gegend am 
Missouri, vom Einfluss des Platte bis zum Fort Benton in 47° 30 N. B. und 110° 
30' W.L. von F. V. Hayden, M.D. und 2. Deseriptionsu. s. w. Beschreibungen 
von neuen Speeies und Genera von Fossilien in Nebraska Territorium, gesammelt 


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W. Haidinger. 109 


von Dr. F. V. Hayden, unter derLeitung von Lieutenant G. K. Warren u. s. w. 
mit Bemerkungen über die Tertiär-und Kreideformation in Nordosten und Paralle- 
lisirung derselben mit anderen Theilen derselben in den Vereinigten Staaten und 
Territorien. Es war diess ein sehr dankbar zu erwähnendes Zusammentreffen, 
da besonders auch dieser Mittheilung eine kleine aber geologisch-colorirte Ueber- 
sichtskarte beiliegt, welche eine um so schätzenswerthere Nachweisung gibt als sie 
theils von Theilnehmern einer Bad-Land Expedition, denHerren Meek und Dr. 
Hayden selbst herrühren, von Geologen, welche die Gegend selbst untersuch- 
ten, zusammengestellt wurden. Ueber die Untersuchungsreisen in jenen Gegen- 
den enthält Dr. Hayden's Schrift eine interessante historische Notiz. Die ersten 
Berichte verdankt man der Reise von Lewis und Clark in der Expedition nach 
Columbia in den Jahren 1804, 5, 6, Angabe von Kreidefelsen am Great Bend des 
Missouri, auch über Lignite (Stone Coal genannt) im Mandan-Lande. Dann be- 
reiste 1832 der Prinz von Neu-Wied den Missouri bis zu seinen Quellen. So 
werthvoll in ihrer prachtvollen Ausstattung die Ergebnisse, so ging doch leider 
der grösste Theil der geologischen Sammlungen durch den Brand desDampfers der 
Pelz-Gesellschaft zu Grunde. Nur die Eitdeekung des Mosasaurus Missouriensis 
war ein neuer Beitrag. Der Geograph Nieollet ging am Missouri hinauf, bis 
zum Fort Pierre und machte schöne Sammlungen von Kreideversteinerungen am 
Great Bend. Herr. Eduard Harris, der 1843 mit dem berühmten Ornithologen 
Audubon bis zum Einflusse des Yellowstone-River vordrang, brachte viele 
Kreide- und Süsswasserformation-Fossilien mit zurück. Nachricht über die später 
so berühmt gewordene Localität der Mauvaises terres oder Bad Lands am White 
River mit ihren zahlreichen Resten neuer interessanter Wirbelthiere kam erst 
durch einzelne Reste repräsentirt nach St. Louis und Dr. Prout gab einen Be- 
richt in dem American Journal of science. Die erste grössere Sammlung wurde 
im Jahre 1849 dureh Dr. John Evans, einen von Dr. Owen’s Assistenten bei 
der Aufnahme des Chippeway Distriets nach Hause gebracht, welchen dieser 
eigens zu dem Zwecke abgesandt. Dr. Leidy bestimmte und beschrieb sie. 
Im folgenden Jahre schickte das Smithsonian Institution Herrn Thaddeus A. 
Culbertson dahin. Im Frühjahr 1853 war es wieder Dr. Evans, der die Ge- 
genden auf seinem Wege nach Oregon Territory untersuchte. Die Vertebraten 
wurden von Leidy, die übrigen Fossilien von Evans und Shumard beschrie- 
ben. In demselben Jahre war es, dass auch die Herren Dr. Hayden und Meek 
von Herrn Professor James Hall in Albany N. Y., entsendet wurden um in den 
Bad Lands des White River zu sammeln, Ihr reiches Ergebniss wurde von Leidy 
und Hall bearbeitet. Auch die nächsten zwei Jahre war für Untersuchung und 
Sammlung Dr. Hayden in Nebraska, das erste Jahr bis zum Yellowstone-Fluss 
mit Oberst A. T. Vaughan indianischen Agenten und später mit Herrn Alex. 
Culbertson und andern Mitgliedern der Pelz-Gesellschaft; das zweite Jahr als 
Mitglied der Expedition unter der Leitung des Lieutenants Warren. 

Aus dem Pflanzenreiche ist eines der wichtigsten zur Nahrung dienenden 
Producte, deren Dr. Hayden erwähnt, die Psöralea esceulenta, oder Pomme 
blande, der „Voyageurs.“ Es ist diess eine essbare Wurzel, von welcher die 
unteren Stämme der Sioux, die nur wenig Wildhaben, jedes Jahr mehrere Monate 
hindurch leben. Sie wird roh, gekocht, getrocknet und fein gestossen, oder in 
Kuchen gebacken, gegessen. Die Grundnuss, Apios tuberosa, ist häufig und den 
Indianern sehr nützlich. Eine Art Waldmaus sammelt sie häufig als Wintervorrath, 
aber die Indianer-Weiber graben die Vorräthe wieder aus und finden oft ein Paar 
Metzen dieser Knolle in einer einzigen Höhle. Auch wird die Knolle eines Helian- 
fhus viel gegessen. Eine vortreffliehe Frucht der Diekichte bei Fort Union und 


110 Versammlung am 1. Juni 1855. 


am Yellowstone-Flusse ist die der Oerasus Virginiana, eine Lieblingsspeise des 
„Grizzly bear“. Auch ein Amelanchier ist köstlich, auch gibt es Pflaumen u. s. w. 
Doch selbst eine Art prächtiger wilder Rosen oder Hagebutten muss oft dasLeben 
der Reisenden während mehrerer aufeinander folgenden Tage fristen. 

Charakteristisch vor Allem für das Land ist die Austheilung der Thierwelt, 
Die Büffel ziehen sich schon sehr zurück und nehmen rasch ab, wenn man auch 
jetzt noch Tausende in dem Yellowstone- und dem oberen Missourithale sehen 
kann. Als Dr. Hayden im Jahre 1854 den Yellowstone 350 Meilen abwärts be- 
schiffte, konnte er fortwährend Wild in grosser Menge sehen, Büffel, Antilopen, 
Elenn, das Bighorn (Ovis montana) und Biber. Niedriger am Floyd’s Blu und 
am Running Water ist das Rothwild (Cervus Virginianus) ganzhäufig und werden 
von den Saaters vom Mississippi und den Yankton , welche den Sommer bei Fort 
Pierre zubringen, gejagt. Wenige Elenn. Wilde Truthühner sind hier häufig, doch 
am meisten an der Grenze der Civilisation. An der Grenze sieht man aueh Myria- 
den des Prairie Huhns (Tetrao Cupido). Westlich nimmt eine nahe verwandte 
Species (Tetrao phasianellus) gegen die Gebirge eben so häufig den Platz 
ein. Der Raeoon (Proeyon lotor) häufig am Floyd’s Bluf, gibt einen gesuchten 

- Handelsartikel in seinemBalg für die unteren Stämme. Der Schwarzschwanzhirsch 
(Cervus macrotis) gehört den Black hills, überhaupt den Bergracheln und 
Thälern des Shyenne und des Sage ereek. Die Antilope ist am häufigsten in dem 
Sioux-Lande, auf den offenen Prairien. Grosse Elennheerden sieht man nur ober- 
halb Fort Union, am Yellowstone und Missouri, südlicher nicht. Das Bergschaf 
(Bighorn) ist ganz häufig in den beinahe unbetretbaren Mauvaises terres ge- 
nannten Regionen, aber sie werden von den Indianern nicht als Nahrung ge- 
schätzt. Merkwürdigerweise vermehren sich die Biber rasch und seitdem die 
Pelzpreise fielen, werden sie wenig gejagt und bleiben ungestört. Auch wimmeln 
viele der Bergströme buchstäblich von Bibern. 

Sir Roderiek Impey Murehison, Präsident der königlichen geogra- 
phischen Gesellschaft in London, sendet durch Herrn k. k. Seetionsrath Haidin- 
ger: „The farewell Livingstone Festival“ einen Bericht über das Abschieds- 
fest, welches am 13. Februar 1858 unter seinem Vorsitze von mehr als vierthalb- 
hundert Mitgliedern und andern Freunden der Geographie in der Freemasons 
Tavern dem berühmten hochverdienten Erforscher des Innern von Südafrika, Dr. 
Livingstone, gegeben wurde. Wenige Tage waren nur zur Vorbereitung 
übrig und erst die Zahl der Theilnehmer auf 250 veranschlagt, aber der Zudrang 
war so stark, dass das Fest einen viel grösseren Massstab erhielt, ein sichtbares 
Zeichen der hohen Theilnahme dessen sich der Vorschlag bei den wichtigsten 
und einflussreichsten Classen der ersten Gesellschaft in London erfreute, Die 
Namen der Theilnehmer sind vorgesetzt, die Gallerien waren von zahlreichen, 
gleichfalls namentlich aufgeführten Damen besetzt, die Toaste wurden in feier- 
licehster Weise mit allen Ehren begleitet, Grenadier-Garde-Musik spielte ange- 
messene, grösstentheils schottische Nationalweisen (Dr. Livingstone's Fa- 
milie stammt von der dem berühmten Stafla nahen westlichen Insel Ulva, aus der 
Nachbarschaft von Jona, von wo aus schon in dem verflossenen Jahrtausende 
christliche Missionäre sich in dem damals noch so wenig eultivirten Europa ver- 
breiteten). Der Herzog von Sutherland hatteseinen „Highland Piper“ zur Bele- 
bung des Festes gesandt. Die Gebete wurden vor Tische von dem Bischof von 
St. Davids, nach Tische von dem Bischof von Oxford gesprochen. Folgende 
Toaste wurden gebracht: von Sir R. Murchison, „Ihre Majestät die Königin, 
Gott erhalte Sie;“ der Prinz Gemahl, der Prinz von Wales, die andern Mitglie- 
der der königlichen Familie; die (bei dem Feste gegenwärtigen) Gesandten von 


W, Haidinger. 111 


Schweden Graf Platen und von Dänemark Admiral von Dockum (Sir R. Mur- 
ehison theilte noch ein bezügliches wohlwollendes Schreiben des portugie- 
sischen Gesandten Grafen von Lavradio mit). Graf Platen antwortete. Sir R, 
Murchison: die Marine und Armee. Rear Admiral Trotter und General Major 
Murray Hay antworteten. Sir R. Murchison gibt den Toast des Festes: 
„Gesundheit dem vortrefflichen Mann, der an meiner Rechten sitzt, und Erfolg 
seinem Unternehmen“ (mit heftigem und lang anhaltenden Beifall, vehement and 
long continued applause.) Wierauf von einem Ungenannten vorgeschlagen drei- 
mal hoch für Mrs. Livingstone, hochauchfür Sek eletu, dasHauptvon Living- 
stone's Makololo Freunden. Dr, Livingstone antwortet. Hierauf dreimal 
drei für Mrs. Livingstone, die ihren Dank von der Gallerie durch Verbeu- 
gung ausdrückt. Sir R. Murchison: die Gesetzgebung welche die Mittel schafft 
und die Regierung, welche die Einleitung trifft, um die Living stone Expedition 
in's Werk zu setzen. Der Herzog von Argyli antwortet für das Oberhaus und 
die Regierung, und Herr Baxter für das Haus der Gemeinen. Sir Benjamin 
Brodie: die Missionsgesellschaften. Lord Ebury antwortet. Der Bischof von 
Oxford: dem Vorsitzenden Sir R.Murehison Dank und Ehre, langes Leben 
und Glückseligkeit, Sir Roderiek antwortet. ProfessorO wen: „die Universitäten 
und wissenschaftlichen Gesellsehaften, welehe sich Livingstone zu Ehren mit 
den Geographen vereinigt.“ Der Bischof von St. David’s antwortet. Der 
Herzog von Wellington: die Frauen und insbesondere Mrs. Livingstone. 
SirRoderiekschloss mit demletzten Toast: die Beantrager des Festmahls, darunter 
vor allen den Ordnern, „dem unermüdlichen Förderer von jeder die geographische 
Wissenschaft möglicher Weise stützenden Anregung“ Dr, Norton Shaw und 
Herrn Arrowsmith, indem er Herrn Dr. Shaw zur Beantwortung aufrief, mit 
welcher das Festmahl schloss und die Gesellschaft sieh trennte. 

Das nennt man ein Festmahl! „Ich habe,“ setzt Herr Seetionsrath Haidin- 
ger hinzu, „einen kurzen farblosen Ueberblick aus dem Berichte gezogen, Mit 
tiefster Rührung war ich diesem Vorgang von Cordial spirit and right feeling 
herzlichem Geiste und richtigem Gefühle gefolgt, als mir mein hochverehrter 
Freund Herr Warington Smyth das Heft im Namen meines erhabenen Freun- 
des und Gönners Sir Roderick Murchison für die k. k. geographische Gesell- 
schaft und für mich selbst überbrachte. Anerkennung und Bewunderung des hohen 
Geistes sämmtlicher Theilnehmer wird nur noch durch genaueres Eingehen in 
jeden Theil des Berichtes gesteigert. Den Inhalt, den Ausdruck warmer, enthu- 
‚siastischer Aufnahme musste ich in diesem kurzen Bericht übergehen. Nur 
unter immerwährender, aber wahrhaft wohlthuender Aufregung und Rührung ent- 
warf ich als Auszug die vorhergehende Skizze. Die Wirkung solcher Vereini- 
gungen, festgehalten von dem Augenblicke, für alle Zeiten bewahrt, ist uner- 
messlich, jeder einzelne Abschnitt eine wahre That, das Ganze ein glänzen- 
des Bild im eigentliehsten Sinne des Wortes menschlichen Fortschrittes. Möchte 
es jedem unserer geographischen Freunde vergönnt sein, es auch in deutscher 
Sprache zu geniessen. Das ist der Ausdruck wahrer männlicher gegenseitiger 
Anerkennung und geistig unabhängiger Stellung inGesellschaft und Wissenschaft.“ 

Herr k. k. Sectionsrath Haidinger überreichte für die Mittheilungen der 
k. k. geographischen Gesellschaft eine höchst werthvolle Abhandlung, die ihm zu 
diesem Zwecke der ausgezeichnete Verfasser derselben eingesendet hatte, und 
welche aus den Gewässern von Sumatra am 4. April 1858 datirt, am 26. Mai in 
seine Hand gelangt war, Herr Commodore B. von Wüllerstorf hatte nämlich 
schon auf der bisherigen Novara-Reise vielfach Gelegenheit in der Anschauung 
über grosse Flächen zu prüfen, was ihm aus früheren sorgsamen Studien wohl- 


112 Versammlung am 1. Juni 1858. 


bekannt und geläufig war, namentlich auch in Beziehung „auf die Theorie der 
Luftströmungen und der Vertheilung der Winde auf der Oberfläche der Erde.“ 
Mit steter Rücksicht auf die Ergebnisse der Forschungen eines Maury, Dove, 
Reid, Redfield, Piddington wird eine zusammenhängende an neuen Erfah- 
rungen geprüfte Darstellung gegeben. Namentlich erheischt eine graphische Dar- 
stellung des Cyelons oder Drehwindes bei St. Paul vom 28. bis 30. Novem- 
ber 1857 unsere höchste Aufmerksamkeit und Theilnahme. „Das müsste ein 
sehlechter Wind sein, der Niemanden etwas Gutes blies“* (That's a bad wind 
that blows nobody good), ist ein alter Spruch englischer Seemänner. Hier findet 
diess buchstäblich statt, indem ein sonst misslicher Sturm gerade Veranlassung 
zu einer geistvollen Arbeit gibt. Bei dem Umstande, dass Theorie den Haupt- 
gegenstand bildet, glaubte Herr Commodore von Wüllerstorf „die Ansicht 
eines grossen Mannes anführen zu sollen, dessen Urtheil maassgebend für die 
ganze eivilisirte Welt ist und der in allen Zweigen des menschlichen Wissens 
den geistigen Standpunkt unseres Zeitalters bezeichnet. „Es geziemt nicht dem 
Geiste unserer Zeit, jede Verallgemeinerung der Begriffe, jeden auf Induetion 
und Analogie gegründeten Versuch tiefer in die Verkettung der Naturerschei- 
nungen einzudringen, als bodenlose Hypothese zu verwerfen und unter den 
edlen Anlagen, mit denen die Natur den Menschen ausgestattet hat, bald die 
nach einem Causal-Zusammenhang grübelnde Vernunft, bald die regsame, zu 
allem Entdecken und Schaffen nothwendige und anregende Einhildungskraft zu 
verdammen.““ (Cosmos I. p. 72).“ Hoffentlich werden wir dem hochverdienten 
Leiter unseres guten Schiffes, die Ergebnisse der Theorie seiner Wellenberge 
verschiedener Tiefe oder von Wellenbergen und Wellenthälern in den verschie- 
denen Luftdruckzonen, in dem zusammengesetzten hyperbolischen oder para- 
bolischen Wege der Stürme mit fortwährend nach Einer Riehtung rotirenden 
Richtung, als Separatabdruck aus unsern Mittheilungen als ein Merkmal unserer 
Verehrung und unseres Dankes entgegensenden können, bevor er noch zurück- 
gekehrt ist, von demselben Geiste geleitet, der ihn beseelte, als er uns diese 
Abhandluug bestimmte , während er in seinem Schreiben sagt, dass er sich 
glückliek schätzt, „dadurch ein Zeugniss abzugeben, dass er sich geehrt fühlt, 
ein Mitglied unserer Gesellschaft zu sein.“ Bei der Ausdehnung des Berichtes 
soll heute keine eigentliche Analyse versucht werden. (Siehe Abhandlungen dieses 
Heftes Nr. IX. Seite 230). 

Herr k. k. Sectionsrath Haidinger berichtet über drei Briefe, an ihn ge- 
richtet und am 26. Mai empfangen von den Herren Commodore B. von Wüller- 
storf, Dr. Scherzer und Dr. Hochstetter, von Singapore am 18. April 
abgesandt, welche er bereits auch der kaiserlichen Akademie der Wissenschaf- 
en am 27. und 28. Mai vorlegte. ; 

Der erste begleitete die gleichzeitig heute vorgelegte wichtige Abhand- 
lung „über die Theorie der Luftströmungen und der Vertheilung der Winde auf 
der Oberfläche der Erde.“ Er gibt ferner Nachrichten über Reise-Erlebnisse und 
betrachtet die Vortheile und Nachtheile längerer Seefahrten, namentlich bei 
Weltumsegelungen, wo wie von den veranschlagten 30 Monaten der Novarafahrt 
wenigstens 20 wirklich zur See zugebracht werden und nur 10 Monate für die 
Forschungen am Lande bleiben. Das Museum, in welchem die Novarasendungen 
gesammelt werden sollten, wird besprochen (es ist bereits von der Kaiserlichen 
Akademie der Wissenschaften ein eigenes Lokal dieser Bestimmung gewidmet 
werden), auch wird der Entlassung Lallemant's gedacht, endlich recht sehr 
erfreuliche und anregende Nachrichten über die unermüdliche Thätigkeit aller 


zo 


— TE un 


W, Haidinger, 133 


unserer Freunde an Bord gegeben, die wohl wirklich durch die Arbeiten bewie- 
sen wird, welche uns allmählich zukommen. 

Herrn Dr. Scherzer erreichte in Singapore die Trauerkunde von dem 
Tode seines edlen hochverehrten Vaters, über welches ergreifende Ereigniss er 
wahrhaft erhebende Worte, voll Vaterlandsliebe und aufopfernden Lebensmuth 
schreibt, fest verbunden wie er mit unserem grossen vaterländischen Unterneh- 
men, der Novarafahrt, ist. Herr Dr. Scherzer erwarb durch Ankauf höchst 
seltene und wichtige Werke (Mahawanso) in Palisprache auf Talipotblätter ge- 
schrieben für die k. k. Hofbibliothek auch die Uebersetzung von dem Hon»!e- 
George Turnour. Eine andere Partie, welche ihm selbst zum Geschenke ge- 
macht wurde, sendet er gleichfalls als Geschenk an die k. k. Hofbibliothek. 
Für HerrnRegierungsrath Arneth ferner Münzen und andere ethnographische 
Artikel, die drei Hauptfarben, roth, gelb, weiss, um durch Striche auf der Stirne 
die Kastenunterschiede (Brama, Vischnu, Siwa) zu bezeichnen u. s. w. Für 
Herrn Dr. Hebra Heilstoffe u, s. w. Der Ankunft wird entgegengesehen. 

Herrn Dr. Hochstetter's Berichte beziehen sich vorzüglich auf ange- 
bahnte Correspondenzverbindungen mit den Museen, wissenschaftlichen Gesell- 
schaften und einzelnen Personen, welchen er zum Theil die für selbe bestimmten 
Reihen der Druckschriften der k. k. geologischen Reichsanstalt und Petrefacten- 
sammlungen übergab, so in Madras mit der dortigen Literary Soeiety unter ihrem 
Präsidenten dem Honourable Walter Elliot im Madras Civil Serviee. Herrn 
Elliot’s Anordnungen verdanken unsere Freunde einen höchst interessanten 
Ausflug nach Mamallaipur oder den sogenannten sieben Pagoden. Hier wurde 
eine möglichst eomplete Reihe der Gesellschaftsschriften erhalten, so wie ferner 
eine Anzahl Governement Records. Herr Eduard Bal fo ur, Director of the Governe- 
ment Central Museum verschafft gleichfalls viele interessante Druckschriften, 
auch Fossilreste und andere Mineralien. Dieses Museum wird sehr zahlreich besucht, 
Ausser Balfour sind alle Beamten, selbst der Curator, Eingeborne. — Mit der 
Industrieschule und ihrem Direetor Dr. Hunter knüpfte Dr, Hochstetter 
gleichfalls Verbindungen an und erhielt von ihm das neu begonnene „Indian 
Journal of Arts, Science and Manufacture.“ 

Caleutta konnte nicht besucht werden. Unsere Sendung dahin ging an 
Herrn Dir. Oldham ab, von dem wir bereits Empfangsbestättigung besitzen. In 
Ratnapura auf Ceylon, der Stadt der Edelsteine, musterte Dr. Hochstetter 
alle Vorräthe der Edelsteinsucher und bringt manches Seltene und Werthvolle 
selbst mit, namentlich Turmaline und einen Cordierit-Krystall. 

Von Singapore war Herr F. R. Logan, der unternehmende Herausgeber 
des wichtigen „Journal of the Indian Archipelago“, gerade abwesend und befand 
sich in Pulo Penang. Nichts desto weniger wurde durch die Güte des Bruders, 
Herrn A. Logan, Redacteurs der „Singapore free Press“ nicht nur eine voll- 
ständige Reihe der erstern, sondern auch von der letztern Zeitschrift er halten, 
‚so wie die spätere Zusendung der Fortsetzungen zugesagt. 

Mehrere Kisten mit Gegenständen sind bereits abgesandt. 

Herr Professor L. F. Kämtz in Dorpat sendet an die k. k. geographische 
Gesellschaft „Bemerkungen über dieUrsachen der früheren grösseren Ausdehnung 
der Gletscher in den Alpen und in Scandinavien“, die er aus mehreren Reisen 
kennt, er selbst ein alter Anhänger der Charpentier'schen Lehren, mit dem 
er 1832 Ausflüge unternahm und durch seine hohe Stellung in der Meteorologie 
ganz zur Ausbildung fester Ansichten vorbereitet. (Siehe Abhandlungen dieses 
Heftes Nr. X. Seite 241.) 


114 Versammlung am I. Juni 1858. . 


Herr k. k. Seetionsrath W. Haidinger theilte ferner folgende an ihn ein- 
gesendete „Note über die Schwefelquelle von Mauritzing bei Botzen“, von 
Herrn Dr. Gustav Proell in Wildbad Gastein mit: 

„Eine halbe Stunde von Gries, einem Dorfe bei — gleichsam Vorstadt von 
Botzen, welches viel wärmer und gegen Winde geschützter gelegen ist, als das 
europäisch berühmte Meran — entspringt in der Nähe des Weilers Mauritzing 
zwischen diesem und dem Weiler Siebeneich, links hart an der Strasse nach 
Meran, eine kalte Schwefelquelle, von der die wenigsten Einwohner Botzens 
etwas wussten, und auf die ich durch Herrn Professor Gredler zu Botzen auf- 
merksam gemacht wurde. Ich verfügte mich mit dem Erzieher des jungen Grafen 
Thun, dem hochw. Herrn Peseosta, einem eifrigen Geologen in die bezeichnete 
Gegend, als uns plötzlich Hydrothiongeruch die Ursprungsstelle genau bezeich- 
nete, Wir fanden die reine klare Quelle von 8° R. (um 3 Uhr Nachm.) am 
6. Februar 1858 bei einer Lufttemperatur von 18° R. mit einzelnen Blättern be- 
deckt, die einen schneeweissen Beleg hatten. Die Gesteine, zwischen denen die 
Quelle hervorrieselte, waren mit schwefelgelben und rothen schiehtenweisen Ab- 
lagerungen bedeckt, die sich als Schwefel erwiesen. Die Quelle hat aber dort 
nieht ihren Ursprung, sondern auf dem rechts jenseits der Strasse dicht anstei- 
genden etwa 300 Fuss hohen Porphyrberge; sie wurde, wie ich später erfuhr, 
vor Jahren dort bei Strassenanlegung verschüttet. Jenseits und auf dem rechten 
Ufer der Etsch liegt die dolomitische Mendel: die Quelle fliesst über ein Korn- 
feld, vortreffliehen Dünger liefernd, der Etsch zu, an deren linkem Ufer sie liegt. 
Die Quelle liefert nach eigener Messung in einer Minute mehr als 4 Medieinal- 
pfund Wasser, schmeckt nur Anfangs nach Hydrothion, bei längerem Stehen gar 
nicht mehr und lässt sich sehr angenehm trinken. Herr Pescosta zeichnete die 
Umgebung der Quelle und ich habe die Ehre die Zeichnung beizulegen, damit, 
wenn einmal von Seite eines Geologen die Gegend aufgesucht werden sollte, man 
sie leicht an dem geometrischen Zeichen auf dem Berge erkennen könne. Ich 
sandte eine Maass des Wassers an den Herrn Apotheker und ersten Chemiker Tyrols 
Herrn Oellacher nach Innsbruck, der gütigst die Analyse vornehmen wird.“ 

Endlich theilte Herr k. k. Seetionsrath W. Haidinger folgende ebenfalls 
von Herrn Dr. G. Proell an ihn eingesendete Note über die Sommer- 
Eisgrube hinter dem Schlosse des Grafen Khuen Gandegg am Fuss der 
dolomitischen Mendel, auf der Hochebene von Eppan mit: „Nur im höchsten 
Sommer ist dort Eis in einer Kluft zu finden. Vom Besitzer und allen Umwohnern 
der in dem hinter dem Schlosswalde gelegenen Schlucht wird bestätigt, dass im 
Winter sich nie Eis finde, sondern nur im Hoehsommer, während auf einige 
Schritte Entfernung oft eine Temperatur von 18° R. und darüber herrscht. Ich 
erlaubte mir diese Notiz beizugeben, weil sie in dem sonst ausführlichen Buche 
über die deutschen Alpen von Schaubach nicht angegeben ist und andererseits 
Herr Regierungsrath Professor Pleischl im verflossenen Winter in der k. k. 
Gesellschaft der Aerzte mehrere Vorträge hielt über das Vorkommen von Eis im 
Sommer in der Nähe von Rodisfurt und Carlsbad, in den Basaltgruben. Nun liegt 
zwar die Gandegger Eisgrube am Fusse der dolomitischen Mendel, aber die Hoch- 
ebene vonEppan selbst, worauf Gandegg thront, besteht zum Theile aus Porphyr. 
Im nächsten Herbste werde ich wissenschaftliche genaue Forschungen hierüber 
an Ort und Stelle anstellen, woran ich im verflossenen Winter durch die langen 
Leiden und den Tod meines jüngsten Bruders in Gries, wo auch Dr. Kiene be- 
graben liegt, verhindert wurde,“ 

Herr k. k. Seetionsrath V. Streffleur besprach einen Bericht des 
Herrn k, k. Professors Dr. J. R. Lorenz über die von ihm im Auftrage der 


V, Streflleur 115 


k. k. Landesregierung untersuchten Salzburger Torfmoore, welcher in Folge des 
von Herrn Seetionsrath K. Freiherr von Czoernig in der Versammlung am 
2. März 1. J. (Siehe Sitzungsbericht über diese Versammlung dieses Heft) von 
Seite der Salzburger Handelskammer der k. k. Geographischen Gesellschaft 
über Ersuchen derselben mitgetheilt wurde, und gab hierüber folgende Notizen : 

Das von Herrn Dr. Lorenz untersuchte Gebiet umfasst den flachen, nörd- 
lich der Kalkalpen gelegenen Theil des Landes, und liegt in einem unregel- 
mässigen Vierecke, dessen westliche Seite von Holzhausen über Ehing und 
Lauffen längs der Salzach bei Bergheim, und von hier die Salzach über- 
schreitend längs der Saale über Wels und Gols bis an den Fuss des Unters- 
berges reicht; hieran schliesst sich die nördliche Seite, welche von Gols über 
Glanek am Fusse der Kalkalpen längs der Jochler-Strasse bis Strobel am Wolf- 
gangsee sich erstreckt, die östliche Gränze fällt mit der politischen Gränze des 
Kronlandes über St. Lorenzen, Thalgau u. s. w. bis Strasswalchen zusammen, 
und ebenso die nördliche Seite von Strasswalchen über den Traunsee und 
Michelbeuern bis Holzhausen. Innerhalb dieses Gebietes wurden 53 verschiedene 
Torfmoore untersucht, deren Flächenraum von einem bis zu 1000 Jochen variirt 
und zusammen eine Fläche von 5000 Jochen umfassen. Es sind folgende: 


Mit einem Flächenraum von 


1. Untersberger (Leopoldskroner Moor) . . . . 1135.10 Joch. 
2, Moor am linken Glanufer beim Lazareh . . . 36.81 „ 
3. Moor am linken Glanufer beim Kendelhof . . . 33.73 „ 
4: Viehäusener, Moor» Name un un% 260.25 „ 
5. u. 6. Moore bei Gois am Fusse des Untersberges . nn 2 
7. Schall Moos nördlich v. rar Slbayına stige 154.00 „ 
8. Moos bei Söllheim . . AUT RER 31.00. „ 
9. Moor bei Lengfelden . . ar 23.58 „ 
10. u. 11. Zwei kleine Moore bei Radegg. 
12. Ursprunger Moor . . . Sata 21-1140 
ASmankleniMoom inne. nennen 9b uhr 
14. Schmiedinger Moor . . er giebt 29.99 „ 
15. u. 16. Doppler Moore am Haunsberge ehr: 77.42 
17. und 18. Kaiser und Webersdorfer Moor . . . 96.356 „ 
19. Röhrmoos (Thalacker Moos) am Haunsberge . . DS12.5 , 
20. Sprungeder Moor am Haunsberge . . . . . 4.26 „ 
21. Dechant Moos bei Nussdorf . . . 2 2.2. 2. I3m/ı; 
22. Moor bei Michelbeuen . . . 2. 2 2... 64.64, , 
23. Weitmoos bei Holzhausen . . . 220. 494.02 „ 
24. Biermoos bei Lamprechtshausen . . ... .» 750.00 „ 
25. Moor am Ober Trummersee . . . 2.2... 29.03.» 
26. Moor bei Fraham gegen Seeham . . ... 29544 
27. Moor bei Fraham gegen Zellhuf . . 35.45 „ 
28. Moor bei Zellhof zwischen Graben und Nieder- 

Trummer-See . . ä 30.35 „ 
29. Schlemdorfer Moor (mit Palting und Eder m00s) ? 441.00  „ 
30. Wieder Moos am Waller-See . . . 1429 „ 
31. WengenMoos am „ Pr Saarland 130.99 „ 
32. Zeller Moos am 3 re 102.36 „ 
33. Bayerhammer Moos am Waller-See ip Huren 1 6 Ar 
34. Seekirchner Moos . - - : > 2: 2.2.2. 276.00 „ 

Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft I. Bd. I. Heft. 9 


116 Versammlung am 1. Juni. 1858. 


Nit einem Flächenraum vou 


35. Oberleithner Moos bei Seewalchen , . . . . 44.99 „ 
36. Wallprechtinger Moos bei Seewalchken . . . 31.36 „ 
STAR UDO ES a erg erde 44.99  „ 
88 ABachmOOS MBH dere Terab > schen Yen eier nn 76.05 , 
39: 1GekcharderöMoos inaurt Melonen eye leute 8.56 „ 
AUSBrEItmUORaR Be et ieniachhe 442 „ 
44:>MooriheuiKoeppelli.. sr nl st ee une 34.09 „ 
AS 9, 5 INNE 7 DON BESREERE ION 7 AT 
U ET ER 3 al rc 13.70.02 
44. Moor bei Habach an der Isehler-Strase . . . 2.43.0008 
#5.1.SchweichofersMoos 1 lat En el u. 2.85. 5 
46. Forsthaber Moos . . - 4.04 „ 
47. Loidhartinger Moor an der Thalgauer Strasse e 13.60 „ 
48. Unzinger Moor . , . RE 50.00 „ 
49. Neuhofer Moor an der Thalgauer Strasse. . . 15.66 „ 
50. Kleinmoos 1.59 7 
51. Moor in der Feuchtach bei Schönbauer am 1 Thal- 

gauer Berge . . BER es are 12.3 „ 
52. Gelons Moos am Thalgauer Berge ea llöemeh ie 18.38 „ 
33. Moor am Fuschelsee . . » . 2. 2.2.2. 4.94 „ 
54. Weningurzinger Moor . en 22A En 
35. Morr iu der Laug am Wolfganger-See” * 55.25 


Sie liegen zerstreut theils im Thalboden, theils in Mulden des Hügellandes 
und haben wie die meisten Moore Letten oder Tegel zum Untergrunde. Sie sind 
mit Sphagnen (Sphagnum capillifolium, cymbifolium und acutifolium) welche 
allein einen Flächenraum von nahe 3000 Jochen einnehmen, mit Zwergkiefern, 
(Pinus pumilio) hier Latschen genannt, mit Haidekraut, Wellgräsern und 
andern Torfpflanzen bedeckt. Die gesammte Torfdecke enthält bei 16 Millionen 
Kubikklafter Torf, was 24.192 Millionen Torfziegeln gäbe. 1740 Joch Sphagnen 
würden 50 Millionen Kubikfuss Moos liefern, welche zur Papiererzeugung ver- 
wendet werden könnten, und die Zwergkiefern bedecken 1168 Joch, welche 
gleichfalls noch eine bedeutende Nutzanwendung wie etwa zur Erzeugung von 
Holzsäuren und holzsauren Salzen, von Leuchtgas, und zum Schwellen von Theer 
u. s. w. finden könnten, Torfstiche bestehen gegenwärtig nur 24. Zu Culturs- 
anlagen werden 1019 Joch benützt. Sämmtliche Moore sind wegen der Qualität 
des Torfes abbauwürdig. 

Die Brennkraft der Torfsorten variirt zwischen 030 und 0'65; der 
Aschengehalt ist gering. Nur 5 an Seen gelegene Moore dürften schwer auszu- 
beuten sein. Der Untergrund ist fast bei allen Mooren zur Ziegelei, bisweilen 
auch zur Töpferei verwendbar. 

In der Detailbeschreibung enthält der Bericht des Dr. Lorenz 1) Allge- 
meine Angaben über die gemeinschaftlichen Verhältnisse sämmtlicher Torfmoore, 
und 2) detaillirte Nachweisungen über jedes einzelne Torfmoor. Eine Ueber- 
sichtskarte gibt die topographische Lage der Torfmoore zu erkennen, und 53 
Detailpläne zeigen den Grundriss und das Profil jedes Moores im grossen Mass- 
stabe. Eigene Tabellen geben bei jedem Moore auch ziffermässige Nachweisun- 
gen theils über die physikalischen Verhältnisse, theils über die Benutzbarkeit, 
nämlich Flächenmass, Kubikinhalt, das speeifische Gewicht des Torfes, dessen 
Wassergehalt, Brennkraft, die geognostische Beschaffenheit des Untergrun- 
des u. s. w. 


N. Becker. A. Steinhauser. 117 


Bei dieser Vollständigkeit kann man die Arbeit des Herrn Dr. Lorenz 
nur als eine sehr verdienstliche bezeichnen. 

Herr k. k. Sectionsrath Streffleur lenkte die Aufmerksamkeit der Ge- 
sellschaft weiters auf die ausführlichen über das Laibacher Moor vorhandenen 
Materialien, zeigte Pläne desselben vor, aus den Jahren 1780, 1832, 1837 und 
1856, ferner Nivellements dieses Moores, Profilzeiehnungen, so wie die Ergeb- 
nisse vielfacher Sondirungen, und empfahl die Fortsetzung der diessfälligen 
Untersuchungen, welche nicht nur in wissenschaftlicher, sondern auch in natio- 
nal-öconomischer Beziehung eine reiche Ausbeute versprechen. 


Versamminng am 15. Juni 1858. 


Der Herr Präsident Se. Durchlaueht Hugo Fürst von Salm-Reiffer- 
scheid führte den Vorsitz; er theilte mit, dass laut einer Zuschrift Sr. Excellenz 
des Herrn Minister des Innern, Dr. A. Freiherrn von Bach, Seine Kaiserliche 
Hoheit der Grossfürst Constantin von Russland, Präsidentder kais. russischen 
geographischen Gesellschaft in St. Petersburg, der k. k. geographischen Gesell- 
schaft als Ehrenmitglied beizutreten geruht habe. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden den Statuten entsprechend die 
Herren: Ernst Bühler, Ingenieur der k. k. Kaiser Ferdinands-Nordbahn, und 
Franz Hruby, Archivar beim k. k. Kataster zu ordentlichen Mitgliedern gewählt. 

Herr k. k. Schulrath Dr. M. Becker legte mehrere an die Gesellschaft 
eingegangene Druckschriften vor, worunter bemerkenswerth: die bisher er- 
schienenen Nummern der österreichischen botanischen Zeitschrift von Herrn Dr. 
Al. Skofitz. Sie enthalten einzelne werthvolle Beiträge pflanzengeographischen 
Inhaltes. L. Kastners vollständiges Reise- und Coursbuch für Eisenbahnen und 
Dampfschiffe durch ganz Europa. (Von diesem für Reisende auf Eisenbahnen und 
Dampfschiffen höchst wichtigen Handbuche erscheinen unter dem Titel der 
„Dampfer“ jährlich 4 Hefte.) 

Arctie Explorations: The second Grinnell Expedition in search of Sir 
John Franklin #855 —1855 By Elisha Kent Kane. 2 Bände, Philadelphia 
1857 (Geschenk des Herrn k. k. Viceconsuls Angelrodt in St. Louis, Missouri, 
eorrespondirendem Mitgliede der k. k. geographischen Gesellschaft). 

Aegypten: Reisebilder aus dem Orient. Nach der Natur gezeichnet 
und herausgegeben von Ludwig Libay. Wien 1858 dritte Lieferung (Ge- 
schenk des Herrn Grafen August Breunner). 

Eine neue Wandkarte des Kaiserthums Oesterreich, für 
das allgemeine Bedürfniss eingerichtet und herausgegeben vom k. k. Schul- 
rathe Becker. 

Herr k. k. Rath A. Steinhauser legte mehrere Karten und Druck- 
schriften vor, welche die k. k. geographische Gesellschaft ihrem eorrespon- 
direnden Mitgliede dem bekannten Schweizer Topographen Herrn J. M. Ziegler 
zu Palmgarten bei Winterthur verdankt. Diese werthvolle Sendung war von 
nachfolgender Mittheilung des Herrn Ziegler begleitet, worin er den Zustand 
der topographischen Arbeiten in der Schweiz, sowohl der Dufour'schen Karte 
als der Cantonal und anderer Arbeiten, die dortlands über Landeskunde zahlreich 
erscheinen, schildert: 

„Nachdem die oflicielle Uebersichtskarte betreff den Stand der topographi- 
schen Arbeiten in der Schweiz eben erschienen ist, kann ich die Ehre haben, 
darüber eine Mittheilung zu machen. Die kleine Uebersichtskarte (Bfat de la 
Carte au 31. Decembre 1857.) zeigte, dass von den 25 Blättern des schwei- 

9* 


118 Versammlung am 15. ‚Juni 1858. 


zerischen Atlas nur noch sieben zu beendigen sind. Von diesen wird Blatt XIX 
Bellinzona künftigen Sommer erscheinen; Blatt XIV Altdorf wird in den Auf- 
nahmen nahezu vollendet werden dieses Jahr; Die Blätter VIII Luzern und 
XII Bern sind durch die cantonalen Aufnahmen von Bern und Luzern im 
Fortschritte begriffen. Einzig die Blätter XXII und XXIII, die obersten Theile 
der südlichen Wallisser-Thäler enthaltend, verlangen Bestimmung von Fix- 
punkten durch Triangulation dritter Ordnung. Diese wird ausgeführt unter un- 
mittelbarer Direetion des Herrn General Dufour, durch Herrn Kündig vom 
eidgenössischen General- Quartiermeister-Stab. Vorigen Sommer hat dieser 
Ingenieur in der Kette von Monte Rosa bis Mont Velan und deren nördlichen 
Ausläufern triangulirt und wird, wie die Jahreszeit solches erlaubt, diese 
Arbeit fortsetzen. Der Mont Blane ist rundum so wie das schweizerische 
Gebirge reicht, geographisch vermessen im Maasstabe von 1 : 50.000, was jedes- 
mal der Fall ist, wenn die betreffenden Cantone sieh nicht bei der Aufnahme be- 
theiligen. Geschieht dieses und soll von Seite der Eidgenossenschaft eine pro 
Rata an die Kosten erfolgen, dann muss die cantonale Vermessung in Reduetion 
von 1: 25000 erfolgen, und müssen behufs Copie den Original-Blättern in's 
topographische Bureau der Schweiz abgegeben werden. Der Director der Karte 
betreibt die rasche Vollendung derselben mit grosser Energie, dass er diese 
Arbeit bei vorgerückten Jahren, noch persönlich durchführen könne.“ 

„WegenMangel an Geometern, die in zu grosser Zahl für Eisenbahn-Vor- 
arbeiten Verwendung finden, rücken die cantonalen Vermessungen in 
Bern *) und Luzern nicht so vor wie es gewünscht war. Dennoch ist die Thätig- 
keit möglichst gross, füraus im Canton Bern unter dem Chef dortiger Aufnahme 
Herrn H. Denzler. Der Canton Zürich ist vermessen mit einer Sorgfalt und Ge- 
nauigkeit die voraus dieser Arbeit eigen ist. Leider verloren wir den Director 
derselben, Herrn H. Pestalozzi, eidgenössischen Oberst. Der bisherige Chef 
des topographischen Bureau in Zürich ist dessen Nachfolger in der Person des 
Herrn J. Wild, Professor am schweizerischen Polytechnieum. Er leitet 
nun den Stich wie bisher, und besorgt die Herausgabe der Blätter. Diese 
in Gesammtzahl von 32 sind in 18 bereits erschienenen der wichtigste Theil 
des Cantons. Was die Aufnahme dieser Karte noch werthvoller macht, das 
sind die Tiefenmessungen des Zürichersees, so weit der Canton reicht, dass 
unter dem Wasserspiegel die Isohypsen ebenso gut angegeben werden konnten, 
wie diejenigen, welche in einen senkrechten Abstand von 10m. zu 10 m. (m£tre) 
über das ganze Land vermessen wurden. Herr Denzler, gegenwärtig in Bern, 
hat vor mehreren Jahren nach einem eigenen Verfahren jene Tiefenmessungen 
durchgeführt. (Nur noch im Neuschateller See sind aproximative Sondirungen 
gemacht worden.)“ 

„Die beiliegende redueirte Karte (1 : 125.000), welche ich die Ehre habe, 
der k. k. geographischen Gesellschaft anzubieten, ist eine theilweise Reduction 
der erschienenen Blätter, theils des eidgenössischen Blattes IX (Appenzell) mit 
allen Ergänzungen, welche neue Strassenzüge und Flusscorreetionen verlangten, 
dazusind dieLocalitäten der verschiedenen gewerblichen Etablissements noch ein- 
getragen, so dass die Vertheilung der Bodenproduetion mit den Beschäftigungen 


°) Bei Sehluss dieses Berichtes erhalte ich die Mittheilung des dortigen Direetors des to- 
pographischen Bureau Herr H. Denzler, dass der bernische Antheil an Blatt VIII und 
XII noch vor Ende dieses Sommers vermessen sein werde, dass das Blatt XIII (Stanz) 
dieses Jahr noch der Detailvermessuug übergeben werde. 


A, Steinhauser. 119 


der Einwohner und den Verkehrslinien in Einem Kartenbilde überschaut werden 
können. Der Bearbeiter erlaubt sich der ersten eine zweite Reduction beizu- 
legen im 1: 250.000, diese ist für den Schulgebrauch doppelt gefertiget als 
ausgeführte Karte und als Netz, in der Absicht, den geographischen Unterricht 
in den Volksschulen üblich zu machen, da derselbe zuerst mit dem Heimaths- 
lande zu beginnen hat.“ 

„In Folge der Eisenbahnnivellements hatte man Gelegenheit, die trigono- 
metrisch gemessenen Höhen der Schweiz zu verifieiren und dadurch mit 
sicherer Genauigkeit die Erhebungen unseres Gebirgseantons kennen zu lernen. 
Da die k. k. österreichische Grenze von Osten und Süden her in weiten Linien 
die Schweiz umschliesst, hat es einiges Interesse, für diese Zeilen die Resultate 
der Beobachtungen derk.k. Ingenieurs mit denjenigen diesseits zu vergleichen.“ 

„Wie bekannt, gingen alle Höhenableitungen in unserem Lande von den- 
jenigen der Chasseral (in Jura über dem Bielersee gelegen) aus, welche (noch 
unter Commandant Deleross) durch die französische Vermessung aus vier ver- 
schiedenen Richtungen bestimmt worden waren*) nämlich: 

1. von Brest aus, durch die Parallele von Strassburg : 1609,17 m. 


2, von Noirmoutier „ % „ Bourges : 1609,76 m. 
3. von Cordouan (Leuehtthurm Gar onne-Mündung) : 1609,90 m. 
4. von Marseille (Leuchtthurin Ibanier) : 1609,47 m. 


Mittel : 1609,57 Meter. 

Nach diesem Vorgange spann sich das schweizerische Triangulirungsnetz 
weiter, und gab beim Anschluss an Vorarlberg: 

Frastenzersand 1627,58 m. österr. Triang. 1635,56 m, schweiz. Triang. 

*  Fundelkopf 2394,68 m. u A 2402,57 m. P 5 

Kummerberg 662,37 m. „ n 669,40 m. = 

„Hier zeigte sich eine Differenz von 7,03 m. bis 7,58 m., verglichen mit 
den partiellen Resultaten der Hypsometrie Oesterreichs von Oberst Fallon; 
Eschmann°?) glaubt zwar, „dass bei verändeter Combination diese Differenz auf 
2 Meter zurückzuführen sei“. „Zudem“ sagt er, „beziehen sich die Höhen 
Tyrol’s auf das adriatische Meer, aus welchem sie durch zu grosse Triangulirungs- 
Seiten zusammenhängen, als dass die Veränderlichkeit der Strahlenbrechung 
nicht hätte jene Unterschiede hervorbringen sollen. ***) 

„Der Anschluss an die Lombardie gibt für 
Pizzo Forno . . 2907,4 m. franz. Triang. 2908,7 m. schweiz. Triang. 
Pizzo Menone diGino 2247,3m. ,„ a 2146,6m. ,„ = 
Monte Legnone 2611,6 m. „ 4 26109 m ,„ 

Die ersteren gemessen im Anfange dieses Jahrhunderts von den Auspangs- 
punkten: Genua und adriatischen Meer. Hier ist aber die Differenz zwischen 
— 0,7 m. und + 1,3 m. 

Die Meereshöhe von Lago maggiore ist in den jüngsten Jahren mit Fleiss 
gemessen worden. 


Nach österreichischen Ingenieuren . . : 209,0 m. 
nach dem schweiz, Ingenieur de Bötemps (1856) : 197,3 m. mitt. Wasserst. 
nach dem Piemontesisch. Nivellements-Ingen. Negretti:: 196,05 m., 5 


*) Nouvelle description geometrique de la France. 

°*) Ergebnisse der trigonometrischen Vermessungen in der Schweiz p. 92. 

°**) Dem Herrn Correspondenten dürfte nicht bekannt geworden sein, dass in Tirol vor 
wenigen Jahren eine neuerliche Triangulirung mit grosser Sorgfalt ausgeführt wurde, 
bei welcher sowohl die Seitenlängen als die Höhen der älteren Messung berichtigt 
wurden, und daher eine weit grössere Uebereinstimmung erzielt worden ist. 


120 Versammlung am 15. Juni 1858. 


„Folgen wir weiter derBasis des Schweizerbodens, so haben wir für den 
Rhein Pegel 0, bei Basel nach 11 trigonom. Combinationen 247,99 m. 


nach dem Nivellement der badischen Eisenbahn 243,4 m. 
nach Ingenieur Koller von der schweiz. Central-Bahn 244.93 m, 
für den Bodensee eidgenössisch. Triangulirung 395,78 m. 
Eschmann’s Nivellement 1846 398,00 m. 
badisches Nivellement 1846 398,62 m. 
Der Genfersee. 
Trigonometrische Ableitung schweizerischer Ingenieurs 374,60 m. 
Französische Triangulation 374,95 m, 
Eisenbahn-Nivellement Marseille-Lyon-Genf 375,38 m. 


„Bei alledem bleibt die Höhe des Chasseral nicht ganz gewiss. Eine genaue 
Verifieation kann man hoffen in Folge der Bahn Nivellements der „Chemin de 
fer Franco-Suisse“ welches zwischen Salins (Franche Comte) und dem Neu- 
chateller-See heuer über den Jura im Gange ist.“ 

„DieLage der Schweiz und die vielen gegen sie gelegten Schienen eignen 
selbiges Land zu hypsometrischen Vergleichungen, besonders über die Höhen 
der Alpen von Semmering bis zu den Meeralpen. Betreff der Nivellements über 
den Mont Cenis stehen dem Schreiber dieses Materialien in Aussicht. Von der 
sachkundigen und einflussreichen Hülfe der k. k. geographischen Gesellschaft 
hofft der Schreiber weitere Hülfe zur Fortsetzung der angehobenen Verglei- 
chungen.“ 

„Noch steht die Hypsometrie in untergeordneter Bedeutung für wissen- 
schaftliche Untersuchnngen, da jedoch zumal durch geologische Folgerungen, 
dieselbe binnen Kurzem noch mehr Geltung erlangen kann, ist weitere Aufmerk- 
samkeit zu rechtfertigen.“ 

„Nebst vielen technischen Einsendungen hat für Höhenbestimmungen die 
nachfolgende Zeitschrift „Schweizerische polytechnische Zeitschrift“ 11 Hefte, 
auch ein geographisches Interesse, indem dieselbe die Richtungen und Profile 
sämmtlicher Eisenbahnen der Schweiz der Reihe nach bringt, so wie alle wich- 
tigen Flusseorreetionen mit Plänen und Profilen. Ein ausgedehntes Unternehmen 
letzterer Art ist z. B. die Aare-Correetion zwischen Bern und Solothurn und die 
Entsumpfung des grossen Moors zwischen Neuchateller-, Murtner- und Bielersee.“ 

„Zur näheren Kenntniss der Schweiz enthalten die „Gemälde der Schweiz“ 
reiches Material historisches, statistisches, naturwissenschaftliches, jeweilen 
nach den betreffenden Bearbeitern. Diese Sammlung ward begonnen nach dem 
Planevon HerrnGerold MeyervonKnonau 1834, von ihm sind verfasst die Can- 
tone Zürich (2. Auflage) und Schwyz. Zuweilen umfasste die Beschreibung 
Eines Cantons einen oder mehr Bände. Bis heute erschienen ausser den zwei 
ebengenannten: 

Uri 1834, von M. Dr. Lusser’s Landamman von Uri. 

Unterwalden 1836, von Alois Businger, Lehrer in Stans. 

Glarus 1846, von Dr. Oswald Heer und J. J. Blumer Heer*) 

Freiburg 1834, von Franz Küenlein. 

Solothurn 1836, von Peter Strohmeier. 

Basel (Stadt) 1841 von L. A. Burkhardt. 

Schaffhausen 1840, von Eduard J. Thurn. 

Appenzell 1835, M. Dr. Gabriel Rüsch. 


*) Der geologische Theil von Dr. A. Escher von der Linth. 


J. M. Ziegler. 121 


Graubündten 1838, von G. W. Röder und P. Cr. Tschar.ner. 

Thurgau 1837, von J. A. Papikofer. 

Tessin 1835, Stefano Franeini. 

Waadt 1847, L. Vulliemin, und 1858 Luzern beschrieben von Dr. W. J. 
Casimir Pfyffer.“ 


Herrn J. M. Ziegler verdankt die k. k. geographische Gesellschaft auch 
die nachfolgende Mittheilung, worin er die Resultate der Reisen des Schweizers 
W. Munzinger in Nordabyssinien bespricht: 

„Das Nachfolgende ist zwar kein Bericht aus der Nähe, allein es enthält 
Mittheilungen eines Landsmannes, dessen Reisen eine von den in der Karte 
Afrika’s noch weiss gebliebenen Stellen ausfüllen können. Dieselbe liegt nörd- 
lich von Abyssinien und westlich vom Rothen Meer. Dieser wissenschaftlich ge- 
bildete junge Reisende heisst Werner Munzinger, gebürtig aus Olten, Canton 
Solothurn. Derselbe machte orientalische Sprachstudien auf der Universität Bern 
und in Paris, begab sich von dort nach Aegypten zur Fortsetzung seiner sprach- 
lichen Studien; nach einem Jahre sah er sich aus finanziellen Gründen genöthigt, 
seine Dienste einem Handelshause in Alexandrien anzubieten und machte in dessen 
Auftrag eine Reise nach dem Rothen Meere mit, *) verliess aber seine Stellung 
nach eirca 1 Jahr Aufenthalt in Massua, reiste in's Land der Bogos, wo er sich 
früher meist aufgehalten hatte, um der Wissenschaft zu leben, kaufmännische 
Geschäfte treibend nur um seiner Existenz sicher zu sein. Nach Kereu, im Lande 
der Bogos, kam er im Mai 1854, wo er seine Wohnung genommen und als 
Richter eine Stellung erhalten hat. — Die ersten Europäer welche diese Gegen- 
den betraten, waren die ehrwürdigen Missionäre Stella und Sapeto anno 1852, 
darauf der englische Consul in Massua Mr. Plowden.“ 

„Nachdem die Türken im Januar 1854 das Land der Bogos verheerten, be- 
gab’sich Herr Stella nach Cassala um die geraubten Menschen und Habe zu- 
rückzuverlangen; doch gelang demselben die Rettung der Unglücklichen nur 
mit Hülfe europäischer General-Consule; Herr Stella hat wie Herr Munzinger 
den Aufenthalt in Kereu gewählt; beide leben in vertrauter Freundschaft. “ 

„Die mitgesendete Karte und Itinerar Herrn Munzinger's sind für ein 
grösseres Werk bestimmt, welches in Folge der grossen Theilnahme von Herrn 
Reynaud wahrscheinlich durch die Societe asiatique in Paris herausgegeben 
werden wird. Das besagte Werk enthält folgende Abtheilungen: 

A. Land der Bogos. 

1. Allgemeine geographische Einleitung. 2. Geschichte der Bogos. 
3. Rechtsübungen und Sitten. 4, Sprache derselben, das „Belem“. Das beigege- 
bene Vocabular wird über 3000 Wörter enthalten. 

Diese erste Abtheilung ist für den Druck nahezu geschrieben. 

B. Land der Barea. 

Ein Stamm der Beni Amer, welche aber einen besonderen Dialeet spre- 
chen. Aehnliche Bearbeitung wie der erste Theil. Auch dieser ist in Material- 
Sammlung weit vorgerückt. 

€. Land der Schangallas soll ebenso folgen. 

D. als letzter Theil der vorgesetzten Aufgabe kommen: «) Sammlung von 
Volksliedern, die Stämme zwischen dem Rothen Meer und dem Atbara, ferner 


®) Beschrieben in der Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde, Berlin N. F. B. I. p. 289 f. 
B. I. p. 177 6, 


122 Versammlung am 15. Juni 1858. 


allgemeine Beschreibung der vielen übrigen Stämme und ihre Wohnsitze. Das 
gemeinschaftliche Idiom Aller ist das Tigre, wovon aber jeder Stamm seinen 
Dialeet spricht. Zuletzt folgen Karten, Handelsberichte und statistische Mit- 
theilungen.“ 

„Es sind dem Correspondenten nur Notizen, die vom Reisenden an den 
Bruder, Professor Juris Walter Munzinger in Bern gerichtet waren, zuge- 
kommen. Einlässliches ist zu erwarten.“ 

„Als allgemeines geographisches Resultat ergiebt sich aus diesem Berichte, 
1. dass das abyssinische Hochland unter 16° Breite im Plateau von Menza sein 
nördliches Ende erreicht, 2. dass keine zusammenhängende Bergkette westlich 
dem Rothen Meere hinzieht, 3. dass der Fluss Gasen nicht in den Albara läuft, 
sondern als selbstständige Rinne südlich vor Suakin in’s Meer mündet, *) und 
dass er in seinem Oberlauf Mareb heisst, später den Ain-saba und den Barea auf- 
nimmt.“ 

„Als Stappelplätze für den Handel besuchen jene Stämme im Ost Massua, 
im West Cassala die Hauptstadt der ägyptischen Provinz Tacca (Gasch), letzterer 
Ort ist im Wachsen, zählt 30,000 Einwohner ausser 4000 Mann schwarzer Sol- 
daten als Garnison“. 

Herr Professor Simony besprach, anknüpfend an zwei in früheren Sitzun- 
gen gehaltenen Vorträge, die bei panoramatischen Aufnahmen mit Vortheil anzu- 
wendende Methode, welche sowohl die horizontalen als verticalen Winkeldistan- 
zen aller darzustellenden Punkte der Landschaft in der Zeichnung dergestalt be- 
rücksichtigt werden, dass nach der letzteren nicht nur eine genaue Orientirung 
aller Gegenstände des Bildes möglich wird, sondern auch die Höhenverhältnisse 
derselben wenigstens annähernd sich ermitteln lassen. 

Der Vortragende hob zunächst hervor, dass in der natürlichen Perspective, 
wo ein fixer Augenpunkt für das Bild angenommen wird, alle wahren und schein- 
baren Verticalen der Natur über und unter dem Horizont eonvergiren müssen, 
wie diess auch bei den photographischen Darstellungen hoher architeetonischer 
Gegenstände sehr gut ersichtlich ist. Schon aus diesem Grunde ist für panora- 
matische Bilder eine Darstellung nach natürlicher Perspective nicht anwendbar. 
Zu Panoramen eignet sich vor allen die eylindrische Projection, bei welcher alle 
Verticalen der Landschaft, sowohl die wahren als die scheinbaren, als wirkliche 
Senkrechten dargestellt, dabei aber die einzelnen Theile der Verticalen je nach 
ihrer Entfernung vom scheinbaren Horizont um dasselbe Mass (gleich den wach- 
senden Tangenten wachsender Winkel) grösser gezeichnet werden, um 
welches die horizontalen Winkeldistanzen der zugehörigen Senkrechten mit 
wachsender Entfernung vom Horizont abnehmen. Um den Massstab für die noth- 
wendige Vergrösserung zu erhalten, wird die Tangente eines Kreises (dessen 
Halbmesser gleich ist dem festgesetzten Radius des schon früher besproche- 
nen Zirkelapparates bis auf sechstel Grade getheilt und die Theilung auf 
der einen Seite eines linealförmigen Kartonstreifens in der Weise aufge- 
tragen, dass der Nullpunet (dem scheinbaren Horizonte entsprechend) in 
die Mitte der Scale fällt und von da die Theilung auf und abwärts bis zu 
etwa 30° reicht. Auf die andere Seite des Streifens werden ebenfalls von 
einem mittleren Nullpunet ausgehend die demselben Radius entsprechenden 
Sehnenlängen von Sechstel zu Sechstel Grad und bis zu 30° reichend an- 
gezeichnet. Die Benützung dieses Massstabes besteht darin, dass, wenn man mit 


°°) Mit diesem stimmt von Heuglin überein. 


F. Simony. 123 


dem besprochenen Zirkelapparat den vertiealen Winkelbestand eines Punktes 
der Landschaft vom scheinbaren Horizont gemessen hat, man durch Einsetzen 
der einen Zirkelspitze in den Nullpunkt der Sehnenscale bei dem Theilstriche, 
welchen die zweite Zirkelspitze trifft, den gemessenen Winkelwerth ablesen 
kann, während auf der anderen Seite des Massstabes die dem gefundenen Winkel 
entsprechende Tangentenlänge zu entnehmen ist, welche den senkrechten Ab- 
stand des zu zeichnenden Punktes von der Horizontlinie des Bildes bestimmt. 

Da sich alle bei den panoramatischen Aufnahmen vorzunehmenden Mes- 
sungen auf den scheinbaren Horizont beziehen, so muss derselbe sowohl in dem 
auszuführenden Bilde durch eine entsprechend hohe Horizontallinie angedeutet, 
als auch in der Landschaft selbst durch die Aufsuchung einer entsprechenden 
Anzahl von Punkten, welche in Abständen von 10 — 15 Graden in die Kreislinie 
des scheinbaren Horizonts fallen, fixirt werden. Das letztere kann, wenn der 
Aufnahmsort nach allen Richtungen noch von höheren Punkten der Landschaft 
überragt wird, entweder, wie schon in einem früheren Vortrage angeführt wurde, 
durch sorgfältige Visirung über das zweckmässig adjustirte Ringplättchen eines 
Barometers, oder wenn ein solches fehlt, auch über eine kleine, mit einer 
Wasserwage horizontal gestellte Kreisscheibe geschehen. Fällt jedoch wegen 
Höhe des Standpunktes der grössere Theil oder der ganze scheinbare Horizont 
in die Luft, dann werden die verticalen Winkelabstände am einfachsten mit Hilfe 
eines bis auf Sechstel Grade getheilten Quadranten (für welchen ein Radius von 
9 — 10 Zoll genügt) gemessen, welcher so eingerichtet ist, dass, wenn über 
eine senkrecht auf dem Centrum und Nullpunkt der Theilung stehende gerad- 
linige Kante nach dem zu messenden Punkte visirt wird, ein mit einem Loth 
versehener freier Faden in der Scala den Winkel anzeigt, welchen der gemessene 
Punkt mit dem Horizont bildet. 

Bei dem Entwerfen des Panorama werden mit dem Zirkelapparat erst die 
horizontalen Winkeldistanzen der durch alle auffälligeren Punkte des obersten 
Landschaftsumrisses gehenden Vertiecalen in oder doch nahe in der Kreislinie 
des scheinbaren Horizonts gemessen, der erhaltene Abstand der Zirkelspitzen, 
welcher die Sehne des gemessenen Winkels repräsentirt, in der Horizontallinie 
des Papiers angedeutet und der Punkt selbst mit den nächst anschliessenden 
Linien durch eine leichte Contour sogleich markirt. Wegen der mit dem Winkel 
wachsenden Verkürzung der Sehne soll eine Messung nicht über 5 — 6 Grade 
einschliessen. 

Ist auf diese Weise die ganze Abgränzungslinie des terrestrischen Ge- 
siehtsfeldes von der Luft in Beziehung auf die horizontalen Winkel-Distanzen 
aller wichtigeren Punkte ausgeführt, so werden dann die verticalen Winkelab- 
stände derselben Punkte vom Horizont in der schon angegebenen Weise ge- 
messen, nach dem Tangentenmassstab die entsprechende Höhe oder Tiefe über 
oder unter dem Horizont im Bilde angedeutet und nun die früher nur flüchtig 
entworfene Contur vollständig ausgeführt. In gleicher Weise kann die richtige 
Position jedes beliebigen Punktes der Landschaft ermittelt, wie auch die Grösse 
oder Länge jedes Gegenstandes jeder einzelnen Linie mit dem Zirkelapparat ge- 
messen und in den richtigen Verhältnissen dargestellt werden. 

Herr Professor Simony legte schliesslich den zu seinem Zirkelapparate 
gehörigen Sehnen- und Tangentenmassstab, sowie den aus einem holzfesten 
Pappendeckel selbst verfertigten Quadranten vor und wies noch einmal darauf 
hin, wie durch diese höchst einfachen, von Jedermann leicht herzustellenden 
Apparate der Geograph bei einiger Uebung nieht nur die genauesten Land- 


124 Versammlnng am 15. Juni 1358, 


schaftsbilder zeichnen, sondern auch Winkelmessungen jeder Art ausführen 
kann, die eine für viele Fälle ausreichende Genauigkeit gewähren. 

Herr Dr.A.v. Ruthner hielt einen Vortragüber die vonihm in August 1857 
ausgeführte Besteigung der-Ortlesspitze, welche zwar als nieht völlig gelungen 
betrachtet werden kann, da das einfallende ungünstige Wetter in geringer Ent- 
fernung von der höchsten Spitze zur Umkehr zwang, allein für die Besteigung 
dieses wichtigen Höhenpunktes interessante Resultate lieferte. Der Vortragende 
wird die Besteigung im Laufe des heurigen Sommers wiederholen. 


a nn 


W. Haidinger. 125 


Versammlung am 19. October 1858. 

Der Herr Vicepräsident, k. k. Seetionsrath W. Haidinger, führteden Vorsitz. 

Nachdem die Versammlungen den ganzen Sommer hindurch unter- 
brochen waren, bildet die gegenwärtige die erste in der Reihe der Ver- 
sammlungen des nächsten Winters und der Herr Secretär Foetterle 
hiess die anwesenden Herren Mitglieder willkommen. Inzwischen hatten 
nicht nur mehrere der Herren Mitglieder eine lebhafte Thätigkeit durch 
Theilnahme an wissenschaftlichen Reisen in nahen und fernen Länderthei- 
len entwickelt, sondern es sind auch der Gesellschaft theis von hochver- 
ehrten Gönnern und Mitgliedern, theils von andern Gesellschaften und 
Instituten viele interessante Gegenstände zugekommen, so dass man die 
Hoffnung aussprechen darf, in den Versammlungen des folgenden Winters 
manches Interessante und unsere geographischen Kenntnisse Bereicherude 
zur Sprache gebracht zu sehen. Doch auch manches Traurige habe sich 
in der Zwischenzeit ereignet, worunter namentlich der Verlust mehrerer, 
um die Wissenschaft hochverdienter Ehren-, korrespondirender und wirk- 
licher Mitglieder, wie des Herrn Proviear von Chartum, J. Knoblecher, 
Dr. Robert Brown in London, M. de Rivero, Geschäftsträger der Republik 
Peru in Brüssel, des Reisenden am Ural, A. v. Reguly in Pesth; Herr 
Foetterle selbst hat den Verlust seines Freundes und Begleiters auf 
einer Reise nach Klein-Asien, Herrn E. Porth, zu beklagen. Auch das 
hochverehrte Ehrenmitglied Frau Ida Pfeiffer liegt an einer schweren 
Krankheit darnieder, in Folge der Mühseligkeiten und Entbehrungen ihrer 
letzten grossen Reise auf Madagaskar; ebenso ist die Abwesenheit von der 
heutigen Versammlung des um die Gesellschaft so sehr verdienten und 
hochgeschätzten Mitgliedes Herrn V. Freiherrn v. Andrian zu bedauern, 
den seit Kurzem eine schwere Krankheit an sein Zimmer fesselt. 

Der Herr Seceretär las hierauf einen Erlass Sr. Excellenz des Herrn 
k. k, Ministers des Innern, Freiherrn v. Bach, an das Präsidium vor, 
worin mitgetheilt wurde, dass Seine Majestät der Kaiser Dom Pedro Il. 
von Brasilien den Titel als Ehrenmitglied der k. k. geographischen Gesell- 
schaft anzunehmen geruht habe. 

Ueber Antrag des Herrn Vorsitzenden drückte die Versammlung durch 
Erhebung von den Sitzen ihren Dank für diese der Gesellschaft zu Theil 
gewordene hohe Ehre aus. 

Ueber Antrag des Ausschusses wurden den Statuten gemäss folgende 
Herren zu ordentlichen Mitgliedern gewählt: E. v. Anaker, k, k. Lieute- 
nant, J. Brunner, k. k, Gymnasialdireetor in Vinkovce, S. Bubich, Er- 
zieher, M. Ettner, k. k. Oberlieutenant, W. Gabler, Dr. Med. K. 
Hruby, k. k Gendarmerie-Oberlieutenant, P. Hartnigg, Bergwesensbeam- 
ter zu Sappada bei Auronzo, Dr. R. Molin, k. k. Universitäts - Professor 
zu Padua und A. Schauenstein, k. k. Bergkommissär zu Schemnitz. 

Der Secretär legte hierauf eine grössere Reihe von Druckschriften 
vor, welche im Laufe des Sommers theils im Austausche gegen die 
eigenen Druckschriften, theils als Geschenk für die Bibliothek der Gesell- 
schaft von verschiedenen Gesellschaften und Instituten und Freunden der 
Gesellschaft eingesendet worden sind. 

Der kaiserlich Russische Staatsrath Herr Peter von Tehihatchef, 
von dem Herrn Vorsitzenden mit den anerkennendsten Worten eingeführt 
und von der k. k. geographischen Gesellschaft, deren Ehrenmitglied er 
ist, auf das Auszeichnendste empfangen, gab nun ine rasche Uebersicht 


126 Versammlung am 19. October 1858. 


seiner diessjährigen Aufnahmen in Kleinasien, das er bekanntlich seit zehn 
Jahren zum Gegenstande eingehender Forschungen erwählt hat, in welchem 
er bereits acht Sommer auf Reisen mit grösster Anstrengung und nicht 
ohne augenscheinliche Gefahren zubrachte, und deren Ergebnisse er bereits 
begonnen hat, in Paris in einem grossen Werke der Oeffentlichkeit zu 
übergeben. Herr von Tehihatchef hatte aus Veranlassung der Sitzung 
seinen Aufenthalt in Wien um einen Tag verlängert. Der Ausgangspunet 
der diessjährigen Exeursion war Samsun am Schwarzen Meere. Die neuen 
Kartographen, unter denselben Herr Kiepert, mussten sich bis jetzt be- 
gnügen, so manche Gegend von Klein-Asien mit Strabo’schen Namen zu 
beschreiben, den Lauf der Flüsse zu punetiren und die wahrscheinliche 
Lage von Bodenerhebungen nur anzudeuten. Solche nahezu weisse Flecke 
hat nun Herr von Tehihatchef dieses Jahr durchforscht, südlich und 
südöstlich von Samsun, westlich zwischen dem Flusse Geschil-Irmak, dem 
Iris der Alten, und der grossen Strasse von Samsun über Amasia nach 
Tokat, und östlich in dem grossen Landstriche zwischen dem Flusse 
Germeli-Tschai, dem Lyeus der Alten, weleher in den Iris fällt, und der 
Meeresküste. Aber es ist diess rauhes Gebirgsland. Mit grosser Anstren- 
gung wurde der Durchschnitt nördlieh von dem schon sehr wenig be- 
suchten Chabhana-Karahissar (Schab-Alaun, wegen der dortigen Alaunge- 
winnung aus Trachytgebirge) bis nach Kerasun, dem alten Cerasus. Auf 
dieser Route wird der Paryadres der Alten durchkreuzt, ein Name, der 
natürlich dort ganz unbekannt ist. Die grösste Höhe bei 9000 Fuss liegt 
ganz in der Nähe von Chabhana-Karahissar. 

Von Cerasus sollen die ersten Kirschbäume dureh Lucull nach Rom 
gebracht worden sein, daher der Name. Diess ist auch ganz wahrscheinlich, 
indem diese Frucht in der Umgegend im strengsten Sinn des Wortes 
den Bewohnern als Nahrungsmittel dient. Von Tereboli (dem alten Tri- 
polis) aufwärts durchkreuzte nun Tehihatehef das Land über Berg und 
Thal, Felsen und Schlünde, bis nach Erzingan am Euphrates, wobei ein 
Durchschnitt durch Länder von bisher ganz unbekannter Gestaltung und 
Zusammensetzung von NNW. nach SSO. von mehr als 50 Deutschen Meilen 
gewonnen ist. Von Erzingan ging er den Euphrates hinauf nach Erzerum, 
dann aber südlich in die mächtigen Traehyt- und vulkanischen Gebirgs- 
ketten des Bingöl-Dagh (Berg der tausend Seen) mit zahlreichen unzwei- 
felhaften Kratern und reichhaltigster Flora, bis zum Dudschik-Dagh, in 
westlicher Richtung vorliegend und wieder in das Euphrat-Thal hinab bis 
nach Erzingan. Alle diese Gebirgsgegenden sowohl mit ihren Alpentriften, 
als auch die fruchtbarsten Thäler sind nun mehr als je, namentlich seit 
den letzten Kriegen, den Raubzügen der Kurden preisgegeben, welche die 
ohnmächtigen Türken hassen und verachten, eine schmerzhafte Geissel für 
die friedliche armenische und griechische Bevölkerung. Von Erzingan wieder 
ein Kreuzschnitt durch Unbekanntes bis nach Chabhana-Karahissar, dann 
wieder westlich durch die zerra incognita des Polemoniacus, wo Kiepert 
den obern Lauf des Iris nur punetirt darstellt. Aber auch diese schöne, 
mit Quereus Cerris bewaldete Gegend voll Dörfer wird von den Kurden 
fortwährend geplündert, während die türkischen Behörden nichts zu ihrem 
Schutze unternehmen. Dann die Ruinen der Comana pontica vorbei nach 
Tokat, wo man schon in die Strasse der Touristen mündet, nach Amasia 
und Samsun. Herr von Tehihatehef gab viele anziehende Schilderun- 
gen der Gegenden sowohl, als namentlich auch der Kurden, der Nach- 


u U Zee 


W, Hailinger, 127 


kommen der Karduchen des Alterthums, aus dem die Schilderungen von 
Xenophon, vor mehr als 2000 Jahren entworfen, noch heute volle Geltung 
haben, was ihre Wildheit, Unabhängigkeit und räuberischen Neigungen 
betrifft, deren Sprache von der Türkischen gänzlich verschieden mehr 
Verwandtschaft mit der Persischen besitzt, über welchen Volksstamm Herr 
v. Tehihatehef umfassende Nachriehten mitbringt, welche seit Jahren 
der russische Consul in Erzerum aufgesammelt. 

Ueberhaupt wurde viel in verschiedenen Richtungen gesammelt und 
in Erfahrung genommen in geographischer, physikalischer, botanischer, ethno- 
graphischer Richtung, so weit es die Kräfte des Einzelnen gestatteten — 
freilich von Herrn v. Tehihatehef's Individualität und Hülfsmitteln ge- 
tragen — während er diese Gegenden als werthvollste Richtungen bezeich- 
net, zu deren Untersuchung man grosse wissenschaftliche Expeditionen 
organisiren sollte. 

Herrn v. Tehihatchef's lebendiger, glänzender Vortrag wurde mit 
grösster Theilnahme aufgenommen, und billiger Weise, da wie der Vor- 
sitzende bemerkte nichts erhebender und anregender ist, als die grossen 
Ergebnisse der Forschung von den hochverdienten Männern selbst mit- 
theilen zu hören, welche sie erlebt, welche die Gegenden gesehen, von 
welchen sie erzählen. 

In kurzer Fassung berichtete Herr k. k, Seetionsrath Haidinger 
über die Briefe und Sendungen, welche ihm persönlich von der k. k. Fregatte 
„Novara“ während des Sommers zugekommen waren und von welchen 
mehrere, für die k. k. geographische Gesellschaft bestimmt, nun vorge- 
legt wurden. An die drei am. 26. Mai von Herren k. k. Commodore v. 
Wüllerstorf, Dr. Scherzer und Dr. Hochstetter erhaltenen Schrei- 
ben von Singapore, über welche Berichte sowohl in der kaiserlichen 
Akademie der Wissenschaften am 27. und 28. Mai, als auch in der Sitzung 
der k. k. geographischen Gesellschaft am 1, Mai erstattet wurden, legt 
Haidinger den Separatabdruck des ersten vor. Als Ergänzung wird be- 
merkt, dass die schöne Abhandlung des Herrn Commodore v, Wüllerstorf 
über die Theorie der Luftströmungen nebst Karte über die Drehwinde 
von St. Paul 28. — 30. November 1857 u. s. w. sogleich abgedruckt wurde 
und in dem nun bereits erschienenen zweiten Hefte des zweiten Bandes 
unserer Mittheilungen enthalten sei. Herr Sectionsrath Haidinger hat 
bereits dureh die wohlwollende Vermittlung des k. k. Marine-Commando's 
in Triest Exemplare an den hochverdienten Herrn Verfasser, unser aus- 
gezeichnetes Mitglied abgesandt, so wie er die Hoffnung schon bei der 
Vorlage am 1. Juni aussprach. Auch an Herrn Dr. Hochstetter den 
Aten Band von Humboldt's Kosmos zu befördern übernahm das k. k. 
Marine-Commando auf das freundlichste, wofür hier Herr Haidinger sei- 
nen wärmsten verbindliehsten Dank auch öffentlich ausspricht. 

Die von Herrn Dr. Scherzer angekündigte Sendung an Haidin- 
ger mit singhalesischen Manuseripten, den Mahawanso u. s. w. ferner 
Münzen u. s. w. sind angelangt und respective von der k. k. Hofbibliothek 
und Herrn k. k. Regierungsrath Direetor Arneth übernommen worden. 

Man darf voraussetzen, dass wohl alle theilnehmenden Mitglieder mit 
Aufmerksamkeit den geistreichen Berichten unseres hochverehrten Mitglie- 
des Herrn Dr. Hochstetter in der „Wiener Zeitung“ gefolgt sind, 
von St. Paul nach Ceylon, nach Madras, nach den Nikobaren, nach Sin- 
gapore, woher jene Mittheilungen eingesandt wurden, sowie ferner nach 


128 Versammlung am 19 Oetober 1858, 


Java, Manila, Hongkong und Canton, Shanghai. Briefe und Abhandlungen 
kamen von Java am 14. Juli von Herrn Dr. Scherzer und 26. Juli von 
Dr. Hochstetter, von Letzterem wieder am 11. August und 16. Sep- 
tember, am 1. October endlich von sämmtlichen drei hochverehrten Cor- 
respondenten auch von Herrn k. k. Commodore v. Wüllerstorf selbst, 
wie am 26. Mai. Herr Dr. Scherzer hatte am 14. Juli einen höchst 
anregenden Bericht gesandt, für unsere Mittheilungen bestimmt, eine wahre 
Jahresübersicht, der vom 30. April 1857 bis 29. April 1858 berührten Punete 
Gibraltar, Madeira (Funchal), Rio de Janeiro, Capland, St. Paul, Ceylon, 
Madras, die Nikobaren, Singapore, von ihm nach Oesterreich gesendeten 
Abhandlungen, von den Personen, welche vorzüglich den Reisenden in ihren 
Bestrebungen behilflich waren, der aufgesammelten und eingesendeten Druck- 
schriften und Manuseripte, endlich ein „Novara“ Kalender über die Bewe- 
gungen zur See und Aufenthalt am Lande. Haidinger konnte noch 
Mehreres der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vorlegen, »so wie 
auch ein Schreiben von Herrn Dr. Scherzer, das sich auf die geogra- 
phische Orientirung von St. Paul und Amsterdam bezieht, die Abhandlung 
selbst blieb aber für unsere Mittheilungen. Eine andere für die k. k. 
geographische Gesellschaft bestimmte Abhandlung: „Die Eingebornen der 
Nikobaren, ein Beitrag zur Kenntniss der Bewohner dieser Inselgruppe“, 
hatte Herr Dr. Scherzer an Seine kaiserliche Hoheit den Herrn 
Erzherzog Ferdinand Maximilian eingesandt, aber zugleich an Haidinger 
geschrieben, dieser möchte sich mit derBitte um gnädigste Mittheilung an Seine 
kaiserliche Hoheit wenden, was denn auch sogleich zu dem Ergebnisse 
der Uebersendung führte, wofür wir unserm durchlauchtigsten Ehren- 
mitgliede zu dem grössten Danke verpflichtet sind. Die Abhandlung nebst 
Sprachproben von Kar Nikobar und den Nankaury Indianern, so wie der 
Malayen von Pulo Pinang ist bereits im Drucke vollendet und dürfte in 
wenigen Tagen ein Exemplar als Separat-Abdruck Seiner kaiserlichen Ho- 
heit überreicht werden können. Noch in der Sitzung der Akademie vom 
22. Juli konnte Haidinger über einen Bericht von Herrn Dr. Scher- 
zer aus Java und die im strengsten Sinn des Wortes grossartig gast- 
freie Aufnahme daselbst berichten. Ein späteres Schreiben Hochstetter's 
in dem Juliberichte der k. k. geologischen Reichsanstalt betrifft seinen 
geologischen Ausflug in das Innere, sowie eine höchst werthvolle Abhand- 
lung desselben, von Manila aus gesandt und am 11. August erhalten, 
über die Wirksamkeit der Ingenieure für das Bergwesen in Niederlän- 
disch-Indien, sogleich in dem bereits ausgegebenen Hefte des Jahrbuches 
der k. k. geologischen Reichsanstalt abgedruckt wurde. Unter den Mit- 
theilungen vom 1. October hob Haidinger hervor, wie er mit wahrer 
Rührung in dem Briefe unserer unternehmenden Erdumsegler, Commodore 
von Wüllerstorf,Dr. Scherzer, Dr. Hochstetter die Freude ausgedrückt 
findet, wenn sie unsere Briefe aus der Heimath erhalten und die Anregung, 
welehe sie ihnen gewährt. Möchte der gütige Himmel ihnen ferner gün- 
stig sein! Bald werden ihnen unsere Briefe westwärts über das atlantische 
Meer entgegengesandt werden müssen. Der letzte Bericht Scherzer's 
gibt Nachrichten aus den Philippinen und China, Ergänzungen zu einer 
grösseren Anzahl von Abhandlungen und Berichten, welche derselbe an 
Seine kaiserliche Hoheit den Herrn Erzherzog Marine-Obereommandanten 
und die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften abgesandt hat. „Wohl 
dürfen wir,“ schliesst Herr Sectionsrath Haidinger, „unsern hochver- 


en 


Dr. Clement. 129 


ehrten Reisenden aus vollem Herzen unsern Dank für ihre freundlichen 
Mittheilungen darbringen, aber auch Dank und wahre Bewunderung für 
Kenntniss, Ausdauer und Thatkraft,. Der gewöhnliche Reisende nennt die 
Periode zur See von einem Hafenort zum andern eine wahre Zeit der 
Nichtsthuns — a very idle life — wie ich es oft nennen hörte. Auf der 
„Novara“ ist es anders. Der grössten Aufregung während des Aufent- 
haltes an den Orten, wo gelandet wird, folgt anstatt der Ruhe auf der 
Seefahrt ein Zeitabschnitt von gleich grosser, wenn auch sehr verschie- 
dener Anstrengung bei der Abfassung der Berichte, die uns sodann noch 
während der Dauer der Reise von den Erlebnissen Kunde bringen.“ 

Herr Dr. K. J. Clement in Hamburg berichtet in einer eingesen- 
deten Mittheilung über die Bodengestaltung des Meeres zunächst der Mün- 
dung der Elbe: 

„Der Meeresboden der friesischen Küstenstrecke zwischen dem Heilig- 
lander Tief und dem Lister Tief (am Nordende der nordfriesischen Insel 
Sil) ist so uneben wie irgend einer sein kann, die Wassertiefe daher sehr 
verschieden, bald sehr tief und bald darauf wieder sehr flach oder seicht. 
Eine Folge davon ist die Verstärkung der Meeresströmung. Dieser Strom 
ist an vielen Stellen ungemein reissend. Eben südlich und westlich von 
der Inselklippe Heiligland läuft das Heiliglander Tief in See hinaus, einst 
vor vielen Jahrhunderten die Elbemündung. Die ganze bezeichnete jetzt 
unter den Wogen liegende, 14 Meilen lange Küstenstrecke war früher 
Land, von Wasserarmen durchschnitten. Am Westerrande desselben lief 
ein sehr hoher Landrücken mit Oeflnungen hie und da in der Richtung 
von SSW. nach NNO. als Aussenbollwerk des binnenliegenden Landes 
hin. Die Trümmer der Grundlagen davon sind noch deutlich zu schauen, 
Heiligland ist eine derselben, eine zweite liegt auf der Westerbrandung 
meiner Heimathinsel Ameram unter Sand begraben, eine dritte nordwest- 
lich davon, etwa 2 Meilen, in der Gestalt von ungeheueren Steinen in 
8 bis 9 Faden oder Klafter Wassertiefe und eine vierte im Rothkliff, 
dem hohen Westrande der obgenannten Insel Sil, welcher von Aussehen 
dem Heiliglande Fels ganz ähnlich ist. Heiligland ist nur durch die Sturm- 
fluthen diese kleine kahle einsame Klippe geworden, nachdem die See 
das Land im weiten Umkreise und die Erde, die ihn, den rothen Felsen 
deckte, weggeschlagen und abgeschält hatte. Ausser den erwähnten Nach- 
bleibseln ist der ganze Landrücken längst verschwunden, auch der vor 
200 Jahren noch vorhandene mit Heiligland an der Ostseite zusammen- 
hängende hohe Kreidefelsen, wovon die jetzige Sandinsel ein Abriss ist. 
Ueberall dort, wo sich Sandgrund am Meeresboden findet, ist einst höher 
gelegenes sandiges Land gewesen (wir nennen solches Geestland), wo 
Schlamm oder Schlick, Marschland. Von Dittmarschen aus in westlicher 
Richtung bis nach England ist schlammiger Marschland-Boden fast unun- 
terbrochen, aber der Strich ist nur wenige Meilen breit. Unser Nord- 
Friesland bestand vor Weltaltern aus Geest- und Marschlandstrichen, die 
sich in nördlicher und südlicher Richtung erstreckten und in regelmässi- 
ger Abwechslung. Auf einen Geestlandstrich folgte ein Marschlandstrich 
und auf diesen jener wieder. Man kann diese Natur des nördlichen Eilandes 
selbst weit in die Nordsee hinaus verfolgen. Man nimmt gewöhnlich eine 
Erhebung des Bodens der Nordsee an. Dies leugnen unsere erfahrensten 
Seeleute und ich muss es ebenfalls. Sie wird im Gegentheil eher tiefer. 
Es wird ferner behauptet, dass die Austern nur auf flachem Boden in 


130 Versammlung am 19, October 1858, 


der Nähe der Küste liegen. Diess darf unbedingt nicht angenommen wer- 
den, der Austerngrund erstreckt sich von Südwest am atlantischen Meer 
bis soweit als Nord-Friesland gegen Norden, reicht nach Nordost, und 
selbst am westlichen Lümfjordeingang in Jütland sind Austern. Auf der 
ganzen Strecke im Tiefwasser zwischen dem Texel und Heiligland finden 
sich Austern in nicht geringer Zahl. Zwischen den binnenliegenden nord- 
friesischen Inseln gibt es Strecken, wo alles versteinert, animalische wie 
andere Körper. Einige von diesen Wasserstrecken mögen sehr alt sein, 
manche aber sind erst durch neuere Sturmfluthen entstanden. Versteinerte 
Theile des menschlichen Körpers, versteinerte Geräthe u. s. w., welche 
von Austern-Fischern auf dortigen Austernbänken aufgefischt waren, habe 
ich selbst gesehen. Die versteinernde Kraft zeigt sich überdiess an unserm 
ganzen Aussenstrande, Schliesslich sei noch hinzugefügt, dass an der 
ganzen nordfriesischen Küste Granitstücke in nicht geringer Zahl vorkom- 
men und dass drei Meilen nordwestlich von Heiligland in tiefem Wasser 
ein Granit-Riff liegt.“ 

Herr k. k. Sectionsrath Haidinger überreicht im Namen des Mitgliedes 
Herrn Johann Palacky in Prag zwei Hefte „Zemepis vseobeeny vedeky 
srovnävacı“, enthaltend Africa und Australien, Fortsetzung in böhmischer 
Sprache, und das erste im Deutschen veröffentlichte „wissenschaftliche 
Geographie“, 1 Band 1 Heft, die pelagischen Inseln von Africa enthal- 
tend, die Azoren, Madeira, Canarien, Capverden, guineischen Inseln, Ascension, 
Helena, Tristan d’Acunha, Bourbon, Mauritius, Madagaskar, Soeotra. Die 
Hefte wurden ihm von seinem verdienstvollen akademischen Collegen Herrn 
Franz Palacky, ständischen Historiographen des Königreiches Böhmen, zu 
diesem Zwecke persönlich übergeben, und er sprieht ihm aus dieser Ver- 
anlassung seinen Dank und die Freude über das Werk selbst aus, das 
so viele anziehende Zusammenstellungen enthält, namentlich auch in pflan- 
zengeographischer Beziehung, für welche freilich unser junger Geograph, 
um es vollständig ausarbeiten zu können, auch die reichen Quellen des 
befreundeten Berlin in Anspruch nehmen musste, die sich ihm indessen 
unter dem Einflusse wohlwollender Gönner auf das bereitwilligste öffneten, 

Herr k. k. Seetionsrath Haidinger dankt dem Secretär der geo- 
graphischen Gesellschaft in New-York, Herrn E. R. Straznitzky, für einige 
einzelne Blätter von New-Yorker Zeitungen. „New-York Times“, „N. Y 
Evening Post,“ welche geographische Mittheilungen enthalten. Die erste 
vom 12. Juli bringt u. a. eine eingehende Beurtheilung der Frage von 
Franklins und Mae Clure's Entdeckung der Nordwest-Passage, in einem 
ausführlichen Schreiben von Oberst Peter Foree an den Oberst der topo- 
graphischen Ingenieure J. J. Abert Nach der Ansicht von Force ist 
es weder dem Einen noch den Anderen gelungen, eine wirkliche, mit 
Schiffen zu benützende Durchfahrt zu entdecken, während allerdings solches 
einst noch möglich sein könnte, wenn das Eis wieder bis in die höheren 
Breiten hinauf schmilzt, wie es wohl noch vor einem oder vor vielen 
Jahrhunderten der Fall gewesen sein mag, als die höher gelegenen Eskimos- 
Hütten noch bewohnt waren. „Weder der Isthmus von Suez noch der 
Isthmus von Panama bietet eine Durchfahrt dar für Schiffe, und doch 
wären menschliche Arbeit und Geschicklichkeit im Stande, beide zu gewäl- 
tigen. Aber so ist es nicht mit dem Isthmus von Eis zwischen Banks- 
Land und der Melville-Insel, noch mit der nordwestlichen Durchfahrt von 
Mae Clure oder Peel-Sund. Diese immer neu aufwachsenden Eisfelsen, 


A. Steinhauser. 131 


welche diese „Durchfahrten“ verschliessen, wegzuschaffen, liegt wohl jenseits 
menschlichen Vermögens.“ Von neueren Blättern, die uns erst gestern zugekommen, 
gibt das eine einen sehr wohlwollenden Bericht über unsere eigene Gesellschaft 
auf Grundlage von unseres hochverehrten Gönners und Freundes Sir R. 
I. Murehison Ansprache vom Jahre 1858 in der königlichen geographischen 
Gesellschaft in London; die zwei anderen geben Uebersetzungen aus unseres 
hochverdienten Collegen, Herrn Th. Kotschy, Abhandlung: „Topographische 
Skizze des Bulghar Dagh im cilieischen Taurus“, im 2ten Heft des ersten 
Bandes unserer Mittheilungen. 

Herr k. k. Rath A. Steinhauser begleitete die von Herrn Dr. Kiepert 
aus Berlin eingeschickten 4 Karten mit einigen Bemerkungen. Eine Sen- 
dung von vier preussischen Offizieren, unter welchen Kiepert sich befand, 
zur Zeit des Krieges zwischen der Pforte und Ibrahim Pascha gab Ver- 
anlassung zur Entstehung der Karte von Klein-Asien. Die wichtigsten Routen 
und Pässe wurden aufgenommen, besonders jene von Adana. Kiepert legte 
damals den Grund zu seiner Kenntniss der orientalischen Sprachen, welchen 
er später auch das Chinesische hinzugefügt hat, was ihn zum Kartogra- 
phen Asiens vorzugsweise qualifizirt. Die anderen Karten betreffen Mittel- 
america: Mexico, Central-Amerika und West-Indien in 6 Blättern, Mittel- 
america in 4 Blättern und Darien in 2 Blättern. Da Berlin durch das 
reichliche Zuströmen geographischer Materialien mit dem Neuesten und 
Besten versehen ist, so kann man diesen Karten das grösste Vertrauen 
schenken. Sie sind zugleich ein augenfälliges Bild unseres kartographischen 
Wissens, indem Bekanntes, Halbbekanntes und Unbekanntes hart an ein- 
ander stösst. 

Zum Schlusse machte Herr k. k. Rath Steinhauser auf ein Heft 
des Lesebuches der nautischen Geographie von Herrn Dr. Metger in 
Emden aufmerksam, welches auf wenigen Bogen eine Fülle wohlgeordneten 
Stoffes enthält. Viele Citate der neuesten und besten Schriften über Oceano- 
graphie beweisen, dass dem Verfasser nichts entgangen, Eine italienische 
Uebersetzung wäre zu wünschen, damit die nautischen Schulen unserer Küsten- 
länder davon Nutzen ziehen könnten. 


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ABHANDLUNGEN 


DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT. 


I. 


Ein Ausflug in die Marmaroscher Karpathen, 
im Sommer 1855. 
Von Dr. Alois von Alt. 


Mitgetheilt in der Versammlung der k. k. geographischen Gesellschaft am 17. November 1857. 


Die Karpathen, welche von jenem Punete an, wo die letzten Ausläufer des 
Tatragebirges und der demselben parallel laufenden Züge der Liptauer Alpen sich 
in das Thal des Hernat bei Kaschau verlieren, als ein einförmiges Sandsteinge- 
birge, das nur am südlichen Fusse von bedeutenden Trachytmassen begleitet wird, 
in einem weiten Bogen Ungarn im Norden umfassen, bieten dort, wo die Buko- 
wina, Ungarn und Siebenbürgen zusammenstossen, dem Beobachter wieder ein 
viel mannigfaltigeres, an Abwechslungen und grossartigen Naturscenen reicheres 
Bild dar. Zwar sind es auch hier wieder die parallelen Sandsteinketten mit ihren 
lachenden Längen- und engen schluchtartigen Querthälern mit ihren uralten Fich- 
tenwaldungen und den durch Waldbrände entstandenen Hutungen, mit ihrem im- 
mer wiederkehrenden Wechsel von massigen, felsenbildenden Sandsteinen, dün- 
nen Quarzfelsschiehten, grauen Fucoidenmergeln und braunen bituminösen Kalk- 
und Schieferlagern, mit ihrer Armuth an Versteinerungen (da die damalige Flora 
nur in den noch zu wenig studirten Fueoiden, die Fauna aber fast nur in den 
Fischresten der bituminösen Schiefer- und Kalksteine spärliche Ueberbleibsel zu- 
rückgelassen hat) — sind es diese mit dem allgemeinen Namen des Karpathen- 
sandsteins bezeichneten Gebilde, welche den von Norden und Osten das Gebirge 
der Bukowina betretenden Wanderer zuerst aufnehmen, und ihn mehrere Meilen 
weit begleiten; dann aber beginnt für ihn ein anderes Feld der Beobachtung. 
Der strenge Parallelismus der Bergketten hört auf, an deren Stelle treten massen- 
förmig gruppirte Erhöhungen, durch niedrigere Berggruppen von einander ge- 
trennt; die Berge werden höher und steiler, die Thäler enger und wilder, die 
ganze Natur überhaupt grossartiger; statt der Sandsteine herrschen jetzt krystal- 
linische Schiefer, von dolomitischen Kalklinsen durchzogen, und durch ihren 
Reichthum an Erzen ausgezeichnet. — Und wieder ändert sich das Bild, bei Dorna 
Kaudreni verlässt man dieses Gebirge; ein wellenförmiges Flachland breitet sich 
aus mit undurchdringlichen Sümpfen; es ist eine Einsenkung, in welcher wieder 
Sandsteine und mergelige Nummulitenkalke auftreten. Aber nicht gross ist das 
Gebiet derselben. Schon sieht man im Süden neue mächtige Berge aus der Sand- 
steinniederung mauerförmig aufsteigen, auf ihrem Kamme mit den abenteuerlich- 
sten Felsgestalten geziert, vor ihnen liegt eine Gruppe kegel- und glockenförmi- 
ger Berge, durch diese ihre Form ebenso ausgezeichnet, wie durch das Gestein, 
welches sie bildet, denn sie bestehen gleich den hinter ihnen aufgethürmten Fels- 
kämmen aus Trachyt, jene abenteuerlichen Felsgestalten aber, die bald als eigent- 
liche Felsenthore, bald als Pyramiden, bald in anderen kühnen Formen sich dar- 
stellen, aus den die Trachite bedeckenden Trachytbreceien. 

Mittheilungen der k. k, geogr. Gesellschaft. II, Bd. 1. Heft. a 


2 Dr. A, v. Alt, 


Diese Trachytberge aber sind die letzten Zeugen der grossartigen Alpen- 
natur, schnell senkt sich dann das Gebirge, wieder von Sandsteinketten umsäumt, 
in die Niederung Siebenbürgens herab, wo neue Tertiärsehiehten, durch ihren 
Salzreichthum ausgezeichnet, das grosse Kesselthal dieses Landes ausfüllen. Aber 
auch in derRichtung der Gebirgszüge ist mit dem Erscheinen der krystallinischen 
Schiefer eine bedeutende Aenderung eingetreten, nicht mehr herrscht die für die 
Sandsteinberge so bezeichnende Richtung von NNW.nach SSO. allein, denn von 
Kapnik und Nagybänya an, diesen reichen Erzlagerstätten des östlichen Ungarns, 
zieht ein mächtiges Gebirge in östlicher Richtung gegen die Bukowina hin, und 
verbindet sich dort mit den von NW. her kommenden Gebirgszügen. 

In dem Winkel nun, welchen die beiden Gebirgszüge einschliessen, liegt 
die Marmarosch , dieses schöne Gebirgsland Ungarns, durch die Parallelketten 
des Sandsteingebirges von Galizien, durch das obenerwähnte, von West nach Ost 
streichende und unter dem Namen der Rodnaer Alpen bekannte Gebirge von dem 
nördlichen Siebenbürgen geschieden. 

Nur einen kleinen Theil dieses Gebirgslandes war mir bis jetzt zu sehen 
vergönnt, doch ist es gerade der interessanteste, derjenige, in welchem die 
Alpennatur am grossartigsten auftritt; und so dürfte eine Beschreibung meiner im 
Sommer des Jahres 1855 unternommenen Gebirgsreise umsomehr manches Inter- 
esse darbieten, als jene Gegenden noch weniger bekannt sind, als manche Regio- 
nen fernerWelttheile. 

Wir verliessen Czernowitz in der Riehtung nach Südwest auf der nach 
Storozenetz führenden Strasse. Nach Ueberschreitung einiger durch die Thäler 
des Wilchowetz- und Korowiabaches gebildeten Hügelreihen befindet man sich 
im Dorfe Kamena, am Fusse jener Bergreihe, die, die Wasserscheide zwischen 
Pruth und Sereth bildend, in dem Berge Ceeina bei Czernowitz (272.3 Wiener 
Klafter) ihren Gipfelpunet hat, hier aber in einer Meereshöhe von 1220 P. F. 
von der Strasse überschritten wird. Ganz verschieden ist der nordöstliche Ab- 
hang dieses aus tertiärem Sand und Mergel bestehenden Höhenzuges von dem 
südwestlichen. Aus dem Thale des Korowiabaches bei Kamena gelangt man mit 
einem Male über einen steilen Abhang auf die bewaldete Höhe , dort erscheint 
zuerst ein wellenförmiges Plateau, üppige Wiesen durch zerstreute Gruppen von 
Buchen parkähnlich verziert, und schon die Quellen mehrerer dem Sereth zuflies- 
sender Bäche nährend, dann ein etwas tieferes Thal, endlich ein ganz gemächli- 
ches Herabsteigen in das hier in Storozenetz 1047 P. F. über dem Meere liegende 
weite und ebene sumpfige Sereththal, in welchem sich Dorf an Dorf reihet. Die- 
ser bedeutende Niveau-Unterschied begründet auch eine grosse Verschiedenheit 
in den Vegetationsverhältnissen beider Thäler, denn während das Pruththal den 
eigentlichen Boden für den Maisbau liefert, gedeiht diese Pflanze in der Gegend 
von Storozenetz nur kümmerlich, und in die am Nordabhang der Wasserscheide 
allein auftretenden Laubwälder mischen sich an den Gehängen des Sereththales 
häufige Nadelhölzer, den beiden Specien Pinia vulgaris und Abies excelsa ange- 
hörend. — Der Winter tritt hier trotz der geringen Entfernung um 14 Tage frü- 
her, der Frühling um eben soviel später ein, als im Pruththale. 

Ein ganz bewaldeter Höhenzug, den man auf der dem Gebirge parallel hin- 
führenden sogenannten verdeckten Strasse überschreitet, trennt hier die beiden 
Thäler des grossen und des kleinen Sereth, in welches letztere man im Orte Bu- 
denetz gelangt. Unterhalb dieses Dorfes verbindet sich der kleine Sereth mit dem 
Serezel, der bei Krasna das Gebirge verlässt, so dass man auf der Strasse ganz 
ohne eine Unebenheit nach Krasna gelangt, während gleich an der Strasse wieder 
ein Höhenzug beginnt, diese beiden Flüsse von einander trennend. Das Gebirge, 


Ein Ausflug in die Marmaroscher Karpathen. 3 


schon von der Kamener Höhe aus einen schönen Anblick bietend, tritt hier immer 
näher an die Strasse, so dass das Dorf Krasna sich schon bis unmittelbar an den 
Fuss desselben hinzieht. Zwischen Krasna und Ober-Wiköw tritt wieder ein be- 
deutender Höhenzug als Wasserscheide zwischen dem Sereth- und Suezawa- 
Flusse auf, den die Strasse mit einem Hochpuncte von 1622 P. F. Meereshöhe 
überschreitet; uns führte aber unser Weg für diesmal noch nicht nach Süden, 
sondern dem Thale Serecel entlang ins Gebirge hinein. Die Gegend von Krasna 
macht sich schon von weitem durch zwei isolirt aufsteigende Berge kenntlich, 
die an Höhe die umliegenden übertreffen, es sind der Buköw (nach Fligely 
660 Klafter hoch) und die Pietruschka (nach Fligely 590 Klafter, nach 
meiner Messung 594,2 W. Klafter hoch). Diesem letzteren Berge galt fürs Erste 
unsere Reise. 

Der Eingang des Serecelthales ist durch das Vorkommen eines technisch- 
wichtigen Gesteines ausgezeichnet, welches längs des nördlichen Fusses der 
Karpathen, aber nur an zerstreuten Puneten auftretend, auch den Geologen im 
hohen Grade interessiren muss. — Es ist ein weisser dichter Jurakalkstein, aus- 
ser mehreren deutlichen Corallen keine anderen Versteinerungen führend, wegen 
seiner Vorzüglichkeit ein bedeutender Verkehrsartikel für die ganze Gegend. 
Bei einem südwestlichen Einfallen bildet dieser Kalk den einen Arm der Mulde, 
deren anderer Arm an den kıystallinischen Gesteinen aufgerichtet erscheint, 
deren Inneres dagegen von den mannigfach gebogenen und gefalteten Schichten 
des Karpathensandsteins ausgefüllt wird. 

Gleich hinter diesem Kalksteine tritt auch im Serecelthale der Karpathen- 
Sandstein auf, jedoch sind, da das Thal sich gleich nach Süden wendet, und so 
dem Streichen der Schiehten fast parallel wird, nur wenige Glieder desselben 
sichtbar. Zuerst sind es die bekannten grünen Conglomerate, Gesteine, die aus 
mehr oder weniger eckigen Bruchstücken von grünen, verwitterten Dioritschiefern 
gleichen Gesteinen bestehen, die durch ein kalkiges Cement verbunden sind und 
den Neocomien entsprechen dürften; dann folgen feine Kalkbreceien, hierauf 
grüne thonige Schiefer, in sattelförmigen Lagen, dann grauer fester Kalkstein, 
und sodann weisser massiger Sandstein, den Fuss der Pietruschka bildend, wäh- 
rend deren Kuppe aus einem braunen Sandstein mit grünen Puncten und grauen 
Thongallen besteht. 

Die Lage dieses Berges ist eine so glückliche, dass er eine herrliche Aus- 
sicht gewährt. Nach Norden und Osten übersieht man das ganze Hügelland der 
Bukowina bis über Czernowitz hinaus, gegen Westen die zwei Parallelketten des 
an seinem Rücken stark wellenförmigen Tonmatik und des hinter ihm liegenden 
Cornu, der im Gegensatze hiezu einer Mauer gleich mit fast ebenem Rücken 
fortzieht, gegen Nordwest reicht der Blick bis an die mit Schneeflecken gezierte 
Czernahora an den Quellen des Pruth, während man nach Süden zu über die vor- 
liegenden niedrigeren Ketten hinüber die höchsten Berge der Bukowina, den 
Czumalen (946 W. Klftr.), den Rareu und die grossartigen Felsen des Pietrile 
Domnei, wenn auch in weiter Ferne erblickt. 

Von dem Berge Pietruschka verfolgten wir den Kamm dieser ersten Berg- 
reihe der Karpathen in nördlicher Richtung bis in die Gegend von Szypot am 
grossen Sereth, wo wir in dessen Thal hinabstiegen. Dieser Ort hat seinen 
Namen vom Rauschen des hier befindlichen Wasserfalls des Sereth, der aber, 
kaum 6 Fuss hoch, zu unbedeutend ist, um eine weitere Beschreibung zu verdie- 
nen. — Der Fluss selbst erhält seinen Namen erst unweit oberhalb Szypot,, wo 
die drei Bäche Bursukeu , Czornesz und Zwarasz sich vereinigen; das kurze 
Querthal, in dem Szypot liegt, verwandelt sich unterhalb des Ortes in ein weites, 

a » 


A Dr. A. v, Alt. 


nach Norden gerichtetes Längenthal, welches die Gesteinschiehten unter einem 
spitzigen Winkel durchschneidet. Etwa eine halbe Meile unterhalb Szypot zieht, un- 
weit von Lopuszna, ein Damm von festen, einzelne Nummuliten führenden 
Quarzeonglomeraten über das Thal, durch den Fluss durchbrochen, und jetzt nicht 
viel über die Thalsohle emporragend, doch dient die ebene Thalsohle und zwei 
in verschiedenen Höhen längs dem nördlichen Thalgehänge sich hinziehende 
Schutt-Terassen zum Beweise, dass hier einst ein See bestand, der erst allmälig 
durch das Zernagen jenes Dammes seinen Ausfluss fand. — Im Uebrigen herrschen 
in dem unteren Sereththale die eocenen bituminösen Fischschiefer, menilitführende 
Kalksteine und dünngeschichteter Quarzfels mit dieken Bänken eines feinkörnigen 
massigen Sandsteines abwechselnd, und erst gegen die Mündung des Thales tre- 
ten die grünen Neocomien-Conglomerate darunter auf. 

Um von Szypot aus in das Thal der Suezawa zu gelangen, passirten wir die 
vierte Parallelkette der Karpathen , die des Wanzyn in der Einsattlung zwischen 
den Bergen Szurden und Magura, und kamen an den in die Suezawa fallenden 
Ruskabach herab. 

Von der Wasserscheide hat man einen deutlichen Ueberblick über die breite 
Niederung, welche hier durch das Thal der Putilla und ihrer Nebenflüsse gebil- 
det wird, eine Niederung, die, die Mitte der Mulde des Karpathensandsteines 
einnehmend, bei ihrer weiten Längenerstreckung für den Bau dieses Gebirges 
eine umso grössere Bedeutung hat, da im Nordosten derselben ein südwestliches, 
im Südwesten dagegen ein nordöstliches Fallen der Schichten herrscht, welche 
daher von beiden Seiten gegen diese Niederung einschiessen, die zum grössten 
Theile aus Fucoidenmergeln und den sie begleitenden grauen Sandsteinen und 
Schiefern besteht. 

Das Thal der Suezawa bei Seletin entspricht gleichfalls dieser Niederung, 
es ist ein weites Längenthal, von niederen Bergen begrenzt; erst unterhalb Szy- 
pot durehschneidet man zuerst glimmerreiche Sandsteine, dann mit grünen und 
rothen Schiefern wechselnde Quarzfelsschichten, auf welehe schwarze, bituminöse 
Schiefer und Kalksteine folgen , über welche letzteren der Fluss im Orte Szypot 
in zwei Absätzen ungefähr 20 Fuss herabstürzt, und so einen hübschen Wasser- 
fall bildet. Auch der Suezawa-Fluss erhält erst hier seinen Namen, auch er wird 
wie der Sereth durch die Vereinigung dreier Bäche, des Iswor, Szypot und der 
Kobeliora gebildet. Dem Szypotbache entlang führt die Strasse in einem Län- 
genthale fort, welches auch durch die niedere Wasserscheide zwischen dem 
Isworbache und den Quellen des Moldawaflusses (der Hochpunet der Strasse an 
dieser Wasserscheide liegt 592,6 W. Klftr. über dem Meer) nicht unterbrochen 
wird, sondern längs der oberen Moldawa und dann dem Sadowabache entlang bis 
in die Gegend vonKimpolung stets in diesen schwarzen Schiefern und Kalksteinen 
fortzieht, mit welchen einzelne dünne Quarzfelslagen wechseln. 

Schon bei der Kirche des Ortes Moldawa verlässt jedoch die nach Kirlibaba 
führende Strasse dieses Längenthal, uud wendet sich nach dem romantischen, 
stark bewaldeten Nebenthale der Lukawa, an dessen Eingange zwei mächtige Fel- 
sen von roth und grau geflecktem Trümmerkalkstein wachen, nur dem Bache 
einen schmalen Ausweg freilassend. Hinter ihnen treten zuerst röthliche Quarz- 
breeeien (dem Verrucano entsprechend) und dann Glimmerschiefer auf, welcher 
bis an den Gestütthof Luezyna anhält. 

An dem Zusammenflusse der zwei Quellbäche des untern Lukawabaches 
tritt man aus dem Walde und sieht sich mit einem Male in eine ganz verschie- 
dene Gegend versetzt. Weit ausgedehnte Alpenwiesen mit einem Föhrenwalde 
treten an die Stelle der Fichtenwälder,, welche, obwohl noch weit von ihrer 


Ein Ausllug in die Marmaroscher Karpathen. 5 


obern Vegetationsgrenze entfernt, dem Zwecke der Viehzucht weichen mussten, 
denn hier beginnt das Gebiet der Luezina, wo Hunderte von Pferden, dem gross- 
artigen Aerarialgestütte von Radautz angehörend, die Sommermonate zubringen, 
und in der rauhen Gebirgsluft Tag und Nacht im Freien gegen alle Witterungs- 
einflüsse abgehärtet werden. Der Gestütthof selbst liegt 646,9 W. Klftr. über 
dem Meere. 

Der Glimmerschiefer hat hier, wie an mehreren anderen Orten der Buko- 
wina, bei seiner Hebung neuere Gebilde mit sich heraufgebracht, denn grünliche, 
sehr feinkörnige , ihren Fossilresten nach dem Grünsande angehörige Sandsteine 
bilden dieGehänge der vom Gestütthofe an aufsteigenden Obeziora, während mäch- 
tige Blöcke eines bald feineren, bald gröberen Quarzconglomerates den Rücken 
selbst bedecken. 

Auf demselben angelangt, erblickt man zum ersten Male die Rodnaer Alpen. 
In kühnen Formen ansteigend und von einer pyramidenförmigen Spitze gekrönt, 
steht der mächtige Inieu da; seine Gehänge, mit grossen Schneeflecken geziert, 
das Haupt fast immer in Wolken gehüllt. Ihm steht links der viel niedrigere, aber 
noch immer der Czernahora an Höhe gleichkommende Wurwu Omului (deutsch 
Menschenscheitel) zur Seite, vor ihm steht der Capul und die Krummholzberge der 
Marmarosch, während ganz im Vordergrunde die kegelförmige Tatarka aus den sie 
umgebenden dunklen Fichtenwaldungen hervorragt. Wendet man sich um, so 
bieten die schon oben genannten höchsten Berge der Bukowina ein zwar weniger 
grossartiges, aber doch sehr schönes Bild. — Ungern trennt man sich von diesem 
Orte, um durch das schöne im Glimmerschiefer eingeschnittene Thal der Tatarka, 
an deren Mündung in die Kirlibaba wieder zwei Kalkfelsen, obwohl weniger im- 
posant als die am Eingang des Lukawathales, diese eigenthümliche Gegend der 
Luezina abschliessen, das Dorf Kirlibaba zu erreichen. 

Auch hier ist eswieder ein Trümmerkalkstein, doch von dem an der Lukawa 
gänzlich verschieden. Jener ist roth und grau gefleckt, und neuer als die dem 
Glimmerschiefer aufliegende Quarzbreceie, gehört daher wohl der Juraperiode an, 
dieser dagegen besteht aus kleinen eckigen Stückchen von grauer Farbe, welche 
durch einen etwas leichter gefärbten dolomitischen Kalkstein verbunden sind; er 
bildet ein Lager im Glimmerschiefer, und gehört ganz unzweifelhaft zu diesem 
alten Gebilde. 

Ein neuer eigenthümlicher Anblick überrascht den Reisenden beim Eintritte 
ins Kirlibabathal. Rechts hat er den von dichtgedrängten Halden gleich Maul- 
wurfshügeln bedeckten Abhang des waldlosen Futurik, links die mächtigen Kalk- 
felsen des Dadul, vor sich den reizend gelegenen freundlichen Bergort Kirlibaba, 
durch die schöne goldene Bistritz von dem in Siebenbürgen liegenden Ludwigs- 
dorf getrennt, und hinter diesem einst dicht bewaldete, jetzt aber zum grössten 
Theil als abgetriebene Holzschläge dastehende Berge, über welche die Steniszora, 
die erste Kuppe des Wurwu Omului, mit ihrem hellgrünen Scheitel in's Thal 
herabblickt. 

Die goldene Bistritz, deren Name an Goldwäschereien erinnert, die, wie 
zwischen Jacobeni und Dorna befindliche Schutthügel darthun , früher schwung- 
hafter betrieben wurden, während sie jetzt nur hieund da einen Zigeuner beschäf- 
tigen, verdient den ihr oben gegebenen Beinamen der schönen im vollen Maasse. 
Auf ihrem ganzen Laufe in der Marmarosch und Bukowina zeigt sie nirgend jene 
unschönen öden Schotterbänke eines wilden Gebirgsstrandes; im Schatten dunkler 
Urwälder oder zwischen sonnigen, an den schönsten Blumen reichen Wiesen be- 
hält der Fluss, stets in einem gleichförmigen wie künstlich angelegten Beete flies- 
send, seinen ruhigen, wenn auch schnellen Lauf; das krystallhelle Wasser lässt 


6 Dr. A, v. Alt. 


den braunlichen Grund überall durchblieken. Das Thal selbst zeigt auch mehr- 
fache Abwechslung von grossen ebenen Weitungen, durch die sie umfassenden 
Schutt-Terassen als alter Seeboden kenntlich, mit schluchtenartigen gewundenen 
Thalengen, welche der Fluss mit doppelter Schnelligkeit durchbraust. 

Besonders wild ist das Bistrieathal von Kirlibaba aufwärts, wo der Reitweg 
nach Borsa in die Marmarosch demselben entlang zieht. Ungefähr eine halbe 
Stunde über Kirlibaba ist die dreifache Grenze der Bukowina, Siebenbürgens und 
der Marmarosch an der Mündung des Cibobaches, durch einen mächtigen Felsen 
von Nummulitenkalk, Pietra Cibo genannt, bezeichnet, an dessen Fusse ein grün- 
licher feinkörniger Sandstein der Kreideperiode und darunter ein grobes Conglo- 
merat, in welchem sich bis fussgrosse Blöcke eines Corallen führenden Jurakalkes 
befinden, den sonst herrschenden Glimmerschiefer bedeckt, und ihn von dem 
mächtigen Nummulitenkalke trennt. — Bald nachdem man den Cibo überschritten, 
tritt man in eine Thalenge ein, in welcher der Fluss in einem weiten Bogen fast 
senkrechte Felsenwände bespült; es sind Hornblende führende Schiefer, welche 
hier im Glimmerschiefer auftreten; etwas weiter oben erscheint an der Mündung 
des Russajabaches ein Lager von Magneteisenstein zwischen Glimmerschiefer und 
einem sehr festen demselben eingelagerten Kalkstein. 

Das Thal, noch vor wenigen Jahren ein undurchdringlicher Sumpf, in dem 
man nur auf sogenannten Prügelwegen, das ist auf Brücken, gebildet durch Längs- 
balken, auf welche kurze Querhölzer gelegt wurden, zur Noth zu Pferde sich 
fortbewegen konnte, geht einer schnellen Cultur entgegen, denn das Bedürfniss 
des Verkehrs, indem wegen der seit mehreren Jahren herrschenden Getreide- 
theurung in der Marmarosch alljährlich 60— 70,000 Metzen Mais auf den elenden 
Sumpfpfaden zu Pferde aus der Bukowina hinübergeschleppt werden, hat die Er- 
richtung einer Fahrstrasse von Kirlibaba nach Borsa nothwendig gemacht, welche, 
wenn einmal fertig. nicht nur in diese ganz unwirthbaren Urwälder Leben brin- 
gen, sondern für die ganze gebirgige Marmarosch als eine grosse Wohlthat sich 
erweisen wird. Indessen ist bereits die Axt des Holzfällers den übrigen Merk- 
malen der Cultur vorangeschritten, denn die Eisenwerke zu Jacobeni werden ge- 
genwärtig zum grössten Theile aus dem Quellengebiete der goldenen Bistritz mit 
dem nöthigen Brennmateriale versehen, das gefällte Holz wird auf dem Flusse 
herabgeflösst, und in dem eine halbe Stunde oberhalb Jacobeni liegenden Manz- 
thal in grossartigen Meilern verkohlt. 

Ungefähr eine Stunde oberhalb Russaja, an der Mündung des vom Inieu, 
der zweithöchsten Spitze der Rodnaer Alpen, herabkommenden Lalabaches ver- 
lässt man den Glimmerschiefer und tritt in Sandstein, welcher hier als ein ziem- 
lich schmales Band die grossen Sandsteinmassen im Süden und Norden der Rod- 
naer Alpen verbindet. 

Das Hauptthal der Bistrica verliessen wir bald, indem wir dem Nebenthale 
Valkanusk entlang in nordwestlicher Richtung die Wasserscheide zu gewinnen 
trachteten. Beständig herrscht hier der Sandstein, und nur auf einer geringen 
Strecke unter der Wasserscheide berührt man die letzten Ausläufer des Glim- 
merschiefers. 

Oben angekommen, entrollt sich dem Reisenden ein grossartiges Bild. 
Von der Einsattlung zwischen den Bergen Schesul und Cornedy, in einer 
Meereshöhe von 936 W. Klaftern, übersieht man, im Krummholz (Pinus Mughus) 
stehend, nach Norden alle vorliegenden Gebirge der Bukowina und Galiziens 
an den Quellen der beiden Czeremosz; in langgestreckten Rücken ziehen sich 
die Balasiniassa, Clygan und Czorny Dil dahin, während gegen Westen die 
bedeutenden Massen der Troyaga und des Hreben aufsteigen, und im Süden 


Ein Ausllug in die Marmaroscher Karpathen. 7 


die ganze mächtige Kette der Rodnaer Alpen, von dem langgestreckten, mit 
Alpenweiden bedeckten Rücken des Wurwu Omului an, über die schönen, an 
der Spitze kegelförmigen Inien die lange Kuppe des Galatz, die spitzen Gi- 
pfel des Negujesk und Wurwu mare bis zu dem mächtigen Pietros in näch- 
ster Nähe mit einem Blicke überschaut werden kann. — Steile Wände bilden 
den nördlichen Abhang dieses Gebirgszuges, in Schluchten liegen grosse Flä- 
chen ewigen Schnee's, und zarten Silberfäden gleich stürzen’ die Bäche in 
beständigen Wasserfällen jene Schluchten herab, grosse Flecken von Krumm- 
holz bilden tief unter dem Kamme den Vorläufer der mächtigen Urwälder, 
welche den Fuss dieses Gebirges bedecken und nur an wenigen Puneten von 
Pfaden durchschnitten werden, die das Besteigen des Gebirges möglich ma- 
chen. Die Berge, von welchen man diese Aussicht geniesst, bilden eine eigene 
Gruppe von runden, zum Theile plateauartigen Kuppen, welche von den Rodnaer 
Alpen durch die Längenthäler der Bystriea und des Visobaches getrennt, und über 
die vorliegenden Sandsteinberge weit emporragend,, in nordwestlicher Richtung 
bis zur Troyaga bei Borsa hinziehen, mit welchem Berge, der den höchsten 
Gipfel dieser Gruppe bildet, sie gegen das Wasserthal abfallen. Glimmerschiefer, 
Trachyt- und Dioritporphyre sind die Gesteine, welche diese Alpengruppe zusam- 
mensetzen; sowohl am Ostrande am Berge Cornedy, als auch am westlichen Fusse 
im Bergorte Borsabanya legt sich auf denselben Nummulitenkalk, der seinerseits 
von Karpathensandstein bedeckt wird, während Trachyt- und Dioritporphyr den 
Glimmerschiefer vielfach durchbrochen haben und zu bedeutenden Bergen aufge- 
stiegen sind, indem ersterer den Berg Cornedy, letzterer die Alpe Troyaga ganz 
allein zusammensetzt. 

Auf beschwerlichen steilen Saumwegen steigt man in das wildromantische 
Thal des Cislabaches, von tosenden Bächen begleitet, herab, und gelangt sodann, 
dem obengenannten Bache folgend, in den am Austritte desselben aus dem hohen 
Gebirge gelegenen Ort Borsabänya. Mehrfache Durchbrüche von Dioritporphyr 
durch Glimmerschiefer zeigen sich im Thale oberhalb Borsabänya, und mehrere 
starke Sauerquellen sind die letzten Zeugen der hier einst stattgefundenen pluto- 
nischen Thätigkeit. 

Einen eigenthümlichen Anblick bietet beim Austritte nach Borsabanya das 
vor diesem Orte von Norden her abmündende Seceothal. Wohl verdient es diesen 
Namen (secco, trocken), denn nur ein mächtiges Haufwerk von Geröllen ohne 
Spur eines Baches bezeichnet den Grund dieses kurzen von der Troyaga herab- 
kommenden Thales, und liefert zugleich den Beweis, welch mächtige Wasser- 
massen sich bei Regengüssen auf diesem Wege herabwälzen müssen. Mehrere 
Gruben befinden sich im Seceothal und an den Abhängen der Troyaga, andere 
weiter oben im Cislathal, in dem Nebenthale der Burloja, theils im Glimmerschie- 
fer, theils im Dioritporphyr. Es sind Gänge von Bleiglanz, Kupfer und Eisenkies, 
stets gold- und silberhältig, welche hier theils auf Rechnung des Aerars , theils 
von Privaten abgebaut werden. — Sie werden in Borsabänya verschmolzen, das 
Gold und Silber aus dem erzeugten Reichblei aber erst inNagybänya ausgeschie- 
den. Von dem Wunsche geleitet, die Troyaga zu besteigen, folgten wir zuerst 
dem Seccothale, dann der westlichen Lehne desselben aufwärts. Die Neigung ist 
sehr steil, denn die horizontale Entfernung von Borsabänya ist nur gering, der 
Höhenunterschied zwischen diesem Orte (443 W. Klftr.) und der Troyaga aber 
ist sehr bedeutend. 

Die Alpe Troyaga, schon von Pusch in seiner geognostischen Beschrei- 
bung von Polen genannt, besteht aus drei kurzen, in stumpfen Winkeln zusam- 
menstossenden Gräthen, welche an ihrem Vereinigungspunete am niedersten, an 


8 Dr. A. v. Alt. 


ihren Enden die höchsten Gipfel tragen, und dann plötzlich abfallen. Diese Gipfel 
sind im Westen die eigentliche Troyaga, im Südosten die Murgu (1026,7 W. Kl. 
hoch), und im Nordosten der Mirasz, der noch um zweihundert Fuss höher sein 
dürfte. Die ganze Alpe besteht aus Dioritporphyr. Nach Borsabänya zurückge- 
kehrt, traten wir von nun an in ein weiteres Thal, welches nach ungefähr einer 
Meile in dem Städtchen Borsa sich mit dem Hauptthale des Visobaches vereinigt. 
Unterhalb Borsabänya tritt der Dioritporphyr noch mehrmals auf, dann aber 
kömmt man in Sandstein, welcher diese ganze Niederung nördlich von den 
Rodnaer Alpen ausfüllt. 

Gross ist der Unterschied zwischen den Thälern am West- und am Ostab- 
hange der Wasserscheide zwischen der Bystriea und Viso. Während man im 
Osten in einer Entfernung von 8 Stunden von der Wasserscheide im Orte Kirli- 
baba noch immer in einem engen Hochgebirgsthale in einer Meereshöhe von 
477 Wr. Klftr. fast ohne Spur eines Getreideanbaues sich befindet, kommt man am 
Visobache schon in sechs Stunden von der Wasserscheide in eine Meereshöhe von 
nur 356 W. Klftr. — Das Thal ist weit, und sowohl der Grund desselben, als auch 
alle weniger steilen Gehänge sind mit Getreidefeldern bedeekt. Der Anblick die- 
ses Thales ist um so schöner, als sich die mächtige Kette der Rodnaer Alpen un- 
mittelbar aus demselben erhebt, ja die höchste Kuppe derselben, der Pietros, 
steigt aus dem an seinem nördlichen Fusse gelegenen Marktflecken Borsa so 
schnell empor, dass man seinen Gipfel von da aus in 2 bis 3 Stunden mit Leich- 
tigkeit zu gewinnen hofft. Doch diese Hoffnung ist nur Täuschung , denn keine 
Kuppe der Rodnaer Alpen bietet so viele Schwierigkeiten, als gerade dieser Berg. 
Worin die Hauptschwierigkeit bestehe, darauf deutet schon sein Name (Pietros, 
felsig). Senkrechte Felsenwände von über tausend Fuss Höhe stellen sich auf 
der Nordseite dem Besteigen entgegen, und selbst das einzige Thal, auf dem man 
sich von dieser Seite der Kuppe nähern kann, ist sehr steil, und heisst deshalb 
Vallie repede (rapidus). 

Wir zogen daher den längeren Weg vor, mittelst dessen man im Thale des 
Draguszbaches den Pietros umgeht, so zuerst auf die südlich von demselben ge- 
legene Alpe Batrina gelangt, und auf dem Rücken, welcher dieselbe mit der südli- 
chen Kuppe desPietros, der Mamaja, verbindet, sich demselben besser nähern kann. 

Wir verfolgten daher das ziemlich weite Visothal, in welchem nur hie und 
da sich Entblössungen von Sandstein zeigen, der schwach nach Nordwesten fällt, 
bis zur Mündung des Draguszthales etwas oberhalb Moiszin, und wendeten uns 
dann gegen Süden am Draguszbache aufwärts. Dieses Thal ist, wo es in das Viso- 
thal mündet, einerseits durch Abfälle des Pietros, andererseits durch den Berg 
Magura eingeengt; gleich hierauf tritt statt des Sandsteins Glimmerschiefer auf, 
welcher weiter oben bei der letzten Brettmühle ein mächtiges Lager von sehr 
schönem, weissem, körnigem Kalk einschliesst. — Der Bach Dragusz wird durch 
die Vereinigung zweier Bäche gebildet, deren einer, der Isworu Zmezilor, gerade 
vom Pietros, der zweite, Isworu Styrpi, von der Alpe Batrina herabkömmt. — 
Beide Thäler sind sehr wild, die Bäche stürzen in beständigen Caseaden schäu- 
mend herab. Wir verfolgten den letztgenannten Bach in stets südlicher Richtung 
bis nahe an dessen Quelle, Erst dort, wo wir ihn verliessen, hörte der Glimmer- 
schiefer auf, über ihm sieht man zuerst ausgezeichneten, korallenführenden Jura- 
kalk, auf demselben grauen Nummulitenkalk, und erst höher hinauf an der Lehne 
tritt Sandstein auf, welcher die ganze Batrina und einen grossen Theil des 
Rückens, welcher dieselbe mit demPietros verbindet, zusammensetzt, worauf man 
wieder in Glimmerschiefer kömmt. Da die südliche Kuppe des Pietros, die Ma- 
maja, von dem Hauptrücken durch eine tiefe, sehr felsige Einsattlung getrennt ist, 


Ein Ausflug in die Marmaroscher Karpathen. 9 


zogen wir es vor, zuerst in den Thalkessel, welcher die Quellen des Baches Re- 
pede enthält, herabzusteigen, um dann den Pietros selbst zu besteigen. 

Dieses Ansteigen ist sehr besehwerlich, zuerst muss man sich dureh dichte 
Krummholzbestände auf sehr steilen Abhängen durchdrängen , weiterhin bilden 
bloss lose aufeinanderliegende Steinblöcke den einzigen Weg, um die steilen Ab- 
stürze hinanzuklimmen. — Die Quelle des Baches Repede entspringt aus einem 
kleinen Wasserbeeken in dem Halbkreise der von dem Pietros und der Mamaja 
gebildet wird, in dieses Becken reicht ein bedeutendes Schneefeld hinein; das 
Wasser ist so auffallend grün, dass sich die blendende Weisse des Schnee's dort, 
wo er in das Wasser eintaucht, augenblicklich in das schönste Meergrün verwan- 
delt. — Das aus diesem Becken abfliessende Wasser zeigte bei einer Lufttempe- 
ratur von 15,0° R. kaum + 2,0°. 

Der eigentliche Pietros, nach meiner Messung 1219,3 W. Klftr. hoch, bil- 
det einen kurzen, von West nach Ost streichenden scharfen Grath mit zwei Spitzen, 
von denen die westliche die höchste ist, nach allen Seiten mit fast senkrechten 
Wänden abfallend. Es ist ein nackter Fels, bloss in den Spalten mit einer küm- 
merlichen Vegetation, wo nicht Schneeflocken dieselben füllen; nach Süden trennt 
ihn eine tiefeEinsattlung von der nicht viel niedrigeren Mamaja, sonst ist er nach 
allen Seiten frei; indem er im Westen durch das Draguszthal, im Osten durch das 
Thal Vallie repede, und im Süden bis auf die ebengedachte einen scharfen Grath 
bildende Einsattlung von den Zuflüssen der obengenannten Bäche abgeschnitten 
wird, gegen Norden aber zuerst mit senkrechten Wänden, dann mit steilen, zum 
Theil bewaldeten Gehängen in das Visothal bei Borsa abstürzt. 

Die Mamaja, die ebenso felsig ist als der Pietros, und ebenso wie dieser 
und überhaupt die Rodnaer Alpen den Gemsen einen willkommenen Zufluchtsort 
bietet, senkt sich bald herab in den ebenen, jedoch auch scharfen Rücken des 
Buhajeskul, welcher den Hintergrund des Quelleneireus des Repedebaches, in 
welchem mehrere kleine Seen sich befinden, und zugleich die Wasserscheide zwi- 
schen diesem und dem der Szamos zustürzenden Rebrabache bildet. Am östlichen 
Gehänge dieses Thaleireus steigt zuerst die spitze Pyramide des Negujesk auf, 
während ganz vorne in der Verlängerung des Hauptkammes des Pietros der 
Wurwu mare einen ebenfalls von Westen nach Osten streichenden hohen Grath bildet. 

Hinter diesem erscheinen nun die übrigen Kuppen der Rodnaer Alpen bis 
an den Inieu (Kuhhorn), der in seiner schönen Pyramidenform so hoch aufsteigt, 
dass er dem Pietros den Rang streitig macht. 

Alle übrigen von hier aus sichtbaren Höhen sinken dagegen zurück. Die 
Aussicht von der Spitze des Pietros ist wahrhaft grossartig. Nach Norden üersieht 
man zuerst die beiden freundlichen Thäler des Viso und Cisla, die Orte Borsa, 
Moiszin und Borsabänya scheinen unmittelbar zu den Füssen zu liegen. Hinter 
letzterem Orte thürmt sich der Troyaga auf, weiter nördlich die das Wasserthal 
einschliessenden Berge, an dessen nördlichem Gehänge die hobe Alpe Peezeleu 
(es ist jene, die auf vielen Karten als Pietros oder Ruskapojana bezeichnet wird) 
mit mehreren Schneeflecken geziert sich zeigt, und über ein Gewirr von rund- 
lichen, zum grossen Theilemit Krummholz bedeckten Sandsteinbergen schliesstganz 
im Norden die hohe Czernahora den Gesichtskreis. Gegen Nordwesten und We- 
sten übersieht man die beiden freundlichen Thäler des Viso und der Iza, welche nur 
durch eine von diesem Standpunete ganz niedrig erscheinende bewaldete Berg- 
kette getrennt sind. Wie Silberfäden ziehen beide Flüsse der Viso in starken 
Windungen in nordwestlicher Richtung fort, sehr schön übersieht man die Orte 
Unter-Viso, Szelistye und Dragomirfalva, und hinter ihnen die Berge, welche den 
Lauf der Theiss oberhalb Szigeth begleiten. 


10 Dr. A, v. Altı 


Ja nicht blos in die Niederung dieses Ortes reicht der Blick, sondern man 
übersieht zugleich allejene Berge, welche von der Batrinaaus in westlicher Rich- 
tung bis gegen Kapnik und Nagybänya fortziehen, als natürliche Grenzscheide 
zwischen Ungarn und Siebenbürgen. Von der Batrina nur durch die Einsattlung 
an den Quellen des Jsworu Styrpi getrennt, zeigt sich zuerst derMonezel, obwohl 
vergleichsweise niedrig, doch wegen seiner ausgezeichnet dachförmigen Gestalt 
merkwürdig, hinter ihm in grösserer Ferne der hohe Cziblesz, und weit im Hin- 
tergrunde der gleichfalls durch seine Form ausgezeichnete Gutin bei Kapnik. 
Gegen Süden ist die Aussicht, dureh die vorstehende Mamaja und Batrina be- 
gränzt, dagegen liefert die Aussicht vom letztgenannten Berge die volle Ergän- 
zung des Bildes, indem man von dort aus nicht nur das Szämosthal und die das- 
selbe umschliessenden Berge, sondern auch die Gegend von Bistritz überblickt, 
ja darüber hinaus noch weit ins Innere von Siebenbürgen sehen kann. 

Doch nur wenig Zeit hatten wir, um diese wundervolle Aussicht zu genies- 
sen, zwar war der Gipfel des Pietros noch vollkommen rein, aber am Horizonte 
sammelten sich Gewitterwolken und unmittelbar über uns schwebte ein leichter 
Nebel, der sich langsam immer mehr herabsenkte. Jetzt galt es mit Aufbietung 
aller Kräfte vor dem Ausbruche des Gewitters die Waldregion zu erreichen, denn 
demjenigen, der noch im Bereiche der steilen felsigen Abstürze vom Unwetter 
überrascht wird, droht die grösste Gefahr. War aber schon das Heraufsteigen 
beschwerlich, so war das Hinabklettern gegen das Draguszthalnoch ohne Vergleich 
ärger, Zuerst mussten wir auf dem scharfen Grathe des Hauptrückens herabstei- 
gen, von beiden Seiten von fast senkrechten Abstürzen umgeben, dann an den 
steilen Felsen, die den obersten Grath bilden, hinschleichen, endlich an den steilen 
Gehängen selbst, bald über Haufwerke loser Steinblöcke, bald über abschüssige 
Grasflächen ohne Spur eines Fusssteiges, so gut es gehen wollte, kletternd und 
rutschend herabzukommen suchen, und schon war das Gewitter losgebrochen und 
wir fast ganz durchnässt, als wir eine Sennhütte am obersten Saume des Waldes 
erreichten. Hier suchten wir Schutz vor dem mit immer grösserer Heftigkeit to- 
benden Gewitter; doch welchen Schutz fanden wir! Zwei in dieErde geschlagene 
Pfähle durch eine Querstange verbunden, und ein paar Baumrinden von einer 
Seite an dieselben gelehnt, war das ganze Obdach, das wir fanden, kleine Stücke 
von Baumrinde bildeten den Sitz auf demkothigen vom Regen durchweichten Bo- 
den. So brachten wir fast zwei Stunden zu, denn das Gewitter hatte sich recht 
eigentlich das zu unsern Füssen liegende Draguszthal zu seinem Tummelplatz aus- 
gesucht, unbeweglich stand die Wolke durch die ganze Zeit über uns und ruhte 
nicht, bis sie ihren ganzen Wasservorrrath entleert hatte. Schnell heiterte sich 
dann der Himmel auf, und frohen Muthes machten wir uns auf den Weg; unten 
im Thale wartete unser jedoch eine andere Ueberraschung. Durch den Regen war 
das Wasser in dieser Zeit so angeschwollen, dass alle Stege theils weggerissen, 
theils überfluthet waren, hier galt es Bäume zu fällen und so sich neue Stege zu 
bilden, und so gelangten wir endlich in die schon oben erwähnte Brettmühle, wo 
unsere Pferde unserer warteten und uns noch vor Einbruch der Nacht ins Dorf 
Moiszin brachten. 

Der Weg von hier nach Viso folgt dem freundlichen von ziemlich niedrigen, 
bewaldeten Bergen begränzten Thale des Visobaches. Gleich bei Mojszin trifft 
man dicke Bänke eines massigen grauen Sandsteins flach nach NNO. fallend, wei- 
ter hinab erscheint grauer glimmriger Sandstein mit Kohlenbröckehen und graue 
sandige Schiefer, und endlich dort, wo das bis dahin ziemlich schmale Thal sich 
gegen das Städtehen Viso öffnet, schwarzgraue glimmrige Schiefer mit dünnen 


Ein Ausflug in die Marmaroscher Karpathen. 11 


Sandsteinsehiehten, welche Kohlenbröckehen führen, wechselnd, und nach N. 
fallend. 

Das Thal von Viso ist im Norden durch die ziemlich hohe bewaldete Kette 
der Skeriszora von dem Thale des Ruskowa-Baches getrennt, an deren Fusse sich 
eine mächtige Geröllterasse aus dem hier ausmündenden Wasserthale herauszieht. 
Dieses sehr schöne Thal ist gleich am Anfange eng und bleibt so seinem ganzen 
Laufe nach. Das erste anstehende Gestein nicht weit oberhalb Viso sind mächtige 
Felsen des groben Conglomerats, welches fast überall die Unterlage des Sand- 
steins bildet. Es enthält bis Fussgrosse Glimmerstücke, Quarzstücke und Brocken 
eines grauen Kalkes mit undeutlichen Spuren von Versteinerungen, aber ohne 
Nummuliten und fällt steil nach NW. Es dürfte den Neocomienbildungen ent- 
sprechen. Darunter liegt etwas weiter im Thale hinauf ein sehr schöner weisser, 
stellenweise rosenroth gefärbter diehter Kalkstein, zum Theile mit deutlich er- 
kennbarer Schiehtung nach NW. fallend, und unmittelbar darauf folgt Glimmerschie- 
fer, welcher dann im ganzen Wasserthale bis zur Einmündung des Fainabaches 
herrschend bleibt. — Nur an der Mündung des Nowiezor de sus-Baches treten 
in ihm gneissartige und Hornblende führende Gesteine auf, und dort wird das 
Thal zu einer engen durch senkrechte Felsenwände sich durchwindenden Kluft. 
Bis an diesen Punet herrschen Laubhölzer, besonders Rothbuche und Birke in den 
die Thalgehänge bedeckenden Wäldern, dann aber treten, obwohl das Thal sich 
wieder erweitert, auf einmal Fichtenwälder auf. — 

In dem von Norden herabkommenden Nebenthale des obern Szulegulbaches, 
1/, Stunde vom Hauptthale entfernt, liegt der unter dem Namen Szuliguli weithin 
nach der Marmarosch und die angrenzenden Theile Galiziens versendete Sauer- 
brunn , mit einer Temperatur von +7°R. aus Glimmerschiefer und zwar an der 
Grenze zwischen gewöhnlichem quarzigen und einem schwarzgrauen talkigen 
Schiefer hervorkommend. Die Quelle ist wenig wasserreich, enthält ziemlich viel 
Kohlensäure und etwas freies Schwefelwasserstoffgas; das an sich ganz klare 
Wasser färbt sich gleich bei Hinzugabe von etwas Wein und bildet einen rothen 
Niederschlag. 

Etwas weiter oben im Hauptthale liegt der Ort Faina, aus den Wohnungen 
des Försters und einiger Arbeiter, dann einem Getreidemagazin und einer Mahl- 
mühle bestehend, als Mittelpunet einer grossartigen Bauholzerzeugung, die vielen 
Arbeitern den Lebensunterhalt gewähret, zu derenErnährung eben das Getreide- 
magazin und die Mahlınühle bestimmt sind. Zum Behufe der Flössung des Holzes 
bestehen am Wasserbache drei grosse Klausen, welche zweimal wöchentlich ge- 
öffnet werden. 

Bei Faina verliessen wir das Wasserthal, um längs des Fainabaches aufstei- 
gend, den Kamm des Gebirges und so die galizische Grenze zu gewinnen, dann 
folgten wir dem Kamme in fast nördlicherRichtung durchmehrere Stunden, wor- 
auf wir das Thal des schwarzen Üzeremosz hinabstiegen und so längs dieses 
Flusses wieder nach Czernowitz gelangten. Das Wetter, das uns bis dahin, einige 
kurze Gewitterregen abgerechnet, begünstigt hatte, schlug in ein anhaltendes 
Regenwetter um, oben am Gebirgskamme wechselten diehte Nebel mit Regen- 
güssen und heftigen Windstössen so, dass es unmöglich wurde mit Musse ge- 
nauere Untersuchungen anzustellen. 

Im Fainathale herrschte noch Glimmerschiefer, in welehem hoch oben un- 
weit der eben gedachten Einsattlung ein Lager von schwarzem Kieselschiefer, 
und eines von grauem Kalkstein sich findet, dann aber tritt auf dem Kamme das 
grobe Sandstein-Conglomerat auf, welehes auch die Alpe Szulegul zusammensetzt. 


12 Dr. A. v.Alt, Ein Ausflug in die Marmaroscher Karpathen. 


Dem Kamme folgend, der seiner ganzen Länge nach von Alpenwiesen ge- 
bildet wird, kömmt man von der Alpe Szulegul an der noch etwas höheren Alpe 
Czewezyn vorüber; hier kömmt ınan wieder in Glimmerschiefer und betritt so den 
einzigen mir bekannten Punet, wo sich im östlichen Galizien (mit Ausschluss der 
Bukowina) dieses Gestein findet und wo früher ein Bergbau auf Bleiglanz ver- 
sucht wurde. 

Man umgeht die Quellen des Ruskowabaches; die beiden Gebirgsjoche, 
welche an der Nord- und Südseite dieses Baches gegen Westen fortziehen und 
einerseits die Wasserscheide zwischen diesem und dem Wasserthale, anderer- 
seits mit der weissen Theiss bilden, sind bedeutend höher, als der die Grenze 
bildende Rücken, wie dies die vielen Schneeflecken auf der höchsten Kuppe der- 
selben zeigen. Der Rücken zwischen dem Wasser- und Ruskowa-Thale, welcher 
wie schon erwähnt, nördlich von Viso als Skeriszora beginnt, führt dann den Na- 
men Baitza, seinehöchste Kuppe heisst Peezeleu und ist auf denKarten von Ungarn 
gewöhnlich als Pietrossa bezeichnet. Die Wasserscheide zwischen Ruskowa und 
der weissen Theiss hat ihre grösste Erhebung in den zwei nebeneinanderstehen- 
den hohen Kuppen des Stih Woloski, während im Norden der hohe Zug der 
Czernahora jede weitere Fernsicht abschneidet. — An den Quellen des Ruskowa- 
baches senkt sich der Gebirgskamm bedeutend, der Glimmerschiefer hört auf 
und Sandstein tritt auf, weleher mit den ihm untergeordneten Gliedern die ganze 
nördliche Seite des Gebirges bildet. 

In dem Thale des Prelueznybaches steigen wir ziemlich steil an den 
Czeremosz hinab; der Mündung diesesBaches gegenüber befindet sich ein kleines 
Thal, in dem eine schwache Sauerquelle, unter dem Namen Burkut bekannt, dem 
Sandsteine entquillt, und nur selten von Badegästen, die weder die beschwer- 
liche Reise zu Pferde, um hieher zu gelangen, noch den gänzlichen Mangel nicht 
nur jedes Comforts, sondern selbst manches nothwendigen Lebensbedürfnisses 
scheuen, besucht wird. 

Die fortdauernden Regengüsse und der angeschwollene Fluss machten es 
unmöglich, auf die bisherige Art, nämlich zu Pferde oder zu Fuss, weiter zu 
kommen, und wir mussten uns glücklich schätzen, dass uns durch die Gefälligkeit 
des Pächters der bedeutenden an der Mündung des Rzawinetzbaches befindlichen 
Sägemühlen ein starkes Floss zur Verfügung gestellt wurde. Freilich hörte von 
nun an jede genauere Untersuchung der die Thalgehänge bildenden Felsarten 
auf, dafür aber bot die Fahrt auf dem angeschwollenen wasserreichen Czeremosz- 
Flusse manchen früher nicht gekannten Reiz. 

Bis unterhalb der Mündung des Szybenybaches ist das Thal des schwarzen 
Czeremosz ziemlich eng, es ist eiu Querthal, in dem man stellenweise Sandstein 
in fussdieken Schiehten anstehen sieht, dann tritt man in eine grosse Thalwei- 
tung, in ein in den schwarzen Schiefern eingeschnittenes, mit zerstreuten Woh- 
nungen besäetes Längenthal, Chiliw (Trog) genannt, welches bis fast an die Mün- 
dung des Dzymbroniabaches anhält. Hier aber beginnen die für die Schifffahrt 
gefährlichen Engen, zwischen hohen, steilen, oft senkrechte Wände bildenden 
Gehängen braust derFluss in fast beständigen Stromschnellen und raschen Krüm- 
mungen über die ihn durchsetzenden Sandsteindämme weg, und nur die Gewandt- 
heit der Schiffer und ihre genaue Kenntniss jeder Stelle des Flussbettes vermag 
oft das Floss vor dem Zerschellen zu bewahren. — Vor Zabie tritt man wieder 
in eine grosse Thalweitung, in welcher jedoch der Fluss in einem engen, 30 bis 
A0 Fuss tief in die mehrfach gewundenen Fucoidenschiefer, die mit dünnen Sand- 
steinschiehten, dann mit schwarzen bituminösen Schiefern und braunen, horn- 
steinführenden Kalken wechseln , eingeschnittenen Bette sich fortbewegt, zum 


F. Simony. J. Feil. Leben und Wirken des Geographen 6. M. Vischer 13 


Beweise, dass auch hier einst ein See sich befand, und erst nach dem Durch- 
bruche des durch die Sandsteinfelsen an der Mündung des Berezankabaches bei 
Krzyworownia gebildeten Dammes das Flussbett sich allmälig tiefer legte. Diese 
Thalweitung bildet das nordwestliche Ende der schon oben bei Besprechung des 

. Suezawathales erwähnten bedeutenden Depression, welche in einer durchschnitt- 
lichen Breite von 1:/, Meilen von hier aus in südöstlicher Richtung fortzieht, den 
weissen Czeremosz zwischen Koniatyn und Useieriki, die Suezawa in der Gegend 
von Seletin, die Moldawa zwischen Eisenau und Gura Slumora überschreitet, 
und durch die bedeutenden Längenthäler der Putilla und der Moldawitza be- 
zeichnet wird. 

Von Krzyworownia bis Useieriki, wo sich der weisse mit dem schwarzen 
Czeremosz vereinigt, trägt das Thal dieses letzteren den Charakter eines Längen- 
thales, während der nunmehr vereinigte Fluss auf seinem weiteren Laufe bis 
Wiznitz, wo er das Gebirge ganz verlässt, in einem mehrfach gewundenen Quer- 
thale mehrere Parallelketten durchsehneidet. Dieses Querthal wird jedoch, da 
dieser Theil des Gebirges meist aus dünngeschichteten, mit dunklen Schiefern 
wechselnden Sandsteinen besteht, nur an einigen Stellen, wo massige Sandsteine 
oder Kalksteinfelsen dasselbe durchkreuzen, eng und felsig, und an solchen Orten 
bildet der Fluss bedeutende der Schifffahrt hinderliche Stromschnellen, deren 
bedeutendste am Fusse des Felsens Sokulski, ungefähr eine Meile oberhalb Wiz- 
nitz sich befindet. 


II. 


Über das Leben und Wirken des Geographen Georg Matthäus 
Vischer. 
Von Joseph Feil. 


(Veröffentlicht im IL, Bande der Berichte und Mittheilungen des Alterthumsvereins in Wien.) *) 


Im Auszuge von Friedrich Simony, k. k, Professor. 
Mitgetheilt in der Versammlung der k. k. geographischen Gesellschaft vom 17. November 1857. 


A, Uebersicht der von Vischer erschienenen Werke, 


I. Karte von Oberösterreich. 1666—1667 aufgenommen; 21. Fe- 
bruar 1668 die fertige Zeichnung überreicht; 1669 der Kupferstich vollendet. 

a) Erste Auflage 1669, mit der Ueberschrift: Archiducatus Austriae 
Superioris Geographica Deseriptio facta anno 1667, in zwölf Blättern, deren jene 
drei für die oberste und für die unterste Reihe 11 Zoll 6 Linien hoch, die sechs 
Blätter der breiten mittleren Reihen aber 11 Z. 10 L. hoch, sämmtliche zwölf 
Blätter aber 15 Z. breit sind, so dass die ganze Karte zusammengesetzt in der 
Breite 3 Sch. 9 Z., in der Höhe 3 Sch. 10 Z. 3 L. umfasst. Das Maassverhältniss 


®) So wünschenswerth es gewesen wäre, diese für die Geschichte der österreichischen 
Vaterlandskunde eben so wichtige als gründlich behandelte Biographie ihrem ganzen 
Inhalte nach in diese Blätter aufzunehmen, so hat der gebotene Umfang derselben 
eine Kürzung dieser höchst interessanten Abhandlung unerlässlich gemacht. Dagegen 
hat der Berichterstatter es als eine Pflicht gegenüber dem Autor erachtet, den Aus- 
zug wortgetreu dem Original zu entlehnen. 


14 “AR Simony« . Feil, 


der Aufnahme ist gleich der niederösterreichischen Karte Vischers 444-000. Im 
Mittelstücke der untersten Reihe zeigt sich eine Art steinerner Tisch mit Magnet- 
nadel, Globus und sphaera armillaris, mit der Inschrift auf der Vorderseite: 
Prouinciam hane Peragrauit, deliniauit, et montes valles Ciuitates Monasteria 
et arces ad viuum quantum proportio permisit in hunc modum coneinnauit 
Georgius Visscher Tyrolensis € wenns, tunc temporis, parochus in Leon- 
stain Austriae superioris. 

Als Kupferstecher dieser Karte ist weiter unten bezeichnet: Melchior 
Küsell, f. Aug. Vind. 1669. 

b) Die zweite Auflage 1762, mit der diese Ausgabe kennzeichnenden 
Unterschrift: ©. 4. Schantz renov. Styrae 1762, welche sich unterhalb dem 
oben bemerkten Namen M. Küsell 1669 befindet. In dieser zweiten Auflage 
finden sich keine bemerkenswerthen Verbesserungen, und der ganze Antheil, 
weleher Schanz an derselben zuzuschreiben sein dürfte, ist die Auffrischung 
des Stiches in den bereits stark abgenützten Platten. 

e) Die dritte Auflage, 1808, hat mit Benützung der Platten in dieser letz- 
teren Erneuerung die auf den früheren Ausgaben fehlenden Strassenzüge, wenig- 
stens die wichtigeren, nach dem Bestande zu Anfang dieses Jahrhunderts nach- 
getragen. Sie ist dadurch erkennbar, dass zuoberst rechts die Inschrift: Neueste, 
durch Einzeichnung der Strassen, Wege etc. ete. verbesserte Ausgabe im Jahr 
1808. Linz. Im Verlage bei Friedrich Eurich, wittelst einer besonderen 
kleineren Kupferplatte an jener Stelle abgedruckt ist, wo sich auf der Ueber- 
schrift der ersten Auflagen (Archid. Aust. Sup. Geog. deser.) die hier ausge- 
schliffenen Worte: facta Anno 1667 befinden. 1826 wurden neuerlich Abdrücke 
derselben Karte veranstaltet. Die Kupferplatten der Vischer’schen Karte, von 
welcher noch im April 1797 der damalige Major Graf Radetzky und der Haupt- 
mann im Pioniercorps Graf Hadick ein Exemplar zur Benützung bei den damali- 
gen Kriegsoperationen ausgehoben hatten , befinden sich noch dermal im ständi- 
schen Archiv zu Linz. 

Behandlung, Grösse, Deutlichkeit und Schriftart des Stiches dieser ober- 
österreichischen Karte stimmen so ziemlich mit jener der von demselben Kupfer- 
stecher ausgeführten Viseher'schen Karte von Unterösterreich überein ; letztere 
erscheint jedoch um einen Grad zarter ausgeführt. An Wichtigkeit für die alte 
Topographie beider Kronländer stehen beide Karten, ungeachtet ihrer theilweise 
erheblichen Unrichtigkeiten der Situation, doch insbesondere wegen der verhält- 
nissmässig deutlichen Einzeichnung der einzelnen Orte mit ihren Kirchen, der 
Schlösser , Klöster, wie der damals noch ungleich wenigeren Burgruinen, auf 
gleicher Stufe; beide Karten können in topographischer Beziehung noch viel ein- 
dringlicher und fruchtbarer benützt werden, als dieses bisher der Fall gewe- 
sen ist. 

I. Karte von Unterösterreich. 1669—1670 aufgenommen; 1670 
in Kupfer gestochen. 

a) Erste Auflage vom Jahre 1670; mit der Ueberschrift: Archiducatus 
Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Deseripti Authore Georgio 
Matthaei Vischer Tyrolensi. In 16 aneinanderzupassenden Blättern, deren 
jedes 11 Zoll 4 Linien hoch, 161/, Zoll breit ist. Zusammengefügt misst demnach 
die Karte 33/, Fuss 4 Linien. in der Höhe und 5/, Schuh Breite. Der Massstab 
ist Yısa-000- Die Aufnahme, sowohl in Bezug auf die Gebirge, als auf die Oert- 
lichkeiten ist in der Vogelperspeective, und insbesondere deswegen von besonde- 
rem geschiehtlich-topographischem Werthe, weil auch hier alle grösseren Orte, 
Schlösser, Stifte, Ruinen u. s. w., wenn auch in sehr kleinem Maassstabe, doch 


Leben und Wirken des Geographen 6. N. Vischer, 15 


dem Wesen nach in Bezug auf den Stand der Erhaltung noch deutlich erkennbar 
eingezeichnet sind, insbesondere für jene Oertlichkeiten von Wichtigkeit, welche 
sich in Vischer's Topographie derselben Bezirke nicht im grösseren Maassstabe 
der Aufnahme finden. 

Die Verbindungswege zwischen einzelnen Orten u. s. w. sind nirgends an- 
gegeben; nur die Poststrassen von Wien aus über Neustadt, Neunkirchen u. s. w., 
dann jene über Hollabrunn bis Znaim, sowie die über Wolkersdorf, Mistelbach 
bis Nieolsdorf, jene über Sieghartskirchen und Perschling nach St. Pölten und 
von da nach Melk, Kemmelbach, Strengberg bis Enns, endlich jene von Pulkau 
über Fratting nach Zlabing, sind ungefähr in solcher Art angedeutet, wie wir 
nach heutiger Manier chartographischer Zeichnung einen Wall darstellen würden. 

Von dem mannigfachen Randschmuck dieser Karte mag hier nur das Por- 
trät und das Wappen Vischer's angeführt werden, welche sich auf dem letzten 
Blatte (Nr. 16) der ersten Ausgabe befinden. Das „Melchior Küsell Aug. 
fecit, Aug. Vind. 1670“ auf demselben Blatte belehrt auch über den Namen des 
fleissigen Kupferstechers. der diese mühevolle Aufnahme Vischer's in Metall 
ausgeführt hat. 

b) Zweite Auflage vom Jahre 1697. Eine, mit Benützung der Platten der 
ersten Ausgabe, durch Ausschleifungen, Umänderungen und Nachträge, dem ur- 
sprüngliehen Verfasser gegenüber undankbare, doch aber verbesserte und durch 
ein Ortsverzeichniss vermehrte zweite Ausgabe. 

Die Ueberschrift lautet hier: Archidueatus Austriae Inferioris Geogra- 
phica, et Nouiter Emendata Accuratissima Deseriptio. Die Worte: Authore 
Georgio Matthaei Vischer Tyrolensi, wie auf der ersten Ausgabe steht, sind hier 
undankbarer Weise gänzlich hinweggelassen; in Verbindung mit der Ausschlei- 
fung des Porträts und Wappens Visceher's auf dem letzten Blatte der ersten 
Ausgabe ist diess aber Beweiss, dass Vischer 1697 bereits verstorben war, da 
man bei seinen Lebzeiten gewiss nicht die Stirne gehabt hätte, auf dessen viel- 
leieht ruhmvollstem Werke jedes Andenken an den hochverdienten ursprünglichen 
Verfasser bis auf die letzte Spur wegzutilgen, dafür aber — zur Täuschung der 
Nachwelt über das eigentliche Verdienst um das, ungeachtet aller Gebrechen, für 
immer höchst schätzbare Werk — zwei ruflose Namen zu substituiren, deren 
Antlteil an dieser Karte kein anderer ist, als was J. Grimm (WB. I, LXVII.) 
bei ähnlichem Vorgange so trefflich als „armes Flicken am Zeug“ bezeichnet. 

Sowie Name, Porträt und Wappen Vischer's wurde auch der Name des 
ursprünglichen Kupferstechers Küsell ausgeschliffen und dafür Jacobus Hoff- 
mann und Jacobus Hermundt seulps. eingetragen, ohne Zweifel die Namen 
der undankbaren Redaetoren dieser zweiten Auflage, über deren anderweitige 
Verdienstlichkeit aber die Nachwelt nicht das Geringste aufbewahrt hat. Wenn 
auch mancherlei Verbesserungen bei dem Vergleich mit den Karten der ersten 
Auflage sich herausstellen, so ist die Verdienstlichkeit der beiden letztgenannten 
doch keinesfalls so gross, dass sie zur trüglichen Substituirung ihrer Namen statt 
jenes Vischer's berechtigte, um so weniger, als höchst wahrscheinlich die Ver- 
besserungen nach einem von Viseher selbst noch eorrigirten Exemplare der 
ersten Auflage vorgenommen worden waren. 

Il. Topographie von Niederösterreich. 1676—1671 aufgenom- 
men, 1672 in Kupfer gestochen. Gestochener Titel in Folio. Im Mittelstücke 
liest man: Topographia Archidveatvs. Avstriae Inf-Modernae seuControfee und 
Beschreibung aller Stätt Clöster und Schlösser wie sie anietzo stehen in dem 
Ertzherzogthumb unter Oesterreich. Heervorgebracht im Jahr 1672. Cum Priv. 
Sac. Caes. Ma. unten: Durch Mühesamen Fleiss Georg Matthei Vischer. Geogr.; 


16 F. Sinony. J. Feil. 


am untersten Rande: Tobias Sadler sculp. — Derselbe Titel ist jedem der vier 
Viertel, nach denen die Bilder dieser Topographie abgetheilt sind, vorgesetzt, 
und nur in einem Ovalstücke zuunterst sind die Bezeichnungen der einzelnen 


Viertel eingetragen, nämlich: 1. Das Viertel unter Wienerwaldt. — Das Vier- 
tol ob Wienerwaldt. — 3. Das Viertel unter Mannhartsberg. - Das Viertel ob 
Mannhartsberg. 


Die Bilder jedes der vier Viertel sind fortlaufend numerirt, und befinden 
sich, mit nur ein paar sogleich zu erwähnenden Ausnahmen, stets je zwei über- 
einander auf einer Kupferplatte von 8 Z. 3 L. Höhe und 6 Z. 3 L. Breite. Jedes 
dieser Bildchen ist 5 Z. 9 L. — 10 Z. breit, 3 Z. 10 L. hoch, 

Jedem einzelnen Viertel ist eine Landkarte desselben vorgebunden, 
14 Z. breit, 9 Z. 10 L. hoch; Reduetionen der grösseren Vischer'schen Karte. 

Ausser den bemerkten kleineren Bildern, aus denen die Topographie fast 
ausschliesslich besteht, sind aber dem Viertel U. W. W. noch insbesondere sie- 
ben grössere Ansichten (13 Z. 4—6L. breit, 3 Z. 10 L. hoch) vorange- 
schickt, jede mit der Bezeichnung: @. M. Vischer Geograph. delin. Gegenstand 
dieser Darstellungen sind vorerst vier Ansichten von Wien mit den Vorstädten 
u. s. w. und zwar: 1. Prospectus Orientalis Viennae Metropolis Austriae. 
2. Prospectus Meridionalis. 3. Prospectus Occidentalis. 4. Prospectus Septen- 
trionalis. (Für die alte Topographie der Wiener Vorstädte bisher noch viel zu 
wenig beachtet.) 5. Der Kayserliche Burg Platz in Wienn. 6. Die Kayserliche 
Burg zu Wienn von Occident anzusehen. 7. Die Kayserliche Favorita bei 
Wienn (das nunmehrige Theresianum). 

Die Anzahl der hierauf mit n. 8. neu beginnenden weiteren kleineren Bil- 
der der Topographie des V. U. W. W. beläuft sich auf 118, und endet nicht völ- 
lig genau mit n. 124; denn werden die erwähnten sieben grösseren Ansichten 
von Wien eingerechnet, so ergibt sich richtiger fürs V.U. W. W. eine Gesammt- 
zahl von 125 Ansichten. Jene des V. 0. W. W. beläuft sich auf 138 (das letzte 
Blatt: Die Strass iber den Terz avs Oesterreich in Steyermarch , ist das einzige 
rein landschaftliche, als solches aber nichts weniger als gelungene Bild); V. U. 
M. B. endet mit 102, V. ©. M. B. mit 142, dem aber ein nicht numerirtes, die 
Probstey Zwetl im Liechtentaal, auf einer Kupferplatte, deren untere Hälfte leer 
geblisben, beigefügt ist. Somit enthält ein vollständiges Exemplar der unteröster- 
reichischen Topographie 4 gestochene Titelblätter, 4 Karten und 514 Abbildun- 
gen, darunter sieben grössere Folioblätter. 

Den Schluss bildet ein auf 10 Grossfolio-Seiten gedrucktes Verzeichniss 
der im Bilde dargestellten Orte aller 4 Viertel, fortlaufend alphabetisch gereiht, 
unter Beisetzung der damaligen Besitzer derselben. 

Was die Ausführung dieser Kupferstiche anbelangt, so überbietet sie bei 
weitem jene in der oberösterreichischen und steiermärkischen Topographie so- 
wohl an Nettigkeit und Klarheit, als vor allem an wohlthuender Gleichförmigkeit 
des Stiches. Zwar sind in der steiermärkischen Topographie einzelne von 
A. Trost gestochene Bilder noch feiner, ja in gewissem Sinne geistreicher aus- 
geführt; allein dafür findet sich in der niederösterreichischen Topographie auch 
nicht ein Bild so roher Aetzung , wie deren die steiermärkische Topographie so 
viele, und jene von Oberösterreich in überwiegender Mehrzahl besitzt. 

Wo die Kupferplatten zur Vischer'schen Topographie von Niederöster- 
reich hingelangt sind, war nicht zu ermitteln. Sie wurden nach dem ursprüngli- 
chen Contracte mit den n. ö. Ständen, bloss gegen Verpflichtung zur Ablieferung 
von 200 Abdrücken, in Vischer's Händen belassen, und es ist nicht bekannt, 
dass sie etwa später an die Stände abgegeben wurden. 


Leben und Wirken des Geographen G. M, Vischer, 17 


IV, Abriss der Wieselburger Gespannschaft und der der 
Grafschaft Ungariseh-Altenburg. 1672. — Dass V. einen solchen Ab- 
riss (Bild, Zeichnung; Grimm WB. I, 91) gemacht hat, ist dadurch erwiesen, 
dass ihm 1672 wegen vnderschiedlich verehrten Kupferexemplaren der 2 Viertl 
Ober- und under Wiener Wald auch wegen gemachten Abriss der Mossonien- 
sischen (nicht wie es bei Schlager offenbar unrichtig heisst: Massoviensi- 
schen) @espannschaft und Grafschaft hungarisch Altenburg eine re- 
compens mit 400 fl. vom Hofe zu Theil wurde (Schlager an dem oben beru- 
fenen Orte S. 720). Es ist dem Autor ungeachtet der emsigsten Umfragen leider 
nicht gelungen, die entfernteste Spur von der Existenz dieser Abbildung (wahr- 
scheinlich in der Vogelperspeetive) zu erkunden. Nach der Abfassung der obigen 
Stelle ist es sogar unbestimmt, ob V. bloss eine Zeiehnung im engeren Sinne, 
oder Exemplare eines Kupferstiehes dieser Aufnahme überreichte, da in Bezug 
auf die beiden Wienerwalder Viertel ausdrücklich mehrerer Kupferexemplare 
erwähnt wird, dagegen hinsichtlich der Wieselburger Gespannschaft nur ein ab- 
riss. — Vielleicht gelingt es anderwärtigen Forschungen, über diese Arbeit V.'s 
in Zukunft sichere Kunde zu erlangen; vorläufig sei hier wenigstens auf die Be- 
weisstelle für den einstigen Bestand einer solehen Aufnahme hingedeutet, um zu 
weiteren Erkundigungen anzuregen. 

V. Topographie von Oberösterreieh. 1667—1668 aufgenommen, 
1669— 1674 in Kupfer gestochen. 

A. Erste Ausgabe. Mit einem gedruckten Titel: Topographia Austriae su- 
perioris modernae. Das ist: Contrafee und Abbildung aller Stätt Clöster Herr- 
schafften vnd Schlösser, dess Erz-Hertzogthumbs Oesterreich, ob der Enns, 
welche Theils nach freyem Aug, Theils nach der Perspectivae Kunst ad vivum de- 
liniert und abgezeichnet worden, sambt einer Specification der jetzigen Herrn 
Possessoren und besitzer. Hervorgebracht durch Aigen-händige Mühe vnd Vn- 
kosten Georg Matthaei Vischer, der löbl. N. O. Landschafft geographi. (Wappen 
von Oberösterreich, mit dem Herzogshut bedeckt, von zwei Engeln gehalten.) 
Mit Röm: Kays: Majest: Privilegio und Freiheit, im Jahr 1674. 

Das auf 8 Querfolio-Blättern mit den beigefügten Namen der damaligen 
Gutsbesitzer abgedruckte Verzeichniss der zu dieser Topographie gehörigen Ab- 
bildungen weiset 222 Nummern aus, Die Ausführung der einzelnen, in der ersten 
Auflage nicht mit fortlaufenden Zahlen bezeichneten Blätter ist grösstentheils nur 
mittelmässig; mehrere sind schlecht, kaum ein paar gut. Im Ganzen steht diese 
Topographie an Nettigkeit der Ausführung jener von Niederösterreich und Steier- 
mark weit nach; doch muss dabei in Anschlag gebracht werden, dass sie die 
erste der von Vischer herausgegebenen war, und dass überhaupt der Stich 
dieser Blätter zu Augsburg durch den oder die hiefür benützten Kupferstecher 
unserem Vischer viele Verdriessliehkeiten und längeren Aufschub des Erschei- 
nens verursachte. Jedes Blatt ist auf einer besonderen Kupferplatte in Klein- 
Querfolio gestochen. Der Umfang des Bildes innerhalb der Einrahmung wechselt 
in der Höhe zwischen 4 Z. 3 L. — 5 Z. S L., in der Breite zwischen 6 2.—7 2. 
9L., nur das Lambacher Blatt ist im Rahmen 11/, Z. breit und 8 Z. hoch. 

B. Zweite Ausgabe. In der durch Eurich zu Linz veranstalteten neuen 
Ausgabe der V.'schen Topographie von Oberösterreich, in welcher mehrere Plat- 
ten schon sehr ausgedruckt erscheinen, wurden vier der älteren Blätter (entwe- 
der weil die Kupferplatten seither verloren gegangen, oder bereits allzusehr abge- 
nützt waren) durch neue Stiche ersetzt, übrigens die 222 Ansichten fortlaufend 
mit Nummern versehen, 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft, II, Bd, 1. Heft, b 


18 F. Simony. J» Feil. 


VI. Allgemeine Erdbeschreibung. 1674. Relatio geographica Ie- 
cari senioris, Das ist: Kürtzeste Weltbeschreibung. So begreifft Erstlich die 
gantze Welt, dann Die vier Theil der Welt, Jedwederer Theil seine Reich, jed- 
wederes Reich seine Provintzen, jede Provintz sein Haupt und vornehme Städte, 
Alles mit eigentlichen Nahmen nach den besten Land-Carthen gezogen und ande- 
ren Authorn beschrieben durch Georgium Matthaeum Vischer einer Hochlöbl: 
N: O: Landschaft Geographum. Mit Röm: Kays: Maj: Privilegiovnd Freyheit nicht 
nachzudrucken. Gedruckt zu Grätz, Bei den Widmannstetterischen Erben 1674. 
Kl. Fol. Das erste unpaginirte Blatt enthält die Dediceation an die n. ö. Land- 
stände; darauf folgen 18 Seiten Text.) 

VII. Ansieht der Stadt Wien. 1675. Dieselbe besteht aus zwei gleich 
grossen, genau aneinander passenden Kupferplatten, 11 Z. hoch, und zusammen- 
gefügt 35 Z. 4 L. breit. 

In der Mitte des Bildes links und rechts vom St. Stephansthurm steht: 
Wien in Oesterreich. Auf einem der zwei von Engeln gehaltenen Schrift- 
streifen in den beiden oberen Ecken liest man zur Linken: 

Dis ist die Kaysers Statt wo sich der höchste Sitz | Mit Mayestätenrühmt 
vnd der begottert Blitz | Vom Ertzhaus Oesterreich die feste mauren rührt, | So 
dass sich selbst die Welt mit dieser Wohnung zirt! | Hier blincken Scepter 
Kron! hier seind Natur, und Kunst | Vermählt mit gleichem band durch frohe 
himmels gunst! | Theilt sich der Adlers flug hier in der höhen aus | Vnd Stütz 
mit Rath und Fleiss, das Reich und eigen Haus! 

In der rechten Ecke: 

Beglückte Segens Statt: Es müssen deine thor | Von nun an sicher sein 
und legen sich daruor | Der Cherubinisch Schutz damit in fridens stand | Gott 
vnd die Mayestätt besegne leut und land. | Ja wo ein Rauber sich was wagt zu 
nach herbei | den reiss in Starkemgrimm die Adlers Klaw entzwei | Also winschet 

| Georg Matthäus Vischer N. O0. Geographus. 

In der untern Ecke steht: Cum Priwilegio Sac: Cas: Mayestatis. Ausser- 
dem sind zu beiden Seiten unter 33 Nummern die meisten der auf dem Bilde 
siehtbaren Kirchen und anderer Gebäude erklärt. Eine Jahreszahl findet sich 
auf dem Bilde nicht. 1675 war der Kupferstich aber gewiss schon beendet, denn 
in diesem Jahre erhielt Vischer vom Wiener Magistrat 36 fl. wegen überreich- 
ten Kupferstich der Stadt Wien mit der oberösterreichischen Topographie. 

Das Bild zeigt die innere Stadt Wien, von Westen angesehen nach Osten 
hin, in ihrer ganzen nach dieser Seite sichtbaren Ausdehnung, von der Löwel- 
bastei mit der nahen Schottenkirche, bis zur Stubenthorbastei mit der damaligen 
Jesuiten- (nachmals Universitäts-) Kirche. Ziemlich in der Mitte überragt das 
St. Stephansmünster mit dem hohen Thurm die übrigen Gebäude; im Vorgrunde 
zeigt sich die Kaiserburg, mit noch sichtbaren drei Eckthürmen (jeder mit Sturm- 
gallerie und Zwickeldach) des alten Burgbaues, des heutzutage sogenannten 
Schweizerhofes. 

Es muss später eine theilweise Umarbeitung des ersten Stiches vorgenom- 
men worden sein, da dieser bereits 1675 vollendet war, dagegen aber auf den 
jetzt vorkommenden Exemplaren nächst der Burg bereits das neue Gebäude der 
k. k. Hofbibliothek, welches erst in den Jahren 1722—1726 ausgeführt wurde, 
wenngleich in unverhältnissmässig kleinem Maasstabe eingezeichnet ist. 

VII. Grosse Langansicht der Hauptstadt Gratz. 1675. Aus zu- 
sammenpassenden Blättern bestehend; im Ganzen 35 Z. 3 L. breit, 10 2. 7 L. 
hoch, mit der Ueberschrift: „Grätz die Haubt Statt in Hörtzogthumb Steyer.“ 
Die Stadt mit dem noch wohlerhaltenen alten Schlosse auf dem die Stadt beherr- 


Leben und Wirken des Geographen 6. M, Vischer, 19 


schenden Scehlossberge zeigt sich nach der Länge der Mur; am Fusse des 
Schlossberges : Der Anderte Sakh und Der Dritte Sakh, links: der Rosenberg 
mit einem grösseren Pavillon mit Kuppel und 4 runden Erkerthürmehen; weiter 
rechts das Schlösschen mit den 4 Eekthürmen; rechts etwas tiefer Sf. Leonhard, 
in der Tiefe: am Graben. 

In der Mitte des Bildes ganz vorne gewahrt man das Murthor mit der Mur- 
brücke; in der Mitte der letzteren eine Art hölzernes Blockhaus mit Durchfahrt 
und Durchgängen, an welchen Wagbalken mit Ketten zum Aufziehen der Fall- 
brücken sichtbar sind. Die beiden Gehwege zwischen dem Blockhause und dem 
eigentlichen Stadtthore sind bedeckt, an jeder dem Flusse zugekehrten Seite 
verschallt und mit 5 kleineren Fensterchen versehen, nach Innen durch eine höl- 
zerne Brustwehre vom Fahrwege abgesondert. Auf den Hügeln zur Rechten 
erbliekt man noch das St. Martinskloster. Die Stadtbefestigung schliesst hier mit 
dem neuen und Eisenthor. 25 Nummern erklären die dargestellten Einzelheiten 
in der Stadt. 

In jeder der beiden oberen Ecken finden sich zwei Vignetten mit kleineren, 
aber deutlich ausgeführten Ansichten von Gratz, den Schlossberg in der Mitte. 

In solcher Gestalt zeigt sich wenigstens die Langansicht ven Gratz, welche 
die Wiener k. k. Hofbibliothek in ihrer Kupferstichsammlung aufbewahrt. Der 
Name des Zeichners oder Kupferstechers findet sich aber nirgends angemerkt. 
Da jedoch erwiesen ist, dass Vischer 1675 eine Ansicht der Stadt Gratz, in 
Kupfer gestochen, den steiermärkischen Ständen zur Revision überreicht hatte, 
und ausserdem nicht ein anderes derartiges Bild Vischer's bekannt ist (denn 
die kleinere Ansicht dieser Stadt in der steiermärkischen Topographie Vischer's 
kann hier wohl nicht gemeint sein, da Vischer auch eine Karte mit einer kur- 
zen Beschreibung von Gratz, sowie die in dieser Stadt befindlichen landesfürstli- 
chen und ständischen Behörden beizufügen beabsichtigte), da überdiess auf dem 
Bilde durchaus jene auffällige Bestimmtheit und Sicherheit herrscht, die Vi- 
scher’s Abbildungen so vortheilhaft charakterisirt, so durfte es keinem Zweifel 
unterliegen, dass die eben besprochene Langansicht die von Vischer gezeich- 
nete und 1675 in Kupfer gestochene ist. Kaum dürfte sobald eine zweite Stadt 
in so schönen, grossen und bestimmt ausgeführten Zeichnungen ein Bild ihres 
Aussehens in älteren Zeiten aufzuweisen haben, als Gratz in der hier besproche- 
nen Vischer'schen Abbildung. 

IX. Karte von Steiermark. 1673—1675 aufgenommen, 1678 in 
Kupfer gestochen von Andreas Trost. Ueberschrift: Styriae Ducatus Fertilis- 
simi Nova Geographica Descriptio Authore @. M. Vischer 1678. In zwölf 
gleich grossen Blättern, jedes 11 Z. 8L. hoch, 16 Z. 10. L. breit; also die 
ganze Karte zusammengesetzt: 3 Schuh, 10 Z. 8 L. hoch, 4 Sch. 6 L. breit. 
Der Maasstab der Ausführung t/72000 ist nur 113/ kleiner, als der von Vischer 
auf der ober- und unterösterreichischen Karte eingehaltene, 

Wie die grösseren Karten Viseher’s von Ober- und Unterösterreich , ist 
auch die Karte von Steiermark mit reichen Emblemen und Inschriften geschmückt ; 
ebenso sind die Gebirge, grösseren Gebäude, Schlösser, Kirchen, Klöster u.s. w. 
in gleicher Art behandelt wie dort. Der Stich von A. Trost ist wohl feiner als 
der auf den beiden anderen Karten, weshalb die Platten auch schon früher als 
jene an Schärfe bedeutend verloren, doch weniger sicher und bestimmt als 
auf jenen. 

X. Ansichten von Kremsier. 1679. 1690. Die fürst - bischofliche 
olmveische Residenz-Stadt Oremsier sambt denen nechst darbey Neuerhöbt, von 
Grund zugericht und erbauten Lvst- Blvom- und Thiergarten. Gezeichnet durch 

b * 


20 F F. Simony. J. Teil. 


Georg Matthaeus Vischer kayserl. Edlknabn Mathematico. Diesen Titel führt 
das erste der drei Grossfolio-Blätter in dem in kleinerem Querfolio erschienenen 
Bilderwerke über das vom Fürstbischof Carl von Liechtenstein um 1690 neu 
erbaute, nach dem Brande am 16. März 1752 vom Fürstbischof L. Friedrich von 
Egkh noch prächtiger hergestellte Residenzschloss und über den 1673 angeleg- 
ten Lustgarten zu Kremsier, mit seinen Grotten, Bildsäulen, der über 300 Klftr. 
langen Gallerie, Wasserkünsten u. s. w. 

Dieses Werk gehört desshalb zu den Seltenheiten, da es der gedachte 
Fürstbischof nur zu Geschenken bestimmt hatte (die Wiener k. k. Hofbibliothek 
besitzt kein Exemplar desselben, wohl aber die fürstlich Liechtenstein’sche 
Bibliothek.) 

XI. Topographie von Steiermark, 1673—1676 aufgenommen, 1681 
der grösste Theil des Stiches der Kupfer sammt dem Titelblatt bereits beendiget. 

Das gestochene Titelblatt zeigt in einem Schriftstreifen oberhalb einem vom 
Herzogshut bedeckten Medaillon mit dem steirischen Panther die Aufschrift : 
Topographia Ducatus Stirie 1681. Cum Privileg. Sac: Caes: May,; in der 
unteren Ecke: Avthore et Delineatore Georgio Matheo Vischer. 

Ein gedrucktes Titelblatt mit der Inschrift: @. M. Vischers Kayserlichen 
Geographi | Topographia Ducatus Stiriae, | Das ist: Eigentliche Delineation 
und Abbildung aller | Städte, Schlösser, Marckfleck, Lustgürten, Probsteyen, 
Stifter, | Clöster und Kirchen, so sich im Herzogthumb Steyermark befinden; | 
Und anjetzo | Vmb einen billigen Preyss zu finden seynd | Bey Johann Bitsch 
Universitäts Buchhändlern Auff dem Juden-Platz (in Wien) bei der guldenen 
Säulen, wurde wahrscheinlich erst der neueren Ausgabe (nicht Auflage) un- 
gefähr v. J. 1700 beigegeben, 

Die steiermärkische Topographie war die letzte der von Vischer, und zwar 
unter schwierigen Verhältnissen nur mit langen Unterbrechungen zu Stande ge- 
brachten drei Topographien. In der Zeiehnung und mehr noch im Kupferstiche 
zeigt sich eine auffallende Verschiedenartigkeit zwischen der sorgfältigsten und 
nettesten bis zur rohesten Ausführung. Der längere Zeitraum, welcher von der 
ersten Aufnahme bis zur endlichen Herausgabe verstrichen war, hatte auch in 
den dargestellten Gebäuden theilweise erhebliche Aenderungen durch seither aus- 
geführte Neubauten von Kloster- und Herrschaftsgebäuden u. s. w. herbeigeführt, 
so dass später auch Abbildungen der letzteren ausgeführt und die älteren theil- 
weise verworfen wurden. Während nun über die Anzahl der zur unter- und ober- 
österreichischen Topographie gehörigen Blätter kaum ein Zweifel besteht, zumal 
da den vollständigen Exemplaren ein gedrucktes Verzeichniss der dargestellten 
Oertlichkeiten mit der Aufführung der damaligen Besitzer beigebunden ist, herrscht 
in Bezug auf die Blätterzahl der steiermärkischen Topographie grosse Unsicher- 
heit. Zwar ist auch für diese ein gedrucktes derartiges Verzeichniss angefertiget 
worden; allein Exemplare, denen dieses beigebunden ist, gehören zu den grossen 
Seltenheiten, und auch in diesem fehlen mehrere zn dieser Topographie gehörige 
Bildchen, welche (wahrscheinlich nach Vischer's Tod) von A. Trost gezeichnet 
und gestochen wurden. Es dürfte daher nicht nur gerechtfertigt sondern für 
Sammler sogar erwünscht sein, wenn hier ein Verzeichniss der zur steiermärki- 
schen Topographie gehörigen Bilder nach den vollständigsten dem Autor bisher zu 
Gesichte gekommenen Exemplaren, nämlich nach jenen, die sich in der Wiener 
k.k. Hofbibliothek, dann im Besitze des Joanneums, der Universitätsbibliothek und 
der Herren Formentiniund Scheiger in Graz befinden, von denen das Exem- 
plar der Hofbibliothek und jenes Scheiger's bei weitem die vollständigsten sind, 
abgedruckt wird, wobei die Nummern des gedruckten Verzeichnisses beibehalten, 


Leben und Wirken des Geographen 6. N, Vischer. 21 


und die übrigen Blätter eingereiht wurden, die (im gedruckten Verzeichnisse 
einigermassen abweichende) Orthographie der Orstbenennungen aber-nach den 
auf den einzelnen Bildchen stets befindlichen Aufschriften beibehalten wurde. 

Die Grösse der einzelnen Blätter innerhalb der Einrahmung variirt in der 
Höhe zwischen 7 Z. 3 L. — 10 Z., in der Breite zwischen 42.7 L. — 6 Z, 
Von jenen Blättern, deren Ortsnamen hier ein * beigefügt ist, befinden sich die 
Kupferplatten noch dermal im Besitze der Herren Stände für Steiermark und 
werden im ständischen Archive zu Graz aufbewahrt. 

1. Admont. 2. Admontpihel, 3. Afllenz. 4. *Afling. 5. *Ahaimb. 6. ®Aich- 
berg (im gedruckten Verzeichniss: Auchberg) vgl. auch unten n. 433. 7. *Aich- 
BI 8. Aigen. 9. Ainädt (Viertl. Judenburg). 10. Ained in der Grafschaft Cilia, 

11. *Algerstorf. 12. Altenberg ins gemein Tavsentlvst. 13. *Altenbvrg. 14. Atlen- 
hofen, 15. *Alt-Khainach. 16. *Alt-Kainach. 17. a) Anekhenstein. b) Anckhen- 
stein. e) Anekhenstein. 18. Arnfels. 19. Avffen. 20. Authal. 21. *Baidorf. 22. *Bei- 
lenstein. 23. *Bereneck. 24. *Berglav. 25. Berneck. 26. Bertolstein. 27. *Bischof- 
eckh. 28. Probstey Biber. 29. *Brvnnberg. 30. Brvnnsee. 31. Bvrekhstal. (V. 
zwischen Mur und Drau). 32. *Bvrekstal (V. Cilli). 33. a) Die Byrg in der Statt 
mahrburg. b) Burg, wie sie in der Statt zu gesicht kombt. 34. *Byrg vnd Statt 
Feistriz (V. Cilli), vgl. auch unten 424 und 425. 35. *BvrgSchleiniz. 36. a) *Bvr- 
gav. Wiess zu dem Eingang Vnd Mitternacht hero gesehen wird. b) *Herrschaft 
Bvrgav. Wie Sie von osterreich her gesechen wirdt. e) Herrschaft Byrgav, Wie 
Sie von Vngarn her gesechen Wirdt. d) *Der Garten zy Bvrgav Vnd prospeet 
daselbsten. 37. ?Cammerstein. 38. Capfenstein. 39. *Carl-Av. 40. *Cilia. 41.*Com- 
menda Malteser Ordens zy Fyrstenfeld. 42. Corpula. 43. a) Dann. Gegen Aufgang 
der Sonnen. b) Dann gegen Vntergang der Sonnen. 44. Diernperg. 45. *Diern- 
stain. 46. *Donnegg. 47. Donnersbach. 48. Dornhofen. 49. *Dorneekh. 50. *das 
Doabelbad. 51. Dornau. 52. Drakenbvrg. 53. *Ebensfeld. 54. Das Fyrstlich 
Schloss Eggenberg. 55. *Ehrnhavsen. 56. *Ehrnav. 57. *Eibesfeld. 58. *Eggen- 
stein. 59. a) Eibeswald. b) Eibeswald (andere Ansicht). 60. *Eppenstain. 
61. *Erlachstein. 62. Die Fall. 63. Falekhenbyrg. 64. *Farach. 65. *Feystritz. 
66. *Feistrizhof. 67. *Felden. 68. Feldenhofen. 69. *Feistriz. 70. Finckheneckh. 
71. *Forchtenstein. Neymarkt in Ober-Steyer. 72. *Forchtenstain. 73. *Freidenav. 
74. *Freipihel. 75. a) Freiperg. b) Freiberg; von einer anderen Seite aufgenom- 
men. e) Freyperg Wieesvon der Sonnen Aufgang gesechen wird. d) Freyberg 
Wie Von Nidergang zu Sehen. 76. *Freyenstein. 77. *Fridberg. 78. *Fridhofen. 
79. *Statt und Schloss Fridav. 80. #Fridstein. 81. Fraventhal ins gemein S. Vlrich 
genant. 82. *Fravenbvrg. 83. *Fravheim. 84. *Fravyhaimb. (V. Mur.) 85. *Frons- 
berg. 86. *Statt Fürstenfeld. 87. Forchteneg. 88. *Galenhofen. 89. Gallenstein. 
90. *Ganowiz. 91. Geiaidhof. 92. *Geirach. Abkomene Carthusen. 93. *Gilgen- 
perg. 94. *Gilgenpihel, 95. *Gleichenberg. 96. Gleinstötten. 97. *Goppelspach. 
98. Das Hochadeliche Ivngraw Closter Göss. 99. Gösting. 100. *Grabenhof. 
101. *Grafenegg. 102. *Gradisch. 103. *Grasehniz. 104. *Graz. Die Haubt statt 
in Herzogtum Steyer. 105. a) Das Landhavs mit seinem Prospeet in Grätz. b) das 
Landhavs Gräz Wie es inwendig zusehen. 106. *Greisseneck. 107. *Grienberg. 
108. *Grienbihel. 109. Gross Lobming. 110. Grossontag. 111. Grottenhofen. 
112.Grveb. 113. *Grvebegg. 114. *Grvebhofen. 115. Probstey Gstadt. 116. Gve- 
tenberg. 117. *Guetenpiche(l). 118. a) Gvtenhaag. Wie es die von Moheregg 
Komende anzusehen haben. b) Gvetenhaag Wiess denen von Grätz Khomenden 
ins gesicht khombt. e) Gvttenhaag. Wie es denen von Pettao Komenden ins ge- 
sicht fallet. d) Gvtenhaag. Wie es denen von Rakaspurg Komenden erscheinet. 
119. Gvmpenstein. 120. Hailenstein. 121. Hainfeld, 122. Hainriehsperg. 123. Hal- 


22 l', Simony. J. Feil. 


benrain. 124. Hanfelden. 125. Hardt. 126. a) *Statt vnd Schloss Hartberg. 
b) ®Schloss zu Hartberg. 127. *Harmannstorff, 128. *Hartenstein. 1291/,. Hardt- 
mannsdorff. 129. *Havs am Bacher. 130. Havzenpihel. 131. *Heggenberg. 
132. *Helfenperg. 133. *Herberg. 134. a) Perspectiuischer Aufzug des Schloss 
Herberstein. b) Herberstein. Wie es von Mittag her anzusehen. e) Herberstein. 
Wie es von septentrion gesechen wirdt. d) Das Schlos Herberstein sambt dem 
lustgarten alda in perspectiu. 135. *Herberstorf. 136. Herberstorf. 137. *Hinten- 
feld. 138. “Hofrain. 139. Hohenwang. 140. *Hohenbrvekh. 141. Hohenbyrg. 
142. Holeneckh. 143. Hornegg. 144. *Iamnik. 145. Iaringhof. 146. *Ienners- 
torf. 147. *Irnfrizdorfl. 148. *Judenburg. 149. *Krainberg. 150. *Kaiserberg. 
151. *Kalstorff. Wie es von vngarn her anzusehen. 152. *Kapfenberg. 153. Katsch. 
154. Kilbl. 155. Kirchberg an der Raab. 156. *Kirchberg. 157. *Klaffenau. 
158. Klech. 159. ®Knittelfeld. 160. Konigsperg. 161. Kopreinig. 162. °Koren- 
berg. 163. *Kroispach. 164. *Kranichsfeld. 165. Schloss Krembs. 166. Kriegla. 
167. *Krotendorf. 168. Krottenhof. 169/,. Kymberg. 169. Klingenstein. 170. La- 
beekh. 171. Lanachhoff. 172, Lanekhowiz. 173. a) Landsperg. b) *Landsperg. 
174. Commenda Lech. 175. *Lehen. 176. *Lehenhofen. 177. Lembach. 
178. *Lemberg. 179. *Statt Leoben. 180. *Leonroth. 181. *Leopoldstain. 
182. *Lerchenreit. 183. *Schloss Liebenav. 184. *Liechtenegg. 185. Lichten- 
perg. 186. *Liebental. 187. *Lidlhof. 188. Liechtenstein. 189. *Liechtenwald. 
190. *Ligist. 191. Lilgenperg. 192. Limberg. 193. *Linth. 194. Lorberav. 
195. *Marekht Lvetenberg. 196. *Mährnberg. Ein Junekhfrau Closter S. Dominiei 
Ordens. 197. Malegg. 198. *Mannsperg. 199. *Statt Marehburg. 200. a) Mariae 
Hilf. In der Wüesten Nechst der fall an der Draw denen PP: Benedietinern zu 
S. Paul in Kärnthen gehörig. b) Maria Hif (sie) in der Wuesten. Nev erbavte 
Kirch Wie Sie in wendig zusechen. 201. a) Contrafee der bekanthen Kirch vnd 
Wallfarth Mariae Zell. b) Mariae Zell von der andern seithen. 202. Massenbyrg. 
203. *Mässweg. 204. *Mavth. 205. Mell. 206. Meretinza. 207. Mihlhavsen. 
208. *Minnichhofen, 209. *Mittersteinach. 210. *Mössendorff. 211. *Montpreiss. 
212. Mosbrynn. (Vgl. auch unten n. 425.) 213. *Moserhof. 214. Mvehreckh. 
215. *?Muehrau. 216. Nazareth, 217. Nechelheim. 218. *Negav. 219. Neiday. 
220. *Nevelösterl. Prediger Ordens. 221. *Nevhavs. 222. Ney Kainach. 223. 
®Nevschloss. 224. Neyberg, (Schloss V. Vorau). 225. Neyperg, (Stift). 226. 
Neydorf. 2261/,. *Neystiflt. 227. *Oberbyrg. 228. *Oberndorf. 229. a. Ober- 
fladniz. Wie es von Orient gesehen wirdt. b. Oberfladniz. Wie es von Oceident 
zu sehen. 230. *Oberlorenzen. 231. *Oberlvtenberg. 232. Obermairhofen, 
233. ”Obermarhbyrg. 234. *Schloss ober Pettav. 235. *Ober Pviska. 236. *Ober 
Rackerspyrg. 237. *Oberraggitsch. 238. *Obersteinach. 239. Schloss Oberthal 
mit seinem Schönen Lustgarten. 240. *Statt Ober Wöltz. 241. *Offenbvrg, 
242. *Der Freye Orthof nechst der Statt Grätz auf dem graben. 243, Osterwiz. 
244. Otterspach. 245. “Die Packh, 246. *Packstein. 247. Sanetae Clarae Frauen 
Closter im Paradeis genant nächst Judenburg. 248. *Pelinsperg. 249, *Penkh- 
hof. 250. *Pettav. 251. Pfannberg. 252. *Pllamberg. 253. *Pihel. 254. *Pihel- 
hof. (Franz Jos. Freih. v. Putterer gehörig.) 255. Pihelhof (Lor. Ehrnreich v. 
Freidenbihl Erben gehörig). 256. *Pihelhof (Math. v. Fraidenegg gehörig). 
157. *Pihleren. 258. *Pirchfeld. 259. *Pirchwisen. 260. Pischaz. 261. *Plan- 
kenstein. 262. Planchkenwart. 263. Pökach, 263. Pölä. Ein Styfft Canonicorum 
Begularium. (Vgl. auch unten 427 und 428.) 265. Pöls. 266. *Poppendorff. 
267. *Pranckh. 268. *Prankherhof. 269. Pragwald. 270. Premstötten. 271.*Prygg 
an der Muher. 272. *Puechenstein. (V. Cilli). 273. *Pvechenstein. (V. Vorau.) 
274. ®Pvx. 275, Rabenhof. 276. *Rabensperg. 277. *Rabenstein, 278. *Ra- 


Leben und Wirken des Geographen G. M. Vischer. 3 


ekherspvrg. 279. *Rogeis. 280. *Ranten. 281. a. Schloss Reggerspvrg Wiees 
von Mittnacht und Österreicher gesehen wirdt. b. Schloss Reggersbvrg Wies von 
Orient vnd Tyrkey her gesehen wirdt. (Man erinnere sich, dass nach der Erobe- 
rung Ofens durch die Türken 1541 bis zur Vertreibung derselben aus Ungarn 
1683—1687 die türkische Grenze in der That den Marken Steiermarks sehr nahe 
war.) e. Schloss Reggerspvrg Wie es gegen Mittagvnd der Windischen March 
zusehen ist. d. Schloss Reggerspvrg. Wie es gegen Nidergang vnd von Carnthen 
her gesechen wirdt. e. Grundt Ryss des Schloss Reggerspurg. 282. *Rettlstain. 
283. Reichenbyrg. 284. *Reicheneckh, 285. °Reiffenstein. (V. Cilli.) 286. *Reif- 
fenstain. (V. Judenburg.) 287. *Reitenav. 288. *Reitenegg. 289. *Reintal. 
290. *Rhain. (Vgl. auch unten n. 429.) 291. a. *Rhein. Das Fyrstl. Styflt vnd 
Closter Wie es von Oceidente (sic) hiemali zu sehen, b. *Rhein. Das fyrstl Styfit 
vnd Closter Wie es von Oceidente (sic) hiemali gesehen wird. 292. Rieggerstorf. 
293. Rittengraben. 294. Rohitsch. 295. *Rohr. 296, Rorbach. Anietzo S: Joseph 
genant. 297. Rotteneckh. 2971/,. Rollav. (T.) 298. *Rottenfels. 299. Rotten- 
pach. 300. *Rottenmann, (Stadt.) 301. *Stift Rottenmann. (Vgl. unten n. 423). 
302. *Rottenturn in der Feystritz an der Muer. 303. *Sälhofen. 304. *Saloch 
305. °S. Gothard. 306. *Sanct lacob. 307. °S. lorgen. 308. *S. Iohans, Ein 
Closter der Reformierten Augustii. er, Gestifft von Grafen Hans Max zu Herber- 
stein. (V. Vorau.) 309. S. Iohanns. (V. Cilli.) 310. °S. Ioseph in Kroispach. 
311. Das Fyrstlich vnd Exempte Closter S. Lambrecht. 312. S. Mörten. 
Ein Probstey nechst Grätz. 313. *Saaneckh. 314. *Savrav. 315. Savenprvn. 
316. *Seccav ob Leibnitz. 317. a. Das Fyrstl. Tvmstyft Secav Wie es von Auff- 
gang der Sonnen Zu sehen. b. Das Fyrstl. I'vmstyft Seeav. Wie es von Oceidenti 
hiemali Zu sehen. 318. *Schachenstein. 319. Schaleckh. 320. *Scheifling. 
321. Schieleithen. 322. Schenpihel. 323. Schenstein. 324. *Schlangenbyrg 
Sambt der beyligenden Töplitz vnd Wildpad. 325. *Schladming. 326. Schmiern- 
berg. 327. *Schratenberg. 328. Schwanberg. 329. *Schwarzhof. (V. Vorau.) 
330. *Schwarzhof. (V. zwischen Mur und Drau.) — 331. *Schwarzenstein. 
332. *Closter Seiz. 333. *Siessenheim. 334. Sigerstorfl. 335. *Silberberg. 
336. *Söding. 337. *Sölkh. 338. *Sparberspach. 339. *Spiegelfeld. 340. Spil- 
berg. 341. Spilfeld, 342. *Spizhardt. 343. Stadl. 344. *Stainhof. 345. Stainz. 
Ein Styfit Canonicorum Regularium. (Vergl. auch unten n. 430, 431.) 
346. Stattenberg. 347. *Stein. 348. *Stermol. 349. Stibichhof. 350. Stibing. 
351. Stralegg, zur Herrschaflt Gutenhaag gehörig. 352. Das Fyrstlich Eggen- 
bergisch Schloss Strass. 353. *Strass Engl. 354. *Stravssenekh. 355. Stökl 
allernechst Arnfels. 356. Ströchä. 357. *Stvbeekh. 358. Stvbenberg. 359. Stv- 
denitz. 360. Stvrmberg. 361'/,. Swölla. 361. Saveritsch. 362. *Talerhof. 
363. Talhof. (V. zw. Mur und Drau.) 364. *Thalhof. (V. Ennsthal). 365. *Thal- 
berg. 366/,. Thyrn. 366. Ternoviz. 367. *Tieflenpach. 363. *Tifer. 369. Trav- 
tenbvrg. 370. a. *Trautenfels. Meridionalis facies. b. "Travtenfels. 371. *Travt- 
manstorf. 372.°Tribein. 373. Tuna. 374. **Turn. 374'/,.*Turnisch. (T.) 374'/,. Tur- 
noviz. 375. *Vanstorf. 376. a. Styllt Varav. b. Styflt Varav. (Von einer anderen Seite 
aufgenommen; vergl. auch unten n. 432.) 377. Vasoltsberg. 378. Vnter Fläd- 
nitz. 379. Vnter Mairhofen. 380. Vnter Pylskhav. 381. *Vntersteinach. 382. Vnter 
Thaal. 383. *Statt Voitsperg. 384. *Schloss Obervoitsperg. 385. *Vostenburg. 
386. ”Wagna. 387. Waldeckh. 388. Wallan. 389. *Waldschach. 390. Wald- 
stein. 391. *Wallenstein. 392. Wasen. 393. *Wasserberg. 394. *Waxenegg. 
395. *Weinbvrg. 396. Weissenegg. 397. *Weiseggerhof. 398. Weissenhof 
nechst der Statt Gratz. 399. Weissenthyrn. 400. *Weitenstein. 401. Weiters- 
feld. 402. ®Weixelstetten. 403. a. Wellstorf. b. Welstorf (Schlossgebäude 


34 F. Simony. J. Feil, 


allein). 404. “Weyer. (V. Judenburg.) 405. Weyer (V. Ennsthal). 406. *Wi- 
derdries. 407. *Wildbach. 408. Wildhavs. 409. Wildon. 410. Statt Windisch 
Feistritz, 411. *Windisch Graz. 412. *Wintenav. 413. *Winterhof. 414. Wi- 
sell. 415. *Witschein. 416. *Wolckhenstein. 417. Gloster Wolimia S. Pauli- 
primi Eremitae Ordens. 418. *Wölänä. 419. Wvrmberg. 420. Probstey Zey- 
ring. 421. *Zmell. 422. *Zschakatvrn in ober Steyer. 

Ausserdem wurden aber, vielleicht erst nach Vischer's Tode, einige 
Platten, durch Andreas Trost gezeichnet und gestochen, neu angefertiget, 
grösstentheils von Bauobjecten, welche seit dem Erscheinen des ersten Bildes 
eine wesentliche Umstaltung erfahren hatten; theils aber auch, — und dieses 
dürfte höchst wahrscheinlich noch zur Zeit geschehen sein, wo Vischer am 
Leben war — bei solehen Aufnahmen, wo der erste Kupferstich zu schlecht war, 
als dass er hätte mit Beruhigung der Oeffentlichkeit übergeben werden können. 
Aus dieser Rücksicht wurden gewiss mehrere bereits ausgeführte Kupferstiche 
verworfen, und ohne Zweifel war dieser Umstand der ungenügenden Ausführung 
Anlass der langen Verzögerung in der Herausgabe der steiermärkischen Topo- 
graphie. So findet sich z. B. ein äusserst roh ausgeführter Kupferstich mit der 
Aufschrift (423) Styfft Rotenmann, dem wahrscheinlich dieselbe Zeichnung zu 
Grunde lag, nach welcher der oben unter n. 301 erwähnte Stich ausgeführt ist; 
woraus nur sehr ungerecht auf die Flüchtigkeit der Aufnahme desselben Gegen- 
standes durch den Zeichner Vischer gefolgert werden könnte. Später ange- 
fertigte Blätter, wegen eingetretener Bauveränderung, sind folgende: (424) Die 
Herschaflt Burgh Veistritz, welche das Schloss, verglichen zur ‘obigen Abbildung 
n. 34, in einem neuen Aufbau zeigt. — (425) Die Pvrekh von inwendig der 
Statt Feistritz zv sehen. — (426) Manspyrg. — (427) Pölla, ein Stüfft Canoni- 
corum Regularium. — (428) Pölla, von der anderen seiten, zeigen bereits das 
mit der Kirche 1701—1715 ausgeführte neue Propsteigebäude. (429) *Schloss 
Rhain. (430) Stainz. Ein Styfft Canonicorum Regularium wie es von Aufgang 
gegen Vntergang zusehen ist. (431) Stainz, Wie es von Vntergang gegen aufgang 
zu sehe ist; beide Bilder zeigen das Stiftsgebäude in dem 1689—1710 ausge- 
führten Neubau desselben. (432) Varav, zeigt das Stifft, verglichen zu den obi- 
gen Abbildungen unter n. 376, in einem Neubau, mit neuen Kirchthürmen, Vor- 
und Zubauten. 

Aus Exemplaren in Privathänden lernte der Verfasser noch kennen : (433) 
*Aichberg, Ansicht einer dritten Oertlichkeit gleichen Namens mit n. 6 und 7. 
(434) Khilbel, Schloss mit runden Eekthürmen, auf einem nahen Hügel ein Kirch- 
lein. (435) Mosbrvnn, vergl. mit n. 212, zeigt sich dieselbe Oertlichkeit auf 
einem Blatte noch im älteren, auf dem anderen im neueren Aufbau. (436) Sanet 
Jacob, vergl. mit n. 306, ebenfalls ein älterer und ein neuerer Bau. 

Das gedruckte Ortsverzeichniss zur steiermärkischen Topographie schliesst 
mit Nr. 422; wird hierbei zugerechnet, dass unter einzelnen Nummern mehrere 
durch Bruchtheile angezeigte Blätter enthalten sind (129'/,, 1691, 2261/,, 
2971), 3611/,, 3661/,, 3TAt/,, 3741/,), so ergibt sich dadurch eine Vermeh- 
rung von weiteren 8 Blättern; werden endlich die von verschiedenen Seiten aus 
aufgenommenen Abbildungen einer und derselben Oertlichkeit zugezählt, für 
welche im gedruckten Verzeichnisse nur eine Nummer angesetzt ist (mehrere 
solcher Abbildungen derselben Oertlichkeit finden sich oben unter n. 17, 33, 
36, 43, 59, 75, 105, 118, 126, 134, 173, 200, 201, 229, 281, 291, 317, 
370, 376, 403), so ergibt sich ein weiterer Zuwachs von 32 Blättern, so dass 
ein nach Maassgabe des gedruckten Verzeichnisses vollständiges 
Exemplar nebst dem Titelblatte 463 Bilder zu umfassen hat. Werden die hier 


Leben und Wirken des Geographen G. M, Vischer 25 


n. 423—436 aufgeführten 14 Blätter zugerechnet, so sind von der steiermärki- 
schen Topographie im Ganzen 477 Ansichten bekannt. 

Wiewohl ohne Zweifel sämmtlichen oben mit 463 bezifferten Bildern der 
steiermärkischen Topographie Zeichnungen von Vischer zu Grunde liegen, so 
ist er duch nur auf 45 derselben ausdrücklich durch Vischer Geographus (auch 
ohne letzteres) delin. als Zeichner, und zwar, mit einziger Ausnahme des Blattes 
n. 232, wo sein Name allein steht, neben dem Kupferstecher Andreas Trost 
angesetzt, Ohne Zweifel dürfte er sich nur mit der Ausführung jener Blätter be- 
friediget gefunden haben, denen er seinen Namen beisetzte. Trost ist im Gan- 
zen auf 135 Blättern mit seinem Namen, auf 18 weiteren durch sein (aus AT, 
auch TS) zusammengesetztes Monogramm als Stecher der bezüglichen Kupfer- 
platte bezeichnet. 20 Platten sind von M. Greischer, einem Krainer (auf 
Bl. 301 steht ausdrücklich M. Greischer Carni (olus) incid.) gestochen, 12 der- 
selben sind mit seiner vollen Namensunterschrift, 8 nur mit M. G. bezeichnet. 
— 5 Blätter sind von F. B. Spillmann gestochen. Mehrere Blätter sind aller- 
dings so schlecht gestochen, dass sie einen sehr widerlichen Abstand zu den 
besser ausgeführten bilden. Die gelungenste Ausführung zeigen die von Andreas 
Trost gestochenen Bilder. 

XI. Karte von Ungarn, 1685. Unter dem Titel: „Theatrum belli 
inter magnos duos Imperatores Romanorum et Turcarum. Auctore M. @. 
Vischer. Viennae. Schauplatz des Krieges zwischen den zwey grossen Kaysern 
dem römischen und dem türkischen“ war 1685 auf 12Bogen eine Karte des da- 
maligen Kriegsschauplatzes, nämlich Ungarn sammt Siebenbürgen, erschienen. 
Derselben wird unter dieser Bezeichnung in Söllner's: Statistik des Gross- 
fürstenthums Siebenbürgen, Hermannstadt 1856, I. 43. n. 36. ausdrücklich 
erwähnt. Auch einige Aufschreibungen der Copialbücher (ständische Annalen) 
im Linzer ständischen Archive beweisen, dass Vischer eine Karte von Ungarn 
angefertiget hatte. Laut deren überreichte der Mathematieus Georg Vischer 
unterm 19. August 1687 den obderennsischen ständischen Verordneten eine 
Mappam über das Königreich Hungarn, wofür ihm gegen Hereinbringung etli- 
cher Exemplaren vermelter hungarischer Mappa 6 Reichsthaler, sowie für die 
von ihm unterm 27. August 1687 abgelieferten weiteren 50 Exemplare der hun- 
garischen Landkarte, weitere 30 Reichsthaler bewilliget und ausbezahlt wurden. 

Wenn die damaligen Zeitverhältnisse ins Auge gefasst werden, wo Ungarn 
(1541—1687) zum grössten Theile unter türkischer Botmässigkeit sich befand, 
und namentlich in den letzten Jahren (1683—1687) der Schauplatz blutiger 
Kriege gewesen, so dürfte wohl nicht zu zweifeln sein, dass Vischer's Karte 
von Ungarn selbstständige Aufnahmen nicht zu Grunde lagen, sondern nur ältere 
Karten (s. Söllner a. a. O,, S. 41—43), etwa zunächst die vom kaiserl. Inge- 
nieur Martin Stier gezeichnete, welche 1684 ebenfalls auf 12 Bogen erschienen 
war, benutzt wurde. Der Verfasser hat diese Karte nicht zu Gesichte bekommen 
können, sie findet sich in keiner der bedeutendsten Kartensammlungen Wiens. 

XII. Mit Zugrundelegung der grossen Vischer'schen Karten von 
Ober- und Unterösterreich wurden angefertigt: 

a. Von Vischer selbst gewiss wenigstens noch entworfen vier Karten der 
einzelnen vier Viertel von Unterösterreich (1695— 1697) in 4 ziemlich grossen 
Blättern (12 Z. 2—4 L. hoch, 15 Z. 8—10 L. lang). Auch hier wurden in sehr 
verkleinertem Maasse die einzelnen wichtigeren Oertlichkeiten in der Vogelper- 
spective eingezeichnet. Uebrigens liegt der Anfertigung dieser kleineren Kärt- 
chen nach den einzelnen Vierteln abgesondert ohne Zweifel der Zweck der Nutz- 
barmachung für den Handgebrauch zu Grunde. Doch sind die hier besprochenen 


26 F. Simony. J. Feil. 


Viertel-Karten nieht mit den in etwas kleinerem Maasstabe ausgeführten zu ver- 
wechseln, welche jedem Viertel der unterösterreichischen Topographie vorge- 
bunden, und auf denen die Lage der Orte in weit überwiegender Mehrzahl nur 
durch kleinere Nullen angedeutet ist. Auf den hier in Rede stehenden Viertel- 
Kärtehen zeigen sich bei jedem einzelnen Viertel die Titelinschriften: Das in 
dem Erztherzogthumb Vnter - Österreich — Erstes — Andertes — Drittes — 
Viertes — Viertel unter — ob — Wiennerwald , vnter — ob Mannhartsberg. 
Auch findet sich auf jedem Blatte in einem kleineren Kranz eine Annotatio Vnd 
Erklerung der Zeichen. 

b) Wien’s Umgebungen, 1734, zuHomann’s grösserem Atlas. Das Blatt 
ist innerhalb der innersten Einrahmung 20 Z. 10 L. breit, 17 Z. SL. hoch. 
Ueberschrift: Chorographia VI milliarium Regionis circa Vrbem Viennam 
Austriacam deprompta ex mappa majoriVischeriana, et ad praesentem statum, 
uti Dominium minus eminens A. 1734 se habebat, accomodata per Homannia- 
nos Heredes. 4. 1748. 

e) Wien's Umgebungen, herausgegeben vom kais. Geographen Matthäus 
Seutter, in der innersten Einrahmung 19 Z. 10 L. breit, 16 Z. 2 L. hoch, 
mit der Ueberschrift: Typus Choro-Topographicus Caesareae sedis et totius 
germaniae celeberrimae urbis Viennae Austriacae cum circum jacentibus Terri- 
torii Oppidis, Coenobüs, Pagis, Villis designatus per Muttaeum Seutter, Saer. 
Caes. et Regiae Cathol. Majest. Geogr. 

d) Im Homann'schen grossen Atlas (vgl. auch Blumenbach's Landesk. 
v. Oest. u. d. E. 1, 19). 

1. Unterösterrreich; in der innersten Einrahmung 21 Z.5L. hreit, 172. 
11 L. hoch; Titelschrift: Archiducatus Austriae inferioris. In omnes suas qua- 
drantes Ditiones divisi Nova et ewacta Tabula & conatibus Io. Baptistae Ho- 
manni Noribergae (1748). 

2. Oberösterreich; 17 Z. 10 L. hoch, 21 Z. 6 L. breit. Titel: Archi- 
ducatvs Avstriae superioris in suas Quadrantes Ditiones ewacte divisi accura- 
tissima Tabula ex amplissima Rev. Dn. Georg Matth. Vischer Sac. Caes. May. 
(Leopoldi Glor”"® Mem.) Geographi desumpta et exhibita ü Ioh. Baptista Ho- 
manno Noribergae, Cum Privilegio Sac. Caes. May. 

3. Steiermark; 17 Z. 10 L. hoch, 20 Z. 8 L. breit. Titelschrift: Dvca- 
tus Stiriae novissima tabula ex ampliori mappa olim R. D“ Georgii Matth. 
Vischer S. C. M. Leopoldi I. Glor‘‘”* Mem’® Geographi deducta et in hae uti- 
liore forma Curiosorum oculis exhibita & Ioh. Bapt. Homanno Noribergae. 

e) Im Seutter'schen grossen Atlas: 

1. Unterösterreich; 21 Z.5L. breit, 21 Z. 3 L. hoch. Aufschrift: 
Archiducatus Austriae Inferioris aceuratissima tabula Cujus ditiones in suos 
Quadrantes designatae edita opera et Studio M. Sevtt. Ch. Aug. 

2. Oberösterreich: 17Z. SL. breit, 21 Z. 8 L. hoch. Aufschrift: 
Nova mappa Archiducatus Austriae superioris Ditiones in suos quadrantes divi- 
sas conspectui sistens juxta recentissimas observation. adornata Studio et manu 
Matthaei Seutter S. C. M. G. Augus., weiter unten eine besondere Version des 
bekannten A. E. I. ©. U., nämlich: Austriae Erit Incrementum Optabile 
Universis. 

3. Steiermark; 20 Z. 9L. breit, 17 Z. 10 L. hoch. Titelinschrift : 
Stiria Ducatus juxta recentissima observationes et accuratissimas mappas 
commoda hac forma aeri insculptus et usui publice destinatus per Matth. Seut- 
ter S. ©. M. Geogr. Aug. Vind. 


Leben und Wirken des Geographen G. M. Vischer. 27 


B. Ueber das Leben und Wirken Vischer's. 


Ein Mann, der im unglaublich kurzen Zeitraume von kaum zehn Jahren drei 
Provinzen mit einem Gesammtflächenraume von nahe an tausend Quadratmeilen 
mappirt und jede bedeutendere Oertlichkeit in der Vogelperspective eingezeich- 
net, der nebstdem nahe an dreizehnhundert grössere sehr genaue Zeich- 
nungen von beinahe allen denkwürdigeren Burgen, Schlössern, Ruinen, Klöstern, 
Kirchen, Städten, Märkten, Dörfern und Herrensitzen in eben diesen Provinzen 
mit grosser Sorgfalt aufgenommen und durch den Kupferstich, wie eine, nun 
schon bald zweihundert Jahre alte Daguerreotype jener drei Provinzen der 
Nachwelt überliefert hat, zum grossen Glücke eben noch wenige Jahre früher, 
bevor der letzte Verwüstungseinfall der osmanischen Barbaren (1683) hunderte 
der von ihm dargestellten Orte niedergebrannt, die bei weitem grösste Zahl der 
Burgen und Schlösser in Ruinen verwandelt hatte, ohne je wieder aus diesen zu 
erstehen; — ein Mann, der dieses alles nur mit karger, zumeist unergiebiger Geld- 
Unterstützung, bloss mit eigener Kraft und eigenem eisernen Willen, ohne überall 
freundlicher Ermunterung begegnet zu sein, oft kaum mit der Hoffnung auf Ver- 
gütung der wirklich aufgewendeten Kosten, vielweniger auf ebenmässige Entloh- 
nung der künstlerischen Bemühung, aus reiner uneigennütziger Liebe zur guten 
Sache unternommen und, gegenüber vielfältigen natürlichen, leider aber auch 
demüthigenden und kränkenden, künstlichen Hinderungen mit der beharrlichsten 
Ausdauer allein ausgeführt hat; — ein Mann, der in seinen, wie an Umfang so 
an intensiver Treue wahrhaft staunenswerthen bildlichen Darstellungen drei Kron- 
ländern eine unschätzbare Fundgrube für deren ältere Topographie zurückliess, 
ohne welche die dadurch nun gebotene Kenntniss der Vergangenheit dieser Pro- 
vinzen, zumal in der Eigenthümlichkeit der Bauweisen an Kirchen, Klöstern, vor- 
nehmlich aber an den, damals noch zum grössten Theile wohlerhaltenen Burgen 
und Schlössern für immer unwiderbringlich verloren wäre, — ein Mann, der zu 
jener Zeit, mit dem Gebrauche so unvollkommener Mittel, ja selbst bei der da- 
maligen Unsicherheit für einzelne Reisende, in kaum einem Decennium mehr 
geleistet hat, als unter allen Förderungen der gereiften Neuzeit die vereinten Be- 
mühungen mehrerer, selbst werkthätiger Landesvereine in weit längerer Zeit 
kaum zu Stande bringen dürften, — ein soleher Mann der Kraft und That, wie 
Georg Vischer es gewesen, verdient es wohl, dass seinem reichen Wirken von 
einer dankbaren Nachwelt aus halber Vergessenheit ein sorgsameres Angenmerk 
zugewendet werde. 

Kaum glaublich erscheint es fast, dass über die Lebensumstände dieses 
Mannes bis zum Jahre 1834 soviel als nichts bekannt war, nieht mehr nämlich, 
als was aus zufälligen Beisätzen in seinen Werken selbst entnommen werden 
konnte, nämlich, dass es ein geborner Tiroler, Priester und später ständischer 
Geograph war. Ueber die Zeit seiner Geburt und seines Ablebens, sowie dar- 
über, unter welcher Aegide, mit weleher Förderung oder Unterstützung er die 
Aufnahme und Vervielfältigung seiner Karten und Topographien zu Stande brachte, 
war bis dahin nicht das Geringste bekannt, und die im Jahre 1830 von einem 
der wärmsten Förderer unserer Vaterlandskunde, Jos. Scheiger, ergangene 
dringende Aufforderung, um Mittheilung von Daten zur Lebensgeschichte Vi- 
scher's hatte, wie erwähnt, nur von einer einzigen Seite her im Jahre 1834 
stoflhältige Erwiederung gefunden, durch Wartinger's Auszüge aus den be- 
züglichen Aufschreibungen im steiermärkischen ständischen Archiv, welche Mit- 
theilungen, wenn auch nur kurz abgefasst und auf eine einzige Richtung der Lei- 
stungen Vischer’s, nämlich auf die Anfertigung der Karte und Topographie von 


28 F, Simony. J. Feil. 


Steiermark Bezug nehmend, seit nun mehr als zwanzig Jahren die einzige Quelle 
für die biographischen Angaben in Werken bildeten, die ihrer Tendenz nach den 
Namen und die Leistungen unseres fleissigen Vischer nicht umgehen konnten. 
Aber auch diese bisher einzigen stichhaltigen Angaben wurden in sonst verdienst- 
lichen ausländischen Werken völlig übersehen, und wo etwa gar aus den dürftigen 
Angaben, die aus Vischer's Werken selbst geschöpft werden konnten, der Ver- 
such gemacht wurde, neue Folgerungen für einen Lebensabriss Vischer's zu 
ziehen, da zeigte sich quot loca — tot graves errores. 

Solehe Wahrnehmungen mussten einem, von wärmstem Antheile für die 
Kunde yaterländischer Geschichte und Topographie durchdrungenen Streben den 
Sporn bieten, den Versuch mit rüstigem Eifer von neuem wieder aufzunehmen, über 
dieLebensumstände undWirksamkeiteines sohochverdienten Mannes, der denEhren- 
platz desAhnherrn der vaterländischenTopographie mit unbestrittenem 
Ruhme für immerdar behaupten wird, wo möglich, neues Licht zu gewinnen. 

Viseher wurde am 22. April 1628 zu Wenns in Tirol, im Oberinnthal, 
2/, Stunden von Imst entfernt, geboren. Sein Vater, ohne Zweifel ein vielleicht 
etwas bemittelter Bauer, hiess Mathias, seine Mutter Margaretha, geborne An- 
derer. Am 22. April des gedachten Jahres, welcher Tag — bei der Strenge 
womit in Tirol darauf bestanden wird, dass die Taufe noch am Tage der Geburt 
vorgenommen werde, — ohne Zweifel als der Tag der Geburt ünseres Vischer 
zu gelten hat, wurde der heilige Act der Taufe des Neugebornen durch den da- 
maligen Pfarrer von Wenns, KarlFrizler, vorgenommen, wobei Blasius Kirch- 
mayer die Pathenstelle übernommen hatte und dem Kinde der Taufname Georg 
beigelegt wurde. 

Ueber dıe Familienverhältnisse unseres Visceher konnte ungeachtet der 
eifrigsten Umfragen an Ort und Stelle nichts bestimmtes erhoben werden. Das 
Taufprotokoll zu Wenns weiset nur noch aus, dass am 6. October 1633 eine 
Schwester unseres G. V. Namens Anna geboren wurde, zu jener Zeit also we- 
nigstens beide Eltern noch am Leben gewesen sein dürften. Da die Bevölkerung 
des Geburtsortes unseres Vischer, damals wie jetzt, auf den Bauernstand be- 
schränkt war, so kann über den eigentlichen Stand seines Vaters wohl kein Zweifel 
bestehen. Ob dieser aber etwa nebst seinen bäuerlichen Verrichtungen noch eine 
andere, das Zeichnen als Mittel bedingende Fertigkeit ausübte, ist nun wohl nicht 
mehr zu erheben, so wünschenswerth es auch wäre zu erfahren, in welchem Ab- 
schnitte seiner Vorbildung und durch welche Anregung unser Vischer dazu kam, 
die seinem später gewählten geistlichen Berufe ferner liegende Zeichenfertig- 
keit sich anzueignen. Wenn auch in Bezug auf die Jugendperiode V.'s, nament- 
lich hinsichtlich seines Bildungsganges, ungeachtet der emsigsten Anfragen an 
allen jenen Orten, wo die Verhältnisse auch nur zu einer fernen Aussicht auf be- 
stimmte Auskünfte berechtigten, nichts erhoben werden konnte, so muss doch 
aus der späteren Standeswahl V.'s jedenfalls darauf gefolgert werden, dass er, 
entweder an einer geistlichen Bildungsanstalt oder an einer katholischen deut- 
schen Universität, die theologischen Studien zurückgelegt habe. An welchen 
Lehranstalten er seinen Vorbereitungsunterricht und die höheren Studien absol- 
virte, konnte bis nun leider nieht erforscht werden. 

Ungefähr im Jahre 1652, wo V. das 24. Lebensjahr erreicht hatte, dürfte 
er seine theologischen Studien zurückgelegt haben, und, wenigstens nicht lange 
darnach, zum Priester geweiht worden sein. Seine priesterlichen Funetionen trat 
er im Sprengel des Passauer Bisthums, und zwar zunächst im Bereiche des da- 
maligen Churfürstenthums Baiern an. Die nächste sichere Aufzeichnung über 
seinen weiteren Lebensverlauf zeigt ihn uns als Caplan zu Andrichsfurt im da- 


Leben und Wirken des Geographen G. M, Vischer. 29 


mals bairischen Landgerichte Scherding, in dem (seit 1770 österreichischen) 
sogenannten Innviertel. In dieser Eigenschaft, die er etwa mehrere Jahre schon 
bekleidet haben mochte, bewarb er sich im J. 1666 um die eben erledigte Pfar- 
rerstelle zu Leonstein in Oberösterreich, welehe ihm auch durch den damaligen 
Patron der Pfarre, Georg Sigmund Grafen von Salburg ete. ete., verliehen wurde. 

Wir möchten unserem neuen Pfarrherrn nicht gerne unrecht thun, aber 
die Vermuthung liegt nahe, dass er sich um die Pfarre Leonstein nicht zunächst 
ausschliesslich wegen der Wichtigkeit des dort zu entwickelnden Seelsorger-Be- 
rufes beworben hatte, sondern dass dieser Bewerbung vielmehr die Hoffnung zu 
Grunde lag, hier im Bereiche seiner nächsten topographischen Arbeiten mit ziem- 
licher Musse seiner, schon längerher gehegten Lieblingsneigung für Landesver- 
messung und landschaftliche Aufnahmen, nachgehen zu können, wobei er schon 
im vorhinein zunächst die Anfertigung einer Karte des Landes ob der Enns im 
Auge hatte. Die Zustandebringung einer solchen war wohl schon vor fünfzig 
Jahren dem berühmten Mathematiker und Astronomen Johann Kepler zugemu- 
thet worden, jedoch weder durch ihn selbst, noch auch unter seiner blossen Lei- 
tung *) zu Stande gekommen. Schon als Benefieiat zu Andriehsfurt mochte unser 
V. diese seine, sicherlich nur geringeren Zeit- und Mühe- Aufwand bedin- 
gende Stellung zu beharrlichem praktischen Betriebe mathematischer , vornehm- 
lich geometrischer Aufnahmen, dann zur Einübung der wahrscheinlich schon frü- 
her erworbenen Zeichenfertigkeit in der Anwendung auf landschaftliche Gegen- 
stände benützt haben. Offenbar zeigte er aber für treue Wiedergabe von archi- 
tektonischen Objeeten, namentlich Schlössern, Burgen, Klöstern, Kirchen, mehr 
Geschick und Vorliebe, als für rein landschaftliche Aufnahmen; wie er denn über- 
haupt seinem Vorbilde Mathias Merian an eigentlich künstlerischer Befähigung 
bei weitem nachsteht. Indessen soll weder das Talent noch der eiserne Fleiss 
unseres Vischer durch den Vergleich mit Merian unterschätzt werden, wenn 
auch bei der, ohne Zweifel von den wahrhaft staunenswerthen Leistungen des 
letzteren an jenen ergangenen Anregung zu ähnlicher Bethätigung, ein Entgegen- 
halt der Werke beider nieht umgangen werden konnte. 


°) Augustin Hirschvogel war der erste, der 1542 eine Karte von Oberösterreich 
verfasste, die 1583 zu Antdorff erschien. Allein schon früher, 1561 wenn nicht an- 
gefertiget, doch in die Oeffentlichkeit gelangt, war eine Karte von Ober- und Unter- 
österreich erschienen, vom bekannten Dr. Wolfgang Laz. Allein bei dem ungenü- 
genden Maassstabe und den auffälligen Gebrechen konnte dieser dürftige geographi- 
sche Behelf längerhin nieht genügen, und die Stände des Landes ob der Enns hat- 
ten den berühmten Mathematiker und Astronomen Johann Kepler, welcher ihnen im 
Juni 1611 seine Dienste angeboten, für die Anfertigung einer neuen Landesmappe 
gewonnen. Ihn scheint aber die zugleich anempfohlene Beendigung der berühmten 
Rudolphinischen (astronomischen) Tafeln mehr als jene erstere Aufgabe angezogen und 
beschäftigetzu haben. Laut seiner hierüber unterm 20. Mai 1616 abgegebenen Aeusserung 
hätte er sich gar zu gerne bloss auf eine Verbesserung der älteren Karten eingelassen. 
Er meinte, diess liesse sich auch ohne besondere Bereisungen zu Hause ausführen, 
es genüge, wenn er nur die botten und baurn oder jedes orts Inwohner allhie auss- 
fraye, denn also seind die maiste mappen biss dato gemacht worden. (!) Bei so auf- 
fälliger Unlust und Widerharrigkeit fanden sich, unter Klagen über dessen Saum- 
seligkeit, endlich die o. d. e. Stände (Verordneten-Patent vom 25. Mai 1617) be- 
stimmt, die einhellig beschlossene fürderlichste Ausführung einer verlässlichen Mappe 
des Landes ob der Enns dem ständischen Ingenieur Israel Holzwurmb zu über- 
tragen, wobei dieser die führnehmsten Gebürg, Flüsse, Städte, Schlösser, Flecken und 
andere Ort, wie sie eigentlich gelegen, alles Fleisses besehen und darüber einen Ab- 
riss (Zeichnung) der Mappe verfertigen sollte. Als aber Holzwurmb kurz darauf 
(15. Juni1617) gestorben war, übernahm es Abraham Holzwurmb, Bruder des ver- 
storbenen Israel, eine solche Landeharta anzufertigen, welehe auch zur Oeffentlich- 
keit gelangte. 


30 F, Simony, J. Feil. 


Noch während seines Aufenthaltes zu Andrichsfurt, am 17. Mai 1666, hatte 
nämlich unser Vischer den obderennsischen Ständen das Anerbieten gemacht, 
über das Land ob der Enns eine Karte verfassen zu wollen. Im Zuge der Verhand- 
lung hierüber war ihm, wie erwähnt, (9. Juni 1666) die Pfarre zu Leonstein ver- 
liehen worden. Der Aufenthalt an diesem reizend gelegenen Orte, am Fusse des 
von der Steyer bespülten Geisberges, mochte ihm wohl angenehm gewesen sein; 
wenigstens hat er auf dem Bilde von Leonstein und seiner Umgebung, das sich in 
seiner oberösterreiehischen Topographie befindet, seine pfarrliche Behausung, 
ein ganz stattliches Gebäude mit den ins Viereck gebauten Nebentraeten, mit 
sichtbarer Vorliebe in den Vordergrund gestellt und ausdrücklich als Pfarrhof 
bezeichnet. Ohne Zweifel das erste Stoekwerk enthielt die eigentliche Wohnung 
unseres wackeren Pfarrherrn. Dieser war mit dem obigen Ansuchen wegen der 
oberösterreichischen Landkarte an die ständischen Verordneten gewiesen wor- 
den, welche sofort mit ihm die weitere Unterredung pflegen und darüber Relation 
erstatten sollten. In Folge der weiteren Verhandlung erbot sich Vischer 
unterm 29. April 1667 eine solche Karte auch auf Kupfer zu richten, was auf 
1000 Reichsthaler zu stehen kommen möchte. Allein sehon dem ersten Unterneh- 
men wurde die Bedenklichkeit des Kostenpunetes entgegengestellt, ihm nämlich 
bedeutet, dass die Stände entschlossen seien, dieses Werk, wegen andern zu tra- 
genden grossen Spesen und schweren Nöthen, dermal auf sich beruhen zu lassen, 
Unser Vischer aber, den wir bei jeder Gelegenheit als einen Mann von eisernem 
Willensdrang erkennen, der ein einmal lebendig erfasstes Vorhaben nicht so 
leicht mehr aufgab, liess sich durch diese erste Zurüekweisung nicht abschrecken 
und erneuerte kurz darauf dasselbe Anerbieten. Da er seine topographischen Ar- 
beiten nie aus selbstischen Rücksiehten oder pecuniären Vortheils wegen unter- 
nahm, sondern dabei nur dem lautersten Drange unbesiegbarer Vorliebe und der 
Erkenntniss der Wichtigkeit eines solehen Unternehmens folgte, so dürfte er ge- 
wiss auch bei diesem Anlasse den bedenklichen Kostenpunet auf die uneigennüt- 
zigste Weise behandelt haben; denn es verging kaum ein Monat, so überreichte 
V. (am 7. Mai 1667) als Pfarrer zu Leonstein ein Memoriale, worin er behufs 
der Ausführung dieser Karte um die Ausfolgung eines, sein Unternehmen för- 
derlichen Patentes bat. In diesem Gesuche heisst es: 

„Weil die Herrn Ausschüsse und Verordneten beliebt haben, eine Mappa 
über das Erzherzogthum Oesterr. o. d. E, machen zu lassen und er selbige mit 
nächsten Tagen anfangen will, so sei es nöthig, dass ihm ein Patent ertheilt 
werde, um dieses Vorhaben den Pflegern und Beamten bekannt zu geben, damit 
er, kraft dieses Patentes, nicht allein ungehindert passieren könne, sondern auch 
mit Anleitung der Amtleute auf alle Orte und Flüsse geführt und über die Namen 
derselben berichtet werde.“ 

Somit ist dargethan, dass V., gewiss nach kurzer, weil schon seit längerher 
sorgsam erwogener Vorbereitung hierzu, bereits den Sommer des Jahres 1667 
zur Mappirung des Landes ob der Enns benützte. Ueber die Art seines Vorganges 
hierbei ist nirgends etwas Näheres aufgezeichnet. Die Betrachtung jener Zeit- 
verhältnisse überhaupt und der von ihm gelieferten Karten selbst, bieten hier- 
über den alleinigen Anhaltspunet. 

Auf der niederösterreichischen Karte Viseher's sehen wir einen Apparat 
abgebildet, welcher, mit Ausnahme des mit weissem Papier überzogenen Tisch- 
brettes, völlig dem um 1611 erfundenen, sogenannten Prätorianischen Messtisch 
gleicht. An der auf dem dreifüssigen Stativ befestigten gleichseitig-viereckigen 
Tischplatte zeigt sich aber hier in der, ohne Zweifel mit einer Glasscheibe be- 
deckten, zirkelrunden Vertiefung die Magnetnadel, und am Rande des Kreises, 


Leben und Wirken des Geographen 6. M, Vischer, 31 


welchen diese umläuft, der 360theilige Gradmesser, also der unter dem Namen 
Boussole bekannte Compass. Darüber liegt das mit zwei Dioptern versehene 
Lineal, in dessen Mitte eine Erhöhung sichtbar ist, welehe wahrscheinlich eine, 
zu jener Zeit durch den scharfsinnigen Niederländer Christian Huygens (1629 
— 1695) erfundene Wasserwage mit der Luftblase zur Bestimmung der horizon- 
talen Lage enthält. Die auf dem Boden liegenden Messinstrumente, nämlich der 
Stangenzirkel, Gradbogen und die Messkette, deuten auf den damals immerhin 
noch kärglichen Umfang geometrischer Hilfsmittel hin. Aber auch zur Vornahme 
von Vermessungen mit diesen war die Mitwirkung von mindestens noch einem 
zweiten Individuum nöthig. Und so zeigt in der That die hier in's Auge gefasste 
Gruppe unseren Vischer mit seinem Begleiter, nebst zwei mit Pistolen armirten 
Reitpferden und einem Packpferde, wie denn auch die beiden Reisenden mit Reit- 
stiefeln und Sporen versehen, und an ihren bis über das Knie reichenden Röcken 
zur Bequemlichkeit beim Reiten die Eeksäume nach aussen aufgeschlagen und 
zusammengehäftelt sind. Wenn erwogen wird, dass noch 1741, als Doppel- 
mayr seinen grossen Himmelsatlas herausgab, im Ganzen erst für 139 Orte die 
geographische Länge und Breite astronomisch bestimmt war, und dass die An- 
wendung des trigonometrischen Netzes für richtige Kartenzeiehnung erst 1681 
durch Picard beim berühmten französischen Minister Colbert angeregt worden, 
und bei den grossen Cassinischen Karten am Ende des XVII. Jahrhunderts 
zuerst in Anwendung gekommen war; wenn ferner die Kürze der von Vischer 
zur Aufnahme der oberösterreichischen Karte verwendeten Zeit, die Unzuläng- 
lichkeit der damals überhaupt verfügbar gewesenen geometrischen Hilfsmittel und 
der gänzliche Mangel anderweitiger wissenschaftlicher Förderlichkeit zu Gunsten 
der durch ihn vorgenommenen Vermessung ins Auge gefasst wird, so dürfen die 
nicht wegzuläugnenden erheblichen Gebrechen, an denen die Terrainzeiehnung 
auf den Vischer’schen Karten leidet, nieht nur nicht befremden, es muss viel- 
mehr unter solchen Verhältnissen den Leistungen unseres wackeren Feldmessers 
die grösste Anerkennung gezollt und das Ergebniss seiner staunenswerthen Bemü- 
hungen wirklich bewundert werden, mit denen er zu jener Zeit und mit sol- 
chen Mitteln in wenigen Jahren die Karten von drei Kronländern zu Stande zu 
bringen vermochte, die weit über ein Jahrhundert hinaus für eben diese Länder 
von keinen besseren verdrängt wurden, vielmehr bis gegen den Ausgang des 
vorigen Jahrhunderts den Reduetionen aller später erschienenen, insbesondere 
iz den gerühmten Homann’schen Karten derselben Landstriche zu Grunde 
agen. 

Was die Ausführung der Karte anbelangt, so wurde bei der Zeichnung der 
Berge die Vogelperspeetive angewendet, welche, noch bis auf Peter Anich's 
treflliche Karte von Tirol (1766, erschienen 1774) allgemein verbreitete Manier 
damals allein eingehalten, und die nun mit so entschiedenem Vorzuge angewen- 
dete Bergschraffirung, welche erst seit dem Beginne dieses Jahrhunderts zu all- 
gemeiner Anwendung gelangte, zu jener Zeit noch völlig unbekannt war. Dass 
Vischer auch alle grösseren Orte, wenn auch im übertriebenen Maasstabe, eben- 
falls & vue d’oiseau aufnahm und einzeichnete, verleiht aber eben seinen Karten 
für die historische Topographie den grössten und bleibenden Werth, worüber die 
Gebrechen in der Terrainzeichnung gerne übersehen werden. 

Was endlich die allgemeinen Zustände im Lande ob der Enns zur Zeit be- 
trifft, als Vischer an die Vermessung desselben ging, so war eben damals in 
diesen Gebietstheilen nach den tiefen Erschütterungen, namentlich zur Zeit des 
letzten Verlaufes des dreissigjährigen Krieges, einige Zeit der Erholung von den 
tiefen Schlägen eingetreten. Zwar hatte die Türkengefahr das Land von Neuem 


23 F, Simony. J. Feil. 


allarmirt und wurde zuerst der dreissigste, dann sogar der fünfte Mann der wehr- 
haften Bevölkerung aufgeboten, sowie die Ennsgrenze durch eine Reihe von 
Schanzen verwahrt; allein Monteeueeoli's glänzender Sieg bei St. Gotthard 
(1. August 1664) hatte die Türkengefahr bis zum Jahre 1683 glücklich abge- 
wendet, und das Ländehen ob der Enns genoss durch nahe an zwei Decennien 
(1665— 1683) allenthalben ungetrübter Ruhe und blieb selbst von der in Nie- 
derösterreich und Böhmen (1679—1680) heftig grassirenden Pest verschont. In 
diesem günstigen Zwischenraume hatte nın Vischer, wie erwähnt, den Sommer 
des Jahres 1667 zur Mappirung des Landes benützt. 

So war denn dieser an das grosse Werk gegangen, dessen beabsichtigte 
Ausführung ihn gewiss schon längerher mit reiflichen Erwägungen über die Art 
der Aufnahme, sowie mit Plänen über die Deckung des hierzu erforderlichen 
Kostenaufwandes und über die Möglichkeit einer Vereinbarung der dafür nöthigen 
Zeitopfer mit den Forderungen seines seelsorgerlichen Berufes, endlich alle Be- 
denken überwältigend, beschäftiget hatte. Sein Fleiss muss, nach dem Erfolge 
zu urtheilen, in der That rastlos gewesen sein, denn schon am 21. Februar 1668 
übergab er die vollendete Landkarte (Mappa) den Ständen, indem er zugleich 
um eine Ergötzlichkeit wegen der dabei gehabten mühseligen Reisen bat. Dieser 
Fleiss ist um so staunenswerther, als Viseher nebst der Mappirung zugleich die 
Zeichnungen aller wiehtigeren Oertlichkeiten, und zwar schon zum grössten 
Theile so aufgenommen hatte, wie sie später in seiner oberösterreichischen To- 
pographie erschienen sind. Es darf hierbei nicht übersehen werden, dass 
Viseher nicht nur sämmtliche Oertlichkeiten von nur irgend einer Bedeutung 
vorerst zur Einzeichnung in die Karte, in der Ansicht, wie sie sich von Süd nach 
Norden zeigen, zeichnen, sodann aber die Zeichnung derselben Objeete für die 
Topographie zugleich von jener Seite her aufnehmen musste, wo sie sich eben 
am malerischesten oder in der besten Ausdehnung und Uebersicht darstellen, dass 
somit für unseren Geographen die Nothwendigkeit geboten war, die meisten Orte 
gleichzeitig von zwei Seiten abzuzeiehnen; wobei es sich von selbst versteht, 
dass die Originalzeicehnungen der Oertlichkeiten zur Eintragung in die Karte, an 
Ort und Stelle in grösserem Maassstabe ausgeführt werden mussten, als in wel- 
chem sie dann auf der Karte, wenn auch hier auf eine uns nur willkommene Weise 
in verhältnissmässig übertriebener Grösse eingezeichnet wurden. 

Ohne Zweifel diese Detailzeichnungen, und zum grossen Theile die später 
für die Topographie benützten Aufnahmen waren es, welche Vischer, als spre- 
chende Beweise seiner Fortschritte in der Arbeit dem ständischen Rathe in zwei 
Büchern übergeben hatte, um deren Rückstellung sowie um eine angemessene 
Abschlagszahlung für seine unter Handen habende Arbeit er unterm 16. Jänner 
1668 bat, worauf ihm nicht nur seine zwei Bücher aus der Rathsstube, sondern 
auch aus dem Einnehmeramte abermals 150 Gulden auf Abschlag erfolgt wur- 
den. Hieraus darf mit Sicherheit gefolgert werden, dass die ständische Subven- 
tion zur Aufnahme der oberösterreichischen Karte im Ganzen nur 300 fl. be- 
trug, welche, wie sich später zeigt, durch die Ablieferung einer diesen Werth 
ersetzenden Anzahl von Exemplaren derKarte abgetragen werden sollten. Ob und 
in welchem Betrage unserem Vischer überdiess eine Ergötzlichkeit bewilliget 
wurde, ist nicht aufgezeichnet. Denn sein bereits erwähntes diessfälliges Ansu- 
chen vom 21. Februar 1668, worin er sich zugleich erboten hatte, für den Fall, 
als die Stände die Karte in Kupfer stechen zu lassen belieben sollten, selbst nach 
Augsburg zu reisen und die Bestellung zu machen, wurde dahin beschieden, 
dass die Verordneten mit dem Bittsteller auf ein anständiges Ende tractieren 
wollten. Die Unterhandiung dürfte wenigstens in Bezug auf den Kupferstich der 


Leben und Wirken des Geographen @. M, Vischer, 33 


Karte zu einem, beiden Theilen zusagenden Ergebnisse geführt haben, denn die 
Karte wurde in der That zu Augsburg durch den Kupferstecher Melchior Küsel 
ausgeführt. 

Allein von nun an erheben sich, sowohl in Bezug auf die Geldmittel zur 
Hinausgabe der Karte, als auch mit Rücksicht auf die pfarrämtliche Verpflichtung 
unseres Geographen, mannigfache Schwierigkeiten und Unsicherheiten. 

Auf seine unterm 25. August 1668 an die Stände gerichtete Bitte, ihm zur 
vollstündigen Zusammenrichtung der Landkarte und der zugehörigen Bücher 
— YV. scheint also die Topographie gewissermassen als ein die Karte erläutern- 
des Supplement betrachtet zu haben — 300 Thaler darleihen zu wollen, wurde 
ihm vorerst bedeutet, dass dieses zu bewilligen nicht in der Macht der Verord- 
neten stehe, und erst über die am 28. August erneuerte Bitte, wurde derselben 
Tags darauf durch einen Ständebeschluss willfahrt. Zur Verfertigung, also ohne 
Zweifel zum Abdrucke der Karte, wurden ihm zwar, über sein Ansuchen vom 24. 
Nov. 1668, vier Riss Median-Papier erfolgt; allein seiner kurz darauf, 20. De- 
zember, gestellten Bitte um die vertröstete Recompens von 200 Reichsthalern 
wegen der verfertigten Landkarte wurde damals keine Folge gegeben, und wahr- 
scheinlich erst über neuerliches Einschreiten am 15. Jänner 1669 dem Georg 
Vischer, gewesten Pfarrer zu Leonstein, bedeutet, er soll sich in dem Ein- 
nehmeramte ordentlich verraiten (verrechnen), dann werde weiterer Bescheid 
folgen. 

Die Pfarrbücher zu Leonstein liefern den Beweis, dass Vischer nur in 
den Wintermonaten sein Pfarramt persönlich versah, in den Sommermonaten 
aber, jedoch mit Vorwissen und Erlaubniss des Passauer Ordinariates, sich mit 
seinen topographischen Arbeiten beschäftigte. Damit scheint jedoch der Pfarr- 
patron und Herrschaftsbesitzer von Leonstein, der nachmalige Hofkammer-Prä- 
sident Gotthard Heinrich Graf von Salburg (+ 1707) nicht einverstanden gewe- 
sen zu sein; denn in einem noch vorhandenen Briefe Vischer's vom Jahre 
1669 (wahrscheinlich vom Anfang dieses Jahres) an den Grafen entschuldigt 
sich jener über seine lange Abwesenheit von der Pfarrei und zeigt zugleich seine 
Resignation auf diesen Posten an, die, wie der Erfolg zeigt, auch angenommen 
wurde. e 

Hier war nun im Leben unseres Viseher ein wichtiger Abschnitt einge- 
treten. Er hatte bereits das 40. Lebensjahr zurückgelegt und gelangte nun erst 
zur Ueberzeugung, dass er durch die Wahl des geistlichen Standes, wobei etwa 
schon ursprünglich fremder Einfluss massgebend sein mochte, eine nach Nei- 
gung und natürlichen Anlagen offenbar verfehlte Berufsbahn eingeschlagen hatte. 
Während nämlich sein Stand strenge Unterordnung des Willens und inneren 
Dranges unter die Forderungen eines ernsten und wichtigen Berufes, und dess- 
wegen vor allem Stetigkeit im Aufenthalte und völlige Identifieirung mit den reli- 
giösen Bedürfnissen seiner Pfarrgemeinde bedingte, sehen wir ihn, schon wegen 
der oftmaligen und längeren Abwesenheit vom Standorte seines Berufes, diesem 
allmälig mehr entfremdet, und rastlos ein, an sich wohl würdiges, doch mit 
seinen unmittelbaren Berufspflichten nur schwer vereinbares Ziel verfolgen, bei 
dessen Erringung der bereits zum Manne herangereifte Sohn der Berge überdiess 
die unerfreuliche Wahrnehmung machen musste, wie seine sanguinischen Hoff- 
nungen auf allgemeinere Theilnahme und wirksamere Unterstützung seines rühm- 
lichen Unternehmens eben von Seite jener Körperschaft, auf deren Förderlichkeit 
er gewiss zunächst gerechnet hatte, in der Wirklichkeit zum grossen Theile ent- 
täuscht wurden. Durch die gewiss nicht billigend aufgenommene Vernachlässi- 
gung seines Pfarramtes endlich zur freiwilligen Verzichtleistung auf die Pfründe 

Mittheilungen der k, k. geogr, Gesellschaft, II, Bd. 1. Heft, c 


34 F, Simony. J. Feil, 


genöthiget, und unwiderstehlich seiner , bei klarer Erkenntniss der Wichtigkeit 
des Unternehmens, aber auch des geringen Lohnes für rastlos aufgewendete 
Mühen, gewiss lauteren Neigung für geometrische und topographische Arbeiten 
folgend, hatte er, wohl nicht ohne inneren Kampf, endlich durch den Eintritt in 
einen weltlichen Beschäftigungskreis, soweit dieses mit bestimmten Satzungen und 
seinem Gewissen nur immer vereinbar gewesen, zwischen sich und seinem 
ursprünglichen seelsorglichen Berufe in seinen Forderungen voller Strenge die 
Brücke abgerissen. Wie gross aber auch der Kampf des Individuums gewesen 
sein mochte, Vischer war jedenfalls von der Vorsehung ausersehen, durch 
seine rastlosen und erfolgreichen Bemühungen Werke von unschätzbarem Werthe 
für die geschichtliche Landeskunde zurückzulassen; und es muss den Rathschlüs- 
sen einer höheren Lenkung der Menschengeschicke untergeordnet bleiben, warum 
die Ausführung eines so löblichen Unternehmens hier nur aus einem Confliet mit 
der Berufswahl hervorgehen konnte. 

Hätte Vischer in seiner geistlichen Wirksamkeit auch den strengsten An- 
forderungen genügt, sein Einfluss, wie intensiv er auch immer auf die sittliche 
und religiöse Erhebung seiner Pfarrgemeinde gewesen wäre, hätte doch schwer- 
lich weit über die engen Grenzen seines Sprengels hinausgereicht und sein Name 
wäre — absehend von wohlwollender Erinnerung noch in einer nächsten Gene- 
ration seiner Pfarrkinder — der Nachwelt wohl kaum überliefert worden. Indem 
er aber überwältigendem Drange nach anderweitiger Bethätigung des ihm mitge- 
gebenen Pfundes nachgab, hat er, wenn auch nur mit Hindansetzung seines 
eigentlichen Berufes, Werke geschaffen, welche die dankbare Nachwelt immer- 
dar preisen wird, und deren Abgang eine ungeheure Lücke in der Kenntniss 
unserer heimatlichen Vergangenheit zurückgelassen hätte. Entwürdigt aber, das 
steht fest, hat Vischer die ursprüngliche Berufswahl durch seine topographi- 
schen Arbeiten gewiss nicht, und was uns aus seinen Leistungen an kümmerli- 
chen Haltpuneten zur Erkenntniss seines persönlichen Charakters erübriget, zeugt 
nur rühmlich für diesen. Höchst achtbare Züge echten Manneswerthes nämlich, 
wie rüstige Thätigkeit und eine jedes äussere Hinderniss überwältigende Beharr- 
lichkeit, festwurzelnde, weil auf intensiver Kenntniss beruhende Vaterlandsliebe, 
sind in seinen Leistungen selbst scharf ausgeprägt, und was sich sonst über ihn 
aufgezeichnet findet, spricht durchaus für einen ehrenwerthen, nirgends engher- 
zig nach selbstischen Vortheilen ringenden, offenen und biederen Charakter. 
Furchtlos gegen äussere Gefahren und leutselig muss er jedenfalls gewesen sein, 
sonst hätte er sich schon im Vorhinein nicht zu Arbeiten geneigt finden können, 
deren Förderlichkeit wohl zunächst nur durch einen freundlichen Verkehr mit 
Leuten aus allen Schichten der Bildungsgrade bedingt war. 

Hätte er nicht auch formelle Bildung und Geschick gehabt, mit höherge- 
stellten Personen leicht zu verkehren, so hätte er hinwieder schon von vorneher 
auf ein Unternehmen verzichten müssen, für welches die Mittel zur Veröffentli- 
chung der gewonnenen Ergebnisse wohl nur von einem erweckten Antheile an 
dem Werke in den höheren gesellschaftlichen Kreisen zu erlangen waren. Wenn 
er sich überhaupt dem Adel mehr zugeneigt finden mochte, so hatten gewiss nur 
edle Regungen Antheil daran. Er musste die Geschlechter schätzen, deren Ahnen- 
sitze er im Bild verewigte; und wenn er durch Schule und eigenen Trieb zu 
höherer wissenschaftlicher Ausbildung gelangt war, so mochte er sich gewiss 
auch gerne in Kreisen bewegt haben, wo sich zu dem Adel der Geburt schon in 
jener Zeit nicht selten auch die wahre Aristokratie der Bildung gesellt hatte, der 
unser Vischer allerdings ebenbürtig war. 


Leben und Wirken des Geographen 6. M, Vischer, 35 


Indessen opferte er auch in der Berührung mit solehen Männern niemals 
die bessere Ueberzeugung einer falschen Demuth auf. Wir bringen selbst in die- 
sen Zeilen zahlreiche Belege vor, wie Vischer, wenn er mit irgend einem wohl- 
erwogenen Ansinnen nicht sofort durehzudringen vermochte, auch niemals anstand, 
sein Anliegen mit verstärktem Gewicht der Gründe unverweilt zu erneuern, ohne 
jedoch dabei irgend je das Maass des Ziemlichen zu überschreiten, selbst dann 
nicht, wenn ihm in offenbar kränkender Weise begegnet worden war. 

So finden wir ihn sogleich nach der Vollendung seiner oberösterreichischen 
Landkarte nicht zurückgeschreckt durch die in einzelnen Puncten erfahrene 
geringe Willfährigkeit zur Förderung dieses Werkes, ohne weiteres schon mit 
den Ständen Niederösterreichs wegen Anfertigung einer Karte dieses Landes in 
Verhandlung treten. Gewiss war dieses Unternehmen für unseren Vischer zu- 
nächst von Einfluss bei seinem Entschlusse zur Resignation auf die Pfarre Leon- 
stein. Er nennt sich in einer an die obderennsischen Stände gerichteten Eingabe 
vom 7. Mai 1669 bereits niederösterreichischer Geographus. 

Bevor wir jedoch das Wirken desselben in dieser neuen Stellung weiter 
verfolgen, soll zur Erleichterung der Uebersicht, theilweise dem chronologischen 
Verlaufe vorgreifend, hier zusammengefasst werden, was sich auf die Vollendung 
der Karte und Topographie von Oberösterreich bezieht. Es wurde bereits ange- 
führt, dass die vollendete Zeichnung dieser Karte den niederösterreichischen 
Ständen schon zu Anfang des Jahres 1668 übergeben wurde und Vischer sich 
angeboten hatte, wegen der Vermittlung des Kupferstiches persönlich nach Augs- 
burg zu reisen, Ob dieses letztere geschehen, findet sich leider nicht insbeson- 
dere aufgezeichnet; höchst wahrscheinlich ist es aber wirklich der Fall gewesen, 
denn da im Jahre 1669 der Stich bereits vollendet war, so lässt ebenso die auf- 
fallende Schnelligkeit in der Ausführung von zwölf nett gestochenen Kupfertafeln 
im Zeitraume von kaum einem vollen Jahre, als die durch die Natur der Sache 
gebotene Nothwendigkeit, dass bei einem völlig neuen Werke Zeichner und 
Kupferstecher rücksichtlich der Art der Ausführung unter steter Einsichtnahme 
in die ersten Proben des Stiches für einige Zeit in unmittelbarem Verkehre stan- 
den, um so mehr darauf folgern, dass unser feuereifriger Vischer sich deshalb 
selbst nach Augsburg begab, als die Langsamkeit der damaligen Postverbindung 
unserem auf rasche Vollendung seines ersten grösseren Werkes drängenden 
Chartographen gewiss nicht das ausreichende Mittel darbot. Was sich nach den 
obigen Andeutungen über die Deckung der zur Aufnahme und Ausführung dieser 
Karte erforderlichen Kosten aufgezeichnet findet, zeigt nur, dass Vischer zur 
Aufnahme von den oberösterreichischen Ständen in zwei Abschlagszahlungen zu- 
sammen 300 Gulden erhielt, und dass ihm zur Ausführung des Kupferstiches am 
28. August 1668,200 Thaler dargeliehen wurden, sowie dass die Würdigung sei- 
nes Ansuchens um die zugesicherte Reeompens von 200 Reichsthalern für die 
vollendete Karte von der vorläufigen ordentlichen Verrechnung mit dem ständ. 
Einnehmeramte abhängig erklärt worden war. 

Was die Topographie von Oberösterreich anbelangt, deren Her- 
ausgabe sich bis zum Jahre 1674 verzögerte, so wurde diese für Vischer eine 
Quelle mehrjähriger Unaunehmlichkeiten, zum Theile bitterer Kränkungen und 
Ehrenyerletzungen. Vischer hatte sich wegen der Ausführung dieser Topo- 
graphie in einem mit den oberösterreichischen Ständen unterm 15. Jänner 1669 
abgeschlossenen Vertrage verbindlich gemacht, von den zu Augsburg verfertigten 
geographischen Büchern den Ständen des Landes bis zum Linzer Bartholomai- 
Markt (d. i. August 1669) 60 Exemplare und den Verordneten weiterhin 10 

e * 


36 F. Simony. J. Feil, 


Exemplare insbesondere abliefern zu wollen, wenn ihm 200 Gulden angewiesen 
würden. 

Unterm 7. Mai 1669 bat er um die Anweisung von weiteren 400 fl. gegen 
dem, dass er sich verbindlich mache, vom ausgearbeiteten Werke entweder so 
vieleExemplare oder die Hälfte in barem Gelde wiedererstatten zu wollen, worauf 
ihm die Stände noch an demselben Tage 150 Gulden, gegen dereinstige Ablie- 
ferung von 60 Exemplaren der niederösterreichischen Landkarte und gegen Ein- 
legung eines dieses zusichernden Reverses bewilligten. 

Die weiteren Verhandlungen in Betreff der Topographie von Ober- 
österreich bilden nun leider eine Reihe von kläglichen Beweisstellen für die 
schonungsloseste Behandlung, die unserem ehrlichen Vischer bei dieser Gele- 
genheit zu Theil wurde. Hier prägt sich denn so ganz ungezwungen selbst in 
den höheren Ständen die damalige Anschauungsweise gegenüber von wissenschaft- 
lichen Unternehmungen aus, die eben nur nach der Kategorie der Handwerks- 
arbeit abgeschätzt, mäklerisch entlohnt und rücksichtslos gefordert wurden. Un- 
zugänglich für alle noch so gegründeten und ehrerbietig vorgebrachten Vorstel- 
lungen werden diese mit übersichtiger Leichtfertigkeit als leere Ausflüchte abge- 
than, der durch überzeugende Gründe entschuldigte Aufschub in der zur Vollen- 
dung ursprünglich ausgesetzten Frist als vermessenes, zu abschreckenden Mitteln 
herausforderndes Aufziehen bezeichnet, selbst die persönliche Freiheit des 
schlechthin als vertragsbrüchig erklärten Mannes bedroht, und in der Aufregung 
erhitzter Leidenschaftlichkeit die nackte innere Denkweise so unverholen hloss- 
gelegt, dass dem, wie man voraussetzen sollte, schon durch die Ehrwürdigkeit 
seines Standes gegen solchen Vorgang geschützten Priester ganz ungeschminkt 
gedroht wird, man werde sich von dergleichen Leuten den schuldigen Respect 
schon zu erzwingen wissen! — — 

Aus den zahlreich vorliegenden Verhandlungen ergibt sich, dass der 
Stich der Kupfertafeln zur oberösterreichischen Topographie wohl mindestens 
schon zu Anfang des Jahres 1669 begonnen hatte, da sich V. im Vertrage mit 
den o. ö. Ständen vom 15. Jänner 1669 verbindlich gemacht hatte, das im Stiche 
vollendete Werk bis August 1669 zu überreichen. Zur Ausführung desselben 
hatte er von den Ständen im Ganzen nur 300 fl. in zwei Abschlagszahlungen ge- 
gen dem erhalten, dass er dafür 60 Exemplare derselben abzuliefern habe. Die 
weiters benöthigten Kosten zur Deckung des Stiches hoffte er aus dem Erlös für 
die oberösterreichische Landkarte decken zu können. Der Absatz derselben hatte 
ihm aber, weil die meisten Cavaliere von den an die Stände abgegebenen Exem- 
plaren dieser Karte versehen worden waren, bis März 1670 noch nicht ganz 20 
Reichsthaler eingebracht. Da ihm nun die o. ö. Stände jede weitere Subvention 
hartnäckig verweigerten, so ist es begreiflich, dass der zu Augsburg ausgeführte 
Kupferstich der o. ö. Topographie, da Vischer für jede einzelne Kupferplatte 
dem Stecher 5:/; fl. bezahlen musste, nur äusserst langsam fortschritt, so dass 
zu Anfang des Jahres 1670 wohlschon 138 Stücke ausgeführt, also von den für 
das ganze Werk ursprünglich veranschlagten 218 Bildern damals noch 80 Plat- 
ten ausständig waren, bis 22. Juni 1672 aber, also innerhalb weiterer dritthalb 
Jahre nur noch weitere 20 Stück ausgeführt werden konnten, und die Vollen- 
dung des Stiches der letzten 64 Bilder zu der im Ganzen mit 222 Tafeln abge- 
schlossenen o. ö. Topographie sich bis zum Schlusse des Jahres 1674, also um 
weitere anderthalb Jahre, verzog. Aus den Verhandlungen geht weiter hervor, 
dass die o. ö. Stände einExemplar der oberösterreichischen Karte mit 1 fl. 30kr., 
eines der o. ö. Topographie mit 5 Gulden, und eines von jener für Niederöster- 


Leben und Wirken des Geographen 6. M. Vischer. 37 


reich mit 6 Gulden bezahlten. Vischer hatte die Kosten für die Auflage der 0.6. 
Topographie schon ursprünglich auf 1000 Reichsthaler veranschlagt; er hat da- 
bei ziemlich nahe gerathen, denn der Stich der Kupferplatten, ohne Auslagen 
für Papier und Abdruck, hatte ihm allein mindesten 1200 fl. gekostet. Die stän- 
dische Unterstützung beschränkte sich aber, wie bemerkt, bloss auf die vorge- 
streckten 300 fl. gegen Uebernahme von 60 Exemplaren, jedes derselben zum 
Preise von 5 fl. 

So unerfreulich nun dieser Caleul für unseren strebsamen Vischer auch 
war, so viele Verdriesslichkeiten und schmerzliche Kränkungen er auch bis zur 
Beendigung der Topographie von Oberösterreich erfahren hat, so sehen wir ihn 
doch von seinen einmal aufgenommenen topographischen Arbeiten nicht nur 
nicht zurückgeschreckt und in seinem Feuereifer in keiner Weise erkalten, viel- 
mehr das einmal vorgesteckte Ziel mit unverdrossener Beharrlichkeit verfolgen. 
Nur mochte er aus den bereits gemachten Erfahrungen sich manche Klugheitsre- 
gel zur besseren Sicherung bei seinen künftigen Unternehmungen abgeleitet 
haben. 

Sogleich nach der von ihm vorgenommenen Mappirung des Landes ob 
der Enns finden wir ihn auch schon mit den Ständen Niederösterreichs we- 
gen Anfertigung einer Landkarte und Topographie dieses Landes in Verhand- 
lung treten. 

Wie er wegen der Aufnahme des Landes ob der Enns von Andrichsfurt 
nach Leonstein zu kommen getrachtet hatte, so finden wir ihn nun bei der Auf- 
nahme seiner Arbeiten für Niederösterreich, auf seine Pfarre in Oberösterreich 
verzichten, und bei den niederösterreichischen Ständen, wenn auch ohne fixe 
Anstellung sondern nur als zeitweiliger Functionär, bis zur Beendigung zweier 
besonderer Werke, nämlich der Karte und Topographie des Landes unter der 
Enns, als ständischer Chorograph und Topograph verwendet. Denn auch für 
dieses Land, nicht weniger als für jenes ob der Enns, war vor allem die Anfer- 
tigung einer verlässlicheren Karte, als die bis dahin in die Oeffentlichkeit ge- 
langten, dringendes Bedürfniss geworden, dem zu begegnen wohl schon früher 
einleitende Schritte gemacht worden °), aber bis dahin noch zu keinem Erfolge 


*) Kaiser Maximilian’s I. Leibarzt, Cuspinian (Spiesshammer), war der erste, der 
eine Karte auch über Niederösterreich gezeichnet hat, welche vom bekannten Doctor 
Laz umgearbeitet, in Holz geschnitten, unter Kaiser Ferdinand I. veröffentlicht 
und später durch Joh. Sambucus verbessert wurde. Auch Augustin Hirsvogel 
gab eine solche Karte heraus. Nebstdem hatte aber Laz auch seiner 1561 erschie- 
nenen Chorographie (Typi chorographiei Prouin. Austriae) eine Karte des Erzherzog- 
thums Oesterreich beigefügt, in welcher jedoch die Zeichnung der Oertlichkeiten des 
Landes ob der Enns von Abraham Holzwurm herrührt. Wahrscheinlich hat aber 
Laz nebstdem auch eine besondere Karte von Niederösterreich angefertigt, worauf 
die im Wiener Stadtarchive vorfindige Aufzeichnung, dass Laz am 25. August 1562 
dem Bürgermeister und Rath der Stadt Wien eine neue abconterfectur der N. 0. 
Lannden überreicht hat, hinzudeuten scheint (s. Ber. uw. Mitth. des Alterth.-Ver. in 
Wien. I. 16). 

Allein schon der kleine Maassstab, in dem diese erwähnten Karten ausgeführt 
waren, absehend von den Unrichtigkeiten und von der Unzulängliehkeit in der 
Situation, konnte längerhin nicht genügen. Es traten daher bald nach Lazens Ab- 
leben (+ 19. Juni 1565) die n. ö. Stände wegen der neuen Aufnahme einer Karte 
von Niederösterreich mit dem kaiserl. Mathematiker Med. Dr. Paul Fabrieius in 
Verhandlung. Dass von dem letzteren eine Karte in Arbeit genommen wurde, ist 
en vorliegenden Documenten erwiesen, leider hat sich aber jede Spur davon 
verloren. 


38 T, Simony, J, Feil, 


gelangt waren. Das Anerbieten Vieher’s zu einem solehen Werke musste da- 
her den n. ö. Ständen im hohen Grade willkommen sein. 

Von dieser Seite daher der Wunsch nach endlicher Verwirklichung eines 
bei vorhandenem Bedürfnisse bereits seit langeher gehegten Wunsehes, von 
Seite Vischer’'s nicht minder vorwaltende Neigung, aber auch Ausrüstung mit 
so mancher auf dornigem Wege gemachten Erfahrung, um bei künftigen derarti- 
gen Unternehmungen nicht ein zweites Mal schutzlos der Unbeugsamkeit gegen- 
überstehender rücksichtsloser Forderungen preisgegeben zu sein, hatte ohne 
Zweifel ein genau formulirtes Uebereinkommen über die Bedingungen beider 
eontrahirenden Theile dem Beginne der Arbeit selbst vorangehen lassen. Diese 
Voraussetzung wird zur Gewissheit, wenn wir später, nämlich unterm 31. Jän- 
ner 1671, von den n. ö. Ständen selbst die Anfertigung einer gerechten (d. i. 
passenden, entsprechenden; s. Schmeller, III, 28) und verlässlichen Mappa 
oder Landtafel von Niederösterreich durch den gerühmten und wohlerfahrenen 
Geographum Vischer als ein angedingtes Werk bezeichnet finden. 

Aus dem Verlaufe der nunmehr sowohl bezüglich der Karte als auch der 
Topographie von Niederösterreich zur Sprache kommenden Verhandlungen ergibt 
sich, dass beide Werke auf Kosten der n. ö. Stände ausgeführtwurden, und dass 
unserem Vischer, der also ad actum ständischer Funetionär, wenn gleich nicht 
in bleibender Anstellung war, nicht nur die Kosten seiner Reise und Aufnahmen, 
sowie jene des Kupferstiches vergütet wurden, sondern ihm auch nebstdem für 
seine erfolgreichen Bemühungen eine angemessene remunerative Anerkennung 
(Ergötzlichkeit) in dem nicht unerheblichen Betrage von 1000 fl. zu Theil ge- 
worden ist. So gegen jede Geldverlegenheit zur Aufnahme und ungehinderten 
Fortführung seines Unternehmens gesichert, sehen wir unseren Geographen 
auch frischen Muthes zum Werke schreiten und es ohne Unterbrechung im 
raschen Zuge zu Ende führen, worüber ihn die n. ö. Stände mit warmer Aner- 
kennung rühmten, indem sie ihm das Zeugniss ertheilten, dass er mit der 
Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen auch immer richtig zugehal- 
ten habe. 

Durch ein besonderes Patent der n. ö. Stände zur allgemeinen Förderung 
des Unternehmens empfohlen und entsprechend ausgerüstet ging unser Vischer 
rasch ans neue Werk. Das eben erwähnte Patent, womit das Unternehmen erst 
kundgemacht und zur mögliehsten Förderung desselben aufgefordert wurde, da- 
tirt vom 12. April 1669; und schon mit Schluss desselben Jahres waren nicht 
nur alle vier Viertel des Landes unter der Enns mappirt, sondern auch zur Hälfte 
schon auf Kupfer gestochen, so dass er binnen weiteren drei Vierteljahren auch 
mit der anderen Hälfte zum Abschlusse zu gelangen verhoffte. 

Mag ihm nun immer die vorausgegangene Aufnahme der oberösterreichi- 
schen Karte hierbei einigen Vorschub geleistet haben, da er in diese die Confi- 
nien, so weit es der vorhandene Raum gestattete, bereits eingezeichnet hatte, 
so dass die ans Land ob der Enns grenzenden Partieen von Niederösterreich nun 
nicht mehr neu vermessen und aufgenommen werden durften, so ist es doch 
wahrhaft staunenswerth, wie es unserem rührigen Vischer auch bei völlig un- 
behindertem Fortgange möglich wurde, in kaum drei Vierteljahren, ein so um- 
fangreiches Terrain für seine Karte und zugleich für die Topographie zu bewäl- 
tigen. Freilich darf dabei, wie auch der Erfolg zeigt, auf die Genauigkeit der 
Mappirung nach den dermaligen Anforderungen nicht im entferntesten gedacht, 
und muss namentlich die Bergzeichnung als grösstentheils sehr willkührlich und 
nur äusserst approximativ angenommen werden. 


Leben und Wirken des Geographen 6, M. Vischer, >9 


Kaum war die Topographie von Niederösterreich mit einer Dedieation 
Viseher's vom 22. Jänner 1672 zu Anfang dieses Jahres in die Oeffentlichkeit 
gelangt, so sehen wir schon unsern rastlosen Geographen wieder zu einem neuen 
derartigen Unternehmen, nämlich zur Aufnahme einer Karte und Topo- 
graphie von Steiermark schreiten, wobei er sich durch den Erfolg seiner 
letzten Leistungen bereits der kräftigen Befürwortung der n. ö. Landstände ver- 
sichert hatte. 

Schon unterm 3. März 1672 richteten nämlich die n. ö. Landschaftsver- 
ordneten an die steiermärkischen Stände ein nachdrückliches Empfehlungsschrei- 
ben zu Gunsten Vischer's, nachdem dieser seinen Entschluss schriftlich be- 
kannt gegeben hatte, gleich der für Niederösterreich gelieferten Karte, auch über 
das Herzogthum Steiermark den dortigen Ständen ein ordentliche und verläss- 
liche Mappam oder Landt-Karte zu verfassen, und nachdem Vischer bei den 
steiermärkischen Ständen hierum bereits angesucht und den Bescheid erhalten 
hatte, die Stände wollten sich mit ihm über den Kostenpunct in Verhandlung 
setzen. 

Die n. ö. Stände nun empfahlen denselben dem Landeshauptmann und den 
gesammten Ständen des Herzogthums Steyer um so wärmer, als Er mit dem vber 
dises Erzherzogthumb verfassten format denen löbl. Ständen allhie ein saat- 
sames contentovnd wohlgefallen gelaistet, und dahingegen zu seiner 
Belohnung vermög Contracts 3000 fl. Paar gelts dafür empfangen. 

Eine verlässlichere Karte des Herzogthums Steiermark war nieht minder 
dringendes Bedürfniss, als es für Ober- und Unterösterreich gewesen; denn die 
bisherigen steierischen Mappen von Laz (1561), Dakerts, Mereator und 
Blaw (1644) waren theils veraltet, theils schon ursprünglich in zu kleinem 
Maassstabe und viel zu wenig genau und detaillirt ausgeführt, um längerhin aus- 
reichend sein zu können. 

Auf die Erkenntniss dieses Bedürfnisses rechnend, hat nun Viseher auch 
sein Anerbieten zunächst auf die Anfertigung einer Karte desLandes beschränkt, 
jenes wegen der Topographie von Steiermark aber vorerst einem günstigeren 
Zeitpuncte nach der Vollendung der Karte vorbehalten. So wurde denn auch im 
Laufe der Verhandlung die Karte stets als Hauptwerk betrachtet, neben welchem 
die Topographie späterhin erst in Anregung und zur Ausführung kam. 

Vischer hatte sein Anerbieten wegen Aufnahme einer solchen bereits im 
Herbste des Jahres 1671 bei der steiermärkischen Landschaft schriftlich einge- 
bracht, welche sofort am 1. Oetober 1671 in voller Versammlung den Beschluss 
fasste, hierüber, und zwar zunächst über die Kostenfrage, mit Vischer in wei- 
tere Verhandlung zu treten. 

Die Verhandlung führte auch bald zum gewünschten Abschlusse. Es wurde 
sich nämlich dahin vereinbart, dass Vischer die Karte auf Kosten der Stände, 
nämlich im Ganzen für 2000 fl., gegen Ablieferung von 200 Abdrücken an sie, 
innerhalb zwei Jahren anfertige, den Entwurf zum Kupferstiche aber vorläufig 
der Revision von Seite der Stände zu unterziehen habe. 

Bei dem Abgange besonderer Aufzeichnungen über die Erlebnisse unseres 
Vischer während seiner zweijährigen Arbeiten zur Mappirung des Herzog- 
thums Steiermark, worüber freilich die etwaige Entdeckung des von Vischer 
vielleicht geführten Tagebuches die ergiebigste, aber gewiss auch anziehendste 
Ausbeute liefern könnte, müssen wir leider darauf verzichten, hierüber näheres 
berichten zu können. So viel ist gewiss, dass die Durchreisung der Steiermark 
zu jener Zeit mit weit grösseren äusseren Schwierigkeiten verbunden war, als 


40 F, Simony, J. Feil, 


jene der Länder ob und unter der Enns. Das benachbarte Ungarn, zum grossen 
Theile noch im Besitze der Türken, hatte seinen fortan vom Westen her genähr- 
ten Gährstoff selbst bis in die Mauern der Hauptstadt Steiermarks verbreitet, und 
die Zrinyi-, Nädasdy-, Frangepan'sche Verschwörung, um Ungarn dem 
Hause Habsburg zu entreissen, sollte unter dem Mitverschwornen Grafen Tatten- 
bach eben mit Ueberrumpelung des Gratzer Schlosses zum Ausbruche kommen. 
Zwar wurden die Hochverräther entdeckt und dem Schwerte des Nachrichters 
überliefert, der feige Tattenbach in Gratz (1. Dee, 1671); allein der junge Tö- 
köly, Sohn eines der Mitverschwornen, war entkommen, und der Eindruck über 
das, wenn auch noch zur rechten Zeitentdeckte tollkühne Wagniss war im ganzen 
Lande so tief und nachhältig, dass Misstrauen und Furcht, durch abentheuerliche 
Gerüchte immer wieder aufgeschürt, lange nieht aus den geängstigten Seelen 
wichen. Kaum war aber vorübergehend einige Beruhigung in die Gemüther ein- 
gekehrt, so wurde sie wieder verscheucht, als Ludwig XIV. vonFrankreich durch 
den Angriff auf Holland (Juni 1672) dem Kaiser die unwillkommene Nöthigung 
auferlegte, den grössten Theil der kaiserlichen Kriegsvölker aus Ungarn an den 
Rhein zu ziehen, und dadurch die ungarischen Missvergnügten unter dem Rebel- 
len Tököly zur Verfolgung noch nicht unterdrückter hochverrätherischer Pläne 
von neuem zu ermuthigen. Wenn nun auch Gratz durch die Festlichkeiten bei 
der am 15. October 1673 im nahen Schlosse Eggenburg vor sich gegangenen 
Vermählung desKaisersLeopold I, mit der Erzherzogin ClaudiaFelieitas, vorüber- 
gehend in die Stimmung überschäumenden Freudenjubels versetzt und die Stadt 
durch drei Tage und Nächte beleuchtet war, so konnten doch solche Freuden- 
blitze die Gewitterschwüle nicht verscheuchen, die weithin die Gemüther in ge- 
drücktem Athem hielt. Die besorglichen Vorgänge in Ungarn und Siebenbürgen 
hatten die drohende Gefahr den Grenzen Steiermarks immer näher gerückt und 
endlich die Nothwendigkeit herbeigeführt, viele Orte des Landes, zumal die 
Hauptstadt, durch Schanzen zu befestigen. In der That beabsichtigte auch im Jahre 
1676 eine 2000 Mann starke Rotte der ungarischen Maleontenten in Steiermark 
einzubrechen ; sie wurden aber vom Grafen Bathyäni ebenso glücklich ge- 
schlagen, als im folgenden Jahre 6000 gegen Steiermark in Anmarsche befind- 
liche Türken von den tapferen Croaten verjagt. 

Und in dieser Zeit steter Besorgnisse, die das ganze Land erfüllten, unter- 
nahm es unser Vischer Steiermark bis an seine äussersten Grenzen zu durch- 
reisen. Noch bis jetzt hat sich die Sage *) erhalten, dass Vischer eines Tages 
eben mit der Aufnahme eines Schlosses beschäftiget, für einen Spion gehalten 
und dafür mit der Losfeuerung eines Doppelhackens begrüsst wurde, dessen Ge- 
schoss zum Glücke über dem Haupte des harmlosen Zeichners in einen Baum ge- 
schlagen hatte. Diese Sage gewinnt aber bei dem Rückblicke auf die damalige 
geängstigte Stimmung imLande erhöhten Glauben. Nur seine Unerschrockenheit, 
wie sein unbesiegbarer Eifer für das mit unwiderstehliehem Drange begonnene 
Werk machen es erklärlich, wie er dieses dennoch in verhältnissmässig kurzer 
Frist zu Stande brachte. Wenn daher die für seine geometrischen Aufnahmen 
mitgeführten Messinstrumente hie und da von unkundigen Augen etwa mit zwei- 
felhafter Miene beargwohnt werden mochten, so muss doch ein ihm inwohnender 


° Der jubilirte st. st. Archivar Dr. Wartinger versicherte mir sogar, darüber irgendwo 
bestimmt etwas gelesen, leider aber nicht mehr die Erinnerung bewahrt zu haben, 
wo dieses der Fall gewesen. Unabhängig von dieser Nachricht wurde mir in Gratz 
auch von anderer eben so glaubwürdiger Seite beinahe dasselbe mitgetheilt. 


Leben und Wirken des Geographen 6. M, Vischer, 41 


hoher Grad von Leutseligkeit, wie das im Kleide ausgeprägte Abzeichen seines 
geistlichen Standes, die Anwandlungen besorgter Zweifel stets bald und leicht 
verscheucht haben. 

Am meisten gefährdet war aber die Persönlichkeit unseres reisenden Geo- 
graphen offenbar, als er die Strecken an der Grenze, zumal gegen Ungarn hin, 
bereiste, und der seiner Karte beigefügten Verwahrung, dass durch den hier an- 
gedeuteten Grenzzug fremdem Rechte nichts vergeben werden solle, mag für 
jene Richtung vielleicht nicht allein die Sorge um fremdes Recht, als vielmehr 
das innere Bewusstsein so mancher nur approximativen Annahme bloss auf einge- 
zogene Erkundigung hin, zu Grunde liegen, 

Im Herbste des Jahres 1675 war die Aufnahme der steiermärkischen Karte 
bereits zu Stande gebracht, und Vischer hatte den Entwurf derselben, einge- 
gangener Verbindlichkeit gemäss, den st. Ständen zur Ueberprüfung vorgelegt, 
welche diese sofort auch durch sachkundige Landstandsglieder vornehmen liessen. 
Es findet sich noch der Entwurf einer Zuschrift an Sigmund Grafen von Her- 
berstein und an den Freiherrn Hanns Balthasar Galler vom 19. October, dann 
an den Dompropst von Seggau vom 8, November 1675 vor, womit denselben die 
von Vischer neu formierete Mappa vber das Herzogthumb Steyer übersendet 
wurde, damit sie dero sentiment bevorab den Ober Steyerischen District be- 
treffend hierüber eröffnen und der Verordneten Ställ vberschieckhen wolten. 
Die beiden ersteren berichteten hierüber unterm 29. Jänner 1676, sie haben die 
neu formirente Steyerische Mappa ratione des Viertl Judenburg beraith vber- 
sehen vnd in Ordnung bringen lassen; weil Sie aber wegen des Viertl Enns- 
thall ainige Information nit haben alss werde beuorstehen, solche mühewahl- 
tung andern Herrn zuezumuthen. Die einzelnen Erklärungen ähnlichen Inhal- 
tes langten nach und nach ein, so z. B. jene des Herrn Springer vom 8. April 
1676 mit der Bemerkung, dass die Steyrische neu aufrichtende Mappa alles 
Vleiss, was dus Viertl Ennssthall oder Palterthal anbelangt, seye reuidiret, 
und an gewissen Orthen verbössert worden. 

Vischer hatte bei seiner unermüdlichen Neigung für geographische Auf- 
nahme die Zwischenzeit bis zur Ausführung des Stiches der Karte ohne Zweifel 
zu anderweitigen solehen Arbeiten verwendet, und wahrscheinlich während des 
Winters 1673 — 4 zu Gratz seine allgemeine Erdbeschreibung ausgearbeitet, 
‚welche auch 1674 ebendort in Druck gelegt worden ist. Im folgenden Jahre war 
aber nicht nur der Kupferstich von seiner grösseren Ansicht Wiens bereits voll- 
endet, welche er sammt der n. ö. Topographie den Vertretern der Wiener Stadt- 
gemeinde überreicht und dafür 36 Gulden erhalten hatte*), sondern auch jener 
ungleich schönere der Stadt Gratz. 

Zu Anfang dieses Jahres 1676 überreichte er dem Landeshauptmann von 
Steyer, dem Präsidenten der dortigen Landschaft und den Verordneten einen Ab- 
druck des Kupferstiches der Hauptstadt-Gratz, zu weleher Abbildung er auch eine 
Beschreibung zu liefern beabsichtigte. 

Diese schöne Abbildung der Hauptstadt des Landes sollte ohne Zweifel 
die Geneigtheit der Stände für ein weiteres Unternehmen Vischer's, nämlich 
auch für die Anfertigung einer Topographie des Landes gewinnen, ein Werk, 
welches unser fleissiger Zeichner ohne Zweifel schon bei seiner Bewerbung um 
das förderliche Zugeständniss zur Aufnahme der steiermärkischen Karte schwei- 


*) Schlager a. a. O. V. 721. 


49 F, Simony. I. Feil, 


gend in Absicht hatte, mit der er aber damals ganz gewiss nur desswegen noch 
zurückgehalten hatte, weil er bei einem beschränkteren Maasse seines Ansuchens 
viel eher auf geneigte Zustimmung rechnen konnte, mit welcher Absicht er aber 
ohne weiters hervorrückte, nachdem die Karte nach Wunsch ausgefallen und den 
Ständen mit der schönen Ansicht von Gratz ein sprechender Beweis in den Hän- 
den war, wie ein solches Werk dem schönen Lande mit seinem reichen Schlös- 
ser-Schatze nur zur Zierde und weitverbreitetem Ruhme gereichen könne. Zu 
Anfang des Jahres 1676 stellte demnach unser Vischer folgendes Ansuchen, 
aus welchem zugleich zu ersehen ist, dass er auch zu den Topographien von 
Unter- und Oberösterreich nachträglich eine besondere Beschreibung zu lie- 
fern beabsichtiget hatte, was aber wohl gewiss niemals zur Ausführung gekom- 
men ist, da sich nirgends ein Exemplar derselben vorgefunden hat. 

Hochlöbliche Herren Herren Landstände 

Genädig vnd Hochgebüettunde Herren Herren. 

Auf einer Hochlöblichen landschafft alhier Einwilligen, vnddarschüsszen- 
den vnkhossten, bin ich in werkh die landCarthen vber disz Herzogthumb 
Steyer Zuuerfertigen, gleich wie Vnter: und Oberössterreich von mir verfer- 
tiget worden ; nun aber haben selbige beede Hochlöbl: Landschafften auch die 
Topographias beeder land gemacht zu werden verlangt, welches beschechen, 
dero beede Exemplaria ich hiebey vnterthänig mit eingeraicht, vmb Zu 
sechen der darin begriffenen khupferarbeith; die beschreibung belangent, 
bin ich im werkh selbe auch dissen winter hindurch Zuuerfertigen, nach beyli- 
genden Capitlen. Wan aber auch villeicht die Hochlöbl: Hrn: Hrn: Land- 
stünde eine solche Topographia vber dass Herzogthumb Stey er verlangen, 
willich mich hiemit vnderthänig darzu anpräsentiert haben, disse mit khu- 
pferenvnd beschreibung in medüs terminis bestehend verantwortlich her- 
vor Zubringen, So feren Sie die nothwendige vnkhossten wollen darzu her- 
schüsszen, welche ich (NB.) mit ober und vnter Oesterreichischen landCar- 
then und Topographüs theilsz iezto gleich, theilsz mit khonfftigen Steyrischen 
Topographien vhrbüttig bin Zu bezahlen. befilche denen Hochlöbl: Hrn: Hrn: 
Landständen mich hiemit vnderthänig, bittend nach dero gnädigen belieben 
mich hierauf Zuuerbscheiden. 

Der Hochlöbl: Hrn: Hrn: landstanden 
Vnderthänig-Gehorsamber diener 
Georg Mattheusz Vischer der Nieder Oesterreichischen 
landschafft Geographus m/p. 

Die vorläufige Austragung der Kostenfrage war hierbei begreiflicher Weise 
Gegenstand der nächsten Erwiederung von Seite der Stände auf dieses Anerbie- 
ten. Ueber das Ergebniss dieser Verhandlung gibt nun folgendes Anerbieten 
weitere Nachricht. 

Auf mein Vnderthaniges anbringen: Alle Stätt, Clöster und Schlös- 
ser desz Herzogthumbs Steyr in Controfaitischen Rissz Zu bringen und 
insz khupfer stöchen Zu lasszen, haben sich die Hochlöbl: Steyerische 
Hrn: Hrn: landtstände erkhlärt, mir vor ein stuckh in vorgezeigter grossze: 
Sechs Gulden Zu liferen, auch mir verwilligt, 200 drukh auf mein vunkhoss- 
ten daruon abzudrukhen ; entgegen versprechen Sie die Hrn: Hrn: landtstände 
khein Exemplar von Ihren abgedrukhten Zuuerkhauffen. 

Solchen Contract gehe ich hiemit ein, Versprechend unauszsezlich darin 
fortzufahren, und (so mich die bezahlung nit hindert) in Jahr. und dag de dato 
Zu lieferen. Actum Gräz. 


Leben und Wirken des Geographen G. M. Vischer. 43 


Zur Deckung des bezeichneten Kostenaufwandes, wurde schliesslich durch 
ein unterm 24. November 1676 erlassenes Patent beschlossen : dem Geographo 
Matheo Vischer für jedes Schloss, Statt oder Markht, Wan Ers in das Khupfer 
bringt Sechs Gulden raichen Zulassen, jedoch nit aus dem Einnember Ambt, 
sondern dasz ain Jede Parthey, deme ain oder anderer Sitz gehörig, Ihme Vi- 
scher ex proprio selben befriedigen solle. 

Wenn wir mit ziemlich haltbarem Grunde annehmen dürfen, Vische rhabe 
gleichzeitig mit der Mappirung des Landes auch Zeichnungen für die, ihm gewiss 
schon damals mit lebendigem Wunsche vor seiner Seele gestandene Topographie 
von Steiermark aufgenommen, so beweisen doch mehrere nachstehende Eingaben 
Vischers, dass er wahrscheinlich behufs weiterer Aufnahmen für die Topogra- 
phie im Lande neuerlich eine Umreise vornahm, und den Sommer 1677 damit 
zugebracht hat. 

Möglich, dass er, mit etwas zu grosser Vorliebe für die Topographie, die 
Vollendung der steiermärkischen Landkarte, etwa durch Localrevisionen bezüglich 
auf die, ihm bei der Begutachtung des Entwurfes, wie bemerkt, von mehreren 
Seiten zugekommenen Ausstellungen, oder wenigstens durch lässigere Einwir- 
kung auf baldmögliche Vollendung des Kupferstiches, allzuweit hinausgeschoben 
hat, oder dass ihn vielmehr schon wieder das Project zu einem neuen Unter- 
nehmen mit Vorarbeiten beschäftigte; wie dem auch sei, die steiermärkischen 
Stände fanden sich, gewiss nicht ohne Grund, veranlasst, dem Geographen Georg 
Vischer unterm 5. Mai 1667 mittelst Decretes die Weisung zukommen zu lassen, 
dass er die Landschafts-mappam dermal ainist zur Vollkombenheit 
bringen und andere particular Verrichtungen beyseits legen sollte. 

Die von unserem Geographen hierüber gegebene Rechtfertigung oder Zu- 
sicherung seines wirksamen Einflusses auf die Beendigung des Stiches mochte 
stichhältig gefunden worden sein, wenigstens finden wir ihn bis zur wirklichen 
Vollendung des Stiches der Karte im Jahre 1678 nieht weiter mehr gedrängt. 
Dass die steiermärkische Karte zu Anfang des Jahres 1679 gewiss schon im 
Stiche vollendet war, beweiset insbesondere der Umstand, dass Vischer am 24. 
April 1679 den mit ihm wieder versöhnten, oberösterreichischen Ständen 200 
Exemplare dieser Karte überreichte und von ihnen dafür eine Vergütung von 
320 Gulden, also für je ein Exemplar 1 Gulden 36 Kreuzer erhielt (o. ö. st. A.). 
In demselben Jahre hatte Viseher auch dem Kaiserhofe zu Wien Abdrücke der- 
selben Karte dargereicht, und dafür eine Remuneration von 150 Gulden erhal- 
ten. Wie viele Exemplare derselben er überreichte, ist ebensowenig bekannt, 
als welche Karten darunter gemeint waren, als er 1675 wegen der im Werkh 
bringenden 13 Stück Mappen von ebendaher 150 fl. erhalten hatte. 

Wenn aus der, auf dem gestochenen Titelblatte zur steiermärkischen To- 
pographie enthaltenen Jahreszahl 1681 gefolgert werden muss, dass in diesem 
Jahre das Werk, wenigstens nach einem vorläufigen Abschlusse in der Anzahl der 
auf Kupfer geätzten Blätter, in die Oeffentlichkeit gelangt sei, und wenn auch 
bis 1700 Vervollständigungen hierzu geliefert wurden, so waren doch, un- 
geachtet verschärfter Betreibungserlässe von Seite der Stände an eine nam- 
hafte Anzahl von Abnehmern -der Topographie, noch durch eine Reihe von 
Jahren Verhandlungen wegen Einbringung der rückständigen Zahlungen erfor- 
derlich, und wir sehen unseren ehrlichen Geographen, hier freilich ohne 
Verschulden von Seite der st. Stände, welche alles mögliche in ihrem Wir- 
kungsbereiche liegende dagegen angewendet hatten, abermals nicht nach Ge- 
bühr und Wunsch, jedenfalls nieht rechtzeitig für seine mühevolle Arbeit ent- 


AA F. Simony, J, Feil. 


lohnt. Fast scheint es, dass, wenn nicht überhaupt vorwaltende Neigung für 
physikalische Praktik, etwa pecuniäre Verhältnisse unseren Vischer veranlasst 
haben, zur Aufbringung eines Einkommens, vielleicht eben um die, auf dem ver- 
tragsmässigen Wege nur spärlich einfliessenden Beiträge zur Deekung derKosten 
des Stiches der Blätter zur steiermärkischen Topographie aufzubringen, sich 
nebstdem auch auf die Anfertigung geometrischer und optischer Instrumente zu 
verlegen. Nach einer Aufzeichnung im o. ö. st. Archiv hat nämlich der Geogra- 
phus und Presbyter G. M, Vischer unterm 24. April 1679 den ständischen 
Verordneten in Linz acht Tuben zur (sie, also nicht zu: mehreren) Camera ob- 
seura überreicht, worauf ihm, wenn er dieselben abgeliefert haben wird, die Er- 
folglassung von acht Thalern zugesichert worden ist. 

Ob es sich hier um Instrumente handelte, die Vischer selbst anfertigte, 
oder ob er etwa dem Wunsche der o. ö. Stände nach Erlangung von Tuben für 
die Camera obseura nur Vermittler war, ist aus dieser allgemeinen Abfassung 
nicht zu erkennen. Jedenfalls verdient der Gegenstand an sich schon Beachtung 
und könnte nach Umständen einen interessanten Beitrag zur Geschichte der Er- 
findungen liefern. 

Inmitten der Verhandlungen wegen Eintreibung der Rückstände von den 
zahlungspflichtigen Parteien war aber das Unglücksjahr 1683 gefallen, welches 
nicht nur in den Fortgang von Vischer's Arbeiten, sondern auch dem geregelten 
Dienstverkehre überhaupt für längere Zeit Störungen und nachhältige Hinderun- 
gen brachte. Doch wurden die Verhandlungen wegen Einbringung der Ausstände 
in den Zahlungen für die einzelnen Kupfertafeln der steiermärkischen Topogra- 
phie schon im folgenden Jahre wieder aufgenommen, und es findet sich darauf 
Bezug nehmend nicht nur ein besonderes Gutachten vom 19. Sept. 1684 über 
die Einbringung der Reste von den Parteien, sondern auch der Entwurf der hier- 
nach erlassenen Betreibung selbst vom 2.0etober 1684 vor. Ebendamals brachte 
aber auch Vischer bei den st. Ständen die Bitte um Flüssigmachung der für die 
Ablieferung von weiteren 100 Exemplaren der steiermärkischen Landkarte schon 
vor 3 Jahren (also ungefähr 1681) ausbedungenen 50 Reichsthaler ein. 

Wenn nun auch schon im J. 1681 die steiermärkische Topographie wenig- 
stens nach dem damaligen Stande der Vollendung in die Hände des Publicums ge- 
langte, so erging doch von den st. Ständennoch unterm 1. Juli 1688 an Vischer 
der Befehl, die noch abgängigen Blätter, welche weder gezeichnet noch gesto- 
chen waren, so schleunig als möglich zur endlichen Complettirung des Werkes 
nachzuliefern, wobei in einer besonderen Beilage die noch ausständigen Abbil- 
dungen speeifieirt wurden. 

Die völlige Beendigung des Werkes hat sich jedoch bis zum Jahre 1700 
hinausgeschoben, wo selbst noch nach dem Ableben Vischers einzelne Bilder 
vom Kupferstecher Trost nicht nur gestochen, sondern wabrscheinlich auch ge- 
zeichnet nachgeliefert wurden. 

Ueber die weiteren Erlebnisse und das künstlerische Wirken unseres Vi- 
scher lässt sich schliesslich noch folgendes anführen. 

Schon der Schlussabsatz der 1674 erschienenen allgemeinen Erdbeschrei- 
bung Vischer's, worin er sich zum demonstrativen Unterrichte in der Geogra- 
phie anbietet*), lässt entnehmen, dass die Lehrthätigkeit, wenn auch vorläufig 


*) Dieser Schlussabsatz lautet: ‚Hat nun schon der gunstige werthe Leser die kürzeste 
Beschreibung, als immer hat sein können, verhoffend er werde damit begnüget sein, im 
Fall aber die Instruction ad globum terrestrem desiderirt würde, könnte ich solches inner 
14 Tage jedem instruendo practice zu sattsamer Wissenschaft praestiren, mich hiemit 
unterdienstlich wollen befehlen.“ 


Leben und Wirken des Geographen G. M, Vischer, 45 


noch auf blossen Privatunterricht beschränkt, wenigstens schon damals in seiner 
Absicht gelegen war; wir wollen bei seiner erprobten praktischen Gewandtheit 
auch annehmen, dass dieses sein Anerbieten nicht völlig ohne Erfolg geblieben 
sei, wenn auch bestimmte Nachrichten darüber fehlen, Ob er sich endlich doch 
vielleicht in der Aetzkunst besser perfectionirte, und wenigstens einen Theil der 
Kupferstiche zur steiermärkischen Topographie selbst lieferte, zu deren Anferti- 
gung er wiederholte Aufforderung erhalten hatte, muss, bei dem Abgange einer 
ausdrücklichen Bezeichnung Vischer's als Kupferstechers auf irgend einem 
Blatte dieses Werkes, und mit Hinblick auf die schlechte Ausführung des be- 
stimmt von ihm geätzten Blattes von Niedersäusenburg, in der oberösterreichi- 
schen Topographie noch immer im Zweifel bleiben, wenn auch aus einigen Ein- 
gaben Vischer's gefolgert werden könnte, er selbst sei Kupferstecher gewesen, 
so z. B. 1676 in Bezug auf die grosse Ansicht von Gratz, und in dessen Eingabe 
vom Jahre 1677, worin es heisst, dass er bereits 180 Kupfertafeln mit steier- 
märkischen Ansichtenangefertiget habe. Hinwider aber ist zu gleicher Zeit 
1676 auch mehrfach nur von seiner Verpflichtung und Geneigtheit, die von ihm 
gezeichneten Blätter in Kupfer stechen zu lassen, sowie in einer andern Ein- 
gabe insbesondere davon die Rede, dass er, bei der leider erfahrenen Saumselig- 
keit des für frühere Arbeiten verwendeten augsburgischen Kupferstechers, einen 
eigenen Kupferstecher für die steiermärkische Topographie gewonnen habe. 
Wäre auf dem Blatte Kloster Lambach in der o. ö. Topographie das: fecit 
bei Georgius Vischer wirklich mit: delineavit et sculpsit gleichbedeutend, was 
jedoch nicht wahrscheinlich ist, so würde dieses Blatt allerdings für achtbare 
Fortschritte unseres wackeren Zeichners auch in der Aetzkunst zeugen und zur 
Annahme berechtigen, er habe auch eine Anzahl Blätter zur steiermärkischen To- 
pographie selbst auf die Kupferplatte gebracht. Wenn sich diese Voraussetzung 
bewähren würde, so hätten wir zugleich einen sicheren Haltpunet über die Art 
der Thätigkeit, welche unseren unermüdlichen Viseher, nach der Beendigung 
seiner Zeichnungen in und für Steiermark, längere Zeit hindurch vollauf in An- 
spruch nahm. 

Wo und etwa unter welchen Gefahren Vischer das drangvolle Jahr 1683 
zugebracht haben mag, als sich in Oesterreich durch den Türkeneinfall die blu- 
tigen Gräuel osmanischer Barbarei furchtbar erneuert hatten, darüber ist uns 
leider keine Kunde geblieben, Der oben dargestellte Verlauf der Begebenheiten 
möchte die Vermuthung begründen, dass Vischer sich damals in Steiermark 
aufhielt. 

Wenn auch sein Trieb nach künstlerischer Thätigkeit dem Waffengeräusche 
abhold sein mochte, so dürfen wir doch mit Sicherheit annehmen, dass Vischer, 
wenn er zu jener Zeit der ernstesten Prüfungen an einem von unmittelbarer Ge- 
fahr bedrohten Orte sich befand, gewiss nicht mit feiger Unthätigkeit dem Ver- 
lauf der Dinge zugesehen habe; denn, wie sein ganzes Wirken klar erkennen 
lässt, fehlte es ihm an Muth und Entschlossenheit gewiss nicht. 

Der glückliche Fortgang der kaiserlichen Waffen gegen den osmanischen 
Erbfeind nach dem glorreichen Entsatze Wien’s (12. September 1683) machte 
Ungarn durch eine Reihe von Jahren zum Kriegsschauplatze, auf welchen die 
gespannteste Aufinerksamkeit der ganzen Christenheit gerichtet war, und aus dem 
jede der zum Glücke in rascher Folge eingelangten entscheidenden Siegesnach- 
richten gewiss allgemein mit entzückter Freude aufgenommen wurde. Unser 
Vischer, durch seine bisherigen topographischen Arbeiten, denen durchaus 
selbstständige Aufnahmen zu Grunde lagen, nur äusserst kärglich gelohnt, 


46 FR, Simony. 4. Feil. 


nicht selten kaum für die aufgewendeten materiellen Opfer entschädiget, scheint 
sich nun — wo das allgemeine Interesse allzusehr auf jene Ereignisse gerichtet 
und die materiellen Verluste allzu gross waren, um zur Förderung von Unterneh- 
mungen Lust und Mittel zu besitzen, die nur unter den Segnungen des Friedens 
gedeihen können, — auf ein rentableres Unternehmen geworfen zu haben, indem 
er eine aus 12 Blättern bestehende Karte von Ungarn und Siebenbürgen, als dem 
damals mit so allgemeinem Antheile verfolgten Kriegsschauplatze, anfertigte, und 
unter dem Titel: Theatrum belli inter . . . Imperatores Romanorum et Turcarum 
1685 erscheinen liess. Derselben wurde bereits unter Hinweisung auf die Ver- 
hältnisse gedacht, welche zur sicheren Annahme berechtigen, dass dieser Karte 
keine selbstständige Aufnahme zu Grunde liege. Die Zeit der Anfertigung der- 
selben dürfte zwischen dem Ausgang des Jahres 1683 und dem Beginne 1685 
fallen. Vielleicht ist eben die häufige Gebrauchsnahme von dieser Karte zur Zeit 
der gespanntesten Erwartungen über den damaligen Kriegsverlauf die Ursache, 
dass sich von den eben deswegen ungewöhnlich abgenützten Exemplaren nur so 
wenige erhalten haben, dass dermal in Wien kein einziges derselben mehr aus- 
findig gemacht werden konnte. Ohne Frage ist übrigens dieses Theatrum belli 
gemeint, als unser Vischer, Mathematieus genannt, den oberösterreichischen 
Ständen vom 19. August 1687 eine Mappam über das Königreich Hungarn de- 
dieirte, für welche ihm gegen Hereinbringung etlicher Exemplarien vermelter 
hungarischer Mappa 6 Reichsthaler, sowie für weitere 50 Exemplare derselben 
hungarischen Landkarte 30 Reichsthaler bewilliget wurden (0. ö. st. A.). 

Die obige Bezeichnung Mathematicus weiset in Verbindung mit mehreren 
anderen Aufzeichnungen darauf hin, dass unser Vischer in der Zwischenzeit 
eine von seiner bisherigen precären Verwendung verschiedene, wahrscheinlich 
fixe Anstellung erhalten habe. An der Erlangung einer solchen musste ihm damals 
alles gelegen sein, denn er konnte nun nicht mehr auf die Unterstützung von 
Seite ständischer Körperschaften rechnen, welche, durch die Kriegsereignisse 
zu den schwersten Opfern gezwungen, in ihren Geldkräften auf's Aeusserste 
erschüttert waren. Die Bewerbung um eine geistliche Pfründe mochte ihm nach 
so langer Entfernung vom Seelsorgeramte nicht so leicht mehr einen Erfolg ver- 
sprechen und vielleicht auch mit seiner bisherigen Beschäftigungsweise nicht in 
befriedigender Harmonie stehen. Wir haben ihn, so lange er an der n. ö. Karte 
und Topographie arbeitete, allenthalben als n. ö. ständischen Geographen bezeich- 
net gefunden, und als er seine derartigen Arbeiten für Steiermark aufgenommen 
hatte, nannten ihn die dortigen Stände selbst schon im Patente vom 15. Mai 1673 
ihren bestellten Geographus , nachdem sie ihn in der Vertragsurkunde vom 
21. März d. J. noch als Einer löbl. Landschaft des Erzherzogthumbs Österreich 
unter der Ennss bestellten Geographus betitelt hatten. 

Allein wahrscheinlich kurz nach dem Unglücks- aber auch Siegesjahre 1683 
wird er zumeist Mathematicus genannt, vielleicht Beweis, dass er schon damals 
jene Stelle bei Hof bekleidete, von welcher uns 1687 bereits sichere Kunde wird. 

Dass unser Vischer zu jener Zeit bereits eine in weiteren Kreisen ge- 
feierte Persönlichkeit war, beweiset zum mindesten das der Abhandlung in treuer 
Copie vorangestellte Bildniss desselben , welches dem im Besitze des Herrn Dr. 
v. Karajan befindlichen Originalabdrucke, und zwar sammt der diesem Exemplar 
beigefügten autographen Widmung Vischer's vom 26. April 1684 nachgebildet 
wurde, Wenn 1684 zugleich das Jahr der Anfertigung des Porträts war, so zeigt 
es uns den wackeren Mathematiker eben in seinem 56. Lebensjahre. Die scharf 
ausgeprägten Züge verrathen Verstand und willenskräftigen Ernst; die im Zuge 


Leben und Wirken des Geographen 6. M, Vischer, 47 


des Mundes etwa wahrnehmbare Strenge erhält aber durch den Ausdruck des 
Auges unverkennbar einen Anflug von Gutmüthigkeit, vielleicht auch Humor. Die 
Umschrift: Vera effigies reverendissimi et doctissimi domini georgy Matthaei 
Vischer Mathematici celeberrimi enthält in den beiden letzteren Worten ebenso 
den Ausdruck rühmender Anerkennung seiner erprobten wissenschaftlichen Be- 
fähigung, als die beigefügten Distichen jene seines gediegenen Manneswerthes: 


Haec est effigies Vischerü ewterna Georgy 
Nuper ab artifici sedulo facta manu. 

Omnia sed pro apto miscere elementa colore 
Posset : ubi internam pingere Apollo volet. 


Die geometrischen und geographischen Embleme in den Eckräumen deuten 
natürlich auf die vorwiegende Richtung geistiger und manueler Bethätigung des 
wackeren Mannes, 

Wenn also nicht schon 1684, so doch wenigstens vom Jahre 1687 ab, 
hatte er endlich eine, wie es scheint, bleibende Anstellung am Hofe zu Wien er- 
halten, nämlich als Mathematiker der Edelknaben, Nicht nur, dass er sich 
in der oben erwähnten Eingabe vom 19. August 1687 nicht mehr Geograph, son- 
dern Mathematiker, wenn auch ohne weiteren Beisatz, nennt, so ist doch durch 
eine Aufzeichnung aus demselben Jahre dem erwähnten Titel auch das nähere 
Attribut seines Lehramtes, nämlich zum Unterriehte der Hof-Edelknaben, aus- 
drücklich beigefügt. Er war also wieder in Wien und setzte sich wieder mit den 
n. ö. Ständen in Verbindung zur Ausführung von Arbeiten, welche wenigstens 
keiner besonderen Bereisung mehr bedurften, wozu ihn etwa auch das vorgerück- 
tere Alter — er stand bereits im 60. Lebensjahre — weniger mehr geneigt fin- 
den liess. Im n. ö. ständ. Archive findet sich nämlich aufgezeichnet, dass Georg 
Matthäus Vischer Kays. Edl Khnaben Mathematicus im Jahre 1687, nachdem 
von vndterschiedlichen Cauagliern vndt herrn dises Landts die vorhin aus- 
gangen grosse Landt Mappa von Niederösterreich in ein Kleinern Format vmb 
mehrer bequemlichkeit willen zu haben verlangt worden, diese Karte in Khlei- 
nen Format mit 16 Khupfern bestehend reducirt, und diese Kupfer den n. ö. 
Ständen in zwei Exemplaren mit dem Antrage überreicht habe, dass wan Selbige 
beliebig undt der geringe vncosten pr. 50 Reichsthaler dafür erstattet würde, 
Er zu besagten 16 Kupffern Blättern auch 50 gedruckhte Exwemplaria gehors. 
überreichen wolle. Nachdem gemäss Stände-Beschlusses vom 2. Dec. 1687 
dieses werkh examinirt und solches den Ständen dienstlich befunden worden ist, 
hatten die Verordneten am 13. Sept. 1689 — also nach dem Verlaufe von bei- 
nahe zwei vollen Jahren — unserem Vischer zur Bestreitung der Unkosten und 
einiger Verehrung (Remuneration) 100 Gulden bewilliget, und dem Oberein- 
nehmeramte verordnet, diesen Betrag aus denen 10 Pr. Cento interessen Con- 
trabant oder andern extra mitlen gegen her eingebung des Kupfers durch ge- 
schefft auszuzahlen. Diese Redueirung der grösseren Karte in 16 Blättern, zu 
unterscheiden von den einzelnen Viertelkarten, scheint aber nicht zu Stande ge- 
kommen zu sein. 

Aber nicht bloss in der erwähnten Aufzeichnung vom Jahre 1687, sondern 
auch auf der Ansicht des Fürst-Bischof-Olmützischen Residenzschlosses zu Krem- 
sier, wird Vischer als Edelknaben-Mathematiker angeführt. Leider ist dieses 
Blatt mit keiner Jahreszahl bezeichnet. Schwerlich wurde aber die Zeichnung 
hierzu von unserem Vischer vor 1690 aufgenommen, da der Neubau des hier ab- 
gebildeten Residenzschlosses erst in diesem Jahre vollendet worden ist. 


48 F, Simony, J. Feil, Leben und Wirken des Geographen 6. M, Vischer. 


In der Eigenschaft eines Edelknaben-Mathematikers unterstand er mit der 
gesammten Pagerie selbst dem Oberst-Stallmeister-Stabe, 

Wie lange unser Vischer diese Eigenschaft bekleidet hat, ist nicht völlig 
erwiesen; wahrscheinlich aber bis an sein Lebensende, da er noch in den letzten 
aufihn Bezug nehmenden Aufschreibungen Mathematieus genannt wird. 

Unterm 24. März 1695 wurdenämlich zwischen den n. ö. Landschaft-Ver- 
ordneten und Georg Matthäus Vischer, Priester und Mathematieus ein Vertrag 
dahin abgeschlossen, dass Vischer sich verbindlich mache, alle 4 Viertel des 
Landes in sonders vier Carthen mit allen denen darinen liegenden Clöstern, 
Herrschafften, Landgüethern, Veesten Edl Sitzen, Stätt, Märkhten vnd. Dörf- 
fern in verlässliche distanz vndt situation zu bringen, die Kupffer hierüber auff 
seine vncossten stechen zu lassen vndt vber jedes Viertel einen sondern Catha- 
logum zu machen, auch die Kupfer den Verordneten längstens bis nächste Pfing- 
sten abzuliefern. Dagegen versprechen die Verordneten dem Vischer für alle 
Unkosten und Bemühung 450 fl. bezahlen und auf Abschlag hiervon 150 fl. aus- 
folgen zu lassen. Diese Viertel-Karten sollten aber im Grunde neuerlicher Be- 
reisungen, offenbar zur Rectifieirung der theilweise unrichtigen Einzeichnun- 
gen auf der älteren Karte des Landes, angefertiget werden. 

Zur Förderung diesesUnternehmens wurde nämlich den beiden ständischen 
Untereommissären im V.O. W. W. und O. M. B. am 6. April 1695 aufgetragen, 
dem Vischer, wenn er in die beiden oberen Viertel kommt, mit einem vndt 
andern, so ihme zur Verfertigung dieser Landt Karden anständig vndt vorträg- 
lich sein mag, bestens an die Hand zugehen. 

Diess ist aber auch die letzte Aufzeichnung, welche sich auf unseren 
wackeren Vischer bezieht. Leider ist es den eifrigsten Nachforschungen nicht 
gelungen, irgendwo eine Angabe darüber zu finden, wann und wo er gestorben 
ist. Da nach dem 6. April 1695 keine weitere Verhandlung mit ihm mehr vor- 
handen ist, und der, jede Spur des wahren Verfassers wegtilgende unredliche 
Vorgang mit Vischer’'s Karte von Niederösterreich, zu dem sich 1697 zwei 
gewissenlose Männer erfrechten, jedenfalls zum Schlusse berechtiget, Vischer, 
der sich gewiss wacker dagegen gewehrt hätte, sei damals (1697) bereits 
gestorben gewesen, — denn absenti (eo potius: mortuo) non fit injuria! — 
da ferner die Art der zuletzt an ihn ergangenen Aufforderung auf dessen Auf- 
enthalt in Wien zunächst die Folgerung gestattet, so könnte nach dem derma- 
ligen Stande der Forschung die Annahme zulässig sein, er habe noch im 
J. 1695, also in seinem 67. Lebensjahre zu Wien (?) sein wirkungsreiches Le- 
ben beschlossen. Wir wollen indessen auf die Hoffnung nicht verzichten, es werde 
späteren Nachforschungen von irgend welcher Seite noch gelingen, über den 
Zeitpunct seines Ablebens und über die Frage, wo seine Asche ruht, Gewissheit 
zu verschaffen. Bis dahin möge der vorliegende Versuch einer näheren Aufhel- 
lung der Lebensumstände und des reichen Wirkens eines mit unschätzbaren Er- 
folgen rastlos thätigen Mannes, das leider noch nicht aufgefundene gleichzeitige 
Denkmal der Erinnerung an ihn vertreten und zu weiteren Forschungen anre- 
gen, mit dem freundlichen Zurufe: 


Tu — audentior ito! 


I. 


Das Wassergebiet des Wienflusses. 
Eine hydrologische Skizze. 
Von J. M. Guggenberger, 


k. k. Hauptmann. 
(Mitgetheilt in der Versammlung der k. k. geographischen Gesellschaft am 22. December 1857.) 


Der Wienfluss erhält seinen Namen eine starke Meile westsüdwestlich 
von Purkersdorf, bei Pressbaum, am Zusammentritt der von Westen herkommen- 
den Dürren Wien (Ursprung am Kaiserbrunnberg, 1835 Wr. Fuss Meereshöhe) 
und des südwestlich am Hengstlberg (1962 Fuss Meereshöhe) entspringenden 
Pfalzauerbaches. 

Ueber die Ursprungsregion des Wienflusses, so wunderlich es auch klingen 
mag, herrscht noch wenig Klarheit. Die bis Pressbaum unbestritten so benannte 
Dürre Wien (nur 2300 Wr. Klafter lang) kann doch wohl nicht als Haupt- und 
einziger Quellbach gelten; der Pfalzauerbach, 3000 Klafter lang, trägt aber 
heut zu Tage keinen andern Namen. Nur in dem so reichhaltigen „Statistisch- 
topographischen Bericht der Handels - und Gewerbekammer für Oesterreich 
unter der Enns, I. Band, Wien 1857“ wird (Seite 264) nebst der Dürrewien als 
zweiter Quelle einer Grottwien (freilich auch als von Westen kommend) erwähnt 
und vom Pfalzauerbach (Seite 467) gesagt, er entspringe zu Grottwien und 
mündet bei Pressbaum in den Wienfluss. 

Dieses Grottwien ist jedoch erhobenermassen ein Druckfehler und soll 
„Grosswienberg“ heissen, da es im Pfalzauthale keine Ortschaft dieses Namens 
gibt, und nur hinter dem Grosswienberg, ganz südlich am „kleinen Höniggraben“ 
eine Häusergruppe mit der Benennung „Neu-Wien“ vorkömmt. 

Das scheinen nun halberhaltene Nachklänge aus früherer Zeit zu sein; denn 
in der topographischen Karte von Georg Matthäus Vischer, des „Ahnherrn der 
vaterländischen Topographie“, Wien 1670, sind zwei Wienquellen gezeichnet, 
und die westliche „Dirre Wienn“, die südliche „Grotte Wienn“ benannt. 

Dasselbe sagt fast 100 Jahre später Friedr. Wilhelm W eiskern in seiner 
Topographie von Niederösterreich, Wien 1768 (2. Theil, Seite 291), mit folgen- 
den Worten: „Der Wienfluss, welcher aus zween Bergbächen, die Dürrewien 
und Grottewien genannt, entstehet, kömmt aus dem Wienerwalde,“* Ueber die 
eigentliche Bedeutung des Wortes „grotte“ habe ich bereits mehrere Sprachfor- 
scher zu Rathe gezogen. Der so nahe liegende Begriff „grosse“ im Gegensatze 
zur „dürren“ Wien kann aber bei Viseher nicht wohl gelten, da auf derselben 
topographischen Karte ausdrücklich „Gross Kamp“, „Gross Krems“ vorkömmt. 

Uebrigens befinden sich „Grottenbäche“* auch westlich der Wasser- 
scheide *). 

Der Pfalzauerbach wird demgemäss wohl als „Grotte-Wien“ für den 
Hauptquellenbach um so mehr zu gelten haben, als sein Zuflussgebiet längs 
der Wasserscheide (von drei Bergen über die Lichteiche, den Hengstl bis zum 
Kaiserspitz, der Westecke des Kaiserbrunnbergs) gemessen über 4000 Klafter 


°) dier = träge, langsam; rott— schnell, reissend; also gerott, und zusammengezo- 
gen: grott. Diese Auskunft ist nur durch gefällige Vermittlung des k. k, Rathes Stein- 
hauser von dem Vicepräsidenten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften von 
Karajan zugekommen. 


Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II, Bd, 1, Heft, d 


50 J. M. Guggenberger. 


sich ausdehnt, während der Hauptzufluss der Dürren-Wien, am Nordabhange des 
Kaiserbrunnberges entstehend, mit den übrigen kleineren Zuflüssen bis Rekawin- 
kel von der Wasserscheide nur etwa 1500 Klafter in Anspruch nimmt. Beide 
Quellengebiete gehören somit recht eigentlich zusammen, denn ihr Wassertheiler 
ist der schmalste und kürzeste unter den Scheidegrenzen aller übrigen grös- 
sern Nebenbäche des Wienflusses. 

Von Pressbaum fliesst die vereinigte Wien nach ONO. bis Purkersdorf, 
nach Osten weiter bis Weidlingau und Mariabrunn, südöstlich bei Hütteldorf, Ha- 
cking, St. Veit, Baumgarten, Penzig, Hitzing, Schönbrunn, Meidling und Sechs- 
haus, dann nordöstlich durch Gaudenzdorf und das Gebiet der Stadt Wien, bis zur 
Mündung in den Donau-Kanal (480 Fuss Meereshöhe) mit einem Gesammtfall 
von 1482 Wr. Fuss auf 4'/, Meilen Länge und einer Wassersammlungsfläche 
von etwa 33/, Geviertmeilen. 

Drei Fünftheile des Laufes bleiben im Gebirge, '/; befindet sich in dem 
offeneren Flussthale und 1/, fällt ins Stadtgebiet. 

Mit Ausnahme eines einzigen, ergiessen sich alle grösseren, von der Um- 
fangs-Wasserscheide herabkommenden Nebenbäche noch im Gebirge selbst in 
den Wienfluss, und zwar von obennach unten: links: der Weidling-Bach, 1800 
Wr. Klafter lang, Mündung nächst Pressbaum; reehts: der Wolfsgrabenbach, 
3300° lang, Mündung unterhalb der Enge von Taferl; links: der Tullner-Bach, 
3000®° lang; der Gablitz-Bach, 4300° lang, Mündung bei Purkersdorf; der Mauer- 
Bach, 5500° lang, Mündung bei Mariabrunn; der Halterbach, 2300°lang, Mündung 
in Hütteldorf. 

Nur das aus dem k. k. Thiergarten östlich vom Hornauskogel herabkom- 
mende, in einem Teiche gesammelte Wasser des Nikolai-Baches, welcher die 
Dörfer Speising, Lainz und Hitzing durchfliesst, fällt im letzteren Orte in 
die Wien. 

Dieses Zuflussverhältniss gibt dem ganzen Wassergebiete des Wienflusses 
die ungefähre Gestalt eines kurzgestielten, oben breitgefalteten Blattes, und die 
Folge hievon ist die Unmöglichkeit, das durch allerhand Gebrauch verunreinigte 
Wasser im unteren Laufe noch irgendwie aufzufrischen, daher es auch als ein 
sehr dunkler Streifen den Stadtbereich durchzieht. 

Die Umfangs- Wasserscheide des Wienflusses steigt an der rechten, 
südlichen Seite gleich ausserhalb des Stadtgebietes zur Meidlingerhöhe hinan, 
(die Gloriette des k. k. Lustschlosses Schönbrunn hat eine Meereshöhe von 
751 Wr. Fuss), setzt zwischen Speising und Mauer zur Quelle des Nikolai-Baches 
und zum Hornauskogl (1580 Fuss Meereshöhe) fort, zieht weiter über den Laa- 
bersteig (1482 Fuss Meereshöhe) zum Hochstöckl (1480 Fuss Meereshöhe) und 
nach Hochrotherde, dem Ursprung des Wolfsgraben-Baches, als südlichsten 
Punkt (Ort Wolfsgraben 1500 Fuss Meereshöhe), dann über die Lichteiche um 
das Quellengebiet des Pfalzauer-Baches oder der eigentlichen (Vissceher's 
„Grotte“) Wien zum Hengstl- (1962 Fuss Meereshöhe) und Kaiserbrunn-Berg 
(1835 Fuss Meereshöhe), zugleich Hauptursprung der Dürr-Wien (so lautet der 
Name bei den Bewohnern), läuft im äussersten Westen auf der Haupt-Wasser- 
scheide des Wiener-Waldes fort, welche bei Rekawinkel von der Eisenbahn in 
einer Meereshöhe von 1105 Fuss (etwa 120 Fuss niedriger als der Rücken) 
durchsetzt wird, wendet sich dann nordöstlich weiter um die Quellen des Weid- 
ling- und Tullner-Baches (am Troppberge 1700 Fuss Meereshöhe), des Gablitz- 
Baches (am Rieder-Berge 984 Fuss Meereshöhe), des Mauerbaches (südlich vom 
Tulbingerkogl (1560 Fuss Meereshöhe), endlich des Halterbaches (am Rosskopf 
1626 Fuss Meereshöhe), und erreicht über den Heuberg (1450 Fuss Meeres- 


Das Wassergebiet des Wienflusses, 51 


höhe) den Galizinberg und die flache Höhe „auf der Schmelz“ genannt 
(776 Fuss Meereshöhe) wieder das Stadtgebiet an der Mariahilfer Linie, 651 Fuss 
über dem Meere. Die grösste Erhebung dieser Wassergebietsscheide, zugleich 
auch des ganzen Wassergebiets, befindet sich also im äussersten Westen, an den 
höchsten Zuläufen der beiden Quellbäche des Hauptflusses, am Hengstl- und Kai- 
serbrunn-Berg. Von der Vereinigungsstelle dieser beiden Wienbäche bei Press- 
baum senkt sich die Furche des Hauptthales, so ziemlich die Mitte des ganzen 
Wassergebiets haltend, ostwärts der Donau zu. 

Aus der, fast überall als schmaler Kamm auftretenden Umfangswasser- 
scheide verzweigen sich die breit ausfüllenden Wassertheiler zwischen den 
Seitenbächen bis an das Hauptthal herab, so dass alle Seitenthäler beständig 
schmal sind, und nur streekenweise, z, B. zwischen Hadersdorf und Mauerbach, 
dann im Gablitzthale, eine etwas erweiterte, flache Sohle zeigen. Weder Gefäll 
noch Wassergehalt aller dieser Seitenbäche erscheint einzeln betrachtet dem des 
Hauptflusses so überlegen, dass eine charakterverändernde Wirkung auf diesen 
ausgeübt würde, und nur etwa der Mauer-Bach behauptet bei zeitweise geson- 
derter Anschwellung an der Mündungsstelle eine kurz dauernde Ueberlegenheit. 
Das Hauptthal wird ebenfalls ununterbrochen von den dicht herantretenden 
Seitenhöhen eng umschlossen, deren ziemlich steil abfallenden Füsse sich, fast 
regelmässig wechselnd, in einander schieben und so den kurz gewundenen Thal- 
lauf hervorrufen, dem sich der Fluss sehr willig anschmiegt und so auch wenig 
Gelegenheit hat in den geringen Thalausweitungen einen eigenthümlichen Lauf 
anzunehmen. Sein Ueberschwemmungsgebiet reicht demnach nir- 
gends über die Grenze des ungeregelten Flussbettes hinaus, 
folglich ist auch die Wassergefahr keine unabsehbare. Nur ganz 
ausserordentliche Hochwasserstände wie in den Jahren 1741, 1785 und 1851 
(bei Schönbrunn nur um 2 Fuss niedriger als 1785) überschritten theilweise 
auch die höchsten Ufer. 

Der Flusslauf und dessen Abschnitte. 

Das Flussthal der Wien zeigt weder eigentliche Becken noch Thal- 
stufen; die wenigen Mühlwehre haben wohl ihre unvermeidlichen Einwir- 
kungen, zumGlück aber nicht wie anderwärts über dieGrenzen des Flussbettes 
hinaus, 

Thalengen gibt es nur in kleiner Zahl und mit ziemlich beschränkten 
Einwirkungsverhältnissen. 

Auch die Thalerweiterungen sind weder zahlreich noch sehr ausge- 
dehnt; die grössten befinden sich ober- und unterhalb der Durchbruchsstellen 
des Wienflusses bei Weidlingau und des Mauer-Baches bei Hadersdorf. Während 
die Breite der Thalsohle von Pressbaum bis Purkersdorf nirgends 150 Wr. 
Klafter erreicht, beträgt sie zwischen Purkersdorf und der Thalenge von Weid- 
lingau über 250 Klafter, die der Alluvial-Ebene unterhalb Weidlingau aber 
gegen 800 Klafter. 

Auch das Thal des Mauer-Baches zeigt oberhalb seines Durchbruches bei 
Hadersdorf eine bis 250 Klafter breite Erweiterung innerhalb des Laudon'- 
schen Parkes. 

Selbst weiter unten, wo der Wienfluss zwischen Hacking und Hütteldorf 
die Eckpfeiler der Gebirgsregion (den Hagen rechts, den Satzberg, 1458 Fuss 
Meereshöhe, links) verlässt, begrenzen die einfassenden Höhen einen deutlich 
ausgeprägten, nur von Ober-St.-Veit bis Lainz rechtseitig mehr ausgeweiteten 
Muldenlauf, der vor und in dem Stadtgebiet durch Häuser-, Strassen- und 
Uferbauten noch enger umschlossen wird, 

d * 


or 
io 


J. N. Guggenberger. 


Die im Wienflussthale ihrer Vollendung zueilende Kaiserin Elisabeth- 
Eisenbahn bildet — stets an der linken Thalseite bleibend — für die flachen 
Stellen einen ununterbrochenen, über die Wassersohle mindestens 3 Klafter 
erhöhten Damm, und vereinfacht in dieser Weise auch noch die Ueberschwem- 
mungsverhältnisse der linken Seite, 

Das ganze Flussthal enthält somit keine Strecke, welche der Gestaltung 
oder Lage nach, selbst bei den höchsten Anschwellungen besonders gefährdet 
erscheint und aussergewöhnlicher oder grossartiger Vorsichtsmassregeln bedürf- 
tig wäre, 

Der Wien-Fluss, obwohl kein Hochgebirgswasser, führt wie alle seine 
Nebenbäche doch viel Geröll. Er gehört aber nicht zu den bösgearteten, 
eigentlichen Torrenten; denn aller Schaden, den er verursacht, lässt sich ganz 
wohl voraussehen, und würde sich grösstentheils auch wohl verhüthen 
lassen. Seinen schlimmen Ruf verdankt er anderen Ursachen. Die Klagen be- 
ruhen zumeist auf Selbstverschuldung, In erster Reihe steht das Haschen nach 
Boden im Bereiche des eigentlichen Wasserlaufs. Gleichsam als Wiederver- 
geltung verliert man freilich dafür oft viel bessern Grund, der eigentlich ganz 
ausserhalb des Wasserlaufs liegt und nie einem Angriff ausgesetzt sein würde, 
wenn man dem Flusse nicht sein eigenstes Gebiet, ohne dem er einmal nicht zu 
existiren vermag, angetastet hätte. 

Jeder Fluss hat sein Banngebiet in Richtung, Breite und Tiefe, das 
nicht ungestraft geschmälert werden darf. Dieses unantastbare Wassergebiet 
sollte überall in seinem Kerne, der Bannlinie, gesetzlich festgestellt werden, 
und die Flüsse und Bäche von dem Charakter der Wien hätten schon da- 
durch den grössten Theil ihrer Schädlichkeit verloren; denn von diesem 
Augenblick an sind die nothwendig gemeinsamen Abhilfen (den Flusslauf 
betreffend) von jenen nur einzelne Gemeinden oder Private angehenden (Fluss- 
bett und Wasserlauf betreffend) genau unterscheidbar, mithin jede nöthige 
Vorkehrung auch rechtzeitig durchführbar. 

Der Wienfluss hat weder stetiges Quellwasser noch periodisch wieder- 
kehrende Anschwellungen, wie etwa regelmässige Frühlings- oder Sommer- 
wässer; die herabkommenden Geröllmassen hängen also lediglich von der 
jeweiligen Grösse und Plötzlichkeit der Niederschlagswirkungen ab. 

Bei einer Regenmenge von 4—5 Linien sättigen sich die, allerdings hie 
und da 4—5 Fuss mächtigen, ausgedehnten Geröllbänke; erst bei 6—10 Lin. 
Niederschlag tritt der raschere Lauf des Wassers ein. 30 Lin, Wassersturz in 
einem Tage (18. Mai 1851) brachte die letzte grosse Ueberfluthung. So viel 
beträgt auch der angesammelte Schnee zu Ende eines normalen Winters. 

Mittlere Niederschlagssummen über 10 Linien kommen aber in allen 
Monaten des Jahres vor, wie die Durchsehnitte mehrjähriger Beobachtungen 


zeigen: 
Jänner 13.74 Pariser Linien. Juli 24.15 Pariser Linien. 
Februar 10.79, “ August 313, 5 5 
März 10.43 ,„ 5 September 15.60 „ 3 
April 13:87 25 “ October 15.01 & Y 
Mai 18:17 5 er November 15.26 ,„ P 
Juni 26.191555, = December 11.51 5 e: 


Im ganzen Jahre 200.07 Pariser Linien. 
In dem bewaldeten Theile des Wassergebietes kann nach der einstweiligen 
Schätzung des Herrn Carl Fritsch, Adjuneten an der k. k. meteorol. Central- 
Anstalt in Wien die Regenmenge um etwa !/, grösser und als Grenze der 


Das Wassergebiet des Wienfllusses. 53 


Schwankungen in feuchten Jahren die doppelte, in trockenen Jahren die Hälfte 
der normalen Menge angenommen werden. 

Der Wienfluss ist daher auch beim Aufhören der sichtbaren Wasser- 
bewegung nicht als wasserleer zu betrachten. Das wissen und benützen die 
Müller am grossen Mühleanal zwischen Mariabrunn und Hitzing auch recht gut. 

Ueber die Abnahme eines früheren Wasserüberflusses oder wenigstens 
Reichthums im Verlaufe der letzten 100 Jahre konnte ich keine speciellen 
Nachweisungen erlangen, der Umstand aber, dass schon im 8. Decennium des 
vorigen Jahrhunderts, nebst andern Holzschwemmen des Wiener Waldgebietes, 
auch jene bei Purkersdorf aufgelassen wurde, deutet auf wenig Veränderung 
bis zum heutigen Tage. 

Es scheint zwar im Gegensatze dieser Thatsache die Meinung zu bestehen, 
dass vor ungefähr 100 Jahren zur Minderung der Gefährlichkeit des Wien- 
flusses eine Ableitung von wasserreichen Zuflüssen stattgefunden haben 
solle *). Meinen Nachforschungen ist es jedoch nicht gelungen die geringste 
Spur auch nur eines Versuches dieser Art aufzufinden, wie auch wohl die 
Gestaltung und Begrenzung (hohe und scharfe Wasserscheide) des ganzen 
Wassergebietes weder Gelegenheit noch überhaupt die Möglichkeit hiezu 
bieten kann. 

Dieses Gestaltungsverhältniss wird hier nur deshalb etwas stärker betont, 
weil man auf einem derart umschlossenen Terrain, zur Befriedigung des all- 
gemein und täglich mehr fühlbaren Bedürfnisses einer Wasserverstärkung für 
den wachsenden Industriegebrauch, eben so wenig auf eine Zuleitung anderer 
Bäche oder Flüsse je hoffen darf, obgleich diess im Kreise der Wasserbedürf- 
tigen schon mehrfach zur Sprache gekommen zu sein scheint. 

Die Aufgabe, das jeweilig vorhandene Wasser der Wien benützbarer 
zu machen, muss demnach auf anderm Wege ihrer Lösung zugeführt werden. 
Einige Andeutungen hiefür sollen später folgen. 


Hydrologische Abschnitte. 


Das im Bereiche des Wiener Sandsteins liegende, von stark bewaldeten 
Höhen fest umschlossene obere Flussthal der Wien zerfällt seiner Ober- 
flächengestaltung nach, mit Ausschluss der Quellen- und Schluchtenregion, nur 
in vier Abschnitte, und zwar: 

a) bis zur Thalenge bei Taferl; 

b) bis zum Defilee am grossen Steinbach ; 

ce) bis zum Durchbruch bei Weidlingau; 

d) bis zum Austritt aus dem Gebirge bei Hütteldorf und Hacking. 

Von da bis zur Mündung zeigt sich ausserhalb des Flussbettes weder in 
Richtung noch Gestaltung der Wassermulde irgend eine bemerkenswerthe Eigen- 
thümlichkeit. 

Alle diese Engen haben bei der unbedeutenden Thalbreite gar keine 
Einwirkung auf den Flusslauf, und nur, wie schon früher bemerkt, einen 
ziemlich beschränkten auf die Erweiterung und Verflachung des Flussbettes, 


®) F. W. Weiskern sagt allerdings in seiner schon erwähnten Topographie von 
Niederösterreich (2. Thl. S. 291): Die grosse Ergiessung des Wienflusses, welche 
in der Nacht yom 5. zum 6. Juni 1741 vielen Schaden that, hat Anlass gegeben, 
die Bergbiüche, die ihn sonst bei entstandenen Regengüssen unverhoflt anschwellten, 
hinter Burkersdorf abzuleiten. Seitdem hat die Wien mehr Sand als Wasser und 
verdient forthin nur den Namen eines Baches.“ Also müsste diese Ableitung der 
Bergbäche noch ganz im Oberlaufe geschehen sein?! 


54 J. M. Guggenberger. 


daher auch in Hinsicht auf Nutzen und Schaden für die Culturflächen, Com- 
munieationen und Industriewerke nur der wechselnde Zustand des Flussbettes 
und Wasserlaufes allein in Betracht zu ziehen kömmt, 


Das Flussbett und dessen Abschnitte. 


In der Ursprungs- und Schluchtenregion des Hauptflusses wie aller Seiten- 
bäche bleibt das Flussbett als solches ohne besondere Bedeutung. 

Unterhalb Pressbaum erscheint die erste Verflachung und Erweiterung als 
Rückwirkung der Enge bei Taferl. Ausser den Fangarbeiten des Mühlenbesitzers 
lässt man das Wasser frei walten. Gleiches geschieht auch weiter unten bei 
Wiederholung ähnlicher Verhältnisse. 

Die Querläufe des Flussbettes von einer Thalseite zur andern sind, bei 
der geringen Thalbreite und der durchschnittliehen Uferhöhe von mehr als einer 
Klafter, für den Lauf der Hochwässer ohne, und für die Ufersicherheit nur dort 
von mehr Bedeutung, wo der Wasserlauf mit Strassen- und neuerlichst mit 
Eisenbahn-Bauwerken zusammentrifft. 

Felsenwände, sonst die stärksten Anziehungspunete für Querdurch- 
furchungen der Thalsohle, mangeln; nur an dem ausgeprägtesten Querlauf des 
ganzen Flussbettes gleich oberhalb Purkersdorf kämpft das, die rechte Thalseite 
scharf angreifende Wasser mit einem Felsenstoeke, und hat die im Bette selbst 
steil aufgerichteten Sandsteinschiehten merkwürdig seltsam abgeschliffen, 

Unterhalb Purkersdorf treten ganz veränderte Verhältnisse auf. 

An dem bogenförmigen Durchbruche bei Weidlingau ist der Eingang am 
schmälsten, die Erweiterung aber gleich so beträchtlich, dass zwischen der 
Strasse und dem Flusse ansehnliche Häuser und Gärten Platz gefunden haben. 

Die Rückwirkung dieser engsten Durchbruchstelle auf das Flussbett 
äussert sich etwa 700 Klafter aufwärts bis nahe an Purkersdorf und ist deutlich 
bezeiehnet durch den Ziekzacklauf der Wien, welcher aber kürzlich mittelst 
eines geraden , der Eisenbahn gleichlaufenden Durchstichs abgeändert wurde. 

Unterhalb Weidlingau erscheint zunächst in Folge des hinlänglich weiten 
Durchgangs keine Bett-Erweiterung mehr; die Ausweitung oberhalb der Maria- 
brunner Kirche ist offenbar nur eine Rückwirkungsfolge der dortigen alten 
Flussbauten, der Mauerbach-Mündung und des Mühlwehrs zusammen. Unterhalb 
des Wehrs hat der Fluss einige Krümmungen; die schärfste am Eck der Thier- 
gartenmauer und des vorspringenden Nicolai-Berges. Hier tritt die Eisenbahn 
ganz ins Flussbett herein, wesshalb auch das Eck des Thiergartens bedeutend 
abgerundet und das Ufer ausgepflastert wurde. 

Unterhalb Hacking endlich, beim Beginn der flacheren Mulde, erreicht das 
Flussbett seine grösste Breite, und hier tritt die Eisenbahn ans Ufer nochmals 
dicht heran. 

Näher an Hitzing und Penzing verengt sich das Flussbett wieder allmälig, 
und schon unweit Schönbrunn, zwischen die Häuserbauten von Meidling, dann 
Sechshaus und Gaudenzdorf mehr oder weniger eingezwängt, erreicht und 
durchzieht der Fluss in ziemlich geschlängeltem Laufe das Stadtgebiet. 

Einige Zahlen über die wechselnden Sohlenbreiten nnd Gefäll-Abstufungen 
sollen zur Ergänzung des Bildes dienen. Bis Purkersdorf erreicht an allen tiefer 
eingeschnittenen Stellen die Flussbettsohle nirgends eine Breite von 12 Klaftern; 
unterhalb dieses Ortes finden sich folgende Sohlenbreiten: 

Der geradlinige Durchstich, so wie der gekrümmte Theil innerhalb 
des Durchbruchs bei Weidlingau längs der Eisenbahn . . 18 Klafter, 


Das Wassergebiet des Wienflusses. 55 


Bei Mariabrunn gleich oberhalb der Kirche kaum . . . . . .„ 10 Klafter 
Das Mariabrunner Mühlwehr . . er 
Zwischen dem abgerundeten Thiergarteneck und der Eisenbahn E22 
Am Hackinger Steg beim Austritt aus dem Gebirge . . » »...82 „ 
Gegenüber der Kirche von Ober-St.-Veit schon . . 2,6800 5 
Die breiteste Stelle des ganzen Bettes an der hölzernen Wa: asser- 

leitung des Mühlgrabens über den Fluss ee ER An 
Am neuen Steg bei Unter- SE VO EEE U. 5. A0Neh: 
Bei der Penzinger Schwimmschule . . N 
Unter der Hitzing-Penzinger Ketten- so wie der Schönbrunner 

Joch- Brücke ee LED Fra AREA REN’ | KAREL 
Am Meidlinger Mühlwehr . N N 
Innerhalb des obern Stadtgebietes SUB DI DR nn, 14-05 5 
Näher der Mündung . IN 05 


Die. grösste Wasserstandshöhe war hier im Mai 1851 bei einer 
Regenmenge von 30 Linien in 24 Stunden nahezu 3 Klafter, und dient als jüng- 
stes Normalmass für alle neuen Uferbauten. 

In Bezug der Gefällstufen wurde es mir bisher nur möglich einige 
genaue Angaben zu ermitteln; die übrigen sind annähernd. 

Gleich oberhalb Purkersdorf wie . . 4 


100: 
Zwischen Purkersdorf und Weidlingau, Rückwirkung des Durehbruches, 1/y00. 


Von Weidlingau bis Mariabrunn über die Alluvial- Ebene u. a 
Das Mühlbachgefäll vom Mariabrunner Wehr bis DE 2 1 > LTR 
Im Stadtgebiet der Mittellauf . . . er '/iso- 
A „ unterste Lauf. . ER ES RT Sc DE rel / ann. 

Abs urn 


Nach Massgabe aller dieser Verhältnisse finden sich im Flussbette folgende 
Hauptabschnitte: 

a) Von Pressbaum bis Taferl, Fortschreitende Verflächung des Bettes 
gegen die Thalenge hin, Innerhalb derselben sind Eisenbahn, Strasse und Fluss 
hoch und steil abgestufet, 

b) Bis zum Defilee beim grossen Steinbach. An der linken Thalseite 
drängen sich Fluss, Strasse und Eisenbahn dicht zusammen. Ausser den anfäng- 
liehen kurzen Ausweitungen des Bettes schneidet sich dieses immer tiefer ein, 
und Ackerparcellen erscheinen zwischen den Wiesen. 

e) Bis zu der scharfen Doppelwendung oberhalb Purkersdorf (Anfang des 
Mühlbaches an der linken und des Felsenbruchs an der rechten Thalseite). 
Zunehmender Ackerbau, welcher überall dort bis an die Ufer herantritt, wo die 
Höhe derselben zwei Klafter oder darüber beträgt. 

d) Bis zur Einmündung des Gablitz-Baches durchaus an der rechten Thal- 
wand tief eingeschnitten. 

e) Bis zum untern Ende von Weidlingau. Der jetzige gerade Lauf des 
Flusses ist in der Thalweite und der krumme Lauf nur mehr innerhalb der 
Durchbruchsenge. Die Eisenbahn bildet zum Theil das linke Ufer. 

f) Bis zum Mariabrunner Mühlwehr unterhalb der Mauerbach-Mündung. 
Wenig Gefäll, unsteter Wasserlauf. 

g) Bis zum Thiergarteneck, als jener Eisenbahnstelle, welehe am weitesten 
ins Wienbett hereinrückt, was nicht olıne Einwirkungen nach oben und unten 
bleiben wird. 

h) Bis zum Austritt aus dem Gebirge bei Hacking. Der unregelmässige 
Wasserlauf nimmt zu. 


56 J. M. Guggenberger. 


i) Bis zur Penzinger Kettenbrücke. Der Wildlauf des Wassers zeigt sich am 
fühlbarsten. 

k) Bis zur Mündung. Die festen Ufereinfassungen vermehren sich von Jahr 
zu Jahr. 

Für Regulirungszwecke würden sich noch einige Unterabschnitte ergeben. 

Die Bedeckung der Flussbettsohle ist mit Ausnahme der ganz kurzen 
Felsenstrecke oberhalb Purkersdorf und einer Tegellage bei Gaudenzdorf durch- 
aus ein mit Sand reichlich gemischtes Gerölle mittlerer Grösse. 


Wasserschäden. 


Bei dem bereits angeführten Umstande, dass die flache Thalsohle bis unter- 
halb Purkersdorf nirgends die Breite von 150° überschreitet, das Flussbett auch 
an seinen ausgeartetsten Stellen nie die ganze Breite des Thales einnimmt, in den 
tiefer eingeschnittenen Streeken aber zwischen 5 bis 10° Breite wechselt, kön- 
nen die Hauptbeschädigungen selbst der grössern Hochwasser doch nur in Ufer- 
angriffen an jenen Puncten bestehen, welche in der Richtung des Stromstrichs 
oder an scharfen Biegungen liegen. Eine mittelst natürlicher Austiefung gesi- 
cherte Wasserführung innerhalb des jetzigen Flussbetts würde daher voll- 
kommen genügen, alle Uferbeschädigungenauf ihr Minimum zu 
bringen, und so auch den minder festen Uferbauten eine lohnende Dauer zu ver- 
schaffen. 

Vorschläge zu solehem Ziele sollen weiter unten ebenfalls angedeutet werden. 


Wassernutzung, 


Der vom atmosphärischen Niederschlag allein abhängige unstete Wasserge- 
halt des Wienflusses kann für agrieo le Zwecke nicht von Bedeutung sein, selbst 
wenn mehr Raum und Gelegenheit vorhanden wäre; diese Art Wasserbenützung 
gilt daher gleich Null. 

Es erübrigt, da die Holzschwemme seit 70 Jahren nicht mehr besteht und 
von Floss- und Schifffahrt noch weniger die Rede sein kann, nur die industrielle 
Verwendung namentlich in den beiden Rıchtungen: als Triebkraft für Mühl- und 
Maschinenwerke und als Wasch- oder Spülwasser. 

Der Wienfluss treibt jedoch in seiner ganzen Länge heut zu Tage kaum 
über ein Dutzend Wasserwerke, von denen die Mehrzahl an dem sehon erwähnten 
3000° langen bei Mariabrunn beginnenden Mühlcanal liegen. 

Auch die Nebenbäche bewegen nur wenige Mühlen. 

Zur Wasser verstärkung in trockener Jahreszeit bedienen sich die Be- 
sitzer dieses grössten Mühleanals der Wien, eines noch wenig bekannt gewor- 
denen Verfahrens, indem sie etwa 300° oberhalb des Mariabrunner-Wehrs einen 
versenkten Brunnenschacht (Cisterne genannt) ‚anlegten, und das Seigwasser 
mittelst eines unter der Flussbettsohle fortlaufenden hölzernen Schlauches in 
ihren Canal führen. 

Während des heurigen so ausnehmend trockenen Sommers hatten sie es 
nur dieser Seigwasserbenützung zu verdanken, dass wenigstens mit 1 bis 1%/, 
Gang ununterbrochen gemahlen werden konnte. 

Nach den veröffentlichten meteorologischen Beobachtungen im heurigen 
Oetober fiel am 10, ein Regen-Niederschlag von 5,58 Linien — und die Wien 
regte sich noch nicht; am 11. 9.36" Regen — die Wien stieg nur 
um 1 bis 1:/, Fuss, der 12. October brachte 4,74" Regen — bei bereits 
ablaufender Wien. Das ist freilich für das Verweilen einer genügenden 
Menge Nutzwassers kein sehr tröstlicher Fingerzeig, der aber die Nothwendig- 


Das Wassergebiet des Wienflusses. 57 


keit grösserer Wasseransammlungen innerhalb des Flussbetts um so dringender 
herausstellt. 

Was von einer allerdings sehr wünschenswerthen Zuleitung fremder 
Wasseradern zu halten sei, wurde bereits des Nähern erwähnt, und so dürf- 
ten locale Wassersammlungen (gleichsam eine Drainage der Geröllabla- 
gerungen im grössten Massstabe) mittelst offener, vom Hochwasser er- 
zeugter, also auch bleibender Tiefbeeken, wie etwa die Alpenseen in 
ähnlicher Weise entstanden sein mögen, als neues Aushilfsmittel wohl nicht un- 
willkommen erscheinen. 

Wenn diese Tiefbecken zugleich in der Linie des vortheilhaftesten Strom- 
strichs liegen, ist die zweckmässigste Wasserführung nnd somit auch die ausgie- 
bigste und zugleich wohlfeilste Regulirung des Flusses mit erzielt, ohne der, mehr 
oder minder vollkommenen Ufereinwirkungen weiter zu bedürfen. 


Selbstständige Führung desWasserlaufs für Regulirungszwecke. 


Keine Regulirung, ausser man gräbt gleich meilenlange Flussbette, kann 
die langjährigen Verschlimmerungen mit einem Schlage ins rechte Gleichgewicht 
bringen; man kann jedoch und muss sogar die Besserung unverweilt anbahnen, 
wenn dem Ungewissen und ganz Zufälligen nicht länger mehr das Feld allein 
überlassen bleiben soll. 

Das Erste im Interesse des grossen Ganzen ist die Ermittlung und Bezeich- 
nung einer Bannlinie des Wasserlaufs, die selbst bei einer, möglicher 
Weise wiederkehrenden Verirrung des Wasserzuges (und die kann allerdings 
durch die bestehenden Unregelmässigkeiten nur zu leicht eintreten) aufrecht er- 
halten, und von den Anrainern schon ihres eigensten Interesses wegen respectirt 
werden müsste. 

Eine solche Bannlinie des Wasserlaufs bedarf in Rücksicht auf den Ufer- 
und Inselbesitz keinen eben so festbestimmten Raum zu beiden Seiten, welchen 
nebenbei gesagt, im Ausgleichungswege zu bestimmen, wohl den eomplieirtesten, 
fallweise vielleicht ganz unmöglichen Dingen zugezählt werden könnte. Das Hoch- 
wasser wird hier den besten Mittelsmann vorstellen und sich seinen Bereich schon 
von selbst geltend machen; dort aber, wo die Eigenthümer Werth auf festbe- 
stimmte Ufer legen, werden sie jede verringerte Breite des Bettes durch ver- 
grösserte Tiefe zu ersetzen bedacht sein müssen. 

Die Schwierigkeit der Ausmittelung und Bezeichnung einer Bannlinie wird 
doch noch von der Nothwendigkeit einer dauernden Festhaltung des be- 
zeichneten Wasserlaufs weit übertroffen, und ohne der letzteren ist jedes 
Vordringen ins Wassergebiet ein vergebliches Ringen; es führt nur zu eigenem, 
leider auch noch zu fremden Nachtheil. 

Allgemein betrachtet lässt sich die Bannlinie am schwersten in den perio- 
disch ganz unbändigen Wildströmen (Torrenten) und dann bei sehr schleichen- 
den, wasserreichen Flüssen und Bächen bestimmen. Beide verändern ihr Fluss- 
bett ohne Unterlass; die einen durch Stosskraft und Trümmeranhäufung, die an- 
dern durch Abnagen und Verlängern ihrer Schlangenkrümmungen. Die Bannlinie 
wird also am wenigsten mit den jeweiligen Uferlinien harmoniren und auch am 
längsten in scheinbarem Widerspruch bleiben, denn fast jeder Abschnitt wird 
seine Umwandlung in eigenthümlicher Weise durchmachen müssen. 

Die Bannlinie ist daher nicht mit einer Regulirungslinie zu verwechseln. 
Diese wird nur bei sehr einfachen Flussverhältnissen, und da oft nur strecken- 
weise, an manchen, durch unsere verwickelten Culturzustände bereits unverrück- 
bar gewordenen Puneten aber gar nie mehr in ihrer wünschenswerthen Richtung 


58 A. Steinhauser. 


durchführbar sein, während die überall absolut nöthige Bannlinie gezwungen ist 
an sehr positiv gegebene, eben nieht von der Natur allein bestimmte Puncte an- 
zuknüpfen oder auch solche zu verbinden, die eine Regulirung jedenfalls gern 
und ganz hinwegfegen möchte. 

Eine Bannlinie kann daher weder für unabhängig noch ganz gleichbleibend 
gelten; sie muss vielmehr überall möglich, daher ohne ausschliessliche Vor- 
bedingung durchführbar und zugleich dauernd wirksam sein, d. h. allen Interes- 
sen Rechnung tragend unbedingt respectirt bleiben. 

Als Anfang oder Uebergang zur endlichen Regulirung wird fallweise die 
Bannlinie auch nur provisorisch bestimmt werden können, und erst nach Verlauf 
einiger Zeit die völlige Feststellung erlangen. 

Nur wo die Verhältnisse so einfach wie bei unserem Wienflusse sind, fällt 
auch die Bannlinie in den uferlosen Strecken sogleich mit der eigentlichen Re- 
gulirungslinie zusammen, und mit der Fixirung derselben durch den neuen Was- 
serlauf ist die ganze Aufgabe gelöst. 

Die regelungsbedürftigste Flussstrecke der Wien beginnt unterhalb Weid- 
lingau und geht bis zur Penzinger Kettenbrücke, begreift also die vier Flussbett- 
abschnitte f bis i. In allen andern Abschnitten wird eine nach meiner Angabe 
bewirkte selbstständige Wasserführung in der unschädlichsten (zugleich 
nützlichsten) Richtung allein vollkommen hinreichen, allen dermal bedrohten 
oder angegriffenen Uferobjecten jeden erforderlichen Schutz zu gewähren. 


W. 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der 
Niveaukarten, sowohl See- als Landkarten. 


Von Anton Steinhauser, 
k. k. Rath. 


Mitgetheilt in der Versammlung der k. k. geographischen Gesellschaft am 5. und 19. Jänner 1858, 


1. 


Die Einsendung mehrerer Aufnahmskarten von Häfen des adriatischen 
Meeres mit Schichten von 10 Fuss, auch plastischer Schichtenmodelle derselben 
Häfen von Seite des Herrn k. k. Fregattencapitäns, nunmehrigen Directors, H. von 
Littrow, an die k. k. geographische Gesellschaft gab mir Veranlassung, über 
den Ursprung und die stufenweise Ausbildung der Niveaukarten (oder Schichten- 
karten) die folgenden Beiträge zu sammeln und zusammenzustellen: ein Versuch, 
für dessen Unvollkommenheit Nachsicht in Anspruch genommen wird. Aus der 
Zuschrift des Einsenders, unseres verehrten Mitgliedes, geht die höchst erfreuliche 
Thatsache hervor, dass die Aufnahme des Meeresgrundes an den adriatischen 
Küsten nach aus den zahlreichen Sonden entwickelten Linien gleicher 
Tiefe und nach Farbentönen, die einer Anzahl Schichten zufolge dem durch- 
geführten Grundsatze: je tiefer desto dunkler, zukommen, bei der k. k. 
österreichischen Marine bereits ins Leben getreten sei und somit eine neue Epoche 
für Seekarten unseres Littorale begonnen habe. 


Beiträge zur Geschichte Jer Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten. 59 


Mit dieser Art Darstellung der Unebenheiten, sei es über oder unter dem 
Meereshorizonte, tritt die Kartographie überhaupt in ein höheres Stadium der 
Vervollkommnung , indem durch das Hinzufügen der dritten, zur Construirung 
eines geometrischen Körpers erforderlichen Coordinate der absoluten Höhe 
und die gleichweit abstehenden, gleichlaufenden Sehnitte genauere Aufschlüsse 
über die Beschaffenheit des Bodenreliefs erhalten werden können. Weil aber die 
Linien allein nur Umrisse, nur ein Gerippe und keinen Körper geben würden, 
so sind zur Erzeugung eines plastischen Bildes je nach den gebotenen Verhält- 
nissen entweder die Schraffen beibehalten oder Farbentöne angewendet worden. 

Seit dem Jahre 1854 wurden über 20 Häfen und Canäle der dalmatinischen 
Küste für das Archiv des hydrographischen Instituts der k. k. Kriegsmarine nach 
ebenbesagter Methode aufgenommen und ausgearbeitet, und es ist zu hoffen, dass 
auch die übrigen in gleicher Weise folgen werden. Die Erkenntniss des grossen 
Nutzens, den solche Darstellungsarten gewähren, wird den Widerstand über- 
winden helfen, welchen jede bedeutende Neuerung findet, so lange die Kraft der 
Idee durch zunehmende Verbreitung nicht stark genug geworden ist, um alther- 
gebrachter Gewohnheit die Wage zu halten und nach manchen Rückschlägen sie 
zu besiegen. 

Zu den schon bekannten sehr bedeutenden Vortheilen bei dem Gebrauche 
solcher Seekarten, selbst unter ungünstigen Umständen, könnte noch jener bei- 
gefügt werden, dass durch solche deutliche (weil schnell übersehbare) Pläne und 
Modelle und durch Hinzufügung der Fahrrichtungen nach dem Muster der Eng- 
länder und Americaner der commandirende Oflieier von dem bisher unentbehrli- 
chen Lootsen immer unabhängiger werden kann und dass mit ihrer Hilfe ein wis- 
senschaftlicher Lootsenunterricht möglich geworden ist, 

Neu ist jedoch die bei den vorliegenden Schichtenkarten befolgte Methode 
nicht, sowohl in der Grundidee als in der Ausführung. Dieser Ausspruch darf 
nicht ohne Beweis und der Beweis nicht ohne Belege bleiben. 

Obwohl mir schon bekannt war, wie es auch Herr Sectionsrath Streffleur 
in seiner Broschüre „Das Landkartenwesen in Oesterreich“ anführt, dass die 
erste Erfindung der Schichtenkarten dem vorigen Jahrhunderte angehöre, obwohl 
ich schon gehört hatte, dass FML. Ritter von Hauslab in Oesterreich der erste 
war, der von 1820 an als Professor an der k. k. Ingenieur-Akademie die Auf- 
nahme mit absoluten und äquidistanten Horizontalschiehten lehrte und nach sei- 
ner Rückkunft von der k. k. Marine motivirte und mit Mustern versehene Vor- 
schläge zu solchen Meeresschichtenkarten gemacht hatte, obschon ich in der 
wohlbekannten reichen Sammlung des eben Genannten, die jede historische Frage 
der Kartographie ausführlich beantwortet, englische, russische und americanische 
Karten gesehen hatte, die bereits mehrfache Tiefenlinien aufweisen, so fehlten mir 
doch die bestimmten Daten, die Jahrzahlen dieser Arbeiten, um die genaue Auf- 
einanderfolge zu eonstatiren; ferner beabsichtigte ich, die nach Jahren geordneten 
Daten mit entsprechenden Beispielen und Belegen zu begleiten. Um beide Absichten 
zu erreichen, war eine Anfrage bei dem Herrn FML.R.v.Hauslab selbst und eine 
Einsicht der einschlägigen Kartenblätter unerlässlich. Die zuvorkommende Güte 
des Besitzers jener reichen, seit 30 Jahren mit verständigster Tendenz angeleg- 
ten Sammlung, zu der man bezüglich der Kartographie Zuflucht nimmt, wie es in 
der Statistik bei jener unseres zu früh verstorbenen Mitgliedes, Freiherrn von 
Reden, der Fall war, ferner die auch von anderer Seite eingezogenen und auf's 
Schnellste befriedigten Erkundigungen beim Herrn Professor Koristka in Prag 
und Herrn Hauptmann Emil von Sydow in Gotha ete., haben mich nun bezüglich 
der geschichtlichen Entwicklung der Schichtenkarten aller Art mitDaten so reich- 


60 A, Steinhauser. 


lich ausgestattet, dass ich im Stande zu sein glaube, den Verfolg und die Ausbil- 
dung der Idee besonders in Oesterreich möglichst vollständig darzustellen. Insbe- 
sondere hat mir Herr FML. Ritter von Hauslab nicht nur zahlreiche Proben ’sei- 
ner eigenen Arbeiten und Studien aus allen Perioden seiner Wirksamkeit zur Vor- 
weisung anvertraut, sondern auch die einschlägigen Karten in solcher Anzahl 
und Auswahl zur Verfügung gestellt, dass ich mich genöthigt sehe, behufs einer 
vollständigen Darstellung der stufenweisen Ausbildung der Schichtenkarten mehr 
als einen Vortrag verwenden zu müssen, weil das massenhafte Materiale einen 
grössern Zeitaufwand zur Durchsicht erfordert. Ich beschränke mich also für 
heute auf die Seekarten dieser Gattung allein, weil eben sie der veranlassende 
Hauptgegenstand sind und bei ihrer Vervollkommnung am einfachsten sich gestal- 
tet haben. 

Die älteste Karte, welche bereits entschiedene Neredilinen gleicher Mee- 
restiefe enthält, ist die Karte von Frankreich von Philipp Buache, geb. 1708, 
gest. 1773 (wohl zu unterscheiden von seinem Neffen Jean Nicolas, geb. 1740, 
gest. 1825), der sie im Jahre 1744 und 1752 der Pariser Akademie vorlegte. 
Sie trägt die Jahrzahl 1770 und hat im Canal Za manche Schichtenlinien von 
10 zu 10 Brassen. Die tiefere Schichte ist grün angelegt. Ein kleiner Schritt 
weiter, eine Schichte mehr in etwas dunklerer Färbung, und die ganze neuere 
Ausbildung der Idee läge bereits in den Grundzügen da. *) 

Dieser Schritt wurde aber nicht so bald gemacht, denn die nächsten Kar- 
tenzeichner haben die Wasserlinien des Buache gelassen, wie sie waren, und 
nachdem der Genfer Ingenieur du Carla die Anwendung gleichabstehender 
Niveaulinien auf die Oberfläche des Landes empfohlen hatte, versuchte der 
Geograph Dupain-Triel nach sehr wenigen Höhenpuneten eine Schichten- 
karte von Frankreich und so ging das Prineip der Schichtenkarten ausschliessend 
auf Landkarten über und kehrte in Frankreich nieht mehr auf Seekarten zurück, 

Unter den seefahrenden Völkern scheinen die Nordamericaner die ersten 
gewesen zu sein, die auf Hafenplänen und Seekarten nicht bloss die Tiefenzahlen 
der Sondirung, sondern auch die Niveaueurven angaben. Natürlich schliesse ich 
von dem Begriffe Schichtenkarte alle jene Seekarten aus, welche nur eine oder 
höchstens zwei solehe Linien zur Bezeichnung von Sandbänken bei Fluth und 
Ebbe und des Ankergrundes zeigen, und beschränke mich auf jene, die dem 
Grundsatze in grösserer Ausdehnung entsprechen. 

Die älteste der diesfälligen Karten, die nördliche Küste des mexieanischen 
Meerbusens enthaltend und behufs eines Canalprojeets durch Florida herausge- 
geben, trägt die Jahrzahl 1829.°”) 

Sie enthält 13 Pläne von Häfen und Einfahrten mit blossen Umrissen , die 
noch kein plastisches Bild gewähren. Wie ein solches durch das Hinzutreten 
der Farbentöne erreicht wird, sieht man aus der Bearbeitung derselben Pläne 
von Herrn FML. Ritter von Hauslab. Spätere Küstenaufnahmen von den Jahren 
1846 bis 1852 ***) zeigen, wenn auch nicht alle, bereits Abstufungen mittelst 


*) Buache’s Karte, Paris 1770, Dupain-Triel’s Karten nach du Cnrla’s Anwendung 
des Prineips von Buache auf Landkarten. Die erste vom Jahre 1891, die zweite vom 
Jahre 1702. 

*#) Nordamerica, älteste Karte mit Tiefen - Niveaulinien, dazu 13 Pläne Handzeichnungen. 
Map of the Territory of Florida eonected with the Delta of Missisippi 1829. 

###) 13 nordamerieanische Küstenkarten Harbours: 1. Newhaven 1846, 2. Annapolis 1846, 
3. Little Egy 1846, 4. Oyster Bay 1847, 5. Fischers Island 1847 , 6. Sheffield Island 
1848, 7. Blackrock 1843, 8. Chester River 1849, 9. Hyannis 1850, 10. Richmond Is- 
land 1821, 11. Beaufort 1851, 12. Humboldt Bay 1852, 13. Kay West 1852. 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten, 61 


Abnahme der Dichtheit der Punetirungen nach dem Grundsatze: je seichter, 
desto diehter. Auch ©. Maury hat sein Uebersichtskärtchen des atlantischen 
Oceans nach diesem Princip bearbeitet*). Der Grund davon scheint zweifelsohne 
in der Vermeidung des Farbendrucks und in der Ersparniss an Mühe für den Ste- 
cher zu liegen, weil bei dem entgegengesetzten Grundsatze viel grössere Räume 
für die immer engere Punetirung entfallen mussten. Eine vorzügliche Beachtung 
verdienen die auf nordamericanischen (und englischen) Hafenplänen unmittel- 
bar vorkommenden Sailing-directions, d. i. die Anweisungen über vortheilhafte 
Einfahrt durch Angabe der dienlichen Visirpunete und Richtungslinien , der 
Strömungen , Fluthzeit, regelmässigen Winde ete., was gewöhnlich den Bü- 
chern (Portolano’s) überwiesen wird, Spät erst erscheinen mehrere Schichten- 
linien auf englischen und russischen Karten, auf englischen beiläufig im Jahre 
1838, auf russischen im Jahre 1834. Das erste Beispiel der Anwendung des 
einheitlichen Farbendrucks mit stufenartigen Tönen auf Meeresschich- 
tenkarten bietet die zur Zeit des orientalischen Krieges im Jahre 1853 **) 
zu Berlin erschienene Karte des Bosporus von Kiepert, die damals häufig 
die Schaufenster der Wiener Kunsthandlungen zierte. Sie ist zugleich ein 
Muster, wie durch die Presse mit einem Drucke mehrere Schichten gege- 
ben werden können. Eine buntfarbige Ausführung, um gleichtiefe Schichten, die 
zerstreut auseinander liegen, schnell mit einem Ueberblicke zusammenzufinden, 
scheint bei Seekarten bisher nirgends versucht worden zu sein. 

In Oesterreich ist unbestritten FML. Ritter von Hauslab der erste, 
welcher schon seit 1820 die Aufnahme nach Schichten lehrte, was durch so 
viele Arbeiten seiner Schüler nach Modellen und nach der Natur bewiesen wer- 
den kann, und ebenfalls der erste, der seit 1829 nach vielfältigen Versuchen 
den Grundsatz feststellte, den Schichtenlinien durch Farbentöne (einer oder 
mehrerer Farben, wozu er eine sehr dienliche Scala erfand) einen plastischen 
Eindruck zu verleihen, und zwar nach dem Grundsatze: je höher, desto 
dunkler bei Landkarten, je tiefer, desto dunkler bei Wasserkarten, 
während der bekannte Lehmann’sche, auf den Böschungswinkel basirte (und 
daher nur bei Aufnahmen streng durchführbare Zeichnungsgrundsatz lautet: je 
steiler, desto dunkler. Oeffentlich hat er seine Idee in der Naturforscher- 
versammlung in Gratz im Jahre 1842 ausgesprochen, wie es im gedruckten 
Berichte darüber zu lesen ist. 

Schon im Jahre 1830, kaum von der k. k. Marine, bei welcher er 3 Jahre 
eingeschiflt war, zurückgekehrt, überreichte er in Folge des am Seewesen ge- 
wonnenen Interesse dem damaligen Hofrath und Marinereferenten von Nett den 
Vorschlag, den Meeresboden auf Seekarten durch Horizontalschichten darzustel- 
len und legte Zeichnungen und Modelle von einer Untiefe des Meeres im Skerki- 
Canale zwischen Sieilien und Africa und desHafens von Trapani vor, fand jedoch 
damals keinen Anklang, weil man kaum geneigt war, die Methode für eine wis- 
senschaftliche zu erklären, jedenfalls aber ihren praktischen Nutzen ganz ver- 
kannte. Wie wenig sie jedoch unpraktisch war, geht aus dem Lobe des Herrn 
Fregatten-Capitäns v. Littrow hervor, das er solchen Karten gerade ihrer 
Brauchbarkeit willen ertheilt, und aus seiner lebendigen Schilderung der Vor- 
theile, die sie dem Seemanne in allen Beziehungen gewähren. 


°) Karte der Dünen (Downs) 1846 und 3 Karten von der irischen Küste: 1. Liverpol- 
bay 1838, 2. Irisch Coast, Wielow to Dublin 1889, 3. Irisch Coast, Wexford to 
Wielow 1844. 

®®) Kieperts Karte des Bosporus, Berlin 1853, bei D. Reiner. 


A, Steinhauser, 


= 
WW 


Die damals vorgelegten Modelle und Zeichnungen liegen hier zur Einsicht- 
nahme bereit*). Durch den ungünstigen Erfolg liess sich jedoch R. von Haus- 
lab in seinen durch vielfache Versuche und Studien begründeten Ansichten und 
in seinen in dieser Richtung fortgesetzten Arbeiten nieht irre machen, sondern 
unternahm es, vom Jahre 1830 an, alle Seekarten seiner Sammlung mit Schich- 
tenlinien zu versehen und auf die schon oft berührte Weise vom lichtesten bis 
zum dunkelsten Blau zu ceoloriren. Eine Anzahl dieser Karten aus dieser Periode 
(die Karten tragen die Jahrzahlen 1832, 1833) enthält die Vorlage, sie dienen 
als ehrenvolle Beweise des rastlosen Fleisses und des wissenschaftlichen Eifers, 
der den unermüdlichen Mann beseelte und ihn seine Musestunden so erspriesslich 
verwenden hiess °*). Nicht ohne gewichtige Gründe blieb er dem Grundsatze der 
Tonsteigerung: je tiefer, desto dunkler, treu, dessen Anwendung den Vortheil 
gewährt, dass gerade die mit Detailschrift undZahlen am meisten erfüllten Räume 
die Lichtfärbung erhalten, die weniger damit versehenen die dunklere, wodurch 
der leichten Lesbarkeit kein Eintrag geschieht. 

Im Jahre 1844 unterwies Herr FML.Ritter von Hauslab den damaligen k.k. 
Hauptmann v. Ujewsky (nunmehrigen Obersten und Commandanten des Marine- 
Infanterieregiments) in dieser Art der Aufnahme und Färbung der Seekarten und 
verfertigte mit ihm für Se. kaiserl. Hoheit den ErzherzogFriedrich nach einem 
nivellirten und sondirten Plane ein Modell des Hafens von Pola aus Holzschichten 
mit Wachs überzogen und zur Füllung mit Wasser geeignet, wovon er noch die 
Pause besitzt. °”*) Dieses Modell fand sich bei der Uebernahme des Cadetten-Colle- 
giums im Jahre 1849 nicht mehr vor und die mühsame Arbeit musste dem Verneh- 
men nach von dem k. k. Artillerie-Oberlieutenant L.Kubesch im Jahre 1850 wie- 
derholt werden. Derselbe Hauptmann von Ujewsky gab später einen schraflirten 
Plan des Hafengrundes mit Horizontalschichten von Triest heraus, der ebenfalls 
zur Ansicht vorgelegt wird. 

Später als Hauslab hatte sich Herr Streffleur(seit 1850) mit gleichen 
Arbeiten befasst, sowohl mit colorirten Schichtenkarten, als mit plastischen 
Schichtenkarten des englischen Canals, des mittleren Theiles des mittelländischen 
Meeres. 

Alle diese Arbeiten sind bereits bei der Akademie der Wissenschaften, bei 
bei der jüngst in Wien abgehaltenen Naturforscher - Versammlung (bei welcher 
Herr Professor Forchhammer seinen Versuch einer unterseeischen Karte (des 
Meeres bei Troja) als vermeintlich neu vorlegte) und auch in den Versammlun- 
gen der k. k. geographischen Gesellschaft vorgezeigt und erläutert worden. Sie 
unterscheiden sich im wesentlichen fast gar nicht von den um mehrere Jahre spä- 
teren Arbeiten des Herrn Fregattencapitäns von Littrow. Herr Sectionsrath 
Streffleur hat im vorigen Jahre der k. k. geographischen Gesellschaft eine 
aus der vom Herr Ministerialrath vonMayern veranlassten Sondenaufnahme ent- 
standene Schiehtenkarte des Donaustroms (in der Umgegend von Wien) 
vorgelegt und wird in Oesterreich der erste sein, der eine Anwendung des oft 
berührten, in Farben ausgeführten Schichtenprineips auf den Mittellauf eines 


®) 3 Modelle und 6 Pläne aus dem Skerki-Canal und die dazu Anlass gebende englische 
Karte (ohne Sehichtenlinien), dazu auch eine spätere Karte vom Jahre 1833. 

»*) Karten des englischen Canals: a) Beachyhead 1823 London, und b) 6 Blätter, 
Berlin 1832. Karte der Tajomündung, 1 Blatt, London 1810 (noch ohne Schichten). 
Karte des irländischen Canals, London 1847 (mit 3 Schichtenlinien). Karte der 
Ostsee, 3 Blätter, 1832 (ohne Schichten). 


#=%) Pause der Schichtenkarte des Hafens von Pola. 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten. 63 


Stromes versucht hat. Die Seen des Landes ob der Enns hatte schon früher 
Herr Professor Simony nach vorheriger reichlicher Sondirung mit farbigen 
Schichten ausgeführt. Hiermit und mit den neuesten österreichischen Seehäfen- 
plänen sind meines Wissens die österreichischen Leistungen in Wasserschichten- 
karten vorläufig abgeschlossen‘, hoffentlich aber wird die Zukunft häufige Gele- 
genheit zur Erwähnung neuer Erzeugnisse geben. 

Hiermit wäre die Aufgabe, die ich mir für heute gestellt hatte, vollendet; 
allein zwei Umstände zwingen mich, von dem nächsten Vortrage einiges zu anti- 
eipiren®). Der Professor der praktischen Geometrie am technischen Institute in 
Prag, Hr. K. Koristka, war so freundlich, mir einige seiner auf Schichten- 
karten bezüglichen Arbeiten zur Vorlage zu übersenden, darunter eine Original- 
zeichnung des Planes von Prag und der Umgebung, mit Schichtenlinien über- 
zogen, und einen Correeturabzug des Stiches, dessen baldigste Rücksendung 
die heutige Vorlage nöthig macht. 

Ich füge noch bei, dass mir abermals durch die Mitwirkung des Herrn 
FML. Ritters von Hauslab nun folgende Schichtenkarten von Städten bekannt 
geworden sind: von Paris (vor etwa 20 Jahren; ein Exemplar war im Besitze 
des FML. Vaceani), von Stockholm, Kopenhagen, deren Jahrzahl nicht 
angegeben werden kann, theilweise von London, gelegentlich der Verhand- 
lungen der Commission englischer Aerzte über die Gesundheitsverhältnisse der 
grossen Städte”®), von Sebastopol, dann von Tiflis in Asien (Petersburg 
1844) und von St. Francesco in Californien 1852, also von Orten, wo man die 
Endpuncte der Civilisation zu sehen glaubt, und von Staaten , die man häufig 
nicht weit voran wähnt. 

Nun haben Sie zu diesen wenigen Beispielen durch den wissenschaftlichen 
Eifer eines österreichischen Professors für das allgemeine Beste den in Höhenab- 
ständen von einer Klafter fleissig ausgearbeiteten Schiehtenplan einerKronlands- 
hauptstadt vor sich, deren Niveauverhältnisse mehr als manche andere das Inter- 
esse an solchen Darstellungen zu wecken geeignet sind. Er wird in Kürze bei 
Herrn Perthes in Gotha erscheinen, sowie auch die aus 700 Höhenpuneten con- 
struirte Karte der Umgebung von Prag mit 10° Schiehten. Ein Niveauplan der in- 
nern Stadt Wien vom Herrn FML. Ritter von Hauslab ist dem Vernehmen nach 
zur Veröffentlichung bestimmt, einer über ganz Wien, auf die zahlreichen Nivel- 
lements des unterirdischen Wien gegründet, dürfte folgen. Ausserdem ist ein 
genaues Nivellement von ganz Wien durch den Kataster unter Leitung des Herrn 
Sectionsrathes Streffleur angeordnet, das höchst zahlreiche Coten in Klaftern 
und deren Tausendstel enthalten wird ***). Eine zweite Veranlassung zu einer 
vorläufigen Ausschreitung finde ich in der heutigen Schaustellung des Reliefs 
vom Monte Rosa, von Herrn Dr. Hermann Schlagintweit. Als Begleiter des- 
selben sind photographische Bilder (auf '/, redueirt, mit Schichtenlinien von 
1000 Fuss) in einem besonderen Blättehen beigegeben. Auf dem zur Ansicht 
folgenden Exemplare habe ich versucht, durch bunte Färbung die Schichten mehr 
zu verkörpern und den Gegensatz des Monte Rosa-Reliefs zu jenem der Zugspitze 
greller hervorzuheben. 


®) Originalzeichnung, Niveaukarte der Stadt Prag, von Sr. K. Koristka, 44400 oder 
1 —200 (in Klaftersehichten). Niveaukarte der Umgebung von Prag, 31 Quadratmei- 
len in %/ 44000 oder 1" — 20009. 
*®) First Rapport of the Comisson for inquiring unto the health of large towns and populous 
distriets. London 1844. 
#°°) Dask. k. Bombardiereorps hat im Jahre 1848 Wien bis an’s Ufer der Wien nivel- 
lirt. Im zweiten Vortrage wird die betreffende Arbeit erwähnt. 


64 A. Steinhauser. 


Die Idee liegt nahe, ob sich durch eine Vereinigung der (etwa rothge- 
druckten) Schiehtenlinien mit dem photographischen Bilde, abgesehen von allen 
Hindernissen, die in der Abhängigkeit des Ausdruckes von wechselnden Verhält- 
nissen desLichtes und der chemischen Wirkung liegt, nicht ebenfalls ein genügen- 
der, ja vielleicht sehr genügender plastischer Eindruck des Bodenreliefs gewinnen 
lasse. Die Frage über die Möglichkeit einer solehen Verbindung der Photographie 
und der Druckerpresse scheint mir an Wichtigkeit zu gewinnen, seit mir Herr 
Dr. Sehlagintweit die interessante Mittheilung gemacht hat, es sei ihm gelun- 
gen, auch bei senkrechter Beleuchtung Resultate der Abstufung zu gewinnen, 
was alle Bedenken wegen Verschwinden der Details der Unebenheiten im Sehat- 
ten aufheben würde. In dieser Beziehung erwarte ich von der Zukunft genügen- 
den Aufschluss und spreche nur noch die Hoffnung aus, dass der menschliche 
Seharfsinn die wichtigen Fortschritte im Gebiete der Photologie und Chemie auch 
auf die Kunst der Plan- und Landkartenzeichnung in weitester Ausdehnung nütz- 
lichst anwenden werde. Chauvin's Vorschlag einer neuen Methode der Berg- 
zeichnung und die später zu erwähnenden Versuche des Herrn Prof. Koristka 
stehen damit in naher Verwandtschaft. 


n. 


Bereits im ersten Theile meines Vortrages habe ich Ihnen, meineHerren, die 
älteste Schichtenkarte Frankreichs, die vom königl. Geographen Dupain-Triel, 
vorgezeigt, deren erste Begleitworte das Datum 1791 bringen. Diese nach der 
Idee des Genfer Ingenieurs du Carla“) verfertigte Karte erschien 1802 mit her- 
vorgehobenen Wasserscheidelinien ganz im Sinne des im Jahre 1793 verstorbe- 
nen älteren Buache, der als erster Begründer der später in ein Extrem ausge- 
arteten Beckentheorie mit rings erhabenen Rändern anzusehen ist, und der, um 
die submarine Fortsetzung der Becken zu erweisen, zuerst 1744 die Niveau- 
linien gleicher Tiefe aus den Meeressonden zu entwickeln empfahl **). 

Die beiden Karten von Dupain-Triel und seine im Jahre 1795 zu Paris 
erschienenen Recherches geographiques sur les hauteurs du plaines du royaume 
sur le mer et leurs cotes presque pour tout le globe et sur les diverses especes 
de montagnes, endlich sein 1804 und 1808 neu aufgelegtes Memoire explicatif 
de methodes nouvelles de nivellements d’apres du Carla pour le perfectionne- 
ment de la geographie scheinen viel Anklang gefunden zu haben und mögen Na- 
poleon imJahre 1802 veranlasst haben, über die Zustandebringung einer Niveau- 
karte von Frankreich Berathungen einzuleiten. Es ist aus den folgenden Ereignis- 
sen leicht zu erklären, warum diese Idee 12 Jahre lang wieder ruhte, da fast alle 
Kräfte des französischen Generalstabes im Auslande thätig waren, um die erober- 
ten Länder aufzunehmen und das Kartenmateriale zu den fast ununterbrochenen 
Feldzügen zu liefern. 

Als aber im Jahre 1814 die Ruhe zurückgekehrt war, und geschickte Offi- 
eiere genug vorhanden waren, und auch Zeit genug, um an ihre Beschäftigung 
für heimische Zwecke zu denken, überreichte der berühmte Mathematiker la 


*) Expressions des nivellements, ou methode nouvelle pour marquer sur les cartes terrestres 
et marines les hauteurs les configurations du terrain. Paris 1782. Eine frühere Kund- 
gebung erhellt durch eine Citation des 6. Cahiers von du Carla. Genf 1750. 

#*#) Der letzte renomirte Repräsentant der Beckenkarten ist die in Wien im Jahre 1818 
erschienene längst vergessene orographische Karte von Europa, von G. M. Sorriot, 
in 4 Blättern. 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten. 65 


Place am 14. October 1816 der Kammer einen Vorschlag zu einer neuen 
Karte von Frankreich, da die schon 72 jährige, einst berühmte Cassini'- 
sche Karte schon zu veraltet sei, den neuesten Anforderungen der Wissen- 
schaft nicht genüge, und die schon schadhaft gewordenen Platten ohne- 
dem einer Erneuerung bedürften. Der Vorschlag enthielt zugleich eine de- 
taillirte Norm für Höhenmessungen. Zufolge dieser Eingabe wurde am 21. 
März 1817 eine Commission aus allen einschlagenden Zweigen der Staatsverwal- 
tung, Militär und Civil, zusammengesetzt, deren Präses la Place war. Sie erstat- 
tete ihren Bericht, dessen Grundsätze am 6. August 1817 genehmigt wurden, 
und am 1. April 1818 begannen die Arbeiten. Es war beschlossen, aus einer 
grossen Zahl gemessener Höhenpunete (wenigstens 25 auf 1 Quadratlieu) gleich- 
abstehende Niveaucurven zu eonstruiren und zwar für Pläne (cartes minutes) im 
Zeiehnungsverhältnisse %/sgo0 von 2 zu 2 Metres, für Pläne im Maasse %,o000 von 
21/, zu 21/, Metres, für die Aufnahmskarten in %/goooo von 5 — 5 Metres, für 
die topographische Karte in 1/;0000 von 10 zu 10 Meires, Es erschienen wirklich 
3 Bl. im Maasse von 1/0000 (Paris, Beauvois, Melun), allein die voraussichtliche 
Langwierigkeit und Kostspieligkeit der Arbeit schreckte zurück und man be- 
schränkte sich (Beschluss vom 25. Febr. 1824), nur die Grenz- und Forstgegen- 
den in "/go000, alles übrige in "/,0000 aufzunehmen, und die topographische Karte 
auf %/soooo zu redueiren, so dass die ursprüngliche Zahl der Aufnahmsblätter 
(13350 in '/,0000) auf 835 Aufnahmsblätter und 208 topographische Blätter be- 
schränkt wurde. Ferner entschloss man sich, nachdem schon 4 Blätter mit Ni- 
veaulinien erschienen waren, die Horizontalen nur auf den Aufnahmsmappen zu 
geben, und so blieben auf den seit 1830 erschienenen Blättern der topographi- 
schen Karte die Niveaulinien weg und nur die Coten wurden beibehalten ?). 

Das grossartige Beispiel, das Frankreich durch das Nivellement eines so 
ausgedehnten Areals gab, erweckte natürlich die Nacheiferung anderer kleiner 
und grosser Staaten, und wir sehen das Prineip, mit der Landes-Aufnahme eine 
umfassende Nivellirung zu verbinden im grossen und im kleinen häufig und an 
vielen Orten in Anwendung. Seit 1829 wird in Hannover nach Schichten aufge- 
nommen von 50 zu 50', seit 1833 im Grossherzogthum Baden in Schichten von 
20 zu 20'°°), seit 1840 in Kurhessen in Schichten von 50 zu 50', eben so in 
Preussen seit 1847, in Neapel seit 1849 mit Schichten von 20 zu 20 M. 
(57' zu 57'), seit 1850 in Dänemark (die ersten Blätter der Karte erschienen 
1853) mit Horizontalen von 5° Distanz aus 100 Puneten auf 1 Quadratmeile! 
Die Nivellementskarte von Belgien (Brüssel 1848, 9 Bl.) und die seit 1855 da- 
selbst erscheinenden Provinzkarten, die seit 1850 herauskommende Karte von 
Sehottland mit 100° Schichten, die hypsometrische Uebersichtskarte von Jr- 
land, die scandinavischen Karten Forsell's, Keilhau's und Wergeland s 
und die von S. k. Hoheit dem Kronprinzen veranlassten hypsometrischen Arbeiten 
in Schweden und Norwegen, die Schichtenkarten von Finnland (von 
Gylden), die Arbeiten von Papen, von C.R. Wolff und andere, auf welche 
alle ich nochmals zurückkommen werde, beweisen, dass die nun 78 Jahre alte 
Idee du Carla’s weit hin Wurzel gefasst hat, und in mehr und weniger lebhafter 


°) Näheres über die gesammte Organisation dieser grossen Unternehmung enthalten 
die Bände des Memorial du depot de la Guerre, insbesondere der sechste, der auch 
den besondern Titel führt: Puissant nouvelle description geometrique de la 
France. Paris 1832. 

®®) Die topographische Karte enthält aber nicht die Horizontalen, sondern nur Coten 
und ist schraflirt. 


Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft, II, Bd. 1. Heft, c 


66 A. Steinhauser, 


Ausbildung begriffen ist. Verhältnissmässig sehr viel geschah für Landesvermes- 
sung in dieser höheren Potenz in der kleinen Schweiz, obwohl bei dem Mangel 
eines einheitlichen Planes auf verschiedene Weise und in verschiedenem Maasse. 
Drei Repräsentanten erwecken besondere Aufmerksamkeit. Die Karte des Kan- 
tons Zug (1850 4 Bl. 1/s;000) enthält einfache fein ausgezogene Horizontalen. 
Die Karte des Kantons St. Gallen (schon 1840 begonnen und seit 1853 in 16 
Blättern im Maasse !/35000 erschienen) ist durch J. M. Ziegler schraffirt ausge- 
führt worden, so dass die Niveaulinien von 100 M. Distanz meist ausgezogen 
und die dazwischen liegenden 10 Meterschiehten nur durch das Wechseln der 
Schraffenstriche ersichtlich gemacht wurden. Die Karte von Zürich, seit 1855 
im Erscheinen begriffen (in 1/5000) zeigt roth eingedruckte 10 M. Schichten 
ohne eine Zuthat für plastische Wirkung®). 

Man kann leicht schliessen, dass bei Aufnahmen im grossen Maasse 
das Princeip der absoluten oder wenigstens äquidistanten Niveaulinien zuerst sich 
geltend gemacht hat, und dass es demnach in die Praxis der seientifischen Corps, 
in den Unterricht an Militärschulen und in viele Anleitungen zur Situationszei- 
chenkunst übergegangen sein werde. Ich versuche nur in Kürze die Spuren auf- 
zuzählen , welche die Hypsometrie in ihrem bisherigen Stadium hinter sich 
liess, so weit es mir gegönnt war den Kreis von meinem Standpunete aus zu 
verfolgen. 

Die reichhaltige Karten - Sammlung des Herrn FML. v.Hauslab, Privat- 
Mittheilungen von Emil vonSydow u. a. haben mir, wie schon das vorigemal, 
reichliche Ausbeute gewährt. Wenn ich mit Lehmann beginne, der seit 1794 
mit Wort und That seine neue Theorie der Situationszeichnung zu verbreiten 
begann (die erste Auflage erschien 1799 in Leipzig, die zweite 1815, nach sei- 
nem im Jahre 1811 erfolgten Tode, die dritte 1830, so geschieht es nicht um 
diesen verdienten Mann in die Reihe der Begründer der Karten-Hypsometrie zu 
stellen, sondern um zu weisen, wie der erfindende menschliche Geist bei dem 
Einschlagen eines andern Weges an fruchtbaren Ideen vorübergeht und sein Ge- 
bäude auf weniger haltbaren Fundamenten aufbaut. 

Lehmann kömmt durch den Bösehungswinkel zu den Horizontalen, die er 
braucht um seine Striche senkrecht nach dem Wasserlaufe darauf zu legen, die 
Niyeaulinien sind ihm nur Mittel zur Zeichnung der Unebenheiten, nieht Zweck, 
während er bei Basirung der Berg-Zeiehnung auf gemessene absolute und 
gleichweit abstehende Niveauceurven sich seine Aufgabe sehr erleichtert hätte. 
Aus der besten Zeichnung nach seinem Schlüssel wird der Böschungswinkel mit 
weit weniger Sicherheit entnommen werden können, als er aus der Distanz 
zweier Curven bei bekanntem Abstande der Schichten hervorgeht, daher es eben 
so schwer ist aus der besten Terrainzeichnung nach Lehmann’'s Theorie ein 
verlässliches Profil zuentwerfen, als diese Aufgabe leicht gelösst wird durch 
Schichtenkarten mit zweckentsprechenden Abständen. Lehmann ’s Methode war 
bei seinem Tode, 20 Jahre nach ihrem ersten Auftreten, selbst in seinem Va- 
terlande Sachsen noch nicht als Norm angenommen, und auf den Vorwurf der 
darüber dem Ingenieureorps in der Berliner Militärzeitung gemacht wurde, er- 


°) Eigenthümliche Verhältnisse haben bisher verhindert, Oesterreich auch in der Reihe 
der Staateu nennen zu können, welche mit der Aufnahme ein detaillirtes Nivellement 
des Landes verbinden. Wer möchte jedoch daran zweifeln, dass dieser grosse 
Staat, den man in neuer Zeit gewohnt ist, an der Spitze gemeinnütziger Unterneh- 
mungen zu sehen, in einer so wichtigen Angelegenheit sich einer Aufgabe nicht ent- 
ziehen werde, die von kleineren Staaten bereits glücklich vollendet worden ist, 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten. 67 


folgte eine bittere Replik, worin dieser durch und dureh systematischen Methode 
die Systematik kurz abgesprochen, ja sogar sie geradezu für Pedanterie erklärt 
wurde!! Nun ist sie, wenige Länder ausgenommen (darunter nenne ich England), 
in Europa fast allgemeines Gesetz zur Darstellung der Unebenheiten geworden. 

Ich übergehe die Verbesserungen, welcheMallet in Paris im Jahre 1821*) 
und in seinen Fussstapfen der Professor Winkler an der Forstlehr-Anstalt in 
Mariabrunn im Jahre 1823”) durch Berechnung der horizontalen Entfernung 
der äquidistanten Niveaulinien aus dem Böschungswinkel versuchten, so wie die 
Vorschläge des Oberst Myrbach von Rheinfeld in Wien 1841 (anonym er- 
schienen, mit einer Kupfertafel) und E. Michaelis in Berlin 1845 **°), diebeide 
die senkrechte Schraffirung Lehmann's durch Horizontalschraffen ersetzen 
wollten und wende mich zur Zusammenstellung der mir bekannt gewordenen 
historischen Daten über Schiehtenaufnahme und Zeichnung und zwar zu- 
erst ausserhalb Oesterreich, dann in Oesterreich, 

In dem Werke Epure d’ecole polytechnic (Paris 1815) kommen schon 
Festungsentwürfe mit Schichtenlinien vor. Das Werkchenvon Charties (Beam- 
ter des französischen Kriegs-Departements) Models de Topographie erwähne ich 
nur, weil sich darin die abenteuerliche Anwendung der Horizontalschichten und 
Schraffirmethode auf ein menschliches Gesicht befindet! In Schreiber 's Vor- 
lesungen über praktische Geometrie enthält die Tafel III eine Schichtentraeirung 
mit und ohne Schraffen. In Becker 's (eines sächsischen Officiers) „Aufnahmen 
mit dem Messtische nach dem Augenmasse“ ist eine Schichtenkarte der Gegend 
von Stockerau enthalten, die aber nur als allgemeines Beispiel gelten kann, da 
sie auf keiner Aufnahme beruht. 

Viel interessanter ist die eben dort auf 8 Kärtchen dargestellte stufenweise 
Entstehung des Aufnahms-Blattes. Muthmasslich ist in den im Jahr 1850 erschie- 
nenen Musterblättern für die topographischen Arbeiten des preussischen General- 
stabes, die ich nicht gesehen habe, irgend ein Beispiel einer Schichtenaufnahme 
vorhanden. Wichtiger ist Chauvin's „Darstellung des Terrains in Karten und 
Plänen“ (Berlin 1852 mit Musterblättchen) und seine im Jahre 1854 erschienene 
Broschüre über die neue Methode der Darstellung der Unebenheiten, welche für 
die Einführung einer schiefen Beleuchtung der Horizontalschichten das Wort er- 
greift. Ich werde gute Gelegenheit haben, darauf nochmals zurückzukommen. 
Bach's Anleitung zur Situations-Zeiehnung (Stuttgart 1853) enthält Muster- 
blätter mit Horizontalen ohne Schraffen, und Schraffirung ohne Horizontalen. 
Wahrscheinlich der Neuzeit gehört eine französische Schichtenaufnahme vom 
Mont Cenis an (der Stich ist ohne Datum) mit Horizontalen von Mötre zu 
Mötre ohne Schraflen. Der bairische Ingenieur Loessl veröffentlichte im Jahre 
1854 eine Terrainpartie bei Traunstein mit 10° abstehenden Niveaulinien (die er 
statt Isohypsen unpassend Isopeden nennt), welche sich von ähnlichen Arbei- 
ten ohne Schraffen dadurch unterscheidet, dass die Linien eine Schattenwand 
haben, daher deutlicher erscheinen als mit blassen Umrissen. 

In Oesterreich wirkte im k. k. Militär zuerst vom Jahre 1819 bis zum 
Jahre 1827, der damalige Professor an der k. k. Ingenieurakademie, nunmehrige 
FML. Ritter von Hauslab für die Aufnahme in Horizontalschichten durch Zeich- 


°) Ewplieation de la table de longueur de hachure et resume de la maniere d’exprimer 
avec verite le relief et le nivellement du terrain. Paris 1821. 
°°) Theoretisch-praktische Anleitung zur Situationszeichnung. Wien 1824 bei Heubner. 
***) Darstellung des Hochgebirgs in topographischen Karten: Berlin 1845 bei Schropp. 
BR 


68 A, Steinhauser, 


nungen, Modelle und Uebungen. Viele der Zeichnungen nach den Modellen sind 
in spätere Anleitungen zur Situations-Zeichnung übergegangen, Diese Modelle 
wurden aber nicht bloss benützt, um auf Grundlage der Horizontalen die Schraf- 
firung zu erlernen, es wurden auch Aufgaben der beschreibenden Geometrie an 
ihnen gelöst, z. B. Ziehen von Tangenten aus gegebenen Puneten, Legen von 
Ebenen, Tangiren von Flächen, Construiren von Schatten und Schlagschatten nach 
gegebenen Beleuchtungspuneten, Durehdringen von Körpern u. s. w. alle darauf 
bereehnet, zu vorkommenden Arbeiten der praktischen Wirksamkeit vorzuberei- 
ten, z. B. zur geometrischen Construetion des nicht in der Schusslinie gelegenen 
Areals, wie es auf den Plänen der Linzer Befestigungen zur Anwendung kam, 
FML. Hauslab bewahrt noch aus jener Zeit eine Suite von Zeichnungen eines 
seiner befähigtesten Zöglinge, nun Majors, Frank. 

In diese Periode fallen die Aufnahmen und Modellirung der Gegend um 
Malborget, des Predil's, des Monte Zueco in Südtirol, Schiehtenpläne der Gegend 
um Bruck a. d. Mur u. a. m. 

Zwischen 1825—27 nahm FML. Hauslab für Seine kaiserliche Hoheit den 
Erzherzog Johannden Vordernberger Erzberg auf, so vielfach und nach den ver- 
schiedensten Richtungen in Durehschnitte und Profile zerlegt, dass nach dem Aus- 
spruche des berühmten Mineralogen Prof. Mohsder Berg durchsichtig gemacht 
wurde. Die zahlreichen Detailpläne dieser, für den Bergmann noch mehr als für 
den Topographen interessanten Arbeiten sind noch vorhanden und Copien der- 
selben werden in dem Archive der Gewerkschaft zu Vordernberg liegen. Die 
Curven steigen von 100 zu 100 Par. Fuss. 

Im Jahre 1825 nahm auch der Artillerie-Hauptmann Hofbauer einen Theil 
des Bisamberges mit Horizontalen auf, die früher ausgepflöckt mit Messtisch be- 
stimmt wurden. Dieses Stück findet sich gestochen in den von den Hauptleu- 
ten Hofbauer und Mayern auf Befehl des G.-Q.-Stabes 1826 und 1827 
herausgegebenen Muster-Blättern für die Darstellung des Terrains in den k. k. 
Armeeschulen, 

Später, als Se. k. Hoheit Erzherzog Johann im Jahre 1830 beim Ge- 
brauche eines von Hauslab mit Schichten überzogenen Planes der Umgegend 
von Eperies®) den Vortheil solcher Darstellungen gegen die blosse Cotirung 
praktisch erprobt hatte, kamen die Niveaueurven bei fortifieatorischen Plänen im 
k. k. Genieeorps und im Bombardiereorps zu häufiger Anwendung, und Pläne 
(mitunter auch von Modellen begleitet) der Umgebung von Enns, von der 
Schabbser Höhe bei Brixen, der nachmaligen Franzensfeste in Tirol (1832), 
von Nauders, eines Castells in Südtirol, von dem Linzer Fortificationsrayon 
(Hofbauer und Mayern)**), von Peterwardein durch Hauptmann Töth (1836 
bis 1837), von Deutschaltenburg (1844 — 1845), endlich in neuester Zeit vom 
Laaerberge bei Wien (1848 durch das k. k. Bombardiercorps aufgenommen, in 
vier Blättern und einem Reduetionsblatte) bilden eine Reihe von Erfolgen. Der 
letztere Plan mit Schiehten von 3 zu 3 Fuss hat für Wien eine besondere 
Wichtigkeit, weil er sich bis ans Wienufer, also über den südlichen Theil 
der Hauptstadt erstreckt. Der Vollständigkeit wegen müssen auch die derartigen 
Uebungsaufnahmen erwähnt werden, welche die Zöglinge der türkischen Gene- 
ralstabsschule unter Hauslab’s Oberleitung in den Jahren 1835, 1836, 1840 


°) Dieser Plan wurde später durch das Bombardiereorps lithographirt. 

*°) Man vergleiche Trink’s „Darstellung des Terrains mittelst Horizontalschichten nach 
den beim Baue des fortifieirten Lagers bei Linz gemachten Erfahrungen.“ Linz 1838 
bei Eurich. 


0 4005 Sir Eee ee es EEE u TE 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten. 69 


und 1841 ausführten. Man kann mit Grund behaupten, dass nun die Aufnalime 
mit gleich abstehenden Schichten bei den Generalstäben, so wie in den Militär- 
schulen überall verbreitet ist und als feste Grundlage der Situationszeichnung 
betrachtet wird. 

Im Civile muss als erster Lehrer und Verbreiter der Aufnahme in Schichten 
Professor Winkler von Brückenbrand an der k. k. Forstlehranstalt in Maria- 
brunn genannt werden, welcher den k. k. Thiergarten in Schichten aufnahm und 
Schüler bildete, die diese Aufnahmsweise im Forst- und Bergwesen verbreiteten. 
Unter diesen müssen seine beiden Neffen Kamptner genannt werden, von wel- 
chen der eine Forstmeister zu Friedberg in Oberösterreich (im Kobernauser- 
walde), der andere Forstmeister zu Sachsenburg in Kärnthen ist, 

Die grösste Arbeit der Art ist jedoch die Schichtenaufnahme des steieri- 
sehen und obersteierischen Salzkammergutes unter der Leitung eines 
der ausgezeichnetsten Schüler Winkler's, des nunmehrigen k. k. Forstrathes 
in Gmunden, Max. Edlen von Wunderbaldinger, in den Jahren 1838 — 1848 
für das Amt Aussee und in den Jahren 1846 bis nun für das Amt Gmunden aus- 
geführt und noch nicht völlig vollendet. Sie erstrecken sich auf eine Fläche von 
7.36 österr. Quadratmeilen in Steiermark und auf 12.,, österr, Quadratmeilen im 
Lande ob der Enns, so dass nur noch 7.;, Quadratmeilen erübrigen. Ausser den 
Aufnahmsmappen der Schutzbezirke wurden noch Bestandkarten (im Maasse 
1 W. Zoll = 80°) und Uebersiehtskarten (im Maasse 1 W. Zoll = 240°) 
und eine Hauptkarte (im Maasse 1 W. Zoll = 500°) angefertigt. Nur die letzte 
ist mit Schraffen ausgeführt. Die Sehichtenhöhen betragen auf den Uebersichts- 
karten 120 W. Fuss, auf der Hauptkarte 240 Fuss. Als Nullpunet für die Ausseer 
Karte gilt der Ausfluss der Traun nach Oberösterreich (1658 absolute Höhe), 
die Schichten des österreichischen Salzkammergutes sind diesem Nullpunete an- 
geschlossen und fallen bis 1178 über dem Meere, so dass die erste Schiehte des 
steierischen Salzkammergutes mit der ersten des österreichischen Salzkammer- 
gutes übereinstimmt. 

Zunächst sind die schon bekannten schriftstellerischen Arbeiten, Studien und 
Zeichnungen unseres verehrten Mitgliedes Herrn Seetionsrathes Streffleur, 
z.B. in Beziehung auf Hypsometrie: „Ueber das Landkartenwesen in Oesterreich“, 
- (in der österr. Militärzeitung und im Separat- Abdrucke erschienen), „Ueber die 
Darstellung der orographischen Ver hältnisse“ (Sitzungsber icht der kaiserlichen 
Akademie der Wissenschaften in Wien 1854), seine Ausnahmsstudien: insgrössem 
Maasse, die unter seiner Leitung und nach seinen Grundlagen und Zeichnungen 
ausgeführten plastischen Karten, welche bei den Uebersichtskarten nochmals wer- 
den erwähnt werden, und seine öfteren Vorträge in diesen und andern Räumen 
sprechende Beweise einer mehrjährigen vielfachen Thätigkeit für Schichtenkar- 
ten. Nicht weniger eifrig ist Herr Koristka, Professor der praetischen Geome- 
trie am Prager technischen Institute (dessen Schichtenkarten von Prag und 
Schiehtenkarte von Prags Umgebung in der vorigen Versammlung vorgewiesen 
wurden) in und ausserhalb seines Lehrfaches bemüht, die Prineipien der Niveau- 
karten fruchtbringend zu verbreiten. Mehrere Aufsätze in den Jahrbüchern der 
k.k. geologischen Reichsanstalt,*) behandeln die Methode der Darstellung und die 


*) Jahrgang 1852 Il. Ueber hypsometrische Messungen. 

“ 1853 Il. Bemerkungen über neuere fopographische Arbeiten und Forschun- 
gen. Mit einem Kärtchen, welches den Einfluss der Formation auf 
die Unrisse der Horizontalen zu zeigen bestimmt ist. 

” 1852 1., 1854 1., 1855 I., 1856 Il. Berichte über Höhenmessungen in Mäh- 
ren und Sehlesien als Grundlage zu einer Höhenkarte. 


70 A, Steinhauser. 


praktischen Mittel zur schnellen und wenigst kostspieligen Zustandebringung ge- 
nügend verlässlicher Schichtenkarten kleineren Masses. Ein Beispiel der Dar- 
stellung nach seinem Vorschlage ist das Kärtchen der Umgebung von Brünn, dem 
ich als Pendent und zum Vergleiche das Blatt der G.-Q.-Stabskarte mit grell gefärb- 
ten Schichten zu 20° Distanz beigegeben habe. Dieses Kärtchen ist als ein Embryo 
einer Höhen - Schichtenkarte von Mähren und Schlesien zu betrachten, welche 
vorzugsweise den Bemühungen des Hrn. Professors Koristka zu danken sein 
wird. Er basirt sie auf zahlreiche Höhenmessungen, die, nach dem Beschlusse 
des Werner-Vereins begonnen, jeden Herbst fortgesetzt werden, und trägt von 
jedem Standpuncte den Zug von 2 bis 3 Horizontalen mit Hilfe eines Reflexions- 
hypsometers an Ort und Stelle in die Spezialblätter der G.-Q.- Stabskarte ein. 

Ich habe das Vergnügen, Ihnen mehrere von dem Hrn. Professor Koristka 
veranstalteten Versuche einer Vereinigung der schiefen Beleuchtung nach Chau- 
vin mit einer gradativen Färbung der Schichten und zwar nach dem Prinzipe: je 
höher desto dunkler und: je höher desto lichter vorzuzeigen. Es wäre voreilig, 
aus einem solchen Beispiele schon eine unabänderliche Norm für alle Fälle ab- 
leiten zu wollen, zumal es sich sehr leicht ergeben kann, dass für Pläne in gros- 
sem Masse ein Prinzip zuträglich sich erprobt, das bei Karten in kleinem Masse 
nicht empfehlbar ist, und umgekehrt. 

Was von vielen Seiten und auf vielfache Weise versucht worden ist, um 
die geeignetste Art zu finden, Erdtheilkarten, Staatenkarten, Länder- 
karten hypsometrisch in Uebersichtsblättern darzustellen, werden wir sogleich 
erfahren. 

Einfache Horizontallinien vermögen bekanntlich noch weniger ein plasti- 
sches Bild zu gewähren, als es die Drahtgitter der geometrischen Körper vermö- 
gen, die man beim Unterricht in der Krystallographie anwendet. Man hat sonach 
auf Mittel gedacht, um den Horizontalen (für den Fall der Unthunlichkeit der 
Ausführung in Schraffen) einen plastischen Ausdruck zu verschaffen. Wir stossen 
bei der Uebersicht der bisherigen Leistungen auf so vielerlei Versuche, dass eine 
vorläufige Angabe der verschiedenen Eigenheiten angezeigt erscheint. 

Wir finden nämlich: 

a) Uebersichtskarten mit reinen Horizontalen ohne Schraffen, ohne Schum- 
merung und ohne Farbenton, 

b) solehe mit Anwendung von Schraffen oder Schummerung, und solche 
mit Farbentönen, und zwar mit einer Farbe in verschiedenen Abstufungen stei- 
gend oder fallend 

e) oder mit mehreren Farben, und in diesem Falle entweder 

d) nach willkührlicher Wahl oder 

e) nach einer fortwährenden oder 

f) wiederkehrenden Steigerung, endlich 

g) Karten mit erhabenen Schichten, sei es durch die Presse oder in an- 
derer Weise. Ferner kann man eine Unterscheidung machen zwischen 

h) unbestimmten Schichten (mit verwaschenen Grenzen) so zu sagen 
Studienkarten, auf welchen bloss die Intensität der Färbung die wachsende Er- 
hebung andeutet, und 

i) zusammengezogenen Schichten, nämlich solchen, wo mit Vor- 
bedacht charakteristische Merkmale aus angrenzenden Schichten vereiniget 
wurden, gerade so wie man bei historischen Karten zuweilen genöthigt ist, 
Uebergangsveränderungen der Zwischenperioden ersichtlich zu machen, oder 
wie ein Bauzeichner die Projeetionsfläche eines Durchschnitts wechselt, um einen 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten, 71 


wichtigen Theil, der vor oder hinter das Profil fällt, sichtbar zu machen, Bei 
strenger Durchführung der Schichten ist noch zu berücksichtigen 

k) ob alle Schichten gleichweit abstehen, oder 

I) nur eine Anzahl derselben, oder 

m) ob sie nach einem bestimmten arithmetischen oder geometrischen Ver- 
hältnisse an Höhe wachsen. 

Wollte man die bestehenden Niveaukarten nach allen diesen Merkmalen 
ordnen, so würde der historische Faden, der mir wichtiger dünkt, fast völlig 
verloren gehen, ich ziehe es daher vor, bloss die Leistungen des Auslandes und 
Oesterreich's zu trennen, endlich eine eigene Abtheilung aus den bisher veröffent- 
lichten, der Hypsometrie mehr oder weniger huldigenden Schulkarten zu machen, 
weil ihr Zweck eine andere Behandlung des Stoffes erheischt. 

Da man des berühmten C. Ritter Bergkarte von Europa (Titelkarte sei- 
nes Werkes: „Sechs Karten von Europa“, Schnepfenthal 1806?, 1813, 1820) 
eben so wenig als die Erdkarte von Zeune (in seiner Gea 1830) als Schich- 
tenkarten gelten lassen und sie kaum der Klasse h) beizählen kann, so ist die 
hypsometrische Karte von Europa von Olsen (Artillerie-Hauptmann und Lehrer 
der Topographie an der Militär-Schule in Kopenhagen) und Bredstorff (Pro- 
fessor der Mineralogie) die erste veröffentlichte Schichtenkarte, die das Prineip 
du Carla’s und Dupain-Triel's auf einen ganzen Erdtheil übertrug. Sie ver- 
dankt ihre Entstehung einer Preisausschreibung der Pariser geographischen Ge- 
sellschaft vom J. 1824, und erhielt wenn nicht den Preis doch eine Anerkennung, 
indem die Verfertiger mit einer Medailleim Werthe von 600 Franes betheilt wurden. 
Schon 1829 angekündigt erschien sie erst 1830 zu Kopenhagen, etwas später in 
einer 2. Ausgabe mit Schraflen und mit einem Commentar (1833), dem ein ziem- 
lich reichhaltiger Katalog einer orographischen Bibliothek angehängt ist. Ausser 
der Sehichte von 500' zeigt sie nur die Horizontalen von 1000' zu 1000' abso- 
luter Höhe. 

Eine theilweise Verbesserung derselben erschien im physikalischen Atlas 
von Hrn. Berghaus im Jahre 1842. 

Ebenfalls im Jahre 1830 gab Hauptmann Papen seine Schichtenkarte des 
Harzes heraus (mit Stufen von 100° bis 500" dann alle 500'). 

Im Jahre 1835 erschien in Berlin bei Rhoden (in der schwedischen Aus- 
gabe gewiss früher) Forsell's Karte von Schweden ‚und Norwegen im Maasse 
1/500000 » die erste Karte mit Farben, grün bis 300', roth bis 800', gelb bis 
2000, alles darüber weiss. Im beigegebenen Vorworte findet sich zugleich das 
erste Beispiel einer Berechnung der von den Schiehten eingenommenen Area auf 
Bruchtheile des Ganzen. — Im Jahre 1843 lieferte Herr Berghaus in seinem 
physikalischen Atlas eine geologische Karte des Riesengebirges in Schiehten von 
100 zu 100 Toisen. 

In demselben Jahre gab Blom zu seiner Statistik von Norwegen (Chri- 
stiania 1545, das II. Blatt im Jahre 1849) eine Karte mit den gleichen Schichten 
wie auf Olsen’s Europa. 

Das frühere Auftauchen mehrerer Schiehtenkarten von Schweden und Nor- 
wegen lässt auf eine dortlands sehr frühe fruchtbare Verbreitung dieser Darstel- 
lungsart schliessen. 

Von dem vielthätigen Hauptmann Papen erschien 1844 die hypsome- 
trische Uebersiehtskarte von Hannover, ein Auszug aus der Schiehtenaufnahme 
seit 1820 mit Niveaueurven für jede 100' bis 500', für die höheren von 500' 
und 1000'. — Im Jahre 1846 treffen wir die ersten veröffentlichten Karten eines 
sehr eifrigen Hypsometvisten, Herrn €, R. Wolff, Hauptmann und Ingenieur- 
Geograph beim preussischen Generalstabe (vielmals mit hypsometrischen Privat- 


72 A. Steinhauser, 


arbeiten für Seine Majestät den König beauftragt), und zwar: 1. Alpen und 
Jura, in 2 Blättern in 1/Mill. und 2. Deutschlands Boden, in 4 Blättern in '/Mill., 
mit Curven für 500, 1, 2, 3, 4, 5000 und 10,000' in Farben, ohne andere 
Tendenz der Scala als leichte Unterscheidung. Sein reichhaltiges Material an Hö- 
henbestimmungen überliess derselbe der geographischen Anstalt in Gotha. 

Im Jahre 1849 überraschte abermals eine hypsometrische Karte von Nor- 
wegen von Oberst Wergeland und Waligor ski mit Niveaulinien von je 500'. 
Im Jahre 1850 schlägt Ebel in Königsberg in seiner geographischen Naturkunde 
S. 122 die Höhenschichtenkarten als Grundlage von Temperaturskarten vor 
und fügt als Probe zwei Skizzen von Island bei, I. mit 3 Höhencurven zu 1000', 
{I. mit Temperatureurven, dunkelblau + 4°, hellgelb + 2° (bis 1500'), deckweiss 
0° bis 3000, über 3000" hellblau für —2®, dunkler gefärbt für —4°. 

Eine Schichtenkarte von Finnland lieferte Gylden (6 Blätter in t/ 420000» 
Titel schwedisch und finnisch). Buntlithographie. Die Schichten in russischen 
= englischen Fuss: 

dunkelblau  0'—100' dunkelbraun 400° —500' 
hellblau 100 "—200' hellbraun 300° —600' 
dunkelgrün 200°—300. dunkelroth 600° —700' 
hellgrüin 300'—400' hellroth 700'—800' 
gelb 800° — 900° 
weiss 900°—1000' 

In dieser Seala liegt im Allgemeinen und Besondern das Gesetz: je höher, 
desto Jiehter. Das Jahr 1851 lieferte eine Höhenkarte von Sachsen, von Stütz- 
ner, und eine vom Harzgebirge, von Prediger (in Klausthal erschienen). Im 
Jahre 1852 erschien in Gotha Emil von Sydo w’s und Hermann Berghaus’ Ge- 
birgskarte von Deutschland mit 3 Stufen des Tieflandes (ganz so wie die 3 Kar- 
ten von Deutschlands Mittelgebirgen in dem Supplement zu seinem methodischen 
Atlas), die sich durch volle grüne Farbe und Modifieation derselben mittelst wei- 
ten und engen Schraffen unterscheiden, mit Schichten für 100', 250', 500', 
unbeschadet ein paar Ausnahmen im Tullnerboden und in der oberrheinischen 
Ebene. In demselben Jahre publieirte das statistische Bureau in München eine 
Höhenkarte von Baiern. — Der Vollständigkeit wegen muss auch das kleine 
Kärtehen i FR Ziegler’s Hypsometrie der Schw eiz (Winterthur 1853) aufgeführt 
werden, das Schichtenlinien von 1000° Abstand enthält. 

Im Jahre 1853 wurde Hauptmann Papen’s Unternehmen einer hypsometri- 
schen Schiehtenkarte von Central-Europa angekündigt und ein Probeblatt zur An- 
sicht gestellt. Die eben erschienen zwei Blätter werden baldigst näher bespro- 
chen werden. Dem Jahre 1853 gehört eine in Paris gestochene, stark manie- 
rirte (Quasi-) Schiehtenkarte der algerischen Provinz Oran an, die das Jahr dar- 
auf in der Karte der Halbinsel Gallipoli (2 Blätter in 1/0000) vom Oberst Blon- 
del einen ganz gleichgestellten Genossen erhielt. 

Im Jahre 1854 muss Rathleff’s Karte von Esthland, Liefland und Kurland 
genannt werden, mit wenigen Schichten, die nach E. von pe s Manier mit 
Schraffen ausgedrückt sind. In demselben Jahre erschien €. R . Wolff's Umge- 
gend von Koblenz (1/,00000) mit Schiehten von je 100' bis 500° und j je 500" wei- 
ter, und im Jahre darauf lieferte dieser Nleissige Höhenforscher das Kiffhäuser 
Gebirge (10 Schichten zu 100°). Auf der Pariser Industrieausstellung erschien 
eine Schichtenkarte von Schweden, von 100' zu 100, die nur Privatcharakter 
hatte, wie Malte Brune in seinerRelation über die aufgestelltenKarten erwähnt. 
Wahrscheinlich war es das Original jener Copie, die von Sr. königl. Hoheit dem 


Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten, 73 


Kronprinzen unserm + Mitgliede Freiherrn von Reden zum Geschenke gemacht 
wurde, und welche dieser bei dem zuletzt von ihm in der geographischen Gesell- 
schaft gehaltenen Vortrage vorzeigte. — Mit Uebergehung jener Schichtenkarten, 
die nur zum Behufe von Reliefs angefertigt werden und daher gewöhnlich nur die 
Niveauhorizontalen zu enthalten pflegen, komme ich als Product der neuesten 
Zeit zu den soeben in Ravenstein's geographischer Anstalt in Frankfurt a. M. 
erschienenen 2 Blättern von Papen’s Schichtenkarte von Central-Europa. Sie 
lassen an Gewissenhaftigkeit der Umrisse, an Sorgsamkeit der technischen Aus- 
führung selbst des Druckes wenig zu wünschen übrig. Für den kleinen Mass- 
stab war die Aufgabe so vieler Schichten (bis 500', von 100 zu 100', über 
500' bis 5000' zu 500’ und weiter zu 1000°) wirklich hoch gestellt und wird 
im Hochgebirge viel Mühe erfordern. Im gleichen Geiste und wenn möglich mit 
gleicher Genauigkeit vollendet, wird diese Karte auf lange ein sehr werthvolles 
Document deutschen Fleisses und deutscher Beharrlichkeit bleiben. Eine weitere 
Ausdehnung über ganz Europa ist beabsichtigt und wird sicher in Angriff genom- 
men werden, wenn sich hinreichende Theilnahme für die 12 Mittelblätter zeigt. 
Diese Karte ist, im Vorbeigehen gesagt, die vierte, deren Netz nach Meridianen 
und Parallelkreisen geschnitten ist und daher eine unbeschränkte Fortsetzung in 
allen Richtungen erlaubt. 

Werden nicht veröffentlichte Arbeiten berücksichtigt, so muss in Oester- 
reich abermals Herr FML. Ritter von Hauslab als der erste bezeichnet werden, 
der in Uebersichtskarten den besten Weg einschlug und für die Ausführung der- 
selben feste Grundsätze aufstellte. Schön zur Zeit des russisch-türkischen Krie- 
ges (1828) während seiner Zutheilung bei der Internuntiatur zu Konstantinopel 
ward er zuerst angeregt, sich damit zu beschäftigen. Ein Memoire über eine Ver- 
theidigung der Türkei, wozu ein erklärendes Kärtchen nöthig war, führte ihn 
nach mancherlei Studien über die Gebirgszüge im türkischen Reiche auf eine 
charakteristische Schichtenkarte des Landes, die nach den entgegengesetzten 
Grundsätzen: je tiefer, desto dunkler, und je höher, desto dunkler, skizzirt 
wurde. Bald gewann er die Ueberzeugung, dass für Uebersichtskarten der letz- 
tere Grundsatz sich jedenfalls zweekmässig erprobe, und fand bisher keine Ur- 
sache, demselben untreu zu werden. Nicht nur aus eigenem Interesse an der 
Sache, sondern mehr noch als Leiter der türkischen Generalstabsschule, war er 
in der Lage, für den Unterricht in der Erdkunde charaktervolle Wand- und 
Handkarten zu entwerfen, um durch eine Suite von einzelnen Bildern eines Lan- 
des (Silhouette des allgemeinen Umrisses, Flussnetz, Schichtenkarte und politi- 
sche Karte) auf die Anschauung und Auffassung zu wirken. So entstanden ganze 
Atlanten, ungerechnet viele eigenhändig ausgeführte kartographische Studien. 
Auch auf die physikalische Geograpbie wandte er die genannten Grundsätze in 
grösster Ausdehnung an und erzielte durchgehends, insonderheit bei den Erschei- 
nungen von Fluth und Ebbe die überraschend:ten Erfolge. 

Im allgemeinen sind die Farben seiner bunten Schichtenkarten so gewählt, 
dass sie mit der Höhe an dunkler Wirkung zunehmen. 

Die Leistungen unseres verehrten Mitgliedes Herrn Sectionsrathes Stref- 
fleur, sind bereits mehrmals erwähnt worden. Auch hier bietet sich wieder 
Gelegenheit, weil die plastische Schichtenkarte von Tirol (aus Holz), die im 
vorigen Jahre in einer Versammlung der geographischen Gesellschaft zur An- 
sicht aufgestellt war, hieher gehört. Die hypsometrisch übermalte G.-Q.-St.- 
Speeialkarte von Niederösterreich ist ebenfalls hier gesehen worden. Ein noch 
grösseres Unternehmen, eine hypsometrische Karte der österreichischen Mon- 


7% A, Steinhauser. Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten. 
archie in 12 Blättern, ist seit einigen Jahren in Arbeit genommen, kann jedoch 
bei der Beschränkung auf Privatmittel nur langsam fortschreiten, auch kann das 
Materiale nicht so schnell gewonnen und verarbeitet werden, als die Ungeduld 
und Hast unserer Zeit es wünschen möchte. Das einzige durch die Presse ver- 
öffentlichte Produet dieses Fleisses, eine Art Vorarbeit zu der vorigen, ist das 
dem grossen ethnographischen Werke des Freiherrn von Czoernig angefügte 
Sehichtenkärtchen von Niederösterreich, welches nebstbei probeweise von der 
k. k. Staatsdruckerei in Schichten gepresst worden ist. 

Auch in die Mittelschulen, selbst in die Elementarelassen haben 
die Schiehtenkarten bereits in gradativer Intensität Eingang gefunden. Drei Män- 
ner müssen bei diesen Bestrebungen vor andern genannt werden. 1. Emil von 
Sydow, königl. preussischer Hauptmann ausser Dienst, nun in Gotha vielfach 
thätig, welcher, angeregt durch die braune Färbung des Hochlandes in dem 
Sehulatlas von Lieehtenstern (Berlin 1836) einem lange gehegten Gedanken 
Leben gab, indem er auf seinen anschaulichen und ausdrucksvollen Wand- 
karten, in den ersten Auflagen (seit 1837) eine grüngefärbte Stufe, in den 
spätern (seit 1847) zwei wohlunterscheidbare Stufen, aber nicht des Hochlandes, 
sondern des Tieflandes anbrachte. Mit dieser Einführung war der Anfang zu einer 
neuen Bahn für diese Unterrichtsmittel gemacht. C. Ritter's öffentlich ausge- 
sprochener Beifall lohnte seine Mühe und die Idee fand so viel Beifall, dass sie 
von sehr vielen Nachfolgern (Völter, Gross, Adami, Ewald ete.) mehr und 
weniger sorgsam adoptirt und das grüne Tiefland auf Schulkarten so zu sagen 
epidemisch wurde. Die Karten des methodischen Atlas (]. Aufl. 1842 nebst Sup- 
plementen 1851) und die Karten des Schulatlasses, auf welchen das Küstenland 
in schwarzen, engeren und weiteren Schraffen erscheint, stehen mit den Wand- 
karten im vollsten Einklange. Obwohl diese Arbeiten den eigentlichen Schiehten- 
karten höherer Potenz nicht beigezählt werden können, haben sie ihnen doch 
den Weg geebnet. 2. Delitsch (in Verbindung mit Dr. Vogel) versuchte in 
seinem Elementar-Atlas 1854 und seiner Wandkarte von Europa mit Oel- 
farbendruck eine vollkommene Anwendung des Prineips der Schichtenkarten, je- 
doch begreiflicher Weise mit wenigen aber grellen Tönen und sonach weiteren 
Abständen der Schiehten, als Olsen’s primitive Karte zeigt. In gleicher Ausfüh- 
rung hat Herr Delitsch eine Karte von Mitteleuropa bearbeitet, deren Erschei- 
nen in baldiger Aussicht steht. 3. J. M. Ziegler zu Winterthur hat dureh sei- 
nen hypsometrischen Atlas, in Farbendruck ausgeführt, einen wesentlichen 
Schritt weiter gethan. Während Delitsch bisher nur die Erdtheile lieferte, zog 
Ziegler fast alle Staaten Europa’s in den Bereich und begleitete die Blätter des 
Atlasses mit einem ergänzenden Texte, wo unter andern nach Forsell’s Weise 
die Procentantheile der Erhebungsschichten angegeben erscheinen. 

Hiermit schliesse ich die Nachweise über die stufenweise Ausbildung und 
den sichtbar gesteigerten Erfolg der Schiehtenaufnahmen und Schichtenkarten. 
Ich kann sie nur Beiträge nennen, da vieles Bestehende oft in geringer Ent- 
fernung nicht gekannt ist und nur durch das Zusammenwirken mehrerer Arbeiter 
an verschiedenen Puneten Europa’s eine gewisse Vollständigkeit erzielt wer- 
den kann. 


V. 
Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 


Meist nach Herrn Hansal’s Briefen mitgetheilt 


von Theodor Kotschy. 


(Mit einer Karte.) 


Schon unter den Ptolomäern in der letzten Blüthezeit des alten Aegypten 
wurde die Frage über den Ursprung des Nilstromes aufgeworfen. Seit jenen Zei- 
ten sind nun 2000 Jahre verflossen, ohne dass man durch die bisher nicht gelun- 
gene Entdeckung der Quellen selbst zu einem Endresultat in der definitiven Be- 
antwortung gelangt ist. Wie jedoch in neuester Zeit der dichte Schleier, welcher 
die früheste Geschichte dieses Landes bedeckte, durch die theilweise gelungene 
Enträthselung der Hieroglyphen lichter geworden ist, ebenso ist auch die eifrige 
Forschbegierde der Geographen dem eigentlichen Lande der Quellen jenes 
Wunderstromes, der das Land so einzig bewässert und mit Segen überschüttet, 
wenigstens um einen guten Theil näher gerückt. Die sonst vagen Vermuthungen 
sind jetzt auf ein ziemlich enges Feld eingeengt, so dass schon jetzt der Weg 
vorgezeichnet ist, auf dem man vorzuschreiten hat, um die entferntesten und 
vielleicht zugleich stärksten Quellen des ganzen Nilsystems aufzufinden. Die alten 
Geographen beruhigten sich, nachdem alle Versuche, zu den Nilquellen vorzu- 
dringen, vergeblich gewesen, mit der Ansicht, es sei der himmlische Wille, die 
Nilquellen, welche auch nach ihrer Meinung die ganze Ueberschwemmung 
Aegyptens veranlassen, als ein grosses Naturgeheimniss den Menschen zu ver- 
bergen. In den Hieroglyphen, wo der Nilschlüssel eine so bedeutende Rolle 
spielt, haben wir die ältesten Doeumente über die Stromkenntniss der alten Völ- 
ker zu suchen. Sobald diese Schriftzeichen einmal gänzlich enträthselt sind, wer- 
den sich wahrscheinlich auch durch sie Daten über den obersten Nil herausstel- 
len. Das so mächtigeReich der Pharaonen stand ja ohne Zweifel mit dem glückli- 
chen Priesterstaate von Meroe in Verbindung, welcher bei seiner hierarchischen 
Einrichtung sicher sich tief ins Innere Atriea’s in seinen Verbindungen mit Nach- 
barvölkern ausgebreitet haben wird. 

Der im alten Testamente öfters genannte Nehr Mitseraim (Nil Misr der 
Araber) ist wohl Homer's 'Alyurras rörzuos, von dem er sagt, dass er vom Him- 
mel (also aus den Wolken) herabkomme, und Aegyptus also der älteste bisher 
bekannte Name des Flusses bei den heidnischen Schriftstellern. 

Herodot nennt Aegypten ein Geschenk des Nil und lässt diesen aus Ni- 
gritien herabkommen mit einem Lauf von vier Monaten bis Syene; denn man 
weiss aus Erfahrung, setzt Herodot hinzu, dass Niemand von Elephantine bis 
zu dem Land der Automoler in weniger Zeit gelangen könne; doch über das 
erwähnte Volk hinaus sei alles ungewiss, da dieser Theil von Afriea der über- 
mässigen Hitze wegen eine öde und unbebaute Wüste bilde. Diese Ansicht 
Herodot's stimmt sogar mit den bis vor drei Jahrzehnten allgemein verbreiteten 
Nachrichten so ziemlich überein, nach denen man annahm, der Strom entspringe am 
Mondgebirge (Gebbel Kumri), 280 geographische Meilen von seiner Mündung 
entfernt. Der heutige Name des Flusses Nil scheint dem Nehhl oder Nekhl im 
Buche der Könige und Josua zu entsprechen; schon Hesiod (Theogonie V, 338) 
nannte ihn Neios; doch führt er ausserdem aber noch viele andere Namen. Die 


Ansichten späterer berühmter Geographen des Alterthums findet man in Carl Rit- 
ters Erdkunde I, pag. 523. 


-’ 
= 


Th. Kotschy. 


In der Mitte des vorigen Jahrhunderts erwähnt Bruce): „auf den Inseln 
des Abbiad, darunter vorzüglich drei grössere (also Mahabali, Nabra und Merhada), 
die aber zur Regenzeit wegen Ueberschwemmung nicht bewohnt bleiben können, 
lebt das Negervolk der Schilluk als Heiden und Flusseorsaren, welche diese Ge- 
genden weit und breit von ihren Inseln und Sumpfufern aus unsicher machen. “ 

Browne**) berichtet zu Ende des vorigen Jahrhunderts, der Fluss biete bei 
Hillet Alleis eine Ueberfahrt für die Caravanen von Dar - Fur und Kordofan nach 
Sennaar und hörte, dass er von einem hohen Bergrücken südlich von Darfur, Ge- 
bel el Kumri genannt, komme. Die bald darauf bekannt gewordenen Beobachtun- 
gen eines Ehrenberg, Rüppel und Hedenborg zeigten indess, dass die 
Südwinde in Dongola, Kordofan und Sennaar am heissesten und trockensten sind, 
es also in der Richtung südlich von Darfur weithin keine hohen Gebirgszüge 
geben könne. Vielmehr wurde es durch den vielen Schlamm, welchen der weisse Nil 
jährlich mitführt, gewiss, dass er auf eine weite Strecke sein Bett in fettem Bo- 
den eingegraben hat. Es entstand die Ansicht, dass die tropischen Regen sich 
auf den weiter südlich gelegenen Ebenen sammeln und Seen bilden, die endlich 
bei den immer zunehmenden Regengüssen ihre Umwallung überströmen und sich 
dann in ungeheuern Massen gegen die Ufer des weissen Flusses hinwälzen. Das 
hereits abgestandene Regenwasser sei mit leichter Lauberde versetzt, indem es 
längere Zeit auf solcher gestanden und daher also der befruchtende Schlamm, 
welchen man in soleher Menge in keinem andern Strom findet; die Ueberflu- 
thung desselben aber sei bloss Folge der tropischen periodisch wiederkehrenden 
Regenzeit. 

Cailland erreichte bloss die Vereinigung des blauen und weissen Flusses. 
Was er aber in Voyage a Meroe III. p. 94. ete. über die Zuflüsse des weisen Nil 
angiebt, hat sich durch die neuern Forschungen nicht erwiesen, 

Als unsere montanistische Expedition unter Leitung des Herrn Ministerial- 
rathes Ritter von Russegger im Jahre 1837 ihren Sitz zu weitern Reisen nach 
den Goldbergen des inneren Afrika’s in Chartum an der Mündung des blauen 
Stromes aufgeschlagen hatte, waren die Nachrichten über den südlichen Theil 
des weissen Nil, trotz unserer fleissigen Erkundigungen sehr dürftig und dabei 
noch meist unzuverlässig.°”*) Churschid Pascha, damaliger Gouverneur von 
Belled Sudan (dem der ägyptischen Regierung zinsbaren nordwestlichen Nigri- 
tien) hatte vor unserer Ankunft mehrere Jahre hindurch gegen die südlich von 
Sennaar und Kordofan gelegenen Länder Feldzüge machen lassen. Anfangs in den 
Jahren 1824 — 28 war es seine Absicht, das Paschalik im Süden zu vergrössern, 
was aber wegen theilweisen Wassermangel, der Wildheit des Landes und der 
dortigen Neger nicht gelang. 

Der Pascha begnügte sich später damit, jedes Jahr während der Monate 
November bis Februar seine Generäle mit Truppen in die südlichen freien Ne- 
gerstaaten ziehen zu lassen, um daselbst Steuern einzutreiben. Von den ein- 
zelnen kleinen Königen wurden Goldstaub, Elfenbein, Straussfedern vorzugsweise 
aber Neger, zumal junge, schöne Leute durch jene bewaffnete Uebermacht ein- 
gefordert. Diese armen Jungen sandte man als Rekruten nach Aegypten, aber 
zum grössten Theil unterlagen sie hier leider dem Heimweh, bevor sie noch ein 
Exereitium erlernt hatten. 


°) Bruce tr. Extract of Manuse. pag. 89, in C. Ritter’s Erdkunde I. p. 518. 
°*) Browne lin. I. from Cobbe to Sennaar p. 451 u. 456. 
#6°) Russegger's Reisen Il. 2, p. 70-93 efe. 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. re 


Stiessen die Generäle auf diesen Verheerungszügen, welche die Türken 
selbst Gaswa, Selavenjagd nannten, auf Widerstand, so brachte man gegen 
die nur mit Wurfspiessen bewaflneten Neger die Gewalt der Feuerwaffen in An- 
wendung. Ganze Ortschaften wurden dann niedergebrannt; sämmtliche Bevöl- 
kerung, so weit man deren habhaft werden konnte, in die Selaverei geschleppt; 
die bewaflneten Männer aber erlagen dem Feuergewehr *). In Folge dessen wur- 
den nun eine Reihe von Jahren hindurch selbst für die Selavenhändler, Dschelaba 
genannt, diese südliehen Länder unzugänglich, Früher pflegten diese Kaufleute 
dahin weite Reisen zu machen, um gegen Speiekwurzeln aus Steiermark und an- 
dere Waaren, Selaven, Gold, Elfenbein, feines Gummi und Straussfedern einzu- 
tauschen. Churschid Pascha befehligte nun eines Jahres solch eine Sela- 
venjagd auch längs der Ufer des weissen Nil durch die Länder der Schilluk, 
Dinka bis zu den Heliabs, auf welehen er jedoch nach 13 Tagmärschen den von 
Ost kommenden später bekanntgewordenen Gebirgsfluss Sobat nicht erreichte. 
Das Land war waldig, von feindlichen Negerstämmen überfüllt; der Strom durch 
Inseln verengt, bot überdiess durch die vielen herabgeschwemmten Baumstämme 
für das Vordringen der Proviant führenden Nilbarken grosse Schwierigkeiten. 
Auf einem weiten Marsche (durch Wälder?) sah dieser Befehlshaber zwei Pyra- 
miden, welche er in einer mit uns in Chartum gepflogenen Besprechung, jenen 
von Dschiseh bei Kairo gleichstellte. Dieser Bauwerke wurde von neueren Rei- 
senden bisher nieht erwähnt, weil sie in tiefen Wäldern wahrscheinlich zu fern 
von den bisher allein bekannten Flussufern gelegen sind. Da Herr v. Heuglin 
mehrere Tagreisen südlich vonSennaar unweitRoseres Pyramiden entdeckte, so ist 
an der Existenz jener von Churschid Pascha in der Nähe des weissen Nil bei- 
läufig in derselben Breite gesehenen nicht zu zweifeln, um so mehr, als nach 
neuesten Ansichten mit Recht der Priesterstaat Meroe auf die Insel zwischen dem 
weissen und blauen Nil verlegt wird. 

Vor meiner Fahrt auf dem weissen Nil mit Herrn v. Russegger beschiffte 
denselben bis El Ais von Europäern bloss Ingenieur Linant Bey; dort hörte er, 
dass ein Regenstrom Nid el Nil von der Westseite herkomme, dann weiter süd- 
lich aber der Nil sich in einen West und Ostarm theile. Auch uns war es nicht 
möglich, über die ägyptische Grenze El Ais vorzudringen. Während der be- 
schwerlichen Reisen in den Negerbergen der Nuba, südlich von Kordofan er- 
fuhren wir, dass weiter im Innern ein starker Fluss Keilak von West, ein noch 
bedeutenderer ungenannter aber von Ost dem Nil zufliesse, während der Haupt- 
strom von Süd herkomme*°). 

Als der greise Reformator Aegyptens, Mohamed Ali, in wahrhaft heroischer 
Weise die Beschwerden nicht scheuend, sich zu den Goldminen bei Fassoglu 
persönlich begab, um bei den widersprechenden Angaben hinsichtlich des Gold- 
reichthums persömiche Ueberzeugung zu gewinnen, erliess er beim Anblick der 
Theilung des Stroms neben Chartum, den Befehl zu einer Forschungsreise gegen 
die Quellen des weissen Nil. Türkische Offiziere unter SelimCaptan segelten 
den 17.Novbr. 1839 von Chartum ab, erreichten nahezu den 6. Gradund kamen 
nach einer viermonatlichen Fahrt, am 26. März 1840 wieder glücklich in Char- 
tum an. Sie waren die ersten Weissen, welche über EI Ais hinaus bis an den 
vom Kaffaland herabkommenden Sobat vordrangen, und den Hauptstrom von Süd 


°) Solehe Feldzüge sind noch nach unseren Reisen oft wiederholt worden, haben jetzt 
aber gänzlich aufgehört. 
®®) Russegger's Reisen II. 2. pag- 83. 


18 Th. Kotschy. 


herkommen sahen. Noch in demselben Jahr, den 23. November 1840 unternahm 
man unter Befehl desselben Selim Captan, den diessmal vier Europäer, Ar- 
neaud, Werne. Tibeaut, Sababatier begleiteten, eine zweite Reise auf 
dem weissen Nil, Alle Daten der ersten Reise bestätigten sich, der westliche 
Zufluss des Keilak wurde aufgefunden und nach vielen Schwierigkeiten die Sümpfe 
passirt. 

Noch andere Zuflüsse münden in diesen weitausgebreiteten mit stachlichen 
Graswäldern bedeckten und von Gruppen der wuchernden Ambatschpflanze ?), 
eineraus dem Grunde desFlusses emporwachsenden Leguminose, durchbrochenen 
Wasserspiegel. Auf dem Tubiri oder Churifiri, als dem wasserreichsten, erreichte 
man nahezu den vierten Grad nördlicher Breite. 

Herr W erne**) veröffentlichte einen ausführlichen Bericht über diese zweite 
Expedition zur Entdeckung der Nilquellen. 

Ein bedeutender Tauschhandel mit Elfenbein, der auf beiden Expeditionen 
gemacht wurde, ermuthigte mehrere Europäer, welche Handel in Chartum trei- 
ben, soBrunn-Rollet***), in die südlichern Theile des Stromes hinaufzufahren ; 
aber keiner von ihnen hat die Breite jener 2. Expedition erreicht; auch ist es 
keinem Weissen später gelungen, südlicher vorzudringen, als nur den Herrn Pro- 
viear v. Knoblecher, Mosgan, dem leider für die Wissenschaften zu früh entris- 
senen Angelo Vineo und einigen Missionsgliedern, unter denen sich auch der 
kürzlich nach Wien zurückgekehrte Missionslehrer Herr M. L. Hansal befand. Ihm 
verdankt die geographische Gesellschaft eine Sammlung ethnographischer Ge- 
genstände aus jenen Gegenden. Ueberdiess gewährte er mir hier die Benützung 
von vier noch nicht publieirten Briefen, welche er auf seiner Reise von Chartum 
bis Gondokoro an seinen Freund Herrn Imhoffin Wien geschrieben. 

Die Missionsberichte und veröffentlichten Privatbriefe dieser für das künf- 
tige Heil der Nilneger sich aufopfernden Männer enthalten neben dem Zeugniss 
ihrer Thätigkeit, lehrreiche Nachrichten über den Zustand jener Natur-Menschen 
und den Charakter der von ihnen bewohnten Gegenden. Auch Herr von Les- 
seps****), dessen kleine Schrift vor mir liegt, hat seine wichtigsten Nachrich- 
ten über den weissen Nil von Herrn Provicar von Knoblecher erhalten. 

Wenn man den Nil von seiner Mündung an, durch Aegyptens fruchtbare, 
Nubiens karge, zum grössten Theil wüste und sandige Uferländer bis zu der 
östlichen Abzweigung des blauen Armes 16 Breitengrade weit verfolgt, so muss 
man sich wundern, dass, so lange sich der Strom unterhalb Cairo nicht theilt, 
er ohne Zufluss trotz seines langen Laufes durch Wüsten und trotz der vielen Ab- 
leitungscanäle eine ebenso starke Wassermasse aufweist, wie diess 230 Meilen 
südlicher, also seinen Quellen näher, nach der Vereinigung bei Chartum dem Au- 
genschein nach der Fall ist! 

Auf der Landzunge von Chartum neben der Theilung des Stromes stehend, 
sieht man sich von weiten Ebenen umgeben. Die Gewässer der beiden Nilarme 
vermengen sich nicht sogleich bei ihrem Zusammenfluss. An dem östlichen Ufer 
schleicht ein klares grünliches, an dem westlichen ein schlammig trüb, weisslich 
gefärbtes Wasser weit hin, Von Chartum aufwärts nämlich bis zum 10. Grad hat 


°®) Aedemone mirabilis Kotschy. Oesterr.-bot. Monatschrift 1858. Nr. 4 sammt Abbildung. 


°°) Ferdinand Werne’s Expedition zur Entdeckung der Quellen des weissen Nil. Berlin 
bei Reimer 1848. 


»°*) Brunn-Rollet, le Nil blanc, Paris 1855. 
#>=5) Lesseps, Le Nil blanc etle Sudan. Journal L’Isthme de Suez. 10. nov: et 25. Mai 1857. 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil, 79 
der weisse Nil ein breites, kaum geneigtes Bett, so dass sein Wasser nur einen 
Kilometer durch eine Stunde, ja bei Nordwind fast gar nicht fliesst. Die flachab- 
fallenden Ufer sind kaum eultivirt, die weitere Landschaft aber mit wilden Pflan- 
zen, Gesträuch und Hochwaldbedeckt. Am 13. Grad unweit von der am westlichen 
Ufer einst gelegenen Stadt EI Ais beginnt der Archipel der Schilluk und dehnt 
sich bis einen Tag vor der Einmündung des Sobat, also drei Breitengrade aus. 
Diese Reihe von Nilinseln ist mit diehten Wäldern aus Nilmimosen, welche das 
unverwüstliche Sundholz liefern, bewachsen und nieht gerade spärlich wegen 
Jagd und Fischfang ausser der Regenzeit bevölkert. Den nördlichsten Theil des 
Flusses von Chartum bis El Ais, der in gerader Linie an 33 Meilen beträgt, 
bereiste ich selbst wiederholt zu Wasser und zu Land, sowohl in der trockenen 
Jahreszeit, als auch während der Ueberschwemmung. 

Am äussersten Theile der Landzunge bei Chartum, vor der Mündung des 
blauen Flusses, ist der weisse Nil durch felsigen Untergrund bei niederem Was- 
serstande bis auf 300 Klafter eingeengt. In dieser Jahreszeit müssen hier die 
von Chartum einfahrenden Barken den Klippen vorsichtig ausweichen. Die ersten 
Uferstreeken nach Süd zu, sind wenig bebaut und mit einer schwachen Decke 
Flugsand, der vom Innern der Insel herkommt, überzogen; aus ihm erheben sich 
jedoch Strauehwerk und einzelne Bäume von Nilmimosen. Bald aber breitet sich 
der Wasserspiegel zu einem See aus, die Ufer, von diehtem Nilmimosenwald um- 
säumt, treten bis an den Horizont zurück, Die Diekichte bilden in ihrer wilden 
Ueppigkeit mit den vielen Schlingpflanzen, den buntblühenden Ipomeen und gross- 
blättrigen Windlingen, unter den weiten Kronen der Bäume Laubengänge ; denn die 
zartblättrigen Mimosen sind in den dieken Stämmen 4— 5 Klafter hoch, und 
haben ausgebreitete Aeste, 

Während der trockenen Jahreszeit vom Deeember bis Juni werden die 
Ufergegenden von Nomadenarabern stark bevölkert, weil in der Accaba, der Sa- 
vanne, das Wasser ihren zahlreichen Heerden fehlt. Die Männer, welche diese 
zur Tränke an den Fluss begleiten, sind meist gross und schlank gebaut, von 
kupferbrauner Farbe, regelmässigen, wohlgeformten, nur schwach an den Neger- 
typus erinnernden Gesichtszügen. Ihre Waden und Arme sind dünn, das dunkel- 
schwarze Haar ist wollig gekraust; mit Schöpsenfett übertüncht, bildet es eine 
drei Zoll starke, den Kopf gegen die Sonnenstrahlen schützende nach eigener 
Art sorgfältig frisirte Perrücke. Einige bis sechs Zoll lange Borsten vom Sta- 
chelschwein stecken als Frisirnadeln, zugleich als Zierde, im dichten Haare. 
Ueber die linke Schulter und um die Lenden ist das 2—3 Klafter lange, ganz im 
eigenen Haushalt erzeugte baumwollene Umhängtuch (Ferda) in Falten geworfen 
angebracht. Die Füsse sind durch Sandalen von Nilpferdhaut gegen die Dornen 
geschützt, sonst ist der mit Fett eingeriebene Körper nackt. Der linke Arm trägt 
das langovale vom Knie bis an den Hals reichende Schild, aus dem Rückenstück 
einer Nilpferdhaut. Hinter dem Schilde ragen einige in derselben Hand gehaltene 
Speere hervor. Auf dem Rücken ist unter der Ferda ein breites zweischneidiges 
Schwert in breiter rothlederner Scheide so befestiget, dass es über den Kopf her- 
vorgezogen werden kann, Eine lange Stange mit einem scharfen Spitzhacken wird 
in der rechten Hand geführt, um den getränkten Heerden grüne Mimosenzweige ab- 
zubrechen, deren Blätter und Rinde sie in der dürren Jahreszeit gierig kauen. An 
den Tränkstellen muss man am seiehten Ufer viel Aeste weit in den Fluss dicht 
legen, um die durststillenden Thiere vor der Gefrässigkeit der Krokodille zu be- 
wahren. 

Isolirte kahle, vom Strome aus gesehen den Baumwuchs 2—3 Mal über- 
ragende Sandsteinhügel heissen am östlichen Ufer Garra el Nebbi oder Dschebbel 


s0 Th. Kotschy. 


Aule, am westlichen Mandera Dschebbel Mussa. Sind diese dem Gesichtskreis 
entschwunden, so hat man die einzige im Jahre 1837—1840 an diesem Flusse 
stabile Colonie, die Schiffswerfte Mandschera in der Landschaft Wod Schelley 
erreicht. 

Schon mit dem Beginn des breiten Stromspiegels über Chartum erscheinen 
auf demselben häufig die Köpfe der Nilpferde, zwischen denen sich zahlreiche 
Gruppen bunter Schwimmvögel, wie Anas aegyptiaca, A. gambensis, 4. mela- 
notos, A. Plotus Vaillantii, Pelecanus rufescens, Sterna leucoptera, Fulica 
atra ete. bewegen. An den Ufern oder auf ausgetrockneten Schlamminseln liegen 
schlafend, mit dem offenen Rachen der Sonne zugekehrt, riesige Krokodille, von 
einer dichten scheckigen Heerde hochbeiniger Sumpfvögel, aus Grus Virgo, 
Grus Pavoninus, Anastamus lamelligerus, Tantalus Ibis, Platalia ruficeps, 
Ibis religiosa, Hemantopus atropterus, Numenius argnatus, Ardea atricollis, 
A. minuta. A. purpurea und noch anderen bestehend, umgeben, während hoch 
in der Luft ganze Wolken von ascehgrauen Kranichen ihre wundervollen Manöver 
ausführen und die Luft schreiend durchkreisen. 

Sobald vor Abend am westlichen Ufer angehalten wird, setzt sich die Barke 
im Schlamme fest, und man erreicht, auf den Armen der Matrosen zehn Schritte 
durch den Schlamm getragen, das Trockene. Viele ebenere Stellen sind bei 
tiefen Wasserstande in einen dichten (hier zu den grössten Seltenheiten 
gehörenden) frisch ergrünenden Rasen mit Erdmandel (Cyperus esculentus) 
durchwachsen. Ein Gang in das Gehölz versetzt uns Europäer in eine neue 
Thierwelt. Schon im nahen Gesträuch verabschieden mit seltsam klingendem 
Rufe mitunter prachtvoll gefiederte Vögel die dem Horizont zueilende Sonne, 
Auf den ersten hohen Bäumen springen zahlreiche Gesellschaften von Affen 
(Cercopitecus griseo-viridis) umher. Sie haben die Grösse eines Hasen und 
einen langen in einen weissen Busch sieh endenden Schwanz. Der Jäger, 
nach dieser leichten Beute gierig, richtet mit seinem Doppelgewehr unter 
ihnen schnell eine grosse Verheerung an; ein Affe nach dem andern fällt todt 
oder noch winselnd zu seinen Füssen herab. Trotz der Hitze seiner Jagdlust ge- 
wahrt er eine mit dem Tode ringende Affenmutter vor sich, die ihr kleines schrei- 
endes Junge mit den langen Armen fest an ihre Brust drückt. Bei einem solchen 
Anblicke drängt sich ihm das Bild einer mit dem Tode ringenden Menschenmutter 
so lebhaft auf, dass er ganz starr bleibt. Von Schauer im Innersten ergriffen 
schleudert er sein Gewehr weit zur Seite, mit dem festen Vorsatz, nie wieder 
solch ein Wesen zu schiessen. Beim Untergang der Sonne nähern sich ganze 
Haufen von Aflen vorsichtig dem Flusse, weise nachforschend, ob nicht in der Nähe 
die nur wenig über dem Wasserspiegel bemerkbaren Nüster eines lauernden 
Krokodilles zu entdeken wären. Schnell ist in langen Zügen der Durst gelöscht 
und alle enteilen auf Bäume den bald herannahenden Hyänen, wilden Hunden und 
Katzenarten. Das Geschnatter der Pfefferfresser und das Gekrächze der mannig- 
fach gefärbten Sumpfvögel hört allmählig auf, indem es dem Abendeoncert der 
Frösche, dem Geschrei der ans Feuer unverschämt herankommenden Hyänen, ge- 
mengt mit dem melancholischen Rufe der afrieanischen Nachteulen, welches etwa 
eine Stunde dauert, Platz macht, bis endlich die tiefe Stille der Nacht eintritt. 
Nur zeitweise wird diese von dem eigenthümlich rasselnden Grunzen der Nilpferde 
oder dem tiefen Murren, Brummen und Brüllen der unsern Feuern ausweichenden 
grössern wilden Thiere unterbrochen. ‘ 

In wenig Stunden ist am nächsten Morgen Wuod Schelley erreicht, eine 
stark bevölkerte Landschaft auf dem westlichen Ufer in nordwestlicher Rich- 
tung von der Hügelgruppe Arasch Cool gelegen. Gleich bei Annäherung 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil, 81 


auf dem sonst einsamen Flusse befremden die vielen Barken längst des Ufers 
und Gepolter, wie es der Reisende seit Cairo nicht gehört, reicht weithin über 
den stillen Wasserspiegel aus dem waldigen Ufersaum zu seinem Ohr, Ist man am 
sanft ansteigenden Ufer angelangt, so ragen Gerippe von mehreren im Bau be- 
griffenen Nilbarken mit ihren aus rothbraunen Sundholz gezimmerten Armen ent- 
gegen. An 200 Arbeiter, Araber und Neger sind emsig beschäftigt, Holzstämme 
aus dem Wasser zu heben, die seit dem vorigen Jahre, eine Nilüberschwemmung 
hindurch, im Stromgrunde gelegen, weil sie nur so von Wasser durchsetzt erfah- 
rungsgemäss dem alles zerstörenden Teremitenfrasse widerstehen. Die Zimmer- 
leute bringen ihre weitere Arbeit nur sehr langsam vorwärts, obwohl alle ihre 
Werkzeuge aus englischem Stahl verfertigt werden, weil das Sundhelz der Mi- 
mosa nilotiea Willd. für die Axt ungemein hart und zähe ist. Doch sind dafür die 
Barken wieder unverwüstlich und obwohl schon_15 Jahre hindurch jährlich mit 
dem angeschwollenen Nil ein Geschenk von 40 Sundbarken von Seite des hiesi- 
gen Paschaliks nach Aegypten gebracht wird, welche man dort zu den gröbsten 
Transporten, meist von Steinen gebraucht, so hat man dennoch zur Aufmunterung 
des hiesigen Chefs berichtet, dass noch keine Sundbarke durch Fäulniss unbrauch- 
bar geworden. Die Arbeitereolonie hat sich Baracken aus Rohr und Grasgeflech- 
ten errichtet, die zwischen dem hohen Gesträuch zerstreut umherstehen; auch 
sind einige Wasserzüge zum Anpflanzen von etwas Grünzeug errichtet. Die übri- 
gen Lebensmittel bezieht man meist aus Chartum, Fleisch und Durakorn ausge- 
nommen, welche die Hauptbedürfnisse ausmachen und bei den zumal am westli- 
chen Ufer zahlreich nomadisirenden Arabern leicht zu bekommen sind. Da bei 
Bearbeitung des harten Holzes eine grosse Anzahl Werkzeuge zu Grunde gehen, 
so sind mehrere Schmiede mit deren Herstellung vollauf beschäftiget und die 
starken Schläge auf dem Ambos unter freiem Himmel sind hier fremdartige 
Klänge, so dass der ganze Bauplatz das Ansehen eines regen, so tief in Afrika 
noch in Chartum nieht vermutheten Treibens erhält. Während in der Nähe dieser 
Ansiedelung manche bisher unbekannte Pflanze vorkommt, worunter sich die 
schönsten Blumen Loranthus venustus Frl., Buchnera orchidea DC., Peda- 
lium Oaillaudii Rich., Digera arvensis Forsk. zeigten, war ein Gang wei- 
ter in's Land hinein nicht befriedigend, da das Land sandig und dürre ist. 
Eine Gruppe von’Zelten wird hier von Arabern des Schech aus Wod Schelley 
‚bewohnt, die man besuchte, um Milch zu trinken. Die Zeltgruppe war mit einer 
grossen Hecke aus Mimosenästen eingefasst, deren Eingang durch einen sehr 
dieht verästeten, besonders stachlichen Mimosenbusch gesperrt wird, indem man 
ihn wohl von innen, nicht aber von aussen wegschieben kann. Bei Annäherung 
wird man von melıreren Spitzhunden aus jener Race, welche man bei den Hiero- 
‚glyphen abgebildet findet, unsanft empfangen; sie sind aber zugleich Ursache, 
dass bald ein Araber, mit Schild und Speer bewaffnet, den Busch wegzieht und 
herbeieilt, um die Fremden von ihren Anfällen zu befreien. Der weite Hofraum 
Zeriba genannt, in dem auch die Heerden Nachts gegen die Anfälle der Gepards 
und gefleckten Hyänen Schutz finden, sieht natürlich so wie der Boden eines 
‚Kuhstalles aus. Nähert man sich den Zelten, so empfangen die hier nicht ver- 
schleierten, mitunter durch angenehme Gesichtszüge ausgezeichneten Frauen und 
Mädchen den Fremden mit Jubelruf bei Gesang und Tanz. Erst durch ein kleines 
Geschenk macht man dem lustigen Reigen ein Ende. Neben jedem luftig ausge- 
spannten Zelte stecken Lanzen und Wurfspiesse im Boden, während Schild und 
Schwert im Innern des Zeltes hängen. Da diese Leute sehr genügsam leben, so 
kochen sie auch wenig; desshalb das Kochgeschirr vor demEingang neben einer 
kleinen Feuerstelle im ganzen aus 2—3 breiten Thontöpfen besteht. Beim Ein- 
Mittheilungen der k. k. geogr, Gesellschaft. II, Bd. 1. Heft. 


82 Th. Kotschy. 


tritt in das Zelt wird man zum Sitzen auf ein Gestell eingeladen, welches über 
dem Boden etwa drei Fuss erhoben aus einem Rahmen, der miteinem elastischen 
Federnetz überflochten ist, besteht. Auf dem Boden sind gleich Dielen, Geflechte 
aus Ruthen der Aselepiadee Sarcostemma aphyllum Decaisne, die durch rohe 
Lederstreifen verbunden sind, ausgebreitet, welche so steif wie Bretter, für die 
Nomaden den Vortheil haben, dass sie zusammengerollt leicht auf Kameelen fort- 
zuschaffen sind. Auch die Seiten des Zeltes werden von einer solchen aufgerollten 
Wand aus trockenen, die grüne Farbe behaltenden Ruthen bekleidet. Hinter 
dieser Wand sind auf Gestellen aus der Ooscharpflanze , Calotropis pro- 
cera R. Br., deren Holz die 'leremiten meiden, alle Vorräthe an Vietualien vor 
Zerstörung gänzlich geschützt. Durakorn, wilder Reis, getrocknetes Fleisch und 
während der Regenzeit eingesammeltes, gedörrtes und zu Staub zerriebenes 
Grünzeug, so Bamien, Meluchia, Rygle, Früchte von rothem Pfeffer sind in eige- 
nen Lederschläuchen aus Antilopen-, Gazellen- und Ziegenhäuten aufbewahrt, 
worunter auch einige Schläuche mit getrockneten und dann zerriebenen Heu- 
schrecken als beliebte Zuthat zu Mehlspeisen nicht fehlen. Diese Vorraths- 
schläuche werden aus Rohhäuten durch die Frauen schnell und sehr gut mit den 
reifen Früchten des Sundbaumes gegärbt, so dass sie ganz weich werden. An 
den Wänden hängen verschiedene Ledergeflechte, welche zum Sattelzeug der 
Kameele gehören, und meist mit kleinen Kauris-Muscheln geziert sind. Mehrere 
Thierhäute, besonders von Schafen, liegen aufdem Schlafgestell, welches Angareb 
genannt wird. An einer Seite im Eingang des Zeltes hängt ein Schlauch mit 
saurer Milch und daneben ein zweiter mit im Luftzuge abgekühltem Nilwasser. 
Eine mit ausgeschnittenen Figuren verzierte Kürbisschale dient zum Mischen der 
sauern Milch mit Wasser, womit der Durst schnell und in angenehmer Weise 
gelöscht wird. Einige Krüge stehen weiter hinein gegen die Vorrathskammer, in 
denen man eine Art Bier gähren lässt, welches, aus Durateig bereitet, angenehm 
säuerlich schmeckt und bei Genuss grösserer Quantitäten berauschend wirkt. 
Auf der entgegengesetzten Seite in der Nähe des Eingangs liegt auf der Erde 
ein 11/, Fuss breiter etwa 3 Fuss langer glatter Stein mit einem zweiten dicken 
zwei Faust breiten Reibsteine. Die Durakörner oder auch selbst Samen von wil- 
den Gräsern nämlich werden gewöhnlich am Abende in einem der breiten Töpfe 
eingeweicht und am Morgen ist es das nicht eben schnell abgethane Geschäft der 
Frauen, diese eingeweichten Samen auf dem breiten Steine zu Mehlteig zu reiben. 
Dieser wird über Feuer langsam gekocht und wie eine dünne Polenta genossen, 
In einem andern Topfe werden in Wasser oder Milch mit Zuthat von Butter, 
Kräuter mit Fleisch gesotten und dann über diese braune Polenta ausgegossen; 
darüber wird noch eine Hand voll Pulver getrockneter Heuschrecken gestreut, 
wodurch das ganze Gericht einen angenehmen krebsartigen Geschmack erhält. 
Dies ist allgemein die tägliche Morgen- und Abendspeise der Araber an den Ufern 
des weissenNil. In Zeitender Noth begnügen sie sichmitabgekochten Durakörnern, 
die sie Belile nennen, und von denen sie sich besonders während ihrer Uebersied- 
lungsreisen nähren. Der Reichthum dieserLeute besteht vorzüglich im „Viehstand*, 
welcher sich auf 14—20 Kameele, eine Ziegenheerde undeinige Rindererstreckt. 
Ihre während der Regenzeit so reichlich eingesammelten Duravorräthe halten sie 
in der Erde verborgen. 

Stets findet man bei ihnen eine sehr gastfreie Aufnahme, und ist der 
Fremde nur nieht abstossend, oder gar grob und roh, so wird er bei den Arabern 
der Nilufer von Chartum bis über Mandschera hinaus sicher reisenkönnen. Nach- 
dem wir mit Milch und Bier bedient, ausgeruht, und einige Geflechte von Leder- 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 83 


riemen angekauft hatten, begleiteten uns einige Männer bis in die Nähe der 
Schiflswerfte, weigerten sich aber entschieden mit uns bis zu unserer Barke zu 
gehen, indem sie befürehteten, die Zimmerleute würden sie zu Handlangerarbeit 
drängen. 

Oberhalb der Schiffswerfte von Mandschera bekommt die Gegend ein immer 
wilderes Aussehen. Niedrige meist mit Sträuchern der Sinnpflanze, Mimosa Hab- 
bas, überwachsene Schlamminseln folgen einander; die Vegetation wird in dem bis 
an die Ufer vordringenden Sandboden immer ärmlicher; auch hat die Axt südlich 
von der Schiflswerfte die ganze Landschaft verändert. Alte hohe verdorrte 
Bäume ragen mit ihren mächtigen Armen gleich Gerippen der einstigen Hochwäl- 
der längs der immer kahler werdenden Ufer einzeln hervor. Aus den nahen 
Steppen und dem Hügellande Arasch-Cool ziehen Rudel von Antilopen ungestört 
dem Wasser zu. Bis hieher bewohnen das westliche Ufer die nomadisirenden 
Araber Hassanie, das östliche die Baggara,. Mit dem Eintritt zwischen die Schil- 
lukinseln ist das ganze Land wieder von Hochwald überschattet, In den Canälen 
zwischen den Inseln, welche oft so schmal sind, dass zwei Barken einander nicht 
ausweichen können, wachsen bei fast stehendem Wasser grosse Massen von 
Schwimmpflanzen, (dureh die prächtige Nymphea Lotus L., Nymphea coerulea Savi, 
Nymphea ampla DC., Neptunia stolonifera @uill. et Perrot, Pistia aethiopica Frl; 
Myriophylium sp., Potamogeton sp. und die seltene Vallisneria aethiopica reprä- 
sentirt), zwischen denen die Nilpferde ihre Nahrung finden und Pfade bahnen. 
Hatte man die drei Inseln Mahabali, Nabra, Merhada und nebenbei noch viele 
kleinere passirt, so befand man sich im Jahre 1837 an der Grenze des ägypti- 
schen Gebietes; man hat die Ruinen der einstigen Stadt El Ais erreicht, wo ein- 
zeln erscheinende Canots mit bewaflneten freien Schilluknegern ein weiteres 
Vordringen unrathsam machten. Jene Canots sind mittelst Feuer ausgehöhlte und 
recht sinnreich zugerichtete Baumstämme, die, nur wenig bemannt, sehr schnell 
die Fluth durehschneiden. 

Unsere friedliche Fahrt hätten wir nicht einmal so weit fortsetzen können, 
wenn uns nieht der Zufall günstig gewesen wäre. Es waren nämlich gerade ei- 
nige 100 Holzhauer von der Schiffswerfte auf die Schillukinseln abgegangen, 
welche zugleich an beiden Ufern und auf den Inseln von Soldaten begleitet, bis 
El Ais vordrangen. Der Strom ist hier wieder vereint, und um mich Brown 's 
Worte zu bedienen, so breit, dass man eine Menschenstimme vom entgegenge- 
setzten Ufer her wohl hören, aber ein Gesicht nicht erkennen kann, An seinem 
Westufer stehen Bäume, auf dem Ostufer aber liegt die Stadt der nackten Schil- 
lukneger, die hier gegen einen Zoll übersetzen. Die Stadt ist aus Lehm gebaut. 
Bevor die Türken Sennar und Kordofan eroberten, führte über Hillet Alleis die 
Caravanenstrasse von Darfur nach Sennar. 

Zur Regenzeit bietet der weisse Nil eine ganz abweichende Physiognomie 
dar. Der Wasserspiegel bedeckt weithin die ganze Uferlandschaft, zumal auf der 
Westseite, wo die bis an die Aeste unter Wasser stehenden damals laublosen 
Bäume einen ganz eigenen Anblick darbieten. Aber auch die höhern sandigen 
Ostufer liegen mit ihren Anhöhen und Sanddünen in, und die Niederungen dazwi- 
schen unter den Fluthen, bis tief in dasLand hinein; obgleich kaum balb so breit, 
wie das Kordofanufer, welches meist auf 2 — 4 Stunden weit überfluthet wird. 
Keine Barke zeigt sich über dentrübe vom Südwind gepeitschten Fluthen; die un- 
zähligen Schwärme von Schwimm- und Sumpfvögeln haben sich weit umher in den 
für sie jetzt nahrungsreichen Savannen zerstreut, die von Inseeten und Amphibien 
strotzen. Die Heuschreckenschwärme werden von der Familie des heiligen Ibis 
meist schon ganz in ihrem Entstehen vertilgt, und was diesem entgeht, um sich 

6* 


84 Th. Kotschy. 


bis zur neuen Brutlegung zu erhalten, klauben unsere Störche, die den Winter 
dort zubringen, auf, indem sie nach der Regenzeit in unübersehbaren Colonnen 
die trockenen Savannen durchmarschiren. Höchst selten kann man vom Ufer 
aus ein Nilpferd oder Krokodil entdecken; selbst die sonst so zahlreich den 
Uferbewohnern zu Gebote stehenden Fische werden nicht gefangen, weil sich die 
Nomaden viele Tagereisen weit von dem Ufer in die Savannen mit ihren Heerden 
begeben. Für diese ist jetzt die beste und schönste Zeit; 2—3 Fuss hoch wächst 
überall auf so weiten Ebenen das Futter an, so dass neben den Heerden noch 
Tausende von Antilopen ihr Futter finden. Der üppigste und mannigfaltigste 
Blumenreichthum in aller Farbenpracht liegt an beiden Ufern bis an die 
milchweissen Wellen hingebreitet; alle früher sandigen oder mit strohgelbem 
Gras überdeckten Landstrecken werden ein lachender Garten, in den noch 
Einbuchtungen des Flusses gleich kleinen Seen eingreifen. Ihre Wasserfläche 
prangt mit grossen prachtvoll blauen und weissen Wasserrosen, schwimmen- 
den gelben Mimosen, rothen Windlingblumen in strotzender Ueppigkeit und 
Schönheit, wie wir sie uns kaum vorstellen können. 

Hat man wenig gekannte Landstriche mit viel Glück für die Wissenschaft durch- 
forscht, hat man sich überzeugt, dass vieles, was an den Ufern des weissen Nil von 
Chartum bis El Aisin zoologischer, zumal aber in botanischer Beziehung mit so gros- 
ser Mühe gesammelt worden, für Wissenschaft und Europas Sammlungen ganz neu 
ist, so drängt sich unwillkürlich die Vermuthung auf, dass jemehr man nach Süd 
vordringt, die Formen immer vielfältiger und interessanter werden dürften und man 
fühlt sich zugleich von dem wärmsten Wunsche beseelt, auch über jene weiter 
südlich gelegenen, früher unter keinen Umständen zugänglichen, jetzt aber schon 
einige Male besuchten Länder, über Völker, Thiere und Vegetation wie auch all- 
gemeinen Landes-Charakter einige Nachricht wieder zu erhalten. 

Herr Hansal, als schätzenswerther aufmerksamer Beobachter durch seine 
brieflichen Mittheilungen schon auf der Reise bis Chartum bewährt, schiffte in 
Begleitung Herrn Provicars Knoblecher am weissen Nil 1858 bis Gondokoro, 
also so weit, wie nur sehr wenige Europäer vorgedrungen. Aus seinen Briefen ist 
das Folgende entlehnt. 

Mit günstigem Wind gelangte die Barke der Mission, Stella matutina, welche 
den 17. März Chartum verliess, am vierten Tage bis Woad Schelley. Hier fand 
man einst die Schiffswerfte Mandschera, welche aber schon seit mehreren Jahren 
in die südlichen Urwälder über EI Ais hinaus verlegt ist. Oberhalb Woad Schel- 
ley bildet das undurchdringliche, mit Ranken und Wurzelgehängen umschlungene 
Buschwerk *) hinter den Dünen vom Flusse ab einen natürlichen Wall, darin 
Praechtvögel*”) und Affen die sicherste Schutzwehr gegen die Nachstellungen 
der Jäger finden. 

Als die Hügelgruppe des Arasch Cool zum Vorschein kam, bemerkte man 
am westlichen Ufer Barken, von denen es sich herausstellte, dass sie mit Gummi 
aus Kordofan beladen waren. Weiter am östlichen Ufer ragten die Trümmer der 
Stadt El Ais hervor, welche zur Zeit der Fungiherrschaft mit Arbagi und Sen- 
nar am blauen Nil in ebenbürtiger Blüthe stand. Am 21. März zur Mittagszeit 
erreichte die Barke die jetzige Schifiswerfte, auf welcher alle Regierungsbarken 


*) Mimosa mellifera Berth., Zizyphus spina Christi L., Balanites aeggptiacaL., Salvadora 
persica L., Cissus quadrangularis L. ete. 
**) Syniris pulchella, Nectarina metallica, Fringila elegans, Lanius erythrogaster, Cora- 
eias abgssinica etc, 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil, 85 


für den weissen und blauen Nil aus dem harten Sundholz (Mimosa nilotica) ge- 
baut werden. Noch am Abend desselben Tages brachte ein guter Nordwind die 
Barke bis zu den schön bewachsenen Inseln, welche in der trockenen Jahres- 
zeit von Schilluknegern bewohnt werden, die der Jagd wegen hieher kommen, 
während das Land an den beiden Ufern noch von Bagara-Arabern bevölkert ist. 
Die Holzhauer fällen in diesen Gegenden die dieken Baumstämme, welche sie 
dann auf Ambakflössen zur Schiffswerfte herabschwemmen. Der Jäger aus der 
Sehiffsmannschaft erlegte hier eine Nashorngans (Anas gambensis). 

Am 22. März überschritt die Stella matutina bereits die Grenze des türki- 
schen Reiches, wo die Ortschaft Lahauin liegt. Die Bewohner derselben hatten 
erst kürzlich eine Fehde mit den Baggara des westlichen Ufers, welche die öst- 
liche Partei 40 Mann kostete. 

Die Waldungen werden immer wilder, aber zugleich immer schöner, die 
Inseln sind prächtig und die mit Schlingpflanzen überhangenen Bäume bilden 
schöne Lauben. Die ganze mondhelle Nacht vom 23. auf den 24. brachte die 
Barke unter Segel zu, und erreichte so am 24. ein Stromgebiet, welches eine 
ungewöhnliche Breite, sowie zahlreiche Muschelbänke auszeichneten, Wie an 
vielen Stellen des Nil, so liegen auch hier viele herabgeschwemmte Holzstämme, 
die alle mit einer Spongia und besonders mit Etheria Caillaudii Fer. stark über- 
wachsen, am Ende Bänke bilden. Unter den Vögeln fiel Lanius erythrogaster auf, 
indem er zwei Töne zugleich und überdiess in der reinen Terz von sich gibt. 
Unter dem zwei Klafter hohen Schilfrohr, (‚Saecharum Ischaemum), durch wel- 
ches man nur mit Mühe durchdringen kann und dabei Hände und Gesicht zer- 
schneidet, befindet sich der schwammige Ambak , dessen Stamm bei 1'/, Fuss 
Umfang pflaumenfederleicht ist. Katarakte erschwerten ohnedies das Vordrin- 
gen der Barke, zumal wegen der unter dem Wasser verborgenen Felsen. 
Die finstern Urwaldungen, hier noch von keiner Axt erreicht, werden allmälig 
lichter, Gazellen zeigen sich schaarenweise. Am östlichen Hintergrunde erschie- 
nen jetzt den Bewohnern der Barke drei isolirte Berge von 200 FussHöhe. Diese 
Nyamur benannt, bezeichnen den Beginn des Dinka-Neger-Gebietes, indess in 
West noch die Baggara-Araber hausen, 

Mit den Bewohnern ändert sich zugleich die Gegend. Statt Mimosenwäldern 
welehe Gummi liefern, werden Tamarindenbäume vorherrschend. Ihre Aeste 
fehlen bis zur Krone, indem Elephanten dieselben herunterreissen, um die Blätter 
in Ermanglung von Grasweide zu rauben. Die hier sonst zahlreichen Mücken und 
Stechfliegen waren der anhaltenden Dürre wegen diessmal selten. Den 25. März 
beobachtete Herr Hansal einen Baum, welchen die Araber „Schau“ nennen. 
Seine Fruchtkörner sind schleimig, blutroth, den Johannisbeeren ähnlich; auf 
der Zunge erregen sie einen Geschmack wie die Schale des Rettig; getrocknet 
dienen sie als Gewürz und werden als solches selbst bis Chartum zu Markte ge- 
bracht. (Salvadora PersicaL.) Ein zweiter Baum, arabisch „Laot“ *) genannt, hat 
Schoten, welche dem Johannisbrot gleichen, nur nicht so süss schmecken. DieDinka 
stellen hier in dem Diekicht fremden Jägern mit ihren mörderischen Lanzen nach. 
Noch wurden hier langgehörnte Antilopen von schwarzbrauner Farbe und der 
Schwere eines Rindes hemerkt. Weiterhin tritt an der östlichen Flussseite stellen- 
weise der Wald zurück, wo im blassgelben Hochgras die scheckigen Rinderheer- 
den der Dinka ihr mageres Futter suchen. Ihre auf dem uneultivirten Grasboden 
errichteten Hütten sehen wie Heuschober aus. 


*) Bauhinia tamarindacea Del. 


86 Th. Kotschy. 


Die Schilfinseln, an denen am 26. März die Missionsbarke vorbeisegelte, 
werden ebenfalls nur bei niederem Wasserstande bewohnt und zwar von Schilluk, 
Hinter den dürren Graswiesen des Uferlandes aber streben aus dem niedrigen 
“ Strauchwerk die Kronen der Dompalme riesig empor. 

Noch am Abende des 26. März erreichte die Barke, nachdem sie die Fluss- 
mündung Bibar und den Berg Teflafan passirt, die grösste jener Inseln, Olol, mit 
einem gleichnamigen Dorfe, aus dem den Vorübersegelnden der bei weitem an- 
genehmere Gesang der Schillukneger im Chore mit Frauen und Kindern, als die 
Schnarrtöne der Araber es sind, in den höchsten Weisen entgegentönte. Zugleich 
führten sie an Nachtfeuern bei Trommelschlägen Tänze auf. Am 27. März ging 
die Fahrt westlich. Nilpferde und Krokodille wurden immer häufiger; in das 
grösste Erstaunen aber setzte die unzählige Menge Fische und Conchylien.?) 
Das sumpfige Ufer und besonders ein vom zurückgetretenen Fluss hinterlassener 
Teich, mit langwurzlichem halbschimmerndem Sumpfgras barg die mannigfaltig- 
sten Vögel in grösster Menge: Schnepfen, Gänse, Enten, Marabuse, Ibise, Pe- 
likane, Löffel- und Königsreiher, Geier, Störche und andere langgeschnäbelte und 
langfüssige Sumpfvögel. Während einer Jagd erhitzten die Sonnenstrahlen die 
Gewehrläufe so stark, dass man sich beinahe die Hände verbrannt hätte. 

Am 28. März fand man im schwarzen Boden Knollen von Erdnüssen, welche 
an Geschmack unsern Kartoffeln gleich, bei den Negern allgemein beliebt sind. 
Das alte vorjährige Schilfrohr und Savannengras pflegen die Dinka weithin abzu- 
brennen, um im nächsten Jahr mehr junges Weidefutter zu bekommen. Um aufdie 
Inseln oder das jenseitige Ufer zu gelangen, bedienen sich die Dinka der Bündel 
federleiehten Ambatschholzes. Während einer kurzen Mittagsrast strömten die 
Wilden haufenweise nackt herbei, kräftige hochgewachsene Staturen. Sie trugen 
bald Schellen am Arme, bald ein aus langhaarigen Fellen geschnittenes Diadem 
oder einen Federschopf am Scheitel. Die Männer sind alle bewaffnet. Obwohl 
hier viel Elephanten leben, so befasst sich doch dieser Stamm nieht mit Elfen- 
beinhandel, kommt daher auch selten mit Kaufleuten in Berührung. Schon die 
letzten Abende hatten die Reisenden Gelegenheit, Himmelröthe, welche von Sa- 
vannenbränden herrührte, zubeobachten. Herumsehwärmende Johanniswürmehen 
sowie Fröschegequak sind hier an der Abendordnung. Nach einer Fahrt die 
mondscheinhelle Nacht hindurch erreichte die Barke am 29. das eigentliche Land 
der Schilluk. Ihre Ortschaften liegen, so weit das Auge reichen kann, am west- 
lichen Ufer zerstreut umher. Die konischen Dächer ihrer Tokuls ruhen nicht auf 
Pfählen, sondern auf einer 4 Fuss hohen Ringmauer, daher auch hier die dicht 
an einander stehenden Wohnungen solider als bei den Nachbarn sind. Dem 
Schiffe näherte sich zuerst der Häuptling aus dem Hauptorte Kaka von einem 
Vornehmen als Dolmetscher begleitet; beide waren nicht wie die übrigen nackt, 
sondern mit einem Umhängetuch bekleidet. Ihre tapfern Krieger sind durch ein 
Stirnband vom Blatt des Schilfrohrs oder durch eine Feder im Haupthaar als Decora- 
tion ausgezeichnet. Obwohl eine nervige Körperconstitution nicht zu verkennen ist, 
so steht sie doch in keinem Verhältniss zu ihrer oft 61/, Fuss betragenden Höhe. 
Ihr Wollhaar pflegen sie zuweilen abzurasiren, während andere die Haare rück- 
wärts zu einer Art Haube zusammenflechten. Statt der ihnen mangelnden Bärte 
findet man nur einzelne Flaumhaare. Für den Nachtschlaf vergraben sie ihre 


**) Die Hassanie-Araber am Arasch-Cool hörte ich oft behaupten, der weisse Nil bestehe 
nur aus ®/; Wasser und Y%, Krokodillen, Nilpferden, Fischen, Conchylien und ande- 
rem Gewürm. 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 87 


nackten Gestalten in Aschenhügel, welche den Tag über von der Sonne gehörig 
durehwärmt, sie Naehts vor empfindlicher Kälte schützen. Natürlich erscheinen 
sie dann Morgens in aschgrauer Uniform; auch lieben sie verschiedene Körper- 
theile mitOchererde roth zu färben, was ihnen ein wildes Aussehen verleiht, Glas- 
perlen um den Hals, Metall- oder Elfenbeinringe an Hand und Fuss sind ihr Lieb- 
lingssehmuck. 

Beide Geschlechter rauchen Tabak aus Riesenpfeifen im mannbaren Alter. 
Am Mundstück ist eine ganz grosse Kürbisschale angebracht; diese wird mit 
wohlriechenden Blumen angefüllt und der Tabakrauch erhält hiedurch gezogen 
einen vorzüglich aromatischen Geruch. Dieses Anfüllen muss häufig wiederholt 
werden. Ihre Tabakblätter werden getrocknet zerrieben, dann zu einem Teig 
umgewandelt und in Brotformaufbewahrt. Mit dem Häuptling kamen eine Menge 
Schilluk und Baggara-Araber, die hier noch unabhängig von den Schilluk ein Dorf 
bewohnen, mit auf die Barke. Sie waren alle mit Lanze und Keule bewaffnet 
und jeder brachte etwas zum Verkaufe: Hühner, Eier, Schmalz, Sesam, Fasolen, 
allerlei Flechtarbeit aus Schilfrohr, Lanzen und andere Waffen, Nilpferdhäute 
und Peitschen aus denselben, Thonkrüge (Burma), Baumwollgarn und daraus 
gearbeitete Zeuge, welche die Baggara verfertigen; also ein förmlicher Jahrmarkt. 
Für eine ordinäre Weinflasche bekam man ein Huhn oder einen ziemlich grossen 
Bund Wollgarn, für eine dunkle Weinflasche drei Hühner; für eine Hand voll 
Glasperlen ein Stück leichte Baumwollleinwand von 12—15 Ellen. Schilluk und 
Dinka, welche letztere noch weiter das östliche Ufer bewohnen, scheinen in be- 
ständiger Fehde zu leben. 

Die jetzt dürre Landschaft ist in der Regenzeit mit Getreidekörnern von 
Dura (Sorghum vulgare), Bohnen (Cayanus flavus DC.), Sesam ete, überdeckt; 
jetzt geht man der Jagd, Fischerei und Besorgung der Heerden nach, daher den 
Tag über in den Ortschaften meist nur Frauen und Kinder bleiben. Bei der 
Windstille am 30. März wurde an einem Hirtenlager ein Ochse um weisse Perlen 
von Taubeneiergrösse im Werthe von 1 fl. 15 kr. gekauft und das Fleisch in 
Streifen geschnitten an der Luft geseleht. Das in Chartum gebaute Gemüse Rygle 
(Portulaca oleracea L.) kommt hier in Menge wild vor und dient als tägliche 
Zuspeise und Salat. Auch der Tabker, der bisher nur als Strauch vorkam, er- 
scheint nun als Baum. Er blüht weiss, seine Früchte sind birnähnlich, haben die 
Grösse einer welschen Nuss und hängen an langen Stielen herab. Man entdeckte 
zwei Arten, beide munden den Negern. Von einem erlegten Königsreiher wollten 
die Neger den Kopf haben, da sie sich gern damit schmücken. Bei einer Menge 
auf schattenloser Höhe angelegter Dinkadörfer kam die Barke am 31. März vorbei. 
Schwarze Wolken standen in Ost, welche sich schneller, als man erwartete, un- 
ter Donner, Blitz und Sturm entluden. Diess war der erste Regen, der sich hier 
als sehr früher Vorbote in Strömen ergoss und Herrn Hansal seiner bisher an- 
gelegten botanischen Sammlung beraubte, indem die meisten Effeeten im Schiff 
nass wurden, 

Den 1. und 2. April konnte zu starker Nordwinde wegen die Fahrt nur 
langsam fortgesetzt werden, ja Südwind zwang sogar bald zum Anlegen. Bei 
dieser Gelegenheit fand ein Matrose zufällig unter Sand ein Lager Krokodileier 
von 75 Stück, aus denen sich die nubischen Schiffsleute einen Schmaus bereite- 
ten. Noch an demselben Tage begegnete man einem Krokodill, welches mit 
einem Ochsen daherschwamm, Es hatte denselben, wie man am folgenden Tage 
hörte, bei der Tränke gepackt, Bei starkem Ostwind ging die Fahrt am 3. April 
rasch längs der Ufer vorwärts, welche reichlich mit dem Tabker geziert sind. 
Seine herrlichen weissen Blüthen geben dem Baum zwischen dem entlaubten Sund- 


88 Th. Kotschy. 


und anderem Dorngehölz eine Fülle von Pracht und Schönheit, wie sie in unsern 
Gegenden nur der Kirschbaum in den Maitagen gewährt, Auf jeder Blüthe summt 
in emsiger Geschäftigkeit eine Biene, um Honig einzusammeln, den die Neger gar 
“ wohl kennen, in Kürbisflaschen einsammeln und in den Handel bringen. An den 
Ufern erheben sich Schwärme von Sperlingen mit rothem diekem Stumpf-Schna- 
bel (Ploceus sanguinolentus?) in Millionen, gleich schwarzen Wolken. 

In der heutigen östlichen Landschaft, welche sehr schattenreich ist, er- 
heben sich über einer Ortschaft die Fächerkronen der Dellebpalme. Ihr Stamm 
ist 5—6 Klafter hoch, kerzengerade und stets in der Mitte etwas angeschwollen. 
Das westliche Ufer bildet eine unübersehbare Grasfläche, mit bunten Rinderheer- 
den der Schilluk bedeckt. Ihre Kühe geben aber nur wenig Milch. Zwischen 
dem Grase ragen grosse Erdhaufen hervor; es sind Teremitenhügel, von denen 
aus die Neger ihre Rinder überschauen. Das Thermometer erreichte im Schatten 
der Cajüte seit mehreren Tagen schon 30° R. 

Am 4. April blieb die Barke an einem üppigen Wildparke des westlichen 
Ufers stehen, hinter dem die Residenz des Schillukkönigs, Denab, liegt. Die- 
ser Häuptling soll nie bei fremden Schiffen am Ufer erscheinen und seine 
Leute dulden keinen Verkehr mit Handelsreisenden. In der Nacht blitzte und 
donnerte es nach allen Seiten und obwohl der Sturm mit Sausen und Krachen 
über den Strom zog, fiel doch kein Regen herab. Die Sonne kam erst am Mittag 
zum Vorschein. An den flachen Uferstrichen grünen Tabakpflanzungen; weiterhin 
im Land sind fortwährend Weiler zu sehen und es soll nicht übertrieben sein, 
wenn man die Schilluk auf drei Millionen Seelen in 7000 Ortschaften anschlägt. 
In dem schön gelegenen Waw brachte man Früchte der Dellebpalme (Borassus 
aethiopum) zum Verkauf, welche die Grösse der kleinen Zuckermelonen und 
denselben Geschmack bei sehr faserigem Fleisch haben. Das Innere füllen drei 
faustgrosse Körner aus. Die Negerwohnungen sind nett gebaut und durch grosse 
Reinliehkeit ausgezeichnet. Da liegt kein Stäubehen, kein Span, oder Strohhalm 
innerhalb des Hausfriedens, welcher mit prächtigem Rohrgeflechte umzäunt ist. 
Die Wohnstuben, in welehe man durch eine niedrige ovale Oeffnung hineinkrie- 
chen muss, sind sammt Hofraum wie die Tennen in europäischen Scheunen pla- 
nirt und gefegt; der Fussboden in den Tokuls selbst, deren runde Mauern die 
Schilluk von aussen recht zierlichschwarz und blau zu bemalen wissen, sind oben- 
drein mit Thierfellen bedeckt, welche vermuthlich als Schlafstellen dienen. Waw 
wurde den 6. April bei schwerem Nebel verlassen. Erst Mittags arbeitete sich die 
Sonne hervor. Der zu starke Wind riss das Segel, welches bei Malakal neben 
einem herzerfreulichen Dellebwalde ausgebessert wurde. Hier schien aus dem 
Stamme einer riesenmässigen Sycomore (Urostigma sp.) eine Delebpalme in 
Mitte der breiten Aeste empor zu wachsen. Im Schatten dieses wunderbaren 
Doppelbaumes beschenkte man die Einwohnerschaft mit Datteln, wobei sich auf- 
fallend Männer, Frauen, Knaben, Mädchen in gesonderten Gruppen aufstellten. 
Im Hintergrunde des baumlosen Ostufers zieht sich am Saum des Horizonts ein 
Dompalmenwald hin. Am Abend erreichte die Barke die Mündung des Sobat un- 
ter 9012", welche 3—400 Fuss breit ist. 

Das weisse Wasser dieses Flusses verleiht dem Wasser des Hauptstroms, 
der vor seiner Vereinigung mit dem Sobat richtiger der schwarze, als der weisse 
Fluss heissen sollte, einen guten Geschmack. Das Wasser des weissen Flusses 
nämlich erhält von den vielen Morästen und Sümpfen in der Gegend des Bahar 
el Gasall eine sehr trübe Farbe und einen widerlichen ungesunden Geschmack. 
Beide Ufer des Sobat werden tief landeinwärts noch von Dinkanegern bewohnt. 
Am linken Hochufer dieses Flusses, nahe an der Mündung, hatte das: vor vier Mo- 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil, 89 


naten von Chartum hieher beorderte Militär eine Art Festung angelegt, d. h. 
einige hundert Tokuls, von einer 12 Fuss hohen Mauer eingeschlossen, wurden 
so gegen die Negerlanzen sicher gestellt. 1000 Mann soll die Besatzung betra- 
gen, die aber den Zweck ihres Hierseins selber nicht wissen. Am 7. April fuhr 
man aus der Sobatmündung in den merklich verengten Hauptstrom ein. Die Ufer 
mit entlaubtem Niederwald bedeckt, sind auf der Westseite mit vielen Negerwei- 
lern besetzt. Auch bekam man heute zwei vor dem Anblick der hohen Segel 
flüchtende Giraffen zu Gesicht. Die Gegend nimmt am folgenden Tage einen 
immer suinpfigeren Charakter an. Aus dem Moorboden sind Baum und Strauch 
verschwunden; er ist nur mit rauhem Hochschilf und Ambakgebüsch besetzt, in 
dem Elephanten ihre Fuhrten ausgetreten haben. 

Das kräftige Sumpfrohr tief in den Fluss eingreifend, bildet mit einem sanft 
grünen Gemische von Wasserquecken, Moosgras, schwimmenden Wasserwinden 
mit grossen blutrothen Blumen und noch andern Sumpfkindern der Flora einen 
undurchdringlichen Wall, worin viele unbekannte Vögel sicher des Jägers spot- 
ten. Manche sonst nicht vorkommende Wasserpflanze wuchert hier im üppigsten 
Wachsthum, wie die 15 Fuss hohe Wasserbinse (Papyrus' antigquorum L.), von 
welcher die alten Aegyptier den Schaft gespalten und zu Papyrus zusammenge- 
leimt haben. Weiter in dem ausgedehnten Schilfmeere pflegen sich Antilopen- 
heerden, unter denen dann und wann eine Giraffe siehtbar wird, und der von den 
Sumpfgewächsen eingeengte Fluss wird von Nilpferden, welche in Gesellschaften 
von 30—40 auftauchen, aufgewühlt. Zu den unerträglichsten Stunden auf dieser 
Fahrt gehören jene Nächte, in welchen Myriaden von Mücken der kleinsten Art 
Mensch und Thier belästigen. Sie gehören zu den wirklichen Landplagen, indem 
man keinen Winkel und keine Bedeckung aufünden kann, um vor ihnen geschützt 
zu sein. Diese schlaflosen Nächte, jeden Augenblick von einem Biss begleitet, 
nach dem sich juckende Beulen auf der Oberhaut bilden, bleiben dem Reisenden 
für sein ganzes Leben im Andenken, Grasinseln begegnen fortwährend von der 
Strömung flussabwärts getrieben, auf denen Wasservögel wie aufSchiffen sitzen. 
Man erreichte die Mündung des Bahar el Gasall unter 91/, Grad, und befand sich 
damit in einem von Gras durchwachsenen See, an dessen westlichem Ufer das 
Land der Schilluk endet, sowie am östlichen das der Dinka. Man betrat das Ge- 
biet der Noörneger, welche beide Ufer hewohnen. Der 9. April führte an einzel- 
nen mit trostlosem ebenen Grasland wechselnden Waldpartien vorüber, in welchen 
der Barkenjäger einen sogenannten Vogel mit vier Flügeln (Caprimulgus lon- 
gipennis) erlegte. Die Ufer zeigen keine Bevölkerung, erst am dritten Tage be- 
kam man einigeFischer anden Nebengewässernzu Gesichte. Am 12. April erschie- 
nen einige Eingebornen in grosser Pracht, mit rothen Schlafmützen, Tigerfell um 
die Schulter, Corallenketten am Hals, Metall- und Elfenbeinringe am Arm, welche 
Elephantenzähne und Rhinozeroshörner zum Verkaufe brachten. Die Noer färben 
ihr Haar wahrscheinlich mit Henna (Lavsonia inermis L.) voth, und tragen 
nicht selten Kopfbedeckungen von zottigem Thierfell. Die Nächte sind in diesen 
Sumpfgegenden überaus feucht und die Grasblätter hängen Morgens voll von erb- 
sengrossen Thautropfen. Am 14. hielt die Barke nach einer mühseligen Fahrt 
durch Wildnisse erstaunlicher Ueppigkeit und Mannigfaltigkeit an Wasser- und 
Schlingpflanzen, von prachtvoll gefiederten Vögeln umschwärmt, bei 7 Fischer- 
hütten. Die Fortsetzung der Fahrt ging durch viele Flusskrimmungen im Gebiete 
der Noer fort, von denen man sagt, dass sie nie frisches, sondern nur abgelege- 
nes Fleisch geniessen; auch sind sie als raubsüchtig und mordlustig bekannt. Ihre 
Wohnungen stehen nicht in Weilern beisammen, sondern liegen einzeln auf der 
Landstrecke in geringer Entfernung von einander zerstreut. 


90 Th. Kotschy. 


Der 20. April brachte die Barke mit zwei Berberschiffen, welche trotz des 
Regierungsverbotes Negerselaven nach Chartum einschmuggelten, zusammen. 
‚ Heerden von mindestens 200 wilden Büffeln (Bos caffer), von Antilopen, sowie 
überhaupt Thiere aller Gattungen belebten die sonst traurigen, nur hie und da 
mit einer Dellebpalme gezierten Ufer. 

Auch das vegetabilische Reich gewährt im Vordringen nach Süd Tag für 
Tag neue Producte in den verschiedensten und sicher meist neuen Gattungen und 
Arten. Unter ungezügelten Palmen strebte eine 15 Fuss hohe Euphorbia cande- 
labrum (Scheder el Sim) empor, aus deren gepresstem Milchsaft die Neger 
Gift für ihreLanzen und Pfeile bereiten; dasselbe sollauch vom Oschar (Calotropis 
procera K. Br.) gelten. Die No@r brachten hübsche Flechtwerke, Strausseier 
und eine Art Hülsenfrüchte, mit der sie ihre Kühe, um mehr Milch zu bekommen, 
füttern, zum Tausch gegen Perlen. Auf den Teremitenhaufen, welche aus dem 
Gras emporragen, ranken zwei Arten wilder Gurken, von denen eine grosse hoch- 
gelbe, die andere kleine blassgelbe Blüthen trägt. Der bittere Geschmack der 
Früchte wird durch Kochen beseitigt. Zwischen diesen stehen prächtige Lilien 
(Hansalia grata) und andere aromatische Blumen das Auge entzückend da. 

Seitdem das südliche Gebiet der Noör erreicht war, vermisste man Schaf- 
und Rinderheerden; dagegen wurden Elephanten und andere wilde Thiere häufi- 
ger. Ebenso konnte man von den Eingebornen keine Fische bekommen, da 
sie selbst hauptsächlich davon leben. Zahlreiche Gewitter, wie sie seit dem 26. 
April eintraten, deuteten das Vorrücken des Charif nach Nord an. 

Am 30. April endlich begann an der Westseite das Gebiet der Kyk, von 
deren Wohnungen man ausser einigen Fischerhütten an den Ufern nichts be- 
merken konnte. Die Gegend gleicht von jetzt an einer unermesslichen grünen 
Wiese, in der wiederholt fussdieke Schlangen (Python thebaicum) gesehen 
wurden. Mit grossem Muth und Ausdauer unternehmen die Kyk Jagd auf Elephan- 
ten, deren Fleisch sie an der Sonne dörren und erst dann geniessen, wenn es ganz 
mürbe geworden ist. Den 3. Mai wurden zwei grosseLöwen sichtbar, welche aber 
auf 'Trompetenschall allzuschnell davon gingen. Ein Aba markub, Vater des 
Schuhes, (Baleniceps Rex Gould), sogenannt wegen seines an Grösse und Form 
einem Schuhe gleichenden Schnabels, der seltenste und zugleich merkwürdigste 
Vogel des weissen Nil, wurde leider nur angeschossen. Bei der Niederlassung 
Lorenzo's haust eine grosse abscheuliche Aflenart mit Hundsschnauze und nackten 
Hinterbacken im Diekicht des schönen Waldes, an dem sich auch die Station des 
berühmten Elephantenjägers Malzae befindet. Das Anschwellen des Stromes 
wurde seit dem 4. Mai beobachtet. Der Kyk ist ein armer Wicht, baut kein Ge- 
treide, schlachtet keine Rinder, doch verschmäht er nicht das Fleisch der durch 
Krankheit oder Altersschwäche gefallenen; er bratet seinen Fisch und sitzt Tage 
lang mit den Marabus (Ciconia Argala) auf den Teremitenhaufen, um sich zu 
sonnen. Sein Hauptnahrungszweig sind Fische, die zum Vorrathe auch gedörrt 
werden, undMilch, deren Gefässe aus Salzmangel mit Kuhurin ausgeschmiert wer- 
den. Das Labyrinth der beständigen Flussbiegungen führte an einem meilenwei- 
ten See hin, an welchem das Dorf Anan gelegen ist. Die Kyk sind hier nicht so 
hoch und kräftig wie die Sehilluk und Dinka und ihre Wohnungen deuten auf 
Aermlichkeit. Diekstämmige Hochgräser bilden förmliche Wäldehen mit der 
Papyrusstaude und Ambakgebüsch. In der Strecke einer Tagreise bildet ein Sei- 
tencanal zwei bedeutende Inseln. Der Fischreichthum ist bei dem vorwaltenden 
Fleischmangel willkommen; besonders häufig sind die zwei Fuss langen 3—4 
Pfund schweren Fische Careur und Garmut der Araber. Wieder breitet sich am 
Ufer ein grosser See aus; diesem gegenüber liegt die Hirtenstadt Djabrol. Bei 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 91 


Melval endlich, welches die Barke am 9. Mai erreichte, wurde dieGegend wieder 
waldig; im Grunde eines mit dem Fluss in Verbindung stehenden Sees liegt neben 
dem Dorfe Angwer die Missionsstation zum heiligen Kreuz, von Herrn Mosgan 
errichtet. Das Wirken desselben scheint von Erfolg begleitet. 

Am 14. Mai hatte die Barke am westlichen Ufer das Gebiet der Helliab, am 
östlichen das der Bor erreicht. Wildes und zahmes Hornvieh weidet im unend- 
lichen Grasmeere und die schwimmenden Grasinseln verlieren sich. Während der 
folgenden zwei Tage kam man bei eonstantem Winde an mehreren Ortschaften 
und zwei bedeutenden Canälen vorbei. Man erreichte ungefähr unter dem 51/, 
Grad jenen Punet, wo sich der Strom in zwei Arme theilt und diese Stelle be- 
zeichnet zugleich dienördliche Grenze des Barilandes. Während der langweiligen 
Fahrt am 17. Mai schwoll der Strom immer mehr an, so dass sich die Hirten mit 
ihren Heerden aus ihren Uferlagern in das Innere des Landes zurückziehen mussten. 
Unzählige Wasserschlangen winden sich auf den dieken Stängeln des in den 
Fluss hängenden Hochrohres, so dass man sie, wenn das Schiff neben dem Ufer 
fuhr, vom Fenster aus mit dem Stocke todtschlagen konnte. Mit dem Eintritt in 
das Gebiet der Tschier am 21. Mai breitet sich der Strom wie über Chartum aus; 
Land, Volk, Sprache ändert sich. Während alle bisherigen Völkerschaften, selbst 
die Helliab, Dialeete der Dinkasprache reden, beginnt mit den Tschier die Bari- 
sprache. An die Stelle der bisherigen Moräste treten anmuthige Bäume in fri- 
schem Grün, mit Dura-, Sesam- und Tabakfeldern abwechselnd; ja selbst die 
unsägliche Mückenqual hat ein Ende. 

Die Tschier sind ein wohlgenährtes, Ackerbau und Handel treibendes und 
darum nicht wie die Kyk, Noer, Helliab hungerndes Volk. Hier sind die Männer 
zum ersten Mal ausser der Lanze auch mit Pfeil und Bogen bewaffnet und Fisch- 
fang ist nur Nebensache. Das Jäten und Pflegen des Feldes obliegt dem weibli- 
chen Geschlechte, dem auch der ganze Perlenreichthum umgehängt wird. Einen 
grössern Werth als Glasperlen haben bei den Tschier die im eisenreichen Bari- 
lande verfertigten Molot, kleine halbmondförmige Ackerwerkzeuge, welche zu- 
gleich als Scheidemünze im Umlauf sind. (Dasselbe findet schon in Obeid, 
Hauptstadt von Cordofan statt.) Die Tschier verstehen sich auch auf Flechtwerke 
aus Blättern der Dompalme, unter denen ihre Strohmatten ausgezeichnet sind. 
Schon am 24. Mai entstieg dem benebelten Horizont der für diese Ebenen mächtig 
hohe Nyerkany, im Gesichtskreis der Missionsstation Gondokoro gelegen. Auch 
war es höchste Zeit, sich dem Ziele zu nähern, da sich jeden Abend schon Regen 
einzustellen pflegten. In diesen letzten Tagen der Fahrt zeigten sich mehrere 
Männer mit rother Ochererde und einer Art Pomade beschmiert. Diesen Luxusar- 
tikel erzeugen sie aus den Nusskernen des schönen Kurulenbaumes, indem sie 
deren Fettigkeit auspressen. Die stärksten Bäume dieser Landschaft sind Syko- 
moren (Urostigma) und nicht Adansonien, welehe mehr das Bergland lieben. 

Die Gipfel der Bäume sind mit Fledermäusehunden (Pteropus leucomelas 
Wagn), deren ausgebreitete Flügel 2 Fuss messen, behangen. Unter den dieht- 
laubigen Bäumen fällt besonders der (Scheder el fil) Elephantenbaum (Kigelia 
africana D. C.) auf, nicht so sehr durch seine Grösse und dasfinstere Laubwerk, 
welches den Nussbaumblättern ähnlich ist, als durch seine wunderbaren, auf 
fingerdieken Stengeln tief herabhängenden Riesenfrüchte, welche wie graugrüne 
Gurken aussehen und bei 11/, Fuss Länge !/, Fuss dick sind. Oestlich vom Berge 
Nyerkany taucht der Pelenyan auf, wo der grösste Barihäuptling Nigilla residirt. 
Die in ununterbrochener Reihenfolge auf den sanften Anhöhen des östlichen Ufers 
liegenden Dörfer lassen hier eine stärkere Population erkennen. Herbeikom- 
mende Neger waren gut bewaffnet, da sie in den östlichen Bergen viel Roheisen 


92 Th. Kotschy. 


erzeugen sollen. Allgemein wird das Eisengeräthe im Tausch den Glaswaren 
vorgezogen, welches mit auffallender Geschicklichkeit gearbeitet ist. Man sieht 
‚ dies an den Barimädcehen, welche ausser dem gewöhnlichen Tand und Putz einen 
Gurt um die Lenden tragen, von dem lange Fransen, aus kleinen eisernen Kett- 
chen zusammengesetzt, herunterhängen. Die Leute brachten eine Kürbisschale 
voll Fischeier , welche wie lichte Weinbeeren aussehen und gekocht von den 
Negern gegessen werden. Ein Sohn des Häuptlings sandte dieselben, um sie 
in einem Teiche bei Gondokoro anzusetzen. Nachdem man noch die Ortschaften 
Jambo, Ulibari und Libo, welche grosse Rinderheerden beherbergten, passirt 
hatte, erreichte die Stella matutina am 31. Mai (nach einer Fahrt. von 75 Tagen) 
glücklich die am tiefsten im Innern Africa's gelegene Missionsstation Gondokoro. 

Die Landschaft liegt im Mittelpunete einesHalbkreises vonBergen auf einer 
stark bewohnten Hochebene, wo die schattenreichsten Bäume und die anmuthig- 
sten Getreidefelder blühen. Schweift das Auge über die dichtbevölkerte und 
üppig bewachsene Ebene, so sieht man in der Weite von wenigen Stunden den 
Horizont in Nordnordwest von dem mächtigen, an 3000 Fuss hohen Berg Nyer- 
kany, der bis auf seinen Rücken bewaldet ist, begrenzt. In West dehnt sich eine 
grüne, sanft ansteigende Fläche voll Dörfer und Bäume weithin aus, in Südwest 
steht der Berg Konufi und Körök hervor, in Süd der kegelförmige Logweck oder 
Erdbebenberg, in Südost der Lokoya und Loki; von diesem setzt sich nach Ost 
bis zum Pelenyan ein Rücken fort. Im südlichen und westlichen Hintergrunde 
weiter entfernt stehen ringsumher die Kuppen entfernterer Gebirge. 

Unmittelbar um Gondokoro gibt es keine Ortschaften, kein gemeinschaftli- 
ches Zusammenleben der Eingebornen. Jede Familie bewohnt einen abgesonder- 
ten Weiler, aus mehreren Tokuls bestehend, je nach der Zahl der Familienglie- 
der, und einer von Giftbäumen (Euphorbia Candelabrum Trem.) umzäunten 
Zeriba als Viehstall. Rund um den Wohnsitz schliesst sich das Grundeigenthum 
der Familie an, auf dem eine Art rother Dura (verschieden von jener Sennar's), 
Sesam, Bohnen, hin und’ wieder auch Tabak gepflanzt wird. Die Saat obliegt 
dem Manne. Mit einem halbmondförmigen Eisen auf einer 6—8 Fuss langen 
Stange rodet er auf der Oberfläche das Wildgras aus und streuet den Samen. 
Die übrige Pflege des Feldes ist so wie alle häuslichen Verrichtungen Sache des 
Weibes. Die Jünglinge weiden die Heerden. Doch wird nur äusserst wenig Ge- 
treide gebaut, so viel eben die Nothdurft erfordert. Die Nahrung der Schwarzen 
besteht entweder aus Belila — rohe, über Feuer in Wasser geschwellte Dura 
ohne jede Zuthat — oder Medida — ebenfalls Dura, welche mit Beigabe von 
Milch. zu Brei gekocht, die Festspeise bildet. Häufig werden auch halbreife 
Aehren abgeschnitten und sogleich verzehrt. Ochsen und Schafe werden nie 
zum Genuss geschlachtet. Hühner sind ungeniessbar, dagegen Mäuse ein Lecker- 
bissen. Fleisch wird also nur genossen, wenn ein Rind oder Schaf umsteht; 
dann wird es aber auch bis auf die kleinsten Theile, selbst die Haut verzehrt. 
Einer Sitte gemäss dürfen Blutsverwandte nie paarweise aus Einem Gefäss essen, 
Stirbt der Familienvater, so fällt Haus, Weiber, Kinder, Heerden, Felder dem 
nächsten Anyerwandten, gewöhnlich dem erstgebornen Sohne zu und das vor- 
handene Vermögen des Verstorbenen wird nie getheilt. Grund und Boden ist 
also in keinem Falle verkäuflich, nur erblich, entweder bei Sterbefällen oder 
Heirathen. 

Ist die Ernte im Monat August eingebracht, dann beginnt eine Art Carne- 
val, es wird geschlemmt und geprasst, bis der grösste Theil des Getreides bei 
den alltägigen Gongu’s, welche der Araber „Fantasie“ nennen würde, in Merissa 
oder Yawa, wie der Bari sagt, aufgegangen ist. Allnächtlich werden auf offenem 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 93 


Felde grosse Versammlungen und Volksbelustigungen abgehalten, wobei sich die 
Wilden so recht nach Herzenslust in ihren Nationalgesängen, welche ganze Nächte 
hindurch von einigen hundert Kehlen gesungen, weithin im Umkreise schallen, in 
Tänzen, Sprüngen, unter schauerlichem, echt wildem Kreischen und dergleichen 
auslassen. Die grosse Trommel verstummt erst mit den ersten Strahlen der Mor- 
gensonne; selbst Lanzengefechte werden aufgeführt, die aber nicht selten in 
Verwundungen, ja sogar Mordthaten ausarten. 

Geht nun der ohnehin geringe Getreidevorrath zu Ende, dann muss natür- 
lich alles nach Brot schreien; kein Wunder also, wenn nackte Knaben (die Kin- 
der der Mission sind bekleidet) sich in das Speisezimmer derselben schleichen 
und jedes abfallende Getreidekörnlein aus dem Sande auflesen; kein Wunder, 
wenn „Magor“ (Hunger) das einzige Losungswort des Bari wird, welches man 
täglich hundertmal, so oft man eben einem Schwarzen begegnet, hört. Hat er 
nämlich mit: „Jalio, da doto“ begrüsst, so heisst es sogleich darauf: „Nan 
magor!“ (ich bin hungrig), das will sagen: Gib mir zu essen oder gib mir Glas- 
perlen, damit ich mir bei den Nachbarstämmen Berri und Liria Korn kaufen kann. 
Zur Arbeit, selbst für guten Lohn, mag er sich nicht bequemen, da nach seinem 
Begriff nur Weiber und Selaven arbeiten. So hält er jede nützliche Beschäftigung 
bis auf die Aussaat für eine Erniedrigung. „Nan aduma“ (ich bin ein Grosser) 
sagt der hochtrabende Bari, wenn er einige Kühe hat, und streicht mit Speer, 
Pfeil, Bogen und einem Stühlchen am Arme den ganzen Tag über müssig herum, 
dampft aus seiner grossen Pfeife und lässt sich die Sonne auf den Magen schei- 
nen. Nur ausnahmsweise findet man schon Männer aus der niedern Classe, welche 
sich bei Mangel an Heerden zu jeder Arbeit bequemen, um sich Glasperlen zu 
verdienen. Selbst die Missionskinder fühlten sich anfangs erniedrigt, wenn sie 
zu ihrem eigenen Gebrauche, zur Bereitung ihrer täglichen Kost einen Krug Was- 
ser aus dem Flusse holen sollten und Mütter beschwerten sich darüber. 

Die Oberhäupter, „Matat“ betitelt, haben hier den Rang eines wohlhaben- 
den Bürgers; sie haben keineswegs das Recht, Befehle zu geben, Gesetze vor- 
zuschreiben, Strafen zu dietiren, Ihr Ansehen hängt blos von der Zahl ihrer 
Heerden und Frauen ab und jeder Grosse sucht deshalb diese zu mehren. Nigilla, 
der grösste Häuptling, ist also zugleich der reichste. Solcher Matat mit dem 
Distriet von einer Stunde gibt es viele, so z. B. einen in Libo, einen in Kucenak, 
einen in Gondokoro. 

Von grösserem Einflusse als die Häuptlinge sind die Bonit — Aerzte, Zau- 
berer, Regenmacher — welche ausser ihren leeren Künsten und Zeichen auch 


“wirklich die Heilkraft gewisser Kräuter kennen, sich aber meistentheils ihr An- 


sehen durch Betrügereien nutzbringend zu machen wissen. Matat und Bonit sind 
häufig in einer Person vereinigt. Verkrüppelte Baumwurzeln und Aeste oder 
Haarbüschel von Thierschweifen u. dergl. lassen sich die Bonit als Wini (Arznei) 
theuer bezahlen und damit ist besonders zur Kriegszeit guter Abgang, da sie die 
Kraft besitzen, Lanzen und Pfeile von dem abzuhalten, der sie an Kopf, Hals, 
Arm oder Fuss trägt. (Seitenstück zu den Talismanen der Völker Sennars.) Ihre 
höchste Kraft aber liegt in Beschwörung der Wolken, welche auf ihr ‚Geheiss 
Regen ergiessen müssen. Die gewaltigen, während der Regenzeit manchen Tag 
dreimal wiederkehrenden Gewitterregen, in Folge deren der Fluss oft innerhalb 
weniger Stunden die Ufer übergiesst und die Inseln unter Wasser setzt, verur- 
sachen eine Feuchtigkeit, welche in den Gemächern, auf Kisten, Kleidern und 
Papier, ja selbst auf Wänden massenhaft Schimmel ansetzt und die Fäulniss för- 
dert. Dennoch sind die Regen nicht in jedem Jahre, zumal am Ende der Regen- 
zeit gleich lange und reichlich genug, um die angebauten Früchte vollends bis zur 


94 Th. Kotschy. 


Reife zu befeuchten, zumal, wenn sich die Neger mit ihrer Aussaat verspäten. 
Tritt nun anhaltende Trockenheit ein und welken die Felder, dann bringt man 
- von allen Seiten dem Beherrscher der obern Regionen Ochsen, Schafe, damit er 
Ja Regen verschaffe. Fällt zufällig ein Regen, so hat ihn der Bonit gemacht; reg- 
net es aber nicht, dann ist entweder sein Leben in Gefahr oder man nimmt ihm 
eine bedeutende Zahl Rinder, welche gemeinschaftlich im Lande verzehrt wer- 
den. Um aber einen so grossen Schaden von sich ferne zu halten, muss bald die- 
ser, bald jener zufällige Umstand an dem Fehlen des Regens schuld sein. (Zau- 
bereien bei Negern waren schon Herodot (II, 28, 32) bekannt. Die Sacharin 
am blauen Nil, eine Zauberersecte, spielen noch selbst unter den Muselmins heute 
eine Rolle). ; 

Von einer Geschichte oder Tradition der Ahnen konnte man beim Bari 
bisher nichts erforschen; nur so viel ist ihm bekannt, dass der erste Mensch von 
einem Elephanten abstammte. Er denkt über sein Lebensalter nicht hinaus und 
weiss von der vorigen Generation ganz und gar nichts. Ebenso wenig konnte man 
der Verehrung eines höhern Wesens auf die Spur kommen; doch scheint der 
Bari eine heimliche Idee von einem übermenschlichen höchsten Wesen zu haben, 
welches er mit dem Namen „Mun,“ d. h. „Gott“ bezeichnet; aber er erweist ihm 
keine göttliche Verehrung und bringt ihm keine Opfer; er opfert von seinen 
Heerden nur dem Bonit, wenn er Regen braucht oder denselben von der Allmacht 
desselben erhalten hat. Die Meinung, dass jene aus Holz geschnitzten Puppen, 
welche Kaufleute alljährlich nach Chartum bringen, Götzenbilder der Neger sind, 
ist falsch; denn wir wissen aus genauerer Kunde, dass sie ausser „Wini,“ d.h. 
vom Bonit fabrieirte Arznei, keine andere Bedeutung und keinen: andern Zweck 
haben. In wie weit die Vermuthung, dass die Neger den Mond göttlich verehren, 
Grund hat, ist weiter nicht zu erweisen, man müsste denn ihre Zeiteintheilung 
und ihre Festlichkeiten, welehe sich immer nach dem Mond richten, als Mondes- 
verehrung ansehen. Sie ginge dann aber nur so weit, dass die Aussaat im April 
und October an dem Tage beginnt, nachdem der Neumond zum ersten Male ein- 
getreten und dass die Nationalfeste oder nächtlichen Gongus vor der Aussaat und 
nach der Ernte, d. i. im März und September, am liebsten zur Zeit des Vollmon- 
des begangen werden. Dem darf man wohl aber keine Absicht göttlicher Ver- 
ehrung unterlegen, sondern es ist vielmehr anzunehmen, dass der Mondeswech- 
sel für sie natürliches Mass einer Zeiteintheilung ist und dass eben die heitern 
Vollmondsnächte besonders im heissen Lande zu ergötzlichen Lustbarkeiten ein- 
laden. Ebenso gut könnte man am Ende bei den moslemitischen Sudan-Arabern 
das Besingen, das gegenseitige Beglückwünschen, Aufwärtsstreuen der Erde bei 
dem Eintreten des jedesmaligen Neumondes für göttliche Verehrung halten. Dazu 
weiss man auch, dass diese Abendunterhaltungen ausser dem Vergnügen keinen 
Nebenzweck haben. Im Herbst schreit, singt und tanzt der Bari, weil er Bolot 
und Yawa, d. i. Getreide und Merissabier, im Frühjahr, weil er Hunger hat; es 
ist demnach nur Freude über Ernte und Aussaat. Darum hält er auch Feste, um 
die Wolken einzuladen, dass sie baldigen Regen zu einer neuen gesegneten Ernte 
bringen. 

Deshalb will er auch nieht dulden, dass die Kaufleute Elfenbein über seine 
Felder tragen, weil nach seiner Ansicht dorthin, wo ein Elephantenzahn gegan- 
gen ist, kein Regen hinkommt. Wenn darum das Elfenbeingeschäft auch in der 
Nacht geschieht, so kommen doch Confliete zwischen Kaufleuten und Eingebor- 
nen vor. Auch dieses Jahr tödteten so am Loki, einige Meilen südlicher, Araber, 
welche Elfenbein zum Flusse trugen, drei Schwarze mit Pulver und Blei, nach- 
dem zuvor ein Matrose durch einen Pfeil in die Ferse verwundet worden war. 


1 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil, 95 


Diebstahl, Betrug und Betteln sind den Bari nicht fremd und man kann sich 
nur mit Faust oder Waffe wieder in Besitz entdeckten gestohlenen Eigenthumes 
setzen. Theilweise entschuldigt sie darin wohl der Hunger, zumal bei Kindern, 
welche in der Missionsanstalt verschiedene Dinge entwenden. Ja es geschah 
dies selbst von solehen, welche in Kost und Lehre aufgenommen waren. So 
wurde eine Trage Holz durch einen auf Bitten seiner Mutter für dieselbe auf 
höchst pfiffige Weise unbemerkt durch das Küchenfenster entwendet. An Holz 
nämlich ist hier grosser Mangel, obschon Waldungen nicht allzu fern sind. Man 
muss es entweder im Orte theuer bezahlen, oder von weither selbst zu Schiff 
holen. Die Anwohner des Flusses nämlich sperren den Bewohnern des Binnen- 
landes, wo man alles bedeutend wohlfeiler bekommt, die Verbindung auf der 
Wasserstrasse ab, damit sie ihre eigenen Artikel desto theurer halten können, 
Kaufleute begeben sich also, um vortheilhafteren Tauschhandel zu betreiben, lie- 
ber in das Innere des Landes. 

Betrug und Betteln erscheint den Baris durchaus nicht als etwas Schlech- 
tes, und die Angesehensten des Volkes betteln wie hungernde Sclaven um eine 
Pfeife Tabak. Mit Cigarrenabfällen kann man ein fürstliches Geschenk machen, 
dabei aber auch die Ehre haben, angespuckt oder mit Erde bestreut zu werden; 
dies gilt bei ihnen als Zeichen höchsten Wohlwollens. Wird der angesehene 
Bettler abgewiesen, so zieht man sich seinen überaus gefährlichen Zorn zu. Die 
Rache für beleidigten Baristolz gilt hier dem Leben; doch kann eine Hand voll 
Glasperlen dieselbe unschädlich machen, indem sie nur momentan aufbrausen. 
Das Neujahr der Bari fällt wahrscheinlich mit dem Beginn der Regenzeit und 
ihrer Aussaat, also mit dem Neumond im April zusammen. Die Regenzeit dauert 
8 Monate. Niederschläge sind viel häufiger als in Chartum und stets von Gewit- 
tern begleitet, die ihren Zug von Ost nach West, selten von Süd nach Nord, nie 
von West oder Nord nehmen. Nach der Erntezeit wird das Erntefest Gong be- 
gangen, Ein stiller sogenannter Landregen war nur einmal vorgekommen. Nach 
jedem stärkern Regen übersteigt der Fluss seine Ufer und bedeckt die Niede- 
rungen meilenweit. So folgt namentlich im October eine Ueberschwemmung der 
andern, und diese verschlangen Tabak, Lubien und Bohnensaaten so, dass sie im 
November aufs Neue wiederholt angebaut werden mussten. Dabei führt der 
Strom häufig eine Menge Stroh, Kleinholz, aber auch die allerstärksten Baum- 
stämme, welche die Wilden als vortreffliche Schwimmer auffischen. Dies ein 
Beweis dafür, dass in Süd ein grösserer Gebirgsstock vorhanden sein muss, aus 
welchem das Regenwasser in die Niederungen zusammenströmt und dabei alles 
Bewegliche von den Bergen fortreisst. 

Auch die Eingebornen sprechen von vielen und grossen Bergen am Aequa- 
tor, von denen fortwährend nach allen Seiten das Wasser herabrinnt, aus dem 
sich dann drei Flüsse bilden, von denen der westliche der Bahar el Gasall, der 
mittlere der weisse Fluss, der östliche der Sobat sei. Wenn auch diese Ansicht 
etwas auffallend erscheint, so stimmt doch damit die einstimmige Behauptung 
der Handelsleute, welche das Land der Berri bereist und den Sobat tiefer ein- 
wärts befahren haben, ziemlich genau, dass nämlich der Sobat das ganze Land 
der Berri durchströmt. Auch soll man in West, freilich nur den sehr dunkeln 
Nachrichten zufolge, welche die Schwarzen von dieser Seite her haben, nach 4 
oder 5 Tagreisen zu einem bedeutenden Flusse kommen, wo die Menschen eine 
andere Sprache reden, Menschenfleisch essen und viel Elfenbein haben, welches 
sie weit von West herkommenden Weissen für Glasperlen verkaufen. (Herr 
Hansal hat dasselbe auch selbst aus dem Munde eines Kaufmannes gehört, wel- 
cher vom Gebiete der Kyk aus etwa eine Woche weit nach West zu den Stäm- 


96 Th, Kotschy, 


men Gog, Arol, Reg und Jur (spr. Dschur) vorgedrungen war, und dabei einen 
grossen Fluss übersetzen musste.) Sonderbar aber bleibt, dass, während man von 

‘ dieser Seite zu dem Stamme Jur kommt, die Kaufleute, welche den Baecher 
Gasall bereisen, ebenfalls von einem Volke Jur erzählen: vielleicht sind beide 
ein und derselbe Stamm? es könnte jener Fluss, welchen der Kaufmann westlich 
vom Stamme der Kyk übersetzte, möglicher Weise der Gasall oder ein Arm des- 
selben sein. 

Nach einer Vergleiehung sämmtlicher Angaben müssten beide Flüsse Ga- 
sall und Sobat, nachdem sie sich am Ursprunge der eine westlich, der andere 
östlich wenden, weiterhin parallel mit dem weissen Flusse laufen, bis sie um den 
8. und 9. Grad umgekehrt, der erstere östlich, der letztere westlich in den Cen- 
tralstrom münden. So nahe also stehen wir der so lange gesuchten 
Quelle des weissen Stromes, und noch hat sie keines Weissen 
Auge gesehen! Hierüber möge uns ein kühner Forscher bald Aufschluss geben. 

Würde diese ungeheure Wassermasse, die sich zur Herbstzeit in den Aequa- 
torialländern sammelt, bis zu dem vereinigten Nil herabströmen, so müsste der 
Fluss bei Chartum im December und Jänner den höchsten Wasserstand errei- 
chen; da aber der Bahar el Abiad schon im September und October im Sudan- 
Paschalik alljährlich zurücktritt, so bleibt nur die Annahme übrig, dass sieh das 
sprachliche Hochwasser des obern Südens in den vielen Nebenseen und Sümpfen 
der mittlern Regionen verläuft. Fragt man sich nun, woher das regelmässige, 
periodische Steigen und Fallen in den nördlichern Gegenden des weissen Nil 
Jahr für Jahr, welches in seinem obern Gebiete nicht mehr statt- 
findet, kömmt, so darf man wohl mit aller Wahrscheinlichkeit annehmen, dass 
dies alljährlich um dieselbe Zeit, wie nach bestimmten Naturgesetzen, erfolgende 
Anschwellen in den westlichen und östlichen Zuflüssen des Bahar el Gasall und 
Sobat seinen Grund hat. 

In den übrigen vier Monaten vom December bis März ist die trockene und 
heisse Jahreszeit; doch ist die Sonne in den Hochländern des Aequators weit 
milder als in den Sandwüsten Ost-Sudans, und man hat von allen den hitzigen 
Plagen Chartums nichts zu leiden. Ein brennend heisser Samum wehte aus 
Nordost vom heiligen Abend bis 10. Jänner ohne Unterbrechung; aber auch da 
stieg die Temperatur im Zimmer nur auf 28 Grad R. Ueberhaupt hat das Clima 
in Gondokoro, obwohl für den Fremden ebenfalls nicht zuträglich, dennoch viel 
Vorzüge vor jenem in Chartum. 

Zu den Naturerscheinungen gehören noch die von Zeit zu Zeit wiederkeh- 
renden Erdbeben, welche ihren Grund in dem wenige Meilen südlich gelegenen 
Kegelberge Logwek zu haben scheinen. Sie treten nur schwach auf und richten 
wenigstens, so viel Herr Hansal gehört, keinen Schaden an. Ganz leise beginnt 
ein unterirdisches Donnern, die Erde mit Allem, was sich auf ihr befindet, zittert; 
das Getöse nimmt zu; Wellen erheben sich im Fluss, Mauern und Balken kra- 
chen, Stroh fällt ven den Dächern, Laub von den Bäumen zu Boden; Hunde 
fürchten und heulen; aber der Rumor lässt bald nach, in zwei Minuten ist wieder 
Ruhe. Am stärksten war das Erdbeben am 6. Jänner 9 Uhr Abends. 

Am Feste des heiligen Stephanus machten viele Bari mit Pitia, dem 
Schwager ihres Königs Nigilla, der Missionsstation einen Besuch und brachten 
eine Menge Tabakbrote nach Gondokoro. Was man sonst bei keinem Neger- 
stamme gefunden, findet man bei diesem, nämlich sonderbare Bärte, welche in 
einer pechigen Materie getränkt, wie Eiszapfen vom Kinne herabhängen. Schon 
die Menge überflüssigen Tabaks und ihre geschmeidigen, oft künstlichen Schmuck- 
sachen deuten an, dass sie ein viel rührigeres Volk als die Bari sind. Pitia, 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil, 97 


ein hoher stattlicher Mann, besah mit grossen Augen unser Haus, Kirche, Bilder, 
hörte Musik, gab aber kein Zeichen der Verwunderung von sich, denn er sprach 
nichts barisch, und kehrte dann mit Geschenken für sich und seinen König zu- 
rück, indem er innerhalb einer Woche zehn Kühe aus seinem Lande zu schieken 
verhiess, was den Missionsgliedern um so lieber war, als sie den gänzlichen 
Mangel an Milch immermehr fühlten. In der Umgegend bekommt man gar keine 
oder nur selten stinkende Milch. Eben so schwer geht es mit dem Einkaufe von 
Kühen im Barilande. 

In Anbetracht dessen unternahm Herr Hansal schon im October mit acht 
Schwarzen, welche Glasperlen trugen, mit seinem Pathen Coka, der als Koch 
und Dolmetsch diente, und zwei arabischen Dienern als bewaflnete Bedeckung 
eine Reise zu den Berri, um dort eine kleine Rinderheerde einzukaufen. Da aber 
die Flussbewohner, namentlich wenn sie mit Glasperlen reisen, aus Furcht, von 
den eigenen Stammgenossen angegriffen zu werden, sick nicht leicht in ein frem- 
des Gebiet wagen, und unsere Träger desshalb nur bis zum Pelenyan gedungen 
wurden, so ging unsere nächste Route in die Residenz des Barikönigs Nigilla, 
um unter seiner Vermittlung neue Mannschaft zu werben. Herr Hansal ritt einen 
Esel, desshalb darf man jedoch nicht glauben, der Esel sei hier einheimisch, nur 
die Mission besitzt deren drei, welche von Chartum gebracht wurden. Je weiter 
vom Fluss, desto anmuthiger die Landschaft. Die riesigen Laubbäume, Tamarin- 
den, Sykomoren und die giftigen, aber herrlich anzuschauenden Euphorbien 
(Euphorbia Candelabrum), die grünen Graswiesen der Hochebene, die rieseln- 
den Gebirgsbächlein, die rosaroth blühenden Zwergbäume, welche an Pracht die 
europäischen Rosenstöcke übertreffen, die scheckigen Heerden, dazu die reizende 
Bergkette des bis zum Gipfel heschatteten Pelenyan, — wahrlich (wie ein gros- 
ser Mann sagt:) „das Land ist ein Paradies voll Teufel,“ 

Aın Fusse des Pelenyan konnte man sehen, wie die Bari ihr Eisen gewin- 
nen. Sie machen nämlich über dem eisenhaltigen Sande, welehen Regengüsse 
von den Bergen herabtragen, Feuer an; dadurch schmelzen die Eisentheile zu 
grössern Klumpen zusammen, welche dann zu weiterem Gebrauch geschmie- 
det werden. 

Auf dieselbe einfache Weise, wie Herr Hansal schon von den Sudan- 
Arabern erzählt *), gewinnen auch die Bari Salz in hinreichender Menge, wel- 
ches den nördlichen Stämmen und selbst den Berri völlig abgeht. Handelsleute 
suchen daraus Gewinn zu ziehen, indem sie ganze Körbe voll dieses Minerals 
hier einkaufen und dann bei den Schilluk und Bagara vortheilhaft absetzen. 

Nach einem vierstündigen Marsche nach Ost lagerte die kleine Caravane 
um 12Uhr in einer anstossenden Hütte bei Nigilla’'sStrohburg, der eben am Berge 
bei seiner Mutter war. Nachdem die Anmeldung geschehen war, liess uns der 
schwarze Fürst durch Abgesandte zu einem Mittagsmahle einladen; doch konnte 
die Einladung nicht angenommen werden, weil das Gepäck strenge bewacht wer- 
den musste. Gegen jede Erwartung erschien Nigilla innerhalb einer Viertel- 
Stunde selbst. Herr Hansal wüllte ihm eben zur Begrüssung entgegengehen, 
als er beim Tokul hereinkroch und ihm mit „da doto“ die Hand reichte. Nach 
einer kleinen Erzählung (er spricht halb arabisch, da er ein Jahr in Chartum 
war), dass die Hütte, in welcher sie lagerten, Scherfi und nachher Suliman (zwei 
Handelsagenten) jahrelang bewohnt hatten, ging er nebenan in seine Wohnung, 


*) Briefe aus Chartum 1855. 
Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II, Bd. 1. Heft. g 


98 Th. Kotschy. 


während der erstgeborne Prinz Coka aus einer Garra Yawabier servirte. Bald 
erschien auch der Matat wieder mit einer zweiten Kürbisschale Merissabier und 
‚ bot Herrn Hansal zu trinken. 

Dieser wollte nun vor Allem wissen, wie es um die Weiterreise stehe und 
liess Nigilla fragen, ob er ihm bis morgen die nöthige Anzahl Träger geben 
könne. Weil eben Nyernyerkrieg im Lande war, so hiess es drei Tage warten, 
da er die Leute erst nach dem Friedensschlusse entlassen könne. Dass Krieg 
war (durch Kuhraub herbeigeführt), war augenscheinlich, da während Herrn Han- 
sal’s Anwesenheit vor Nigilla’s Behausung ein Pfeilschiessen vorfiel, wobei ein 
Schwarzer am Fuss verwundet und ein zweiter, dem der Pfeil durch den Hals 
ging, getödtet wurde. Aber von der niederträchtigen Handlungsweise Nigilla's 
unterrichtet, der im vorigen Jahre einen zu den Berri ziehenden Kaufmann so 
lange bei sich behielt, bis er seinen halben Glasperlenvorrath erbettelt und er- 
presst hatte, ohne ihm auch dann Leute zu geben, erklärte Herr Hansal, nicht 
dableiben, sondern nach Gondokoro zurückkehren zu wollen und daselbst die 
Leute abzuwarten. Damit einverstanden sagte Nigilla, sie sollten zweimal schla- 
fen, dann werde er sammt zehn Mann kommen, welche sie zu den Berri führen 
sollten. Herr Hansal verliess sich darauf und liess den Rückzug antreten, nach- 
dem er noch den Häuptling, dessen Mutter, Sohn, Tochter, Weiber, Bruder, 
Schwester, Schwager und einige Grosse bescheukt hatte. Nach Sonnenuntergang 
trafen sie zum Staunen ihrer Hausgenossen wieder in Gondokoro ein. Nigilla 
aber hielt nicht Wort. Als man ihn später durch einen Boten um die Ursache 
fragen liess, entschuldigte er sich damit, dass sich die Bari vor den Berri fürch- 
teten, Allein die Bari wollen nicht, dass Gnalia (Glasperlen) aus ihrem Lande 
gehen. Desshalb musste Herr Hansal seinen Plan in das Innere des Landes vor- 
zudringen, aufgeben. 

Eine neue Aera begann für die Bari mit der Ankunft des ersten türkischen 
Soldatenzuges. Am 22. Januar nämlich drangen 5 mit 300 Mann besetzte Schiffe 
bis zu den Bari vor, landeten zum Schrecken der Schwarzen in Libo und richte- 
ten sich daselbst auf einer Anhöhe so ein, dass man die Erbauung eines Forts 
erwartete. Ein Zeltlager hatte sich bald vor den noch im Staunen begriffenen 
Negern über die ganze Anhöhe ausgebreitet und aus diesem ragten in wenigen 
Tagen viele Häuser aus Holz und hohem Gras hervor. Da sich die türkischen 
Befehlshaber sehr klug gegen die Bari benahmen, ihnen Geschenke machten und 
was sie brauchten, gut bezahlten, so fand auch weiter kein Zusammenstoss mit 
denselben statt. Kaum hatten sich aber die Truppen gehörig eingerichtet, als der 
Befehl zur Rückkehr anlangte, und schon am 17. Februar fuhr zur Freude der 
Neger die Truppe stromabwärts. 

Südlich von Gondokoro zwischen Inseln beginnen Stromschnellen, welche 
sehr weit hinaufreiehen. Herr Provicar Knoblecher unternahm bei seiner 
früheren Anwesenheit in Gondokoro eine Reise in diesen Archipel, konnte aber 
mit seiner Barke nur zwischen die ersten Inseln vordringen und begab sich von 
hier zu Fuss auf einen 100 Fuss hohen Felsen. Bei jedem Schritt wurde er 
durch das Staunen über prachtvolle Vegetation, die riesigen Bäume von Fiecus 
und andere unbekannte Baumarten aufgehalten. Ringsum dufteten die prachtvoll- 
sten Bäume und Pflanzen, zu den Füssen tobte der brausende Strom über Felsen 
und durch Schlünde. Die weitesten noch sichtbaren Punkte in Süd waren die 
Gipfel der Berge Merek-Rego und Merek-Vigo, deren Fuss der Strom bespülen 
soll. Ueber den weitern Lauf des räthselhaften Stromes wurden seine schwar- 
zen Begleiter umsonst befragt. — 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 99 


Am 9, März trat Herr Hansal aus Gesundheitsrücksichten seinen Rück- 
weg nach Chartum an. Einige Daten nun von dieser Rückreise dürften nicht 
uninteressant sein und die früheren ergänzen. 

Der 11. und 12. März brachte das Kauflahrteischifl, das einem Franzosen 
angehörte, bis zu den nördlichen Grenzdörfern der Tschier. Hier wurde gegen 
33 Molot (von den Bari verfertigte herzförmige Ackerschaufeln der Neger) ein 75 
Rottel schwerer Elfenbeinzahn eingehandelt. Es lässt sich daraus ersehen, wie 
vortheilhaft der Handel mit Elfenbein am weissen Flusse betrieben wird, da die- 
ser einzige Zahn in Aegypten verhandelt einen Reingewinn von 240 N. C. M. 
versprach. Darum ist dieser Handel auch so stark, indem jährlich 2—3000 Centner 
Chartum passiren. 

In Betreff! der Bodengestaltung bildet das Land der Tschier den Ueber- 
gang aus der Berg- in die Sumpfregion. 

Am 13. März erreichte das Schill das Gebiet der Helliab. Die Tsehier, 
welche als Hauptwaffe, nebst Lanze auch Bogen und Pfeil führen, und dadurch 
Meister der nördlichen Grenzvölker sind, unternehmen häufig Raubzüge zum 
Nachbarstamme Helliab, der nur mit Schild und Lanze bewaffnet, den Pfeilen der 
Tschier jederzeit unterliegen muss. Ein solcher Ueberfall fand eben am 13. März 
statt, wobei die Helliab 10 Personen und eine Menge Rinder verloren. Am Ufer 
des Flusses sah man noch einen Leiehnam im Blute liegen. Diese gegenseitige 
Feindseligkeit herrscht unter allen Negerstämmen längs der Wasserstrasse. 

Die Bor, welche das östliche Binnenland bewohnen, können ihre Elephan- 
tenzähne nie zum Flusse bringen, weil sie von den Helliab schon oft angefallen 
und beraubt wurden; daher sind die Kaufleutegenöthigt, unter starker Bewaflnung 
diesen Handelsartikel aus dem Innern selbst zu holen, 

Nach einer Sage bei den Helliab tragen die Elephanten der Savennen einen 
Stock oder irgend ein Holzinstrument in ihrem Rüssel, mittelst dessen sie vor 
sich hin den Grasboden untersuchen, ob sie nieht in eine verborgene Fanggrube 
gerathen. Auch sollen die Elephanten Hühnergeschrei sehr fürchten, wesshalb 
die Neger häufig mit Hühnern auf .die Jagd ziehen, welche sie dureh Stupfen 
und Zwieken zum Schreien reizen, und so die dadurch erschreekten und verwirr- 
ten Elephanten leicht erlegen. 

In diesem Länderstrich unterhält die Handelsschaft die meisten Stabilimente, 
weil gerade hier das Elfenbeinerträgniss am ergiebigsten ist. 

Ohne bedeutenden Aufenthalt liess das Schiff bei günstigem Winde schnell 
die Missionsstation zum heiligen Kreuz und ebenso die vielen Handelsstationen 
hinter sich. In einer derselben, Maia, welche schon im Gebiete der No6r liegt, 
lag ein zweites Schiff des Effendi, welches in einem Kampfe mit den Negern am 
Sobat kurz vorher 4 Leute verloren hatte, sowie dieselben Neger ein anderes 
mit Maus und Mann vernichtet hatten. Dagegen hatte der Kampf mit dem erstern 
vielen Hunderten das Leben gekostet. Diess ein neuer Beleg für das leidenschaft- 
liche, Rauben und Morden der bis jetzt bekannten Negerstämme am weissen 
Flusse, wofür tägliche Beispiele zeugen. Ewige Fehde zwischen den einzelnen 
Stämmen; Raub undMord an Fremden! Nur Pulverund Blei oder eine freiwillige 
Verschwendung von Glasperlen ermöglichen die Reise. 

Am 30. März stiess um Mitternacht .ein vom Bahar el Gasall gekommenes 
Schiff des Jbrahim Bas in der Gegend der soeben verlassenen Militäransiedlung 
beim Stamme Noer zu dem Kauflahrteischiff. Es führte eine Menge kunstvoll ge- 
schmiedeter Waffen: Lanzen, Aexte, Trombatsch ete. und andere ethnogra- 
phische Prachtgegenstände von den westlichen Völkern an Bord, welche als Ra- 


Di 


100 Th. Kotschy. 


ritäten Jahr für Jahr unter den Handelsartikeln Central-Afrika’s gesucht werden. 
Nach Angabe dieser Kauffahrer bewohnen den Gasall von der Mündung aufwärts 

‚ die Noer, Dschankeh, welche Mundarten der Dinkasprache reden, Dschur, Dor, 
welche eine gleiche, von der vorigen verschiedene Sprache sprechen, die men- 
schenfressenden Njemniem mit eigener Sprache und weiter in West gekleidete 
arabische Moslemin's. 

Die Menge der Schwarzen an der Grenze der Schilluk, welche auf mehr 
als 100 schlanken Feluken im Flusse kreuzten, schienen eher Räuber als Fischer, 
welche entweder auf Beute zu den gegenüberhausenden Noer ausgehen oder auf 
Capperung eines schwach bemannten Schiffes lauern. 

An der Mündung des Sobat hörte die sumpfige Region der unausstehlichen 
Mosquitos aufund es begann das seichte ofthinderliche Gewässer der Inselregion. 

Am 3. April passirte das Schiff die Residenz Denab unter einem grimmi- 
gen Donnerwetter mit dem ersten diessjährigen Regen, welcher sich noch den- 
selben Abend wiederholte und durch die ganze Nacht anhielt. Herr Hansal 
machte dabei wiederum die Beobachtung, dass die Regen im Lande der Schilluk 
mit jenen im Gebiete der Bari gleichzeitig beginnen und dieses Faetum, dass die 
alljährliche tropische Jabreszeit am 4. und 10. Breitengrade in einem und dem- 
selben Monate eintritt, widerlegt nach seiner Ansicht die Meinung, dass die tro- 
pischen Regen, welche in Chartum im Juli, Augusi und September stattfinden, 
in den Frühlingsmonaten am Aequator beginnen und allmählig weiter nach Nord 
bis zum 20. Grade vorrücken. 

In der nördlichsten Schilluk-Ortschaft Kaka fanden sich am 5. April zum 
Markte schon die benachbarten Bagara-Araber ein, unter welchen bereits 
klingende Münzen cursiren. Die Schilluk betreiben in der Inselregion besonders 
die Jagd auf Nilpferde. Sie bedienen sich dabei der Harpune. Die Bagara Araber 
sind reich’ an Gold, Elfenbein, grosser Dura, Baumwolle, Butter und Schmalz 
und besitzen grosse Rinder-, Schaf-, Ziegen-, Esel-, Pferde- und Kameelheer- 
den, entbehren dagegen gänzlich Salz und Eisen, was sie gegen ihre Produete 
von Schiffern und den Dschellabs (Kaufleuten), eintauschen. Mit Hilfe ihrer flüch- 
tigen Pferde rauben sie den Schilluk und Dinka Kühe und Kinder, welche letztere 
an Mäkler verkauft, nach den zwei Tagereisen entiegenen Grenzmarken Sennars 
oder Cordofans auf den Sclavenmarkt wandern. 

Am 13. April ward die Region der urzuständlichen Sundwälder erreicht. 
Hier erlegte Herr Hansal den gelbgrünen Papagei und sammelte die geglieder- 
ten Schoten einer Gummi-schwitzerden Mimose, (Mimosa nilotica Willd.) Ga- 
rat genannt, ein, welche zur Bereitung von Tinte, zum Gärben der Häute und als 
Arznei gebraucht werden, indem ein Absud bievon Erbrechen erregt und wenn 
man eine Schote über Nacht im Munde behält, den Andrang des Blutes zum 
Kopfe verhindert. 

Am 17. erlegte man bei Torra unterhalb Lahanie und El Ais zum ersten- 
mal einen violetten, weissgefleckten, elsterähnlichen Vogel und erquickte sich am 
22. zum erstenmale wieder nach langer Entbehrung an Fleisch und Merissa. 
Nachdem noch andere Ortschaften passirt waren, kam man zum berühmten 
Scheder el Nogära d. h. Baum der grossen Trommel. Auf diesemaltehrwürdigen 
Baume wurde nämlich vor der Invasion der Türken die grosse Trommel aufge- 
hängt, wenn der Schech der Gegend mittelst Trommelschlägen seine Unterthanen 
zum Kriege oder zu politischen Verhandiungen berief. Am fünfzigsten Tage 
nach der Abreise von Gondokoro wurde Chartum wieder erreicht. 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 101 


Die von Herrn Hansal in jenen obern Nilgegenden gesammelten und der 
k. k. geographischen Gesellschaft geschenkten ethnographischen Gegenstände 
sind folgende: 

10 vergiftete Pfeile, 29 eiserne Pfeile, 4 grosse Bogen und zwar 2 von 
den Bari, 2 von den Tschier, letztere mit der Haut der Eidechsenart Tupinambis 
nilotica und Ziegenhaut überzogen. 8 eiserne Lanzen der Bari, 2 des Nemnem- 
stammes, 1 ganz aus Eisen verfertigte Wurflanze, 1 Zauberstab eines Regen- 
machers (Matat), mit dem er die Wolken verwundet, 2 Eisenhaken, welche in 
der Schlacht auf die Feinde geschleudert werden, 1 Keule von dem schwarzen 
Eisenholz (Dahlbergia melanoxylon), 1 Pfeifenrohr von einer Araliacea? 1 jun- 
ger Stamm des schwimmenden Ambakholzes, 2 Rahad (Gurte, welche Mädchen 
um die Lenden tragen), 1 Negerflöte, 2 Pfeifen, welche die Bari bei ihrem Ge- 
sange brauchen, 1 Streitaxt mit einer Gabel zum Eindrücken der Augen des 
Feindes, 1 Zierstab der Heliab, 1 Keule der Schilluk von schwerem gelbem 
Holze, i lederner Riemen, welcher als Abzeichen des Haus- und Besitzstandes 
getragen wird, 1 Schild der östlich von dem Barilande wohnerden Berri, ver- 
fertigt aus dem Rückentheil einer Giraffenhaut, una noch eine Menge kleinere 
Hausgeräthe, Schmuck und Ziersachen. 

Herr Lesseps sammelte bei seiner Anwesenheit in Chartum Nachrichten 
über den weissen Nil, welche als Grundlage zu einer Instruction für eine etwaige 
Expedition gegen den Ursprung des weissen Nil dienen sollen. Obwohl diesel- 
ben bereits im Journal „isthmas von Suez“ enthalten sind, so dürfte hier doch 
nicht der unrechte Ort sein, Einiges daraus als Ergänzung mitzutheilen. 

So theilte Herr Malzac, unerschrockener Elephantenjäger, Herrn von 
Lesseps mit, dass er zwischen dem 9. und 6. Breitengrad, etwa 100 englische 
Meilen vom Nil, im West eine Niederlassung beim Stamme der Dschurs gegrün- 
det habe. Von da aus setzte er sich mit vielen Stämmen in Verbindung, die ver- 


‚schiedene Sprachen reden, Zur Betreibung des Tauschhandels von Glasperlen 


gegen Elephantenzähne benöthigte er fünf Dolmetscher, deren Zahl bei weitern 
Verbindungen er noch wegen der grossen Abweichung von Sprachen zu verdop- 
peln gezwungen sein wird. So heisst z. B. bei den Kilch der Elephant Akon, 
bei den Dschur Kedde und bei den Manga Aio. Die Schlange heisst bei den mei- 
sten Stämmen Python, eine ganz merkwürdige Uebereinstimmung mit dem grie- 
chischen Worte, während dieselbe Schlangenart bei den Arabern Assala genannt 
wird. Letzthin begleiteten Herrn Malzae 500 Personen, während sieaufdem Rücken 
eine Barkenladung Elephantenzähne schleppten, von seinem Standquartiere bis an 
die Nilufer; man passirte sumpfige Gegenden, in denen Lastthiere nicht fortkom- 
men könnten. Bevor Herr Malzac die Neger für seine Dienste warb, theilte er 
ihnen mit, sein Perlenvorrath sei erschöpft und er wäre erst bei seiner Rückkehr 
im Stande zu zahlen. Trotz dieser Erklärung folgten ihm alle mit ihrer Last bis 
an den Fluss und kehrten im Vertrauen auf sein Wort heim. Diese Thatsache 
beweist, dass die Eingebornen gegen Fremde von Natur nicht feindlich gesinnt 
sind. Unklugheit, Geiz und rohe Behandlung von Seite der Kaufleute sind Ur- 
sachen, dass man mitunter Vorfälle traurigster Art zu beklagen hat. So ist aus 
ähnlicher Veranlassung neuester Zeit ein Handelsmann von Malta sammt Frau 
und 20 Dienern nicht wieder nach Chartum heimgekehrt. Die Neger haben alle 
getödtet und das Schiff verbrannt. 

Die Barineger standen früher in Verbindung mit einem weit entfernten 
südöstlichwohnenden Stamme; aber die Caravane, welche sie jährlich besuchte, 
erscheint seit mehreren Jahren nicht mehr, weil sie von gewissen dazwischen lie- 
genden Völkerschaften beunruhigt wurde. 


102 Th. Kotschy. 


Die Bari rufen eine Gottheit an, welche sie den grossen Regen Dendit 
nennen. In der trockenen Jahreszeit ‘opfern sie diesem einen weissen Ochsen, 
‚um Regen zu erhalten; dagegen bei Regenübermass einen schwarzen, um Sonne 
zu erflehen. Opfer von Ochsen sind übrigens bei allen Stämmen des weissen 
Nil gewöhnlich.. Wenn sich bei den Bari zwei Feinde versöhnen, trägt jeder im 
Munde ein Stück Eisen als Unterpfand des Friedens, und dieses wird unmittel- 
bar an jener ‚Stelle vergraben, an welcher der Friede geschlossen wird. 

Die Uferbewohner pflegen ihre Leichname in den Nil zu werfen; während 
die Stämme im Innern dieselben in verticaler Richtung vor ihren Wohnungen 
begraben. Auf das Grab der Männer wird eine Lanze gepflanzt, das der Frau 
bezeichnet die Schüssel, in welche sie die Durakörner zu sammeln pflegte. 

Jeden Abend finden Zusammenkünfte statt, welche durch Tanz und Gesang 
heiter gemacht werden. Ihre Gesänge tragen nicht die Melancholie der Araber 
an sich, sie. sind vielmehr lebhaft und werden von angenelimen Kehlen harmo- 
nisch vorgetragen. 

Sowohl den Bari als auch allen übrigen Völkern des weissen Nil, die eine 
sehr dichte Bevölkerung‘ in den Uferländern bilden, sind Schriftzeichen unbe- 
kannt. Rechnen verstehen sie und ihr Zählen ist dem unserem ähnlich, wie dies 
Herr v. Lesseps aus einer Tafel mit Zahlzeichen ersah, welche Herr Malzae 
bei den Stämmen der Kidjs, Ocools, Dinka, Bohr zasammengestellt. Da im Bari- 
lande viel ‚Eisen erzeugt wird und Waffen nach der Nahrung zu den ersten 
Lebensbedürfnissen gehören, so sind Schmiede sehr gesucht und geachtet; zu- 
gleich sind diese aber auch nur die einzigen Handwerker dieser Länder. Dass 
sie in ihrem Handwerke viel Geschicklichkeit besitzen, ersieht man aus den mit 
viel Geduld gearbeiteten Zierrathen ihrer Waffen und sonstigen Utensilien aus 
Eisen. Die Waffen bestehen aus Lanze, Wurfspiessen verschiedener Grösse und 
Form. Bei den südlichen Völkern tritt an die Stelle des von den nördlichern Völ- 
kern allgemein gebrauchten breiten, zweischneidigen Schwertes, der Gebrauch 
von Bogen und Pfeil, welcher oft eiserne Spitzen hat, oft aber bloss vergif- 
tete Spitzen aus schwerem Holz. In Kriegszeiten werden auch die Eisenspit- 
zen vergiftet. Wunden durch solehe Pfeile oder vergiftete Wurfspiesse gelten 
für unheilbar ‚ indem Geschwulst und Entzündungen bald den Tod herbeiführen 
sollen. Auch sind alle Völker mit grossen Keulen von schwarzem Ebenholz be- 
wallnet und einem Dreizack mit schneidenden Klingen, welchen sie aus freier 
Hand gegen den Feind schleudern. 

Die Bewohner des weissen Nil nähren sich hauptsächlich von Kuhmileh, , 
Durakörnern, zuckersüssem Sorghum, Reis und verschiedenen Sorten von Knol- | 
lengewächsen, i 

Von bisher unbekannten Nutzpflanzen wird noch erwähnt, dass Herr Mal- 
zac ein Stück Gummi elastieum aus dem Lande der Djours gebracht habe. _ 

Auch kommt unweit des weissen. Nils 'eine aprieosenähnliche Frucht 
Mangha vor, wie auch Bäume, aus deren Frucht man Butter erzeugt. 

Drei Arten von Convulvolus sind endlich zu erwähnen, deren Knollen ge- 
kocht den Geschmaek von Erdäpfeln haben. Der erste eolossale Windling er- 
reicht oft die Länge von 30: Fuss. Die zweite neue Art, Djangal genannt, lebt 
unter der Erde, wagrecht hinwachsend; der dritte Windling ist auf Sträuchern 
zu finden. } 

Sind auch in neuerer Zeit sehr bedeutende Fortschritte gegen den Ursprung 
des weissen Nil geschehen, so sind die Quellen desselben doch noch nicht er- 
reicht. Ein. weiteres Vordringen in's höhere Bergland auf Barken wird durch 


47 


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Mitheilungen der le k geographischen Gesellschaft, U Jahrgang 2 


Umrisse aus den Uferländern des weissen Nil. 103 


starke Stromscehnellen, die sich oft einige Tagereisen ausdehnen sollen, und durch 
die sich immer mehr ausdehnenden Felsen geradezu unmöglich. Wie es mit dem 
Reisen zu Lande geht, ersehen wir aus Herrn Hansal’s Besuch beim König 
Nigilla. Welches Feld von neuen Entdeckungen aber, allein in dem Bereich 
dieses Stromgebietes, auf dem noch so wenig bekannten Erdtheil vor uns liegt, 
zeigt uns der erste Blick auf das beigefügte, mit Pflanzennamen versehene Kärt- 
chen. Nur die Wasserstrassen, diese Pulsadern des Völkerlebens, sind bisher, 
und zwar nur dem Hauptstrome nach, bekannt. Die vielen, das ganze Jahr hin- 
durch Wasser führenden Seitenarme, unter denen Bahar el Gasal (Keilak) und 
Sobat die mächtigsten sind, wurden kaum weiter als bei ihrer Mündung 
gesehen. 

Die südliehste bekannte Landschaft des Nilgebietes bildet zwischen dem 
4. und 6. Grade den Anfang einer nach Süd sich weit ausdehnendenBergregion. 
Die Berggipfel scheinen indess, so weit sie bisher das Auge der Europäer erreicht 
hat, noch keinem Centralstocke von bedeutenderer Erhebung anzugehören. Nach 
verschiedenen Nachrichten und nach der Beobachtung, dass der Fluss in der Re- 
genzeit bei Gondokoro an einem Tage sehr schnell wiederholt anschwillt und 
wieder fällt, darf man wohl entnehmen, dass südlich in nicht gar weiter Ferne 
jenes mächtigere und steilere Gebirge gelegen sein dürfte, welches sowohl dem 
durch das Bariland fliessenden, uns noch ganz unbekannten Strom, als auch dem 
Tubiri oder Churifiri der Bari, wie endlich noch jenem, westlich, mit diesen bei- 
den ziemlich parallel durch das Sumpfland sich Bahn brechenden unbekannten 
Strome zum gemeinsamen Quelllande dient. 

Die nächsten vier Grade nördlicher Breite gehören derSumpfregionan, 
dem eigentlichen Sammelplatze vieler hundert Giessbäche zur Regenzeit. Die 
ungeheure Ausdehnung und Configuration dieses ganz flachen Sumpflandes ver- 
ursacht die Regelmässigkeit der periodischen Ueberschwemmungen. Die so 
reichlich fallenden Regenwasser füllen zuerst den See Noo mit seinem weithin 
nach Süd und Nord sich ausdehnenden Sumpflande und entsenden dann ihre 
Fluthen mit einem Male in anhaltender Mächtigkeit über das gesegnete Aegypten. 

Vom See Noo aus ist der Strom von vielen Inseln durchbrochen, so dass 
diese Strecke Inselregion genannt wird. Alle diese Inseln werden von dem 
raschen Schiffervolke der Schilluk beherrscht und bewohnt. Vom 12. bis 14. Grad 
sind sowohl Ufer, als auch noch einzelne Inseln mit Hochwald von Nilmimosen 
(Sund) so dicht beschattet, wie dies sonst am Flusse nirgends der Fall ist; des- 
halb heisst dieser, mit dem nördlich gelegenen Waldland in Verbindung stehende 
Landstrich, Waldregion. Zu Seiten der Waldregion erhebt sich das uns schon 
bekannte westliche nnd östliche Bergland mit seiner bekannteren, überaus reichen 
Vegetationsfülle, beiderseits durch den Waldsaum am nördlichen Fusse mit 
dem weissen Nil verbunden, 

Das weitere flache Uferland ist bis zur Aufnahme des blauen Nil ein in der 
Regenzeit von Juni bisOetober mit bunten Blumen und hohem Pflanzenwuchs, mit 
lachendem Grün überdecktes, in den übrigen Monaten aber welkes kahles Sa- 
vannenland. 

Die geographischen Umrisse aber sowohl auf der Insel El Hoye, als auch 
auf der bis Senegal nach West hin sich ausbreitenden Ebene sind uns noch so 
wenig bekannt, wie jene vom Bergland Nubas und Benischanguls südlich über 
den Aequator hinaus durch das ganze Innere von Africa gelegenen Länder. 


m. 


Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam im 
indischen Ocean. 
von Dr. Carl Scherzer. 


Es dürfte wohl wenige Puncte der Erde geben, über welche bisher in Be- 
zug auf ihre Entdeckung, Namen, geographische Lage und Geschichte so viele 
unrichtige, zuweilen völlig widersprechende Angaben nicht nur in der wissen- 
schaftlichen, sondern auch in der schifffahrenden Welt verbreitet wären, als die 
beiden Inseln St. Paul und Amsterdam in diesem Ocean. Während einige Sehrift- 
steller den holländischen Seefahrer William de Vlaming als deren Entdecker 
bezeichnen, und bald das Jahr 1696, bald 1697 als das ihrer Entdeckung ange- 
ben, zuerkennen wieder andere Geschichtsquellen dem kühnen Van Diemen das 
Prioritätsrecht ihrer ersten Auffindung. Eine ähnliche Ungewissheit hatte sich 
in Bezug auf ihre Namen schon seit dem vorigen Jahrhunderte eingeschlichen, 
welche beständig verwechselt wurden, So sieht man auf älteren Atlanten und 
Reisewerken bald die nördlicher gelegene Insel als St. Paul und die südlichere 
als Amsterdam bezeichnet, bald wieder die südlichere St. Paul, die nördlichere 
Amsterdam genannt, oder gar als „St. Paul oder Amsterdam,“ „Amsterdam oder 
St. Paul“ aufgeführt. Aus diesem Grunde waren auch alle bisherigen, allerdings 
höchst spärlichen Berichte über Lage, Gestalt und naturhistorische Beschaffenheit 
dieser beiden Inseln im höchsten Grade unzuverlässig und widersprechend. Der 
eine Reisende schildert z. B. Amsterdam als eine dicht mit Vegetation bedeckte 
Insel mit einem alten Krater, dessen eine Wand einsank und dadurch eine natür- 
liche Verbindung mit dem Meere herstellte, und fügt hinzu, dass sich auf der 
Nordseite der Insel ein guter Ankerplatz befinde, während er St. Paul als ein ödes 
wüstes Eiland darstellt, mit steil abfallenden Küsten, welche das Landen auf dem- 
selben sehr schwierig, wenn nicht völlig unmöglich machen. Andere Seefahrer 
geben von den beiden Inseln gerade die entgegengesetzte Beschreibung, ein Irr- 
thum, der augenscheinlich nur in der beständigen Verwechslung ihrer Namen sei- 
nen Grund hat*). 

Eine ernste Katastrophe — der Schiffbruch des englischen Schiffes „Meri- 
dian“ an der Küste von Asterdam am 24. August 1853, lenkte mit einem Male 
neuerdings die Aufmerksamkeit der Geographen auf jene beiden einsamen Ei- 
lande im indischen Ocean und mahnte wiederholt zur endlichen Entwirrung der 
Confusion, welehe in den Benennungen derselben bisher bestand. Dem Biblio- 
thecar der Archive der Ost- und Westindischen Compagnie in Amsterdam, Herrn 
L. C. D. van Dyek gebührt dieses schöne Verdienst derselben, indem derselbe, 


*) An Authentie account of an Embassy from the King of Great Britain to the Emperor of 
China ete, ete., taken chiefly from the Papers of H. E. the Earl of Macartney etc. ete. by 
Sir George Staunton, Baronet. London 1797. Vol. I. p. 205—227. — Relation du 
Voyage a la recherche de La Peyrouse, fait par ordre de l’Assemblee constituante pen- 
dant les annees 1791, 1792 et pendant la Te. et la 2e. annee de la Republique frangaise 
par le Citoyen Labillardiere, Corresp. de l’academie des sciences de Paris, An VIII de 
la Republique frangaise. Vol. I. p. 110—113. — Johnston, A. H., General Gazette of 
the World. London 1855. — Horsburgh, James, India Directory, or directions for sai- 
ling to and from the East Indies, China, Australia and the adjacent ports of Africa and 
South America. London 1855. 7th. Edition. Vol. I. p. 101. 


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Dr. ©, Scherzer. Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam. 105 


veranlasst durch ein Schreiben der britischen Admiralität an jene Holland’s, nach 
einer langen mühevollen Prüfung zahlreicher Documente und älterer Handschriften 
in dem erwähnten Archive endlich das Original-TagebuchAntonioVanDiemens 
fand, welches dieser berühmte Seefahrer auf seiner Reise von Texel nach Batavia 
vom 16, December 1632 bis 21. Juli 1633 geführt hatte. Aus demselben geht her- 
vor, dass Van Diemen am 17. Juni 1633 zwischen beiden Inseln durehfuhr 
und der nördlichern den Namen Neu-Amsterdam, der südliehern den 
von St. Paul beilegte. Dieser Umstand schlichtete mit einem Male auf befriedi- 
gende Weise den Streit über die richtige Benennung der beiden Inseln, aber 
das Dunkel, welches über deren physischer Beschaffenheit schwebte, blieb noch 
immer zu lichten übrig. Nur höchst selten finden wir in Reisewerken der beiden 
Inseln Erwähnung gethan, und ist dies einmal der Fall, so geschieht es nur in 
der flüchtigsten Weise. Von den Schiffen, welche seit der Zeit ihrer Entdeckung 
diese beiden Inseln zu wissenschaftlichen Zwecken besuchten *), haben sich die 
meisten nicht länger als einige Stunden daselbst aufgehalten und konnten daher 
nur sehr oberflächliche Untersuchungen anstellen. Die umfassendste und gedie- 
gendste Beschreibung über die Insel St. Paul ist unstreitig in dem prachtvoll 
ausgestatteten authentischen Berichte über Macartney's Gesandtschaftsreise 
nach China enthalten **), welcher am 2. Februar 1793 auf der Fahrt nach dem 
Reiche der Mitte mit den Schiffen „Lion“ und „Hindostan“ St. Paul berührte, 
und einigen wissenschaftlichen Männern der Expedition dadurch die Gelegenheit 
verschaffte, einen Gang über die, von ihm nach älteren englischen Seefahrern 
irrigerweise „Amsterdam“ genannte Insel machen zu können. 

Aber auch dieser Besuch lag nicht in der ursprünglichen Absicht der Ex- 
pedition, sondern wurde bloss durch den Umstand veranlasst, dass man, als der 
„Lion“ in der Nähe von St. Paul vorbeisegelte, an dessen Ufer zwei menschliche 
Wesen gewahr wurde, welche ein an einer Stange befestigtes Sacktuch in der 
Luft schwangen und anscheinend ein ängstliches Verlangen zu erkennen gaben, 
mit dem Schiffe zu verkehren. Man glaubte auf Schiffbrüchige gestossen zu sein, 
welche an dieser gefährlichen Küste gestrandet waren, und nun in der Ankunft 
des „Lion“ ein unerwartetes Mittel ihrer Rettung erblickten; und ergriffen von 
einer so verzweiflungsvollen Lage hielt es der Commandant des Lion für eine 
gar glückliche Fügung das Werkzeug ihrer Befreiung werden zu können. Als 
aber ein Boot des englischen Kriegsschiffes, welches die Schiffbrüchigen abholen 
und an Bord des „Lion“ bringen sollte, auf der Insel gelandet war, erfuhr man 
bald die seltsame Täuschung, welcher man sich hingegeben hatte. Die Menschen 


*) Die Schiffe, welche seit der Entdeckung der beiden Inseln durch Van Diemen im 
Jahre 1644 dieselben zu wissenschaftlichen Zwecken besuchten, und deren Besuch 
in die Oeffentliehkeit gedrungen, sind: Vlaming 1697, englisches Schifl „Morse* 
1770, englisches Schiff „Gustavus“ (Capitän Cox) 1789, englische Schiffe „Lion“ und 
„Hindostan“ 1793, Capitäin Wiekham 1837, englisches Schiff „Fly“ (Capitän Black- 
wood) 1842. 


##) An Authentie Account of an Embassy from the King of Great Britain to the Emperor of 
China, together with a relation of the voyage undertaken on the occasion, by H. M. Ship 
„Lion“ and the Ship ‚‚Hindostan‘“ in the East India Company's service to the Yellow 
Sea and Gulf of Pekin as well as of their return to Europe. Taken chiefly from the pa- 
pers of H. E. the Earl of Macartney ete. ete. London 1797. Vol. I. p. 205—227. Die 
Schifisbibliothek der „‚Novara“ verdankt dieses schöne Werk der Güte des Herrn Rit- 
ters von Sartorio, königl. sächsischen Consul in Triest, welcher so freundlich war, 
dasselbe nebst anderen werthvollen Reisewerken dem Herrn Commodore von Wüllers- 
torf während der Dauer der kaiserlichen Expedition aus seiner wohlgewählten Biblio- 
thek zur Verfügung zu stellen. 


106 Dr. ©. Scherzer. 


welche die Humanität von diesem verlassenen Orte zu befreien vermeinte, waren 
keineswegs unfreiwillige Bewohner der Insel, sondern Robbenjäger, welche be- 
‚ reits seit fünf Monaten auf derselben lebten, und noch weitere zehn Monate da- 
selbst zu verbringen gedachten, in der Absicht eine Schiffsladung von 25.000 
Seehundshäuten vollzumachen, für die es zu jener Zeit auf den chinesischen 
Märkten einen vortheilhaften Absatz gab*); und die Signale, welche zuerst die 
Aufmerksamkeit des „Lion“ erregten, hatten, wie sich jetzt herausstellte, keinen 
andern Zweck, als nach langer Zeit sich wieder einmal mit Menschen zusammen 
zu finden. Dieser seltsamen Täuschung nun, welche allein Ursache war, dass 
die Reisenden einige Stunden auf dem heutigen St. Paul landeten, verdankt die 
gebildete Lesewelt ein naturwissenschaftliches Gemälde jener Insel, das selbst 
noch jetzt, 64 Jahre nachdem es entworfen wurde, nichts von seiner Gediegen- 
heit und dem Glanze seiner Darstellung eingebüsst hat, und der Forscher unserer 
Tage wird noch heute während einer Wanderung über diese einsame, viele tau- 
send Meilen von irgend einem Festlande entfernte Insel, beim Anblick ihrer im- 
posanten Formen und ihrer wunderlich gefiederten Bewohner gar vielfach an 
jene eben so anziehenden als wahren Schilderungen erinnert, welche einst die . 
Naturforscher des „Lion“ im naiven Style ihrer Zeit von St. Paul und dessen Na- 
turverhältnissen gemacht haben, Nur in Einem Punete werden sich die heutigen 
Besucher von St. Paul getäuscht finden, wenn sie nämlich unter dem lebhaften 
Eindrucke der Schilderung Maeartney’s dieses wunderliche Stück Erde in der 
Erwartung betreten, eine grosse Menge von Seekälbern (Phoca ursina Lin.) 
daselbst zu finden, von denen zu Ende des vorigen Jahrhunderts täglich tausende 
ans Ufer kamen, um sich zu sonnen. Sie sind dermalen gänzlich verschwunden 
und es gilt als ein höchst seltener Zufall, wenn eines dieser Thiere von den ge- 
genwärtigen Bewohnern der Insel gesehen und erlangt wird. Nieht einmal von 
den Gerippen dieser Thiere, welche, als die Naturforscher des „Lion“ St. Paul 
durchwanderten, so massenhaft umherlagen, dass man sich gleichsam nur über 
Knochenfelder entlang des Kraterrandes fortbewegen konnte, ist mehr eine Spur 
vorhanden, und Niemand würde ahnen, dass auf dieser Insel hunderttausende 
dieser Thiere einst ihren Tod fanden. 

Eine dem Folioatlas des Macartney'schen Prachtwerkes beigegebeneKarte 
ist zugleich das beste, was bisher in kartographischer Beziehung über St. Paul 
erschienen ist, selbst jenen Plan nicht ausgenommen, welchen das englische 
Schiff „Ily“ (Capitän Blackwood) auf Anordnung der britischen Admiralität im 
Jahre 1842 während eines nur ganz kurzen Aufenthaltes daselbst von der Insel 
entworfen hat. 


#®) Es scheint, schreibt Maeartney, dass die Chinesen eine besondere Kunst in der 
Bereitung der Seehundshäute besitzen, indem sie die langen und gröberen Haare 
von denselben entfernen und bloss den weichen Pelz belassen, und gleichzeitig die 
Haut dünn und geschmeidig machen. Der Preis dieser Häute weehselt in Canton je 
nach ihrer Qualität und ihrer Nachfrage von 1 bis 3 Dollars. Nur die Aussicht auf 
einen sehr ansehnlichen Gewinn mochte wohl irgend welche menschliche Wesen ver- 
locken, 15 Monate lang an einem so wenig ansprechenden Orte zuzubringen, den 
ihre Beschäftigung noch ekelhafter machte. Sie tödteten die Seekälber, wie sich diese 
an der Sonne wärmten, auf dem Gestein entlang dem Ufer und rings an dem brei- 
ten Wasserbeeken. Da die Häute allein für sie Werth hatten, so liessen sie die 
todten Körper unbekümmert auf dem Boden verfaulen, die in solehen Massen her- 
umlagen, dass es schwer war, nieht auf dieselben zu treten, indem man um die 
Insel ging. Bei jedem Schritt zeigte sich ein höchst widerliches Schauspiel, wäh- 
rend ein übler Geruch der verfaulenden Substanzen die Atmosphäre ringsherum 
verpestete. 


Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam. 107 


Unter solehen Umständen ist es leicht erklärlich, dass die Aufmerksamkeit 
der österreichischen Erdumseglungs-Expedition auf jene beiden Inseln im indi- 
schen Ocean gelenkt war, an deren Besuch auch Alexander von Humboldt in 
seinen „Physischen und geognostischen Erinnerungen“ an die Novara-Reisenden 
die Hoffnung der Lösung manches wissenschaftlichen Räthsels knüpfte und deren 
gründliehere Durchforschung zugleich in Folge ihrer so wichtigen Lage, in mitt- 
lerer Entfernung von dem Südpunete Afrika’s und dem australischen Festlande 
auch für die seefahrende Welt grosses Interesse haben musste, denn nicht nur 
die nach China, Australien und Neuseeland bestimmten Schiffe, sondern auch jene, 
welche nach Ostindien fahren, segeln in der Regel, namentlich während der 
Winterszeit ziemlich nahe an: diesen beiden Inseln vorbei; so manche andere 
Befahrer des indischen Oceans erblieken in St. Paul ein wohlthätiges Asyl für 
ihre seorbutkranke Mannschaft, und die dureh Stürme dem Untergang nahe ge- 
brachten ‚Schiffe finden auf mehrere tausend Meilen auf jenen Inseln allein einige 
Aussicht auf Rettung, 

Dabei haftete für uns noch ein Interesse ganz eigenthümlicher Art an dem 
Besuche von St. Paul. Unter den Unglückliehen, welche am 24. August 1853 
an Bord des brittischen Schiffes „Meridian“ an der Küste von Amsterdam Schifl- 
bruch gelitten hatten, befand sich auch ein Schweizer, Namens Pfau, aus Kriens. 
Derselbe war mit dem Capitän des „Meridian,“ Richard Hernamann, und einem 
Franzosen spurlos verschwunden, als am nächsten Morgen die übrigen Passagiere 
des gescheiterten Schiffes von einem zufällig vorübersegelnden Wallfischfänger 
gerettet wurden. Man vermuthete, dass die drei Leidensgefährten versucht hat- 
ten, in einem kleinen Boote sich auf die benachbarte Insel St. Paul zu retten und 
vielleicht gegenwärtig noch dort lebten. Der Vater des Schweizers liess sogar 
indireet an den Chef der Expedition die Bitte gelangen, bei dem Besuche der 
Insel St. Paul Nachforschungen anstellen zu wollen über das Schicksal seines un- 
glücklichen Sohnes, noch immer nicht der Hoffnung entsagend, dass sich derselbe 
vielleicht doch auf der Insel St. Paul noch am Leben befinde. 

Es lag in der Absicht des allen wissenschaftliehen Forschungen so innig 
zugethanen Chefs der kaiserlichen Expedition, zuerst auf der südlicher gelegenen 
Insel, nämlich an St. Paul zu ankern und erst, nachdem die beabsichtigten wis- 
senschaftlichen Arbeiten auf dieser vollendet, die nördliche Insel Amsterdam zu 
besuchen. 

Je näher wir der 2770 Seemeilen vom Cap der guten Hoffnung entfernten 
Insel St. Paul kamen, desto mehr wuchs das Verlangen nach ihrem Anblick und 
man beneidete fast im Stillen den auslugenden Matrosen, dem es von seiner luf- 
tigen Warte-aus hoch oben auf der Normans-Ran beschieden sein sollte, die er- 
sehnte Insel zuerst zu erblicken. 

Am 19. November, am 23. Tage nachdem wir das Cap der guten Hoffnung 
verlassen hatten, kamen bei Tagesanbruch die beiden, ungefähr 42 Seemeilen 
(nicht 54 Meilen, wie gewöhnlich in Reisewerken und auf Karten angegeben ist) 
von einander entfernten Inseln in Sicht und gegen 11 Uhr Früh liess die „Novara“ 
an der östlichen Seite von St. Paul in 32 Faden Grund den Anker fallen. 

Völlig baumlos und nur mit niederer Vegetation bedeckt, war der erste 
Eindruck der Insel mit ihren rauhen, meist senkrecht herabfallenden felsigen 
Küsten nichts weniger als freundlich oder anheimelnd. Es war mehr die Selt- 
samkeit der Erscheinung als ihr Zauber, die uns zu diesem halb wüsten, öden 
Fleck Erde hinzogen. Wir lagen um 1!/, Seemeilen von dem grossen Krater- 
becken entfernt, dessen östliche Wand eingestürzt war und eine natürliche Ver- 
bindung mit dem Meere eröffnet hatte. Als der holländische Schiffseapitän W. de 


108 Dr. €. Scherzer. 


Vlaming im Jahre 1697 an der Insel vorüberfuhr, hatte die erosive Kraft des 
Wassers diesen Durchbruch noch nicht vollendet, sondern es erhob sich damals 
‚ noch zwischen dem Krater und dem Meere ein fünf Fuss hoher Damm. Gegen- 

wärtig können Boote zu allen Tageszeiten mit Leichtigkeit in das Kraterbecken 
gelangen, das vor dem Andrang der Wellen durch zwei natürliche Barren ge- 
schützt ist, die einen Eingang von eirca 300 Fuss offen lassen”). Wir waren kaum 
geankert, als ein Boot von der Insel gemeldet wurde, das sich mit drei Menschen 
— von so wüstem Aussehen wie ihr Aufenthalt — rasch der Fregatte näherte; 
unsere Phantasie gefiel sich nur in dem Gedanken, diese drei verwilderten und 
verwahrlosten Gestalten seien die verschwundenen Schiffbrüchigen des „Meridian,“ 
welche mitleidsvolle Wellen nach dieser einsamen Insel getragen hatten. 

Bald darauf stieg eine greise Gestalt mit tiefgefurchten Zügen und einem 
langen grauen Bart, in einer blauen Blouse und groben leinenen Hosen, die schon 
manchen Winter und Sommer mitgemacht zu haben schien, über's Fallrepp auf 
das Deck und wurde dem Commandanten als ein Holländer gemeldet. Ehe er 
sich’s versah, war der schlichte Alte dermassen von Neugierigen umringt, dass 
es ihm schwer fiel, den Weg durch diese compacte Masse zu finden, und als der- 
selbe endlich bis zum Commandanten vordrang, ergab es sich, dass der vermeint- 
liche Holländer eigentlich ein Franzose ist, Namens Viot, welcher als Aufseher 
über ein auf der Insel befindliches Fischer-Etablissement schon längere Zeit da- 
selbst lebte. Unsere erste Frage war nach den Schiffbrüchigen des „Meridian.“ 
Aber wie sehr fühlten wir uns getäuscht, als der alte Blousenmann erzählte, es 
sei ihm wohl die Katastrophe des „Meridian“ bekannt, aber niemals habe er auch 
nur das Geringste über jene drei Unglücklichen erfahren, nach denen wir uns 
erkundigten. Viot, so hiess der Franzose, besuchte die Insel seit dem Jahre 
1841, befand sich aber zur Zeit, als der „Meridian“ Schiffbruch litt, nieht auf 
der Insel, Das Schicksal der drei Schiffbrüchigen bleibt also noch immer unent- 
schieden, obwohl es bei so stürmischem Wetter, wie es in der Regel im August- 
monate im indischen Ocean herrscht, mehr als unwahrscheinlich ist, dass ein 
Boot von so kleinen Dimensionen wie das, welches dem Capitän des „Meridian“ 
und seinen beiden Unglücksgefährten zu Gebote stand, nach dem 42 Meilen ent- 
fernten St, Paul gelangen konnte. 

Gegen 11:/, Uhr Früh fuhren die an den vorzunehmenden wissenschaftli- 
chen Arbeiten betheiligten Officiere und Naturforscher in zwei Booten behufs 
einer vorläufigen Recognoseirung der Insel an’s Land. Als wir an der Barre an- 
gelangt waren, lagen die grünen, mit üppigem büschelförmigem Graswuchs, be- 
deckten Wände eines herrlichen Kraters vor uns, der durch seine schöne regel- 
mässige Form vollständig den Eindruck eines natürlichen Amphitheaters machte. 
Spätere Messungen ergaben in Bezug auf Höhe und Umfang des Kraterbeckens 
das folgende Resultat. 

Von beiden Seiten der Barre steigt das Land ziemlich plötzlich bis zu einer 
Höhe von eirca 800 Fuss auf, was zugleich die Höhe des obern Kraterrandes ist. 

An der Nordseite des Beckens kamen eine Reihe niederer, mit Stroh be- 
deckter Steinhütten zum Vorschein, und aus dem Geröll der Barre erhob sich in 
einer nicht sehr senkrechten Richtung eine Flaggenstange, auf welcher der alte 
Viot zu Ehren der Ankunft eines Kriegsschiffes die französische Flagge aufge- 
zogen hatte; und als die Barken der „Novara“ in das Kraterbecken einfuhren, 


*) Die später angestellten Messungen ergaben für die südliche Barre eine Länge von 
600 Fuss, für die nördliche von 1002 Fuss, indess die Breite der Einfahrt 306 Fuss 
und ihre Tiefe 9.6 Fuss beträgt {bei Hochwasser). 


EEE ERDE WERTE 


Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam. 109 


salutirte er mit jener nationalen Courtoisie, welche selbst das rauhe Handwerk 
eines Wallfängers nicht ganz abzustreifen vermochte. Viot war zuletzt im März 
d,. J. mit einem Mulatten und einem Neger an Bord des Fischerbootes „Alliance“ 
von 45 Tonnen von St.Denis auf der Insel Bourbon nach St. Paul gekommen, um 
neuerdings die Sorge für das kleine Fischer-Etablissement zu übernehmen, wel- 
ches gegenwärtig dasEigenthum eines in St. Denis ansässigen Franzosen, Namens 
Ottovan, ist. 

Während uns auf unsere Anfrage in der Capstadt von den ersten Autoritä- 
ten des Landes gesagt wurde, die Insel St. Paul sei englisch, und zwar von 
Mauritius abhängig, hörten wir jetzt wieder zu unserem Staunen von den Ein- 
wohnern, dass St. Paul dermalen unter dem Schutze der französischen Regierung 
und zwar unter dem Gouverneur der Insel Bourbon stehe, welcher bereits vor 
längerer Zeit von einer Anzahl französischer Soldaten, die in einem Kriegsschiff 
hier landeten, unter den üblichen Förmlichkeiten die französische Flagge hissen 
liess. Die Insel soll nämlich nach der Aussage des alten grundehrlichen Viot 
— dem ich übrigens für die Richtigkeit der folgenden Angaben allein die Ver- 
antwortung überlassen muss — vor einigen zwanzig Jahren das Besitzthum eines 
französischen Kaufmannes aus St. Denis, Namens Camin gewesen sein, der sich 
später mit einem gewissen Adam, einem Polen von Geburt, associirte und end- 
lich dem Letzteren die Insel ganz abtrat. Adam, welcher uns von einer äusserst 
grausamen Charakterbeschaffenheit geschildert wurde, that indess ungemein viel 
für die Cultur der Insel. Er liess eine Anzahl von Mozambique-Negern das ganze 
Jahr hindurch unter den empfindlichsten Entbehrungen fortarbeiten, um Steine 
aus den Felsen zu hauen, Hütten daraus zu bauen, einen Landungsplatz an der 
nördlichen Seite des Beckens anzulegen und eine Anzahl von Grundstücken im 
untern Kraterrand mit europäischen Gemüsearten zu bebauen. 

Vor ungefähr 8 oder 10 Jahren verkaufte Adam, der später, während 
einer Fahrt von Bourbon nach Neuseeland einen schauderhaften Tod fand, indem 
er von der über seine Grausamkeiten empörten schwarzen Bemannung seines 
kleinen Fahrzeugs über Bord gestürzt worden sein soll, die Insel an ihren der- 
maligen Besitzer,M. Ottovan, einen Schiffslieferanten (fournisseur des batiments) 
in St. Denis, welcher seither zweimal des Jahres in der günstigen Saison ein 
kleines Schiff von 30—45 Tonnen mit ungefähr 15—18 Fässern zur Ausbeute 
dieser ungemein fischreichen Gegend von St. Denis nach der Insel St. Paul ab- 
sendet. Dieses Schiff geht von St. Denis im November ab und erreicht nach einer 
Fahrt von eirca 24—30 Tagen St. Paul. Die Rückfahrt nach St. Denis soll in 
Folge des herrschenden Südost-Passats in einer weit kürzern Zeit, nämlich in 
14—16 Tagen geschehen. Das Fischerfahrzeug ankert während seines Aufent- 
haltes auf St. Paul innerhalb des Kraterbeckens, um das Abladen der Provisionen 
für die Fischer, sowie die Befrachtung des Schiffes mit den erbeuteten Meeres- 
bewohnern zu erleichtern und gleichzeitig dasselbe vor der Unbill des Wetters 
zu schützen, welches in diesen Breitegraden selbst während der günstigen Jah- 
reszeit sehr stürmisch und gefahrdrohend ist. Die Fischer fahren in verhältniss- 
mässig kleinen, für die hohen Wellen des indischen Oceans aber vortrefllich be- 
rechneten Booten, sogenannten Baleinieres, auf den Fischfang und kehren jeden 
Abend wieder nach der Insel zurück. Der Fisch, welcher hier am häufigsten 
vorkommt und ausschliesslich mit der Angel gefangen wird, unter den Fischern 
gemeinhin als Morue de la mer des Indes bekannt, ist jedoch nichts weniger als 
der eigentliche gemeine Stockfisch, sondern eine Umberart (Cheilodactylus). 
Derselbe wird gesalzen, an der Luft getrocknet und, in Fässern verpackt, in gros- 
sen Quantitäten nach den Märkten von St. Denis versendet. Man rechnet, dass 


110 Dr. 0, Scherzer, 


die Zahl der auf diese Weise im Laufe eines Jahres von hier abgesendeten Fische 
eirca 40.000 Stück beträgt, welche auf den Märkten von St. Denis zu 40 bis 
‚ 50 Franes, zuweilen sogar zu 60 Franes für 100 Stücke verkauft werden*). Die 
zweite Ausfahrt des Fischerschiffes findet gewöhnlich im Jänner oder Februar 
statt, um im April oder Mai wieder mit einer ähnlichen Ladung zurückzukehren, 
Manchmal geschieht es auch, dass der Eigenthümer des Schiffes eine vortheil- 
haftere Verwendung dafür findet und dass dasselbe daher erst im zweiten Jahre 
wiederkehrt. Dann sieht es allerdings mit gewissen, gewöhnlich nur für ein Jahr 
berechneten Provisionen an Mehl, Reis, Zwieback, Tabak u. s. w. etwas traurig 
aus, Allein die Ansiedler bebauen, soweit es ihre Arbeitskräfte gestatten, eine 
Anzahl von Grundstücken, die ihnen, besonders an Kartoffeln, eine ziemlich reiche 
Ernte liefern. Sie sollen von diesem nützlichen Knollengewächse,, das auf dem 
Tuffboden der Insel vorzüglich gedeiht, oft 60—80 Centner ernten. Diese Ge- 
müsegattungen dienen den Bewohnern von St. Paul als sehr beliebte Tauscharti- 
kel im Verkehr mit den Wallfängern, von denen 20—-30 jährlich in der Nähe 
beilegen, um für Salzfleisch, Tabak, Reis, Zwieback u. s, w. frische Provisionen 
einzutauschen **). 

Wenn der Fischfang in der Nähe der Insel nieht genug ergiebig erscheint, 
so unternehmen die Fischer zuweilen auch Fahrten in grössere Entfernungen; 
sie verlassen dann das Kraterbeeken mit dem Schiffe, das sie von Bourbon nach 
St. Paul gebracht, und bleiben mehrere Tage in der offenen See oder besuchen 
die benachbarte Insel Amsterdam, deren Küste noch weit fischreicher ist als die 
von St. Paul. 

Wie schon bemerkt, war unser erster Gang über die Insel blos in der Ab- 
sicht einer Recognoseirung des Terrains unternommen. Wir waren auf dieser 
Tour von Ferdinand, einem intelligenten -gewandten Mulatten mit echt franzö- 
sischen Manieren, begleitet. Das hat der Franzose vor dem Deutschen voraus, 
dass er auch dann noch speeifisch französich bleibt, selbst wenn er sich zu 
zwei Drittheilen mit afrieanischem Blute vermischt hat! Am augenfälligsten tritt 
diese, ich möchte sagen Unzersetzbarkeit des französischen Typus, bei den Ne- 
gern auf Haiti zu Tage, welche bei der niederen Stufe ihres geistigen Lebens 
allerdings häufig zu Zerrbildern werden. Ferdinand befand sich zum ersten 
Male auf St. Paul, wohin ihn die „Alliance“ im vorigen März ia Dienste des 
M. Ottovan brachte. Zerwürfniss mit seiner Familie hatte ihn auf diese traurige 
Insel geschleudert. Obwohl erst 24 Jahre alt, war er bereits Vater von zwei 
Kindern, die er, wie er sagte, zu St. Denis in Pension gab, und sich hierauf, un- 
muthig über die nieht sehr liebenswürdige Behandlung seiner Gefährtin, gegen 
40 Franes monatlich als Arbeiter beim Besitzer von St. Paul verdingte. Mit dem 
nächsten Schiffe, das aus St. Denis auf die Insel kommt, will er wieder heimkeh- 
ren, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass bis dahin auch der häusliche Friede 
in seiner Familie zurückgekehrt sein wird. 


*) Die Regiekosten sind sehr gering. Viot hat 75 Franes, seine beiden Gefährten ha- 
ben der eine 40, der andere 25 Franes Monatlohn ; die Fischer erhalten monatlich 
nebst Kost 25—40: Franes. 

*#) Die Zahl der im Laufe eines Jahres in Sicht von St. Paul vorübersegelnden Schiffe 
wurde mir auf 100 — 150 angegeben, von denen jedoch ausser Wallfischfängern 
gegenwärtig nur höchst selten welehe die Insel besuchen. Im Jahre 1857 z. B. ge- 
schah es bloss zweimal, dass Schiffe (und zwar englische Kriegsschiffe) das. eine 
vor fünf Monaten, das andere vor zwei Monaten, im Vorbeisegeln ein Boot an die 
Insel sandten. 1 


„CR 


Ein Besuch der beiden Inseln St, Paul umd Amsterdam, 111 


An verschiedenen Stellen am untern Rande des Kraterbeekens , wohin uns 
jetzt Ferdinand führte, sahen wir bei niederem Wasserstande starke Dämpfe 
aufsteigen, welche das Vorhandensein zahlreicher heisser Quellen verriethen. Die 
zwei bedeutendsten und umfangreichsten derselben befinden sich an der nördli- 
lichen Seite des Kraterbeekens und werden die eine Bade-, die andere Trink- 
quelle genannt. Indess quillt auch an mehreren Puneten der nördlichen Barre 
heisses Wasser von solehem Hitzegrade aus dem Boden, dass ein in unmit- 
telbarer Nähe im Bassin geangelter Fisch binnen 5—6 Minuten in demselben 
gekocht werden kann, Wir haben dieses Experiment, dessen auch schon Ma- 
cartney Erwähnung thut, selbst gemacht und den auf diese Weise bereiteten 
Fisch sogar sehr schmackhaft gefunden. 

Bei Hochwasser sind sämmtliche heisse Quellen mit Meerwasser vermischt 
und haben dann eine unmerklich höhere Temperatur als das letztere. — In der 
Nähe des Landungsplatzes haben mehrere frühere Besucher der Insel versucht, 
auf einigen dicht auf dem Wege zu den heissen Quellen gelegenen Felsblöcken 
ihre flüchtige Anwesenheit zu verewigen. So liest man auf einem dieser ziemlich 
stark verwitterten Steine: Savouret 1841: und J. D. Bogers 1855 March, auf 
einem zweiten grossen Felsblocke: Hte. Rogers 1852—57, und endlich die 
schon theilweise schwer zu entziffernden Worte: Pollefournier. Emile Mazarin 
Denoyarez. Grenoble. Canton de Sassenage, Departement ‚de UIsere 1844. 
Sonst sind mir auf der Insel keinerlei Inschriften bekannt worden. 

Auf dem Gange nach dem Plateau, wohin von der Ansiedlerhütte an der 
Nordseite des Kraterrandes ein schmaler, steiler, an mehreren Stellen ungemein 
bescehwerlicher Pfad führt *), kamen wir an einem Brutplatze von Pinguins 
(Eudyptes chrysocome, Gould) vorüber, auf dem sich mindestens 5 — 600 dieser 
wunderlichen Thiere, mit langen gelben Federn inHalbzirkelform über den Augen, 
befanden, welche, wie die Naturforscher des „Lion“ so richtig bemerkten, wegen 
ihrem schuppenartigen Gefieder und ihren flossenähnlichen Flügeln manche Aehn- 
lichkeit mit Fischen haben. Einen Theil des Jahres im Wasser lebend, den an- 
dern meist am Festlande zubringend, hat die Natur sie in einer Weise ausgestat- 
tet, welche diesen beiden Zwecken gerecht wird. Der hässliche graubraune Pelz 
der Jungen sticht so gewaltig von dem schmucken Kleide der Aeltern ab, dass 
sie beim ersten Anblick kaum für dieselbe Gattung Thiere erscheinen. Die Weib- 
chen legen nur Ein Ei, und zwar im September, so dass ihre Jungen zur Zeit 
unseres Besuches bereits 11/, Monate alt waren. Die Pinguins, so gelenk und 
behend im Wasser, ihrem eigentlichen Elemente, zeigen sich ziemlich schwer- 
fällig auf dem Lande und sind daher leicht zu fangen oder mit dem Stock zu er- 
schlagen. Nur muss man sich dabei vor ihrem langen scharfen Schnabel hüten, 
mit dem sie leicht nieht unbedeutende Verletzungen beibringen können. — Sie 
haben von ihrem Brutplatze aus seit den Jahrhunderten ihres Besuches bereits 
einen förmlichen Pfad nach dem Meeresufer ausgetreten und es zeigt zugleich 
von dem wunderbaren Instinet dieser Thiere, dass dieses fast der einzige Punet 
auf der ganzen Insel ist, welcher: vom Meer aus erreicht werden kann. Was für 
ein eigenthümliches Schauspiel, eine Anzahl Pinguins zu sehen, wie sie, nach- 
dem sie sich mit Musse im Meer gebadet und Nahrung für ihre Jungen gesammelt 
haben, mit ihren zierlichen Köpfen aus dem Wasser auftauchen und sich wohl- 
berechnend von der heranstürmenden Brandung an’s Ufer spülen lassen oder wie 


°) Während unserer Anwesenheit wurden die gefährlichsten Stellen dieses Pfades durch 
den Steinmetz der Expedition wegsamer gemacht, welcher vom Commodore von 
Wüllerstorf den Auftrag erhielt, Stufen in den steil abfallenden Felsen zu hauen. 


112 Dr. ©. Scherzer. 


sie, mit halbgebücktem Kopfe von Stein zu Stein hüpfend, plötzlich, gleich ge- 
wandten Trambolinspringern sich in die wilde Fluth stürzen! — Nicht weniger 
‚ ergötzend ist das Treiben dieser Thiere, nachdem sie von ihrer mühsamen Wan- 
derung (die sie zwei- bis dreimal des Tages wiederholen) mit Futter für ihre 
Jungen watschelnd wie Gänse zurück am Brutplatze anlangen. Immer geht ein 
Pinguin gleichsam als Führer und Ausluger voraus, ihm folgen in der Regel 10 
bis 15 Pinguins in einer Colonne nach. Am Brutplatz, einer schiefen Ebene, an- 
gekommen, erheben sie ein fürchterliches Geschrei und sind nichts weniger als 
friedfertig gegen ihre Nachbarn, besonders wenn diese ihre gewohnten Plätze 
eingenommen haben, Fortwährend ist Anlass zu Zank und Hader, und ihre kräch- 
zende Stimme tönt noch spät hinein in die Stille der Nacht. Gegen ihre Jungen 
zeigen sie grosse Zärtlichkeit, hüthen dieselben ungemein sorgfältig und verthei- 
digen sie mit bewunderungswürdiger Hartnäckigkeit gegen die Raubmöven 
(Lestris cataraetos), welche fortwährend den Brutplatz umschwirren, oder selbst 
gegen den Angriff von Menschen durch heftiges Stossen und Beissen mit dem 
Schnabel. Immer uneins in gewöhnlichen Verhältnissen, werden sie zu den treue- 
sten Verbündeten in Momenten gemeinsamer Noth und Gefahr. Das Fleisch der 
alten Pinguins hat einen so unangenehmen Geruch, dass dasselbe nur im äusser- 
sten Nothfalle von den Bewohnern der Insel genossen wird; das der Jungen soll 
besser schmecken. Einen nicht minder widerlichen penetranten Geruch haben 
ihre Exeremente, 

Der Brutplatz der Pinguins befindet sich ungefähr 300 Fuss über der Was- 
serfläche des Kraterbeekens *). Weitere vierhundert Fuss mühevollen Kletterns 
bringen den Wanderer endlich auf das Plateau, von dessen höchsten Puneten 
derselbe um so leichter einen Blick über den grössten Theil der Insel gewinnt, als 
diese völlig baumlos ist. An mehreren Stellen fanden wir den Boden noch warın 
und an jener ungefähr 600 Fuss breiten schlammigen Strecke, welcher bereits 
die Naturforscher des „Lion“ Erwähnung thun, gerieth man in der That in Ge- 
fahr, mehrere Fuss tief in heissen weichen Boden zu sinken, wenn man sich 
nicht mit grosser Behutsamkeit darüber fortbewegte. Von den feurigen Flam- 
men hingegen, welche Macartney vom Deck des Schiffes aus des Nachts auf 
den Höhen der Insel bemerkt haben will, und die viele Aehnlichkeit mit jenen 
berühmten nächtlichen Feuern (Pietra mala) in den Bergen zwischen Florenz 
und Bologna gehabt haben sollen, konnte gegenwärtig nichts mehr wahrgenom- 
men werden. 

An der nordwestlichen Seite der Insel, gegen das Meer zu erscheinen 
einige Schlackenkegel mit eingestürzten Spitzen, welche durch ihre schönen 
regelmässigen Formen rasch die Aufmerksamkeit des Geognosten auf sich 
zogen und später einer der Brennpunete seiner Thätigkeit wurden. In der 
Nähe derselben zeigen sich viele Spuren von Lavaströmen,, welche noch ganz 
deutlich die Richtung erkennen lassen, in der sie geflossen sind. Vom obern 
Rande des grossen Kraterbeekens gegen das Meer zu herrscht eine allmälige Ab- 
dachung,, welche indess plötzlich in einem schroffen Abgrund von 150 bis 
200 Fuss endet. 


*) Ein zweiter Brutplatz der Pinguins, und zwar noch ausgedehnter, aber auch unzu- 
gänglicher als der eben beschriebene, befindet sich an der nordwestlichen Küste 
der Insel. Dort auf jenen schroffen zerklüfteten Felsmassen mögen sich diese wun- 
derlichen Thiere ungestört sonnen und haben nicht leieht die so gerne zerstörende 
Hand des Menschen zu fürchten, der daselbst nur mit den grössten Beschwerden, 
ja nicht ohne Lebensgefahr an der steilen Felswand hinabzugleiten vermag. 


0. 


LAIEN ORDER WERFEN 


Ein Besuch der beiden Inseln St, Paul und Amsterdam, 113 


Um nicht auf demselben Pfade zurück zu kehren, schlugen wir unserem 
Führer dem dienstfertigen Ferdinand vor, uns auf einer andern Wegspur, als der 
im Heraufklettern verfolgten, nach dem Ufer hinabzugeleiten, worauf derselbe 
in einer fast senkrecht abfallenden Stelle des obern Kraterrandes stehen blieb, 
den üppigen Graswuchs mit beiden Händen auseinander bog, und, indem er einige 
Schritte vorwärts that, uns einlud ihm zu folgen. Wir erschracken im ersten 
Augenblicke vor dem Gedanken auf solche Weise nach der Tiefe gelangen zu 
sollen, fanden aber bald das Fortbewegen minder gefährlich und grauenerregend, 
als es uns Anfangs erschien, da man sich ohne Bedenken auf das hohe dichte 
Gras niederlassen, und ansehnliche Strecken auf demselben hinabgleiten musste, 
das durch seine kräftigen Halme sogar eine ziemlich sichere Stütze gewährte. 

In weniger als dreiviertel Stunden waren wir vom oberen Kraterrand wie- 
der nach der Ansiedlung zurück gelangt, und schickten uns nun zur Rückfahrt 
nach der Fregatte an. Ein ziemlich starker Nordostwind hatte inzwischen zu 
wehen angefangen und machte die Rückfahrt in unseren kleinen, kurzen, für die 
gewaltigen Wellen des indischen Oceans nicht besonders vortheilhaften Fahr- 
zeuge äusserst unbehaglich. An der Fregatte angekommen, war die See so hoch 
und die Schwierigkeit für die Boote anzulegen, dermassen gross, dass man an- 
fänglich versuchte, auf den am Spiegel herabhängenden Jakobsleitern das Deck 
zu erreichen. Als aber sogar einer der Seemänner, welche bekanntlich im Klet- 
tern weit grössere Fertigkeit als wir gewöhnliche Erdenkinder besitzen, während 
er eine dieser Jakobsleitern erfasste, von einer heranstürmenden Woge erreicht 
wurde und mit dem halben Körper ins Wasser sinkend, fast Gefahr lief, von ei- 
nem Hai verwundet zu werden, da zogen es die noch im Boote befindlichen Na- 
turforscher yor, sich nach der Steuerbordseite bringen zu lassen, um lieber von 
dort aus am weniger schwankenden Fallrepp ihren mächtigen Hort wieder zu 
erreichen. 

Obschon dieser Vorfall zur Genüge die Unausführbarkeit der anfänglichen 
Absicht herausstellte, jeden Abend an Bord der Fregatte zurückzukehren und im 
beständigen Verkehr mit derselben bleiben zu können, so vermuthete man doch 
nicht, dass in der gegenwärligen Jahreszeit, dem Sommer St. Paul’s, die Wit- 
terung plötzlich so ungünstig und stürmisch werden konnte, um schon bald nach 
unserer Ausschiflung die Fregatte zu nöthigen, eiligst ihren Ankerplatz zu ver- 
lassen und fast eine Woche lang, unter den unbehaglichsten Umständen, in 
offener See zuzubringen. 

Am 20. November gegen 6 Uhr früh schifften sich sämmtliche bei den auf 
der Insel vorzunehmenden wissenschaftlichen Arbeiten betheiligte Offieiere und 
Naturforscher mit einer grossen Anzahl von Instrumenten, Apparaten und Ge- 
päcksstücken aus und wurden nebst der ihnen beigegebenen Mannschaft (zusam- 
men 32 Köpfe), für die Dauer von sechs Tagen mit Lebensmitteln und auch mit 
Trinkwasser versehen, da sich auf der Insel keine eigene Süsswasserquelle 
befindet, und die Bewohner derselben daher ihren ganzen Bedarf an trinkbarer 
Flüssigkeit theils durch die fallende Regenmenge, theils in Zeiten längerer Tro- 
ckenheit durch das Wasser einer an der Nordseite des unteren Kraterrandes her- 
vorkommenden heissen salzigen Quelle zu decken bemüssigt sind. Bereits längere 
Zeit an das Wasser und seinen eigenthümlichen Geschmack gewöhnt, verspüren 
sie von dessen Genuss keinerlei üble Folgen, was vielleicht weniger bei solchen 
Personen der Fall sein dürfte, welche die Insel zum erstenmal besuchen und 
durch ihre erhitzende Beschäftigung täglich grosse Quantitäten Trinkwasser 
benöthigen. 

Mittheilungen der k. k. geogr, Gesellschaft. II, Bd. 1. Heft, h 


114 Dr. €, Scherzer. 


Gegen 12 Uhr fuhr Commodore von Wüllerstorf, obschon seit Wochen 
leidend, ans Land, um auf Grund der bereits seit Wochen vorbereiteten Instrue- 
tionen die wichtigsten Anordnungen zum Beginn der verschiedenen zu unter- 

“nehmenden geographisch-astronomischen, magnetischen und geodätischen Ar- 
beiten zu treffen. Auf einer kleinen Anhöhe von ungefähr 150 Fuss an der Nord- 
seite des Kraterbeckens wurde ein hölzernes Häuschen zum Schutze für die 
astronomischen, und in einer Entfernung von ungefähr 40 Fuss ein zweites für 
die magnetischen Instrumente aufgerichtet und mit deren Benützung der Herr 
Schiffsfähnrich Robert Müller betraut. Für die geodätischen Aufnahmen mittelst 
des Theodoliten wurde der Herr Fregatten-Fähnrich Battlogg, und fürjene mit 
dem Messtisch der Herr Fregatten-Fähnrich Eugen Kronowetter bestimmt. 

Unter der Leitung und Aufsicht des letzteren standen gleichzeitig die me- 
teorologischen Beobachtungen, die Untersuchungen mit dem Fluthmesser, die 
Tieflothungen im Becken und an beiden Seiten der Barre, Arbeiten mit deren 
Ausführung der Cadet Graf Borelli und der Obersteuermann Cian, ein sehr 
intelligenter und verlässlicher Seemann, betraut waren. 

In naturwissenschaftlicher Beziehung beschäftigten sich Herr Dr. Hoch- 
stetter mit geologischen und physicalischen, die Herren Frauenfeld und 
Zelebor mit zoologischen, Dr. Schwarz und der Kunstgärtner Jellinek 
mit botanischen, endlich Dr. Scherzer mit allgemein geographischen For- 
schungen, so wie dem Mahler der Expedition, Herrn J. Selleny, die 
Aufnahme der Insel vom künstlerischen Standpunct aus überlassen blieb. Kaum 
waren die ersten Vorkehrungen für die Unterbringung der Instrumente, Apparate, 
Menschen und Gepäcksstücke beendet, als sich wiederholt ein heftiger Nordwind 
einstellte, welcher während der Nacht vom 20. auf den 21. dermassen an Heftig- 
keit zunahm, dass er die beiden, noch nicht ganz vollendeten Beobachtungs- 
häuschen (in denen glücklicherweise die Instrumente noch nicht aufgestellt 
waren) niederriss und in den bereits begonnenen Arbeiten grosse Störungen 
hervorrief. In den Morgenstunden näherte sich ein Wallfischfänger der Insel und 
schiekte eines seiner Boote nach frischen Provisionen ans Land. Es war der 
Heraldt vom Neu - Bedford im Staate Massachusetts in Nordamerica. Derselbe 
befand sich bereits seit 27 Monaten auf der Reise, und glaubte noch 11 Monate 
zu benöthigen, um die beabsichtigte Ladung an Thran und Wallfischknochen zu 
vollenden; der Heraldt kam zuletzt von der St. Augustins-Bay (Madagascar) 
die er vor ungefähr 2 Monaten verlassen hatte. Als der Eigenthümer desselben, 
welcher sich gleichfalls auf dem Boote befand, die wissenschaftliche Thätigkeit 
erblickte, die sich eben auf der sonst so verfallenen Insel zu entwickeln begann, 
erzählte er, dass einer seiner Matrosen vor wenigen Tagen vom Mast gefallen 
sei, und sich dabei nicht unbedeutend beschädigt habe, und stellte die Anfrage: 
ob nicht unsererseits ärztlicher Beistand geleistet werden könnte? Unter den un- 
sicheren Verhältnissen, in denen wir uns selbst auf der Insel befanden, hielten 
wir es für gerathener, dem Wallfiischfänger zu empfehlen, nach der Fregatte zu 
fahren und dort ärztliche Hilfe zu suchen *). 

Das Unwetter dauerte den ganzen Tag fort und wurdeendlich in der Nacht 
vom 21. auf den 22. so arg, dass die Fregatte plötzlich unter Segel gehen musste. 
Die Umstände, unter denen diess geschah, waren folgende: „Gegen 31/; Uhr Mor- 


*) Wie ich später erfuhr, wurde Dr. Ruschitzka von der Fregatte aus beordert, 
den beschädigten Matrosen der Wallfünger zu besuchen; er hatte die Genugthuung, 
nach der Anwendung eines Aderlasses im Zustande des Kranken eine wesentliche 
Besserung eintreten zu sehen. 


Ein Besuch der beiden Inseln St, Paul und Amsterdam, 115 


gens fing die Fregatte bei einer ungemein hohen See und abwechselnden Wind- 
stössen und Regenschauern plötzlich an, nach einer heftigen Boe aus Nordwest 
stark zu treiben, so dassman im ersten Augenblick sichder Meinung hingab, einer 
jener unheimlichen Stösse, welche schon mehrere Stunden hindurch in einem 
nur zu regelmässigen Tempo aufeinander folgten, habe die Kette zersprengt, 
und der Anker sei verloren gegangen. Es wurde sofort der Klüver gehisst, die 
Marssegel beigesetzt und 4 Reff in dieselbe genommen und angefangen die An- 
kerkette einzuholen. Diese Arbeit, zu allen Zeiten sehr beschwerlich, war es dies- 
mal ganz besonders und schien gar nicht enden zu wollen. Obsehon bald nach 
34/, Uhr das Hangspiel bemannt und in Bewegung gesetzt wurde, so kam doch 
fast 4 Stunden später erst — nach 7 Uhr — der Anker in Sicht. Es war der Back- 
bordanker; man gewahrte nun, dass ein Arm desselben fehlte und völlig wegge- 
brochen war. 

Bei dem stürmischen Charakter des Wetters schien es sehr bedenklich, 
den Anker einzuziehen, indem dieser in Folge des starken Stampfens der Fre- 
gatte fortwährend mit grosser Heftigkeit an das Schiff schlug, und daher nur 
mit der grössten Lebensgefahr von den Matrosen versichert werden konnte. Es 
gibt seemännische Naturen und sogar von hervorragender Stellung, welche den 
Verlust eines Ankershöher anschlagen, als ein paar Matrosenleben, und an einem 
solchen maritimen Kunststücke Gefallen finden, weil dieses — ob es glückte oder 
nicht, einen Anlass gibt, daheim beim Tischgelage den Cameraden von See- 
erlebnissen zuerzählen. Zum Glück haben jene Männer, in deren Hände das Schick- 
sal der Novara-Expedition gelegt wurde, eine edlere Anschauung von Menschen- 
werth und seemännischem Muth, sie sind selbst zu sehr von jenen humanen Ge- 
sinnungen durchdrungen, welche, ausgehend vom erlauchten Chef der kaiserlichen 
Marine, in der Brust jedes gebildeten Offieiers ein lautes Echo finden, als dass 
sie selbst in dieser kritischenLage auch nur einen Augenblick lang unentschlossen 
gewesen wären. Die Kette wurde gebrochen — der Anker fahren gelassen. 
Die Fregatte blieb mehrere Tage ausser Sicht. 

Der alte Viot, welcher bereits zum sechsten Mal nach der Insel gekommen 
war, meinte, dieses regnerisch stürmische Wetter sei in der gegenwärtigen 
Jahreszeit eine ganz ungewöhnliche Erscheinung, eine Aussage, die später durch 
die Mittheilungen mehrerer nordamericanischen Wallfänger bestätigt wurde. In 
der Regel beginnt Mitte October oder Anfangs November die günstige Saison, 
wo der Südwind vorherrscht, und der Himmel oft wochenlang klar und heiter 
bleibt. Der heiterste Monat des Jahres ist Jänner, der kälteste der Monat Juni. 
Von Mai bis October soll es äusserst schwer halten, mit Booten auf der Insel zu 
landen, und Fälle wie jener, welchen der Historiograph der englischen Gesandt- 
schaft nach China erzählt (Macartney „Authentic Accounts of en Embassy 
from the king of Great Britain to the Emperor of China etc. London), wo ein im 
September 1792 an der Ostseite der Insel geankertes Schiff im Laufe von acht 
Wochen nur zweimal im Stande war, ein Boot mit Lebensmitteln nach der Insel 
zu schicken, sollen während der ungünstigen Jahreszeit gerade nicht zu den 
Seltenheiten gehören. Aus diesem Grunde beschränkt sich auch der Fischfang 
auf die günstige Saison vom November bis April, indess im übrigen Theil des 
Jahres die verschiedenen Wohnhütten von den Fischern verlassen sind und nur 
von ein Paar Arheitern bewohnt werden, welchen die Sorge über das zwar kleine 
aber nichts weniger als werthlose Inventar der Insel anvertraut ist. Sie führen 
dann ein höchst einförmiges aber keineswegs dürftiges Leben; denn das Krater- 
becken liefert das ganze Jahrhindurch vorzügliche Fische und Languste imreich- 
lichsten Maasse, 

N 


116 Dr. €. Scherzer, 


Unsere Matrosen hingen fortwährend einen Korb, in dem sieh ein Köder 
befand, dicht am Kraterbeekenrande wenige Fuss tief ins Wasser und zogen den- 
selben jedesmal voll mit Languste herauf. In wenigen Stunden fingen unsere 
‚Matrosen zuweilen SOI—100 Stück dieser grossen köstlich mundenden Krebsart. 
Eine Excursion, welche eines Morgens im Fischerboot nach der Südseite der 
Insel unternommen wurde, lohnte sich binnen wenigen Stunden durch die Erbeu- 
tung von einem halben hundert Meeresbewohnern, von denen einzelne 20 — 25 
Pfund wogen. 

Schnee soll nach Viot's Aussage im Winter nicht häufig fallen und in 
Folge der wärmeren Temperatur des vulkanischen Bodens niemals lange liegen 
bleiben. Dagegen ist Hagel eine ziemlich gewöhnliche Erscheinung, Regen fällt 
sehr oft und in grosser Menge. Viot konnte nicht müde werden, sein Erstaunen 
über die Grösse der Regentropfen auszudrücken, welche er manches Jahr in St. 
Paul hatte fallen gesehen. Die Kälte ist manchmal ziemlich empfindlich; dennoch 
hindert der fast gänzliche Mangel an Brennmaterial, (denn sogar animalischer 
Dünger ist nicht hinreichend vorhanden, um dessen Anhäufung zu lohnen) 
die zeitweiligen Bewohner der Insel sich den Genuss einer künstlichen Erwär- 
mung zu verschaffen. „Wenn uns der letzte Sturm nicht eine Hütte niedergeris- 
sen hätte, würden,wir längst kein Brennholz mehr haben“ bemerkte einmal mit 
naiver Resignation der alte Franzose und hüllte sich sorgfältiger in seine grobe 
wollene Bettdecke. Der Winter beginnt im Mai und dauert bis Ende August. 
Während dieser Zeit sind Nordwinde oft sehr stark. Am 27. Juni 1857 blies 
6—8 Stunden hindurch ein dermassen heftiger Sturm, dass sich die Bewohner 
von St, Paul nicht aus ihrer Hütte wagten, aus Furcht umgeworfen zu werden. 
Diese Winterstürme wüthen zuweilen in einem solchen Grade, dass sie grosse 
Wassermassen aus dem Kraterbecken bis zu einer beträchtlichen Höhe in wildem 
Wirbel mit sich fortführen! Im November, dem Anfang der bessern Saison be- 
ginnt zugleich die Zeit der veränderlichen Winde, welche bis Ende März dauert, 
worauf wieder der Nord und Nordwestwind regelmässig zu wehen anfängt. Nord 
und Nordwestwinde bringen häufig Regen und überhaupt ungünstiges Wetter, 
indess beim Winde von West bis zu Süd in der Regel kalte aber heitere und 
trockene Witterung sich einstellt. Während unserer Anwesenheit machten wir 
wiederholt die interessante Beobachtung der regelmässigen Wiederkehr gewisser 
Winde in einer bestimmten Reihefolge. Nachdem z. B. einige Tage lang Nord- 
Ostwind vorherrschte, stellte sich Nord und Nordwestwind ein, der allmälig in 
West bis Südwind überging; worauf der Wind gewöhnlich einhielt und sodann 
wieder mit Nordost begann; eine Erscheinung, die sich mit überraschender Prä- 
eision alle sechs Tage wiederholte *). 

Nebel sind sehr häufig im Herbste. Gewitter sollen dagegen selten vor- 
kommen und niemals von besonderer Stärke sein. Im Lauf eines 18tägigen Auf- 
enthaltes sah ich das hunderttheilige Thermometer weder höher als 19 noch 
niedriger als 12°. Macartney gibt die mittlere Höhe des Wärmemessers wäh- 
rend seines Besuches im Februar 1793 auf 62° Fahrh. (16. 3° Cls.) an. 


*) Commodore Wüllerstorf hat bereits während der ganzen Reise dem Phänomen 
der Winde die grösste Aufmerksamkeit zugewendet und das Gesetz, dem sie gehor- 
chen, zu seinem besonderen Studium gemacht. Als Astronom von Fach, ein gewand- 
ter scharfer Beobachter und begünstigt von den Umständen, die ihm gestatten seine 
Forsehungen über den ganzen Erdkreis auszudehnen, dürfte nach dessen Rückkehr 
von seiner Feder ein sehr werthvoller Beitrag zur Kenntniss der Winde zu er- 
warten sein. 


Ein Besuch der beiden Inseln St, Paul und Amsterdam. 117 


Was die Erdbeben betriflt, eine Erscheinung, an deren Vorkommen auf 
St. Paul sich das grösste Interesse knüpft, so behauptet Viot während den 16 
Jahren, als er die Insel abwechselnd besucht, weder jemals solche verspürt, 
noch über deren zeitweiliges Vorkommen irgend je etwas gehört zu haben. 

Dagegen meinte Ferdinand, (der allerdings erst seit 8 Monaten auf der 
Insel lebt) sein Vorgänger Rosemond habe ihm von Erderschütterungen, frei- 
lieh nur sehr leiehter Art, erzählt, welehe letzterer während seines mehrjährigen 
Aufenthaltes auf St. Paul verspürt haben wollte. Bei dem geringen Umfang der 
Insel und der gewaltigen Brandung an ihren Küsten sind leichte Schwingungen 
auch ohne Einfluss vulkanischer Kräfte nieht ganz unwahrscheinlich. Indess be- 
sitzt die Insel am untern Rand des Kraterbecekens an jenen zahlreichen Stellen, 
aus denen es zur Zeit der Ebbe so mächtig raucht und dampft, ebenso viele na- 
türliche Ventile, sich der überschüsssigen unterirdischen Gase zu entledigen, 
derart, dass in ihrem jetzigen Zustande, solange nämlich diese Ventile nicht 
durch irgend einen Zufall verstopft werden, kein besonderer Grund zu Zuekun- 
gen der Erdrinde durch vulkanische Kräfte vorhanden ist. Das Erdbeben vom 
14. August d. J. welches in der Capstadt und ihrer Umgebung ziemlich stark ver- 
spürt wurde, scheint seinen Schütterkreis nicht bis nach St. Paul ausgedehnt zu 
haben. Wenigstens behaupteten die gegenwärtigen Bewohner von St. Paul ein- 
stimmig sich nicht im geringsten erinnern zu können, am 14. August oder um 
diese Zeit irgend eine Erschütterung bemerkt oder sonst eine auffallende Er- 
scheinung in der Athmosphäre wahrgenommen zu haben. 

Ich sagte absichtlich „um diese Zeit“ weil die Bewohner der Insel sich 
nicht der modernen Beihülfe eines gedruckten Kalenders bedienen, sondern 
dem Schritt der Zeit nur mit dem Gedächtniss folgen. Dass bei dieser Art zu 
rechnen zuweilen Irrthümer eintreten, ist um so erklärlicher, als keiner der drei 
Insulaner zu schreiben versteht, So z. B. bemerkte ich einmal dem biedern Viot, 
dass er sich in seiner Zeitrechnung um einen ganzen Tag irre, den er noch nicht 
gelebt habe. „Nous nous confondons toujours avec ces malheureuw mois de 
trente et un jours!“ war die gutmüthige Antwort des alten Emigranten aus 
Nantes. 

Obsehon das vulkanische St. Paul wissenschaftlichen Studien überhaupt, zu 
einer gar interessanten Folie dient, so bietet es doch für naturhistorische Samm- 
lungen einen nur wenig lohnenden Boden. Eine Insel, auf welcher sich kein 
Baum, kein Strauch, ja kaum eine einzige Blume befindet, und auf deren, wenn 
gleich fruchtbarem Tuffboden nur wenige Gräser, Farne und Moose gedeihen, 


"kann, was den Reichthum der Ausbeute betrifft, den Botaniker ebenso wenig be- 


friedigen, wie den Zoologen, welcher hier, wie wir später umständlicher sehen 
werden, nur wenigen Repräsentanten aus dem grossartigen, unermesslichen 
Reiche der animalischen Schöpfung begegnet, Am anziehendsten dürfte noch für 
den Botaniker eine prachtvolle Reihe von Seealgen (circa 30—40 Species) er- 
scheinen, welche den grossen Werth besitzen, noch niemals früher so vollständig 
gesammelt worden zu sein. 

An mehreren Orten ist, dem Wunsche des Chefs der kaiserlichen Expedi- 
tion gemäss, von dem die Fregatte begleitenden Kunstgärtner Herrn Jellinek, 
der Anbau einer Anzahl europäischer Gemüsearten und antiskorbutischer Pflan- 
zen wie Kohl, Rettig, Rübensorten, Sellerie, Brunnenkresse u. s. w,°) besorgt 
worden, und wie ich hoffe mit gutem Erfolge; und wenigstens hatten wir die 


*) Die angebauten Gemüsearten sind: Brassica napus, Brassica capitata, Br. rapa alba, 
Br. v.flava, Raphanus sativus, Lepidium sativum, Cochlearia ofjieinalis. 


118 Dr. €. Scherzer. 


Genugthuung, noch während unseres Aufenthaltes die grünen Spuren einzelner 
der angebauten Gemüsearten bereits aus der Erde stechen zu sehen. Es gibt 
“gegenwärtig kaum mehr als 12—15 eultivirte Flecken auf der Insel; wenn ge- 
hörig bearbeitet, würden dieselben 80—100 Menschen reichliche Nahrung geben, 
— Sechs bis acht Säcke voll Kartoffel, im Juni gepflanzt, geben im Januar oder 
Februar 60—80 Fässer (4 100 Pfd.) Ernte. 

Auch Weitzen, Mais, Gerste kommen gut fort, und deren Anbau’ ist bloss 
aus dem Grunde aufgegeben worden, weil ihre Verwendung zur Brotbereitung 
eine weit grössere Quantität Brennmaterial erfordert, als den Bewohnern zu 
Gebote steht. Dagegen sind die bisherigen Culturversuche mit Bohnen und Erb- 
sen völligmissglückt. Alle Arten von Nahrungs-Pflanzen geben indess nur eine 
Ernte im Jahr. Auch mehrere Baumarten, denen das hiesige Klima, seiner mehr- 
fachen Aehnlichkeit mit dem ihrer Heimat wegen, vollkommen zusagen dürfte, 
wie Pinus maritima, Protea-Arten, Casuarinen, und deren Gedeihen schon in 
Folge des auf der Insel so spärlich vorhandenen Brennmaterials eine ausseror- 
dentliche Wohlthat wäre, wurden in der Nähe von den beiden Beobachtungs- 
häuschen angebaut. Und es würdegewiss nicht eines der unwichtigsten Resultate 
des Aufenthaltes der NovaraExpedition auf St. Paul sein, wenn der in so humaner 
Absicht in die Erde gelegte Same, Anlass werden sollte zur allmäligen, theil- 
weisen Bewaldung der Insel. 

Was die Fauna St. Paul's betrifft, so erscheint als der schönste ihrer 
geflügelten Bewohner unstreitig eine Seeschwalbe (Sterna) mit korallenrothem 
Schnabel und Füsschen, schwarzem Kopf und einem äusserst adeligen, silber- 
grauen Gefieder *) während die Pinguins (Eudyptes chrysocovoe) die wunderlich- 
sten und seltsamsten Besucher der Insel sind. Ausserdem kommt noch ein zier- 
licher, im Felsen nistender grauer Sturmvogel (Prion turtur) und eine braune 
Raubmöve (Lestris cataractes), sowie drei Species von Albatrossen (Diomedea 
ewulans, fuliginosa und chlovorhynchus) vor, welche sämmtlich in zahlreichen 
Exemplaren gesammelt worden sind, so wie Herr Frauenfeld noch in den letz- 
ten Tagen unseres Aufenthaltes auf St. Paul eine Landschwalbe (Cypselus apus) 
gesehen hat. 

Eine etwas weniger spärliche Ausbeute als die Oberfläche bot das Krater- 
becken. Dasselbe hat eine Tiefe von 100—175 Fuss; dicht am Rand fiel das 
Senkloth bereits 10 Faden hinab. Versuche mit dem Schleppnetz (Drague) ob- 
wohl zu wiederholten Malen angestellt, haben zu keinerlei günstigen Resultaten 
geführt. Dagegen lieferte die Angel manches interessante Cabinetsstück und 
Wanderungen zur Zeit der Ebbe über die blossgelegten Felsblöcke, entlang dem 
Ufer des Kraterbeckens, lohnten sich durch manchen zierlichen eonchiliologi- 
schen Fund **), 

Alle vierfüssigen Bewohner der Insel sind aus Europa oder den französi- 
schen Colonien durch Schiffe hieher gebrachte Hausthiere, wie Schweine, Zie- 


*) Einer der Zoologen der kaiserlichen Expedition, Herr Zelebor, glaubt in dieser 
prachtvollen Schwalbenart eine neue Species zu erkennen und hat die Absicht, wenn 
sich seine Vermuthung durch spätere gründlichere Untersuchungen bestätigen sollte, 
diesen schönsten der gefiederten Bewohner von St. Paul mit einem der gefeiertsten 
Namen der Novara-Expedition auszuzeichnen. 

*“) In der Mitte des Bassins traf ich bei 34 Faden schlammigen Grund, in der Nühe der 
heissen Quelle, und eirea 100 Fuss davon entfernt bei 19 Faden, an einer dritten 
Stelle an der Südseite bei 23 Faden. Viot sagte, er habe bei wiederholten Messungen 
an verschiedenen Stellen die Tiefe des Beckens abwechselnd von 10—17—35 Bras 
(Faden) gefunden. 


Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam. 119 


gen, Katzen, Kaninchen, welche gegenwärtig im verwildeten Zustande hier leben, 
indess bisher keine merklichen Veränderungen in ihrem Habitus erlitten haben, 
Ziegen sind in grosser Anzahl im nordwestlichsten Theil der Insel vorhanden; 
Schweine dagegen werden seltener angetroffen. Während unserer Anwesenheit 
wurde ein Schwein und eine wilde Katze erlegt; wenige Tage darauf fing man die 
fünf Jungen der letzteren, welche aus Mangel an Nahrung freiwillig ihr Versteck 
verlassen hatten. Ein junger Hase (Weibehen), den wir aus der Capstadt mitge- 
bracht, erhielt auf der Insel dieFreiheit und es war für die Fortpflanzung dieser 
nützlichen Thiere ein glücklicher Zufall, dass sich bereits auf derselben ein 
Männchen befand. Auch ein paar Gänse wurden den Ansiedlern zum Geschenk 
gemacht. Da wir die Insel unbewohnt glaubten, so war es anfänglich die Ab- 
sieht, mehrere Gattungen Hausthiere verschiedener Geschlechter behufs der 
Fortpflanzung auf St. Paul zurückzulassen und wir hatten zu diesem Behufe be- 
reits in der Capstadt verschiedene Einkäufe an Nutzthieren gemacht; allein wir 
unterliessen dieses Vorhaben unter den herrschenden Umständen, wo für diesel- 
ben wenig Aussicht vorhanden schien, so lange verschont zu bleiben, um den 
gewünschten Zweck zu erreichen. 

Die beabsichtigten wissenschaftlichen Arbeiten der Expedition würden 
leicht binnen 8 Tagen vollendet gewesen sein, hätte uns nieht die Ungunst des 
Wetters so hartnäckig verfolgt! Heftige Nordwinde, welche jeden Gebrauch des 
Messtisches im Freien unmöglich machten, wechselten unaufhörlich mit Regen- 
böen. An astronomische Arbeiten war schon garnicht zu denken. Beobachtungen 
mit dem Barometer, Thermometer, Stromgeschwindigkeitsmesser und Fluthmes- 
ser konnten allein fortgesetzt werden und da ergaben namentlich die letzteren 
unter andern das interessante Resultat, dass die Zeit der höchsten Fluth bei 
Vollmond und Neumond nicht wie Horsburgh (7. Edition eol. I. p. 102) an- 
gibt, um 11 Uhr A. M. sondern um 1 Uhr 10 Minuten p. m. ist.*) 

Auch die Ausflüge zu naturwissenschaftlichen Zwecken begegneten grossen 
Schwierigkeiten und Hindernissen. Eines Tages war der Regen so heftig, dass 
die leichte Decke unserer Wohnstube vor dem Eindringen der herabstürzenden 
Regenmasse nicht länger zu schützen vermochte und es begann aus unzähligen 
Fugen und Rissen auf Bett, Tisch und Fussboden zu triefen. Da sich jeder in der 
Stube des Nachbars vom Regen geschützter glaubte, so fing bald eine förmliche 
Auswanderung an, welche freilich rasch wieder ihr Ende erreichte, als man die 
traurige Genugthuung gewonnen hatte, dass das Schicksal wenigstens höchst 
unpartheiisch zu Werke ging und einem Jeden von uns in völlig gleichem Maasse 
seine Neckereien fühlen liess. Und so sassen wir denn so manche trübe Stunde 
in dem unheimlichen, Wind und Regen Preis gegebenen Raume, mit aufgespann- 
ten Regendach oder eingehüllt in einen Kautschukmantel, und bliekten mitleids- 
voll die zahlreichen politirten Kästehen mit werthvollen Instrumenten an, welche 
anstatt im Dienste der Wissenschaft bei der Lösung so mancher schöner Auf- 
gabe mitzuwirken, nun zu einer so verderbenbringenden Unthätigkeit verur- 
theilt waren. 


*) Nach Macartney steigt bei Vollmond und Neumond die Fluth senkrecht 8—9 Fuss. 
Ein nördlicher Wind verursacht immer die grösste Fluth, deren Richtung südöstlich 
zu Süd nnd nordöstlich zu Nord ist, während die Geschwindigkeit der Strömung 
3 Meilen per Stunde beträgt. Unsere Beobachtungen über diese Erscheinungen sind 
sehr zahlreich und werden dem oflieiellen Generalberichte nebst andern Tabellen 
beigegeben werden. 


120 Dr. €. Scherzer. 


Zum Glück zeigten sich alle Betheiligten vom wärmsten Eifer für das Un- 
ternehmen und sein Gelingen beseelt und statt, dass jene Riesenlavine von 
Schwierigkeiten, welche sich unseren Anstrengungen entgegen wälzte, die Kräfte 
erlahmte, wuchs vielmehr in Jedem Einzelnen mit der Widerwärtigkeit der Ver- 
hältnisse die Willensstärke und die Zuversicht. 

Sobald in der von mir bewohnten Räumlichkeit besser geeignet zur Beo- 
bachtung der Richtung und Stärke des Windes, als zur Schlafkammer, nur eini- 
germassen wieder das frühere Verhältniss zürückgekehrt war, benützte ich die 
noch wenig zu Exeursionen einladende Witterung, um eine ziemlich zahlreiche 
Sammlung sehr hübsch eingebundener Bücher zu mustern, welche sich aufeiner 
an den vier Wänden meiner Schlafkammer hinlaufenden Bücherstelle aufge- 
schlichtet befanden und von dem durch die Plafonddecke sikernden Regenwasser 
gleichfalls viel zu leiden hatten. Sie waren von einem früheren Besitzer der Insel 
hieher gebracht worden und beim Verkauf derselben nebst den sonstigen Ge- 
räthschaften an Mr. Ottovan übergegangen, welcher zwar jeweilen St. Paul für 
einige Monate bewohnte, sich aber, wie der Zustand der Bücher zeigte, nur 
wenig um diese zu kümmern schien. Wir haben als Curiosum ein vollständiges 
Verzeichniss der vorhandenen Werke angefertigt, da es immer seltsam genug 
ist auf einer so öden, verlassenen Insel so vielen Sprösslingen des höchsten Cul- 
turlebens zu begegnen. Es befinden sich in der eirca 150 Bände umfassenden 
Bibliothek, (grösstentheils französische Autoren) manche werthvolle Werke, 
welche einer bessern Verwendung würdig wären, als hier unberührt und unbe- 
fragt im Staube endlich zu vermodern, wie z.B. Charles Bonnet's naturgeschicht- 
liche Werke, (Neuschatel 1783), J. L. Laharpe’s Abrege de U’histoire generale 
des voyages (Paris 1816), Horace's Werke in französischer Uebersetzung von 
Daein (Paris 1691), mehrere Werke, welche zur Zeit der Restauration von fran- 
zösichen Flüchtlingen in London herausgegeben wurden. Am interessantesten 
aber war mir eine Art Monographie der Insel St. Domingo (des heutigen Haiti's) 
in 2 Bänden unter dem Titel: Manuel des habitants de St. Domingue, contenant 
un preeis de l’histoire de cette ile depuis sa decowverte; la description topo- 
graphique et statistique des parties francaises et espagnoles; le tableau des 
productions naturelles et des cultures coloniales; U art de fabriquer le suere 
et U Indigo, de recolter et preparer le caffe, le coton et le cacao, jusque a leur 
embarquement, et de faire le Rum ü la maniere anglaise: Suivi d’ un traited 
de medecine domestique appropride aux iles, d’ une pharmacopde americaine; 
du premier vocabulaire francais — ereole, et de conversations frangaises — 
erdoles pour donner une idee de ce language et se faire entendre des Negres 
ete. ete. par S. J. Ducoeurjoly, ancien habitant de Saint-Domingue. 2 vol, 
Paris 1802 — An. X. Der erste Band gibt eine ausführlichere Beschreibung 
über die ältere Geschichte der Insel, ihre Bewohner, ihre national ökonomische 
Bedeutung, und ihre wichtigsten Naturproduete; der 2. Band enthält nebst vielen 
naturgeschichtlichen und medieinischen Notizen, ein französisch-ereolisches Wör- 
terbüchlein, welches eine grosse Anzahl von Wörtern wunderlichen Jargons ent- 
hält, der noch heutzutage von den eingebornen Negern jener herrlichen westindi- 
schen Insel gesprochen wird, derselbe ist eine der launenhaftesten Corruptionen 
der französischen Sprache die man sich denken kann. Im Jahre 1854, als ich 
mich auf der Rückreise von Centralamerika nach Europa eine Zeitlang in Jaemel 
und Port au Prince auf Haiti aufhielt, bemühte ich mich vergebens irgend ein im 
Jargon der Haiti-Neger gedrucktes Büchlein zu erhalten, obschon sich damals 
manche schwarze wissenschaftliche Autorität des Soulouque’schen Reiches für 
die Befriedigung meines Wunsches zu interessiren schien. Drei Jahre später, 


Ein Besuch der beiden Inseln St, Paul und Amsterdam. 121 


von meinemholden Geschick nach der Insel St. Paul geführt, finde ich auf diesem, 
für philologische Studien wenig günstigen Boden ein ziemlich umfangreiches 
Wörterbüchlein der Kreolensprache des einstigen St. Domingo's! Was für ein 
bizarrer Zufall!! — — 

Weniger glücklich war ich in Bezug auf die Auffindung irgend eines Do- 
eumentes, welches direet oder indireet über die ältere Geschichte St. Paul’s 
Kunde gegeben hätte. Das einzige vorhandene Schriftstück, welches in einiger 
Beziehung zur Geschichte der Insel stand, war ein während der RegierungLouis 
Philipp's unterm 20. Februar 1846 den Sieur Adam in St. Denis (St. Bour- 
bon) ausgefertigter Erlaubnissschein (Congi) mit dem Zweimaster La Mouche 
(32 Tonnen Gehalt) unter dem Schutze der französischen Flagge gegen die Ent- 
richtung einer gewissen Gebühr fahren zu dürfen. La Mouche ist dasselbe Fahr- 
zeug, mit welchem auch Viot mehrere Reisen von St. Denis nach St. Paul ge- 
macht hat. Dieses Document, das eines Abends der alte Franzose aus einer diek- 
bestaubten Schublade hervorzog, lenkte unwillkürlich das Gespräch auf den einst- 
maligen Tyrannen von St. Paul und was war da natürlicher, als dass ich nach 
der Zahl der Gräber frug, welche sich auf diesem romantischsten aller Pere la 
Chaises erheben?“ Das Klima ist viel zu gesund, und die Insel viel zu wenig be- 
wohnt, als dass es auf St. Paul viele Gräber geben sollte!“ antwortete Viot. 
Von den Schwarzen, welche einst Sieur Adam unter so dringenden Verhältnissen 
auf der Insel arbeiten liess, sind zwar viele der Härte der Behandlung erlegen, 
aber Niemand weiss, wo ihre Leichen ruhen; vielleicht liegen ihre Gebeine über 
die Insel zerstreut, gleich den Körperresten jenes schwer verfolgten Sturmvogels 
(Prion turbus) welchen die Raubmöve gleichgültig wegwirft, nachdem sie ihn 
abgefleischt und den besten Theil davon lüstern verzehrt hat. Nur zwei Gräber 
sind den dermaligen Bewohnern St. Paul’s bekannt, das eine ist die Ruhestätte 
einer Engländerin, welche auf einem Kauflahrer, als dieser sich gerade in der 
Nähe der Insel befand, starb, und deren Leichnam hier an der Nordseite des 
Kraterbeckens in die Erde versenkt wurde; das zweite birgt die Leiche eines 
Schiffscapitäns welcher zufällig, durch das Umschlagen seines kleinen Bootes im 
Bassin ertrank, als er sich bei drohenden Wetter zu nahe der Barre wagte. Sein 
Grab auf einen kleinen Abhang dicht hinter den Ansiedlerhütten gelegen, trägt 
noch heute die Spuren der Pietät, mit welcher es errrichtet wurde; eine Ein- 
fassung von grossen mit Sorgfalt gelegten Steinen macht die Stätte und ihre Be- 
deutung leicht erkennbar. 

Schiffbrüche sind auf St. Paul unerhörte Ereignisse, wenigstens sollen die- 
selben seit Menschengedenken daselbst nieht vorgekommen sein. Minder selten 
sind sie dagegen auf der Schwesterinsel, wie noch in neuester Zeit die Kata- 
strophe des Meridian beweist. Indess tragen an solchen traurigen Ereignissen 
nicht immer die Elemente allein Schuld. Es zerschellen zuweilen an der Küste 
vor Amsterdam Schiffe unter den günstigsten Witterungsverhältnissen, so dass 
man fast versucht werden möchte, zu glauben, es werden derlei Unglücksfälle 
zuweilen absichtlich herbeigeführt um für ein vielleicht schon halb untauglich ge- 
wordenes Schiff eine hohe Assekuranz-Prämie ausbezahlt zu erhalten; eine 
gerade nicht sehr gewissenhafte Handlung, die sich indess bekanntlich auch die 
seefahrenden Eingebornen an der Küste Griechenlands zu Schulden kommen 
lassen. Im Februar 1855 scheiterte an der nordöstlichen Küste von Amsterdam 
ein nordamerikanischer Wallfänger bei vollkommener Windstille und völlig klaren 
Himmel, so dass sich die ganze Mannschaft, einige 30 Menschen, nebst Provision 
und Gepäcksstücken retten konnten. In einer der Seitenboote des gestrandeten 
Schiffes fuhr der Capitän nach der 42 Seemeilen entfernten Insel St. Paul, in der 


122 Dr. C. Scherzer. 


Hoffnung, vielleicht daselbst menschliche Hülfe zu treffen. Eine glückliche Fü- 
gung wollte, dass soeben (da sich der Vorfall in der günstigsten Jahreszeit ereig- 
nete), ein Schiff des Mr. Ottovan aus St. Denis, welches seltsamerweise den 
“Namen „Ange Gardien“ führte, zur Ladung von Fischen im Kraterbecken der 
Insel vor Anker lag. Diesem Umstande verdankten es die Schiffbrüchigen, dass 
sie sich bereits vierzehn Tage später auf dem Wege nach Mauritius befanden. 
Im Munde der Bewohner von St. Paul eirculirt die Sage, der Capitän des gestran- 
deten Wallfängers habe mit einigen Gefährten in einem Boote im Nordosten 
Amsterdam’s in der Absicht gelandet, um nach einer Summe von mehreren Tau- 
send Piastern zu suchen, welche ein früherer Besucher dieser Inseln aus ziem- 
lich mystischen Gründen daselbst vergraben hatte. Während der Capitän am 
Lande lange vergebens nach den verborgenen Schätzen spürte, soll sich nun der 
in seiner Abwesenheit mit der Führung des Schiffes Betraute zu sehr der Insel 
genähert, und dadurch das Zerschellen des Fahrzeuges an den zahlreichen Fels- 
riffen der Küste herbeigeführt haben. Ein Theil der vergraben gewesenen 
Summe wurde richtig aufgefunden. Nach der Aussage Viot's soll der Capitän 
1000 Dollars, einer seiner Gefährten 300 Dollars dem Schoose der Erde ent- 
rungen haben. 

Am Morgen des 3. December endlich — den 15. Tag unseres Aufenthal- 
tes auf St. Paul, erschien der Himmel von einer solehen Reinheit, dass man sich 
mit grösserer Wahrscheinlichkeit als bisher der Hoffnung hingeben zu können 
glaubte, die noch erübrigenden Arbeiten ungestört einer glücklichen Beendigung 
zuführen zu können. Allein schon der nachfolgende Tag war wieder für Arbeiten 
im Freien, besonders für astronomische Beobachtungen äusserst ungünstig, in- 
dem ein ziemlich starker Nordostwind unaufhörlich dieke Regenwolken über die 
Insel jagte, von denen sich gerade die schwersten — angezogen durch die Erd- 
masse — über unsern Häuptern entluden. Glücklicherweise dauerte dieses Un- 
wetter nicht so lange als das erstemal, und als am 6. December Früh die Novara 
neuerdings vor St. Paul erschien und mittelst Signalen sich über den Stand der 
auszuführenden Arbeiten erkundigte, waren wir so glücklich, auf gleichem Wege 
antworten zu können, dass die wichtigsten derselben vollendet, und Offieiere 
und Naturforscher zur Wiedereinschiffung bereit seien. 

Gegen 9 Uhr Morgens ankerte die kaiserliche Fregatte in 25 Faden Grund 
fast an derselben Stelle wie das englische Schiff Fly, Capitän Blackwood im 
Jahre 1842. Es war das dritte Mal, dass die Novara an der Ostküste von St. 
Paul vor Anker ging. Zweimal früher hatte sie ungemein stürmisches, in dieser 
Saison unerhörtes Wetter genöthigt, sich von der gefahrdrohenden Küste zu 
entfernen, und die Unbill zu ertragen von den tobenden, riesigen Wogen des 
aufgeregten Elements tagelang herumgepeitscht zu werden. 

Eines der Boote, welches die Fregatte behufs unserer Wiedereinschiffung 
ans Land schickte, brachte zugleich einige kleine Geschenke der Expedi- 
tion an die Bewohner der Insel mit, die sich während unsers Aufenthalts da- 
selbst so gastlich und dienstfertig gegen uns benommen hatten. Die Geschenke 
bestanden in einigen Kisten mit Schiffszwieback, Salzfleiseh und verschiedenen 
andern Esswaaren, in Wein, einigen Waffen, Wolldecken, Kleidern, Fussbe- 
deckung, Arbeitswerkzeuge u. s. w. Die armen bescheidenen Bewohner waren 
höchlich entzückt über die ihnen zurückgelassenen Gegenstände und namentlich 
der alte Viot schien überglücklich, als er eine Anzahl Werkzeuge darunter er- 
blickte, deren bisheriger Mangel bei den vielen im Innern der luftigen Bauten 
nöthig gewordenen Reparaturen täglich fühlbarer wurde. 


Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam, 123 


Im Einvernehmen mit dem Herrn Commodore von Wüllerstorf-Urbair 
liessen wir auf der Insel St. Paul ein Buch zurück, in welchen wir die Hauptmo- 
mente unserer Thätigkeit auf St. Paul in drei Sprachen (deutsch, englisch und 
französisch) zu dem Zwecke verzeichnet hatten, um späteren wissenschaftlichen 
Besuchern dieses Eilandes, Anhaltspuncte für weitereForschungen und Beobach- 
tungen zu geben und dieselben gleichzeitig zu Fortsetzung dieser Aufzeichnungen 
anzuregen, 

Ich erlaube mir dieses Schriftstück hier wörtlich folgen zu lassen, welches 
vielleicht noch zu einer Zeit Kunde von den wissenschaftlichen Arbeiten der 
österreichischen Expedition auf der Insel St, Paul im indischen Ocean geben 
wird, wenn die daran betheiligt gewesenen Mitglieder bereits längst die Reise in 
jenes „ungeborne Land angetreten haben dürfen, aus dem kein Reisender 
zurück kehrt.“ 

„Die kaiserlich österreichische Fregatte Novara, 44 Kanonen, unter den 
Befehlen des Commodor's Bernhard Ritter von Wüllerstorf-Urbair auf einer 
Reise um die Erde zu wissenschaftlichen Zwecken begriffen, ankerte am 19. No- 
vember 1857 früh 9 Uhr an der östlichen Seite von St. Paul in der Absicht, 
astronomische, magnetische Messungen vorzunehmen und die Insel gleichzeitig 
naturwissenschaftlich zu durchforschen. Aeusserst ungünstige Witterungsver- 
hältnisse verzögerten wesentlich den Aufenthalt der kaiserlichen Expedition und 
nachdem dieselbe die wichtigsten Beobachtungen und Untersuchungen ausgeführt 
und naturwissenschaftliche Sammlungen gemacht hatte, deren Resultate s. Z. 
dem Drucke übergeben werden sollen, verliessen die an den verschie- 
denen Arbeiten betheiligt gewesenen Officiere und Naturforscher am 6. Decem- 
ber d. J. wieder St. Paul, indem jeder Einzelne von ihnen die befriedigensten 
Erinnerungen an dieses interessante Eiland und seine drei armen, aber freund- 
lich zuvorkommenden Bewohner mit sich nahm.“ 

„Zur Richtschnur für spätere Forscher auf dieser Insel diene: 

„1. Dass der Beobachtungspunet sich nördlich von den Ansiedlerhütten auf 
einem Hügel befand der durch eine kleine steinerne Pyramide kennbar gemacht 
wurde, auf welcher die von der österreichischen Expedition gefundene 

Breite 380 52" 55" südlich 
Länge 77 31 18 östlich von Greenvich 
verzeichnet steht. Ferner dass 

„2. die Richtung des von diesem Punete nach dem entgegengesetzten süd- 
lichen Ufer des Kraterheckens gezogenen wahren Meridians durch ein daselbst in 
einen Felsen gehauenes schiefes Kreuz kennbar gemacht wurde. 

„3. Das der Fluthmesser an einem Felsen nächst dem Landungsplatze auf- 
gestellt war und auf einer zu diesem Behufe geglätteten Felsfläche die Höhe der 
Fluth über den mittleren Wasserstand (3° 5") angegeben wurde. Endlich 

„4. dass die magnetischen Beobachtungen in einer eigens zu diesem 
Zwecke errichteten Hütte auf dem kleinen Plateau hinter den Ansiedlerhütten ge- 
macht wurden, wo zugleich von Seite der Expedition die Anpflanzung einiger 
nützlicher Baumarten geschah.“ 

„Die Namen der Offieiere und Naturforscher, welche unter der Oberleitung 
des Chefs der kaiserlichen Expedition, Bernhard Ritter von Wüllerstor f- 
Urbair an den verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten Theil nahmen, sind : 
für Astronomie und Erdmagnetismus Oberlieutenant Robert Müller, für Botanik 
Dr. E. Schwarz und Kunstgärtner Jellinek, für Geodesie und Meteorologie 
Fregattenfähnrich Eugen Kronowetter, für trigonometrische Messungen des 
Kraterbeckens Fregattenfähnrieh Bat tlogg, für Geologie und Physik der Erde 


124 Dr. ©. Scherzer. 


Dr. Ferd. Hochstetter, für Geographie und Geschichte Dr. Karl Scherzer, 
für Zoologie G. Frauenfeld und J. Zelebor, als Maler und Zeichner Joseph 
‚Selleny.“ 

Gegen 5 Uhr Nachmittags kehrten die letzten Boote mit Apparaten und 
Gepäcksstücke von der Insel zurück. Die Einschiffung war vollendet. Eine halbe 
Stunde später lichtete die Novara bereits den Anker und steuerte, begünstigt 
vom reizendsten Wetter, voll Befriedigung und Zuversicht der Schwesterinsel 
Neu-Amsterdam zu! Nicht ohne Anflug einer elegischen Stimmung, sahen wir 
jetzt allmählich die scharfen Konturen von St. Paul im Dunkel der hereinbrechen- 
den Nacht traumhaft verschwinden! Knüpfte sich doch gar manche unvergess- 
liche Erinnerung an unsern Aufenthalt auf dieser weltabgeschiedenen, wunder- 
samen Insel! — 

Am Morgen nach unserer Abfahrt von St. Paul; — es war der 7. Decem- 
ber — befanden wir uns gegen 7 Uhr Morgens nur mehr ungefähr 10 Seemeilen 
von Amsterdam entfernt. Der erste Anbliek der Insel hatte viele Aehnliehkeit mit 
dem von St. Paul, und immer wahrscheinlicher wurde die Vermuthung, dass die 
geognostische Beschaffenheit Neu-Amsterdam’s mit der von St. Paul ziemlich 
identisch sei. 

In der Nähe der Insel kreuzte ein Wallfischfänger, während eines seiner 
schlanken Boote einer Schaar von Pottfischen nachstellte, welche in grosser 
Menge zum Vorschein kamen. 

A. v. Humboldt legte in jenen weiheyollen Erinnerungen, welche Er, der 
Nestor der Naturwissenschaften an die Novara Reisenden richtete, einen ganz 
besondern Werth auf den Besuch Neu-Amsterdam’s, indem die französische 
Expedition unter den Befehlen Dentrecasteau's im März 1792 auf dieser 
Insel aus eine? unterirdischen Oeffnung in geringer Entfernung vom Ufer stoss- 
weise Rauchwolken aufsteigen sah, ohne im Stande zu sein sich überzeugen zu 
können, ob die Vegetation durch unterirdische Feuer oder durch Menschenhände 
in Brand gesteckt worden war. Denn der Wind, welcher vom Lande blies, 
machte eine Annäherung völlig unmöglich, wollte man sich nieht der Gefahr 
aussetzen, im Rauche der dichtaufsteigenden Wolkenmasse zu ersticken *). So 
blieb denn damals die Erscheinung unerklärt und noch immer das Räthsel zu 
lösen, ob die Dampfsäulen, welche die Naturforscher der französischen Expedi- 
tion im Jahre 1792 aus dem Boden nahe am Meeresufer aufsteigen sahen und 
welche ihre Landung verhinderten, durch eine zufällig oder absichtlich entstan- 
dene Feuersbrunst hervorgebracht worden oder ob dieselben die Wirkung unter- 
irdischer vulcanischer Kräfte waren. 

Selten während der ganzen Reise im indischen Ocean hatte uns die Witte- 
rung so sehr begünstigt, wie am Morgen des 7, December; es schien, als 
würde der Wunsch des grössten Naturforschers unserer Zeit selbst die Donner- 
stimme jenes furchtbaren Elementes zum Schweigen bewegen, und Jeder von 
uns fühlte sich von der Hoffnung gehoben, die Insel ohne besondere Schwierig- 
keit zu besuchen und darüber ausführlichere Mittheilungen als irgend einer unse- 
rer Vorgänger der wissenschaftlichen Welt überreichen zu können, Gegen 7 Uhr 
Früh kam das Boot des Wallfängers Esmerald aus Bedford in Massachusetts 
an Bord und suchte um ärztliche Hilfe für einen Matrosen nach, welchem ein Tau 
erst vor wenigen Tagen beim Aufziehen eines gefangenen Wallfisches die linke 
Hand durch Unvorsichtigkeit derart verletzt hatte, dass eine Amputation dersel- 


*) Labillardiere Relation du voyage a le recherche de La Peyrouse, fait par ordre de l' as- 
semblee constituante pendant les annees 1791—1794. Paris 1800 vol. I. p. 112— 113. 


Ein Besuch der beiden Inseln St, Paul und Amsterdam. 125 


ben unvermeidlich schien. Der Eigenthümer des Wallfängers hatte in rechter 
Yankee-Manier sogleich die Stelle eines Chirurgen vertreten und nahm persön- 
lich die Operation vor. Nun, nachdem sie vorbei war, wollte er wissen, ob er’s 
recht gemacht hatte, obsehon Lob oder Tadel der Operation nieht mehr viel Vor- 
theil bringen konnte, Während sich einer der anwesenden Schiffsärzte, Herr 
Dr. Rusehitzka, anschickte, auf Anordnung des Bordeommandos, Capitän 
Pierce zu dem Kranken zu begleiten, erzählte uns der Wallfänger, dass er be- 
reits vor 5 Monaten mit Familie die Vereinigten Staaten verlassen habe und von 
hier nach den Sandwichsinseln und dem Nordpol zu gehen gedenke, um über 
das Cap Horn nach den vereinigten Staaten zurückzukehren. Wenn der Fang 
günstig ausfällt, so hoflt er die Reise binnen zwei Jahren zu vollenden. Der red- 
selige Capitän, in der Regel ‚gerade nicht eine Charakterschwäche des Nord- 
americaners, konnte nicht genug seine Verwunderung darüber zu erkennen ge- 
ben, ein Schiff aus dem Mittelmeer, ein österreichisches Kriegsschiff unter diesen 
Breitegraden zu begegnen und kam auf dieses so seltsam unerwartete Ereigniss 
wiederholt zurück. Auch Capitän Pierce klagte bitter über die Hartnäckigkeit 
des Wetters; er meinte, er habe, so lange er den indischen Ocean befahren, 
niemals daselbst in der gegenwärtigen Jahreszeit so sturmbewegte Tage erlebt, 
als in der letzten Woche; eine Erfahrung, die auch mehrere andere Wallfänger, 
echte habitues des indischen Weltmeeres, bestätigten, Ueber Neu-Amsterdam 
vermochte uns leider Mr, Pieree nur sehr wenig Auskunft zu geben. Mr. Pierce 
hatte niemals auf der Insel Neu-Amsterdam gelandet, noch wusste derselbe, ob die 
Insel von irgend einer Seite aus zugängig sei. Doch pries er den Reichthum der 
Küsten Neu-Amsterdams an köstlichen Fischen. An keinem einzigen Puncte des 
indischen Meeres, meinte Capitän Pierce, gibt es einen solchen Ueberfluss an 
Fischen, als an der Südspitze jenes verlassenen Eilandes. Daher nähern sich 
auch die meisten Wallfänger auf ihrer Fahrt nach dem Südpol der Insel und sen- 
den Boote aus, um sich mit reichem Proviant an essbaren Meeresbewohnern zu 
versehen. In wenigen Stunden hat gemeiniglich die Angel das Boot mit vorzügli- 
cher Nahrung gefüllt, wo dann die Fische sogleich eingesalzen werden, und der 
Bedarf der Mannschaft für mehrere Wochen gedeckt ist. 

Um 11 Uhr Morgens fuhren zwei Seitenboote der „Novara“ mit dem Com- 
mandanten Baron Böck, einigen Offieieren, den Naturforschern, dem Maler der 
Expedition nach der Ostküste Amsterdams , um eine Landung auf der Insel zu 
versuchen. Leider war der Herr Commandant durch ein Unwohlsein verhindert, 
an dieser wissenschaftlichen Exeursion Theil zunehmen. Mehr als eine Stunde 
fuhren wir entlang der fast senkrecht aufsteigenden Küste, ohne einen Punct zu 
finden, auf dem es auch nur einigermassen möglich gewesen wäre zu landen und 
die Höhe zu erklimmen. Die ganze Süd- und Südostküste umsäumen steile Fel- 
sen von 100—150 Fuss Höhe, welehe viele Aehnlichkeit mit einer Festungs- 
ınauer oder künstlich aufgeführten Bastion haben und mit langem diehtem Gras 
bewachsen sind. Zuweilen kommen an den Felsen Rinnsale zum Vorschein, in 
denen das Wasser vom Plateau sanft nach der Tiefe rieselte und die einen gros- 
sen Reichthum an dieser wichtigen Flüssigkeit kundgeben. Im Winter, während 
der Regenzeit, muss wohl die Menge des dann fallenden meteorischen Nieder- 
schlages dem Bilde einen weit weniger friedlichen Charakter leihen. 

Im Laufe unserer Entdeekungsfahrt an dieser unwirthbaren Küste angelten 
wir eine solche Menge Fische, dass wir unaufhörlich mit dem Aus- und Einziehen 
der Leine beschäftigt waren; kaum hatten wir den gefangenen Fisch von der An- 
gel entfernt, so hing schon wieder ein neuer daran. Es war zum grösten Theile 
dieselbe Gattung Fische, welche auch auf St. Paul die vorherrschende ist (Chei- 


126 Dr. €. Scherzer, 


lodactylus). Niemals früher sah ich so grossartige Bänke von Seegewächsen, 
unabsehbaren schwimmenden Feldern gleichend, als während dieser Fahrt. Es 
war der antarktische Riesentang (Macroeystis pyrifera) an den birnförmigen 
Blattscheiden auf der Oberfläche schwimmend, welche an grossen, oft 100 Fuss 
langen Schnüren angewachsen waren. 

Gegen 12t/, Uhr versuchten wir an einer Stelle, wo scheinbar geringe 
Brandung bestand, in der Nähe einiger gewaltiger Felsblöcke den Anker zu wer- 
fen. Von einem förmlichen Anlegen mit dem Boote war nicht die Rede. Man 
musste von demselben auf einen Stein springen und konnte nur auf diese Weise 
das Ufer erreichen. Eine grosse Anzahl von Schwalben derselben prächtigen Art 
(Sterna), deren Anblick uns schon in St.Paul so oft entzückte, schwirrten bestän- 
dig über unseren Köpfen. Wir schossen mehrere Exemplare, und als hierauf ein 
Diener ein noch lebendes derselben in der Luft hielt, stürzten sich eine grosse 
Anzahl dieser geselligen Thiere auf den verwundeten Gefährten, gleichsam als 
wollten sie ihm zu Hilfe eilen und ihn aus seiner gefährlichen Gefangenschaft be- 
freien. Sie kamen dabei so nahe, dass man sie leicht mit der Hand erhaschen 
konnte. Schon Macartney erwähnt dieses eigenthümlichen Zuges dieser Thiere, 
welche die Naturforscher des „Lion“ auf der Insel St. Paul in so grossen Massen 
zu beobachten Gelegenheit hatten. Auch Raubmöven (Lestris cataractes) flogen 
zuweilen so dicht an unserm Boote vorüber, dass einmal ein Matrose eines dieser 
Thiere mit einem Riemen zu Boden schlug. Diese Vertraulichkeit der Thierwelt 
zeigt am besten, wie wenig dieselbe an dieser unwirthbaren Küste in ihrem lusti- 
gen Treiben gestört wird, wie selten sich Menschen diesem traurigen, schwer 
zugänglichen Gestade nähern, welches nur der Wissenschaft einiges Interesse 
bietet. 

Nach unsäglichen vergeblichen Anstrengungen, von diesem Puncte aus die 
Höhe erklimmen zu können, und nachdem Schiffsfähnrich Müller noch einige 
Beobachtungen mit dem Sextanten gemacht hatte, schifften wir uns gegen 1 Uhr 
30 Minuten wieder ein, noch immer nicht alle Hofinung aufgebend, dass ein in 
mehr nördlicher Richtung angestellter Landungsversuch vielleicht von einem bes- 
sern Erfolg begleitet sein dürfte. Um 3 Uhr 30 Minuten erreichten wir eine 
Stelle, wo eine Anzahl herabgestürzter Felsblöcke eine Art von Damm bildeten, 
zwischen dem Meere und der Küste und dadurch den Booten gestattete, an einem 
der Brandung weniger preisgegebenen Orte den Bootanker zu werfen. Auch hier 
vermochte man nur mittelst eines kühnen Sprunges vom Boot auf einen glatten 
Felsblock an's Ufer zu gelangen, eine Landungsweise, die jedenfalls für Pinguins 
geeigneter ist als für Menschen. An der Küste lagen an mehreren Puneten Be- 
standtheile gestrandeter Schiffe umher. Die hier in wüster Unordnung sich auf- 
thürmenden Steine scheinen mehr als an irgend einem andern Punete der Küste 
Aussicht zu bieten, mit einigen Beschwerden die hier weniger senkrecht aufstei- 
genden Höhen von eirea 150 Fuss erreichen zu können. Dem Herrn Fregatten- 
fähnrich Kronowetter, Dr. Hochstetter und Zelebor gelang dieser müh- 
same Versuch. Oben angekommen, fanden sie das ganze Plateau mit mannshohen 
Binsen (Cyperacea) überwuchert, welche jedes weitere Vordringen bei der so 
eng zugemessenen Zeit unseres Aufenthaltes auf der Insel total unmöglich machte. 
Während schon im Laufe der Fahrt von den Booten aus einzelne baumartige Ge- 
wächse von theils dunkelgrüner, theils lichtgrüner Farbe wahrgenommen wur- 
den, erblickten sie nun in einiger Entfernung ganze grosse Flächen mit baumar- 
tiger Vegetation und hohem Gesträuch von nadelholzähnlichem Aussehen bedeckt. 
Aber sie waren mit gewöhnlichen Mitteln nicht erreichbar, was um so bedauer- 
licher war, als von einer näheren Untersuchung dieser Gewächse so mancher in- 


Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam, 127 


teressante Aufschluss über die Vegetationsverhältnisse der Insel zu erwarten 
stand. Der Abend brach herein, man musste auch an die Rückkehr denken. Ehe 
Fregattenfähnrich Kronowetter und seine Gefährten den Rückweg vom Plateau 
nach unserem improvisirten Landungsplatze antraten, wo inzwischen die übrigen 
Naturforscher mit Sammeln am Strande und auf den Abhängen der Umgebung 
beschäftigt waren, meinte der sie begleitende Matrose, wahrscheinlich eingedenk 
eines ähnlichen Verfahrens in seiner Heimat, er wolle diese dürren, nutzlosen, 
jede Art von Fortbewegung verhindernden Binsenfelder zum Vortheile für spätere 
Besucher anzünden. Der Gedanke schien practisch. Man warf ein paar Zündhölz- 
chen in das dürre Strauchwerk und kletterte mühsam die Anhöhe herab. Als die 
Wanderer das Ufer erreichten, stiegen bereits dichte schwere Wolken, gleich 
der Rauchsäule eines Mamuthdampfers hoch empor in die Luft. Wir hatten zu- 
letzt ein Schauspiel, dem ähnlich, von welchem Labillardiere, der am Bord 
des „Recherche“ im März 1792 an dieser Insel vorübersegelte, eine so romanti- 
sche Beschreibung machte, und viel wahrscheinlicher ist es, dass auch damals 
wie heute der Brand auf Neu-Amsterdam durch Menschenhände entstanden war — 
vielleicht von Fischern, welche die Insel vom undurchdringlichen Unkraut reini- 
gen und für ihre Zwecke zugänglich machen wollten, als dass derselbe das Werk 
unterirdisch thätiger, vulkanischer Kräfte gewesen, obschon nach den vom Geo- 
gnosten der kaiserlichen Expedition, Herrn Dr. Hochstetter, angestellten Un- 
tersuchungen die Insel Amsterdam ganz in dieselbe Reihe vulkanischer Forma- 
tionen gehört, wie St. Paul, und auch ihre Entstehung höchst wahrscheinlich in 
dieselbe Periode fällt. 

In Bezug auf die Fauna von Amsterdam fanden die Herren Zoologen der 
kaiserlichen Expedition auf derselben ziemlich dieselben Arten, wie auf St. Paul, 
selbst die Pinguins nicht ausgenommen, unstreitig aber hat das Auftreten verschie- 
dener Pflanzenformen auch das verschiedener Thierarten zur Folge, und schon aus 
diesem Grunde wäre eine gründlichere Durchforschung vom höchsten Interesse 
gewesen — obgleich es uns nicht glückte, ihren Brutplatz ausfindig zu machen. 

Während die Naturforscher sich theils anstrengten, die Höhen zu erklim- 
men, um eine klarere Vorstellung von dem Naturcharakter der Insel zu gewin- 
nen, theils in der Umgebung zoologisirten und botanisirten, und Herr Selleny 
einige Skizzen von der Insel entwarf, benützten die Matrosen in den Booten die- 
sen Zeitraum, um Fische zu angeln oder Languste zu fangen, jene Hummer ähn- 
lichen Meerbewohner von so köstlichem Geschmack, dass sie selbst der verwöhn- 
teste Pariser Feinschmecker als Leckerbissen hätte preisen müssen. Einer der 
Matrosen, ein geübter Fischer, brachte eine ganz eigenthümliche Art in Anwen- 
dung, um diese Languste zu fangen, welche sich am liebsten in der Nähe von 
Felsriffen aufhalten, Derselbe hatte sich nämlich des grössten Theiles seiner 
Kleider entledigt, und während er mit der einen Hand einen rauhen, vielzackigen 
Fels festklammerte, hielt er mit der andern einen Theil eines erst geangelten 
Fisches als Köder tief ins Wasser hinab. In weniger als einer halben Stunde 
hatte der eben so kühne als kluge Fischer auf diese primitive Weise mehrere 
Dutzend dieser köstlich mundenden Thiere gefangen. 

Gegen 5/, Uhr schien Vorsicht die Rückfahrt zu gebieten, denn es begann 
Abend zu werden, wir waren 7—8 Meilen von der Fregatte entfernt und befan- 
den uns auf kleinen schwerfälligen Booten mitten im indischen Ocean! Da das 
Meer etwas bewegter geworden war, so ging die Wiedereinschiflung in die 
Boote weniger leicht vor sich, als die Landung, obschon die aufgesprungene 
Brise anderseits den Vortheil der Benützung unserer Segel gewährte und dadurch 
die Fahrt beschleunigte. 


128 Dr. €, Scherzer. 


Um 7 Uhr Abends erreichten wir wieder die Fregatte, von welcher wir 
uns im Laufe unserer Excursion ungefähr 15 Seemeilen weit entfernt hatten. 
‚In derselben Zeit als wir auf Amsterdam thätig waren, wurde von der Fregatte 
aus die Position der Insel, die Höhe ihrer hervorragendsten Punete, wie ihre 
Küstenlage in Süden und Westen bestimmt. Diese unter der Leitung des Chefs 
der kaiserlichen Expedition vorgenommenen Beobachtungen, denen ähnliche, bei 
einer früheren Gelegenheit gemachte vorausgingen, ergaben folgende Resultate: 

Geogr. Breite 37° 58° 30" Süd 
„ Länge 77° 34' 40" östlich Greenw. 
für den höchsten Punet der Insel 2784 Fuss, für den zweithöchsten 2553 Fuss, 
endlich für die Küstenentwieklung der Insel von der Fregatte aus gesehen, im 
Süden 5194 Klafter, im Osten 884 Klafter. 

Für den nächsten Morgen blieb ein zweiter Besuch von Amsterdam in Aus- 
sicht. Allein noch im Laufe der Nacht sprang der Wind um, das Wetter wurde 
unsteter, und dem Verlangen, die Insel ein zweites Mal zu besuchen, musste um 
so mehr entsagt werden, als die ungünstige Witterung während unserer Thätig- 
keit in St. Paul den Aufenthalt der kaiserlichen Fregatte in diesem Breitengrade 
bereits weit über die veranschlagte Zeit hinaus verlängert hatte und kein Tag 
leicht mehr versäumt werden konnte, sollte unser Auftreten auf einem anderen, 
weit grossartigeren Felde wissenschaftlicher Thätigkeit den Inseln des indischen 
Archipels nicht ebenfalls in eine unseren Zwecken ungünstige Zeit des Jah- 
res fallen. 

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die Gesammt-Thätig- 
keit der Novara - Expedition während ihres Verweilens auf den Inseln St. Paul 
und Neu-Amsterdam, so erscheinen — wenn man namentlich die vielfältigen 
Hindernisse, mit welchen Beobachter, Forscher und Sammler zu kämpfen hatten, 
in Betracht zieht — die von denselben gewonnenen wissenschaftlichen Resultate 
nichts weniger als unbefriedigend oder bedeutungslos; wenn schon von einem 
umständlichen Eingehen in die einzelnen Erfolge um so weniger hier die Rede 
sein kann, als die Ausarbeitung des reichen Materials noch lange nicht vollendet 
ist, so dürfte doch schon die einfache Aufzählung der Leistungen der einzelnen 
Mitglieder hinreichen, um die mannigfache Thätigkeit derselben vor Augen zu 
führen und den Eifer zu zeigen, der Jeden beseelte, seine Kräfte zur Ehre der 
Wissenschaft und zum Ruhme des Vaterlandes geltend zu machen. 

Was vornehmlich St. Paul betrifft, so sind auf dieser für die nach Ostindien, 
China, Australien und Neuseeland bestimmten Schiffe so wichtigen Insel astro- 
nomische und magnetische Beobachtungen und geodätische Messungen in einer 
Grossartigkeit gemacht worden, wie noch niemals früher, Von einer gemessenen 
Basis aus wurden mittelst des Theodoliten verschiedene Puncete des untern und 
obern Kraterrandes bestimmt und vom letztern aus mittelst des Messtisches ein 
geometrisches Netz bis zum Inselrande fortgesetzt. Zugleich entwarf Dr. Hoch- 
stetter mit Hilfe der Bussole und des Stampfer'schen Nivellir-Instruments 
eine ursprünglich nur für geologische Zwecke bestimmte Karte und der Maler, 
Herr Selleny, übernahm es, nach den mit dem Messtische bestimmten Puneten 
den äussern Inselrand auf der Karte einzuzeichnen. Durch diese vereinten Be- 


mühungen der Herren Offiziere, des Herrn Dr. Hochstetter und des Herrn - 


Selleny kam nun eine Karte von St. Paul zu Stande, welche bis in die klein- 
sten Details ein vollkommen getreues Bild von der Form und dem Oberflächen- 
verhältnisse der Insel gibt. Ausserdem haben die Herren Dr. Hochstetter und 
Selleny die Absicht, ein naturgetreues Modell von St. Paul plastisch auszufüh- 


Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam. 129 


ren, welches, später in Gyps abgegossen, wohl den klarsten Begriff von der 
seltsamen Construction dieser Insel geben wird. 

Nieht minder interesseerregend dürften die Ergebnisse derjenigen Beob- 
achtungen ausfallen, welche während eines achtzehntägigen Aufenthaltes auf 
St, Paul mit dem Barometer, Thermometer, Fluthmesser und Stromgeschwindig- 
keitsmesser angestellt worden sind, sowie die Sondirungen im Kraterbecken, an 
beiden Seiten der Barre und ausserhalb derselben. 

Die naturwissenschaftliche Ausbeute war zwar eine sehr beschränkte, aber 
dieser Umstand macht sie nicht minder werthvoll. Ausser einer ziemlich voll- 
ständigen Sammlung der Fauna und Flora von St. Paul bot der längere Aufenthalt 
auf dieser Insel dem Zoologen der Expedition eine eben so schöne Gelegenheit 
zum Studium des Haushaltes seiner animalischen Bewohner , als derselbe dem 
Botaniker Anlass gab, in dieser einfachen Natur eine deutliche Anschauung zu 
gewinnen von dem Auftreten und der Verbreitungsweise gewisser Pflanzenformen 
auf primitivem Boden. 

Dem Geologen und Geognosten dagegen musste es von hohem Interesse 
sein, auf Grund persönlicher Wahrnehmung und Forschung die Insel St. Paul mit 
wissenschaftlicher Bestimmtheit in eine jener Hauptgruppen einzureihen, in welche 
nach Alexander von Humboldt's Ansicht die vuleanischen Gebilde unseres Plane- 
ten zerfallen. Ein an der Ostseite aufgeschlossenes Profil der Insel legt ihre ganze 
geologische Geschichte blos und ist eine der instruetivsten Stellen derselben, um 
daraus wissenschaftliche Schlüsse über die geologische Beschaffenheit zu ziehen. 
Herrn Dr. Hochstetter erscheint St. Paul überhaupt als eines der schönsten 
und lehrreichsten Beispiele für L. v. Buch's Theorie der Erhebungskrater , ein 
wahres Modell, gewissermassen von der Natur selbst geformt zum Beleg für die 
Ansicht jenes berühmten Forschers. Endlich hat Herr Selleny vom Stand- 
puncte des Künstlers aus den landschaftlichen Charakter der Insel von den ver- 
schiedensten Seiten aufgefasst und getreulich wiederzugeben versucht, sowie sein 
Pinsel auch jene Scenen nicht verschmähte, welche in das Bereich der Satyre 
und des Humors gehören und nicht fehlen dürfen, um ein vollständiges Bild von 
unserem 18tägigen Bivouak auf St. Paul vor dem Auge des Lesers zu entrollen. 

Der Aufenthalt auf Amsterdam war zwar viel zu flüchtig, um ein eben so 
wohl gegliedertes Ganze wie von St, Paul und dessen Naturverhältnissen bieten 
zu können, allein derselbe war dennoch hinreichend, um wenigstens das bishe- 
rige Räthsel über die geognostische Beschaffenheit der Insel zu lösen und die 
Wissenschaft mit den Thatsachen zu bereichern, dass Amsterdam vollständig aus 
denselben Gebirgsarten zusammengesetzt ist, wie die Insel St. Paul, und daher 
wie diese gleichfalls allenthalben Spuren eines vuleanischen Ursprungs an 
sich trägt. 

Für die seefahrende Welt bleibt jedenfalls die wichtigere von beiden St. 
Paul mit seinem grossen Kraterbecken, aus dem sich ohne besondere Kosten ein 
Ankerplatz schaffen liesse, welcher Schiffen, denen auf der Fahrt nach Austra- 
lien, China oder Ostindien irgend ein ernster Unfall begegnet, oder die nach 
einer langen Fahrt ihrer scorbutkranken Mannschaft einige Erholung gönnen 
möchten, namhafte Vortheile gewähren würde. Schon dermalen dient das Kra- 
terbecken von St. Paul in Fällen der Noth so manchen während der Fahrt halb 
unbrauchbar gewordenen Schiffen zum erwünschten Asyl. Noch vor wenigen Jah- 
ren kam ein kleiner englischer Kriegsdampfer nach St. Paul, welchem während 
eines heftigen Sturmes im indischen Ocean die Maschine zerbrach, der das Steuer- 
ruder verloren hatte und bereits 12 Tage lang bloss mit einem Nothsteuer ge- 
fahren war. 


130 Dr, €. Scherzer, Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam, 


Derselbe soll; nachdem die beschwerendsten Gegenstände entfernt waren, 
mit wenig Mühe nach dem Innern des Kraterbeekens gebracht worden und da- 
selbst an der nördlichen Barre mehrere Monate lang in Reparatur gelegen sein. 
In wie weit eine derartige künstliche Nothhilfe zur besseren Zugänglichkeit des 
Kraterbeckens angezeigt erscheint, in wie ferne die gegenwärtige Schiffsbewe- 
gung dieselbe wünschenswerth macht, muss der Beurtheilung derjenigen see- 
fahrenden Nation überlassen bleiben, welche, wie die englische, die holländi- 
sche oder die französische durch ihre Besitzungen im indischen Ocean ein diree- 
tes Interesse an dem Zustandekommen eines solchen Schiffsasyls auf halbem Weg 
zwischen Africa, Asien und Australien haben. 

Unsere Aufgabe scheint erfüllt zu sein, indem wir die auf den beiden Inseln 
aus den gemachten Beobachtungen und Untersuchungen gewonnenen Resultate 
der verschiedensten Art, gleich bunt gepflückten Blüten zu einem Strauss ge- 
wunden, der gebildeten Welt überreichen, und im Bewusstsein, nach unserem 
besten Können gewirkt zu haben, zu neuen Arbeiten im Dienste der Wissen- 
schaft schreiten. 


IR 


m. 
Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 
Von J. F. Julius Schmidt, 


Astronom der Sternwarte zu Olmütz. 


Das Erdbeben, welches am 15. Jänner 1858 einen so beträchtlichen Theil 
von Ungarn, Mähren, Schlesien und Galizien erschütterte, hatte in mir den 
Wunsch erregt, alle nur irgend erreiehbaren Nachrichten über dasselbe zu sam- 
meln, zu ordnen und einer möglichst strengen Bearbeitung zu unterwerfen. 
Sehon vor 11 Jahren war ich, damals zu Bonn, mit ähnlichen Bestrebungen be- 
sehäftigt, als Nöggerath seine schöne, werthvolle Arbeit über das rheinische 
Erdbeben am 29. Juli 1846 zu Tage förderte. Ich nahm Versuche dieser Art 
wieder auf, als im Juli 1855 das denkwürdige Erdbeben von Visp so grosse Län- 
derräume beunruhigte, und unterliess ihre Ausführung, seit ich die ausführliche 
Untersuehung von ©. Volger aus Zürich kennen gelernt hatte. War ich auch 
für meine Person oft unsicher und ängstlich gestimmt, indem ich es wagte, mich 
auf die Behandlung eines so schwierigen Problems einzulassen, so konnte mir 
doch die Meinung zu keiner Zeit einen erheblichen Eindruck bewirken, „dass nur 
den Fachmännern das Studium der Erdbeben zufalle.“ Abgesehen davon, dass es 
in diesem Falle wohl sehr schwer sein möchte (wie auch in vielen andern), die 
Grenze anzugeben, wo Jemand anfängt oder aufhört ein Fachmann zu sein, hielt 
ich es schliesslich für nöthig, mit gesunder Auffassung sich lediglich an die That- 
sachen zu halten, Hypothesen möglichst zu vermeiden und strenge und kritisch 
zu arbeiten, dabei aber wie billig, sich von den Gebieten fern zu halten, auf 
denen man sich nach Maassgabe des Umfanges eigener Studien nur als Fremdling 
fühlt. Von solcher Ansicht geleitet, habe ich auch bei Gelegenheit des Erdbebens 
von 1846, auf Grund der von Nöggerath vorbereiteten Materialien, und nicht 
ohne werthvolle Rathschläge meines berühmten Lehrers Argelander, mich nur 
mit der Berechnung der Geschwindigkeiten beschäftigt, ohne mich um anderes zu 
bekümmern. Ich habe in demselben Sinne, gegenüber den grossen Phänomenen, 
die sich mir im Jahre 1855 zu Neapel darboten, vornehmlich nur den topogra- 
phischen und hypsometrischen Theil der Vulcanstudien auserwählt, und bin end- 
lich bei Gelegenheit des diesjährigen Erdbebens nahezu in derselbenLage gewe- 
sen, nur dass ich es gewagt habe, die früher innegehaltenen Grenzen jetzt um 
ein Geringes zu überschreiten. 

Ohne sehr umständlich zu werden, kann ich hier nicht wohl alle Vorberei- 
tungen und Bemühungen aufzählen, die zur Erreichung des erwünschten Zieles 
erforderlich waren. Es verlangt aber das Gefühl der Dankbarkeit, dass ich 
wenigstens einiges davon nenne, um Diejenigen zu ehren, die mir behilflich 
waren, und um auch bei einer selteneren Veranlassung, wie ein Erdbeben sie 
hervorrief, in kurzen Zügen auf die wissenschaftliche Bewegung unserer Zeit 
hinzudeuten. Als ich in der zweiten Hälfte des Jänner bereits eine grosse Anzahl 
von Beobachtungen gesammelt hatte und durch Berichte aus Oberungarn davon in 
Kenntniss gesetzt war, wo das Centrum des Erdbebens zu suchen sein möchte, 
als ich sah, dass die Grenzlinie des erschütterten Raumes, die ich damals schon 
nahe richtig verzeichnet hatte, an gewissen Stellen noch wegen ungenügender 
Angaben unsicher bleiben würde, richtete ich am 30. Jänner an den allverehrten 
Director der k. k. geologischen Reichsanstalt zu Wien, Herrn Seetionsrath Hai- 

k 


132 J. F. J. Schmidt. 


dinger, ein Schreiben, in welehem ich meine Ansichten über verschiedene das 
Erdbeben betreffende Punete auseinandersetzte und ihn aufforderte, durch das 
‚Organ der k. k. geologischen Reichsanstalt eine umfassende Nachfrage wegen 
des Ereignisses vom 15. Jänner zu veranlassen. Mit der grössten Bereitwillig- 
keit ward dieser Brief nicht nur sogleich beantwortet, sondern durch die eifrigen 
und wirksamen Bemühungen des Herrn Sectionsrathes erhielt ich schon in weni- 
gen Tagen ein gedrucktes Programm mit den von mir gestellten Fragen. beglei- 
tet von der Liste aller Ortschaften und aller Personen, von denen mit Grund 
brauchbare Nachrichten erwartet werden konnten. Während so diese Aufforde- 
rungen an viele Ortsbehörden, an viele wissenschaftliche Institute und Personen 
gelangten, ward durch die zuvorkommende Güte des Herrn Direetors der Staats- 
telegraphen, Heren Brunner v. Wattwyl, verordnet, dass auch in den von 
mir bezeichneten Richtungen die Telegraphenämter um nähere Auskunft ersucht 
wurden. Nach diesen Vorkehrungen erfolgte die Einsendung zahlreicher, meist 
officieller Berichte nach Wien, welche mir von dem Herrn Seetionsrathe Hai- 
dinger am 15. März zur speciellen Benutzung übersandt wurden, durch welche 
meine Arbeit eine wesentliche, und was die Grenzbestimmung des Erdbebens an- 
langt, sehr wichtige Bereicherung erfahren hat. Ich kann wohl am besten an 
diesem Orte dem Herrn Sectionsrathe Haidinger, dem Herrn Brunner von 
Wattwyl, den Herren Bergräthen F. von Hauer und Foetterle, dem hoch- 
verdienten Director der k. k. metevrologischen Centralanstalt, Herrn Professor 
Kreil, den auswärtigen Bergämtern, den Behörden und zahlreichen Privatper- 
sonen, die meine Bestrebungen in so rühmlicher Weise begünstigt haben, mei- 
nen lebhaften und herzlichen Dank aussprechen, und darf vielleicht hoffen, meine 
Abhandlung möge ihnen den Eindruck gewähren, dass so umfassende Bemühun- 
gen nicht vergeblich gewesen seien. 

Noch ehe ich jenesSchreiben an den Herrn Seetionsrath Haidinger rich- 
tete, hatte ich fest beschlossen, mich nach Oberungarn zu begeben, um selbst 
an Ort und Stelle die so beträchtlichen Wirkungen des Erdbebens, und wenn 
möglich, dessen Centrum näher zu erforschen. Diesen Plan habe ich zwischen 
dem 13. und 27. Februar genau durchgeführt und die Reise in Begleitung des 
k. k. Lieutenants Herrn Hugo Gl6ös bis SzentMarton, im Thuroezer Comitate aus- 
gedehnt Auch diese Unternehmung ist durch die wohlwollende Theilnahme vie- 
ler Personen in hohem Grade gefördert worden. Was ich der Vermittlung Sr. 
Fürstlichen Gnaden des Herrn Fürsterzbischofs von Olmütz und des hochwürdi- 
gen Herrn Prälaten E. Ritter von Unkrechtsberg, was ich der freundlichen 
Zuvorkommenbeit aller einflussreichen Personen, die wir unterwegs trafen, zu 
verdanken habe, wird man hinlänglich aus den folgenden Abschnitten ersehen. 
Nieht weniger verpflichtet mich zum herzlichsten Danke die Gastfreundschaft, so- 
wie die Aufmerksamkeit und Theilnahme an meinem Vorhaben, von Seiten der 
erzbischöflichen Beamten in Mähren, der Herren Wessely in Hochwald und 
Kleınpeter in Friedland, des Herrn Revierförsters Langer auf Barany. des 
Herrn Stuhlrichters von Tayenthal und seiner Beamten , des Herrn Professor 
Sehütz, Ing. Traiezik und des hochwürdigen Herrn Präfeeten Drahotusky 
in Sillein, des Herrn Wagner auf Schloss Bieiea, der gräflichen Familie Nyari 
zu Gbellan, des Herrn Statthaltereirathes Beznäk, des Herrn Gendarmerie-Lieu- 
tenants Julius Ritter von Madurowitz und des Herrn Advocaten Krueg zu 
Szent Marton im Thuroezer Comitate. 

Wenn ich jetzt nach Beendigung meiner Arbeit das Ganze üherblicke, so 
erscheint mir zwar im Vergleiche mit dem Aufwande von Zeit und Mühe das Re- 
sultat nicht so erheblich als ich gewünscht hatte, aber ich ersehe so viel, dass 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 133 


in Zukunft keine Anstrengung mehr gescheut werden müsse, um jedes Erdbeben 
von einiger Bedeutung auf das sorgfältigste und ohne vorher schon fertige Hypo- 
thesen zu erforschen; dass ein so wichtiges und in seinen grösseren Erfolgen so 
furchtbares Ereigniss eine viel ernstere Aufmerksamkeit, vor allem aber eine 
strengere Form der Untersuchung erfordert, als ihr seither mit wenigen Aus- 
nahmen zu Theil geworden ist. Ich wünsche und hoffe, dass auch in diesen Län- 
dern jedes spätere Erdbeben schneller und besser als dasjenige ergründet wer- 
den möge, über welches ich jetzt den Versuch eigener Studien vorlege. 
Olmütz den 22. März 1858 J. F. Julius Schmidt. 


Ueber die Häufigkeit der Erdbeben in der Zeit vom October 1856 
bis zum April 1858. 


Bevor ich das Erdbeben näher untersuche, welches den Hauptgegenstand 
dieser Abhandlung bildet, halte ich für nützlich, an die grosse Zahl der anderen 
Erschütterungen zu erinnern, von denen wir nach und nach, leider meist nur 
durch die Zeitungen, Kunde erhalten haben. Meiner Ansicht nach kann das Erd- 
beben vom 15. Jänner 1858 nur richtig gewürdigt werden, wenn man es als ein 
Glied in der ganzen Reihe der Erschütterungen auflasst, welche in so grosser 
Häufigkeit, wie es scheint, überaus grosse Räume der nördlichen Halbkugel der 
Erde betroffen haben. ohne dabei die sehr verbreitete Meinung zu theilen, dass 
unser Erdbeben nothwendiger Weise mit der Catastrophe von Calabrien (16. De- 
cember 1857) oder mit der unbedeutenden Thätigkeit des Vesuv zusammenhän- 
gen müsse. Wir werden allmälig erkennen, dass der Vuleanismus der Erde sich 
gleichzeitig sowohl durch Erdbeben, als auch durch die Eruptivthätigkeit der 
Vuleane offenbare, sei es im kleinen Raume oder gleichzeitig an weit entlegenen 
Orten, ohne dass beide Phänomene eine deutliche physische Verbindung erken- 
nen lassen; wir werden einst vielleicht besser als jetzt erkennen, weshalb, oder 
ob überhaupt die Vulcane als Sicherheitsventile gegen Erdbeben zu betrachten 
seien; denn so lange die Erfahrung lehrt, dass dort, wo thätige und ruhige Vul- 
cane vorkommen, in Italien wie in den südamerieanischen Cordilleren, die ver- 
heerendsten Erdbeben auftreten, dass sie auftreten, gleichviel, ob dieser oder 
jener Vulcan thätig sei oder nicht, wird die Sachlage immer zweifelhaft bleiben 
und man wird schliesslich der Ansicht geneigt, dass gegen so ungeheure und 
weithin wirkende Gewalten, wie die Erdbeben offenbaren, die Vulcanthätigkeit 
sehr untergeordnet und unbedeutend erscheint. Betrachtet man ferner die Lage 
der vielen Ortschaften. die im Winter 1857—58 Erdbeben verspürten, so wird 
man wenig gesonnen sein, so ausserordentliche Wirkungen mit den Vulcanen von 
Süditalien sich in Verbindung zu denken. 

Ich habe erst nach dem Erdbeben vom 15. Jänner 1858 mich bemüht, aus 
Zeitungen und wissenschaftlichen Journalen die Notizen über andere Erdbeben 
in einiger Vollständigkeit zu sammeln, und dabei die in Wien, Brünn, Prag und 
Olmütz erscheinenden Zeitungen, Petermann's geographische Mittheilungen 
und die ehemals von Jahn, jetzt von Heis redigirten astronomischen Unterhal- 
tungen benutzt, bin aber mit der genaueren Durchsicht nur bis zum Juni 1857 
zurückgegangen. Jeder weiss, was von der Zuverlässigkeit gelegentlicher Zei- 
tungsberichte zu halten sei, und ich bemerke ausdrücklich, indem ich den folgen- 
den Catalog mittheile, dass er ebenso wenig auf Vollständigkeit, als auf strenge 
Zuverlässigkeit Anspruch machen kann. Nicht nur, dass oft das Datum, selbst der 
Monat verschieden angegeben wird, auch die Zeiten sind durch Irrthümer und 
Druckfehler entstellt, und gewöhnlich fanden die Berichterstatter es nicht für 

k* 


134 J. F, J. Schmidt, 


nöthig, bei Angabe der Stunden den Morgen vom Abend zu unterscheiden, oder 
bei ganz unbekannten kleinen Städten und Dörfern anzugeben, wo sie liegen. 
Wären alle Zeitangaben genau, so müssten sie auch alle auf einen und denselben 
Meridian vermittelst der Längenunterschiede reducirt werden, um den inneren 
Zusammenhang solcher Ereignisse auch in Hinsicht auf die mögliche Gleichzeitig- 
keit näher erörtern zu können, Diejenigen, welche sich mit der verdienstlichen 
Arbeit einer Catalogisirung der Erdbeben beschäftigen, werden, wenn sie die 
folgenden Angaben benutzen, wohl thun, sich nach besseren und specielleren 
Quellen umzusehen, als diejenigen waren, die ich benutzen konnte. Die Angaben 
bei Petermann sind genau, aber sehr wenig zahlreich. 
1856. 
Octob. 12. Ein starkes Erdbeben in Aegypten, Rhodus, Malta und Creta, 
Dee. 1. Erdbeben zu Guastalla, Früh OU. 45 M. und 0 U. 55 M., wellenförmig 
mit Getös; zu Parma ward es nicht gespürt. 
» 22. Erdbeben bei Collegio di S. Lazzaro. 
= 26. Starkes Erdbeben zu Metelia, Früh um 3 und 5 Uhr mit NW.—SO.- 
Richtung. 
1857. 
Jänn. 26. Morgens 9U. 5 M. Erdbeben mit Getös zu Lyon. 
» 31. Erdbeben zu Parma, Mailand, Venedig und Padua, 7 U. 10 M. und 
12 U. 12M. Nachts, mit 0SO,—WNW.-Richtung; Dauer 6'; Getöse. 
» 831. Angebliches Erdbeben in der römischen Campagna, Morgens, 
Febr. 2. oder 5. Morg. 9°/, U. und Nachm. 2 U. Erdbeben zu Genf. 
» 13. und 14. Erdbeben zu Smyrna. 
April 9. Nachts, starkes Erdbeben zu Musch, in der Ebene Bulanok und zu 
Erzerum, 
Juni 2. Erdbeben zu Komorn (Ungarn) Abends 10 U. Richtung NO.—SW. 
s 5 r »  Morg. 4-5 U. »  N0.—SW,, 
ferner 7 U. Abends, 
6. Erdbeben zu Komorn (Ungarn) Morg. 8 U. Richtung N.—S. 
7. Erdbeben im Erz- und Mittelgebirge, zu Schössl, Gera und vielen an- 
deren Orten, die in den astronomischen Unterhaltungen von Heis in 
Nr. 26 1857 genannt werden. Das Erdbeben fand in Gera Nachm. 
3U. 7 M. 30 S. statt. Angeblich spürte man es an diesem Tage 
ebenfalls in Komorn, 
u 9. Erdbeben zu Komorn. Abends nach 4 Uhr. Richtung 0.—W.; stark 
Juli 12. Nach Mitternacht starke Erdstösse zu Ragusa. Tags darauf unterirdi- 
scher Donner. 
» 27. Erdbeben zu Aachen und Umgegend um 11°/, und 121/, Uhr, wahr- 
scheinlich Mittags. Richtung SO.—NW., 2 Stösse, der letzte am 
stärksten (Heis Nr. 33). 
» 27. Abds. 7 U. 20 M. zu Komorn leichte Erderschütterung. 
Octob.19. Nachm. 1 U. 9 M. leichte wellenförmige Bewegung zu Triest. 
» 20. Einsturz eines parasitischen Kraterkegels auf dem Vesuv; locales 
schwaches Erdbeben daselbst. 
» 22. Schwaches Erdbeben zu S. Franeiseo. Richtung S.—N. 
» 24. Nachts Erdbeben zu Aquila im Königreich Neapel. 
Nov. 3. u. 8. Felsstürze zu Chiavenna und Varenna, möglicherweise mit schwa- 
chen Erdstössen verbunden. 
(?) Zwei starke Erdstösse zu Brieg in der Schweiz. 
22. Nachmittag 31/, U. Erdbeben zu Scherschel in Algerien. 


Dee. 


% 3 BE NE 


6; 


Jän. 


ss 33333 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 135 


. Abds. 8 U. schwacher Erdstoss zu Lissabon und Oporto. 
. Morgens 6 und 8 Uhr schwaches Erdbeben zu Komorn, 
. Starkes Erdbeben zu Hernösand in Schweden. 


. Nachts Erdstoss mit Getöse zu Fiume, 


. Starker Erdstoss zu St. Denis am Sig. 


15. Erdbeben auf Rhodus. 

16. Abends 10 U. das grosse Erdbeben im Königreich Neapel. 

17. Nachm. 3 u. 5 U. (das dritte im Jahre 1857) zu Kwischet im Kaukasus. 

18. Abds. 81/, U. Erdbeben an verschiedenen Orten in Württemberg. 

20. Morg. 51/, U. heftiger Frdstoss zuAgram mit SO.—NW.-Richtung. 

20. Abends 4 U. Erdbeben zu Temesvar. 

22. Desgleichen zu Brussa in Kleinasien. 

24. Wiederholung der Erschütterung in Neapel. Erdbeben zu Rosegg in 
Krain, zu Liezen im Ennsthale um 2 U. und 4 U. Abends; ferner in 
der Nacht zwischen 11 U. und 1 U., ebenso in Spital u. a. 0. Um 
9 U. und 11'/, U. Nachts in Windisch-Garsten. 

25. Früh 5 U. Erdbeben zu Rosegg und Windisch-Garsten. Ferner daselbst 


Nachts 111/, U. Ausserdem Früh noch zu St.Veit, Klagenfurt, Tigring 
und Ossiach. 
. Früh 4 U. zu Windisch-Garsten. 


. Starkes Erdbeben zu Kokbekti in Sibirien. Nach anderen Berichten 


fand es am 24. statt. 


. Morgens Erdbeben zu Zara. 5 U. Früh zu St. Gervais in Savoyen. 
. Wiederholung der Erschütterungen in Krain und Neapel. 
. Früh 1U., 6U. u. Abds. 12 U. zu Kellberg u. Thurnau in Niederbaiern. 


(Wahrscheinlich ist die Notiz falsch und gehört zum 28. Jän. 1858). 
. Wiederholung der Erdbeben zu Neapel, Brussa und Rosegg. 
1858. 


5. Starker Erdstoss zu Tschars im Vinschgau. 

6. Angebliches Aufbrechen des Eises auf dem Karpathensee Meerauge 
(Morsky Oko) und dadurch bewirkte Ueberschwemmung. Bei meinem 
Aufenthalte in Oberungarn (Febr. 1858) wusste Niemand von dem 
Ereignisse, und briefliche Aussagen von kundigen Personen im Zipser 
Comitate haben die Nachricht nicht bestätigt, sondern sie als eine 
reine Erfindung dargestellt. 

6.—14. Erderschütterungen zu Brussa. 

7. Nachts starkes Erdbeben zu Varna. 

8. Früh 4—5U. und Abds. sehr gefährliche Erdstösse zu Rosegg inKrain. 

-9. Früh Wiederholung derselben zu Rosegg. _ = 

12. Mässiges Erdbeben zu Point a Pitre auf Guadeloupe. 

12. 4U. u. 10U. zu Klagenfurt (ob Morgens od.Abends, wird nicht gesagt). 


16 


. Abends 81/, U. Das grosse und gefährliche Erdbeben im obern Wag- 
thale, im Trentschiner und Thuroezer Comitate, mit weiter Verbrei- 
tung über Ungarn, Mähren, Schlesien und Galizien; 12 Wiederho- 
lungen in dieser Nacht im Gebiete von Sillein an der Wag. 

.„ 17., 18., 19. Unter vielen Wiederholungen des Erdbebens zu Sillein 
waren die Erschütterungen am 17. Abends 6U. u. am 19. Früh 9'/, U. 
sehr beträchtlich. 


19. Erneuerung des calabrischen Erdbebens in der Umgegend der zer- 


störten Stadt Potenza. 


\ 


136 J. F. J. Schmidt. 


Jänn. 20., 21., 22., 23., 24., 25. sehr schwache Wiederholungen des Erdbebens 
im Gebiete von Sillein, 

-„» 22. Abends zwischen 6 U. und 7 U. Erdstösse zu Pozeg in Slavonien und 
zu Oriovaes in der Militärgrenze, 

» 26. Schwaches Erdbeben zu Parma und Laibach, nicht gleichzeitig. 

» 27. Starke Erschütterung zu Entlibuch, Luzern und a. a. O. 

» 28. Starke Erschütterungen mit Wiederholungen in Niederbaiern , zu 
Thurnau, Kellberg ete. in der Nähe von Passau. 

Febr. 1. Angeblicher, aber nicht weiter bestätigter Erdstoss zu Hoschtitz bei 
Kremsir in Mähren; schwache Bewegungen zu Sillein. 

n 2. Wiederholung der Erschütterungen in Niederbaiern, sowie, wenn auch 
wenig sicher bestätigt, im Gebiete von Sillein. 

3. Um 8 U. Abends heftiger Erdstoss zu Salonichi. 
5. Starkes Erdbeben zu Sitten, Chaux de Fonds, Locle ete. in der 
Schweiz, angeblich auch in Sillein. 

n„  13., 14., 15. sehr schwache Spuren der Erschütterung im Gebiete von 
Sillein, 

„ 18. und 21. sehr schwache Erschütterungen des Bodens zu Sillein, Bieica, 
Visnyove, Gbellan, welehe ich während meines dortigen Aufenthal- 
tes in Erfahrung brachte, ohne sie direet selbst mit Sicherheit zu 
merken. 

„ 21. Morgens starker Erdstoss zu Gradisca, etwas später sehr schwach zu 
Sillein und Visnyove. Abends 4 U. etwas stärker zu Visnyove. 

» 21. Grosses Erdbeben in Griechenland, mit Verwüstungen zu Korinth und 
Umgegend. Es begann um 11 U.3 M. Vormittags. 

» 22. Früh 3 Uhr starkes 2" dauerndes Erdbeben mit S.—N.-Richtung zu 
Beaupreau und Umgegend (Bretagne). 

„ Ende. Zahlreiche Wiederholungen des Erdbebens in Calabrien. 

März 4.—5. Nachts wellenförmiges Erdbeben zu Pinerolo in Piemont. Ein 
späterer Bericht, falls anders dasselbe Erdbeben gemeint ist, setzt 
es auf den 12. März und.fügt bei, dass Getöse der Bewegung 
voranging. 

» 6. u. 7. Heftige Erdstösse (ohne indess Schaden zu bewirken) zu Lago- 
nero und Umgegend im Königreiche Neapel. 

5 8. Früh 41/, Uhr ziemlich starkes wellenförmiges Erdbeben in der Rich- 
tung 0.—W. zu Algier. 


Ergebnisse der zur nähern Erforschung des Erdbebens unter- 
nommenen Reise nach Oberungarn. 


Als in der letzten Woche des Jänner einige mehr detaillirte Nachrichten 
über die Wirkung, sowie über die öftere Wiederholung des Erdbebens im Ge- 
biete von Sillein anlangten, als zahlreiche Angaben aus verschiedenen Provinzen 
gesammelt waren und meine an die k. k. geologische Reichsanstalt gerichtete 
Aufforderung ein noch viel reicheres Material in Aussicht stellte, fasste ich den 
Entschluss, mich selbst in die Gegenden Ungarns, in die Comitate Trentschin und 
Thuroez zu begeben, wo muthmaasslich das Centrum des Erdbebens zu suchen 
war. Geleitet von früheren Erfahrungen, und durch die Ansicht, dass bei einer 
schreckenerregenden Begebenheit der Mensch am wenigsten disponirt sei, genau 
zu beobachten, hielt ich es für vortheilhaft, an Ort und Stelle die Wirkungen 
des Erdbebens in Augenschein zu nehmen und durch Erfragungen vielfacher Art 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 137 


Alles zur Kunde zu bringen, was noch in der Erinnerung der Bewohner jenes 
Landes anzutreffen sein möchte. Ich war davon unterrichtet, wie Wenige die 
Fähigkeit besitzen, sich über eine gesehene Erscheinung richtig und deutlich aus- 
zudrücken, wie wenige es vermögen, selbst nur die Lage ihres eigenen Hauses 
nach den Himmelsgegenden genau anzugeben, und wie schwierig es sei, bei dem 
Erdbeben die Richtung sowohl der Schall- als der Erschütterungswellen mit eini- 
ger Zuverlässigkeit zu bestimmen. Ich überlegte ferner, dass Manche, die mit 
der besten Absicht über dieses Ereigniss zu schreiben sieh vornehmen, durch 
Zeitungsnachrichten irregeleitet, und, fern von dem wichtigsten Orte der Bege- 
benheit, von dem Centrum der Bewegung, zu Hypothesen veranlasst werden 
könnten, die, wie so viele Andere, wohl dem Namen des Gelehrten zuweilen 
einigen vorübergehenden Ruf verleihen, aber das dunkle Räthsel so grosser Na- 
turgewalten nicht zu erleuchten vermögen, und demnach der Wissenschaft keinen 
reellen Nutzen gewähren. Es schien mir ferner von Interesse, die Seehöhen aller 
zu besuchenden und von dem Erdbeben betroffenen Puncte zu bestimmen, da man 
vermuthen durfte, dass unter Umständen auch diese Ordinate in ähnlicher Art 
eine Rolle spielen möchte, wie die geoteetonische Beschaffenheit der erschütterten 
Räume. Diese und andere Erwägungen waren es, welche mir die Reise nach Un- 
garn wünschenswerth machten, und ich hatte das Glück, sie unter manchen gün- 
stigen Nebenbedingungen ausführen zu können, so sehr auch die ganz ungewöhn- 
liche Strenge des Winters und die Mächtigkeit des Schnee's die Reise erschwerte 
und verschiedene Vorhaben nicht zur Ausführung kommen liess. Auf mein Ersu- 
chen hatte der k. k. Lieutenant Herr Hugo Glös aus Iglo (Zipser Comitat) die 
Gefälligkeit, mich zu begleiten, und ich unterlasse nicht, hesonders hervorzuhe- 
ben, von wie grossem Nutzen mir bei den Nachfragungen über das Erdbeben 
seine Kenntniss der ungarischen und der slavischen Sprache gewesen ist, ohne 
welche ich in fast allen slowakischen Dörfern, die wir besucht haben, zu keiner 
Nachricht gelangt wäre. Der hochwürdige Prälat, Herr E. Ritter v. Unkrechts- 
berg begünstigte meine Unternehmung dadurch, dass er den Hrn. Fürst Erzbischof 
von Olmütz davon in Kenntniss setzte, und dureh die Gewogenheit Seiner fürstl. 
Gnaden erhielt ich in Hochwald und Friedland in Mähren Wohnungen angewie- 
sen, und für die ganze Dauer meiner Reise erzbischöfiches Fuhrwerk und Pferde. 
So ausgerüstet, bestimmte ich die Abreise auf den 13. und die Rückkehr nach 
Olmütz auf den 27. Februar. 

Für die beabsichtigten Höhenmessungen nahm ich den Bourdon’schen 
Metallbarometer Nr. 2 mit, der durch des Herrn Prälaten und meine Unter- 
suchungen genau geprüft war und über den bei anderer Gelegenheit ausführlich 
Bericht erstattet wurde 1). Lieutenant Glös erhielt meinen ältern Aneroid, des- 
sen Correctionen ich im Jahre 1855 in Italien und 1856 und 1857 in Olmütz, so- 
wie in den Sudeten ebenfalls sorgfältig bestimmte. Ausserdem wurden zwei ge- 
naue hunderttheilige Thermometer, ein Winkelinstrument und eine Wasserwage 
mitgenommen. Da ich die erhaltenen Höhenangaben vielfach benutzen werde, so 
wird es gut sein, wenn ich gleich hier die Resultate mittheile. 


Höhenmessungen. 


Zwischen Febr. 13. u. 26. Nachts habe ich die Seehöhe von 110 verschiede- 
nen Puncten bestimmt. Während meiner Reise wurden am Normalbarometer der 
Olmützer Sternwarte täglich 7 bis 8 sehr genaue Beobachtungen angestellt, ebenso 


4) Untersuchungen über die Leistungen der Bourdon'schen Metallbarometer ete., von 
J. F. Jul. Schmidt. Wien und Olmütz. E. Hölzel 1858. 


138 J« Fr de Schmidt, 


am Thermometer, und zwar dureh den Kammerdiener des Herrn Prälaten, der 
durch vieljährige Uebung damit vertraut, mir schon bei anderen Reisen sehr 
‚nützlich gewesen ist. Die Olmützer Lesungen, Barometer- wie Thermometer- 
stände, erstere aber auf 0 redueirt, wurden durch Curven dargestellt, und aus die- 
sen bildete ich für jeden Tag eine von !/, zu Y/, Stunde interpolirte Tafel, deren 
Werthe ich als correspondirende Beobachtungen benutzte. Auf die Behandlung 
der Aneroidlesungen kann ich hier nicht näher eingehen; ich bemerke nur, dass 
das Instrument unterwegs nicht die geringste Aenderung erlitt, und dass ich die 
Orte Stauding, Hochwald, Friedland, Barany, Csaeza, Sillein, Gbellan und Szent 
Marton wegen der grossen Zahl der dort erhaltenen Bestimmungen gewissermaas- 
sen als Normalhöhen ansah, durch deren Werthe ich die Höhen der zwischenlie- 
genden Orte in 3- bis 5fachen Combinationen verbesserte. Auf diese Weise er- 
langte ich eine grosse Sicherheit, und ich nehme keinen Anstand zu glauben, dass 
der mittlere Fehler der in Toisen ausgedrückten Seehöhen + 3 Toisen so leicht 
nicht überschreiten werde. Die Basis aller Messungen ist die von mir neu unter- 
suchte Seehöhe von Olmütz !). Wie immer, so benutzte ich auch jetzt zur Berech- 
nung die vortrefllichen, höchst bequemen Carlini'schen Tafeln ®), wobei es die 


grosse Kälte diessmal mit sich brachte, dass der Ausdruck ge = 120) zu der 


enormen Grösse von — 30 bis — 31 anwachsen konnte. Da kein grösserer Hö- 
henunterschied als etwa 250 Toisen vorkam, die meisten aber zwischen 60 und 
100 Toisen liegen, so habe ich die Correetionen wegen der Feuchtigkeit 
unterlassen. 
Seehöhe in Toisen: 1 Wiener Klafter = 0.97312 Toisen. 
Angenommene Seehöhe der Sternwarte zu Olmütz = 114.7 Toisen. 


Höhen in Mähren, 
T. DBeob. an Tag. 


Oimutz Bahnhof 1r.Nıa PAmah En Re ET 
Brodek n le Sana 0 Pa DR a RE I ee 2 
Prerau en Ba a HR Rah aA Te rn 
Leipnik 5 Sa ar dat a se de 31 a Bl A a 1 
Leipnik, Tunnel . ee ei re u 
Weisskirchen, Bahnhof El a a A ae Ta I Ze 
Pohl A a hc AS ae A 
Zauchtl 4 Ei Kö Me ER A a 5 a 
Stauding ee lans, 
Dorf Kl. Olbersdorf, beim glei Be a pain) 
Freiberg, Marktplatz . . . . . a 
= Lubina-Brücke . . . . A RE = 1! 
Gehöft zwischen Freiberg und Hochwald Ed Er Mh is! a! 
Höchste Strasse zwischen Freiberg und Hochwald ee 
Kleines Thal (Strasse) am westl. Fusse von Hochwald . 162.9 7 Bade 
a 


Sklena Hurka®), Stenbruch . - » . 2.22... 202.7 


1) Ueber die Seehöhe von Olmütz, von J. F. Jul. Schmidt — in Petermann’s geo- 
graphischen Mittheilungen, 1857, Heft XI. 

2) Carlini’'s Tafeln in den Zfemeridi di Milano, 1824 und in der Sammlung von Hilfs- 
tafeln, von Sehumacher, neu herausgegeben und vermehrt von Warnstorff. 
Altona 1841. 

%) Zwei Hügel zwischen Hochwald und Freiberg heissen Sklena Hurka, und zwischen 
beide hindurch zieht die Strasse. Ich habe den nördlichen, kahlen, dreigipfligen Hü- 
gel gemessen. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 


Sklena Hurka, Gipfel über dem Steinbruch 
= - Gipfel gegen Freiberg . 
Gipfel gegen Richaltitz 


Hochwald '), Wohnung neben der Kanzlei zu ebener "Erde 
- Amtsgebäude, I. Stock 
” Brunnen, Capelle u. Bir linchölliche, Wohnung 
r Pavillon auf halber Höhe zwischen Hochwald 


und der Ruine 
” Eingang zur Schlossruine 
5; Wacehthaus in der Ruine . 
- Capelle in der Ruine 
” Pavillon auf der östlichen Mauer ne Be 
5 Fuss des westlichen runden Mauerthurmes 
al der Ondrzenitza, am Hause Nr. 28, nördlich von 
Hochwald . ; 

Oestlicher die grosse Holzbrücke . 
Die nächste hölzerne Brücke, noch nördl. von ee 
Dorf Kozlowitz, Strasse in der Nähe der Kirche 
Steinerne Brücke, südwestlich von Kozlowitz 
Dorf Lhotka, Ortstafel 
Höchste Strasse, westlich von Mettilowitz h 
Daselbst ein Heiligenbild und ein grosser Baum, nördl. 

Fuss des Ondrzenik 
Dorf Mettilowitz, Strasse bei der Or tstafel,. 
Friedland, Kirche . 

= Haus des Bergraths Kleinpeter: 2), 1. Stock 
Anfang der Strasse von Friedland nach Celadna 


Thal 


Celadna, Kirche NEraE? 
“ Wirthshaus“ ana Eos des Sphiehtmeisters 
Kollarezik 
R Försterhaus BE IE EN 
Quelle daselbst, am Fusse des Smrk im 
Celadnathale a 
Brücke des ÖCeladnabaches, am Härdhehsfen Ausläufer 
des Smrk . 


Ostravitza, Kirche - 
Holzbrücke unter dem obern Wirthehause F 
Oberes Wirthshaus zu Ostravitza . 
Die nächst höhere Brücke der Ostravitza bei Mihammen; 
Steinerne Brücke, wo die Rzezika von Osten her einmündet 
Die folgende steinerne Brücke k 
Die letzte steinerne Brücke unter Barany 
Barany, Försterhaus, zur ebenen Erde . . 
= höchster Punet der nach Ungarn gegen Thur- 
sowka ziehenden Strasse 5 


139 
T. Beob. an Tag. 

a a | 
21a a 
DO 2 
181.8 

185.2 

1848 A „2 
212.5 1 a 
2422 6 „8 
PETE | 
2464 4A „ 2 
256.6. 18, „2 
Pay TA En 
164.5..2.. „2 
rl, Wirges | 
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IONURT Or 
ee ee! 
DDR a pl 
223.0 1 
RE | 
A 
ER ELDF 
193.9 

1I.S 2,2 
a 
256.1 3 1 
265.1 1 1 
26b. Ja 17,1 
1998 2 „2 
al ad nn 2 
AD | 
2A 2 2 
231.4,.2, 5,2 
250.5 2. .„ 2 
28222 
Bach, A 
338.3 12 „ 3 
367.2 2 2 


” 


1) Diese Zahlen sind eombinirt aus den vielfachen barometrischen Beobachtungen des 
Herrn Prälaten von Unkrechtsberg 1856, und meinen jetzigen Aneroidlesungen 


vom 13., 14., 25. u. 26. Februar 1858. 


2) Aus vielen Barometerbeobachtungen des Herrn v. Unkrechtsberg 1856, und mei- 


nen Bestimmungen vom 14., 15., 24. u. 25. Februar 1858. 


140 J. F.J. Schmidt, 


Höhen in Ungarn. 


Comitate Trentschin und Thuroecz. 
T. Beob. an Tag. 


Ortstafel an der ungarischen Grenze, östlich bei Barany 363.9 2 „ 2 
Erste Holzstätte), westlich von Thursowka . . . . 258 2 „ 2 
Thursowka, westliches Wirthshaus . . . . . . 246.1 1 | 
Arche FR DR NE DER 
Ölen) REN CV Sunkoprrtarn fc ei ale Me A ee lt 
Staszkow. Ortstatele n  A RIOE E FEREHR 
Rako wa, AWinthsnaus a War ar ERDE ED en 
Csateza, Wirthshaus un A a kei, SEHE 
Horelitza, grosse Brücke des Kiszuezaflusses TE 
Nächste Br ücke ?), nördlich vonKrasno. . . . . . 207.5 1 RR 
 M)melwas südlicher ee A 
Be Brücke und Ortstafel . . B02:3 72 
Brücke zwischen Krasno und Jeskowetz (Mündung ei eines 
Nebenthalesyee® er vum ge BE En 211.6 2 ia 
Jeskowetz, Ortstafel! 2. Ve EEE LEE T ZU 
PoyYinna,Ortsfafel 0 2.2. Bo Va ERST 2 
Tehotas)Burdaun. cc 2. 20 Rene ER O geschätzt. 
Radola . - a KL U-LO;} 1 
KiszuezaUj helys) (Ober Neustadtl) EN ARTEN geschätzt. 
Oskerda . N HTELG in: 
Wagfluss zwischen Budatin und Sillein (Eisfläche) a SO 
Sillein, Herrenhaus am Markt, 1. Stock . . . . 176.750 „T 
= Marktplatz 03 ve TER geschätzt: 
Salzamt, östlich von Sillein . . 13a 
Höchster Punet der Strasse zwischen Sillein und Moiz Luka 183.8 1 2a | 
Moiz Lucka . . il u! a | 
Höchste östliche Ecke des Silleiner anne a Era | | 
Rosinas beider Kirche . .. . 2. 200 2 224926 1 Se | 
Visnyove, Portal derKirce . . ». . 2.2.2... 2285 2 „1 
Schloss von Kary . DaF Fa 
Durchbruch des Rosinanka- Baches s) am südlichen Fusse 
des Lwonce diel . . ER REIT EIRISEDGIEDAT a | 
Banowa, Dorf südlich von Sillein N | 
Ein Wiesengrund weiter südich . .». ». ....4814 1 „1 
Tiuckas Ortsafelaea en ar, RR I RD 
Pornpkar = ee GB Re 
Turo, das westlichste Haus an ler T Balktraske AEG | 
» die grosse Brücke weiter südich . . - . . 201.3 2 „1 
Rajetz Teplitz?), Niveau der heissen Quellen. . . . 2069 2 „ 1 


4) Diesen Punet kann ich nieht näher bezeichnen. Man findet dort eine Tabaktrafik. 

2) u. 3) Auch diese Brücken kann ich nieht speeiell ihrer Lage nach bestimmen, da die 
zugrosse Rauhheit des Wetters jeden Aufenthalt unthunlich machte. 

4) 5) Das Dorf liegt auf der Uferlehne und seine Höhe ward wie die der Stadt K. Ujhely 

bloss durch Schätzung bestimmt. 

6) Es ist der südl. Fuss des kegelförmigen Berges, den man zur Linken behält, wenn 
man, dem Bache aufwärts folgend, im Thale gegen den Mincow emporsteigt. 

7) Diese Punete findet man auf meiner Karte ebenfalls bezeichnet. 


Untersuchungen über das Erdbeben aın 15. Jänner 1858. 141 


T. DBeob. an Tag. 


Rajetz Teplitz, die Trinkquelle ö 209.7 er 
Höchster Weg südlich bei der Kirche von Stranske 246.8 u 
Stranske, tiefste Strasse am Bache . BR 221.1 H 
Morsky oko !), nördlicher Rand 327.6 6 

n Eisfläche . : 321.9 F 
Biöia, Schloss, zur ebenen Erde 2 187.6 » 
Teplitzka, Schloss des Baron Sina, unten 175.2 P 


Gbellan, westlich, Schloss der Gräfin F. Nyari; 1. Stock 186.5 1 


Gbellan, östlicher, Schloss des Grafen A. Nyari, unten 183.3 4 
Nedetz, Brücke an der Südseite der Gartenmauer 184.1 
Varin, Kirche e 178.4 $ 
Wagfluss, Eisdecke zwiselfen Varin und Streäno'. 177.1 
Streeno, Kirche 179.9 a 


Schlossruine, Weg am nördlichen Fusse, nahe der Wag 181.9 


v0 mm 00 1m OS BD DD 
3 6 
mv Wa DD OD DD 


Höchster Punet der Thalstrasse am linken Ufer 203.5 „ 
Wagfluss, östlich daneben 5 183.2 n 
Ruttka, im Thurocz Comitate, Ortstafel 193.0 r 
Precopa, herrschaftliches Haus, Strasse 189.4 „ 
Szent Marton, Strasse bei der Kirche 2) 196.8 10 


Im Folgenden werde ich in aller Kürze den Verlauf unserer Reise, und 


gelegentliche Beobachtungen mittheilen. 


H wird stets die Seehöhe in Toisen, 


T die Temperatur nach Celsius bedeuten. Die Nachrichten über das Erdbeben 

werde ich zwar gelegentlich berühren, sie aber später gesondert behandeln. 
Am Vormittage des 13. Februar fuhren wir auf der Eisenbahn nach 

Stauding, und kamen gegen 5 Uhr nach Hochwald, wo wir noch Zeit fanden, um 


1) Diese Punete findet man auf meiner Karte auch bezeichnet. 
2) Unter diesen Höhen sind einige auch von Herrn Professor Kornhuber aus Press- 


burg schon früher barometrsch bestimmt worden. 


Diese wurden mir von Herrn 


Wagner in Bi&iöa handschriftlich mitgetheilt, uud stehen so, nachdem sie auf die 
Toise redueirt wurden: 
T. Diff: (Schmidt — Kornhuber.) 


Btra800, ul. Be ee 168.1 + 11.8 
Birüntinien 1-1: Berreöe such che aaa (care 155.5 + 14.0 
ET TE a EINEN 183.3 + 2.6 
BORD ee N Ran; 188.5 + 42 
RE;ATEptlm. ER ER area 197.7 + 92 
Rosmarie ee ars ja 186.8 + 5.8 
Bien a a NR a cn 5 . 178.2 + 94 
VARNYOYOEY ee A een e u: 248.2 — 19.7 


Bei Budatin habe ich nur die Höhe der Eisfliche der Wag bestimmt und 
die unteren Häuser des Orts nur etwa 2 Toisen höher geschützt. In Bieica ward die 
Angabe Kornhuber's, die sich auf den 1. Stock bezieht, durch — 2 Tois. auf die 
Hausflur des Schlosses redueirt. Was Visnyove betriflt, so ist kein Zweifel, dass 
beide Beobachtungen sich auf verschiedene Punete des langen Dorfes beziehen. Ich 
maass bei der Kirche, Kornhuber am obern Ende des Dorfes, welches nach mei- 
ner Bestimmung von 250 Toisen nicht viel verschieden sein kann, da ich höher bei 
Lwonce diel 269 Toisen gefunden habe. 

Lässt man also die Differenzen bei Budatin und Visnyove mit Recht ausser 
Acht, weil sich der Ort der Messung nicht genauer nachweisen lässt, so zeigt sich, 
dass meine ‚Bestimmungen im Mittel 7'/, Toisen oder 45 Par. Fuss höher ausgefal- 
len sind; eine Differenz, die nicht zu gross erscheint, wenn man die beiderseitigen 
wahrscheinlichen Fehler erwägt und die grossen Entfernungen von den Orten der 
gleichzeitigen Messungen, Pressburg und Olmütz. Uebrigens wird die constante po- 
sitive Differenz auch auf die nicht definitive Seehöhe einer oder beider der zum 
Grunde gelegten Stationen hindeuten können. 


142 J. F. J. Schmidt. 


einige Höhenpuncte des Schlosses zu bestimmen, und aus mehrfachen Nachfragen 
zu erfahren, dass das Erdbeben hier nur sehr schwach, und namentlich nur in 
‚den tieferliegenden Puneten verspürt worden sei. Am 14. wurden die Barometer- 
messungen bei vorzüglich klarem Himmel und geringen Temperaturen unter Null 
fortgesetzt, worauf wir gegen Abend über Kozlowitz nach Friedland weiter 
fuhren. Das stete Sinken des Angroidzeigers, und aufsteigendes Gewölk machte 
mir aus Furcht vor neuem Schneefall es wünschenswerth, so rasch als möglich 
durch die Beskiden zu kommen, wesshalb ich schon in der Frühe des 15. das 
Ostravitzathal zwischen den Bergen Lissa-hora und Smrk hinauffuhr, bei vorzüg- 
licher Schlittenbahn um 10/, Uhr Barany, und bald darauf mit neuem Vorgespann 
um Mittag den höchsten Pass an der ungarischen Grenze in 367.2 Toisen oder 
2203 Pariser Fuss Seehöhe erreichte. Im leichten Schneegestöber kamen wir 
gegen 1 Uhr nach Thursowka, und gegen 3 Uhr nach Csateza, wo man noch mit 
einigem Schrecken von der Gewalt des Erdbebens sprach. 

Nach dreistündiger Fahrt thalabwärts kamen wir sodann im dichten 
Schneefall gegen 7 Uhr nach Sillen, wo wir in dem von dem Erdbeben übel 
zugerichteten Herrenhause unsere Wohnung bezogen. Am 16. Morgens nahmen 
wir in Begleitung des Herrn Professor Sehütz die Verwüstungen an den Gebäu- 
den der Stadt in Augenschein, und fuhren Nachmittags das Thal des Rosinanka 
hinauf, über Rosina nach Visnyove, um die am 15. Jänner schwer beschä- 
digte, sehr ansehnliche Wallfahrtskirche anzusehen. In Rosina deuteten die 
Aussagen der Slowaken, sowie die schiefe Lage desKreuzes auf dem Kirchthurme 
zuerst auf den hohen Rücken des Neutra-Gebirges, der den Namen Mincow führt, 
als auf den Ursprung des Getöses sowie der Erschütterungen aller Erdstösse seit 
dem 15. Jänner hin. Die recht bestimmten Aussagen des Schullehrers in Vis- 
nyove, und eines dortigen zufällig anwesenden Mannes gaben uns wichtige 
Aufschlüsse über den Beginn und den Verlauf des Ereignisses, an einem Orte, 
der dem Centrum der Bewegung bis auf muthmaasslich 1000 oder 1500 Toisen 
nahe lag. Alle behaupteten einstimmig, das Gebrüll von der Mincow hora her 
vernommen zu haben; sie bezeichneten sogar ein von Visnyove aus gut sichtbares 
Thal als den Ursprung des Erdbebens, und dies ist kein anderes, als der obere 
Verlauf der Rosinanka, welcher wir bis zum Fusse des steilen und kegelförmigen 
Kalkberges Lwonce diel aufwärts folgten. Hier treten die Felsmassen nahe an 
den Bach. Die Mächtigkeit des Schnees hinderte uns, schon in 269 Toisen Höhe, 
weiter vorzudringen. Der Mineow-Gipfel, und die finstern Thalgründe gegen 
Osten verbargen sich geheimnissvoll in dem steten Schneenebel, und in den 
tiefliegenden, von der Abenddämmerung fahl beleuchteten Wolkenmassen. Man 
hatte uns gesagt, dass in dem obern Theile von Visnyove das Erdbeben noch 
stärker gewirkt, und in den kleinen Holzhäusern Oefen umgestürzt habe. Um 
aber von den Bauern dieser Gegend Erkundigungen einzuziehen, hatten wir 
wenigstens heute einen schlechten Tag gewählt. Gewiss vier Fünftheile aller 
Männer die wir trafen waren betrunken, und nur ein nüchterner verständiger 
Mann konnte im obern Theile des Dorfes unsere Fragen ganz befriedigend 
beantworten. Auch die Weiber waren betrunken, und wir bemerkten zu spät, 
dass wir am letzten Faschingstage nach Visnyove gefahren waren. 

Am Morgen des 17. Februar fuhren wir in zwei Schlitten, in Begleitung 
des Stuhlrichters Herrn F. v. Tayenthal und des Herrn Professor Schütz, 
südlich das Thal der Zilinka hinauf. Es erstreckt sich bis zur Faeskowskahora 
im Süden, etwa bisCsiesmann, in beiläufig 36° 11'Länge von F. und 48° 58' Br. 
heisst auch zuweilen das Rajeezer Thal, und den Bach selbst hörte ich irgendwo 
die Rajeczauka nennen. Wir hatten die Absicht, das hiet zu Lande berufene 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 143 


Meerauge, Morsky Oko zu besuchen, von dem mancherlei Fabelhaftes erzählt 
wurde. 

Wir fuhren über die Dörfer Banowa, Lucka, Porupka und Turo nach den 
heissen Quellen von Rajeez Teplitz, oder Rajeezke Tepliezke (östliche Länge von 
F. 36° 21'5 und Breite 49° 8°). Vor Zeiten waren die Wasser besser in Auf- 
nahme; jetzt aber ist das Badhaus im Zustande gänzlicher Vernachlässigung, 
und was der Einfluss von Wind und Wetter noch aufrecht gelassen hatte, war 
durch das Erdbeben sehr beschädigt, so dass im dritten Raume die ohnehin 
längst verfaulte Decke mit Balken und Brettern zum Theil herabgestürzt war, und 
im Wasser lag. Das Niveau des warmen Wassers scheint ein wenig unter dem 
Spiegel des sehr nahen Flusses zu liegen. Der Boden der ziemlich geräumigen 
drei Bäder besteht aus vielfach durchlöcherten Brettern, unter denen das Wasser 
oft mit sehr grossen Gasblasen hervordringt. Lieutenant Glös und ich bestimmten 
die Temperaturen so, dass wir die Thermometer so tief als möglich durch die 
Löcher des überschwemmten Bretterbodens hinabliessen, also nieht die Wärme 
der Oberfläche der Bäder bestimmten. Wir fanden: 

h — 206.6 Toisen = 1241 Pariser Fuss. 

Bad I. = + 33.2° C. = 26.56 R. 

»„ I. = + 32.6° C. = 26.08 R.\33 Tage nach dem Erdbeben. 
„Il. = + 31.20 C. = 24.96 R.) 

Frühere genaue Beobachtungen sind mir nicht bekannt; ich erfuhr nur, 
dass für gewöhnlich das Wasser 27° Wärme hatte, und dass das Erdbeben es 
nicht veränderte. Doch gibt es für diese Aussage keinerlei Gewähr. 

Die benachbarte, unter dem hohen Schnee vergrabene Trinkquelle fand ich 
in 209.7 Toisen oder 1258 Pariser Fuss Seehöhe, ihre Wärme = + T.OC. 
oder + 5.8° R. 

Durch das Dorf Stranske fuhren wir sodann in der bald pfadlosen Tannen- 
waldung aufwärts gegen das Meerauge. In 309 Toisen Höhe gingen die Schlitten 
nicht weiter, nnd wir stiegen das übrige kurze Stück Weges im Schnee empor. 
Die weite Landschaft ist sehr bedeutend und reich an schönen Bergformen; aber 
die ganze Natur schien völlig verödet, denn kein Vogel, überhaupt kein lebendes 
Wesen liess sich hier erblieken. Nur die vereinzelten Spuren der Wölfe und der 
Hasen verriethen, dass selbst im härtesten Winter diese einsame Bergwaldung 
nicht völlig leblos sei. Das Meerauge fanden wir, so weit der Schnee ein Urtheil 
gestattete, seinem Rufe keineswegs angemessen. Es schien mir eine gewöhnliche 
mit Ellerngebüsch besetzte Waldlache zu sein, die sich dort naturgemäss bildet, 
wo vor Zeiten eine unbedeutende Abrutschung des Terrains stattgefunden hatte. 
Der Volksmeinung nach kann das Meerauge im Winter nie zufrieren,. Wir jedoch 
fanden es vollkommen vereist, und so wird es in jedem Winter sein. Es geht 
damit, wie mit den sogenannten unergründlichen Teichen und Seen, und man 
will im Grunde nur sagen, dass man überhaupt gar nicht nachgemessen habe, 
oder, falls dies wirklich geschehen sein sollte, dass das zur Messung benutzte 
Tau nieht ausreichte. Der slowakische Führer beschrieb auf dem Eise den 
Umfang des Ufersaumes, und der Durchmesser dieser Ellipse war nicht grösser 
als etwa 25 Schritte. Gegen Norden ist der mit Buschwald bedeckte Rand steil 
und 5bis6 Toisen hoch über demWasser; er verflacht sich alsdann beiderseitig, 
und südlich ist kein Wall vorhanden. Ich fand: 

Die Seehöhe des Randes —= 327.6 Toisen oder 1966 Pariser Fuss. 

» derEisfläche= 321.9 „ „era 

Das Meerauge liegt am westlichen Abhange des Neutra- Gebirges, östlich 

vom Dorfe Stranske auf einer Lehne an der Biada Hora in ungefähr 36° 29° Leg. 


144 J. F. J. Schmidt. 


und 49° 7' Breite. Die Gegend heisst auch „in der Kunyeraez“, und nach der 
neuen Comitatskarte führt der Hauptgipfel den Namen Krisny hora, auf einer 
‚dritten Karte wieder einen andern Namen. Sonach ist also diese Waldlache nicht 
mit dem berühmten Meerauge im grossen Krivan zu verwechseln, 

Von hier zurückkehrend besuchten wir das Schloss des Herrn Wagner zu 
Bieica (Bitzitza — Bitsits) an der rechten Seite der Zilinka in 36° 25' Länge 
und 49° 12 Breite. Das Schloss ist in beiden Stockwerken, überhaupt aber von 
unten bis oben auf das Aergste und Gefährlichste vom Erdbeben zerrüttet worden, 
worüber das Nähere später mitzutheilen ist. — In der folgenden Nacht erneuerte 
sich nach 4 Uhr Morgens das Erdbeben in sehr geringer kaum merklicher Kraft 
in Sillein und einigen anderen Ortschaften. Herr Lieutenant Glös fühlte die 
Bewegung; ich selbst hürte nur das geringe Krachen und Knistern des am 
15. Jänner zerrissenen Mauerwerkes unserer Wohnung. 

Mit dem 18. Februar, der sich durch einen vollkommen wolkenlosen 
Himmel auszeichnete, begann mit steigendem Barometer die Zunahme der Kälte. 
Am Nachmittage des 19. begaben wir uns nach Teplitzka, Nedetz und Gbellan, 
sahen überall die Wirkung des Erdbebens an den Mauern, und vervollständigten 
die Sammlung der Aussagen über die Richtung des Schalles und der Erschüt- 
terung. Am 20. verliessen wir Gbellan, passirten das Wag-Eis bei Varin, und 
reisten durch das wilde grossartige Thal zwischen dem Nordende des Neutra- 
Gebirges und dem südlichen Abhange des kleinen Krivan nach Szent Marton im 
Thuroezer Comitat. Hier kamen die Nachforschungen wegen des Erdbebens 
zum befriedigenden Abschlusse, und ich konnte ohne Bedenken denPlan aufgeben, 
die Reise entweder bis Znyo Värallya und Nemet Prona, oder Szuzan und Turany 
auszudehen. Auf demselben Wege zurückkehrend, erreichten wir Sillein am 
21. Februar Mittags, als sich hier und in der Nachbarschaft das Erdbeben sehr 
schwach wiederholte; es war der Tag des Erdstosses zu Gradisea und der 
unglücklichen Katastrophe von Korinth. Dort blieben wir noch den folgenden Tag 
und traten am 23. Morgens bei — 20°C. die Rückreise an. Auf Barany ward 
übernachtet; zu Celadna und Hochwald wurden vom 24. bis 26. Februar einige 
noch rückständige Messungen ausgeführt, und in den Frühstunden des 27. Febr. 
kamen wir wieder nach Olmütz, — 


Ueber das Centrum des Erdbebens am 15. Jänner 1858. 


Schon die Zeitungsnachrichten über die Wirkungen der Erschütterung im 
Gebiete des Neutra-Gebirges, in den Umgebungen von Sillein, Gbellan und Szent 
Marton liessen hier das Centrum des Erdbebens vermuthen. Man hatte Kunde 
von Jen Zerstörungen in jenen Ortschaften, von der Gewalt der Bewegung wie 
des unterirdischen Donners, und von den zahlreichen Wiederholungen der 
kleinern meist nur schwer nachweisbaren Vibrationen der Erde, die wochenlang 
die Bewohner beunruhigten. Es war ein Hauptzweck meiner Reise, das Centrum 
der grossen Erschütterung aın Abende des 15. Jänner mit möglichster Genauig- 
keit zu ermitteln, und dies ist leichter als ich erwarten durfte, erreicht worden, 
so dass es jetzt unnöthig erscheint, auf Beobachtungen an entfernten Orten 
Rücksicht zu nehmen. Es ist aber bei der Benutzung der auf die Richtung des 
Erdbebens bezüglichen Phänomene einige Vorsicht unerlässlich, und am meisten 
da, wo man sich lediglich auf die Aussagen wenig unterrichteter Beobachter zu 
verlassen hat. 

Man hat nur zu häufig keine genaue Vorstellung von der Himmelsgegend, 
und redet von Rechts oder Links, statt sich auf die Cardinalpunkte des Horizontes 
zu beziehen; man gibt nur zu oft Himmelsrichtungen nach nahen oder fernen 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15, Jänner 1858, 145 


Ortschaften an, über deren Lage man keineswegs allemal im Klaren ist. Ebenso 
wenig darf man aus der ganz unregelmässigen Zerklüftung des Mauerwerks allein 
auf die Richtung der Bewegung schliessen, und auch den Wahrnehmungen an 
umgefallenen Gegenständen kein allzugrosses Gewicht beilegen, denn man 
darf nicht übersehen, dass die Figur der Basis, sowie das öftere weiter Fortrollen 
eines umgefallenen Körpers sehr die ursprüngliche Richtung des Falles modifiei- 
ren kann. Aus diesem Grunde habe ich, selbst in Sillein und Bici&a, weniger 
Rücksicht auf diese Dinge genommen, sondern mehr auf die folgenden Hergänge 
mein Augenmerk gerichtet: 

1. Auf die herabgestürzten Verzierungen der Oefen, als z. B.: Vasen, 
Phantasiezierden, die oft nur lose aufgesetzt waren, und dort, wo sie niederfielen, 
meist sogleich in Stücke zerfielen; wie dergleichen sehr entscheidende Beispiele 
von mir im Schlosse des Baron Sina zu Teplitzka notirt wurden. 

2. Auf die Lage der am meisten beschädigten Seite eines Gebäudes, die 
im Gebiete von Sillein mit grosser Sieherheit die Gegend erkennen lässt, wo der 
erste und mächtigste Ansturz des Erdbebens wirkte. 

3. Auf die Verschiebung der Tragbalken gegen die übergelagerten Bretter, 
welche dort in so vielen Fällen die Zimmerdecke bilden. Ich ward erst in Szent 
Marton auf dies entscheidende Merkmal aufmerksam, und habe hernach die Beob- 
achtungen in Sillein wiederholt. 

4. Auf die verschobene Gestalt vieler Oefen, und auch auf die Verschiebung 
solcher beweglichen Gegenstände, die nicht umgefallen waren. 

Die andern, auf dem unmittelbaren Eindruck beruhenden Aussagen, die ich 
in den Comitaten Trentschin und Thurocz vernommen habe, sind wegen der 
Energie aller mit dem Erdbeben verbunden gewesenen Hergänge von gutem 
Gewichte. Wenn die Bewegung so mächtig wird, dass man sie blos dem Gefühle 
nach, nämlich nach dem Zollmaasse auszudrücken sich bemüht, wenn man das 
Herannahen und das Schwinden des rollenden Donners, oder wie den 17. Jänner 
Abends, die dumpfen kanonenschussähnlichen oft wiederholten Schläge in aller 
Deutlichkeit vernahm, so konnte die Aussage über die Gegend, woher beides kam, 
keinem erheblichen Zweifel unterliegen. 

Indem ich rings um das vermuthete Centrum der Bewegung zwischen dem 
16. und 21. Februar einen Bogen von mehr als 270 Grad durchreiste, gelangte 
ich mit meinem Begleiter zu der vollständigen Ueberzeugung, dass die Er- 
sehütterung von dem nördlichen Theile des Neutra-Gebirges, und in ihm 
wahrscheinlich von der gegen 700 Toisen hohen sehr mächtigen _Granitmasse 
des Mincow, (Mintschow) oder Min&owka Hora ausgegangen sei. Zu dieser 
Ansicht gelangten wir bereits am 16. Februar während unseres Aufenthaltes in 
Visnyove, und als ich am 19. nach Gbellan kam, und fand, dass man dort alle 
Bewegung aus dem Süden herleitete, hielt ich die Frage zwar für erledigt, 
beschloss aber dennoch, um ganz sicher zu sein, in die Thuroez, und zwar 
auf die Ostseite des gedachten Gebirges zu reisen, um zu erfahren, ob man dort 
uns W-O. oder NW-SO-Richtungen angeben werde. Diese Erwartung ist durch- 
aus erfüllt, und durch spätere briefliche Mittheilungen nur noch mehr bestätigt 


worden. 


Die Erhebungen über die Frage wegen des Centrums der Erschütterung 
lassen sich kurz zusammenfassen, wobei man die Karte nachsehen wolle. 

1. Sillein. Die S.-O. und S.-Seite der Stadt ist am meisten beschädigt 
worden. Die Einwohner entscheiden sich zwar wegen Richtung der Bewegung 
und des Getöses für die S.-N. Richtung, und berufen sich auch wohl auf die 
Orieutirung vermittelst der Boussole. Ich habe diese im Herrenhause, wo 


146 J. F, J, Schmidt. 


viele gutunterriehtete Personen während des Erdbebens ihre Wahrnehmungen 
gemacht hatten, selbst abgelesen, und nach Berichtigung der Deelination der 
Nadel von etwa 13° oder 15° gefunden, dass sie SSO,-NWW. war. Da 
ich aber nicht im Geringsten von dem Zustande dieses Instrumentes unterrichtet 
war, auch die Localablenkungen nicht beurtheilen konnte, so hielt ich es für 
gerathener, in Sillein die Orientirung der Lagen nur nach den Azimuthen der 
Sonne, und Nachts durch die Culmination von Sirius, Proeyon und Saturn zu 
bestimmen, Hiernach und zufolge der Aussage, dass am 17. Jänner Abends 6 Uhr 
das Getöse vom Gebirge hinter Visnyove herkam, (auf welches man hinwies, ohne 
das dort liegende Dorf zu nennen), stellte sich unzweifelhaft heraus, dass die 
Richtung von SO.-NW. gewesen sei, 

2. Salzamt, östlich von Sillein an der Wag. Am 16. Februar ward ein 
slowakischer Knecht befragt, der sich während des Erdbebens im Hofraume 
befand. Er hörte das Getöse von der Kapelle her, und sah diese zuerst sich 
bewegen. Da er ihr bis auf wenige Schritte nahe war, sie also unter einem sehr 
grossen Winkel sah, so lässt sich zwar eine genaue Richtung nicht angeben; 
und man kann nur sagen, dass ausser den Richtungen von SO. oder SSW. her 
keine andere zulässig war. 

3. Rosina. Einige Slowaken, die wir befragten, wiesen geradezu nach 
Visnyove, und nach dem dahinter aufsteigenden Gebirge. Schon vor dem Erd- 
beben war die Kreuzstange des Kirchthurms etwas schief; aber seit dem 
15. Jänner stand sie etwa 20° gegen die Lothlinie geneigt. Ich wartete auf 
unserer Fahrt durch Rosina, bis unser Schlitten in jene Vertiealebene gegen den 
Thurm kam, worin das Kreuz optisch senkrecht erschien. Hieraus und aus 2 
ersten Aussage erhellt, dass die Bewegung von SO. kam. 

4. Visnyove, 16, Februar. Die dem Hochgebirge zugewendete Seite 
der grossen Kirche war von Innen wie Aussen am meisten beschädigt. Das 
Kreuzschiff hatte ein starkes Widerlager gebildet, sonst wäre das Gebäude 
wahrscheinlich eingestürzt. Alle Aussagen führten einstimmig auf den Min&ow, 
von dem durch mehr als zwei Wochen jede Erschütterung und jedes Getöse 
ausgegangen war, Man nannte nicht den nahe im SO. liegenden, oberhalb 
Visnyove aufsteigenden Kegelberg Lwonce diel (nach dem dortigen Gebiete, 
Lwoncowska rola), sondern das Thal rechts, oder südlich daneben, welches, 
von der Rosinanka gebildet, gegen den Mincow hinaufzieht. 

5. Biöi&a, Nicht nur die am meisten zerstörte Seite des Schlosses, die 
Lage herabgefallener Gegenstände u. dgl., gab die bekannte Gegend an, 
sondern die erhaltenen Nachrichten ergaben für Bieica, dass alles Getöse und 
jede Erschütterung von Rosina oder Visnyove herkam, also O-W. bis SSO. nach 
NNW., im Mittel SO.-NW. 

6. Rajeez-Teplitz, 17. Februar. Das Erdbeben war hier schon 
schwächer, und man wusste nur zu sagen, dass Bewegung und Getöse vom 
Gebirge her gekommen sei, auf welches man zeigte. Da hier ausser dem 
Mincow , der Krisny Hora, und den Höhen hinter Kunyerad nicht viel mehr zu 
sehen ist, so zeigt sich die Beobachtung hinlänglich sicher, und die Richtung 
war OW. oder ONO.-WSW. 

7. Kö-Poruba. Ich bin nicht dort gewesen, aber aus den vom Stuhl- 
richter zu Sillein gesammelten Documenten erhellt, dass die Bauern das Gebrülle 
von Stranske herüber hörten. Mit Rücksicht auf die nicht unbedeutende Aus- 
dehnung dieses nordöstlich von Kö-Poruba liegenden Dorfes ergibt sich, dass die 
Richtung NO.-SW. oder ONO.-WSW. gewesen sei. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 147 


8. Gyuresina. Drueckberichte und mündliche Mittheilungen in Sillein 
geben an, dass die Richtung N-S. oder NO-SW. beobachtet wurde. 

9. Teplitzka. Schloss des Baron Sina. Ich war dort am 19. und 
21. Februar. Am letztern Tage befragte ich den Verwalter, und erhielt sehr 
bestimmte Aussagen. Die schr mächtige Detonation kam von der Wag und von 
dem im Süden liegenden Gebirge her. Dies ist nahezu der Min&ow. Alle sehr 
bedeutenden Verwüstungen im Sehlosse, und der Umstand, dass die Südseite 
am Schlimmsten betroffen ward, zeigen einstimmig, dass Bewegung und Getöse 
fast genau von Süden kamen. 

10. Nedetz. Dasselbe Ergebniss nach Mittheilungen in Gbellan. 

11. Gbellan. In beiden Schlössern der gräflichen Familie Nyari, 
welche stark beschädigt sind, deuten alle Anzeichen ohne Ausnahme auf die 
Richtung S-N. 

12. Tierchowa. Man hörte das Gebrülle aus dem kleinen Krivan kom- 
men, und von Stre&no her. Ein Theil des kleinen Krivan verdeckt für die 
Bewohner von Tierchowa gänzlich die Höhen des Neutra-Gebirges. Richtung 
S-N. oder SW.-NO. 

13. Streöno. Am 21. Februar erfuhr ich daselbst, dass das Getöse von 
der südlich und südöstlich über Stre&no sich aufthürmenden Bergwand gekommen 
sei. Diese Wand verdeckt das Hochgebirge, und namentlich den Mincow. 
Richtung nach dem Azimuthe der Sonne SW.-NO. 

14. Preeopa im Thuroez. Am Abende des 15. Jänner befand sich der 
Graf A. Nyari im dortigen herrschaftliehen Hause. Getöse und Bewegung kamen 
vom Neutra-Gebirge, nicht von dem eben so nahen kleinen Krivan her. Richtung 
W-0. oder NW.-SO. 

15. Szent Marton. Am 20. und 21. habe ich zahlreiche Aussagen von 
verschiedenen Personen gesammelt, unter denen die des Herrn Statthalterei- 
Rathes Beznäk, sowie die des Herrn Advocaten Krueg dahin lauten, dass 
beide Phänomene ihren Ausgang vom westlich liegenden Neutra-Gebirge, und 
von dem Min&ow her nahmen. Ein späterer Brief Krueg's fixirt die Richtungen 
hier und in benachbarten Dörfern noeh schärfer auf NW.-SO. 

16. Nezpal. Nach in Szent Marton erhobenen Erkundigungen kam das 
Getöse vom Neutra-Gebirge. Richtung W-O. oder NW.-SO. 

17. Znyo Värallya (Kloster unter der Burg, auch Kloster Kühlorn). 
Nach Mittheilungen in Szent Marton lauten alle Aussagen über die Richtung auf 
N-S. oder NNW-SSO. 

Mit diesen 17 Puneten wird es genug sein, und es scheint mir jede weitere 
Speeulation über diese Sache ganz überflüssig. Abstrahirt man von denjenigen 
localen Erdbeben, deren Centrum erweislich ein thätiger Vulean ist, so dürfte 
man vielleicht finden, dass noch bei keinem Erdbeben das Centrum der Bewegung 
auf der Oberfläche der Erde innerhalb so enger Grenzen bestimmt worden sei. 
Ob es gerade der Mineow war, oder einer der benachbarten Berge, wird 
schwerlich zu entscheiden sein, aber so viel darf man annehmen, ohne auch dann 
noch die Genauigkeit für zu gross zu halten, dass der wahrscheinliche Fehler, 
gerechnet nach aller Richtungen, 1000 bis 2000 Toisen sicher nicht über- 
schreiten werde. Das Centrum nehme ich an in 36° 31' östlicher Länge v. Ferro, 
und 49° 7,8' nördlicher Breite. Es liegt also im nördlichsten Theile des Neutra- 
Gebirges. nr 


Mittheilungen der k. k. geogr Gesellschaft. II, Bd, 2. Heft. | 


148 J F. J. Schmidt, 


Ueber den Character des Erdbebens im Gebiete des Centrums 
der Bewegung, 


1. Begebenheiten vor und nach dem Erdstosse am Abende des 15. Jänner. 


hang sei, so muss man mit Vorsicht auf mancherlei Rücksicht nehmen. Ich werde 
diese Angelegenheit nicht umständlich behandeln, weil mir die nöthigen Mate- 
rialien dazu fehlen, werde aber an Verschiedenes erinnern, worauf etwa 
zumal für künftige Fälle, die Aufmerksamkeit zu richten wäre. Man weiss, wie 
allgemein über die ausserordentliche Trockenheit des Sommers 1857 geklagt 
wurde, wie lange die ungewöhnlich hohen Temperaturen anhielten, und wie 
gross der Wassermangel wurde, der mehr und mehr im Winter zunehmend, 
nicht nur in den österreichischen Ländern, sondern fast überall in Deutschland, 
in der Rheinprovinz, wo der Rhein wasserärmer denn seit Jahrhunderten erschien, 
in Frankreich und Norditalien, den Betrieb zahlloser industrieller Werke beein- 
trächtigte. Der Wassermangel in den Brunnen jener Länder, in den Comitaten 
Thuroez und Trentscehin, so wie in den übrigen vom Erdbeben betroffenen 
Provinzen, hatte also zunächst einen mehr allgemeinen, und der Sommerwirkung 
des Jahres 1857 angehörigen Grund. Ob aber ein so verbreitetes Abnehmen der 
Brunnenwasser, solcher Wassermangel überhaupt, wie er 1857—58 in sehr weiter 
Erstreckung der europäischen Länder vorgekommen ist, eine nicht ausschliesslich 
atmosphärische Ursache habe, sondern vielleicht zum Theile mit dem erregten 
Vuleanismus der Erde zusammenhänge, in Folge dessen die wunderbare, am Ein- 
gange dieser Schrift aufgezählte Häufigkeit der Erdbeben sich ereignete, wage 
ich hier kaum vorübergehend zu berühren. 

Dass aber Gleich nach Jen. Brdbehen des 15. Jänner sich die Brunnen- 
wasser vermehrten, und vielfach trübe waren, selbst, wie in Bieica zwei Monate 
früher, einen fremden schwefelartigen Beigeschmack hatten, ist nach den Aus- 
sagen, die ich in Sillein, und nach anders lautenden, die Herr Jeitteles in 
Schlesien gesammelt, im Allgemeinen nicht zu bezweifeln. Angeblich begann bei 
Sillein ein 7 Klafter tiefer Brunnen nach dem Erdbeben zu vereisen, was sich 
sonst nie ereignet hatte. Man schloss daraus, und wohl mit Recht, dass die 
Erschütterung den gewöhnlichen Zufluss der Wasser unterbrach, dass diese 
sonach ihre natürliche Wärme von etwa 9 oder 10° C. verloren, und bei sehr 
niedrigen Lufttemperaturen, die im Jänner und Februar eintraten, gefroren. 

Es ereigneten sich aber noch gewisse dem Erdbeben vorangehende 
Erscheinungen, über welche ich das Folgende in Erfahrung nee habe. 
In Szent Marton erzählte man mir, dass ein westlich oder nordwestlich an diesem 
Orte wohnender Mann am 14. Jänner, bei einer Fahrt in das Gebirge, (als noch 
kein Schnee lag) grabenartige, gegen den Mineow ziehende Furchen bemerkt 
habe, die früher nicht vorhanden waren. Zur Zeit meiner Anwesenheit in Szent 
Marton war wegen des hohen Schnee’s an eine nähere Untersuchung jener Stelle, 
also am östlichen Abhange des Neutra-Gebirges, nicht zu denken. Sicherer sind 
___ die Aussagen über die Unruhe der Thiere. In Als6 Kubin, namentlich aber in 

—Szent Marton, waren die Hühner, die sich schon seit 4 oder 5 Uhr Abends zur 
Ruhe begeben hatten, eine Stunde vor dem Erdbeben in grösster Unruhe, flogen 
auf und ab, und machten andauernd einen fortwährenden Lärm, wie dies nicht 
nur der Commissär Mayer, sondern auch andere Personen ausdrücklich be- 
stätigten. Auch Hunde waren schon vorher in Unruhe, und ein Hund wollte 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 149 


durchaus das Zimmer nicht mehr betreten, worin ihn das Erdbeben erschreekt 
hatte, In ähnlicher Weise zeigte sich der Schreeken der Katzen. Irgendwo im 
Thuroez verliessen Enten ihre gewohnte Ruhestätte, wie es scheint noch vor 
dem Erdbeben, und gingen in ein Zimmer unter einen Tisch, wo sie verblieben. 
Sehr allgemein, noch weit vom Centrum der Bewegung entfernt, wie z. B. bei 
Hochwald in Mähren, ward die Unruhe der Pferde bemerkt, sei es, dass sie sich 
im Stalle oder im Freien befanden. An den eingeschlossenen Pferden in Bieica, 
Sillein, Gbellan und andern Orten sah man die Angst, nachdem der erste Haupt- 
stoss vorüber war; die Thiere scharrten mit den Hufen, bäumten sich gegen die 
Krippen auf, und wollten lange nicht fressen. Man glaubt beobachtet zu haben, 
dass ein Pferd stets mit dem Kopfe zur Erde gesenkt dastand, und allemal scheu 
nach der Gegend hinblickte, von woher das Getöse und die Bewegung ausging. 
Durch die von Herrn Jeitteles bereits veröffentlichten Notizen ist bekannt 
geworden, dass in einer Apotheke zu Jügerndorf in Schlesien auch die auf- 
bewahrten Blutigel in die grösste Unruhe geriethen, und vielleicht schon vor 
dem Erdbeben, Solche Beobachtungen über die Aufregung der Thiere, nament- 
lich, wenn sie öfter vor der Katastrophe der Erdbeben sich mit Sicherheit 
herausstellen sollte, sind gewiss viel wichtiger als diejenigen, welche man meist 
in zu grosser Umständlichkeit bei Gelegenheit der Sonnenfinsternisse mitzutheilen 
sich gewöhnt hat. In diesem Falle, so scheint es, lernt man höchstens, dass die 
Thiere durch die ungewöhnliche Abnahme des Lichtes getäuscht oder beunruhigt 
wurden, gerade so wie sehr viele Menschen, obgleich diese vorher von der Er- 
scheinung und deren Ursache unterrichtet waren, oder doch unterrichtet sein 
sollten. Im ersteren Falle würde ein sorgsames Studium jenerAnzeichen von 
Unruhe in der Thierwelt zu Resultaten führen können, welehe wenigstens für 
viele derartige Ereignisse, das Leben von Tausenden zu sichern vermöchten 1). 
Alle diese Erscheinungen erfordern eine viel ernstere Berücksichtigung, und 
wahrscheinlich wäre es von erheblichem Interesse, die Vorgänge bei den grossen 
Katastrophen von Lima, Riobamba, Conception, Cumana, Caracas, Lissabon, 
Calabrien ete., jetzt noch einer sehr sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen. 

Dass aber das Erdbeben am 15. Jänner, noch vor dem Hauptstosse sich 
durch Getöse, und vielleicht hier und dort durch langsame Hebungen ankün- 
dete, scheint durch einige hinreichend bestätigte Angaben gewiss zu sein. Leute, 
die im Neutra-Gebirge mit Holzschlagen beschäftigt waren, vernahmen lange vor 


„ten grossen Erdstosse_ein anhaltendes dumpfes Brausen in der Tiefe, doch habe 
1e 


von denen, die es selbst hörten, keine Erkundigungen einziehen können. 
In Biese , südwestlich von Sillein, war Jemand anf dem Eise der Wag mit Fischen 
beschäftigt, ungefähr zwischen 6 und 7 Uhr Abends, als plötzlich das Eis mit 
grossem Krachen sich zu bewegen anfing. Erst um 8 Uhr erfolgte der Erdstoss. 
Auch an einem andern Orte an der Wag soll man Aehnliches vorher bemerkt 
haben. Doch sind Erscheinungen dieser Art nur mit grosserVorsicht aufzunehmen. 


2. Ueber das unterirdische Getöse. 


Es ist unnöthig alle einzelnen Beobachtungen, die ich namentlich in Ungarn 
selbst gesammelt habe, im Speciellen anzuführen. Die Uebereinstimmung der 
genauen Wahrnehmungen ist so gross, dass sich der Character des Schall- 
phänomens so hinstellen lässt: „Alles unterirdische Getöse ging den 
Erschütterungen voran“, und jeder nur einigermaassen fühlbare Erdstoss 


1) Vergl. „Kosmos“ IV. p. 494, Note 26. 


150 J F. J. Schmidt. 


war von unterirdischem Rollen begleitet, das man auch bemerkte, ohne die 
Schwingungen jedesmal deutlich zu fühlen. Nicht leicht erscheint es aber, die 
vielfältigen Aussagen über das Getöse anf ein gewisses Maass zu redueiren, und 
die Intensitäten unter sich vergleichen zu können. Ich abstrahire ganz von jenen 
übertriebenen Angaben über die Detonation, die mit dem Schall von 50 oder gar 
100 Kanonen verglichen wird. Niemand hat dergleichen gehört, und diejenigen, 
welche solche Vergleiche wagen, vergessen wie gewöhnlich, die Entfernung 
anzugeben, aus welcher solche Detonation gehört ward; man trifft in diesem 
Punete dieselbe Unbestimmtheit wie bei der Angabe des Durchmessers von 
Feuermeteoren, die man ohne Bedenken mit der Grösse von Wagenrädern, von 
Kegel oder Geschützkugeln vergleicht, aber nicht dabei erwägt, dass ein der- 
artiger Vergleich nur dann einen Sinn hat, wenn man die Entfernung anzugeben 
vermag, aus welcher ein Rad oder eine Kugel von bekannter Dimension gesehen 
wird. Sicher ward an den meisten Orten das eigentliche unterirdische Rollen 
des Erdbebens bedeutend durch das von dem Bersten der Mauern, von dem Ver- 
schieben und Brechen der Balken herrührende Getöse modifieirt, und ich möchte 
nach Erwägung aller besseren Beobachtungen schliesslich glauben, dass eine 
wirkliche, kanonenschussartige Detonation gar nicht stattgefunden habe, so sehr 
dafür auch die Aussagen besonnener und aufgeklärter Beobachter, namentlich in 
Bieita und Teplitzka zu sprechen scheinen. An beiden Orten bin ich in den ge- 
wölbten, von der Ersehütterung ganz zersprengten Zimmern gewesen, wo man die 
Detonation gehört hatte, die dem rüttelnden Stosse voranging, und kann die 
Meinung nicht aufgeben, dass die plötzliche Sprengung so mächtiger, 3—5 Fuss 
dieker Mauern zunächst den schrecklichen Knall verursachte, der in nächster 
Nähe vernommen, einen Theil des wirklichen Erdbebengetöses überhören liess. 
Sowohl in Sillein, als am Salzamte, in Rosina und Visnyove, Gbellan, Streöno und 
Sz. Marton, überall dem Neutragebirge nahe, hat man mir nicht eine Detonation 
beschrieben, sondern ein mächtiges unterirdisches Rollen, ein sausendes Brau- 
sen, ähnlich dem gewaltigsten, plötzlich heranbrechenden Orkane, und diess Ge- 
töse wurde von denSlowaken ausschliesslich nur durch hucene, nicht durch den 
Ausdruck für den Donner, RRom, bezeichnet. Es war, wie ich aus Allem schlies- 
sen musste, eben derselbe sehr tiefe und furchtbare Ton, den ich während des 
rheinischen Erdbebens am 29, Juli 1846 zu Bonn vernahm, und den ich später 
im Mai 1855 so oft wiederholt bei der damaligen grossen Eruption des Vesuy ge- 
hört habe. Der slavische Ausdruck hucene, sausendes Brausen oder Brüllen, 
unterirdisches Getöse, unterirdischer Donner, entspricht sonach dem ruido sub- 
terraneo, wie solches Herr von Humboldt oft erwähnt, oder dem bramido, 
welches unter andern die Stadt Guanaxuato im Jahre 1784 wochenlang beun- 
ruhigte, Ist, wie ich vielleicht annehmen darf, das Getöse des Erdbebens und 
das der erumpirenden Vulcane als von gleicher Art zu betrachten, so dürfte auch 
der Ausdruck ronguido, wie z. B. ronquidos del Sangey mit der erwähnten Be- 
zeichnung identisch sein !). 

Ich habe schon erwähnt, dass jedem merklichen Erdstosse im Gebiete von 
Sillein das unterirdische Getöse voranging. Indessen war diess nicht gleichför- 
mig, und am Sonntag den 17. Jänner Abends 6U. einigermaassen modifieirt. Nach 
Beseitigung aller durch die Bestürzung eingegebenen Uebertreibungen, was Zahl 
und Dauer betrifft, und durch eine sehr scharfe Fragestellung hat sich Folgendes 
für Sillein, zum Theil auch für Gbellan herausgestellt. Als man zur gedachten 


1) Vergleiche „Kosmos“ IV., pag. 226 und 302. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 151 


Zeit die Häuser verliess und wieder auf den Markt flüchtete, hörte man allgemein 
das dumpfe, donnernde Getöse vom Gebirge her, vielleicht eine Stunde lang; 
wahrscheinlich waren es nur einige Minuten, denn nur zu oft hat sich bei allen 
ähnlichen Gelegenheiten herausgestellt, namentlich auch bei der Dauer der 
Sichtbarkeit der Feuermeteore, dass Seeunden zu Minuten ausgedehnt werden. 
Das Getöse glich dem sehr fernen , schwachen Donner des Gewitters, wenn es 
bei windstiller Luft aus grosser Entfernung gehört wird, in welchem man aber 
die einzelnen, oft wiederkehrenden stärkeren Schläge deutlich vernimmt. Gerade 
so war das Toben im Vesuvkegel am 29. Mai 1855, während früher das unter- 
irdische Getöse vor jeder Eruption kurz abgesetzt, von kurzer Dauer und ohne 
Aenderung der Intensitäten war. Ebenso beobachtete ich am 27. April Abends 
das grosse Getöse während meines Aufenthaltes im Palazzo Vesuviano. Aber 
das Brüllen des Erdbebens am 29. Juli 1846 machte mir (damals zu Bonn) den 
Eindruck, als beginne es schwach von Osten her, nehme rasch an Stärke zu, 
erreiche senkrecht unter mir ein Maximum der Intensität, um gegen Westen zie- 
hend, langsam zu verschwinden; eine von Morgen gegen Abend unterirdisch da- 
hineilende Sehallwelle, deren Intensität nur durch die wechselnde Entfernung 
verändert erschien. _ dcRlEe AR 

n den von dem Centrum gegen 15 geographische Meilen entfernten Ge- 
genden, z. B. in Troppau, ist das Getöse noch ziemlich häufig vernommen wor- 
den, wobei aber daran zu erinnern ist, dass es gewiss oft mit dem von der Be- 
wegung der erschütterten Gegenstände herrührenden Geräusche verwechselt 
ward. Im Freien befindliche Personen in Schlesien verglichen den Ton mit dem 
eines schweren Lasttrains, der rasch auf der Eisenbahn vorüberfährt. Ich werde 
die einzelnen Angaben dem Cataloge aller Erdbeben-Nachrichten später beifügen. 


3. Ueber den Luftton während des Erdbebens. 


An dreien Orten, in Biöi&a, Banowa und Gbellan hat man, mit sorgfältiger 
Unterscheidung gleichzeitiger Ereignisse, einen sehr eigenthümlichen Ton in 
der Luft vernommen, der aber, wie es scheint, nur im Freien gehört werden 
konnte. In Biei&a herrschte am 15. Jänner ein Südwind, der Nachmittags und 
namentlich Abends durch einen sehr seltsamen, wimmernden Laut Aufmerksam- 
keit erregte. Kurz vor jedem der 12 Erdstösse dieser Nacht hörte er auf, und 
man war durch dieses Aufhören stets auf die kommende Erschütterung vorberei- 
tet. Dieser pfeifende und wimmernde Ton in der Luft ward auch am Morgen des 
19. Jänner unmittelbar vor dem damaligen letzten der beträchtlicheren Erdstösse 
im Freien zu Biöiea von Herrn Wagner, im Freien bei Banowa von Herrn Dr. 
Czerny vernommen. Als dieser Laut aufhörte, begann das unterirdische Rollen 
und diesem erst folgte die Bewegung der Erde. In Gbellan ward der Luftton am 
Morgen des 19. Jänner ebenfalls im Freien gehört. Herr Krueg aus Sz. Marton, 
der zu jener Zeit sich in Gbellan aufhielt, verglich den pfeifenden Ton mit dem- 
jenigen, den aufsteigende Rebhühner verursachen. 


4. Von dem Hauptstosse des Erdbebens am Abende des 15. Jänner. 


Um auch hier mich möglichst kurz zu fassen, vereinige ich alle guten und 
bestimmten Aussagen, die ich in der eentralen Region gesammelt habe. Die Ge- 
währsmänner sind für Sillein: Prof. Schütz, der Präfeet Drahotusky, der 
Stuhlrichter von Tayenthal und andere Herren; für Biöica: Herr Wagner; 
für Visnyove der Schullehrer und ein gut unterrichteter Slowak; für Te- 
plitzka der Schlossverwalter; für Gbellan die Bewohner der beiden gräflich 
Nyari’schen Schlösser, sowie einige andere Personen; für Precopa der 


N 


152 J F. J. Schmidt. 


Graf A. Nyari, der den Abend hier zubrachte; für Sz. Marton: Herr Statthal- 
tereirath Beznäk und Herr Advocat Krueg nebst anderen Personen. Der Her- 


gang war folgender, und er bezieht sich vorzugsweise auf Sillein und Bicica, 
_Nach 8 Uhr Abends (wegen der Zeiten vergleiche man weiter unter) vernahm 


man zuerst das Rollen, zweitens (aber nicht allgemein) ein leises Zittern, drittens 
die lebhafte, schaukelnde, wellenförmige Schwankung, und viertens das schreck- _ 
liche, 5—6 Seceunden dauernde horizontale Rütteln, dem kein noch so dickes 
Mauerwerk widerstand und welches alle festen Gebäude mit der äussersten Ge- 
fahr bedrohte. Die sehr scharfe Auffassung eines Silleiner Beobachters gab die 
letzte rüttelnde Bewegung (Nr. 4) folgendermaassen an: 

1. Secunde,, horizontal von S.—N. 


2. 2 % „ N.—8. 
3. 5 5 » SN. 
4. 5 » N.—8. 
3. 5 bogenförmig von unten nach oben, äusserst ge- 


waltsam von 8.—N. 

Dass diese Richtungen von SO.—NW. gingen, ist früher schon erwähnt 
worden. In fast allen vom Centrum fernen Orten bestand die Bewegung nur aus 
einer mehr oder weniger schwachen, schaukelnden oder wellenförmigen Schwin- 
gung, als die mehr und mehr abnehmende, allseitig rings verlaufende, in Ober- 
ungarn zuerst erregte Erschütterungswelle. 

Während man im Gebiete von Sillein die erste, zweite und dritte Phase 
des Erdbebens nicht als bedrohlich auffasste, erfüllte die letzte, die rüttelnde ho- 
rizontale Bewegung alle Bewohner mit der grössten Bestürzung. Denn alsbald 
sprengte alles Gemäuer, jedes Gewölbe und ein grosser Theil der thönernen 
Oefen. Der Anwurf der Zimmerdecken und Wände stürzte herab und erfüllte die 
Räume mit dichtem Staube. Fast überall gingen die Berührungsflächen der 
Mauern auseinander und spalteten mitunter in der Art, dass man aus einem Zim- 
mer die Geräthe des benachbarten durch die Mauerrisse sehen konnte, Rauch- 
fänge, Lichtthürme und Hausgiebel wurden schwer beschädigt, so dass diejeni- 
gen, die nicht gleich einstürzten, bald abgetragen oder doch gestützt werden 
mussten. Wo die Tragbalken nur wenig in die Mauer eingriffen, lösten sie sich 
an einer Seite, so dass die Zimmerdecke einbrach und schräge herabhing; bau- 
fälliges Mauerwerk, Gesimse und freistehende Gegenstände fielen herab oder 
wurden erheblich beschädigt. Auch die Bogengänge des Marktes waren vielfach 
gerissen und man sah unter ihnen selbst im Trottoir Risse, durch welche an eini- 
gen wenigen Stellen selbst die Pflastersteine geborsten waren. Die meisten Pen- 
deluhren blieben stehen, die Tonnengewölbe der Kirchen zu Sillein und Vis- 
nyove wurden mehr oder weniger gefährlich zerrissen, und an einzelnen Stellen 
wurden in den Kirchen Heiligenstatuen und Orgelpfeifen herabgeworfen. Von 
Aussen betrachtet, sah man der Stadt Sillein nieht an, wie schwer sie betroffen 
worden war. Man bemerkte wohl an allen gemauerten Gebäuden die häufigen 
Risse, und sah, wie oft sie durch Balken gestützt waren, aber erst die Besichti- 
gung der inneren Räume zeigte die schreckliche Gewalt des Erdbebens und 
machte die grosse Bestürzung der Einwohner sehr begreiflich. Ich habe mit mei- 
nem Begleiter, Lieutenant Gl6s, etwa zwölf Gebäude besucht und die Zertrüm- 
merung der Mauern genau angesehen. Stellenweise waren die Verwüstungen so 
arg, dass man nur ungern jene Räume betrat und leicht der Ansicht anhängen 
konnte, dass für einen grossen Theil der städtischen Gebäude, wie auch für das 
Schloss zu Bieia und für die Kirche zu Visnyove, eine Verankerung und gewöhn- 
liche Ausbesserung kaum ausführbar sein möchte. Ohne dem besser begründeten 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 153 


Urtheile der Bauverständigen zu nahe treten zu wollen, kann ich die Befürchtung 
nicht unterdrücken, dass viele Gebäude, namentlich das übel zugerichtete bi- 
schöfliehe Waisenhaus ın Sillein, u. a. m., wenn man sie auch hier und dort ver- 
ankert, wenn man neuen Bewurf ansetzt und die zersprengten Gewölbe wieder 
eorrigirt, über kurz oder lang durch geringe Anlässe zusammenfallen werden. 
Dazu kömmt für Sillein noch in Anschlag, dass im Jahre 1848 die Stadt durch 
Feuer zu Grunde ging und die meisten damals von den Flammen angegrilfenen 
Mauern im Neubau wieder benutzt wurden. Ich habe die grossartigen Ruinen 
Hamburgs nach dem unglücklichen Brande vom 5.—8. Mai 1842 gesehen, aber 
so war kein Mauerwerk zerrüttet und zerrissen, wie in Sillein. Die Risse der 
Kirchen und anderen Gebäude in Hamburg waren viel einfacherer Art und oft nur 
durch gestörtes Gleichgewicht entstanden. Mir ist ferner in Erinnerung, dass die 
vor Porta di S. Pancerazio zu Rom von den Franzosen bombardirten Gebäude 
(1849) wohl schlimm zugerichtet waren und zahlreiche Löcher hatten, aber so 
zerrissen waren die.Mauern nicht wie in Sillein und Bidica. Selbst im Falle einer 
ruhig gegen Gemäuer wirkenden Kraft, wie z. B. an denjenigen Häusern in 
Massa di Somma, welche durch den Druck der Vesuvlaven mehr oder weniger 
gelitten hatten, fand ich nur einfache Risse oder flache Ausbauchungen (Krüm- 
mungsflächen), nirgends aber (sofern überhaupt die Häuser stehen blieben) eine 
so durehgreifende Zertrümmerung wie in Sillein, wo mitunter keine Quadratklaf- 
ter unversehrt geblieben ist. Mit Recht behauptet man, dass eine um wenige Se- 
eunden längere Dauer des grossen Erdstosses oder eine starke Wiederholung des- 
selben alle steinernen Gebäude der Stadt in Schutthaufen verwandelt haben würde. 

Ich könnte eine erhebliehe Anzahl interessanter Einzelnheiten über die 
Wirkungen desErdbebens anführen, wenn es mir nicht nützlicher schiene, lieber 
bei anderen Gegenständen länger zu verweilen. Doch will ich noch Einiges über 
den Erfolg des Erdbebens für Sillein beifügen. 

Als der erste Hauptstoss geschehen war, flüchtete Jeder, der irgend 
konnte, auf die Strasse. Alles eilte auf den Marktplatz und versammelte sich um 
die vergoldete, von zweien Lampen beleuchtete Marienstatue. Auf das höchste 
bestürzt, hatte man nur Zeit gehabt, an die Rettung des Lebens zu denken, und 
wenn auch einige beherztere Personen sich schneller fassten und den Muth hat- 
ten, einige Stunden darauf wieder in ihre Wohnungen zurückzukehren, so ist es 
doch eine Thatsache, dass die Weiber und Kinder vieler Familien die drei oder 
vier ersten Nächte in den schutzgewährenden Holzhäusern und Baracken der Stadt 
sich aufhielten, während viele andere Personen es ungeachtet der rauhen Jahres- 
zeit vorzogen, einen Theil der Nacht im Freien zuzubringen. In richtiger Wür- 
digung der Gefahr und in Rücksicht auf die Verwüstungen an Oefen und Feuer- 
herden war von dem Herrn Stuhlrichter sogleich das Auffahren der Feuerspritzen 
verfügt worden. Als man nach einer traurigen und wegen der öfteren Wieder- 
holung des Erdbebens angstvoll verbrachten Nacht den Schaden näher ansah, er- 
kannte man die Unbewohnbarkeit mancher Gebäude, namentlich des ersten 
Stockes, und 30 bis 40 Familien waren genöthigt, umzuziehen; einige Kanzleien 
mussten verlegt und einige Häuser ganz geschlossen werden. Die Kinder des 
Waisenhauses, die sich noch rechtzeitig flüchteten und die der Präfeet Draho- 
tusky noch in der Nacht in der ebenerdigen Realschule untergebracht hatte, 
waren unbeschädigt geblieben, indem sie schnell aus ihren Betten aufgesprungen 
waren, ehe sie von Mörtel und Steinen getroffen werden konnten. 

Der Schaden, den die Stadt Sillein erlitten hat, ist sehr beträchtlich. Ich 
habe darüber Erkundigungen eingezogen, und die Erlaubniss erhalten, die vor- 
läufige Schadentaxation mittheilen zu dürfen. Der Ingenieur Herr Traiczik, 


154 J. Fı J. Schmidt, 


der aus eigenem Antriebe eine gründliche Untersuchung jedes einzelnen Hauses 
unternommen, und als Bauverständiger die Reparaturkosten geschätzt hatte, 
‚gestattete mir die Einsicht in das von ihm über alle 381 Haus-Nummern geführte 
sehr detaillirte Protocoll, in welchem absichtlich die niedrigsten Sätze, also die 
geringsten Preise angenommen wurden. Mehr als die Hälfte der Häuser ist nur 
aus Holz, und einige sind so klein, dass man von der Strasse aus mit der Hand 
das Dach berühren kann; diese sind so wenig beschädigt, dass die mittlere Aus- 
besserungssumme sich nur auf 3 bis 5 Gulden beläuft. Aber wegen der 
steinernen Häuser stellt sich die Gesammtsumme auf 37,200 Gulden, so dass in 
Rücksicht auf die Entwerthung der Häuser, der ganze Schaden 100,000 Gulden 
erreichen kann. In Csaeza traf ich den Ingenieur von der Trentschiner Bau- 
kommission; auch dieser taxirte die Reparaturkosten nahe eben so, nämlich auf 
etwa 40,000 Gulden 1). Erwägt man, dass diese Summe sich auf die Hälfte der 
Bewohner vertheilt, dass aber die Zahl der keineswegs bemittelten Einwohner 
2300. nicht übersteigt, so erscheint das Unglück sehr gross und umsomehr, wenn 

"man die Schieksale mit in Betracht zieht, welche seit dem Jahre 1848 die Stadt 
Sillein dureh Krieg Feuersbrunst, Epidemie, und wenn ich nicht irre, auch durch 
Wassersnoth erlitten hat. 


5. Lieht-Erscheinungen während des Erdbebens. 


Bei allen grösseren Erdbeben ist fast ohne Ausnahme die Rede von Luft- 
und Feuererscheinungen. Hat man auch genügenden Grund, einen Theil dieser 
Beobachtungen als reell anzunehmen, so darf man doch nicht vergessen, dass 
es eine gewisse Anzahl von Erscheinungen gibt, die gleichsam zufolge einer 
Tradition, mit dem Erdbeben stets in Verbindung gesetzt werden. Dazu rechne 
ich Feuermeteore und den unvermeidlichen Schwefelgeruch, welche beide 
so leicht nieht unerwähnt bleiben. Will man aber billig sein, so muss man 
bedenken, dass selbst heute noch sehr viele Phänomene, die wir täglich 
sehen, nur unvollständig erklärt sind, und um so unvollkommener, je mehr 
sie angestrengte Untersuchungen, namentlich eine mathematische Behandlungs- 
weise neben der blos physikalischen Betrachtung erfordern. Als Monticelli 
die grosse Eruption des Vesuy im October 1822 beschrieb, nahm er keinen 
Anstand, bei Gelegenheit einer Aufzählung von Vorzeichen jener Katastrophe 
zu sagen: „von Zeit zu Zeit sah man Nachts ein Feuermeteor“; und doch 
weiss man, und konnte man selbst zu jener Zeit wissen, dass dergleichen 
Boliden zu allen Zeiten gesehen werden, wenngleich erst in neuern Zeiten 
die Periodieität dieser Körper näher ergründet worden ist. Demungeachtet 
können wir aber heutzutage keineswegs wissen, ob alle diese Feuer- 
meteore kosmischen Ursprungs sind, und ob nicht einige darunter ganz dem 
Erdkörper angehören; wir sind selbst nicht einmal über die merkwürdigen 
Ausnahmsformen des Blitzes genügend unterrichtet, so viel auch darüber ge- 
schrieben wurde. In Rücksicht auf diese Ungewissheiten halte ich es nicht für 
gestattet, die mit dem Erdbeben gleichzeitig auftretenden Phänomene mit Still- 
schweigen zu übergehen, und bin lieber derAnsicht, dass man in zukünftiger Zeit 
wenn man diese oder jene unserer Arbeiten gelegentlich wieder zur Hand nimmt, 
sich wohl nach festbegründeten, nach kritisch erörterten Thatsachen umsehen, 
sich aber wenig um unsere Privatansichten, und um die physikalischen Streit- 


%) Diese Zahl fand ich später auch in den Documenten,, welche der Stuhlriehter von 
Sillein, Herr von Tayenthal, der k. k. geologischen Reichsanstalt eingesendet hatte. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 155 


fragen der Vergangenheit bekümmern werde. Schon im Alterthume kannte man 
Erdbeben, die mit grossen Aufregungen der Atmosphäre verbunden waren. Wir 
finden z. B. in der Beschreibung der furchtbaren Zerstörung an Antiochia (zur 
Zeit des Kaisers Trajan, der dabei zugegen war), die merkwürdige Stelle: t) 
„das Erdbeben begann mit vielen Blitzen und ungewöhnlichen Windstössen ; 
Niemand aber erwartete, dass so grosses Unheil auf sie folgen werde“ ete, und 
am Schlusse ferner „auch andere Berge senkten sich; es kam viel Wasser zum 
Vorschein, wo früher keines war, und versiegte da, wo es vorher in grosser 
Fülle floss.“ — Bei Gelegenheit der Erdbeben in unsern Zeiten ist oft von 
feurigen Lufterscheinungen die Rede, und man findet unter Andern solche Zu- 
sammenstellung in Nöggerath's Abhandlung über das rheinische Erdbeben 
von 1846. 

Was ich über die Erscheinungen am Abende und in der Nacht des 
15. Jänner 1858 in Erfahrung gebracht habe, besteht in Folgendem: 

1. Zu Visnyove, dem Centrum am nächsten, begann die Erschütterung 
mit hellem Blitze; man hatte sich dort gemerkt, dass am 21. Jänner die Blitze sich 
wiederholten, wobei ich indessen erinnere, dass gewöhnliche, mit dem damaligen 
Schneesturme verbundene elektrische Entladungen am 20. und 21. Jänner in 
Dresden, Neisse, Olmütz, Krakau und andern Orten vorgekommen sind, die in 
Böhmen bei Dobrechowitz, Rzewnitz und Mukropetz mit einem mächtigen 
Wirbelwinde zusammentrafen. Wie es scheint, hat am 21. Jänner der Blitz 
zu Neisse und Krakau eingeschlagen. Ein ähnliches Wintergewitter zog am 
5. Jänner über Chioggia, und zerstörte einen Theil der Domkirche durch 
den Blitz. 

2. Sillein. Es lässt sich nieht mit Sicherheit ermitteln, ob hier zur Zeit 
des grossen Erdstosses ein Blitz gesehen ward oder nicht. Die Lurt war still, 
überaus finster, und es begann seit 9 Uhr zu schneien. Aber derselbe Beob- 
achter, der mir die Bemerkung über die fünf rüttelnden Schwingungen der 
Haupterschütterung mitgetheilt hat, erzählte, dass um Mitternacht, als abermals 
das Dröhnen der Erde sich stark wiederholte, der schwarze Nachthimmel von 
matten Lichtstreifen wiederholt wie gefurcht erschien, Ungeachtet einer sorg- 
fältigen Nachforschung und der schärfsten Fragestellung habe ich den eigent- 
lichen Character jenes Phänomens nicht ermitteln können, und es lässt sich nur 
vermuthen, dass es weder mit den Sternschnuppen, noch mit dem Blitze irgend 
welche Aehnlichkeit hatte. Der hier sowohl als in Ungarn überhaupt, in 
Oesterreich, Mähren, Schlesien und Galizien vollkommen mit dichten 
Schneewolken bedeekte Himmel konnte also nirgends die Erscheinung eines 
Nordlichtes darbieten, von dem übrigens nicht nur Niemand etwas bemerkt hat, 
sondern welches zudem in den letzten Jahren hier zu Lande fast gar nicht 
gesehen worden ist. In dieser Mitternachtstunde waren auf dem Markte Silleins 
einige hundert Personen unter freiem Himmel; entweder war also die Luft- 
erscheinung nur schwach und vorübergehend, oder die Bestürzung war so gross 
und allgemein, dass zufällig nur Einer das Phänomen am Himmel bemerkte. 

3. Szent Marton im Thuroez. Zur Zeit des grossen Erdstosses sah man 
gegen Norden oder Nordwesten bei ganz finsterm Himmel, etwa über dem 
kleinen Krivan einen rothen Lichtschein, wie von einer Feuersbrunst. (Mitthlgn. 
des Com. Mayer.) 

4. Gbellan und Bicita. Niemand hat hier am 15. eine Lufterscheinung 
bemerkt. 


1) Dio Cassius 68. 25. 


156 J. F. J. Schmidt, 


5. Troppau. Nach L. Jeitteles Bericht ward ein Feuermeteor gesehen. 

6. Navoina in Mähren. Auch hier ward ein Meteor gesehen. 

7. Zu Skrzydina in Galizien sah man um die Zeit des Erdbebens im 
‘Süden einen rothen Feuerschein. 

Am folgenden Abende, 16. Jänner, zeigte sich ein grösseres Feuermeteor, 
welches mehrfach in Sillein, Bi&i&a und noch manchen andern Orten im Tren- 
tschiner Comitate beobachtet ward, 

Am 17. Jänner Abends, ungefähr in der Stunde, als in Sillein und 
Umgegend eine starke Wiederholung des Erdbebens stattfand, sah man zu 
Neutitschein in Mähren Wetterleuchten. 

Am 20. Jänner Abends, grosses Feuermeteor zu Olmütz gesehen, 

Am 21. Jänner Abends, wie schon bemerkt wurde, Blitzen zu Visnyove. 

Damit man aber nicht zu sehr die Meinung begünstige, dass diese Meteore 
(abgesehen vom gewöhnlichen Blitze) mit dem Erdbeben des 15. Jänner zusam- 
menhängen müssen, will ich bei diesem Gegenstande noch verweilen, und 
mittheilen, was ich aus meinem seit Jahren zusammengestellten Cataloge über 
Feuermeteore und Sternschnuppen entnommen habe. 

15. Jänner 1763, grosse Feuerkugel (nach Benzenberg). 


om > 1851, sehr grosse in Senftenberg gesehene Sternschnuppe. 
15. 3 1855, grosse zu Wien beobachtete detonirende Feuerkugel. 
a = 1858, zu Troppau und Navoina, vielleicht zwei Boliden. 


Um eine Uebersicht der Vertheilung der Feuermeteore in verschiedenen 
Monaten zu gewinnen, habe ich aus meinem noch lange nicht vollständigen 
Cataloge folgende Zahlen zusammengestellt. 


Feuermeteore, beobachtet: 
1845 1846 1847 1848 1849 1850 1851 1852 1853 185% 1855 1856 1857 1858 Summe. 


Im September 0 2 0213327153307 27 
„ October 1 RT a A ER AA 
e November, „2 25. 72721726 2172277577023 72027 38 
». December 1:1 1 4 1.4. 1.5 2793 5.3.3 31 
„ Jänner 17 1:,.2, 727407 102 16.72, 74, 95:23) 1,81.102 38:0 240 
„ Februar 07077512 1,0972 20.3.4270, 2 ar 


1/,jährige Summen 7 11 8 11 16 12 15 16 11 20 18 25 27 
Bei näherer Betrachtung dieser Zahlen darf man nicht übersehen, dass das 
zunehmende Interesse für das Studium dieser Erscheinungen seit den letzten 
15 Jahren nicht ohne Einfluss auf jene Bestimmungen geblieben sein kann , und 
dass in dem Maasse, wie sich die Theilnahme an solchen Beobachtungen stei- 
gerte, auch die Zahl der unsicheren Angaben zunehmen musste, denn ich glaube 
zu wissen, dass Anfänger nur zu gerne ganz gewöhnliche helle Sternschnuppen 
zu den Feuerkugeln rechnen. Ich wenigstens kann behaupten, dass ich in 
17 Jahren, seit welcher Zeit ich 10,000 bis 12,000 Sternschnuppen gesehen 
und meistens verzeichnet habe, niemals eine mondgrosse Feuerkugel zu Gesicht 
bekam, dass ich nur einmal solche Bolide von 1/, Grad im scheinbaren Durch- 
messer gewahrte, und bei allen übrigen, oft recht glänzenden derartigen Phäno- 
menen den scheinbaren Durchmesser nicht angebbar fand. Die eben mitgetheilte 
Tafel soll also genähert die halbjährige Häufigkeit der Feuerkugeln ausdrücken, 
und da zeigt sich allerdings wenigstens im Mittel eine ansehnliche Zunahme der 

Häufigkeit, denn man hat: 
von 1845 bis 1851, die mittlere !/,jährige Häufigkeit = 


11.4 
„ A861 „ A8br 2 = > 18.8 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 157 


Betrachtet man die durehschnittliche Häufigkeit der einzelnen Monate, so 
findet man: 


im September = 2.08 aus 13 Jahren 


„October = 3.38 „ 13 „ 
„ November = 2.92 „ 13 „ 
„ December = 2.38 „ 13 „ 
„ Jänner = 3.00 „ 14 „ 
„Februr =1.71 , 14 „ 


Die in der neueren Zeit näher bestimmten Perioden der Sternschnuppen, 
zu Ende October, Mitte November (aber nur dreimal auffallend eingetreten), ge- 
gen den 11. December und zu Anfang des Jänner sind hier keineswegs merklich 
angedeutet, aber wir sind darüber noch lange nicht vollständig unterrichtet, ob 
die gewöhnlichen Sternschnuppen mit den sogenannten Feuerkugeln und Dra- 
chen von derselben Art und desselben Ursprunges sind. Demnach scheint es 
noch nieht an der Zeit zu sein, die Speeulationen über den Zusammenhang die- 
ser Meteore mit dem Erdbeben allzu ernstlich zu verfolgen. Jahre mit namhaften 
und häufigen Erdbeben sind in der letzten Zeit gewesen: 1846, 1852, 1854, 
1855, 1856, 1857 und 1858. 


6. Zustand der Atmosphäre um die Zeit des Erdbebens. 


Fast immer findet man Angaben über den Stand des Barometers und des 
Thermometers aufgezeichnet, wenn von Erdbeben die Rede ist, und die allge- 
meine Ansicht bringt gerne das Erdbeben mit der Witterung in Verbindung. Das 
Erstere würde der Wissenschaft nützen können, wenn es jedesmal in der richtigen 
Weise geschähe, Daran fehlt aber sehr viel, und es ist zweckmässig, bei jeder 
vorkommenden Gelegenheit diejenigen, welche mit dem Gegenstande weniger 
vertraut sind, an das zu erinnern, was wünschenswerth und nützlich sei. Baro- 
meterstände sind nur dann unter einander vergleichbar, wenn man die Meeres- 
höhe der betreffenden Orte kennt und wenn die beobachteten Quecksilberhöhen 
auf eine bestimmte Temperatur redueirt sind. Eine Angabe also, dass ein Baro- 
meter so und so viel während des Erdbebens gezeigt habe, hat keinen Werth, 
wenn man nicht sagt, wie hoch sich das Instrument über dem Meere befand und 
welche Stände das Instrument vorher und nachher angezeigt hatte. Wird ange- 
nommen, dass am Meere das Quecksilbar auf 28 Zoll 2 Lin. par. Maass steht, 
wenn es 0° Temperatur hat, so weiss man, weil 13 Toisen Steigung einer Sen- 
kung des Quecksilbers von einer Linie entsprechen, dass beiläufig in 184, 348, 
518 Toisen über dem Meere der Barometer resp. 27"0”, 260" und 25° 0 

anzeige. 

Hegt man ferner eine Vermuthung über den Zusammenhang des Erdbebens 
mit den Variationen des Barometerstandes, so genügt es nicht, die Höhe des 
Quecksilbers bloss für die Zeit der Erschütterung anzugeben; man muss auch 
den Gang der Veränderungen einige Tage vorher und nachher bestimmen, und 
dann immer noch bedenken, dass solche Variationen in jedem Jahre sehr häufig 
vorkommen, ohne dass irgendwo Erdbeben beobachtet wurden. Dasselbe gilt 
von den Temperaturen. Da für Sillein und die dort benachbarten Ortschaften keine 
meteorologischen Beobachtungen vorliegen, so will ich einiges aus den Olmützer 

Br gebüchem mittheilen. Zwar ist die Entfernung beider Orte gegen 16 Meilen, 
ünd es liegt gewissermassen als Wasserscheide die ganze Masse der westlichen 
Karpathen dazwischen. Diess hindert aber nicht, demungeachtet den ungefähren 
Verlauf der atmosphärischen Veränderungen für diese Gegenden beiläufig darzu- 
legen. Ich betrachte zuerst die Variationen des Luftdruckes, wie sie zu Olmütz 


158 J. F. J. Schmidt. 


von mir an einem Barometer in 117 Toisen Seehöhe beobachtet wurden. Dieser 
Höhe entspricht ein mittlerer Luftdruck von ungefähr 27 Zoll 5 Lin. par. Maass. 
‚ Gehe ich nur bis zum 15. December 1857 zurück und beschränke mich darauf, 
bloss für die Tageszeit zwischen 8 Uhr Morgens und 8 Uhr Abends das Tages- 
mittel (auf 0° reducirt) zu bestimmen, so finde ich die folgenden Zahlen, denen 
ich die Lufttemperaturen nach dem hunderttheiligen Thermometer ungefähr 
2 Uhr Nachmittags beisetze. Alle Zahlen sind nur genähert und sollen mit den 
nebengefügten Bemerkungen nur eine allgemeine Uebersicht über den Verlauf 
der Witterung gewähren. 


1857. 
Dec. 15. Bar. — 27° 9.3” Luft + 1.00(+1°)C. theilweis klar und Nebel. 
216; 27 10.0 — 4.0  trübe, Nebel, Reif, Grosses calabri- 


sches Erdbeben. 


sn 27 11.1 0.0 _ veränderl., Nebel. Grosse Feuerkugel. 

eb MS; 27 11.6 — 3.0  trübe u. Nebel. Feuerkugel. Erdbe- 
ben in Württemberg. 

id! 27 10.0 — 3.0 ebenso, etwas Schnee. 

» 20. 27 8.8 — 4.7 ganz trübe. Erdbeben zu Agram und 
Temesvar. 

sr sale 27 718 — 3.0 ebenso, Schneefall. 

SE 122. 27 69 + 3.2  trübe und Regen. 

28. 27 80 + 6.0 ebenso. 

„24; 27 6.9 + 8.0 ebenso. Erdbeben in Krain. 

„ 25. 27 7.2 + 6.0 Regen u. theilw. heiter. Erdbeben in 
Krain u. a. a. O. 

ab. 27 48 + 5.0 ebenso. Erdbeben in Krain. 

are 27 62 + 2.5 klar und dunstig. 

sru28. 27 8.6 0.0 ebenso, Schnee. Erdbeben in Krain 
und Savoyen. 

ek) 27 11.4 — 1.0 meist heiter, Erdbeben in Krain. 

„ 80, 27 10.9 — 2.1 ganz trübe, Schnee und Regen. 

„ 31 27 10.7 + 5.0 ganz bedeckt. 

1858. 
Jän. 1. 27 10.7 + 1.8  trübe, Nebel und Regen. 

ar 27 97 + 4.0  trübe, 

u 8: 27 10,6 — 2.0 theilweis heiter und Schnee. Nachts 
Sturm. 

Ba A, 28 041 — 9.0 _ heiter. 

PER 27 11.8 — 5.2 sehr heiter. Erdbeben im Vinschgau. 

a 28 0.6 — 1,5 ebenso. 

ss Ale 28 0.7 — 0.5 ebenso, 

SB: 23 0.0 — 2.5 ebenso. Erdbeben in Krain. 

u: 27 11.5 — 3.5  vollk. heiter. Erdbeben in Krain. 

Bl) 27 11.5 — 5.0  trübe. 

il 27 10.7 + 0.6  veränderlich. 

3: MR 27 10.0 — 1.5  trübe. Erdbeben zu Klagenfurt. 

S 27 84 — 1.3 ganz trübe und Schnee. 

„ 14 27 8.0 — 0.4 _ theilweis klar. 

„» 40 27 74 — 1.7  ganztrübe, Schnee. Erdbeben in Ober- 


ungarn, Galizien, Schlesien u. Mäh- 
ren, mit Wiederholungen in Ungarn. 


Untersuchungen über das Erdbeben vom 15. Jänner 1858, 159 


Jän. 16. Bar. = 27° 4.4” Luft+ 2.5°C. trübe und Regen. Wiederholungen in 


y 


m m Zu Be Ze Ei ze Gi 


17. 
18. 
19. 
20. 
21. 


22. 


27 
27 
27 
27 
26 


27 


Ya! 
8.5 
5.1 


vonoo 


Ss... HJ 


Bauko®8osnsutnbodbuunun ano Svando 


“DD 0 I I Sr Er or 0 or 


— 3.8 
— 4.0 


+ 2.8 
+ 5.5 


+ 2.0 
Er) 


— 4.0 
— 3.5 
— 4.0 
— 5.0 
— 44 
— 3.0 


— 49 
— 48 


Ungarn. 

meist klar, Schnee, Wiederh. in Ungarn, 

ebenso. > 

trübe, Regen und Schnee, Wieder- 
holungen in Ungarn. 

trübe und Wind. Nachts Sturm. Abds. 
Feuermeteor zu Olmütz. 

veränderlich, Schneesturm. Blitz. Vom 
20.—25. Wiederhol. in Ungarn. 

veränderlich und Schnee. Erdbeben in 
Slavonien. 

theilw. klar, Schnee) schwache Er- 

meist heiter. ec in Ungarn. 

sehr heiter. 

ebenso. Erdbeb. in Laibach u. Parma. 

desgl. Erdb. ind. Schweiz, Feuerkugel. 

veränderlich, Schnee. Erdbeben in 
Niederbaiern. 

sehr klar, 


trübe, viel Schnee. 

trübe, Schnee. 

veränderlich. Erdbeben sehr schwach 
in Ungarn. 

ebenso, Schnee. 

klar. 

trübe u. Schnee. Erdb. in d. Schweiz. 

veränderlich, Schnee, 

sehr klar. 

wechselnd, Nebel. 

trübe und Schnee. 

sehr heiter. 


ebenso. 
ebenso, 
vollk. klar schwache Wieder- 
sehr klar holungen des Erd- 


trübe und Schnee) beb. inOberungarn 
veränderlich, Schnee 

meist klar 

sehr klar! schw. Erschütterungen in 
ebenso | Ungarn 
veränderlich 

sehr heiter 

ebenso 

ebenso 

ebenso 

ebenso 

ebenso 

vollkommen klar 

trübe, Schnee 


160 J, Fı J. Schmidt, 


März 1.Bar. — 27° 1.6" Luft— 0.60 C. trübe, Schnee 
Fa 27 34 0.0 ebenso 
us 27 3.6 — 2.6 theilweis klar 
ur: 27 31 — 0.8 ebenso 
aba. 26 11.7 — 3.0 klar 
ii: 26 78 — 0,8 veränderlich, Schnee, starkerWind 
u 26 6.8 +31 trübe, Wind lebhaft 
„erg: 26 9.3 lg trübe, Wind sehr stark, Abends 
Feuerkugel zu Münster beob. 
"B 27 06 + 1.0 theilweis klar, Schnee 
10. 27 2.6 er 2.1 veränderlich. 


Ich habe diese Tafel zusammengestellt, damit man ersehe, dass die Erd- 
beben bei den verschiedensten Zuständen der Witterung eintreten, sofern man 
sich nämlich bloss auf die wochenlang wiederholten Erschütterungen des Erd- 
bebens vom 15. Jänner bezieht. Das Einzige, was man hervorheben möchte ist 
der Umstand, das so lange Zeit hindurch ungewöhnlich hohe Barometer- 
stände herrschten, und die Erdbeben in ausserordentlicher Häufigkeit eintraten. 
Es erinnert uns daran, dass auch 1755 und 1855 den grossen bekannten Erd- 
beben ungewöhnliche Zustände der Atmosphäre vorangingen; aber sehr viele 
Erdbeben sind auch ohne solche Vorgänge eingetreten. 

Nicht weniger bemerkenswerth ist die grosse barometrische Schwankung 
zwischen dem 8. December und dem 7. März. In Olmütz ward beobachtet: 

8. December 1857 Morgens: 28° 1.6” Pariser Maass, auf 0° red. 

7. März 1858 ” 26 RE, r 

Unterschied 19.6” oder 1 Zoll 7.6 Linien, 

Diese Aenderung ist zwar höchst beträchtlich, aber es ist nicht zu über- 
sehen, dass solche und ähnliche Differenzen in vielen Jahren vorkommen, in 
welchen sich weder starke noch häufige Erdbeben ereignet haben. Dieselben 
Schlüsse gelten für die Temperaturen, 

Um ungefähr beurtheilen zu lassen, in wiefern die in Olmütz und Sillein 
gleichzeitig angestellten Beobachtungen sich verhalten, dienen diese zwei 
Beispiele: 

18. Februar 1858 ganz wolkenloser Himmel. 


Olmütz. Höhe = 117! Sillein, Höhe = 176t 

Morg. 7.0 U. Bar. 27' 8.5" Luft— 9.6° C. Bar.27' 3.0" Luft — 20.90 C, 
a KEN De L 3.9 „ — 140 
Fa BET Ya. ee b: ar, 
ARE JR Sigma ur 5,5 5 2.978. — Me 
Abd. 70, game 198 en 


19. Februar 1858 völlig heiterer Himmel. 

Morg. 7.0 U. Bar. 27° 8.9° Luft — 22.0°C. Bar. 27" 4.2" Luft — 26.100. 

le 7.1 „ — 14.0 - 47 — 20.6 

Mtg. 1.0 „ 91 SER - 4.1 — 13.5 
Es ist mir nicht bekannt, ob man jemals bei Gelegenheit eines vulcani- 
schen Ereignisses in den meteorologischen Untersuchungen weiter gegangen sei, 
als bis zur einfachen Aufzählung von meist wenig genauen Barometer- und 
Thermometer-Beobachtungen. Diess geschah 1737 von Serao in Neapel wäh- 
rend der damaligen Eruption, später von Pater della Torre, und 1794 von 
Breislak bei! ähnlicher Veranlassung; es geschah ferner um die Zeit des gros- 
sen calabrischen Erdbebens von 1783, und 1822 während der Thätigkeit des 
Vesuy. Auch sonst findet man dergleichen, aber nach einer speciellen und 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15, Jänner 1858, 161 


sorgfältigen Untersuchung der gewonnenen Daten dürfte man sich vergebens 
umsehen. Ich selbst habe mich zur Zeit meines Aufenthaltes in Neapel viel mit 
diesem Gegenstande beschäftigt, und in meinem Berichte über die Eruption des 
Vesuy im Mai 1855 1) nicht nur die damaligen atmosphärischen Zustände auf- 
gezeichnet, sondern auch versucht, was vielleicht für diesen Fall seither noch 
nicht geschehen war, die Variationen der täglichen Minima und Maxima des 
Barometerstandes in aller Schärfe zu prüfen. Arbeiten dieser Art, namentlich 
wenn sie reich an Zahlen sind, und zum Verständnisse ein ernstliches Eingehen 
erfordern, werden zwar wenig oder gar nicht gelesen, und man begnügt sich 
wohl mit der Annahme, dass doch kein auffallendes Resultat gewonnen sei. Auf 
diese Weise wird indessen die Wissenschaft nicht gefördert, und sollte wirklich 
jene Speculation, die ich damals verfolgte, ungegründet sein, so wird sie nicht 
durch Meinungen, sondern nur durch fortgesetzte, mindestens eben so genaue 
Arbeiten erledigt werden können. Das jetzige Erdbeben gab mir eine neue 
Veranlassung, den Gegenstand abermals zu prüfen, obgleich ich voraus sehen 
konnte, dass ich nicht zum Ziele gelangen würde. Wer die in der Unregel- 
mässigkeit der Barometeränderungen begründeten Unterschiede kennt, die 
zwischen den Climaten von Olmütz und Neapel stattfinden, namentlich zur Win- 
terszeit, wird es begreiflich finden, dass in den Erscheinungen, welche die 
Oscillationen der Minima und Maxima des Barometerstandes darbieten, unter 
den Umständen dieses Winters sich nichts Gesetzmässiges ermitteln liess. Im 
Mai 1855 fiel die Eruption des Vesuv auf jene Zeit, als die Verschiebungen der 
Extreme des Barometerstandes (der täglichen Oseillationen) ein Maximum er- 
reicht hatten. Im December, Jänner, Februar des jetzigen Winters waren aber 
diese Oscillationen sehr unregelmässig, häufig ganz verwischt, und konnten 
desshalb zu keinem Resultate führen. Beschränke ich mich hier bloss auf den 
kürzesten Auszug, betrachte ich lediglich das Barometerminimum Nachmittags, 
so hat sich aus der Construction der Curven Folgendes ergeben: 


Barometer-Minimum. 


Nachmittags. 
15. Dee. 1857 5.7 U. 24. Dee. 1857 unbestimmt, 1. Jän. 1858 unbestimmt. 
16. e 2.5 25. 3 = 9. > 2.5 
AR. M 3.0 26. R 5 Br r unbestimmt. 
18. „ unbestimmt. 27. P 2.2 U. 4. a ” 
19. » a 28. Pr unbestimmt. 5. Fr 3.5 
20. e 4.0 29 r u 6. R 3.0 
21. 3 3.0 30 5 Tl. & 3.2 
22. y 2.0 31 5 z 8. 4 4.6 
23. „ unbestimmt, 
Barometer-Minimum. 
Nachmittags. 
9. Jänner 1858 40 U. 15. Jänner unbestimmt, 
10, 2 2.5 102.78 5.5 
12: 3 unbestimmt. IT unbestimmt. 
12. u 18.0, 
13. 4 IS 19. 5 
14 2.5 


Ich übergehe ganz die andern auf das Morgen- und Abend-Maximum be- 
züglichen Resultate, weil sie ebenfalls und noch mehr unvollständig sind, 


1) Erupt. d Vesuv p. 68—88. 


162 J. FR. J. Schmidt, 


Zum Schlusse gebe ich noch den genauen Gang des Quecksilbers am Tage 
des Erdbebens. Die Stände sind aus einer Curve interpolirt, auf Null redueirt, 
‚und gelten für die Seehöhe = 117 Toisen. 


15. Jänner 1858. 
Mittlere Zeit von Olmütz. 


Morg. 10 U. 0 M. = 27° 7.71” Abends 6 U. 0 M. = 27" 6.88” (6.88”) 


a! 0 7.67 il) 6.83 
Mittag 12 0 7.57 ARE SR 6.72 
= 1 0 71.25 „108.028 6.68 (Erdbeben) 
ar 0 7.05 ba DA, 6.61 
= 3 0 7.04 a LEE, 6.49 
A: 0 7.08 el N) 6.35 
nr Mo 0 =27 7.02 Nachts 12 0 = 27 6.23 


An diesem Tage fand also in 14 Stunden ein ziemlich regelmässiges Sinken 
des Quecksilbers von anderthalb Linien statt; eine sehr häufige Erscheinung, dass 
wohl Niemanden einfallen wird, sie mit dem Erdbeben in Verbindung zu bringen. 
Nördlich, östlich und südlich vom Centrum der Erschütterung trat die rasche 
Barometersenkung erst später, zum Theil erst am 16. Jänner ein. 

Auch von dem-Winde, dem Schneefalle während des Erdbebens und von 
der später eingetretenen Kälte ist viel gesprochen worden, Wir können aber 
kurz sein, und darauf hinweisen, dass nicht das Geringste in diesen meteorologi- 
schen Hergängen etwas Ungewöhnliches darbot. In jeder Jahreszeit gibt es 
windstille, wolkige Tage, an denen sich plötzlich und vorübergehend ein Wind 
erhebt, wie es auch am 15. Jänner an manchen Orten zur Zeit des Erdbebens 
oder gleich nachher stattfand. In jedemWinter schneit es mitunter an vielen Orten 
gleichzeitig, oder tritt nach dem kürzesten Tage, wie man seit alten Zeiten 
weiss, zuweilen noch ein letztes Maximum derKälte ein, ohne dass Erdbeben damit 
im Spiele sind. Dass in Sillein die grosse Kälte nach dem 15. Jänner, und die 
lange Dauer derselben bis zur ersten Woche des März besonders auffiel, und 
von weniger unterrichteter Seite her dem Erdbeben zugeschrieben wurde, ist 
dahin zu verstehen, dass die Erschütterung alles Mauerwerk zerrüttet, und die 
Oefen beschädigt hatte, dass man also mehr Holz für die Zimmerheizung als 
gewöhnlich gebrauchte, und umsomehr, als häufig Temperaturen von 20 bis 30°C. 
unter Null eingetreten waren. 

Alle diese meteorologischen Hergänge habe ich aufgezählt, nicht, wie man 
gesehen hat, um deren Zusammenhang aus dem Erdbeben wahrscheinlich zu 
machen, sondern im Gegentheile, um anzudeuten, dass er aus der richtigen Er- 
wägung der Beobachtungen zu derselben Zeit ebenso wenig folge, als aus der 
Betrachtung, dass wohl nie ein Jahr verfloss, in welchem nicht ganz ähnliche 
Zustände der Atmosphäre auch ohne Erdbeben sich ereignet hätten. Ich habe sie 
endlich in dieser Umständlichkeit behandelt (die übrigens keineswegs erschöpfend 
ist) um bei dieser Gelegenheit wiederholt darauf aufmerksam zu machen, dass 
nicht Meinungen und Worte, sondern ausschliesslich die umständlichen Erör- 
terungen der Thatsachen, namentlich der genauen, in Zahlen ausgedrückten Be- 
obachtungen, der Wissenschaft zu nützen vermögen, wenn auch nur, um durch 
rein negative Resultate gewisse Satzungen und Traditionen sicher zu erledigen. 

Wiederholungen des Erdbebens, 

Ohne mich bei den wenigen, schwer zu constatirenden Angaben aufzuhal- 

ten, welche sich ausserhalb der Comitate Trentschin und Thurocz, nämlich in 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15, Jänner 1858. 163 


Mähren auf die Wiederholung des Erdbebens beziehen, beschränke ich mich 
auf die Mittheilung der von mir in Sillein und der dortigen Umgebung selbst ein- 
gezogenen Nachrichten. Auch diese müssen im Einzelnen dargelegt werden, 
denn sie gehören zur Characteristik des Erdbebens, und können für die Zukunft 
von Nutzen werden. Da von genauen Uhrzeiten nirgends die Rede sein konnte, 
so gebe ich nur genäherte Zahlen. 

Die Beobachtungen sind mit Ausnahme von zweien, die in jenen Tagen 
zwischen dem 15. und 20. zu Papier gebracht wurden, alle nach der Erinnerung 
mir mitgetheilt worden; sie liegen alle in der kleinen Centralfläche des Erdbe- 
bens von kaum 6 Quadratmeilen. 

1. Visnyove, dem Centrum des Erdbebens am nächsten. Ein slowakischer 
Beobachter, der sich aber nur im Holzhause aufhielt, und deshalb manche Er- 
schütterung gar nicht merkte, berichtete uns Folgendes (16. Feb.): 

15. Jän. Nach 8 Uhr Abends, der grosse Erdstoss 


Um 10.5 $ schwache Wiederholung 
» 11.75 % - = 
„» 12.25 Nachts, starke ” 
loch Früh schwache Alles Hedeiönsesanit 
Mn 2.75 ;: x 7 Getöse verbunden 
E23 3.25 Er} E77 ’ + 
”„ 4.0 „ ” Er] 
E73 4.25 Er E23 Er 
”„» 5.0 Er Er Er 
5.75 


16. Jän. Es gab Bewegungen, aber keine war besonders aufzufassen; dagegen 
175 Ur Broh. 
17. „ 10.0 Abends Like 
ee 
17. ‚„ Von dem starken Erdstosse um 6 U. Abends ward Nichts erwähnt. 
19. 9.5 Früh eine starke Erschütterung. 
1721. Jän. fortwährende schwache Bewegungen. 
2—7. Febr. desgleichen, aber nicht näher zu ermitteln. 
18—15. ebenso, aber nach anderer Aussage. 
18—21. „ noch schwache Wiederholungen, von denen mir inSillein erzählt 
ward. 
2. Rosina. Die nur in Holzhütten wohnenden Slowaken gaben mir an, 
dass in der Woche nach dem 15. Jan. wenigstens 30 Erdbeben sich ereigneten. 
3. Rajecz-Teplitz. 3 Wiederholungen in der Nacht des 15. Jan. Wei- 
ter ward nichts notirt. Alle Beobachtungen in Holzhütten. 
4. Bieiea. Der Besitzer des so sehr zerrütteten Schlosses, Herr Wagner 
hat mir am 17, Febr. das Folgende nach der Erinnerung mitgetheilt: 
15. Jän. inel. der grossen Bewegung, 12 Erschütterungen in der Nacht. 
16. „  stete schwache Vibrationen der Erde. 
17. „ ebenso, Morgens und Abends starke Erdstösse, 
18. „ es ward nichts bemerkt. 
19. „ der vielfach verspürte starke Stoss Morgens 9 Uhr. 
10. 12. 18. 21. Febr. Erdbeben mehr vermuthet als beobachtet. 
Herr Wagner rechnet, ohne die ganz schwachen Vibrationen mitzuzäh- 
len, 34 merkliche Erdstösse zwischen den 15. und 24. Jänner. 


Mittheilungen der k. k, geogr. Gesellschaft. II. Bd. 2. Heft. m 


164 J. Fı d. Schmidt. 


5. Sillein. Die von dem Herrn Präfeeten Drahotusky am 19. Febr, 
mir mifgetheilten Angaben wurden noch in den Tagen des Erdbebens aufge- 
‚schrieben, Es sind diese: 

15. Jän. Abends 8 U. 15 M. (Thurmuhr) der grosse Erdstoss, 
» 8,30 eine schwache doppelte Wiederholung. 
»„ 12, 0 starke Erschütterung mit orkanartigem Brausen, 
16. „ Morg, 4 Uhr 
= 9 schwache aber deutliche Vibrationen, wie alle übrigen 


BR 5: \ im bischöflichen Waisenhause am Markte beobachtet. 
Abends 2 „ 
17:5 Ss 2 „ schwach. 
» 6 „ sehr heftig mit Getöse. 
18. „ früh 3 „ schwach. 
9% » 2 „ schwach. 
19075 2 9 „ sehr stark. 
20.0, = 4 „ schwach. 
24. „ Abends 10 „ schwach. 


Die übrigen zerstreuten Angaben lassen sich dem Datum nach nieht ord- 
nen. Im Ganzen eoineidiren die spätern Bewegungen mit denen von Visnyove, 
wie z. B. jene 18.—21.Febr,, und wie ich später aus den Documenten von 
Sillein ersah, gleich nach meiner Abreise von Sillein, die vom 23,u, 24, Febr, 

Durch Herrn Prof, Schütz erhielt ich die schriftlichen Notizen des tech- 
nischen Lehrers Herrn Jos. Clemens in Sillein, der seine Beobachtungen unter 
günstigen Umständen anstellen konnte, und sie gleich notirte, 

15. Jän. Abends 8 U, 15 M. der grosse Erdstoss, 
ein schwacher, 


5 9 „ 3 „ein ähnlicher, 

29,77 „.desgleichen. 

»„ 12. 0 „eine bedeutende Erschütterung. 
165 „Früh 9021085 

„3 „20 „} schwache Vibrationen, 

” 9 » 34 » 
17. „ Abends 6 „ 25 „ bedeutender Erdstoss, 

»„ 6, 35 „ein schwacher, 


18.5 > Nichts bemerkt. 
19. „ Früh 9 „ 30 „ eine bedeutende Erschütterung. 

6. Salza mt, Oestlich '/, Stunde von Sillein. — Die Nachfrage am 16, Febr 
führte zu dem folgenden Ergebnisse: 

15. Jän. Abends 8:/, Uhr die grosse Erschütterung. 
» 8% „ eine schwache. 
Eh „ eine mässig starke, 
16. „ früh 3 „ eine schwache, 
17. „ Abends61, „ eine merkliche Erschütterung. 
19. „ DerStoss Früh 9'/, Uhr ward angeblich hier nicht bemerkt, 

7. Teplitzka. Nach Aussage des Schlossverwalters wiederholte sich das 
Erdbeben mehrfach bis zum Montag den 18. Jan. Die Erschütterung in der Frühe 
des 16. Jan. um 3 Uhr war merklich, ebenso die beträchtliche am Abende des 
17. Jän. 

8. Gbellan. In den Gebäuden der gräflichen Familie Nyari merkte man, 
so scheint es, nur 2 Wiederholungen in der ersten Nacht, allein ich erfuhr, dass 
noch andere bis zum Morgen des 19. Jän. verspürt wurden, wenn auch vielleicht 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15, Jänner 1858, 165 


weniger als in Visnyove und Sillein. Nur am 17. kam wenigstens am Vormittage 
keine Bewegung vor. 

9. Stre&no. Nördlich, nahe am Centrum des Erdbebens. Ich erhielt am 
Morgen des 21. Febr. an Ort und Stelle nur slowakische Auskunft, und zwar, dass 
sich nach der grossen Erschütterung am 15. noch 3 andere ereigneten, dass aber 
das Erdbeben selbst in der 2. Woche nach dem 15. Jän. sich noch kaum be- 
ruhigt hatte. Die Leute wohnen auch hier in Holzhütten, in welchen viele 
schwache Vibrationen, ebenso wie in Visnyove, gar nicht verspürt wurden, 

10. Szent Marton in Thuroez. Nach mehrfachen Aussagen erfuhr ich 
am 20. Februar folgendes: 

15. Jänner Abends 8 U, 10 M, der grosse Erdstoss. 
> „ 8, 2%0 „ ein schwacher. 

16. und 17. Jänner ward nichts verspürt. 

18. Jänner Früh 4 U. ein schwacher Stoss. 

Die Erschütterung am 19. Früh scheint also nieht bemerkt worden zu sein, 
eben so auch nicht die starke am 17. Abends 6 Uhr. 

Hiermit ist die Hauptsache über die zahlreichen Wiederholungen des Erd- 
bebens gesagt, und ich habe nur zu bemerken, dass ausserhalb jener Ellipse, 
durch welche ich die Region der grössten Intensität umgränzt habe, die Erneue- 
rung der Vibrationen entweder gar nicht, oder wenig und zweifelhaft gefühlt 
wurde. In Budatin z. B. einige hundert Toisen nördlich von Sillein und jenseits 
der Wag, ward der Stoss vom 17. und der vom Morgen des 19. noch beobach- 
tet, aber aus allen ferner liegenden Ortschaften, nach allen Riehtungen hin ge- 
rechnet, fehlen ähnliche Nachrichten. Im ganzen Thale der Kiszueza, von Buda- 
tin bis Csateza und Thusowka, wo ich nachgefragt habe, konnte Niemand von 
einer Wiederholung des Erdbebens erzählen, und ebenso fehlt jede annehmbare 
Aussage darüber für alle Ortschaften westlich von den kleinen Karpathen; sie 
fehlen für Mähren, Schlesien, Galizien und die östlich und südöstlich vom Min&ow 
liegenden Comitate entweder gänzlich, oder ermangeln der sichern Bestä- 
tigung. 

r han man sämmtliche Angaben, so erhält man folgende Uebersichts- 
tafel, in der ich vorläufig willkürlich den ersten Hauptstoss am 15. Jän. auf 
8 Uhr 15 Min. Abends setze, und darnach auch, so weit es möglich ist, die Zei- 
ten der Wiederholungen au andern Orten corrigire. 

15. Jän. Abends 8 Uhr 15 M. der Hauptstoss des Erdbebens. 
Wiederholungen. 

Der Kürze wegen soll bedeuten: S. = Sillein, V. = Visnyove, R. = 
Rosna, Rj. = Rajeez Teplitz, Sz. = Salzamt, B. — Budatin, T. —= Teplitzka, 
G. = Gbellan, St. = Streeno, M. = Szent Marton, Bz. = Biciea oder Bitzitza. 

15. Jänner Abends 8 U. 30 M. in S. B. M. 

eh PS NEHTEHSI SZ, 


” 9 ” 3 Eu } S. 

bs OSB St; ? 

a: 1 JPReanR: I | DRS REROR AR 

an NEN SV. 

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16. Jänner Früh 2 ,„ 0 „ „VW. 

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r Brain: SV: 82,7: 

r Al a VS: 

= Aloe V, 


166 J. F. J. Schmidt, 


16. Jän. Abends 5U. OM.in V. 


e Un WAb u. 
m EMO RE IS 
” 9 Er} 34 »n S. 
” 11 ” 0 >» S. 
Abendsm 22 2095518: 
172 Jän. A Erin 0 NV 
Abends 2„ 0 „„S. 
a 6 „ 25 „ „ S. Sz. St. B. R. Bz, 
» 625480 4518: 
5 AO 1033 AV. 
184 Jän. Erüh 80, 2702575:S2M. 
e SON N. 
ERARUH, DUSSEORSS EIS. 
5 9 „ 30 „ „S.B.R. V. Bz. G. St. Kisueza Ujhely. 
20. Jän. Früh 4A, 0,„,„S. 
34. Jän. Abends 10 „0 „„S. 


Aus dieser Tafel ersieht man die Häufigkeit und Vertheilung der einzelnen 
besonders notirten merklichen Erdstösse; hierin ist Visnyove und Sillein 
resp. 15 und 20 mal vertreten, während Bieica, wo die Erderschütterungen so 
häufig waren, nur 5 mal erscheint, weil specielle Angaben nicht vorliegen. 
Dabei ist aber wohl zu erwägen, dass alle Beobachtungen zu Visnyove in Holz- 
hütten, die zu Sillein aber in steinernen Gebäuden, zuweilen im ersten Stock an- 
gestellt wurden, wie z. B. die späteren des Präfeeten Drahotusky. Es liegt also 
das Uebergewicht keineswegs bei Sillein, sondern ohne Zweifel bei Visnyove, 
und wären hier, in Stranyan, Streöno und andern dem Centrum nahen Orten 
eifrige und kundige Beobachter gewesen, so würde sich blos aus dem Phänomen 
der Wiederholung die Maximal-Curve ermitteln lassen. So viel steht fest, dass: 

1. Eine elliptische Curve von 6 Quadratmeilen Fläche, die Orte Sillein, 
Gbellan, S. Marton und Porupka einschliesst, innerhalb welcher die grossen 
Wirkungen des Erdbebens sowohl als seine zahlreichen Wiederholungen auf- 
traten. 

2. Dass die Grenze der einen Wirkung durch die der andern bestätigt wird. 

3. Dass auch die Beobachtungen über die Wiederholungen die geneigte 
Lage der grossen Axe jener Ellipse gegen den Meridian von Mincow bestätigen, 
welche ich früher durch die Bestimmung der Grenze der grössten Intensitäten 
gefunden hatte, und welche die Karte I darstellt. 

4. Dass zur Zeit meiner dortigen Anwesenheit, also 31 bis 38 Tage nach 
dem Erdbeben, die schwachenVibrationen des Bodens noch nicht aufgehört hatten. 

5. Dass der grösste Theil der sehr schwachen Erschütterungen in der 
ersten Nacht wegen der allgemeinen Bestürzung nicht beobachtet wurde, und 
dass sich viele von diesen und von den spätern bis zum Ende des Februar, den 
in Holzhäusern wohnenden Personen nieht merklich machen konnten. 


bei der Kirche mit 228 Toisen, erstreckt sich aber zwischen 195 und 255 Toisen. 
Es versteht sich von selbst, dass ich nieht die mittlere Höhe dieses Land- 
striches, der hohe Gebirge trägt, meine, sondern die einer Ebene, auf wel- 
cher sich die gedachten Ortschaften befinden, deren Beschädigungen die aller 
übrigen Orte im hohen Grade übertreffen. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 167 


Ueber das Zeitmoment des Erdbebens am 15. Jänner Abends. 


Ich komme jetzt zu dem schwierigsten Theile der Untersuchung, zu dem- 
jenigen, der ebenfalls ein hervorragendes Interesse gewährt. Jedes Erdbeben 
veranlasst die Wissenschaft zu neuen Fragen, und jedesmal belehrt es uns auch, 
anstatt diese Fragen in befriedigender Weise zu beantworten, von der Unzuläng- 
lichkeit der Beobachtung, von dem Mangel gewisser Kenntnisse, so nahe sie auch 
dem Gebrauche des täglichen Lebens liegen mögen. Es kann nicht zu oft, nicht 
dringend genug wiederholt daran erinnert werden, wie vieles in dieser Richtung 
noch zu den frommen Wünschen gehöre. So lange man aber noch streiten hört 
über die Vortrefflichkeit der Taschenuhren, ohne dass die Streitenden daran 
denken, nach der Gewähr der Zeitbestimmungen zu fragen, so lange man immer 
noch sich im Unklaren befindet, über den Unterschied, der zwischen der bürger- 
lichen mittleren, und der wahren Sonnenzeit, so wie der von einer Station her- 
telegraphirten Ortszeit besteht, ist wenig Hoffnung vorhanden, die Erdbebenstu- 
dien, was Gleichzeitigkeit und Geschwindigkeit der Bewegungen betrifft, wesent- 
lich gefördert zu sehen. Die Zeit, nach der wir im bürgerlichen Leben rechnen, 
ist die mittlere, welche man durch Bereehnung aus den astronomischen Beob- 
achtungen findet. Betrachtet man 2 Orte, die nicht in demselben Meridiane liegen, 
so hat der westliche (in demselben Momente) die kleinere Zeit, und zwar ist sie 
um so viel geringer, als der Längenunterschied beider Orte beträgt. Z. B. 
Es liegt 
Prag in 32° 5' 38.7" östliche Länge von Ferro, 


Olmütz in 34 56 45.0 = er a 
Unterschied:2° 51" 6.3" oder da 360° — 24 Stunden sind, 
> 11 Min. 24.4 Sec. in Zeit, als Längenunterschied. 


Wenn es also in Prag 12 U. 0 M. 0 S. Mittags ist, so zählt man in Olmütz 
bereits 12 U. 11 M. 24.4 S. mittlere Zeit. Wird nun z. B. von Prag aus, nach 
allen Eisenbahnstationen hin, die Zeit telegraphirt, so erhalten dieselben Stationen 
mittlere Prager Zeiten, aber nicht ihre eigenen Ortszeiten. Diesen Unterschied 
muss man also wohl berücksichtigen, wenn man an einer Bahnstation seine Uhr 
richtet, und es angeben, wenn man nach solcher irgend eine Erscheinung beob- 
achtet hat, und wenn man an einen von jener Station entfernten Ort kömmt, 
muss man an den Längenunterschied denken, nicht aber mit dem Uhrmacher 
hadern, wenn dieser behauptet, dass seine Ortszeit die richtige sei. Hat man 
eine Sonnenuhr in der Nähe und ist diese gut eonstruirt, so ist es nützlich, an 
jedem heitern Tage zu beobachten, wenn der Schatten die Mittagslinie deekt; in 
diesem Augenblicke ist es 12 U. 0 M. wahre Sonnenzeit des Ortes, aber nicht 
mittlere Zeit, nach der wir im bürgerlichen Leben rechnen. Beide Zeiten haben im 
Laufe des Jahres verschiedene, im Februar und November beträchtliche, 1/, Stunde 
erreichende Differenzen, welche man die Zeitgleiehung nennt. So ist z. B. 
am 1.Jänner 12 U. 3M.36S. mittlere Zeit gleich 12 U.0M. OS. wahre Zeit. 
„11.Febr. 12 „14,, 31, £ hr 12, (E00 = 
„14.Mai 11,,56,, 54, % a RAN len >: 

u. 8. w. U. 8. w. 

Wer z. B. am Mittage des 15, Jänner 1858 seine Uhr nach einem Sonnen- 
zeiger auf 12 Uhr gerichtet hatte, und nun am Abende im Momente des Erdbe- 
bens 8 Uhr 12 Min. fand, muss noch die Zeitgleiehung, d. i. 91/, Min. hinzufü- 
gen, so dass nun die mittlere Ortszeit 8 Uhr 21/, Min. sein wird. 

Unter der grossen Zahl von Nachrichten und Beobachtungen über das Erd- 
beben finden sich sehr viele Zeitangaben, aber äusserst wenige einigermaassen 


168 JR. J. Schmidt. 


richtige, und wahrscheinlich nur eine einzige sehr genaue, die von Olmütz. Ich 
habe bei dieser Arbeit dieselbe Erfahrung gemacht, wie bei einer früheren, zu 
welcher das Erdbeben des 29. Juli 1846 (im Rheinlande) die Veranlassung bot, 
dass die Uhrzeiten und die Angaben über die Richtung der Erschütterung den 
meisten Zweifeln unterliegen. — 

Um die folgende Discussion möglichst abzukürzen, werde ich den bei wei- 
tem grössten Theil aller Zeitangaben mit Stillschweigen übergehen, da die Be- 
zeichnung nach viertel oder halben Stunden für meinen Zweck ohnehin jedes 
nähere Eingehen unnöthig macht. Ebenso lasse ich bei Seite alle kleinen, von 
Bahnstationen entfernten Ortschaften, in denen, wie die Erfahrung lehrt, an ge- 
naue Zeitbestimmungen nicht zu denken ist. 

Die Reihenfolge der Daten im nächsten Abschnitt ist die der abnehmenden 
Entfernung vom Centrum des Erdbebens. 


Ortszeiten des Erdbebens. 


1. Mähriseh-Trübau, 8 U.20 M. Wegen der Nähe der Eisenbahn 
habe ich diese Angabe vorläufig benutzt, unter der Voraussetzung, dass mögli- 
cherweise ein kundiger Beobachter am Bahnhofe seine Uhr verglichen, und die 
Bahnzeit gehörig redueirt habe. 

2. Brünn. In den von der Statthalterei gesammelten Documenten, so wie 
in den telegraphischen Depeschen ist 8 U. 30 M. nur nach der Stadtuhr ange- 
geben. Aber eine frühere durch die Zeitung bekannt gewordene Beobachtung 
vom Prof. O. lautet auf 8 U. 20 M. Die letztere ist der Wahrheit genähert. 

3. Krakau. Die officiellen mir vorliegenden Berichte geben 8 U. 30 M. 
ohne nähere Begründung, und da auf der Sternwarte das Erdbeben nicht ver- 
spürt ward, so hat jene Zahl keine Gewähr. 

4. Freudenthal, 8U. 25 M., blos nach den Stadtuhren angegeben, 
aber wie sich später ergab, zufällig sehr nahe richtig. In der definitiven Rech- 
nung tritt sie nicht mit auf. 

5. Olmütz. Da ich selbst das Erdbeben nicht verspürte, weil ich zu jener 
Zeit auf der Strasse war, so kann ich nur die folgenden, glücklicherweise sehr 
zuverlässigen Beobachtungen mittheilen. Die erste verdanke ich dem Herrn 
Baron J. Eiehhoff, die andere dem Herrn Professor Carl Heller hierselbst. 
Beide sahen sogleich auf ihre Uhren, und zeigten mir später den Stand des 
Minutenzeigers, wie sie ihn während des Erdbebens gesehen hatten. Zufällig 
hatte Baron Eiehhoff 6 Stunden vorher, nämlich am 15. Jänner, 2 U. 15 M., 
seine Taschenuhr mit der stets astronomisch geprüften Pendeluhr des Prälaten 
Herrn v. Unkreehtsberg verglichen, während ich 19 Stunden nach dem 
Erdbeben, die Uhr des Professors Heller selbst verglich. Durch die von mir am 
Meridiankreise der Sternwarte beobachteten Culminationen der Fundamentalsterne 
konnten alle fraglichen Uhreorreetionen mit Genauigkeit abgeleitet werden, 
Hiernach ergab sich: 

Jänner 15. 8 U. 22.85 M. nach Baron Eiehhoff. 
8 „ 23.13 „ nach Professor €. Heller. 
Mittel = 8 „ 22.92 = 8 U. 22 M. 55 S. wenn der erstern Be- 
obachtung das dreifache Gewicht beigelegt wird. 

Zufolge einer Privatmittheilung hatte der hiesige Telegraphenbeamte 
Wolf im Momente des Erdbebens 8 U. 19 M. telegraphische Wiener Zeit = 
8 U. 23.6 M. Olmützer Zeit beobachtet, wie ich damals gleich in Erfahrung 
brachte. Die sehr viel später eingegangenen officiellen Documente haben diese 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 169 


Zahl nicht, setzen 8 U. 30 M., und scheinen die Zeit der Rathhausuhr mit der 
des Telegraphen zu identifieiren, was zufällig der Fall sein konnte. Aber am 
15. Jänner betrug der Fehler der Stadtuhr gegen 5 Minuten. 

Da die telegraphische Zeit nur die runde Minute angibt, so ertheile ich ihr 
das kleinste Gewicht und setze das wahre Moment des Erdbebens für Olmütz in 
mittlerer Ortszeit = 8 U. 23 M. 0 S. = 8 U. 29 M. 17 S. mittlere Zeit des 
Centrums des Erdbebens, welches um 6M. 17 S. (Zeit) östlicher als Olmütz liegt. 

6. Schlaekau, SU. 20 M. Nach einer durch den Erdstoss zum Still- 
stand gebrachten Pendeluhr, über deren Gleichung nichts gesagt wird, 
(Jeitteles Bericht); eine andere Angabe hat 8 U. 28 M. 

7. Ribnik, SU. 33 M. Der Director der Breslauer Sternwarte Professor 
Galle, meldete mir brieflich, dass nach der Angabe des Marktscheiders Heer 
diese Zeit nach einer auf mittlere Zeit redueirten Uhr bestimmt sei. Die näheren 
Daten fehlen, und es zeigte sich schliesslich, dass ein Irrthum bei jener Zeit- 
bestimmung stattgefunden haben musste. 

8. Troppau. Aus den Zusammenstellungen von Jeitteles in Troppau, 
sowie aus den offieiellen Documenten und den Aussagen des Telegraphenamtes 
erhellt, dass wohl verschiedene Uhrzeiten vorliegen, dass aber vermuthlich 
keine genau der Wahrheit entsprach. Hier wie in verschiedenen andern Fällen 
glaubt man zu bemerken, dass die Beobachter erst einige Zeit nach dem Erd- 
beben an die Uhren dachten, und die Anzahl der inzwischen verflossenen Minuten 
zu schätzen versuchten. Für Troppau finde ich angegeben: 8 U. 28 M. Ortszeit, 
wahrscheinlich nach der Thurmuhr, und 8 U. 20 M. telegraphische Prager Zeit 
= 8 U. 31.4 Olmützer Zeit = 8 U. 33.8 M. Ortszeit, gegen jene um 5 bis 
6 Minuten abweichend. Nehme ich an, dass es Wiener Zeit gewesen sei, so 
hätte man telegraphische Zeit 8 U. 20 M. = 8 U. 23.6 M. Olmützer Zeit = 
8 U. 26.0 M. Troppauer Ortszeit, welche der Wahrheit nahe kommen würde. 

9. Brodek. Die mir sehr frühzeitig mitgetheilte Zahl war 8 U. 10 M. 
telegraphische Prager Zeit = 8 U. 21.4 M. Olmützer Zeit = 8 U. 21.6 M. Bro- 
deker mittlere Zeit. In den officiellen Doeumenten kömmt sie nirgends vor. 

10. Oderberg. Zufolge der Beobachtung des Ingenieurs Kutilek 
erfolgte das Erdbeben um 8 Uhr 10 M. telegraphische Prager, = 8U. 21.4 M. 
Olmützer, =8 U. 25.5 M. Oderberger Ortszeit. 

11. Hullein. Nach einer Privatmittheilung war das Erdbeben um 
8 U. 20 M. Wiener = 8 U. 23.6 M. Olmützer Zeit. Die offieiellen Documente 
haben diese Zahl nicht. 

12. Hruschau bei Mährisch-Ostrau. Am Bahnhofe beobachtete man 
8 U. 10 M. Prager = 8 U. 21.4 M. Olmützer Zeit. 

13. Mähriseh-Ostrau. In den offieiellen Documenten finde ich 8 U. 
8 M. Bahnzeit, und daneben die Bemerkung 8 U. 16 M. Wiener Zeit. Die 
erstere, falls darunter Ortszeit verstanden wird, ist bestimmt falsch; die andere 
sehr genähert; = 8 U. 19.6 M. Olmützer Zeit. Ich finde ausserdem noch die 
Zahl 8 U. 10 M. Prager Zeit = 8 U. 21.4 M, Olmützer Zeit; 1:/, Minuten von 
der vorigen differirend. Nehme ich das Mittel, so erhalte ich für den Bahnhof 
zu Ostrau: 

8 U. 20.5 M. Olmützer Zeit = 8U. 24.5 M. Ortszeit von Ostrau = 8 U. 26.8 M, 
Ortszeit im Meridian des Min&ow, oder des Erdbebencentrums. 

14. Bielitz. Die Zeit 8 U. 30 M. wird als genau angegeben; doch finde 
ich in Jeitteles Bericht 8 U. 28 M. Ortszeit, welche auf wirklicher Beob- 
achtung beruht. Da eben dies auch von der erstern behauptet wird, so setze ich 
das Mittel = 8 U. 29.0 M. 


170 JR. J. Schmidt. 


15. Neutitschein, 8 U. 20 M. Ich führe die Zahl nur an, weil in dieser 
Stadt häufiger Verkehr mit der Bahn stattfindet, und dort Leute leben, die sich 
mit naturwissenschaftlichen Studien beschäftigen. 

16. Mistek, 8 U. 20 M. Nach Angabe des Apothekers Schwab; es 
gilt auch hier die vorige Bemerkung; in der definitiven Rechnung haben beide 
keine Stelle gefunden. 

17. Teschen. Verschiedene gute Berichte aus dieser Stadt liegen vor, 
die ich theils den Notizen von Jeitteles, theils den offieiellen Documenten 
entnehme. Eine Angabe ist 8 U. 40 M. nach der Rathhausuhr, welche nach 
des Professors Plutzer Aussage 11—12 Minuten vorausging. Demzufolge setze 
ich 8 U. 23.5 M. mittlere Zeit von Teschen. 

18. Altsohl in Ungarn, 8 U. 25 M. Diese so wie einige andere Zahlen 
habe ich den-von dem Herrn Ministerialrath Russegger zu Schemnitz gesammel- 
ten und mir vorliegenden Berichten entnommen. Da man sich in jener Gegend 
viel mit ernsten wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, auch der Centralanstalt 
meteorologische Beobachtungen einsendet, welche eine genäherte Kenntniss der 
Zeit voraussetzen lassen, so ist jene Bestimmung nebst den folgenden Angaben 
wohl begründet, wie später der Erfolg bestätigt hat. 

17. Neusohl, 8U.25M. Vergl. die vorige Bem. 

20. Kremmnitz, 8 ,. 25 5 = = 

21. Tajova, 8 „ 20—25 im Mittel 8 U. 22.5 M. 

22. Sliäecs, 8 „ 25 ohne nähere Begründung. 

23. NemetProna,3U. 26M. Zeigt wenigstens, dass man auf dieUhr ge- 
sehen habe, obgleich für die Genauigkeit sich kein Urtheil gewinnen lässt. 

24. Sillein. Hier gab es keine zuverlässigen Zeitbestimmungen, und wie 
es mit den von mir daselbst gesammelten Notizen aussieht, erhellt aus dem 


Folgenden: 
8sU. 2M. in Sillein, stehengebl. Pendeluhr im Hause des Stuhlrichters. 
82.1025 > verschiedene Angaben. 
Se 5 Thurmuhr. 
32.18. 5 eine andere Pendeluhr. 


8,30 „ Salzamt, östlich von Sillein, 

8,52 „ Biöiea, stehengebliebene Pendeluhr des Herrn Wagner. 
Mittel= 8U.21.2M. Zufällig sehr nahe mit derWahrheit übereinstimmend; doch 
hat diese Zahl auf meine definitive Rechnung wie viele andere, gar keinen Ein- 
fluss erhalten. 

25. Szent Marton im Thuroez. Der dortige Werbecommandant theilte 
mir mit, dass nach seiner Taschenuhr das Erdbeben um 8 U. 21 M. eingetreten 
sei. Diese Uhr pflegte er oft mit dem Sonnenzeiger an der Kirche zu Szent 
Marton zu vergleichen. Wann vor und nach dem 15. Jänner diess geschehen sei, 
und welchen Gang seine Uhr hatte, liess sich zur Zeit meiner dortigen Anwesen- 
heit nicht mehr ermitteln. Er hatte also die Uhr stets nach der wahren Sonnen- 
zeit gerichtet, so dass seine Beobachtung wegen der Zeitgleichung eorrigirt 
8 U. 30.8 M. nach mittlerer Zeit laufen müsste. Sie ist zuverlässig sehr viel, 
und zwar 10 Minuten zu gross. Ueberdiess kann Niemand sagen, in welchem 
Zustande sich der Sonnenzeiger befindet. Die Kirche ist alt und wird schon im 
Jahre 1240 erwähnt; auch die Sonnenuhr ist alt, und vielfach renovirt worden. 
Eine zum Stillstand gebrachte Pendeluhr zeigte 8 U. 3M. Diese 25 Angaben 
also sind es, die ich einer speciellen Untersuchung werth hielt. Wie viele aber 
davon wirklich brauchbar sind, wird man aus dem Folgenden ersehen. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 171 


Ueber die Geschwindigkeit des Erdbebens. 


Die folgende Untersuchung gründet sich auf die Centralbewegung des 
Erdbebens, und auf die Annahme einer gleichförmigen Geschwindigkeit. Sie ist 
nach denselben Grundsätzen durchgeführt worden, wie meine das Erdbeben 
von 1846 betreflende Rechnung, die man als Zusatz in der schönen Monographie 
Nöggerath’s über das rheinische Erdbeben vom 29. Juli 1846 findet. Diese 
obgleich die einzige zuverlässige und auf kritischer Basis beruhend, blieb lange 
vergessen, oder vielmehr unbekannt, bis sie neuerdings Herr von Humboldt im 
4. Bande des Kosmos wieder in Erinnerung gebracht hat. Nachdem ich auf 
meiner Reise das Centrum des Erdbebens vom 15. Jänner 1858 in der Gegend 
der Min&ow Hora ermittelt hatte, nachdem also die Erschütterung als eine 
centralwirkende erwiesen war, ähnlich wie jene, welche vor 11 Jahren Nög- 
gerath genauer untersucht hatte, hing die Bestimmung der Geschwindigkeit 
nur noch ab von der Genauigkeit der in verschiedenen Orten gemachten Beob- 
achtungen über das Moment des Erdbebens. Die darauf bezügliche Discussion 
ist eben mitgetheilt worden. Es bleibt noch übrig, die Längenunterschiede aller 
betreffenden Orte gegen den Meridian des Minöow, sowie die Entfernungen aus 
den Karten zu entnehmen. Da genaue Generalstabskarten von Ungarn mir nicht 
vorlagen, so benutzte ich drei andere Karten, und nahm dann das Mittel aus den 
gefundenenWerthen. Alle Meilen sind geographische, deren 15 einemGrade des 
Erdäquators gleichkommen; 1 geogr. Meile = 3807.09 Toisen, Um mit mög- 
liehster Kürze zu verfahren, gebe ich in der folgenden Tafel: 
1. Die Ortsnamen, gereiht nach der Entfernung vom Centrum. 
2. Die auf den Meridian des Min&ow bereits redueirten Zeiten 
des in den einzelnen Ortschaften beobachteten Erdbebens = t. 

3. Die Entfernungen dieser Orte vom Min&ow in geogr. Meilen = E. 

4. Das berechnete Moment für das Centrum, unter der Annahme, dass die 
Geschwindigkeit etwa 1°/, Meilen in 1 Minute betragen habe = T. 

Hierin habe ich indessen auch alle jene Beobachtungen mit aufgenommen, 
welche sich als nieht brauchbar erwiesen, die also unter den vorherigen 25 
näher besprochenen Nummern nicht vorkommen. 


t E T 


Tarnow = 8U. 26.1 M. = 26.2 Meil. = 8 U. 11.4M. 
= 31.1, = 262 „ 16,4 „ 

M. Trübau = 28.83. = 232 „ 16.1, 
Brünn 38.8, = 2141 ., 2.1.0: ,; 
ea 288... = 21.1, „ 17.05, 
Krakau 25.6. ;,—= 18.1, 15.4 
Freudenthal 30.5, = 184 „ 20.2 „ 
Olmütz 29.3 „. = 16.0 „ Alan. 
Schlackau 24,1:5 =;,16,0 ;, 15.1, „ 
Ribnik 384.2 .. — ds. -, 25.4, 
Liebau 33.8". = 1A 5 26.6.5, 
Troppau 81.1, = 154 „ 29.055 
n 344, = 154 „ hE, 
Brodek ZI sa. 15.2, 5 19.2 „ 
Oderberg Bit 513.8. 21.1, 
Hullein ENTER IE ER 22.6,,, 
Leipnik 35.0 „ = 13.0 27:7. 5 


Fulnek ya 557 ai 68, 


172 J. F. J. Schmidt. 


Hruschau 27.7M. = 12.3 Meil. 20.8 M. 
M. Ostrau 25.9 „ = 12.0 „ 19:2,,, 
Bielitz 21.002,—10.6 al... 
Neutitschein 2854. = 105, 10.0, 
Freiberg dA 199 5 a 
Mistek 21,„= 97 „ 16.7 „ 
Teschen 20... =.9.6',, 218 „ 
“ 2AD ..— 19.015 19,905 
Weisskirchen 42, = 94 „ 39.0 „ 
Schemmnitz AS —. Ill, 19.8 „ 
Roznau 19:0... 80 , 14.3 „ 
Altsohl 242 „ — 82 m 1970, 
Wsetin 33-1. 24 W803 5 28:1, 5 
Neusohl 2385, —= 66 „ 20.1 „ 
Arva Värallya 35 .= 68 „ 30.0 „ 
Kremmnitz 11.8.5. — 108, Su 
5 el, 21.3 „ 
Tajova lat. = .08l 18:3, 
Pruskau SU-Tı, = .,5.6) 34.6 „ 
Slides 22.4)... — h.8 6, 19.9 „ 
Rosenberg 38.5,, — 5.0 30.7. 
Nemet Prona 269... 43 „ 245 „ 
Sillein a lat 20.7 


Sz. Marton 8U.305M.= 15 „ 8sU. 29.7 M. 

Diese 42 Nummern enthalten alle mir zugänglich gewordenen Beobachtun- 
gen, die wenigstens die Minute angeben. Bilde ich drei Gruppen, und bestimme 
ohne irgend eine kritische Auswahl die Mittelwerthe, so erhalte ich: 

I. t=8U. 30.81M. E= 18.85 Meilen 14 Beobachtungen. 

1. 8 26.41 Are 13 “ 

II. 8 25.99 DIE En 15 F 
Unter E sind hier drei Radien der isochronischen Kreise für die unter t ge- 
gebenen Zeiten bestimmt worden, Verbindet man die beiden ersten, so erhält 
man die Geschwindigkeit g — 1.76 Meilen in einer Zeitminute, und aus diesem 
Werthe das Moment des Erdbebens im Centrum: 
T=38U. 20.30M. aus 1. 
20.24 = R 
22.70 4 ul 
Mittel = 8 U. 21.1 M. mittlere Zeit von Min&ow. 

Benutze ich die ganz aus dem rohen berechneten Näherungswerthe g und 
T in Verbindung mit den andern Daten, und berechne, wann nach diesen Ele- 
menten das Erdbeben in jedem einzelnen Orte hätte eintreten müssen (alle 
Zeiten auf Min&ow redueirt); so erhalte ich die folgenden übrig bleibenden 
Fehler (Rechnung — Beobachtung) oder abgekürzt: (R. — B.). 


(R.—B.) (R.—B.) (R.—B.) 

Tarnow = + 9.7M. Oderbrg= 0.0M. Roznau =+ 6.8M. 
“ +47 „ Hullein — 1.5 „ Altsohl +14, 

M. Trübau + 5.3 „ Leipnik — 6.6 „ Wesetin — 16 „ 
Brünn — 5.9 „ Fulnek —+14.3 „ Neusohl +10, 
5 +41 „ Hruschau + 0.3 „ Arva — 8.9, 
Krakau + 6.0 „ Ostrau + 1.9 „ Kremmnitz +12.8 „ 
Freudenthal + 0.9 „ Bielitz — 0A, Je — 02, 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 173 


Olmütz + 0.8M. Neutitschein -+ 3.5 M. Tajova + 2.38M. 
Schlackau + 6.0 „ Freiberg 12.0 „ Pruskau —13.5 „ 
Ribnik — 44 „  Mistek + 44 „  Seliäs +42, 
Liebau — 55 „ Teschen — 0.7 „ Rosenberg — 96 „ 

En + 1.8 „  Nemet Prona — 3.4 nr 


Troppau 22: 

a — 46 „ Weisskirchen- 17.9 » Sillein +04, 
Brodek + 1.9 „ Schemmnitz + 1.3 „ Sz. Main — 8.6 „ 

Aus dieser Zusammenstellung kann man entnehmen, wie die Beobachtun- 

gen im Ganzen beschaffen sind, und erkennen, dass eine Untersuchung dieser Art 
nur durch die schärfsteErwägung aller Umstände zu befriedigenden Resultaten 
zu führen vermöge, Die absolute Differenz der Beobachtungen (stets in einer 
und derselben Ortszeit ausgedrückt) überschreitet also eine halbe Stunde. und 
bei vielen andern erreichen sie 10 bis 15 Minuten. Indem ich jetzt alle Beob- 
achtungen ausschliesse, die ich unter den obigen 25 Nummern gar nicht mit 
aufgeführt habe, bilde ich die zweite Näherung aus 24 der bessern Angaben. Aus 
diesen folgt: 


. t=38U. 29.835M. E= 16.65 9Beob. Gew. = 38 
A ER — len Dee 
I 8,0230 — = 1 


Aus I. u. II. g in 1 Min. = 1.755 Meilen. Gew. = 28° 
A a a U ah EIER a eil2,b 
Mittel: g in 1 Min. = 1.785 Meilen, oder in 1 Seeunde = 113.2 Toisen. 
T = 8 U. 20.47 M. (Mit Rücksicht auf die Gewichte). 

Ich werde um kurz zu sein, das ganze Tableau der (R.—B.) nicht her- 
setzen, sondern nur bemerken, dass jetzt die Extreme der übrig bleibenden 
Fehler — 8.6 M. (Troppau) und + 4.9 (Krakau) betragen. Ziehe ich versuchs- 
weis Pruskau und Szent Marton mit in Betracht, so ergibt sich respective 
— 17.2 M. und — 10.0M. 

In der nächsten Näherung erhielt Olmütz das Gewicht 10, die telegraphir- 
ten Zeiten — 4, die andern 1 oder 2. Ich wählte einige andere Angaben und 
erhielt ohne Berücksichtigung der Gewichte: 

Lt=8U. 29.20 M. E = 16.54 Meilen. 12 Beobachtungen. 

1er „Mei , 11 5, 

gin 1 Min. = 1.771 Meilen 
T=8U. 19.86 M. 

Dagegen mit Berücksichtigung der Gewichte: 

I. t=8U. 28.88 M. E = 15.46 Meilen. Gewicht 34. 

1 a ae I RT, „128 

gin 1 Min. = 1.6295 Meilen. 
T= SU. 19.40 M. 

Jetzt ging ich über. zur Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate, 
und setzte: T=-T+tr 

X —=X-t x indem X die Zeit bedeutet, welche das Erdbeben brauchte, 
um eine Meile zu durchlaufen. 

p = dem jedesmaligen Gewichte. 


Ich entwickelte sodann das folgende System von Bedingungsgleichungen: 
FürM. Trübaa 0= +42 M.+y+22x p=1 

„ Brünn 0=+30 +y-+211x p=2 

„ Krakau 0=+48 +y+187x p=|1 

„ Freudentbal 0= +02 +y-+184x p=1 

„ Olmütz 0=—04 +y-+160x p=10 


174 J. F. J. Schmidt. 

Für Schlackau 0=+48M.+y+160x p=1 
„ Ribnik 0=-—54,+y+17x pel 
„ Troppau 0=—74,+yH+154x p=1 
„» Brodek 0=+408,+y+152x p=4 
„ Oderberg 0=—-02,+y+135x p=4 
„ Hullein 0=—27,+y+130x p=4 
„ Hruschau 0=—08,+y+123x p=4 
„ Ostrau 0=+07,+y+120x p=4 
„ Bielitz 0=—16,+y+t106x p=2 
„ Neutitschein 0O= +24, +y+105x p=1 
„ Mistek 0=+33,+y+ 97x p=1 
„ Teschen 0=--05,.+y+ 96x p=2 
»„ Schemmiz 0= +02, +y-+ 90x p=?2 
„ Altsohl 0=+02,+y+ 82x p=2 
„ Neusohl 0=—-02,+y+ 65x p=2 
„ Kremmnitz 0=—-15,+y+ 63x p=2 
„ Tajova 0=+16,+y+ 6ix p=2 

Nemet Pora 0 = — 46 „+y+ 43x p=1 


Die Auflösung dieser Gleichungen ergab nach einer nicht völlig strengen 
Rechnung‘, da sie ohnehin nicht die definitive war, folgendes Resultat: 

T=8U. 20.46 M. X'— 0.532253 M. um 1 Meile zu durchlaufen, oder 
1.914 Meilen in 1 M. 

Die Vertheilung der übrigbleibenden Fehler zeigte sich nicht besonders 
günstig, und ich nahm daher keinen Anstand, mich ausschliesslich auf diejenigen 
Daten zu stützen, deren Zuverlässigkeit durch gute Gründe dargethan wurde. 
Dass ich hier ganz unabhängig von vorgefassten Meinungen verfuhr, ersieht man 
leicht schon daraus, dass ich 4 bis 5 Zeitangaben, die vortrefflich übereinstim- 
men, keineswegs berücksichtigte, weil sie gar keine Gewähr haben, und nur zu- 
fällig so günstig erscheinen. Demnach setzte ich zuletzt als Näherung T = 8U. 
20.5 M. mittlere Zeit des Centrums. 

x = 0.50 M., um 1 Meile zu durchlaufen, und bildete die folgenden Be- 
dingungsgleichungen, bei denen ich nur die Gewichte der nicht telegraphirten 
Zeiten etwas vergrössert, und alle Daten ausgeschlossen habe, welche, an sich 
schon weniger beglaubigt, 3 bis 4 Minuten Differenz zeigten. 


Für Olmütz 0 = —0.80M. +y+160x p=10 
» Brodek 0=+04,, +y+152x p= 4 
»„ Odeberg 0=- —045, +y+1B35x p= 4 
„» Hruschau 0=—105, +y+123x p= 4 
„» Ostrau 0=+0650, +y+120x p= 4 
„ Bielitz 0= —17, +y+106x p= 3 
» Teschen 0=—050, +y+ 96x p= 4 
„ Schemmitz 0 = +020,. +y+ 90x p= 3 
„ Altsohl 0=+04,.,. +y+ 82x p= 3 
» Neusohl = 0.00, +y+ 66x p= 3 
» Kremmittz 0=— 115, +y+ 63x p= 3 

Hieraus erhielt ich: y= + 0.2075 M. (Zeit). 

x = + 0.01768, 
T=-T+y=8U. 20.707 M 
X=X-+4x— 0.1768M 


g = 1.9317 Meilen in 1 M. 
oder g in 1 Secunde —= 122.57 Toisen = 735.4 par. Fuss. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 175 


Werden mit diesen Elementen die einzelnen Beobachtungen dargestellt, 
so findet man die folgenden Differenzen = (R — B). 


Für Olmütz (R— B) = — 0.31M. 
„ Brodek „ = + 0.88 „ 
„ Oderberg Pr — 0.00 „, 
„ Hruschau = — — 0.60 „ 
„ Ostrau is = + 1.02 „ 
„ Bielitz Pe" = — 1.31, 
» Teschen FR —= — 0.12 „ 
„ Schemmnitz ” = + 0.57 „ 
„ Altsohl $ = +05, 
» Neusohl 24 = + 0.32 „ 

Kremmnitz a = —0.83 „ 


Wird die Quadratsumme mit Rücksicht auf die Gewichte aus diesen 
(R — B) gebildet, so zeigte sie sich bis auf 0.03 mit jener übereinstimmend, 
welche aus der vorigen Rechnung als die Kleinste hervorging, und durch diese 
Uebereinstimmung ist zugleich die ganze Rechnung eontrolirt. 

Berechnet man jetzt für jeden einzelnen Erschütterungsradius E mit obigen 
Elementen die Geschwindigkeiten in einer Minute = g , so findet man der Reihe 
nach, wenn noch g8—g den Unterschied zwischen diesen Einzelwerthen und dem 
mittleren wahrscheinlichsten Werthe bezeichnet: 


g' = 1.8620 Meilen g — g' = + 0.0697 Meilen p = 10 
24736- ,; IT 
1.9305 „ +0.0012 „ p= 4 
1.7589 ” 45 0.1728 FR p= 4 
2.3107 „ 0,39 eh 
1.5604 „ Loser 
1.8850 „ +0.0467 „ p= 4 
241991 „ — 0.236140, p= 3 
2.3475 „ Ai 
2.1338, —020141 „ p= 3 
1,5492 + 0.3925 p= 3 


Hiernach findet man "mit Rücksicht auf die Gewichte der einzelnen Daten: 
Den wahrscheinlichen Fehler einer Angabe = + 0.1712 Meilen, so 
dass also jeder gefundene Werth g in 1 Minute (der im Mittel — 1.9317 Meilen 
bestimmt ward), zwischen den Grenzen 2.1029 und 1.7605 Meilen liegt. Der 
mittlere Fehler jeder Einzelbestimmung ist grösser, und es zeigt sich, dass die 
Extreme 2.3475 und 1.5392 erreichen. Ueberdies stellt sich heraus, dass der 
zu befürchtende Fehler in T 15 bis 18 Seeunden nicht überschreite. Indessen 
interessirt es nur, die ungefähre Genauigkeit des Endresultates zu kennen, 
und dort ergibt sich, dass die wahrscheinlichen Grenzen der Unsicherheit für die 
Gesehwindigkeit in 1 Seeunde unbedeutend genug ausfallen. Ich finde: 
den grössten wahrscheinlichen Werth = 127,95 Toisen in { Secunde, 
„ mittleren 4 a 0.2 Tee | 4 
„ kleinsten —— 10 Du 1x (05 I: BUS SORTIERE | 5 
oder g in h Seeunde = 122.57 Toisen je 5.38 Toisen 
Ber — 735.4 Par. Fuss + 32.3 Par. Fuss, 
Tgleichen w wir damit, wäs ich für das rheinische Erdbeben am 29. Juli 
1846 gefunden habe: 
g in 1 Minute = 3.670 geogr, Meilen als wahrscheinlich grösster Werth 
Fa: U Hl Dr > 4 5 mittleren , 
a We Er ae; ” kleinsten , 


176 J. F. J. Schmidt, 


oder g in 1 Seeunde 226.29 Toisen + 6.57 Toisen, also zwischen den Gränzen 
232.9 und 219.7 Toisen. 

oder g in 1 Seeunde 1357.7 par. Fuss + 39.4 par. Fuss. Dieses Resultat beruht 
auf einer spätern, über mehr Beebachtungen ausgedehnten Rechnung, während 
jenes in Nöggerath's Abhandlung (1376 Par. Fuss) aus der ersten Rechnung 
im Jänner 1847 hervorging. 

Demnach war also die Geschwindigkeit des Erdbebens am 15. Jänner 1858 
fast um die Hälfte geringer als die des Erdbebens vom 29. Juli 1846. Die zu 
befürchtenden Fehler betragen resp. %s; und 1/,; des Ganzen, woraus her- 
vorgeht, dass diese Resultate eine nicht geringe Genauigkeit besitzen. 

Meine neuere Berechnung des rheinischen Erdbebens hat eben so wie die 
frühere angedeutet, dass das wahre Centrum westlich 1 bis 2 Meilen von St. Goar zu 
suchen sei, ein Resultat, welches die von Nöggerath construirte Curve der gröss- 
ten Intensität schon vorher wahrscheinlich gemacht hatte. Mit den Elementen: 

T = 1846, 29. Juli 9 U. 24.38 M. mittlerer Zeit von St. Goar, und 

BI 3.513 preuss. Meilen in 1 Minute. 
haben sich für die benutzten Beobachtungen die folgenden übrigbleibenden Feh- 
ler ergeben, deren Mittheilung ich hier zur Vergleichung mit den Resultaten des 
Erdbebens vom Jänner 1858 für zweckmässig halte: 


Aachen R—B = — 0.15 Minuten. 
Bonn > en RlRrla 2 Fr 
Düsseldorf e —= — (0.31 ;5 
Elberfeld > = +058 „ 
Werden re ES 
Neuss m —r— 70:61, 0% 
Coblenz ® HE: 
Ehrenbreitstein „, =. 014,05 
Adenau v = 
Cochem sa = — 044 „ 
Rübenach “ = — 057, 
Mayen = = — 015 „ 
Horchheim Fr —e EN ER 
Boppart BZ NET 
Mainz 5 — ms ee 
Darmstadt 5 — EEE 
Cronberg rn 
Frankfurt a: en 16: 1 Mate 
Allendorf bi = + 0.81 3 
Pyrmont IE Ellen 
Karlsruhe 5 HE 
Marburg „= —051 


In der älteren Rechnung von 1847 benutzte ich nur 15 Beobachtungen, 
in dieser dagegen 22 Angaben. 

Ich kann nicht unterlassen, an diesem Orte auch mit einigen Worten des 
grossen viele Monate dauernden Erdbebens von Visp zu gedenken, welches am 
25. Juli 1855 seinen zerstörenden Anfang nahm. In der bei Petermann gedruck- 
ten Arbeit von 0. Volger finde ich nur 2 Zeitmomente angegeben, und zwar 
Turin und Mailand, aus denen Volger glaubt schliessen zu können, dass bei die- 
sem Erdbeben die grösste Ungleichförmigkeit der Geschwindigkeit habe statt- 
finden müssen. Er hebt namentlich hervor, dass gerade diese beiden Zeitanga- 
ben, als von Sternwarten herrührend, durch die höchsten Garantien gesichert 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 177 


erscheinen. Hierzu bemerke ich, dass zwar berühmte und hochachtbare Männer 
wie Plana und Carlini jenen Sternwarten vorstehen, dass aber deshalb die 
gedachten Zeitangaben nicht garantirt erscheinen. Sie würden es ohne Zweifel, 
wenn sie von Sternwarten wie Berlin, Bonn und ähnlichen herrührten, auf denen 
der ganze wissenschaftliche Betrieb, die ununterbrochene Beobachtung, und dem- 
zufolge die stete Bekanntschaft mit den Uhreorreetionen, jene Garantien in der 
That leisten, und wo die Beobachter nie unterlassen würden, sich über den Grad 
der Zuverlässigkeit solcher Zeitangaben näher auszulassen. Ich bezweifle durch- 
aus nicht, dass in Mailand und Turin oft Meridianeulminationen beobachtet wer- 
den; aber ob, und wie genau man zu jeder beliebigen Zeit den Stand seiner 
Uhren kenne, ist eine andere Frage. Die beiden Zahlen, die Volger anführt, 
sind bei A. Favre (Memoire sur les tremblements de Terre, ressentis en 1855) 
p- 18 schon um 2 Min. anders. Was die von Volger eitirten Zahlen betrifit, so 
sind sie nicht um volle 8 Min., sondern wegen des Längenunterschiedes nach 
Enckes astron. Jahrbuche um 9 M. 22 See. verschieden. Beide Uhren wurden, wie 
auch anderswo, namentlich Thurmuhren, durch den Erdstoss zum Stillstand ge- 
bracht. Die Zeiger würden aber nur dann genaue Bestimmungen ergeben, wenn 
für jenen Tag die Uhreorreetionen gegen die betreffenden Ortszeiten notirt wären, 
und wenn man annehmen dürfte, dass die Pendeluhren in Momente des Erd- 
stosses stillstanden. Daran kann viel fehlen, und es hängt von Umständen ab, 
namentlich wenn der Pendel die ursprüngliche Schwingungsebene verändert, ob 
das Uhrwerk sogleich, oder erst nach einigen Minuten zur Ruhe gelangt. 

Ich habe die bei Favre notirten Momente der 3 grossen Erdstösse am 25. 
und 26. Juli näher untersucht, und gefunden, dass auf jeden Fall die Geschwin- 
digkeiten sehr gross waren, vermuthlich eher grösser denn kleiner als 5 Mei- 
len in der Minute, wie solche Zahl früher Hr, v. Humboldt zu nennen pflegte. 
Aber gleichviel, ob ich grosse oder kleine Geschwindigkeiten annehme, so resul- 
tirt für mich nur so viel, dass es mit den Zeitangahen wie gewöhnlich, sehr übel 
bestellt sei, dass ich viel eher an die gänzliehe Unzuverlässigkeit dieser, als an 
die Theorie sehr ungleicher Geschwindigkeiten glaube. Gewiss ist es ein gün- 
stiger Umstand, wenn im Bereiche des Erdbebens viele telegraphische Stationen 
sind. Aber man muss verstehen, die telegraphirten Zeiten richtig anzugeben und 
richtig zu benutzen, und schliesslich immer noch fragen, auf welcher Beob- 
achtung die Zeit beruhe, namentlich dann, wenn telegraphirte Zeiten mit ge- 
wöhnlichen Zeitangaben in einer und derselben Rechnung benutzt werden sollen. 

Wenn aber Favre die temps moyen von der temps astronomique unter- 
scheidet, so zeigt er, dass er sich in diesen Dingen unsicher fühlt, denn die temps 
astronomique, falls nicht ausdrücklich temps sideral gesagt wird, ist eben nichts 
anderes als die bürgerliche mittlere Zeit, da es nur selten, namentlich auf gutbe- 
stellten Sternwarten, vorkommen wird, wahre Zeiten zu bestimmen, in welchem 
Falle aber ausdrücklich temps solaire zu sagen wäre. Aber aus der Stelle, 
wo Favre pag. 25 den Erdstoss am 26. Juli Morgens eitirt: „Il est evident, que, 
„quoique les heures ne soient pas les m&mes, c’est la meme secousse qui a die 
„signalde dans toutes ces localites; l’erreur vient des horloges ou des observa- 
„tions“, geht nur zu deutlich hervor, dass er an die ersten Bedingungen einer 
nur annähernd gründlichen Untersuchung nicht gedacht habe. Denn wenn er 
voraussetzt, dass jene Erdbebenzeiten an so verschiedenen Orten übereinstim- 
men müssten, so setzt er auch voraus, dass die Geschwindigkeiten unendlich 
gross waren, und dass es keine Längenunterschiede gebe. Wenn er alle Zeiten 
auf einen und denselben Meridian redueirt hätte, so würde er gewiss hier und an 
andern Orten nicht unterlassen haben, es zu sagen. Dass er es nicht gethan 


178 JR. J, Schmidt, 


hat, geht aus meiner Rechnung deutlich hervor; es würde ihm nicht entgangen 
sein, dass nach solcher Rechnung die Differenzen noch mehr vergrössert werden. 

Es scheint sich aber hieraus zu ergeben, obgleich ich die Angaben über 
das Erdbeben von Visp nur unvollständig (und z. Th. durch Druckfehler ent- 
stellt) besitze, dass jedenfalls die Geschwindigkeiten ungemein gross waren, viel- 
leicht so gross. dass man glauben möchte, das Erdbeben habe die Länder nach 
Art des elektrischen Schlages betroffen. Man wäre sogar versucht daran zu 
zweifeln, ob überhaupt Visp das Centrum der Bewegung war, wenn nicht so 
viele Gründe dafür zu sprechen schienen. Eben so ist es eine gewisse Wahr- 
scheinlichkeit, dass die Erschütterung am 1. November 1755 sich mit grosser 
Geschwindigkeit fortpflanzte. : 


Setzt man ganz beiläufig erschütterte Fläche: 
Erdbeben am 1. Nov. 1755 Geschwindigkeit = 20 Meil.in1Min. sehr gross. 
„» 25-26. Juli 1855 ” —=5-7, „1 ,„ 5000-6000 LM. 
„  am29, Juli 1846 » — ab 3800 „ 
»  » 15. Jan. 1858 3 ern, 1425 „ 


so liegt es einigermaassen nahe zu glauben, dass ein gewisser Zusammenhang 
zwischen der Grösse der erschütterten Area und der Grösse der Geschwindig- 
keit bestehe. Doch ist es nicht an der Zeit, jetzt schon diesen schwierigen 
Gegenstand weiter zu verfolgen. 

Zu einer ähnlichen Bemerkung wie sie das Schweizer Erdbeben im Juli 
1855 veranlasste, nöthigt mich auch das grosse Erdbeben am 12. October 1856. 
Ich würde einen Theil dessen, was darüber geschrieben wurde, lieber mit Still- 
schweigen übergehen, wenn ich es nicht als eine Pflicht ansähe, einer Unwissen- 
heit entgegenzutreten, die auch hier sich bemerklich gemacht hat, die aber gar 
nicht das Auftauchen einer neuen Theorie zu verhindern vermochte. Wer jetzt 
noch über das Phänomen des Erdbebens Neues liefern will, soll die Arbeiten von 
Gelehrten kennen, die zuvor ausgeführt wurden; er soll, wenn er von den Be- 
wegungsgesetzen reden will, mit den ersten Elementen der Wissenschaft ver- 
traut sein, und dann erst die Idee einer möglichen neuen Theorie verfolgen, wenn 
er das vorhandene Material vorher kritisch untersucht hat. Ich werde jetzt mit 
wenigen Worten darlegen, was über das Erdbeben im Mittelmeere, 12. October 
1856 geschrieben wurde, so weit ich es kan. 

Wir finden zuerst in Petermanns geogr. Mitth. 1856 p. 488 den Bericht 
von Dr. Neimanns aus Kairo, sodann in 1857 p. 139 die neue Theorie von 
Dr. Clement, und in 1857 p. 424 die Entgegnung von Emil Kluge. 

Der ersteAufsatz enthält eine klare u. genügendeBeschreibung Neimanns 
über die Erschütterung, wie sie in Kairo auftrat. Der zweite von Dr. Clement 
beabsichtigt nachzuweisen, dass sich das Erdbeben in kreisförmigen Bahnen be- 
wege, und der Aufsatz von EmilKluge enthält eine scharfe und sehr verständige 
Widerlegung der von Clement aufgestellten Theorie. Sie unterlässt aber, auf 
die erste Kritiklosigkeit jener aufmerksam zum machen, und diese ist es, welche 
ich hier bezeichnen werde. Theorien überlasse ich andern, beschäftige mich selbst 
aber vorläufig nur mit den Thatsachen, um zu untersuchen, ob sie überhaupt ge- 
eignet sind, auch nur im geringsten den Versuch einer neuen Theorie zu recht- 
fertigen. 

Betrachtet man die fortschreitende Bewegung der Erschütterung, so wen- 
det sich die erste Untersuchung zur Kritik der angebenen Zeiten. Diese sind 
stets in den allermeisten Fällen ungenau, nieht bloss deshalb, weil es gerade 
immer an genauen Zeitbestimmungen fehlt, sondern weil die Wenigsten wissen, 
dass die wahre Zeit mit der mittleren bürgerlichen Zeit nicht identisch ist, und 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 179 


dass man in vielen, namentlich südlichen Ländern, sich noch nach der Sonne rich- 
tet, welche also wahre Sonnenzeiten angibt. Dr. Clement führt an, dass die Er- 
schütterung in Palermo um 1 U. 59 M. 20 S. wahrer Zeit eingetreten sei. Bei 
den übrigen Angaben sagt er Nichts, obgleich sie z. Th. mittlere Zeiten sind, 
und stellt erstere doch mit den übrigen zusammen, um die kreisförmige Bewe- 
gung wahrscheinlich zu machen, Am 12. October war aber die wahre Zeit 
13'/, Minuten grösser als die mittlere Zeit, also trat nach der bürgerlichen mitt- 
leren Zeit für Palermo die Erschütterung um 1 U. 45.8 M. ein. Da nun die 
Erde rund ist und rotirt, so haben in demselben Momente die von Palermo gegen 
Osten gelegenen Orte eine grössere mittlere Zeit, und es erhellt demnach, dass 
alle Erdbebenzeiten zuvor auf einen und denselben Meridian redueirt werden 
müssen. Diess habe ich gethan, freilich nur im Rohen, da ich zur Ermittelung 
der Längen einiger Orte, die übrigens wie bei Rhodos und Kandia nicht einmal 
genau bezeichnet sind, mich nur kleiner Landkarten bedienen konnte. Wähle 
ich die Erdbebenzeiten nicht nach Clement, sondern nach den Citaten von 
Dr. Petermann und nach dem Aufsatze von E. Kluge, so hat man, alle 
Zeiten als mittlere angesehen, und die Angabe von Palermo auf mittlere Zeit 
redueirt: 
Zeit des Erdbebens, redueirt 
Länge von Ferro auf den Meridian von Palermo 


Palermo 1 U. 45.8M. 2U. 40M. = 1U.45.8M. 
Neapel Ze Re LAD. TER: —=1, 56.3 „ 
Malta 24,012.0%3 28 = Marl, 
Prevesa 25 2 ».939.6%, —=,1,,41980:4, 
Kandia 2, 40.0 „ RE WE = 1552.85, 
Rhodos 2,,9040:0 %; BI, ATS =1,0494 „ 
Smyrna 21,:m45:0) ,; DRIN —=1,„ 498 „ 
Alexandria 3, 3, 10.0 „ = 1,0540), 
Kairo 3, 19.3 „ Dr ir er —2 08:00 


Betrachtet man die Zahlen der letzten Columne, so folgt für die Bewegung 
des Erdbebens zunächst gar nichts, höchstens so viel, dass wie gewöhnlich die 
meisten Zeitangaben unbrauchbar seien. Lässt man aber wie billig, die 3 ganz 
beiläufigen Beobachtungen von Neapel, Prevesa und Alexandria ausser Acht, 
weil sie nur ungefähr die Stunde angeben, und nimmt man, blos versuchsweise 
an, dass auf Kandia, Rhodos und in Smyrna nach Sonnenzeit gerechnet wurde, 
so stellen sich die Angaben folgendermaassen heraus: 

Palermo 1 U. 45,8 M. mittl. Zeit von Palermo. 


Malta Eee, bums; > 
Kandia — ER 6.3 ” ” ” ” ” 
Rhodos een 
Smyrna Hay Bea 5 » 
Kairo = regen 


Diese Hypothese, dass in einigen Orten am und im Mittelmeere wahre 
Zeiten angegeben wurden, kann ich freilich nicht beweisen, aber sie ist gewisser 
begründet als eine willkürliche Theorie, welche die grössten Verstüsse gegen 
die ersten Bedingungen einer gründlichen Arbeit enthält. Aus den obigen Zah- 
len, abgesehen von Palermo, kann man so viel entnehmen, dass dies Erdbeben, 
wie wohl alle übrigen, ein centrales war; dass das Centrum irgend wo im grie- 
chisehen Archipelagus lag, und dass die Erschütterungen sich mit einer sehr 
grossen Geschwindigkeit fortpflanzten. Man darf aber diesen Schluss nicht als 
Jas Resultat einer Untersuchung, sondern nur als eine wahrscheinliche Annahme 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II. Bd. 2. Heft. n 


180 J F. J. Schmidt. 


auffassen. Jedenfalls thut man am besten, gar nichts zu schliessen, wozu mehr 
als zu Anderem, die mitgetheilten Zahlen auffordern. 

Die wahrscheinlichen Gränzwerthe in beiden Rechnungen für die Gesehwin- 
digkeit machen eine Untersuchung über die mögliche Ungleichförmigkeit der 
Bewegung ganz unthunlich. Um diese auszuführen, sind viel genauere und mehr 
zahlreiche Beobachtungen erforderlich, auf welehe man, nach dem zu schliessen, 
was bis jetzt erreicht wurde, auch in Zukunft nicht allzu sehr hoffen darf. Indes- 
sen hat es doch einiges Interesse mit den letzten definitiven Elementen auch 
jene Beobachtungen darzustellen; die zwar schliesslich nieht benutzt wurden, aber 
doch mehr oder minder einen Schein von Genauigkeit für sich hatten. Ich fand: 
für Tarnow R—B = + 3.17* Min. E = 26.2 Mei. NO vom Centrum 


„ M. Trübau er EErs: ga N 2320, NW „ 5 
„ Brünn ® Er RE re IE Ber Wil; 5 
„ Krakau nn EAN rn en, NO; FR 
„ Freudenthal 5 —027° „ „184 „ NW „ 5 
„ Ribnik is Br rn rl EN N Wi, A 
„ Troppau N = BEN Are NN Wi; 3 
„» Hullein r — 246 „ „ 130 „ WNW, 3 
„ Neutitschein FR 276 „ ,„ 105, NW „ er 
„ Mistek % + 3.63° „  „ 97 „ NNW,„ ” 
‚ Arva Värallya = = I, 6.3 „ ONO „ si 
„ Tajova „ #249, 614 „ SSO „ Pr 
„ Rosenberg EN —10208 55 9.07 5.72.0820), 5 
„ Sillein r —0.01 „ 1:05 NW „ 5. 
„ Sz. Marton 35 II OTER,,. 1.5 5 s0O „ FR 


Nimmt man nur die mit einem (*) bezeichneten Daten, also die einiger- 
maassen beglaubigten an, so wird man leicht erkennen, dass sich kein annehmba- 
rer Grund für eine Verschiedenheit der Geschwindigkeit nach verschiedenen 
Richtungen finden lasse. 


Verzeichniss der hauptsächlichen Beobachtungen über das 
Erdbeben am 15. Jänner 1858. 


Bereits vor meiner Reise nach Sillein (Febr. 13.) hatte ich 197 Angaben 
über das Erdbeben gesammelt, die sich auf nahe ebenso viele verschiedene Ort- 
schaften bezogen. Diese Zahl ist während der Reise ansehnlich vermehrt worden. 
Die von der geologischen Reichsanstalt gesammelten Documente haben das 
Material wieder bedeutend vergrössert, und sind mir, namentlich wegen der 
negativen Aussagen, für die Grenzbestimmungen der Erschütterung von gröss- 
tem Nutzen gewesen. Wenn ich aber nach mehrfacher Durchsicht aller 
Schriftstücke, den Inhalt dieser Leetüre mit den Ergebnissen meiner eigenen 
Anschauung auf der Reise nach Ungarn vergleiche, so gelange ich nur zu der 
Ansicht, dass wahrhaft charakteristische und naturwissenschaftlich genaue Beob- 
achtungen nur sehr wenig vorkommen, dass die so zahlreichen Angaben einen 
gewissermaassen übereinstimmenden Charakter besitzen, und dass endlich die 
Hauptsache die Aufzählung der Orte sein wird, wo_das Erdbeben sich bemerklich 
_ machte, oder wo es gar nicht verspürt wurde. Dabei lasse ich nicht unerwähnt, 
dass die nachträglichen, mir im April zugestellten officiellen Berichte einigemale 
nicht mit frühern Angaben aus derselben Gegend übereinstimmen. Jedenfalls 
aber geben die zahlreichen Berichte so vieler Behörden ein rühmliches Zeugniss 
von dem Eifer, durch welchen man die Untersuchung über das Erdbeben hat 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 181 


begünstigen wollen, und es ist mir eine angenehme Pflicht, diess allen Behörden 
und Privatpersonen gegenüber dankend anzuerkennen. Wäre es nothwendig, ein 
grosses Detail aus den officiellen Documenten mitzutheilen, so hätte ich gerne 
auch alle Namen der Berichterstatter mit bekannt gemacht; ein Wunsch, der 
indessen wegen der meistens völlig unleserlichen Unterschriften nicht zur Aus- 
führung kommen konnte. Ich lege, nun ich das Centrum der Erschütterung auf 
eine unzweifelhafte Weise nachgewiesen habe, auch kein Gewicht mehr auf die 
vermeinten Richtungen, nicht desshalb, weil ich sie jetzt für meine Zwecke für 
unnöthig halte, sondern weil ich derartigen Angaben nur ein geringes Vertrauen 
schenke; weil sehr viele weniger unterrichtete Beobachter mitunter dieWirkung 
mit der Ursache verwechseln, und eben so häufig von den Himmelsriehtungen 
keine genaue Kenntniss haben. Noch weniger halte ich im Allgemeinen von den 
Aussagen über die Dauer der Bewegung. Diese war ohne Zweifel nirgends 
grösser als 10 Seeunden, aber ich weiss, dass jetzt sowohl wie 1846 bei dem 
rheinischen Erdbeben, man die Dauer auch auf 5 bis 10 Minuten schätzte. Ich 
weiss ferner, dass ein glänzendes Feuermeteor, dessen Dauer ich selbst chrono- 
metrisch zu 4 Secunden bestimmte, von einem Andern in derselben Stadt, der 
sonst wohl an schärfere Beobachtungen gewöhnt war, als 7 Minuten leuchtend, 
d. i. 105mal länger, denn nach meiner Wahrnehmung, angegeben ward. Ueber- 
haupt ist es auch bei diesem Erdbeben ein gewöhnlicher Fall gewesen, die 
Dauer sowohl des Getöses als auch der Erschütterung ebenso lang nach Secun- 
den als nach Minuten zu bestimmen, wobei ich jedoch hervorhebe, dass auch 
einige sorgfältige Angaben vorkommen, die mitgetheilt werden sollen. 

Da die Discussion der Zeiten und der Wiederholungen des Erdbebens 
schon erledigt ist, so werde ich diese nicht mehr berühren, wohl aber überall, 
wo mir Zahlen zugänglich waren, die Meereshöhen der Beobachtungsorte, aus- 
gedrückt in Toisen, hersetzen, indem ich den von mir selbst bestimmten See- 
höhen ein S beifüge. Die Quellen vieler Angaben kenne ich nicht, will aber doch 
daran erinnern, dass noch im Jahre 1857 ein Höhenverzeichniss gedruckt worden 
ist, dem zufolge man glauben müsste, dass in Mähren grosse volkreiche Ort- 
schaften bis 4000 Fuss über dem Meere liegen! Der Kürze wegen soll in dem 
folgenden Verzeichnisse bedeuten: 

D die Dauer der Bewegung in Secunden. 

R die Richtung der Bewegung oder des Schalls, 

h die Meereshöhe in Toisen (als runde Zahl). 

Das Verzeichniss wird demnach alle Materialien enthalten, welche zum Ent- 
wurfe der Erdbebenkarten gedient haben; indessen werde ich zu den beiden 
Karten einen besondern Abschnitt beifügen. 

Um die Uebersicht einigermaassen zu erleichtern, will ich doch die politi- 
sche Abtheilung der Länder befolgen, weil sowohl die Berichte, als auch meine 
schriftlichen Auszüge meist hiernach angeordnet wurden. 


I. Preussisch Schlesien. 


Breslau. h=65 t. Nach Briefen des Direetors der dortigen Sternwarte 
Professor Galle. sowie nach schriftlichen und gedruckten Berichten des Trop- 
pauer Gymnasiallehrers L. Jeitteles, ist das Erdbeben unzweifelhaft, wenn 
auch nur vereinzelt, wahrgenommen worden. Die Hauptnotiz darüber verdanke 
ich indessen einem Briefe des Herrn Professor Dr. Sadebek (am Magdalenäum in 
Breslau), aus dem ich auch ersehe, dass man bereits am 8. Februar etwa 40 Erd- 
bebennachrichten gesammelt hatte, D = 3’ R=N-—S. oder umgekehrt: nach 

> 


182 J. F J. Schmidt, 


anderer Aussage R= SO.—NW., welche die richtige ist. Auch das Getöse soll 
bemerkt worden sein. Die Unruhe der Vögel war unverkennbar. 

Die naturwissenschaftliche Section der schlesischen Gesellschaft wird 
übrigens ihrerseits die Zusammenstellung aller schlesischen Beobachtungen ver- 
anlassen, durch welche man späterhin mein Verzeichniss, welches ich nur im 
Auszuge gebe, wird vervollständigen können. Von dem, was ich jetzt mittheile, 
entnehme ich fast Alles den Berichten von Jeitteles. 

Kyowitz Leobschütz h=135t Deutsch Neukirch h=114 t 
Hoschitz Ratibor Dirschel 
Katscher h=116 t Gleiwitz 

In diesen und verschiedenen andern Orten Preussens ward das Erdbeben 
ebenfalls verspürt. In Katscher bekam das Pfarrgebäude schwache Risse. Am 
Morgen nach dem Erdbeben hatte das Wasser des Pumpbrunnens im Pfarrhofe 
zu Deutsch Neukirch einen unangenehmen Beigeschmaek nach Schlamm, der 
sich am Nachmittage aber wieder verlor. (Die Höhe gebe ich nach einer Karte 
von Fils 1830, wobei ich nur vermuthen kann, dass wahrscheinlich Pariser 
Maass gebraucht wurde). 

Hirschberg \Von diesen Orten weiss ich nur aus Zeitungsnachrichten, dass 
Schweidnitz |das Erdbeben mehr oder weniger verspürt wurde, auch den Zusatz, 


Glatz dass im Riesengebirge die Erschütterung in grossen Höhen stär- 
Neisse ker gefühlt ward, Doch fehlt bis jetzt jede nähere Bestätigung. In 
Brieg Leobschütz war die Bewegung noch sehr fühlbar; angeblich fand 
Ribnik hier das letzte Erdbeben imJahre 1801 statt. Nach anderer Aus- 
Pless sage ereignete sich ein grösseres Erdbeben 1786 am 3. Decem- 
Tarnowitz ber Abends 43/, Uhr. 

Nimtsch In Tropplowitz merkte man diessmal Nichts, dagegen lebhaft in 


Reichenbach Dirschel. In Kyowitz und Hoschitz war die Bewegung schwach, 
Tropplowitz ebenso in Brieg. In Deutsch-Neukirch R=NO—SW. 
Rauden 


Il. 0esterreichisch Schlesien und Mähren. 


Troppau h=130 t S. Die Oesterreichisch Schlesien betreffenden Noti- 

zen sind zum grössten Theile den Berichten von L. Jeitteles entnommen, 
Die durch den Statthalter von Mähren den Herrn Grafen Lazansky, Excellenz, 
gesammelten Documente haben ebenfalls zur Vervollständigung des Catalogs bei- 
getragen. 
; I Erdbeben ward fast allgemein verspürt, auch vernahm man unter 
günstigen Umständen das vorangehende unterirdische Getöse. Drei Schwingun- 
gen, oder Maxima der Intensität bezeichneten die Erschütterung, deren Richtung 
verschieden angegeben wird. Ich finde: SO—NW., NNO—SSW., O0—W. und 
0OSO—WNW. Die erste und die letzte ist die richtige. Die Bewegung war 
wellenförmig; man glaubte auch das Krachen des Eises vernommen zu haben. 
Die Unruhe der Vögel ward mehrfach beobachtet, selbst, nach Jeitteles, die 
der Blutigel, die in einer Apotheke aufbewahrt wurden. (Jeitteles 2. Bericht 
in der Troppauer Zeitung vom 22. Jänner 1858). 

Sehönbrunn h=110t. An den Bahnstationen ward das Erdbeben 
überall beobachtet und man verglich das Getöse treffend mit dem eines heran- 
brausenden Lastzuges. Nach dem Erdbeben war zwei Tage lang in einem Brun- 
nen das Wasser milchfarbig. 

Schlackau h=171.2 t. zwei Stösse; eine Pnndeluhr blieb stehen. SW. von 
Troppau, : 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15, Jänner 1858. 183 


Stibrowitz zwei Stösse deutlich. W. von Troppau. 

Skrochowitz starke Erschütterung (im Thale der Oppa). NW. von 
Troppau. 

Zossen ziemlich starke Bewegung. WNW. von Troppau. 

Benisch 


ebenso. W. von Troppau. 
Benneschau 


Gräz h=1751t.$. Diese Höhenangabe erhielt ich für den ersten Stock des 
Liehnowsky'schen Schlosses. S. von Troppau. 


Radun deutlich verspürt. R.=SO—NW. SO. von Troppau. 

Schloss Branitz starke Bewegung. NW. von Troppau. 

Bransdorf deutlich bemerkt. NW. von Troppau, SW.von Jägerndorf. 

Braunsdorf D=6'. Zwei Stösse mit Getös. R=-NW-—-SO. Angeb- 
liche Wiederholung um 1'/, Uhr Nachts. NW. von 
Troppau. 

Leitersdorf hier wurden drei Stösse verspürt. Beide Dörfer SW. 

Eekersdorf von Troppau. 


Jägerndorf h=153 t. oder h=162 t. zwei Stösse von SOI—NW. von erheb- 
licher Stärke. Die Thurmglocke hat sechsmal ange- 


schlagen. 
Hotzenplotz h=120 t. In beiden Orten ward die Erschütterung deutlich 
Stadt Olbersdorf verspürt. R=SO—NW. und NO—SW. 


Vuleangebiet von Freudenthal, Messendorf und Rautenberg 
an der mährisch-schlesischen Grenze. Auch hier ward mit wenigen Ausnahmen 
das Erdbeben deutlich, zum Theil stark empfunden. Dass das Vorhandensein 
vulcanischer, längst erloschener Berge ein stärkeres Auftreten des Erdbebens 
bedinge, wie oft angenommen wird, ist weder erwiesen noch überhaupt noth- 
wendig, wie aus den Phänomenen zahlreicher Erdbeben zur Genüge hervorgeht. 

Freudenthal h=280 t. S. deutliche Erschütterung. R=0—W. 

Köhlerberg h=352 t. S. der Basalt- und Schlackenberg südlich von 

Freudenthal wird im Winter oben nur von den Wirthsleuten bewohnt, die Nichts 
vom Erdbeben verspürten. Der stets wasserreiche dortige, 28 Klafter tiefe 
Brunnen gab gleich nach dem Erdbeben fast gar kein Wasser, während dieses 
sonst zwei Klafter hoch im Brunnen stand. (Notiz des Dr. Kubin in Jeitteles 
Bericht). 
Messendorf, südlich von Freudenthal. Der kraterlose Schlackenberg, dessen 
Seehöhe ich 1857 zu 340.5 t. bestimmte, liegt an der SO.-Seite des Dorfes. 
Hier ward das Erdbeben ohne auffällige Merkmale, aber nur von Einigen 
verspürt. 

Rautenberg, Dorf. Die Erschütterung scheint im Orte wenig oder gar 
nicht bemerkt worden zu sein. 
h=325 t. am obern Ende des Dorfes 
h=308 bei der Kirche nach meiner Bestimmung im 
h=278 bei der Ortstafel unten an der Chauss&e September 1857. 
h=243 am Wehrschweller der Mora 

Die beiden Basaltberge liegen östlich und südwestlich vom Dorfe; sie sind 
unbewohnt, und es lässt sich demnach nicht sagen, wie sich das Erdbeben hier 
äusserte. 

h=419.2 t. Gipfel des grossen Rautenberges 

h=308.1 n * Eindn z ü nach S. 1857. 

Raase, ein sehr langes Dorf, nördlich vom Rautenberge, woselbst 
Trachyte auftreten; nach einer Schätzung für die Mitte des Dorfes vielleicht 


184 J. F. J. Schmidt. 


h=250 Toisen. Das Erdbeben ist hier erheblich stark empfunden worden. 
R=SO—NW. nachher erhob sich ein Sturm. 

Spachendorf, nahe am nordöstlichen Fusse des Rautenberges, von ihm 
nur durch die Mora getrennt. Das Erdbeben war hier besonders stark. D-13". 
Man verglich den Erdstoss mit der beginnenden Bewegung des Locomotivs, 
wenn dadurch ein Bahnzug plötzlich angezogen wird. In “der Nacht floss eine 
Quelle über. 

Haidenpiltsch, bei der Kirche h=294 t. S. Nur wenig ward von der 
Erschütterung bemerkt. Der Ort liegt nahe SO. vom Rautenberge. 
Hof h=288 t. S. südlich vom Rautenberge. D=15" R=-S— N. und SOI—NW. 
Das Erdbeben war recht merklich. Ein 7 Klafter tiefer Brunnen war am 16. Jän- 
ner ganz wasserleer. Erst am 17. Nachmittags stellte sich das Wasser wieder 
ein. Gleich nach dem Erdstosse trat ein heftiger Wind auf. 

Bärn h=287 t. S. SSW. von Rautenberg. Das Frdbeben war stark mit 
vorangehendem unterirdischen Getöse. R=N—S. und R = SO— NW. oder um- 


gekehrt. 

Liebau h=314t? R=N—S.D=5'. 

Bautsch Ueberall ward in diesen Orten das Erdbeben mehr oder 
Wigstadtl weniger lebhaft verspürt ohne indessen besondere Merk- 


Wagstadt h=148 tt. male darzubieten. In Wagstadt R=0— W.; in Königsberg 
Königsberg R=SO—NW. 

Im Folgenden werde ich die mehr oder weniger benachbarten Ortschaften 
nicht nach den politischen Gränzen unterscheiden. 

Schwarzwasser. h = 130t. Während des Erdbebens ging der Wind 
vonSW — N O um, und verwandelte sich in einen, wenige Minuten dauernden 
Sturm. R= NO — SW, nach Andern O—W. 

Skotschau. h= 1491. R= NO — SW. Erdbeben recht fühlbar. 

Freistadt. h= 120. R= 0 — W. Erdbeben deutlich verspürt. 

Oderberg. h=97t. R=0 — W. Deutliche Erschütterung. 

Braunsberg. Nach Einigen ward die Erschütterung sicher bemerkt. 

Freiberg. h=15lt. S. Auch nahe dabei in Neuhübel und Partschen- 
dorf ward das Erdbeben sehr deutlich gefühlt; es blieben angeblich sogar einige 
Pendeluhren stehen. Nach 8 Uhr heftiger Windstoss. R= SO — NW. 
D = 5! bis 6" 

Neutitschein. h= 148t. S. Die Erschütterung ward mehrfach aber 
nur schwach empfunden; in der Gemeinde Sohle nur am Titschflusse entlang. 
Dem ersten Erdstosse folgte nach 10" noch ein zweiter; gleichzeitig ein Wind- 
stoss. R=SO— NW. D=S$'. 

Odrau. Erdbeben stark, namentlich in den höher stehenden Häusern; 
eine andere Angabe sagt das Gegentheil. R=N 0 — S W; ähnlich zu Deutsch 
Jassnik. 

Neumarkt. Die Erschütterung war sehr heftig. 

Fulnek. h—=146t. S. Bloss in einigen Stadttheilen scheint das Erd- 
beben bemerkt worden zu sen. R=S—N, D=2'bis3 

Mistek. Mehrfach ward das Erdbeben in mässiger Stärke verspürt. R= 
0—W. D— 4.5‘. Auch wird R=S—N angegeben; schon vorher war Sturm, 
und um 81/, Uhr ein heftiger Windstoss. Vielleicht hörte man das unterirdische 
Getöse. 

Friedek. Alles nahe ebenso;R= NO — SW. 

M. Ostrau. h = 100t. Deutlich ward der Erdstoss gefühlt. R= 
SO—NW und S—N. D—= 1.5" oder nach Andern D = 6°. Nach 8 Uhr 


Untersuchungen über dasErdbeben am 15. Jänner 1858, 185 


verstärkte sich der Wind. In Neudorf und Proskowitz scheint man nichts be- 
merkt zu haben. In Ostrau zeigten sich an einigen Gebäuden sehr schwache 
neue Risse, auch fielen einige leichte Gegenstände um. In Wittkowitz wie auch 
in den Kohlengruben scheint man nichts verspürt zu haben. 

Hruschau. h= 100t. D— 2". Man hörte das vorangehende Rollen. 

Bielitz. h = 196t (?). Ueber die Stärke des Erdbebens sind die 
Aussagen sehr differirend; doch war die Bewegung jedenfalls sehr merklich. 
Verspürt ward es ferner am Bahnhofe zu Dzieditz, im Schlosse Czechowitz 
(h = 137 t), im Pfarrhof zu Ellgoth (h = 129 t), in der Schule zu Nickelsdorf; 
schwächer schon in Batzdorf, Altbielitz, Braunau, Czechowitz, Kurzwald, Matz- 
dorf und Zabrzeg. Wie es scheint, ward nichts verspürt in Bistray, Ernsdorf, 
Kamitz, Lobnitz, Heinzendorf. In Bielitz selbst war R=NO — SW oder 
umgekehrt; zwei Stösse, D= 2,5" der erste; der zweite D—= 4 bis 6". (Aus- 
zug aus den oflieiellen Berichten.) 

Teschen. h = 138t. Es liegen zahlreiche und gute Angaben vor, un- 
ter denen ich besonders die von Dr. Gabriel benutzt habe. Die höher gelege- 
nen Theile der Stadt wurden stärker erschüttert, und man glaubte, dass die Be- 
wegung ungefähr dem Laufe des Flusses Olsa gefolgt sei. Aehnliches wird 
indessen an vielen andern Orten behauptet, und man dürfte meist wohl nnr sagen, 
dass dort, wo die meisten Menschen wohnen, auch die meisten Nachrichten anzu- 
treffen sind. Dies gilt für viele Gegenden des in Rede stehenden Erdbebens, 
und die Gefahr ist gross, bei etwaiger Verzeichnung von Interferenzflächen, an- 
statt die vom Erdbeben nicht betroffenen Räume zu umgränzen, diejenigen her- 
vorzuheben, die entweder nicht bewohnt sind, oder wo die Leute geschlafen 
haben. In Teschen fiel hie und da Kalk von den Wänden, und es erweiterten 
sich ältere Mauerrisse. R=SO— NW. D=1.5' der erste Stoss, dem, 
ebenfalls ohne Getöse der zweite Stoss mit D — 4" oder 5" folgte. Zwischen 
2 U. und 8 U. 40 M. Abds. sank das Quecksilber um 2.3 p. Linien, und sank am 
16, Jänner noch tiefer. 

Hochwald. h = 182t. S. Hier habe ich selbst nachgefragt und erfah- 
ren, dass man das Erdbeben nur in einigen der tieferliegenden Häuser verspürte. 
Der Wächter in der Schlossruine, h = 245 t S. merkte nichts; deutlich dagegen 
ward der Erdstoss im Thiergarten (h etwa = 170 t) gefühlt. 

Friedland. h = 190t. S. Auch hier, wo ich im Februar selbst Erkun- 
digungen eingezogen habe, ward das Erdbeben nur von dem kleinern Theil der 
Einwohner gespürt. Eine genaue Beobachtung verdanke ich dem Ingenieur 
Herrn Siebert, der in seiner Wohnung die Erschütterung sehr deutlich ver- 
spürte. Die angegebene Richtung der Bewegung bestimmte ich den 25. Februar 
nach dem Azimuth der Sonne, R= SO— NW. Die Höhe dieses Beobachtungs- 
ortes; h = 194t 8. 

Celadna. Am Fusse der Berge Smrk und Kniehina, deren Seehöhen ich 
1854 genähert zu 688 t und 650t bestimmt habe. Während meines letzten 
Besuches in Celadna am 24. Februar erfuhr ich durch den Schichtmeister Herrn 
Kollarezik, dass dasErdbeben nur im tiefsten Theile des Dorfes bei der Kirche 
(h = 221 t S.) gefühlt worden sei, dagegen nicht mehr bei den erzbischöflichen 
Eisenwerken, h= 256 t S. und höher hinauf ebenfalls nicht. Selbst in den 
Berghütten (Sallaschen), namentlich auch in jener, an Certowy-Mlin, deren See- 
höhe ich 1854 — 528 t gefunden hatte, ward von der Erschütterung nicht das 
Geringste verspürt. 

Ostrawitza. Die Bewegung ward hie und da in mässiger Stärke bemerkt, 
wie es scheint an den niedrigen Punkten am besten, Bei der Kirche h = 213t8. 
bei dem Wirthshause h = 225 tS. 


186 JB. J. Schmidt. 


Barany. In dem einzelnstehenden Jägerhause, dessen Seehöhe ich zu 
338 t bestimmte, bemerkte der Revierförster Langer nicht die geringste Er- 
schütterung ; südlicher indessen gegen die ungarische Seite hin, sollen einige 
“ Bauern in ihren Holzhütten die Bewegung verspürt haben. 

Jablunkau. Das Erdbeben war von mässiger Stärke. 

Roznau an der Beezwa, westlich am 588 hohen Radost;h = 190 t S. 
Die Erschütterung war ziemlich stark, namentlich im Löschner Schlosse, auch in 
der Gemeinde Kurlowitz. D = 8'. 

Wall. Meseritsch. h = 142tS. Auch in der Gemeinde Hallenkau und 
Dorf Krasno war das Erdbeben kräftig und von Getöse begleitet. R= SW — 
NO. D= 3! bis 4. 

Nesselsdorf bei Stramberg. Die Erschütterung ward deutlich empfunden. 

Frankstadt, nördlich vom Radost. Erdbeben schwach und nur von Eini- 
gen gemerkt. In den Gemeinden Gr. Kuntschitz, Tiehau, Lichnau, Weltschowitz, 
Cordowitz, scheint man nichts verspürt zu haben. 

Ob. Beezwa. Kein Erdbeben verspürt. Chorin, Erdbeben deutlich 
gefühlt, h = 144 t nach des Prälaten von Unkrecehtsberg Messung. 

Weisskirchen. Am Bahnhofe h=146t S.; die Stadt liegt tiefer. Die 
Ersehütterung war sehr merklich, an der Ostseite am stärksten. Aus einem, von 
Herrn Mauer erhaltenen Schreiben entnehme ich R=SO—NW. und O—W. 
D—= 35 bis 7’. Der Stoss bestand aus 8 oder 10 Schwingungen, ohne Getöse. 
Die Schlossglocke soll angeschlagen haben, Allgemein ward die Bewegung ge- 
fühlt in: Zbraschau (Grauwackenkalk), hier stark, Austi (Diluvialthon auf 
Grauwackenkalk), zweimal stark, Czernotin, Drahotusch und Skalitza. In 
Opatowitz merkte man Nichts. 

Barnsdorf oder Bernatice. h = 125t S. Das Erdbeben ist beobach- 
tet worden. An den Bahnstationen der Nordbahn hat man überall die Erschütte- 
rung gefühlt. Verspürt ward die Bewegung ferner in Hlinsko h = 181t, Ob. 
und U. Wietschitz, Sobichleb h=162 t, Teschitz und Hoskenitz, dagegen nicht 
in Schlock h = 322 t, Prusinowitz, Kaslau, Gr. und U. Augezd h = 334 t (?). 


Stauding. h = 121tS. Deutlich. 
Zauchtl. h = 131tS. Ebenso. 

Pohl. h = 144tS. Schwach. 
Weisskirchen. h = 146t 8. Schwach. 
Leipnik. h = 131tS. Deutlich. 
Prerau. h= 107tS. Stark mit Getöse. 
Brodek. h = 102t S. Stark mit Getöse. 


Holleschau, Prilep, Bitritz, Hostein. Ueberall ward die Bewe- 
gung wahrgenommen. 

Drzewohostitz. Im untern Theile der Stadt ward das Erdbeben ver- 
spürt. h am Schlosse = 126 t nach einer Bestimmung des Prälaten Herrn von 
Unkrechtsberg. Aehnlich in einigen benachbarten Dörfern. 

Wsetin. h=29t. R=S-—.N.D = 10. Billnitz, Seelowitz, Carlo- 
witz ete. Hier überall, der ungarischen Gränze nahe, war das Erdbeben lebhaft, 
so dass z. Th. die Thürglocken läuteten. 

Klobauk. D=5" bis6" ziemlich stark. Es ist das am westlichen Abhange 
der kleinen Karpathen liegende Klobauk gemeint. InBrumow, Navoina ete. ward das 
Erdbeben ebenfalls verspürt. Aus Ung. Brod (h=128 tS.), Banow (h=144tS.), 
Orzechau, oder der slowakischen Aussprache mehr genähert: Orzeow (h=173tS.), 
wo der von mir jüngst beschriebene kleine Vulean liegt, fehlen alle Nachrichten; 
nur hiess es irgendwo in einer Zeitung, dass ein dorfiger Arzt aus der Verände- 
rung einiger Quellen schon vorher das Erdbeben erwartet habe. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 157 


Napajedl. h= 9915, Das Erdbeben ward sicher verspürt. 

Brünn. h= 100t. R=SO — NW. D=3'. 2 Stösse; ähnlich in 
Selowitz und Raiz. 

Iglau. h = 261t In allen diesen Orten ist zufolge offieieller 

Tarym. h = 162t | Berichte und nach Privatmittheilungen von 

Nieolsburg h= 186t [ dem Erdbeben nicht das Geringste verspürt 

Lundenburg. h— 82t8.| worden; ebenso nicht in Altstadt, Auspitz, 
Blansko, Butschowitz, Eibenschütz, Klobauk, Kunstadt, Steinitz, Zwittau. Dage- 
gen fühlte man es in Austerlitz, Wazan, R=SW—N0O.D= 1’. In 
Wischau, Drnowitz, Dieditz, R= SW —-NO. Weiter südlich und west- 
lich ist das Erdbeben gewiss nicht mehr aufgetreten, wie ich es aus allen Nach- 
richten ersehe, unter denen einige telegraphisch von der Südbahn erhalten wur- 
den; so in Wien h = 90 t W. Neustadt h = 189 t S., Gloggnitz h = 2241 8. 
Die beiden letzten Höhenangaben gelten für die Bahnstationen. Für Wien wählte 
ich einen ungefähren Mittelwerth. 

Olmütz und Umgegend. Das Erdbeben ward fast überall, aber schwach 
wahrgenommen. Die Aussagen, die ich gesammelt habe, sind zahlreich, doch 
genügt es, das Wenige folgende darüber mitzutheilen. 

Olmütz. h= 115tS. Das Erdbeben war ziemlich deutlich gewesen, so 
dass ich am Abende des 15. Jänner, zwischen 9 und 12 Uhr Nachts schon 13 Aus- 
sagen gesammelt hatte. Nach der Beobachtung des Herrn Dub, und nach den 
Beobachtungen Anderer liess sich schliessen auf R= S — N oder SO — NW. 
D — 5' bis 7" wellenförmig. Ein Getöse scheint Niemand bemerkt zu haben, 
Die auffallende Unruhe der in den Käfigen eingeschlossenen Vögel ist sicher 
eonstatirt, namentlich auch nach der Beobachtung des Herrn Dub, FD Wächter 
auf dem Rathhausthurme ward durch das Erdbeben nicht wenig erschreckt. 

Namiest und Czechowitz. Erdbeben deutlich und wellenförmig. 

Krönau. h. = 141t 8. Ebenfalls. 

Prossnitz, h= 127t. D= 3" bis 4°. Stark, aber ohne Getöse. 

Prödlitz bei Prossnit. R= SW — NO. D= 2", 3 deutliche Stösse. 
Unruhe der Vögel. In Koberschitz, Ottaslawitz, Majetein, Kokor, Dub, Krzman 
(h = 115 tS8.), Drschitz, Kremsir, Hullein (h am Bahnhofe = 102 t S), überall, 
namentlich in Kremsir, ward das Erdbeben sehr deutlich verspürt; in Kremsir 
R=SO — NW. D=4'. Die Schlossthurmglocke hat angeschlagen. 

Tobitschau h = 102. Nach der Mittheilung des Herrn Grafen 
Kühnburg war die Erschütterung hier wie auch in Klenowitz, deutlich und 
lebhaft. 

Kojetein und Pawlowitz. Bewegung lebhaft, 6 Vibrationen mit Getöse. 
R=S—.N. Luft ganz still, dann heftiger Wind. 

Gr. Teinitz R= SO—NWD= 2". Stark und wellenförmig. 
Konitz, R=N—S.D=5'. Gübau,D = 3’ bis 4. 

Homb.oe, Nagelfabrik des Herrn Nrchsutck; NO von Ölmütz, h=151 tS. 
Hier ward die Bewegung nicht bemerkt, doch giebt man an, nach 11 Uhr Nachts 
eine schwache verspürt zu haben. 

Pohorez. NO von Olmütz, südlich an dem 326 £ (S.) hohen Sauberge 
gelegen, ein langes Dorf zwischen 292 t und 258t S., wo Niemand angeblich 
etwas merkte. 

Dollein, NO von Olmütz. h = 1408. Die Bewegung ward deutlich 
empfunden, i 

Domstadtl, NNO von Olmütz. R= SW — NO. 2 Stösse mit Brausen. 
Später vielleicht eine Wiederholung. 


188 J. D. J. Schmidt, 


Sternberg, nördlich von Olmütz. h = 144t8.D = 5! bis 6'. Allge- 

mein ward die Erschütterung bemerkt; der zweite Stoss war der stärkere. Aehn- 
lich in Comarn, D = 5" bis 6". Ribsch und Gobitschau, Guritz, D = 4" bis 5”. 

; Stephanau. h = 115tS. Littau h= 120t 8. hier D = 5' bis 6". 

R = 0 — W mit Getöse. 

Schebetau, westlich von Olmütz. Im Schlosse der Gräfin Strachwitz 
hat man das Erdbeben sicher beobachtet. R— SO— NW. D=2', wellen- 
förmig. 

Plumenau. h = 190. Es sind sehr umständliche Berichte eingelaufen, 
R= SO — NW. D=35'bis 7’. Lessan, D= 6". Kosteletz, D= 5" 
bis 6°. Starichowitz, R= So — NW. Czech, 2 Stösse, D= 5" bis 6'. 

— SO NW. Auf dem zu Czech gehörigen Berg Kosir (h = 225 t) hörte man 
das unterirdische Getöse. 13° lang, merkte aber keine Bewegung. Ziarowitz, 
R=SO—NWD=8'. 

Boskowitz. Niemand in der Stadt fühlte die Bewegung, aber im Schlosse 
ward sie vielleicht verspürt. 

Gewitsch, Cetkowitz, Brennöhlhütten, R= W — O verspürt. 
Im Tisehnowitzer Kreise ward das Erdbeben beobachtet in: Gurein, R= 
SO —NW.D-=[7',in Czebin,D = 3' bis 4 und in Lomnitz. 

Mähr. Trübauu R=SW — NO ode W— 0. D= 5bis 6. 
2 Stösse. 

Aussee. Angeblich hat Niemand die Bewegung wahrgenommen. 

Pussek, Ob. Langendorf, D. Eisenberg, Trübenz, Oskau, Markersdorf. 
verspürt. 

Mähr. Neustadt und Meedl. Nur von wenigen Personen ward die Be- 
wegung verspürt. , 

Hohenstadt. Bahnhof h = 146tS. Die Bewegung war sehr deut- 
lich fühlbar. 

Tatenitz, westlich von Hohenstadt, nahe der böhmischen Grenze. Nach 
einer brieflichen Mittheilung des Ortspfarrers ward hier die Erschütterung noch 
sicher beobachtet. 

Schönberg an der Thess. h = 166 t $. Die Bewegung ward hier und 
in Zöptau R= SO — NW.D = 5" verspürt, aber sehr schwach. D auch 2', 
ebenso in Allhütten, Dohle ete.; Römerstadt, R= SW — NO. Luft still, 
später grosser Sturm. 

Bergstadt, östlich von Schönberg. R=S—.N. 2 Stösse. 

Ullersdorf, nördlich von Schönberg h=199 t. S., sehr schwach oder 
gar nicht gefühlt. 

Wiesenberg h=246 t. S. R= SO—NW. D=6" verspürt im Schlosse; 
nichts dagegen in Wüstseibersdorf und Wermsdorf h=268 t S. 

Winkelsdorf, h=300 t?S. am Fusse des rothen Berges. Hier hat 
Niemand in den Holzhütten etwas bemerkt, wobei aber nicht zu vergessen ist, 
dass die Bauern im Winter, namentlich in so abgelegenen Orten, schon um 
8 Uhr sich zur Ruhe begeben. 

Freiwaldau, h=224tS., deutlich wurden 2 Stösse beobachtet. 
R=W—0. 

Gräfenberg, h=317 t S. Niemand hat hier die Erschütterung gefühlt. 

Johannisberg, verspürt; in Jauernig und Weidenau wenig oder gar 
nieht. h=140 t und h=121 t. 

Wildschütz, hier trat die Bewegung stärker auf. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 189 


Zuekmantel, h—=203 t, hier und in der Nachbarschaft scheint man 
Nichts verspürt zu haben. 

Engelsberg, Schloss h=439 t. Das Erdbeben ward nicht gefühlt. 

Würbenthal, h=270 t. Hier ward die Erschütterung deutlich wahr- 
genommen. . 

Karlsbrunn, h=402 tS. Angeblich hat Niemand in den dortigen 
Holzhäusern die Erschütterung beobachtet. 


II. Böhmen. 


Nur ein kleiner Theil im Nordosten ist von dem Erdbeben berührt worden, 
und die Grenze, welche ich schon am Ende des Jänner gezogen hatte, erlitt 
später keine Aenderung durch die schätzbaren, von dem Herrn Statthalter von 
Böhmen Grafen Mees&ry der geologischen Reichsanstalt zugesandten Docu- 
mente. Da in dieser Gegend, südlich vom Riesengebirge am Abende des 
15. Jänner ein starker Sturm wüthete, so nehme ich keinen Anstand, die in 
Kratzau und im Bezirke Sobotka wahrgenommenen Erschütterungen nur dem 
Sturme, nicht dem Erdbeben zuzuschreiben, weil über letzteres alle positiven 
Nachrichten in dieser Gegend fehlen; auch wird diese Ansicht durch eine ganz 
ähnliche im Berichte des Statthalters von Böhmen Nr. 2876 dd. Prag 1858 
März 22. unterstützt. Ebenso ist im Friedländer Bezirke nach Aussage des 
bekannten Naturforschers P. S. Menzel das Erdbeben nicht verspürt worden, 
und es war nur von weniger glaubwürdiger Seite her die Rede, dass man ein 
rollendes Getöse gehört habe. Auch in Reichenberg, im Jieiner Kreise und in 
Starkenbach ward das Erdbeben nicht gefühlt, wie die mit meteorologischen 
Beobachtungen vertrauten Herren Dr. Boute und L. Ullrich angeben. In 
Schatzlar sah man um 11'/, Uhr Blitze. 

Geiersberg bei Wildenschwerdt. Hier ward der doppelte Erdstoss be- 
stimmt wahrgenommen, wie ich schon bald nach dem 15. Jänner durch ein 
Schreiben des Herrn Fr. Ullrich erfuhr, welches mir aus Breslau zugesandt 
wurde. Das dem Berichte Nr. 2876 vom 22. März 1858 beigefügte Document 
des Pfarrers P. Buchtel, und das erwähnte Schreiben von Fr. Ullrieh setzen 
ausser Zweifel, dass im gräflich Nimptschen Schlosse zu Geiersberg die Er- 
schütterung deutlich beobachtet ward. 

Wildenschwerdt und Böhm. Trübau, h=resp. 158 t und 190 t; 
Pardubitz, h=102 t. Hier hat Niemand die Erschütterung bemerkt. 

Das der Statthalterei zugestellte Stück Nr. 1369 zu Nr. 2876 der einge- 
sandten Doceumente gehörig, ist von dem Bezirksvorsteher Titze in Kratzau; es 
datirt vom 10. Februar 1858, und setzt den doppelten Erdstoss auf 8 U. 10 M. 
während des Sturmes. Diese sehr isolirte Beobachtung, die ich keineswegs ganz 
in Zweifel ziehen will, kann mich indessen durchaus nicht veranlassen, die auf 
meiner Karte angegebene Grenze des Erdbebens in Böhmen zu verändern. Sie 
gibt aber der Verlängerung der Curve gegen NW., wie ich sie annehme, ein 
grösseres Gewicht. 


IV. Galizien. 


Auszüge aus den von der k. k. geologischen Reichsanstalt gesammelten und 
mir zugestellten Documenten. Es sind Schriftstücke von Behörden und Privat- 
personen, sowie einige telegraphische Depeschen. 

Krakau. Aus den im Auftrage des Herrn Grafen Clam-Martinitz ge- 
sammelten Materialien entnehme ich das Folgende: 


190 JR. J. Schmidt, 


Krakau h=100 tt. Die Erschütterung ward meist nur an der Südseite 
der Stadt verspürt, nördlicher, und bei der Sternwarte nieht mehr; sie war 
nur schwach, doch glaubt man ihr den Bruch eines Rohres am Gasometer zu- 
schreiben zu dürfen. Man bemerkte sie ferner in: Siersza, Myslachowice, 
Trzebinie, im Jaworznoer Bezirk. Im Wadowicer Kreise beobachtete man das 
Erdbeben in Maköw, Sucha (h=156 t) Krzwzow ad Sucha, Wadowice, Rudze 
bei Zabor, Andrychau, Myslenice, Biala, Lipnik, Komorowice, Bestin, ferner in 
Saybusch, Kenty, Brzezinka, Poremba wielka im Oswie&imer Bezirk. Dagegen 
ward Nichts bemerkt im Jordanower Kreise, in Skavina, Kalvarya, ebenso nicht 
in Bochnia (h=107 t), wohl aber in Wieliezka (h=127 t), aber nicht in den 
dortigen Salzgruben. Im Sandecer Kreise ward das Erdbeben nur in Skrzydina 
bemerkt, (nach frühern Nachrichten, die ich schon am 25. Jänner kannte, auch 
in Sandee selbst). Nichts verspürt ward in Swoszowice und Podgorze. Der 
Pfarrer zu Podole will hier das ealabrische Erdbeben am 16. December 1857 
empfunden haben. 

In Sucha war die Erschütterung stärker und mit Getöse verbunden, auch 
zeigten sich hier wie zu Skrzydina sehr schwache Risse im Mauerwerke., 
D=2" bis 3". In Oswieeim D-15" wellenförmig. Was die Richtung anlangt, so 
finde ich angegeben: in Krakau R=0—W. Im Javorzuoer Kreise R=N—S. 
Im Wadowicer Kreise R=S—N. und SO—NW. Das Wetter war um diese Zeit 
trübe und stürmisch. An einigen Orten erhob sich gleich nach dem Erdbeben 
ein heftiger Windstoss. In Skrzydina bemerkte man am südlichen Himmel eine 
auffallende Röthe, und ward auch auf das lange ungewöhnliche Bellen der Hunde 
aufmerksam. Die Barometeränderung zu Krakau am 15. Jänner war von der in 
Olmütz beobachteten nur sehr wenig verschieden. 

Tarnow (h=106 t) und Slotwina. Die Erschütterung ward sicher gefühlt. 
R=0—W. D=10" bis 12"; schon viele Stunden vor dem Erdbeben war der 
Wind sehr heftig gewesen. 


YV. Ungarn. 


Eperies, h=131 t. Hier, in der südlichen Zips, im Tatragebirge und 
im Saroser Comitate hat Niemand das Erdbeben verspürt. (Handschrift von 
Hazlinsky). 

Kesmark h=310t. Leutschau h=272t. Csöförtökhely (Donners- 
mark) h=269 t. Iglo h=236 t. Nirgends ward die Erschütterung fühlbar. 

Kaschau h=101 t oder nach anderer Quelle h=141 t. Das Erdbeben 
am Abende des 15. Jänner trat hier nicht auf, wohl aber fühlte man deutlich 
eine Erschütterung am 17. Februar, wovon später das Nähere. Während die 
zuerst bekannt gewordenen Berichte das Erdbeben für Kaschau gänzlich in 
Abrede stellen, geht aus den spätern Documenten hervor, dass es 15. Jänner 
doch hier und da im Nagy-Röezer Stuhlbezirke, in Murany, Ratko mit W—0O 
Richtung, in Chisnyd und Nagy-Röcze bemerkt wurde. Es zeigten sich sogar 
sehr schwache Risse. 

Tokay h=71t, Pesth h=50t, Waizenh=48t, Gran h=5lt; 
Comorn h=52t, Pressburg h=63 t. Nirgends ward das Erdbeben ver- 
spürt, wie aus den von Wien aus gesammelten telegraphischen Anfragen hervor- 
geht. In Comorn war nach Kögel's Bericht das letzte Erdbeben am 10. Decem- 
ber 1857. Indessen ersehe ich aus neuern, mir am 7. April zugekommenen 
Berichten, dass die Erschütterung in der Stadt Gran dennoch beobachtet ward. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 191 


Modern. Tyrnau h=50t (??) Kein Erdbeben nach Prof. Aschner's 
Aussage; doch erhielt ich in Sillein die Notiz, dass es in Tyrnau äusserst 
schwach verspürt worden sei. 

Raab, h=60 t, nebst der ganzen Umgegend, Ung. Altenburg h=70t(?), 
Steinamanger im Oedenburger Comitate, h=115 t, alle diese Gegenden wurden, 
wie ich aus telegraphischen und andern Documenten ersehe, von dem Erdbeben 
nicht mehr berührt. 

Felsö-Szemered, NW. von Ipoly-Sägh am Eypelflusse hat man die Erschüt- 
terung deutlich verspürt. Der Säuerling von Szalatuga hatte sich seit Decem- 
ber 1857 geändert, und schmeckte nach Schwefelwasserstoffgas. In der Nähe 
liegen die Schwefelquellen von Mere und Gyugy. In Ipoly-Sägh selbst ging die 
Erschütterung unbemerkt vorüber. 

Diese für die Bestimmung der Südgrenze des Erdbebens im Honther 
Comitate werthvolle Notiz verdankt man einem Schreiben des Herrn Grafen 
Wilezek auf Felsö-Szemered. Die spätern, mir (April 7.) von der geologischen 
Reichsanstalt zugeschiekten Documente geben aber weitere Details aus dem 
Honther Comitate. Das Erdbeben ward beobachtet zu Maria nostra, Börzsöny, 
Kemeneze, Dregely, Ipoly-Sägh, Palank, Maröth, Buggany (Baka-Banya) und 
Prandorf, südlich vom Vorigen. Hier im Norden, also der Gegend von Schemnitz 
nahe, war es am stärksten; R.—SSO—NNW. oder umgekehrt. D=2" bis 3". 
Das Auftreten des Erdbebens südlich im Waizner Gebirge zu Maria nostra und 
Börzsöny macht es jetzt sehr wahrscheinlich, dass auch Gran die Bewegung ver- 
spürt habe. Ueber ein früheres Erdbeben hierselbst folgt später mehr. 

Am 15. Jänner war im Honther Comitate meist heiterer Himmel und stille 
Luft. Auch im Neograder Comitate ist die Erschütterung beobachtet worden in: 
Kekkö D=5 bis 6°, in Gr. Sztraezan im Bezirke von Balassa Gyarmath, in Gäes 
und Ob.-Tiszovnyk. R=NW-—SO. und N—S. 

Westlich vom Honther Comitate ist die Erschütterung beobachtet im Be- 
zirke Verebely, westlich von Bars im Zsitavathale, im Lewenezer Bezirke, in 
Aranyos Maröth, in Sz. Benedek, Zsarnowitz. R=SO—NW. 


Jetzt erübrigen noch die dem Centrum des Erdbebens nahen Comitate. 
Betrachtet man, ohne auf Comitatsgrenzen Rücksicht zu nehmen, die Thäler der 
Wag, der Neutra und des Granflusses, so kann man im Allgemeinen sagen, dass 
die Erschüfterung in südlicher Riehtung im Ganzen rasch abnahm, und dass sie 
unter demselben Breitengrade in den beiden letzten Thälern stärker war, was 
nach der Lage des Centrums der Bewegung erklärlich ist. Im Wagthale war die 
Ersehütterung zu Pruskau und Bellus noch sehr fühlbar, nahm aber dann gegen 
Süden so rasch ab, dass sie in Illava und Trentschin kaum noch verspürt wurde. 
Die in der ungefähren Richtung des Neutrathales liegenden Ortschaften wurden 
offenbar stärker erschüttert; am meisten Znyo Värallya (welches nur dem obern 
Ende des Thales einigermaassen nahe liegt) und Nemet Prona; schwächer in 
Nagy-Topolesan, und sehr schwach in Neutra. Stärker noch bei ungefähr glei- 
cher Distanz vom Centrum, scheinen die Ortschaften um Schemnitz, im Gebiete 
des Granthales erschüttert worden zu sein. Vom Centrum gegen NO. und O. ge- 
rechnet nahm die Bewegung im obern Laufe der Arya und der Wag rasch ab, um 
vor den mächtigen Höhen der Centralkarpathen, so wie vor einem Theile der 
Liptauer Alpen ganz auszusetzen. Ich werde diese sämmtlichen Regionen in aller 
"Kürze näher bezeichnen, und mit dem obern Wagthale beginnen, indem ich die 
eigenen Beobachtungen auf meiner Reise durch die Documente des Silleiner 
Stuhlrichters v. Tayenthal gelegentlich vervollständige. 


x 
192 J. Fı J. Schmidt. 


Thursowka im obern Kiszuza-Thale h=240 tS. Die Erschütterung war 
mässig, aber stark genug, um die meisten Bewohner aufzuschrecken. Die Kirche 
verlor etwas Bewurf und bekam einen Riss. 

Staszkow h=226 tS. Die Erschütterung ward allgemein in mässiger 
Kraft verspürt; auch vernahm man brausendes Getöse. An den kleinen Holz- 
hütten sind, wie überall, Beschädigungen nieht bemerkbar, 

Rakowa h=215 tS. Erschütterung stark und allgemein verspürt. 

Csateza h=215 tS. Der beträchtlichen aus mehrfachen Schwingungen 
bestehenden Erschütterung ging ein rollendes Getöse voraus. Hin und wieder 
fiel etwas Kalk herab, und es wurden einige Fensterscheiben zertrümmert. 
Gegen Norden hin, so glaubte man, nahm die Bewegung sehr rasch ab. Dagegen 
ist es gewiss, dass thalabwärts bis Budatin h=170 t S. das Erdbeben an Stärke 
zunahm. 

Kisueza Ujhely, h=182 tS. DasErdbeben war sehr stark, verursachte 
Beschädigungen, und wiederholte sich noch am Morgen des 19. Jänner. 

Sillein, h=174t8. R=SO—NW. D=5' bis 7’; sehr bedeutende 
Verwüstungen (siehe früher). 

Salzamt, h=173 tS. R=S—N. oder SO—NW. Alles Mauerwerk 
beschädigt. 

Teplitzka, h=175t8S. R=S—.N. Zerstörungen im Schlosse sehr 
bedeutend. 

Nedetz, h=184t8S. R=S—N. ebenfalls, aber etwas geringer. 

Gbellan, h=183tS. R=S—.N. ebenfalls, aber noch geringer. 

Varin,h=178tS. R=S—N. hier war die Intensität schon merklich 
geringer. 

Moiz, h=172t(?) S. und Moiz Lucka, h=176 t S. Erdbeben sehr 
stark, aber der Holzhäuser wegen sind Verwüstungen nicht nachweisbar. 

Streeno t), h=180 tS. R=SW-—.NO. Erdbeben sehr stark, so dass 
Gestein vom Schlosse herab fiel. 

Rosina, h=193tS. R=SO-—-NW. Erdbeben sehr bedeutend. 

Visnyove, h=193 tbis 255 t. Die grosse Kirche ward vom Erdbeben 
sehwer beschädigt. h=228 t S. Ebenso stürzten im obern Dorfe Oefen ein. 
h=247 t (Kornhuber). 

Stranske, h=221tS. Rajetz-Teplitz, h=207 tS. Turo, 
h=198tS. Lucka, h=186tS. Porupka, h=193tS. Bano wa, h=175tS. 
Ueberall war die Erschütterung höchst beträchtlich, wenn auch die Wirkungen 
der Holzhäuser wegen nicht so bedeutend wie in Sillein erscheinen. 

Bieiea, h=188tS. Sehr grosse Verwüstungen im Wagner’schen 
Schlosse. R=SO—NW. oder O—W. Andere Details nehme ich hier nicht auf, 
da sie, namentlich die Riehtungen, schon früher besprochen wurden. Bicse, 
Predmir, h=148t; Puchow, Bellus h=127 t °). 

Pruskau, h=121t(K.); Illava, h=117t(K.); Trentschin, 
h=134t 
h= 94t(K.) 
wurde. 

Rajetz, h=218 t (K.) Bewegung stark mit zwei Wiederholungen in der 
Nacht. 


fühlten das Erdbeben in viel geringerem Grade, wie schon erwähnt 


1) Von hier an sind verschiedene Punete auch von Herrn Kornhuber aus Pressburg 
gemessen worden; ich nehme einige davon auf und bezeichne sie mit (K). (Ver- 
handlungen des Vereins für Naturkunde zu Pressburg. I. Jahrgang 1856). 

2) Bei Kornhuber finde ich 381.5 Wiener Fuss = 63.6 Klafter. Hier ist vielleicht ein 
Druckfehler, oder ich habe mich in der Abschrift geirrt. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 193 


Gyuresina, ebenso; man sah Blitze. 

Domanis, Friwald, h=256 t (K.); Facko, h=263 t (K); sehon sehr 
geschwächte Erschütterung. 

Nemet-Prona, stark. Prividgye, deutlich. Neutra, kaum verspürt. 

Rutka an der Wag (im Thuroez) h=193 t S. Bewegung sehr stark und 
allgemein verspürt. 

Preeopa, h=189tS. Erdbeben sehr heftig, aber ohne erhebliche 
Beschädigung. R=W—0. (A. Nyari). 

Sz. Marton, h=197 t S. Erdbeben allgemein stark gefühlt, doch ent- 
standen nur schwache Risse. 

Szuzan, h=198 t deutlich und fast allgemein verspürt. 

Turan, h=182 t (K.) Bistritz, ebenso. Nezpal und Znyo-Värallya, 
stark. 

Bad Stuben. Das Erdbeben war heftig, aber nur mit ganz geringen 
Wirkungen an den Mauern. 

Mosoez, deutlich und zum Theil stark verspürt. 

Im nördlichsten Ungarn, Arva und Liptau: In Veszebe, Vavreska, Nizsna, 
Namesto ward das Erdbeben gar nicht oder sehr schwach verspürt. 

Hrustin. Auch hier blieb die Bewegung zweifelhaft. 

Arva-Värallya, h=258 t. (Schloss h=335 t?). Die Erschütterung 
war ziemlich stark und es gab einige Risse im Mauerwerk. R=SW—.NO. 
Getöse. In Parnitza und Nagyfalu empfand man die Bewegung ziemlich stark. 

Alsö-Kubin, h=233 t. Das Erdbeben ward hier deutlich und ziemlich 
stark verspürt. R=SW—.NO. 

Rosenberg, h=235 t. Deutliche und kräftige Erschütterung. 

Sz. Miklos, h=300 t. Der Gensdarmerie-Lieutenant J. Ritter v. Madu- 
rowitz, der am 15. Jänner sich in Sz. Miklos aufhielt, erzählte mir in Szent 
Marton, dass er erst nach seiner Abreise von dem Silleiner Erdbeben gehört 
habe. Doch vernehme ich anderweitig, dass in Sz. Miklos die Erschütterung sehr 
schwach empfunden wurde. Aus Hradek keine Beobachtungen. 


Umgegend von Schemnitz und Kremnitz. 


Die von dem Herrn Ministerialrathe Joseph Ritter v. Russegger gesam- 
melten Documente, zu denen ein Präsidialerlass dd. Schemnitz den 17. Jän- 
ner 1858, also zwei Tage nach dem Erdbeben, die Veranlassung gab, wurden 
der k. k. meteorologischen Centralanstalt eingesandt, und gelangten durch die 
k. k. geologische Reichsanstalt nach Olmütz, wo ich aus ihnen das Folgende aus- 
gezogen habe. 

„Im Allgemeinen fand in dieser Gegend die Erschütterung von NW—SO. 
statt, mit der Dauer von beiläufig 10°. In den Gruben ward es gar nicht oder 
nur sehr schwach verspürt. In der aus Granit und Gneiss bestehenden Central- 
kette der Liptauer Alpen ward von dem Erdbeben Nichts verspürt.“ 

(Aus Russegger's Schreiben.) 

Kremnitz, h=292t. R=SO—NW. (oder vielmehr umgekehrt). 
D=2'.5. Der zweite Stoss war der stärkere. In den höhern Stadttheilen war 
die Bewegung stärker. Der zweite Stoss dauerte 4.5". 

In Honeshay, Koneshay, Litta, Untersturz, Moschoz war die Bewegung 
deutlich und stark; in Bad Stuben vielleicht am kräftigsten. In Skleno hat 
Dr. Rombauer Nichts bemerkt. Im NW. von Kremnitz ward das Erdbeben 
beobachtet in Fabrikow, Tajova, h=226 t, Rieeska, Kordik, h=436 t und Her- 
rengrund, h=305 t; in den beiden letzten Orten aber am stärksten. Tajova 


194 J. F, J. Schmidt. 


R—-NW—SO. Dauer für die beiden Stösse 5’ und 15"; der letzte war der 
heftigste. Unmittelbar darauf folgte eine starke Luftbewegung. 

Neusohl, h=197t: R=SO—NW. (richtig ist das Umgekehrte); 
wellenförmige Bewegung begleitet von Sausen; das starke Sinken des Barome- 
ters begann hier erst am 16. Jänner. In Szeleez war die Bewegung deutlich. 
In der Zsarnontza Hütte und im Oberhammer ward Nichts verspürt. In Badin 
und Bad Szliäes namentlich war die Bewegung sehr lebhaft, doch sind die Er- 
zählungen eines Correspondenten in der Ostdeutschen Post vom 22. Jänner 1858 
sehr arge Uebertreibungen. (Rentmeister A. Martiny's Bericht.) Szliäes wird 
als ein allbekannter Badeort bezeichnet. Er liegt sehr nahe bei Neusohl, doch 
habe ich ihn in drei Karten, von denen zwei sehr detaillirt waren, nicht gefun- 
den. An den Quellen zeigte sich am 16. Jänner, nur die Abflussröhre wahr- 
scheinlich durch Sand verstopft. R=N—S. zwei Stösse. Um 9:/, Uhr fand 
vielleicht eine zweite Erschütterung statt. 

Altsohl, h=150t. Hainik, Ribar, Grosswies, Bues, h=153 t. Ternye, 
überall ward das Erdbeben deutlich verspürt; dagegen bemerkte man es kaum 
in Dobroniwa, Szäsz und Babina. In den Grubenwerken von Magurka ward es 
nicht bemerkt. 

Schemnitz, h=307t. R=N—S., NO—SW. und NW—SO. je nach 
den verschiedenen Angaben; sie musste hier nahe N—S. gewesen sein. In den 
Thälern scheint das Erdbeben stärker gewirkt zu haben. In der Montan- 
Gemeinde Rohnitz ward Nichts gemerkt. In Königsberg war die Bewegung stark, 
mit Getöse verbunden; D=3'; in Kalinka und im Pacherstollen spürte man 
Nichts; in Briez bestand die Erschütterung aus acht Vibrationen. AmWindschacht, 
Hodritsch und Segengottesstollen ward überall die Bewegung verspürt, z. Th. 
mit einer Dauer von 8" bis 1055 : in der oberen Hütte fühlte man Niehts, in der 
untern Hütte ward bei R="'NW--SO. das Zittern 3" lang beobachtet, und das 
Getöse vernommen. In der Erstreckung vom Pochwerke Nr. 5 bis über Steplitz- 
hof hinaus ward die Erschütterung nicht wahrgenommen. Die südlich von 
Schemnitz liegenden, vom Erdbeben berührten Orte in den Comitaten Bars, 
Honth und Neograd sind schon vorher genannt worden. Ein mir am 7. April 
zugestellter Bericht aus dem Neutraer Comitat gibt eine colorirte Karte bei, 
welche sehr schön, deutlich und richtig die abnehmende Intensität der Erschüt- 
terung von Nemet-Prona bis Neutra darstellt; gezeichnet ist sie von dem 
k. k. Bau-Eleven Spiller; der Name des Verfassers ist unleserlich. Im Neutraer 
Comitate war das Erdbeben nördlich bei Nemet-Prona, in der Gegend der Fatk- 
kowska-Hora sehr heftig; hier kennt man Trachytdurehbrüche. In dem Gebiete 
der warmen Quellen zu Dubodjel und Freistadt ward das Erdbeben nicht ver- 
spürt. Stark war es um Bäan und Topolesan. Man fühlte es noch in Bölgyen, 
in Gr. Appony, aber nieht mehr im Rippenyer Thale. 

Diese Nachrichten sind es, die ich theils selbst gesammelt, theils durch die 
wirksame Vermittlung der k. k. geologischen Reichsanstalt benutzt habe. Es 
schien mir aber, um meiner Arbeit doch keine allzugrosse Ausdehnung zu geben, 
nicht zulässig, alles im genauesten Detail wieder abzuschreiben; dazu haben sehr 
viele Angaben überdies nicht jene Wichtigkeit, die eine ausführliche Publication 
rechtfertigen würden. Indem ich überhaupt mehr die allgemeinen Haupteharak- 
tere des Erdbebens und die Geschwindigkeiten desselben untersuchen wollte, 
konnte mir über die einzuhaltenden Grenzen dieser Abhandlung kein Zweifel 
bleiben. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 195 


Bemerkungen zu den beiden Erdbeben-Karten. 


Tabelle I. Auf dieser habe ich mit Hilfe der neuen Comitatskarten eine 
nur beiläufige Skizze entworfen, die beiden Gebirge aber nach andern Karten 
eingetragen, weil die erstgenannten sie nicht enthielten. In dem Abschnitte: 
„Ueber das Centrum des Erdbebens“ findet man die Gründe entwickelt, wesshalb 
nur die Gegend des Mincow-Berges als der Anfang der Bewegung zu betrachten 
sei. Die rothen Pfeile zeigen mit ihren Spitzen nach jener Gegend hin, aus 
welcher nach den von mir an Ort und Stelle eingezogenen Erkundigungen die 
Bewegung oder das Getöse kam. Die innere rothe Ellipse umschliesst den Raum 
wo das Erdbeben nicht nur die grössten Zerstörungen des Mauerwerks aller Ge- 
bäude bewirkte, sondern wo es sich zum Theil bis gegen Ende des Februar, am 
meisten wiederholte. Die zweite grössere Ellipse soll ungefähr die Grenze be- 
zeichnen, bis wohin das Erdbeben noch ziemlich allgemein Schrecken ver- 
breitete, und schwache Risse in den Mauern hervorbrachte. Die gelben Linien 
bedeuten den Zug meiner Reise zwischen den westlichen Karpathen und Szent 
Marton, nebst den seitlichen Schlittenfahrten in den Thälern des Neutragebirges. 

Tabelle II. Aus allen von mir benutzten Materialien habe ich die Grenz- 
linien des Erdbebens bestimmt, und auf derKarte den ganzen mehr oder weniger 
erschütterten Raum durch ein rothes Colorit bezeichnet. Der ganze nördliche 
und westliche Zug der äusseren Grenze war schon vor meiner Reise bestimmt 
und erfuhr keine spätere Aenderung ; aber die werthvollen, mir von derk. k.geolo- 
gischen Reichsanstalt zugestellten Materialien haben mich erst in den Stand 
gesetzt, die südliche und östliche Grenze des Erdbebens, wie ich glaube, sehr 
genau zu ermitteln. Wer sich die Mühe nimmt, die von mir im Vorigen zusam- 
mengestellten Daten durchzugehen, und alle Umstände scharf zu erwägen, wird 
finden, dass man schwerlich zu einem merklich anderen Resultate wird gelangen 
können, 

Dagegen sind die,Regionen der verschiedenen Intensitäten, die ich durch 
dunkleres oder auch helleres Roth ausgezeichnet habe, nieht ohne einige Will- 
kür. Wer darüber ein näheres Urtheil gewinnen will, muss die sämmtlichen 
Beobachtungen auf's Neue untersuchen, wobei er wahrscheinlich bemerken wird, 
dass diesmal die Angaben nicht ausreichen. Die dunkle Ellipse des Centrums ist 
sicher ; die nächst grössere ziemlich willkürlich, die folgende, von Csateza bis 
Schemnitz reichende, nach meiner Ansicht dagegen wohl begründet. Endlich 
bemerke ich, dass die der grossen Axe des Erdbebenraumes sich anschliessen- 
den punktirten Curven, welche über Freiwaldau und Glatz hinausreichen, nicht 
als wirkliche Resultate der Untersuchung zu betrachten sind, sondern mehr 
meine Ansicht über die Intensität der Erschütterung in jenen Regionen beiläufig 
zu erkennen geben sollen. 

Die alten Vulcane bei Freudenthal und Orzeow habe ich ebenfalls hervor- 
gehoben, ohne irgend welche Speculation über: ihre etwaige Verbindung mit 
dem Erdbeben zu verfolgen. Die vuleanischen Formationen im Süden konnte 
ich nicht mit berücksichtigen, da mir die Mittel fehlen, ihre Lage anzugeben. 

Die drei schwarz ausgezogenen Kreise, deren Mittelpunet der Mincow ist, 
sind die drei Kreise gleicher Zeiten des Erdbebens, oder: 

I. Die Isochrone von 8 U. 24.0 M. mitt. Zeit des Mincow-Meridians. 
N. „ 3:21.00, e „ 
II. „ 8 „30.0 „ 2 „ 


Mittheilungen der k. k. geograph, Gesellschaft, 2. Bd. 2. Heft. 0 


196 J» F. J. Schmidt. 


Ihre Halbmesser, oder ihre Entfernungen E vom Centrum des Erd- 
bebens sind: 
I. E= 6.35 geogr. Meilen. 
I. E= 12415 , „ 
nn fer „ 
Es liegt ferner: 
Der grösste Radius des Erdbebenraumes vom Centrum bis gegen NW.—=42 g.M. 


A vom Centrum bis zur Südgrenze nahe 191%, „ 
T I 3 Ostgrenze RE Syn 
Ei bis Tarnow im NO. 2b!/, » 
Die grosse Axe der centralen ul (Sillein— Sz. Marton) hat 3.5 Meilen. 
Die kleine Axe es ONE Rn 


Der von dem Erdbeben in "bedrohlicher Weise betroffene Flächenraum 
umfasst also kaum 6 Quadratmeilen. Die ganze von der Erschütterung überhaupt 
berührte Fläche dagegen enthält, wie ich aus einer genauern Construction gefun- 
den habe, 1425 geographische Quadratmeilen. Demnach betrug der Raum der 
gefahrvollen Erschütterung nur 1/5; des Ganzen; der mittlere Radius des Erd- 
bebens stellt sich auf 21.3 geogr. Meilen, wenn die erschütterte Fläche als 
kreisförmig begrenzt angenommen wird. 

Das rheinische Erdbeben am 29. Juli 1846 berührte nach Nöggerath 
3848 geogr. Quadratmeilen, deren 113 für das Centrum der grössten Wirksam- 
“keit gerechnet wurden; der mittlere Radius betrug 35 Meilen. Das Erdbeben 
von Visp am 25. Juli dagegen, über welches wir eine Arbeit von Dr. 0. Volger 
in Zürich besitzen, ‚hat nach Petermann's Ermittlung auf das Wenigste 
5670 Quadratmeilen bewegt, welcher Area ein mittlerer Radius von 421/, geogr. 
Meilen entspricht '). Der Raum der grössten Intensität war hier nur 1.5.0 des 
Ganzen, wenn man darunter die Gegend versteht, in der steinerne Gebäude 
durchweg gänzlich ruinirt und umgestürzt wurden. Betrachtet man dagegen jene 
Fläche, auf welcher solche Zertrümmerungen wie 1858 im Gebiete von Sillein 
vorkamen, so war diese 1/,., des Ganzen. Zahlen dieser Art, wenn sie einst in 
grösserer Vollständigkeit und nach schärferer Begründung vorliegen, werden 
vielleicht Relationen entdecken lassen, durch welche man allgemein giltige 
Normalwerthe der Intensitäten für Erdbeben von ungleichem Character aufstellen 
könnte, Nur muss man sich strenge darüber einigen, an der Art und Weise der 
Zerstörungen selbst Merkmale auszusuchen, die sich bei jedem neuen Ereignisse 
wieder auffinden lassen. Denn es ist offenbar, dass bei einem und demselben 
Erdbeben, das steinerne Gebäude anders als das hölzerne, das ebenerdige anders 
als das mehrstöckige Haus oder der Kirchthurm angegriffen wird. 


Zusatz. 
Fortsetzung des Erdbeben-Cataloges für 1858. 
Der Pag. 134, begonnene Catalog hat während des Druckes meiner Ab- 
handlung die folgende ansehnliche Erweiterung erlangt, wobei zu bemerken, 


dass die Nachrichten aus den in Wien erschienenen Zeitungen entnommen 
wurden. 


t) Nach A. Favre’s Karte in dem ‚‚Memoire sur les tremblements de terre, ressentis 
en 1855“, würde die Area sich grösser herausstellen, als nach derjenigen, welche 
Dr. Petermann aus den Angaben von Volger construirt hat. 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 197 


1858. 

Februar 17., Abends 6"/, Uhr, ein deutlicher Erdstoss zu Kaschau und 
Umgegend beobachtet. Das Nähere darüber findet man in dem Abschnitte über 
die Verbreitung des Erdbebens vom 15. Jänner 1858 in Ungarn. 

März 18. schwache wellenförmige Erschütterung von NO — SW. zu 
Bukarest. (Wiener Zeitung 1858 April 2.) 

März 19. starke, z. Th. gefährliche Erdstösse im nördlichen Portugal, 
(Allgem. Zeitung Nr. 97 vom 7. April.) 

März 21. Nachts 1 Uhr, 2 leichte Erdstösse zu Donaueschingen. 

März 27. 3 leichte Erdstösse zu Monastir. 

März 31. und Anfangs April. Bedeutende Erdstösse zu Lagonero und 
andern, schon am 16. December 1857 im Königreiche Neapel betroffenen Ort- 
schaften. 

April 2. bis 13. Erneuerung der starken und gefährlichen Erdstösse zu 
Rosegg in Krain, (Wiener Ztg. April 15.) 

April, 6 Uhr Nachts, lebhafte Erschütterung zu Piedimulera in Piemont. 
(Wien. Ztg. April 15.) 

April 11. Mittags 1°/, Uhr, leichter Erdstoss zu Genua (V\\ien. Zeitung 
April 17.) 

April 13., sehr heftige Erschütterung zu Rosegg. 

April 19., Früh 2 Uhr 40 Min. möglicherweise eine sehr schwache 
Ersehütterung zu Olmütz, nach Angabe des Bibliotheksbeamten Herrn €. Dub. 

April 19., 20., 21., starke Erdstösse zu Brussa in Kleinasien. 

April 23., Abends 7 Uhr, Erdbeben im Oosthale (Baden). 

April 24., Mittags, Erdbeben im Böhmer Walde, zu Taus, Neumark ete. 

Aus den Zeitungen ist das Datum nicht mit Sicherheit zu entnehmen, da 
bald vom 24., bald vom 25. April die Rede ist. Wahrscheinlich ist 25. April für 
das Erdbeben im Böhmer Walde das richtige Datum. 

Mai, Anfang; bedeutende Erdstösse in Calabrien. 


Aeltere Erdbeben in Ungarn, Mähren und Schlesien. 


Die folgenden Angaben werden ungeachtet ihrer geringen Vollständigkeit 
denen nützlich sein, welche sich mit der Catalogisirung der Erdbeben beschäfti- 
gen. Viele davon werden gänzlich unbekannt sein, und ich werde daher die 
Quellen etwas genauer bezeichnen. 

Ob das grosse verheerende Erdbeben am 25. Jänner 1348 Mähren und 
Ungarn berührt habe, ist mir nicht bekannt geworden. Unwahrscheinlich ist es 
nicht; das Centrum scheint in Krain gewesen zu sein. (L. Jeitteles in der 
Wiener Zeitung 1858 April 25.) 

Angeblich 1443 ward Olmütz vom Erdbeben betroffen. 

Während meines Aufenthaltes in Sillein erhielt ich durch die Güte des 
Herrn Präfeeten Fr. Drahotusky die Abschrift (Auszug) von einem in dem 
Archive zu Trentschin befindlichen Documente, welche lautet: 

„Der Seeretär des Palatinus Thurzö, Namens Zavolsky, berichtet in 
seinem Notizbuche: Im Jahre 1600, den 21. u. 22. September hat mau ein 
heftiges Erdbeben im Rajeez- Thale bis Sillein verspürt. (Zavolsky hat sich 
zu jener Zeit im Rajeezer Bade aufgehalten.) Im Jahre 1613, den 16. Novem- 
ber geschah eine ähnliche Erschütterung.* j 

Was die letztere betrifft, so bemerke ich, dass der Bericht der Trentschi- 
ner Comitatsbehörde an die k. k. geologische Reichsanstalt, bezüglich des Erd- 

0? 


198 J. F. J. Schmidt, 


bebens vom 15. Jänner 1858, ein anderes Datum anführt, nämlich: 1613 

März 4., 12 Uhr Nachts. Vermuthlich waren 1613 zwei oder mehr Erdbeben 
in dieser Gegend. 

j In Gbellan erfuhr ich vom Herrn Grafen A. Nyari, dass sich auf dem 

Schlosse Streöno eine alte Urkunde befinde, die eine Maurerrechnung über 

einige vomErdbeben bewirkte Beschädigungen enthält. Sie ist vom Jahre 1620, 

zur Zeit, als Graf W esselenyi Stre@no besass. 

1635, Juli 2., Abends 8 Uhr, bemerkte man zu Olmütz mehrere heftige 
Erdstösse während einer Windstille, worauf ein furchtbares Donnerwetter folgte. 
(Geschichte der Stadt Olmütz von O. Wlad. Fischer, Pag. 151.) 

1715, Erdbeben zuTeschen. (L.Jeitteles in derW. Ztg. 1858 April 25.) 

1755, November 1., und 1756, Februar 18., scheint, namentlich das 
zweite, Böhmen mit berührt zu haben. 

1763, 1764, starke Erdbeben zu Komorn. 

1778, angebliches aber zweifelhaftes Erdbeben in Oberungarn. 

1783, Erdbeben zu Komorn. 

1785, Erdbeben in Schlesien und Ungarn (nach L. Jeitteles). 

1786, December 3., Nachmittags 4 Uhr, starkes Erdbeben in Ober- 
ungarn, Schlesien und Mähren (in Landeschroniken erwähnt). 

1798; das Jahr ist unsicher; es ward eine Erschütterung zu Sz. Marton 
im Thuroezer Comitate beobachtet. Dies erfuhr ich im Februar 1853 zu Szent 
Marton von dem dortigen Domherrn Mesner. 

1801, angeblicher Erdstoss zu Leobschütz. 

1822, Februar 16. und 19., Erdbeben zu Komorn; Februar 19., auch 
an vielen andern Orten. (Sammlung von Arbeiten ausländ. Naturforscher von 
Nöggerath und Pauls.) 

1822, Dec. 24., starker Erdstoss zu Littau in Mähren, beobachtet von 
A. Spaiek daselbst. Ich fand diese Notiz in dem Berichte des mähr. Statthalters 
(über das Erdbeben des 15. Jän. 1858) Nr. 2301, welcher mir zur Einsicht vorlag. 

1826 oder 1827. Ein Erdbeben im Thuroezer Comitate, nach des 
Domherrn Mesner Mittheilungen in Sz. Marton im Februar 1858. 

1837, Datum unbekannt; an einem Morgen ein schwacher aber deutli- - 
cher Erdstoss zu Olmütz. Mittheilung des ältern Wächters auf dem Rathhaus- 
thurme zu Olmütz. 

1841, im Spätsommer, ein Erdbeben zu Ipoly-Sägh im Honther Comitate. 

1842, Februar 1,, Erdstoss zu Littau in Mähren. (Siehe die Anmerkung 
zu 1822 December 24.) 

1846, angeblicher Erdstoss zu Rajeez, südlich von Sillein. (Jeitteles 
in der Wiener Zeitung, 1858, April 25.) 

1851, wahrscheinlich am 2. Juli, ein starker Erdstoss beobachtet zu 
Honth, östlich von Ipoly-Sägh im Honther Comitate. Diese Notiz, wie jene von 
1841 entnehme ich einem Briefe des Grafen Wilezek auf Felsö-Szemered an 
Haidinger, der den Berichten über das Erdbeben am 15. Jänner 1858 bei- 
gefügt war. b 

1853, im Sommer, ein genügend constatirtes Erdbeben im Gebiete von 
Sillein. Ich erfuhr indessen während meines Aufenthaltes in jener Gegend weder 
das Datum noch die näheren Umstände. 

1857, April 2., starkes Erdbeben mit Getöse im Waizner Gebirge bei 
Börzsöny u. a. a. O. (Bericht Nr. 1031 der Honther Comitatsbehörde über das 
Erdbeben am 15. Jänner 1858.) 


Untersuchungen über das Erdbeben am 15. Jänner 1858. 199 


Beilage I. 


Die von der k. k. geologischen Reichsanstalt ausgegangene Aufforderung 
wegen des Erdbebens am 15. Jänner 1858 hat auch in weiterer Folge noch 
Früchte getragen, indem offieielle Berichte über andere Erschütterungen einge- 
laufen sind, welche mir während meines Aufenthaltes in Wien, durch die Güte 
des Herrn Sectionsrathes Haidinger und des Herrn Bergrathes Fr. Ritter von 
Hauer zur Benutzung‘ vorgelegt wurden. Ich gebe im Folgenden einen Auszug 
aus vier officiellen Schriftstücken, denen ich das Nöthige beifügen werde. 

Wien, 17. Mai 1858. 


I. 


In Begleitung eines Schreibens von dem Herrn C. Fritsch, ward Seitens 
der k. k. meteorologischen Centralanstalt ein Bericht über die oftmaligen Erd- 
beben bei Litschau an die k. k. geologische Reichsanstalt eingesandt, über 
welchen ich folgende Mittheilungen bekannt zu geben für nützlich halte. 

Litschau liegt in der nordwestlichen Ecke von Unterösterreich, nahe 
südlich von dem böhmischen Orte Neu-Bistritz, westnordwestlich von der mähri- 
schen Stadt Znaym. In geringer Entfernung westlich von Litschau erhebt sich 
der Eulenberg, den die Berichterstatter einstimmig für den Ausgangspunet der 
Erschütterungen halten. Am nordöstlichen Fusse dieses Berges liegt das Dorf 
Schlag. 


Beobachtungen in der Glasfabrik zu Josephsthal, Bezirk 
Litschau. 


Diese sind angestellt von dem Beamten der Glasfabrik, Herrn Franz 
Rauscher, und von dem Bezirksarzte, Herrn Dr. Genbacher, ddo. Waid- 
hofen an der Thaya, 14. April 1858, eingesandt worden. Nach des Letztern Be- 
merkung soll ein Bericht in der „Presse“ vom 3. November 1857 viele Ueber- 
treibungen enthalten. 


1854, September 12., 61/, Uhr Abends, ein heftiger Erdstoss mit mi- 
nenartiger Explosion, so dass Mauern zitterten und Fenster klirrten. Luft still 
und heiter, Barometer ungewöhnlich hoch. Um 9 U. und 9 U. 15 M. noch zwei 
schwächere Erdstösse. 

1854, September 13., Früh 2:/, Uhr, ein heftiger Erdstoss, ähnlich 
dem Ersten; gleich darauf ein schwacher. Um 4:/, Uhr Früh, um 9 Uhr Früh 
und 7 Uhr Abends schwache Stösse. Luft still und rein; Barometer noch höher 
als gestern. Angeblich soll schon einige Tage vorher unterirdisches Rollen zu 
Josephsthal beobachtet worden sein. 

1855, Mai, Juni, Juli, August. Es wurden sehr oft zu verschiede- 
nen Zeiten des Tages Erdstösse verspürt, doch war keiner an Heftigkeit den 
beiden frühern gleich. Ueber die Richtung blieb man im Unklaren. Im Umkreise 
von 2 bis 3 Stunden wurden die Erschütterungen bei meist hohem Barometer- 
stande wahrgenommen. 

1856, Jänner 26., Abends 8 U. 45 M. zwei schnell aufeinanderfolgende 
sehr heftige Erdstösse, dass selbst hölzerne Gebäude stark erschüttert wurden, 
und leichte, freistehende Gegenstände umgeworfen wurden. Abends 9 U.5M. 
ein schwacher entfernter Knall. 

1856, Jänner 27., um 12 U. 45 M. Früh, ein sehr heftiger Erdstoss, so 
dass Gläser, die auf einem Tische standen, zusammenschlugen und klirrten. 


200 J. F. J. Schmidt, 


Luft trüb und nass, Barometer sehr tief. Richtung SW—NO.. oder S—.N. (also 
vom Eulenberge her). Nur die dem Eulenberge bis auf 1 oder 2 Stunden nahen 
Orte fühlten die Erschütterung. Hierauf blieb es lange Zeit ruhig. 

1857, Juli 16., ein Erdstoss von mittlerer Stärke; an den folgenden 
Tagen verschiedene schwächere. 

1857, Juli 27. Mittags 12 U., Juli 28. 11 U. Vormittags, Juli 29. 
5 U. Abends, bedeutende Erdstösse in der SW—NO.-Richtung. Luft still und 
schwül. Barometer sehr hoch. (Ich bemerke, dass Juli 27. Mittags auch zu 
Aachen ein Erdbeben stattfand). 

1857, September 29. Abends 7 U. ein heftiger Erdstoss, gleich dem 
ersten am 12. September 1854. Luft trübe. 

1857, September 30., Abends 7 U. Der von allen bedeutendste Erdstoss. 
Er war so heftig, dass alle Gebäude im Fundamente erzitterten, und das Laub 
der Bäume in starke Bewegung gerieth. Die Richtung war die frühere. Wit- 
terung wie September 29, trübe und still; Barometer sehr tief. Bei diesem 
und dem frühern Stosse ward das rollende Geräusch in der Luft hörbarer, 
so wie die Stösse in ein Rollen übergingen, das man unter den Füssen durch- 
laufend verspürte. (Wortlaut des Manuseripts.) 

1857, October 4. Abends 9 U. ein schwächerer Stoss; R=S—N un- 
gefähr. Luft still und rein. Die Erdstösse von 1857 hatten eine etwas grössere 
Verbreitung als die früheren. Zu dieser Beobachtung macht der Berichterstatter 
folgende Bemerkung: 

„Bei einem dieser Erdstösse war eine gute Boussole, welche schon vor 
dem Erdbeben eine bedeutende Störung erlitt, nach erfolgtem Stosse in zittern- 
der Bewegung von W.zuN.“ (d. h. also, es verringerte sich die westliche 
Deelination — den Wortlaut des Satzes habe ich der Verständlichkeit wegen 
etwas ändern müssen. S.) „Ich glaube ausser allen Zweifel setzen zu dürfen, 
dass der Herd dieser Erscheinungen im Innern des Eulenberges zu suchen sei.“ 

Dieser Bericht des Herrn F. Rauscher ist vom 7. November 1857. Ein 
Zusatz des Dr. Genbacher gibt an, dass auch 1858 April 8. und 10. starke 
Erdstösse in der Umgegend von Litschau beobachtet wurden. Er erwähnt ferner, 
dass laut Aussage des Herrn Wundarztes Benediet Eigl auch 1855, Februar 1., 
und 1857, October 1., Bewegungen verspürt wurden. 


II. 


Ueber das Erdbeben im Böhmerwalde, 1858, April 24., sind drei offieielle 
Berichte nach Wien gesandt worden. Aus diesen von dem Statthalter Böhmens, 
Graf Mecsery Excellenz, unterzeichneten Documenten entnehme ich Folgendes: 

Die Erschütterung war recht merklieh, und von rollendem Getöse beglei- 
tet. Sie ereignete sich am Mittage des 24. April. Verspürt ward sie zu Neu- 
markt (Pilsener Kreis), zu Maxberg, Friedrichsthal, Dobrikau, Hostau 11 U. 55M. 
Morgens; Pfraumberg, Bischofteinitz, Taus. Aus dem Protokolle ergibt sich 
nichts Bestimmtes über die Richtung; doch ist das Erdbeben vollkommen durch 
die Aussagen vieler Personen bestätigt, und unterliegt demnach keinem Zweifel. 


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Mittheilungen der Ich. ‚geographischen Gesellschaft IL Jahrg 2 HA S.43. 


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Untersuchungeu über das Erdbeben am 15. Jänner 1858, 2301 


Beilage Il. 


Am 18. Mai erhielt ich von dem Herrn Sadebecek, Professor am Magda- 
lenäum in Breslau einen schätzbaren und sehr genauen Bericht über diejenigen 
Ortschaften im preussischen Schlesien, welche am 15. Jänner 1858 von dem 
Erdbeben berührt wurden. Da diese für die nördliche Grenzlinie, und selbst für 
nachträgliche Untersuchungen über die Geschwindigkeit von erheblichem Inter- 
esse erscheinen, so will ich sie in geordneter Uebersicht hersetzen, wobei der 
Kürze wegen die folgenden Bezeichnungen gelten sollen. 
die nördliche Breite des Ortes. 
die (—) östliche, oder (+) westliche Länge des Ortes, gegen 
Breslau gerechnet, ausgedrückt in Zeitminuten und deren Deeimalen. 

die Richtung der Erschütterung. 

. die Dauer derselben. 

die mittlere Ortszeit des Erdbebens, die als genau angegeben ward, 
wo ein (*) dabei steht. Einige Zeiten gelten für den Breslauer 
Meridian. 

Wien, 19. Mai 1858. 


Sp» rw 


Preussische Orte. 


Beuthen 50° 21'| — 7.5M.SW—NO.| 4.5" 


Breslau 

Brieg 50 51 | —16 Wiederholung gegen 
Mitternacht. 

Carlsruhe 50 54 | — 32 

Cosel 5019| — 74 


Cosel, Festung |50 20 | —45 Breslauer Zeit. In 


verspürt in: Stiblau, 
Krzanowitz, Autisch- 
kau, Friedersdorf, 
Leschnitz, Czarnosin. 
Falkenberg 5039| — 2.3 


Giersdorf 50 21 | —14 2 Stösse, jeder von 
angegebener Dauer. 

Gleiwitz 5017| —65 ° |3 Stösse, der mittlere 
am stärksten. 

Guttentag 50 44 | —5.7 2 leichte Stösse. 

Hammer (Deutsch))50 23 | — 0.9 schwach. 

Hirschberg 50 54 | +5.2 2 Stösse. 


Jacobswalde 50 17 | — 5.2 Getöse vor der Be- 
ee wegung. 
SW—N0.|6 —8° | 8, 31 „ Breslauer Zeit(?) 


(so im Manuseripte), 


Königshütte 50 18 | — 46 


% Stösse. 
Koppitz 50 39 | —1.5 10 Sr, 
Kottulin 5028| —5.6 Ss—N. 
Kreutzberg 50 58 | —4.7 
Kunsdorf 50 4| +07 
Leipiz 50 44 | + 0.2 wellenförmig. 
Leschnitz 50 26 | 9) 46 4" 
Lindewiese 5024| —1.7 Ww—0 
Lissek 50.71 —55 
Loslau 50 .0|-55 |o-w| % 


202 Anton Ed. Zhishman. 


Name I; Bemerkungen. 
Lublinitz — 6.6M. 5 Stösse. 
Miechowitz 50 21 | —7.3 
Mislowitz 5015| —- 85 


Münsterberg 150 36 nahe 0,0 heller röthl. Schein am 


östlichen Himmel. 


Neisse 50 2383| +12 2 Wellen. 

Neustadt 50 18 | — 0.2 

Oderberg 49 55 | —5.5 starke Erschütterung. 

Ohlau 50 56 | —1.0 

Oppeln 50 40 | — 3.6 8 U. 30 M.? [2 Stösse. R=SW ge- 
gen NO. nach Andern, 

Petrzkowitz 49 53 | — 5.0 In den Gruben schwä- 
cher als oben. 

Pless 49 58 | — 8.0 8 „ 15 „ )|Nach versch. Angaben. 

8 „ 20 „ 2?|DieErschütterung war 
8 „ 25 „ )lheftig in Pless. 

Proskau 50 53 | — 3.3 8,0, 

Ratibor 50 2| —47 8 „ 30 „(2)|2 Stösse. 

Reichenbach 50 43 | +1.5 

Rauden 50 12 | —5.7 

Reichenstein 50 25 | +07 8,„ 26 „ * |versch. rasche Stösse. 

Rudzinitz 50 23 | — 5.6 2 Stösse. 

Rybnik 50° 5| —61 8, 33 „(In der Gegend von 
Niewiadom wurde die 
Erschüttg. von einem 
Blitzschein begleitet. 

Salesche 50 25 | —5.2 

Sehönwitz 5023| —51 

Stein (Gross) 150 32 | — 42 stark, von orcanartigen 
Windstössen beglei- 


tet; um 111/, U. Wie- 


derholung. 
Strehlitz 531 A| —33 
Tarnowitz 50 27 | —7.3 Unterirdisch. Donner 
Tost 5023| —59- 
Wilkau 50 45 | +08 


vn. 


Die Nikobareninseln. 


Von Anton Eduard Zhishman, 
Professor an der k. k. nautischen Akademie in Triest. 
(Mit einer Karte.) 

Nachdem die Umschiffung der Südspitze Afrikas geglückt und Europa mit 
den südasiatischen Küsten in direeten Verkehr getreten war, herrschte allgemein 
der Glaube, dass man dem Alterthume bereits bekannte Festländer und Inseln 
nur wieder gefunden habe. 

Man forschte emsig nach der Bestätigung dessen, was uns die klassische 
Geographie darüber berichtete und meinte für jeden neuen Punct in den Werken 
der Alten einen Namen entdecken zu können. In dem sechszehnten Jahrhun- 
derte diente das Werk des Claudius Ptolomäus noch als Handbuch für Reisende 
in den Orient. Daher kam es auch, dass die in dem siebenten Buche dieses 
Schriftstellers erwähnten Sabariden und drei Sindae-Inseln, welehe man von An- 
thropophagen bewohnt glaubte, so wie auch das östlich von Taprobane, dem 


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Miithettungen der ke hu geogruphischen Gesellschaft, Ikıhrgung, 2 Heit 5 202 


Die Nikobareninseln. 203 


jetzigen Ceylon, in einem etwas südlicheren Breitenstriche gelegene Eiland des 
guten Geistes (AyaIoü daikovos vnsas) auf die Nikobarengruppe und namentlich 
letztes Eiland auf das heutige Gross-Nikobar (Sambelong) bezogen wurden. 
Die Frage ob die Alten wirklich eine Kenntniss von jenem Archipel hatten, muss 
in Folge der überlieferten, mangelhaften Angaben für immer unbeantwortet blei- 
ben; die genannten Eilande des Ptolomäus hält man übrigens nach den bis 
jetzt erfolgten Forschungen bald für Lingan mit den umliegenden Inseln, bald 
für das östlich von Habaudin gelegene Java, bald für Theile Sumatras. 

Die ersten sicheren Nachrichten über die geographische Existenz der 
Inselgruppe gehören den Arabern an. Arabische Kaufleute unternahmen in dem 
neunten Jahrhunderte Fahrten nach dem südlichen China. Zwei Reisen aus jener 
Zeit, welche sich über die Küsten von Malabar, die Madediven, die Insel Ceylon, 
die Andamanen und Nikobaren und auf das transgongetische Indien von Malakka, 
bis China erstreckten und von denen eine im Jahre 851 nach Christi, die zweite 
im Jahre 877 nach Christi unternommen worden war, wurden von den Unterneh- 
mern selbst beschrieben und zu Anfange des achtzehnten Jahrhunderts von dem 
französischen Gelehrten Eusebius Renaudot übersetzt und in Paris veröffent- 
licht. Nach den Anzeigen der Reisenden waren im neunten Jahrhunderte die 
Nikobaren unter den Namen Megabalu und Legabalu bekannt; Wesentliches 
wurde über dieselben nicht berichtet, Die nächste Erwähnung der Inseln erfolgte 
durch den bekannten Reisenden des dreizehnten Jahrhunderts, den Venezianer 
Marco Polo. „Wenn man“, heisst es in seinem Buche, „Java und das Königreich 
Lambri (an der Westküste Sumatras) verlässt und ungefähr hundert und fünfzig 
Meilen weiter segelt, kommt man an zwei Inseln, von denen eine Nokueran, die 
andere Anguman heisst. Nokueran wird von keinem Könige regiert und die Be- 
wohner sind von dem Zustande der Thiere wenig entfernt: alle Männer und 
Weiber gehen nackt und haben keinen Theil des Körpers bedeckt. Sie sind 
Götzenanbeter, ihre Wälder sind voll der edelsten und köstlichsten Bäume, so 
wie der weissen und rothen Sandelbäume, welche die indischen Nüsse (Kokos- 
nüsse) tragen und Gewürznelken- und Farbeholzbäume, ausser welchen sie viele 
verschiedene Specereien haben.“ Die Insel Nokueran nennt Odoardo Barbosa 
im Jahre 1516 Nauakar. Sie bildete nach ihm mit den zwei benachbarten Eilan- 
den den sichersten Hafen Indiens; jetzt führt sie den Namen Nankovry. Die 
Fahrten des Almeida, des Sigueira, Albuquerque und Melo, welche in 
den ersten dreiDecennien des sechszehnten Jahrhundertes die Gewässer des niko- 
barischen Archipels befuhren, blieben ohne Resultat für deren geographische 
Kenntniss. Den Portugiesen mussten in der That jene Eilande ohne Städte und 
ohne Handel nur unbedeutend erscheinen im Vergleiche zum berühmten benach- 
barten Malakkareiche. Uebrigens gingen die europäischen Schiffe nach der Um- 
seglung des Vorgebirges der guten Hoffnung am häufigsten zuerst nach Achem 
auf Sumatra, wo sie gleichsam eine Station hatten, und von dort aus nach Malakka, 
wobei die Nikobaren vermieden werden konnten. Erst am Schlusse des sechs- 
zehnten Jahrhunderts geschah abermals eine Erwähuung der Inselgruppe durch 
den Capitän Lancaster, welcher 1592 in dem bengalischen Meere erschien, 
um entweder der englischen Regierung oder einer Handelseompagnie sichere 
Berichte über die Küsten und Inseln beider Indien zu liefern. Er erreichte die 
Nikobaren glücklich, fand sich aber, wie es hiess, „wegen Mangel an gehörigen 
Mittagsbeobachtungen südwärts verschlagen.“ Der Glaube an Wunderdinge, 
welcher auf der westlichen Hemisphäre die ersten Reisenden zu so manchen 
Unternehmungen antrieb, führte in dieser Periode auch einige Holländer auf die 
Inselgruppe der Nikobaren. Sie hatten von einem Brunnen auf der Insel Niko- 


204 Anton Ed. Zhishman. 


bar gehört, dessen Wasser die Eigenschaft besass, Eisen in Gold zu verwandeln 
und sollen dort in starker Bewaffnung gelandet sein; der Muth und der heftige 
Widerstand der Eingebornen nöthigte sie geapen von ihrem Vorhaben, Herren 
der Insel zu werden, abzustehen. 

Der erste bekannte Holländer, welcher di Nikobaren besuchte, war der 
wackere Cornelius Houtman. Von seinen Landsleuten aus der Schuldenhaft 
in Lissabon befreit, wurde er nach dem indischen Oceane geschickt, um Nach- 
richten über dessen Küsten zu erhalten, denn der Welthafen Portugals blieb nach 
der Vereinigung Portugals mit Spanien für die Holländer gesperrt, und es han- 
delte sich mit Indien einen direeten Handel zu eröffnen. Houtman besuchte 
die Nikobaren im Jahre 1599; damals landete daselbst auch der Engländer 
Davis als Pilot auf einem holländischen Schiffe. Den Aufenthalt fanden die 
Holländer so angenehm und die Küsten der Eilande so sicher, dass sie dort fast 
einen Monat zubrachten. Davis erzählte, dass die Einwohner arme Menschen 
waren, welche kein Land bebauten und nur von Hühnern, Fischen und wilden 
Früchten lebten. Da auf den Inseln kein Reis zu finden war und man ohne Brot 
nicht länger bestehen konnte, so wurde am 25. Tage nach der Ankunft wieder 
abgesegelt. Die Breite der Insel Nikobar schätzte man auf 8°00. In Jahre 1602 
erschien am 9. Mai der bereits erwähnte Capitän Lancaster zum zweiten Male 
im Nikobarenarchipel, wo er zehn Tage verblieb. Er besuchte während dieses 
kurzen Aufenthaltes auch die durch einen breiten Canal von Gross- und Klein- 
Nikobar getrennten nördlichen Eilande. Ein ungünstiger Wind und der Zustand 
eines leck gewordenen Schiffes nöthigten ihn auf einer kleinen Insel Zuflucht zu 
suchen. Es war dies das Inselehen Sombreiro, jetzt Bampoka genannt, welches 
den portugiesischen Namen wegen seiner Aehnlichkeit mit einem Hute erhielt. 
Die Küste des Eilandes, wo der Capitän auch den Verlust eines Ankers zu be- 
klagen hatte, fand man mit Riffen besäet, die Eingebornen milde, furchtsam und 
von sehr schwarzer Farbe, welche sie mit in Streifen aufgetragenen verschiede- 
nen Colorirungen zu lichten wussten. Ihre angeblichen Priester gingen in so 
knappe Kleider gehüllt, dass selbe dem Körper gleichsam angeklebt erschienen; 
am Kopfe trugen sie zwei Hörner; das Gesicht war grün und gelb bemalt und 
rückwärts hing ein bis zum Boden reichender Schwanz, wodurch sie nach den 
Begriffen damaliger Zeit Teufelsgestalten ähnlieh erschienen. Das Eiland war 
voll von Bäumen, in Höhe und Uinfang geeignet, Schiffbauholz für die grössten 
Fahrzeuge zu liefern. In dem Sande des Strandes entdeckten die Engländer 
eine sehr kleine Pflanze, welche bis zum Baume emporwuchs, bei der Berührung 
sich stets in den Boden verbarg und immer nur mit grosser Gewalt ausgerissen 
werden konnte. Ihre Wurzel wurde für einen Wurm gehalten, welcher in dem 
Masse, als das Gewächs zunahm, allmälig verhärtete und verholzte. Diese Meta- 
morphose gehörte zu den Wundern jener Zeit. Man glaubte sogar, dass sie noch 
nach dem Absterben der Pflanze fortdauere, da diese wenn jung ausgerissen und 
getrocknet, hart wie Stein und einer weissen Koralle ähnlich werde. Mehrere 
Exemplare dieses abenteuerlichen Gewächses wurden nach England mitgenom- 
men. Dieser fabelhaften Denkwürdigkeit der Inseln wurde von dem Schweden 
Nikolaus Kionping nicht lange darnach eine zweite hinzugefügt. In dem erst 
nach seinem Tode, im Jahre 1674 veröffentlichten Reisewerke wird erzählt, dass 
das holländische Schiff, auf welchem er als Lieutenant an den Nikobaren landete, 
von einer grossen Anzahl von Schwanzträgern umringt wurde. Da sich diese in 
das Fahrzeug zu drängen versuchten, geriethen die Fremden in Angst und feuer- 
ten die Geschütze ab. Der Knall setzte die Eiländer in Schrecken und brachte 
sie zum Weichen. Am folgenden Morgen schickte der Capitän ein Boot mit fünf 


| 


Die Nikobareninseln. 205 


Matrosen ans Land, und als diese nicht zurückkehrten, ein zweites am andern 
Morgen, welches er stärker bemannen liess. Die Mannschaft des zweiten Boo- 
tes fand nur die Knochen der unglücklichen Cameraden am Strande. Es ist be- 
kannt, dass jene nur von der Ferne gesehenen Schwänze, an deren wirkliche 
Existenz sogar Mondobbo, Linn& und Buffon glaubten, nur hinunterhängende, 
aus der Rinde eines Baumes verfertigte Schleifen waren. Dass die Bewohner 
der Nikobareninseln zu jener Zeit noch Menschenfresser waren, leuchtet aus 
dem Werke: Walter Schultzens von Harlem: Ostindische Reise. Amst. 1676, 
hervor, Der Verfasser befand sich im Jahre 1662 im Nikobarenarchipel und 
machte über dasselbe folgende Bemerkung: „Diese ins Süden gelegene Insel, 
nebenst denen ins Norden ligende Andamaons nach dem bengalischen Meere zu, 
werden wenig besucht. Es ist schädlich und gefährlich, mit den Schiffen an die- 
selbe zu stossen und Schiffbruch zu leiden, in Betrachtung, dass die Inwohner 
sehr tyrannisch mit solchen Menschen umgehen. Sind starke, grosse Leute wie 
kleine Riesen und abgesagte Feinde der Christen und aller anderen Völker, so 
dass die Schiffbruchleidenden und sich auf diese Insel salvirende Menschen den 
Nikobaren zum Raub und Speise werden, welches noch im verwiehenen Jahre 
geschehen ist: da nemlich die Schiffe Wesep und Brauers-haven auf der Reise 
von Batavia nach Bengalen, nahe bei der südlichsten Insel Andamaos Sehiffbruch 
litten; die Schiffsleute aber, sobald sie ans Land gekommen waren, von den In- 
wohnern jämmerlich ermordet nnd gefressen worden: woselbst auch mein vor- 
maliger Schillsherr Jacob Moocker sein Leben einbüssen musste.“ 

Dampier betrachtete die Bewohner der Nikobaren viel milder. Dieser 
ebenso abenteuerliche als wahrheitliebende Seefahrer langte bei den Inseln im 
Jahre 1688 an und zwar auf einem jener europäischen Corsarenschiffe, welche 
in jener Zeit die chinesischen und indischen Gewässer durchkreuzten. Dort er- 
hielt er die Erlaubniss das Fahrzeug zu verlassen. „Ich hatte die Hoffnung“, 
schrieb er später, „mir mit dem Handel von grauem Ambra fortzuhelfen und bei 
den Eingebornen ein grosses Vermögen zu erwerben. Ich hätte dort in kurzer 
Zeit deren Sprache erlernt; und dadurch, dass ich mich angewöhnt hätte, mit 
ihnen in den Canoes zu rudern und ihre Lebensweise angenommen hätte, würde 
ich eingesehen haben, wie viel und in welcher Jahreszeit sie davon gewinnen. 
Ich glaubte, dass es mir in der Folge leicht gewesen wäre, mich auf einem eng- 
lischen, holländischen oder portugiesischen Fahrzeuge wieder einzuschiffen und 
nach Achem zu fahren. Dort hätte ich Tauschwaaren für die Insulaner geholt 
und damit graue Ambra eingehandelt.“ Nach einiger Schwierigkeit wurde 
Dampier an einer Stelle, wo sich zwei Hütten der Eiländer befanden, welche 
bei der Ankunft der Fremden verlassen worden waren, ans Land gesetzt. Bald 
darauf setzte man auch einen Engländer, einen Portugiesen und vier Malaien 
aus Achem aus. Dampier bezweifelte die Erzählungen, welche man im 
17. Jahrhunderte von den Menschenfressern überhaupt gab. Die Einwohner der 
Nikobaren fand er insbesondere milde genug, um selbe nicht zu fürchten. „Es 
war eine schöne Mondnacht“, berichtete er, „als man uns ans Land brachte; wir 
gingen am Strande auf und ab, um zu sehen, wann das Schilf wieder unter Segel 
gehen werde, denn bis zu jenem Momente glaubten wir noch nicht an die er- 
langte Freiheit. Als es endlich zwischen eilf Uhr und Mitternacht abfuhr, gingen 
wir in unser Gemach und legten uns nieder. Am nächsten Morgen, es war der 
6. Mai 1688, trat in sehr früher Stunde der Herr unserer Wohnung, von 4 bis 
5 Freunden begleitet, zu uns ein, seine neuen Gäste zu sehen: er war ein wenig 
erstaunt, uns in solcher Anzahl zu finden, denn er glaubte mich allein. Nichts- 
destoweniger schien er ganz beruhigt zu sein und empfing uns mit einer grossen 


206 Anton Ed. Zhishman. 


Calebasse von Toddy, welche er mitgebracht hatte, denn man muss wissen, dass 
uns die Einwohner überall ihre Wohnungen entweder aus Furcht oder Aber- 
‚ glauben frei liessen.“ 

Dampier versetzte die Nikobareninseln unter den 7°und 30' nördl. Breite. 
Seine Landung erfolgte in der nordwestlichen Bucht der grössten Insel. Die 
Küsten schildert er als felsig, das innere Land schien ihm flach zu sein. Er fand 
dort ein schwarzes tiefes Erdreich, welches gut bewässert und von starken, 
hohen, nutzbaren Bäumen beschattet war. Cocospalmen, welche gruppenweise 
die Buchten schmücken, verliehen der Insel einen hohen Reiz. Hinter diesen 
Palmen erst wuchs der Baum Melori in wildem Zustande und trug Früchte gross 
wie Rinderköpfe und ähnlich jenen des Brotfruchtbaumes. Die Einwohner, be- 
richtet er weiter, kennen’ weder Yams noch Bataten noch Pisang; sie sind gross 
von Gestalt, ihr Gesicht ist durchaus symetrisch; sobald ein Fahrzeug an die 
Insel kommt, eilen sie in ihren Canoes hinzu und trachten es zu erklimmen, oft 
erreichen sie es schwimmend. Die Sprache klang ihm, der schon so viele an- 
dere sprechen gehört, ganz neu. Nachdem er und seine Gefährten von ihrem 
Wirthe für eine Hacke ein Canoe eingetauscht hatten, fuhren sie in diesem, nebst 
ihrem ganzen Gepäck ab, um an der südlichen Seite des Eilandes den Wechsel 
des Monsoons abzuwarten. Als sie aber vom Lande kaum abgestossen waren, 
stürzte das Boot um, sie mussten sich durch’s Schwimmen retten, das Gepäck 
wurde ganz durchnässt an das Ufer gezogen. Bei diesem Unfalle war Dampier 
glücklich genug, sein Journal und einige Karten, welche er selbst verfertigte und 
sehr schätzte, zu retten. Am 15. Mai verliess die Gesellschalt zum zweiten Male 
das Eiland, um im Canoe nach Sumatra zu fahren. Nach einem furchtbaren 
Sturme kam sie am 20. Mai fieberkrank in Sumatra an. Dampier erklärte, 
dass er in seinem vielbewegten Leben nie dem Tode so nahe stand als während 
dieser kurzen Fahrt. 

Nicht minder menschenfreundlich benahmen sich die Inselbewohner, als 
der englische Capitän Owen im Jahre 1708 mit seinem Fahrzeuge bei der un- 
bewohnten Insel Tallanjang, jetzt Tillangschong genannt, strandete. Er rettete 
sich mit seiner Mannschaft auf die westwärts liegenden Eilande Ning und Souri 
(wahrscheinlich nur die Insel Nancaveri, jetzt Nancovry genannt). Hier kam man 
den Verunglückten zu Hülfe und nahm sie freundlichst auf. Das gute Einverneh- 
men dauerte jedoch nicht lange; denn als eines Tages der fremde Capitän sein 
Messer zur Seite legte und ein Insulaner vielleicht nur aus Neugierde nach dem- 
selben griff, stiess ihn jener mit Füssen und Händen. Während nun am folgen- 
den Tage Owen unter einem Baume sein Mittagmal hielt, schossen ihn die Ein- 
gebornen mit einer Menge von Pfeilen todt. Die Mannschaft, aus sechszehn Per- 
sonen bestehend, erhielt hierauf zwei Canoes und Lebensmittel und kam nach 
einem heftigen Sturm glücklich zu Jonsalum an. 

Den ersten Versuch einer Niederlassung auf den Nikobaren, machte der 
Orden der Jesuiten im Jahre 1711. Die Bemühungen der wenigen dahin ge- 
sandten Mitglieder blieben nicht ohne Erfolg. Die Missionäre schlugen ihren 
Sitz auf der nördlichsten, den Andamanen zunächst liegenden Insel Kar-Nikobar 
auf. Als sie aber später ihre Wirksamkeit auszudehnen strebten und auch die 
südlichen Eilande besuchten, fielen sie als Opfer ihres heiligen Eifers. Die 
Neophyten sich selbst überlassen, fielen in das rohe Heidenthum zurück. 

Der nächste Versuch erfolgte durch den Lieutenant Tanck, welcher im 
Jahre 1756 die erste dänische Colonie auf der Nordseite von Sambellong (Gross- 
Nikobar), der südlichsten, Sumatra zunächstliegenden Insel, gründete. Nach sei- 
nem Tode wurde sie von dem Nachfolger im Jahre 1760 nach der Insel Kamorta, 


Die Nikobareninseln. 207 


welche in der Mitte der Gruppe liegt, verlegt. Als jedoch auch dieser und sein 
Nachfolger Jens Twed schon nach wenigen Tagen starben, gab man die An- 
siedlung gänzlich auf. Die Dänen nahmen damals von den Inseln förmlich Be- 
sitz und nannten sie „Frederiksoerne“ (Friedrichsinseln). 

Im Jahre 1766 machte die dänische Handelseompagnie, welche sich die 
Colonisirung der Inseln sehr angelegen sein liess, einen neuen Versuch. Zu 
gleichem Zwecke liessen sich auch 6 mährische Brüder im Jahre 1768 auf der 
Insel Nancovry nieder: allein der Verlust an Colonisten in Folge der Krankhei- 
ten und Entbehrungen war so gross, dass sich die Brüdergemeinde schon im 
Jahre 1772 genöthiget sah, die Mission zu verlassen. In weniger als fünfzehn 
Jahren starb der grösste Theil der dänischen Ansiedler auf den Nikobaren. Man 
sah die Unmöglichkeit, die Ureinwohner zu belehren, ein; an dem überaus mör- 
derischen Klima musste man überdies bei allem Aufwande an Muth und Beharr- 
lichkeit scheitern. Die dänische Colonie war im Jahre 1773 fast gänzlich auf- 
gerieben; ein von Tranquebar abgeschicktes Fahrzeug holte die wenigen Ueber- 
lebenden und deren Habe zurück. 

Der Besitz der Inseln war von den Dänen bereits faetisch aufgegeben wor- 
den, als am 1. April des Jahres 1778 das kaiserlich österreichische Schiff „Joseph 
und Theresia“ unter dem Befehle des Capitäns Bennet in dem Nikobarenarchi- 
pele erschien. Seine Bestimmung war im Namen Sr. Majestät des Kaisers 
Joseph II., jenseits des Vorgebirges der guten Hoffnung Pflanzorte und Handels- 
plätze anzulegen. Das Schiff hielt sich auf den Inseln während der nassen Jah- 
reszeit fünf Monate lang auf. Man unterscheidet nämlich auf diesen Inseln zwei 
Jahreszeiten, die nasse, während welcher die Südwestmonsoone die in den 
Aequatorial-Calmen aufgehäuften Dunstmassen herunterschütten und die trockene, 
in welcher die Nordostpassate in entgegengesetzter Richtung wehen und die 
regenlose Jahresperiode bedingen. Die Regenzeit beginnt mit der Frühlings- 
nachtgleiche; der Niederschlag nimmt allmälig zu und ab und wird während der 
Zeit vom Sommersolstize bis zur Herbstnachtgleiche am stärksten, Nur drei 

-Monate, die ersten drei des Jahres, sind trockene Monate, 

Die Oesterreicher nahmen, wie es hiess, mit der Genehmigung der Ein- 
gebornen, die von den Dänen verlassenen Inseln Nancaveri und Soury (Kamorta) 
und die von letzten nie factisch besessenen Inseln Trieutte, jetzt Trinkut genannt 
und das nun Katschal genannte Catchiout im Namen des Kaisers in Besitz. Auf 
dem Gipfel eines Hügels von Kamorta wurde ein Haus als erster Zufluchtsort für 
die neuen Colonisten erbaut. 

Der Bericht der Reise des vom k. k. Hofe ausgerüsteten Schiffes „Joseph 
und Theresia“, welches am 26. September 1776 mit 155 Mann aus Livorno 
nach Ostindien abfuhr und nach einer Fahrt von 4 Jahren, 7 Monaten und 10 Ta- 
gen heimkehrte, wurde in dem in unseren Tagen vergebens gesuchten und erst 
verflossenen Jahres in der] Privatbibliothek des Herrn Franz Schwarz‘ gewesenen 
Consuls der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Wien, gefundenen Tagebuche 
der Reise des k. k. Schiffes „Joseph und Theresia“ nach den neuen österreichischen 
Pflanzorten in Asien und Afrika von Nikolaus Fontana, gewesenen Schiffswund- 
arzte, an Herrn Brambilla, Leibwundarzt Sr. Majestät des Kaisers und Proto- 
chirurgus der k.k. Armee, aus der italienischen Handschrift übersetzt von Eyerl, 
Dessau und Leipzig 1782, veröffentlicht. Das was sich auf die Nikobaren-Inseln 
bezog, wurde übrigens in dem dritten Bande der Asiatic Researches in dem Auf- 
satze Fontana’'s: On the Nicobars and the fruit of the Milori, mitgetheilt. 
Nach diesem erblickte Fontana die Insel Kar-Nikobar, die nördlichste der 
Gruppe am 20. Mai 1778. Man ankerte an der nordöstlichen Seite derselben 


208 Anton Ed. Zhishman, 


in einer Tiefe von fünf Faden auf gutem sandigen Grunde. Nachdem man sich 
dort mit Wasser und Holz versehen hatte, segelte man nach Süden fort, um auch 
‚ jene Eilande zu besuchen, welche zwischen dem 8. und 9. Grade nördlicher 
Breite liegen. Am 4. Juni entdeckte man in Südwest zu West in einer Entfer- 
nung von 10 Meilen, die von den drei Schwesterinseln Kamorta, Naneovery und 
Trinkut gebildete Gruppe, deren wechselseitige Gestaltung einen Kanal mit einem 
der sichersten Hären Indiens bildet, wo Schiffe jeden Gehaltes, vor allen Winden 
geschützt, in einer Entfernung von einer halben Meile vom Ufer, ganz sicher lie- 
gen können. Der Hafen hat einen nördöstlichen und einen südwestlichen Zugang 
und ermöglicht dadurch das Einlaufen in beiden Monsoons. In einer der zwi- 
schen den Eilanden liegenden Baien lag das österreichische Schiff 12 Faden tief 
vor Anker und blieb daselbst bis zum Ende des Südwest-Monsoons, das ist bis 
zum Anfange des Monates September. „Die grösste dieser Inseln“, schreibt Fon- 
tana, „heisst Nancaveri und hat 5 bis 6 Meilen im Umfange. Sie ist stärker be- 
wohnt, als je eine der beiden anderen. Die zweite heisst Soury, die dritte Trin- 
kut. Diese drei Eilande sind sehr nahe nebeneinander gelegen. Ungefähr 
10 Meilen nördöstlich davon liegt die Insel Catehoul. Sie ist fast gänzlich unbe- 
baut, obwohl es daselbst eine Anzahl von grossen Thälern gibt, die mit geringer 
Mühe sehr fruchtbar gemacht werden können, Der Boden ist von Natur aus sehr 
ergiebig; Cocosnüsse und andere tropische Früchte gedeihen ohne Anbau vor- 
trefflich, ebenso Yams und süsse Erdäpfel. Es reicht hin, den Boden nur ober- 
flächlieh aufzuscharren, um den Samen schon in wenigen Tagen emporschiessen 
zu sehen. Die See hat Schildkröten und andere Schalthiere von den seltensten 
und schönsten Arten im Ueberflusse. Die in China so sehr geschätzten Vogel- 
nester werden zwischen den Felsen gefunden. Auch Ambra wird angetroflen, 
leider erfanden aber die Eingebornen das Mittel, selbe zu verfälschen, daher sie 
selten in echtem Zustande zu finden ist,“ 

„Die Farbe der Einwohner der Nikobaren-Eilande nennt Fontana kupfer- 
roth; die Augen, berichtet er weiter, sind klein und schiefliegend; das Weiss 
europäischer Augen ist bei jenen Menschen gelblich; die Nasen sind platt ge- 
drückt und klein, der Mund ist breit, die Lippen sind diek, die Zähne schwarz, 
der Körper eher klein als gross, aber wohl proportionirt, die Ohren sind gross 
und ihre Lappen erhalten so weite Löcher, dass eines Mannes Daumen bequem 
darin stecken kann. Das Haar ist schwarz, dicht und kurz geschoren. Die Män- 
ner tragen wenig oder gar keinen Bart; die Nägel werden nie geschnitten, die 
Augenbrauen abrasirt, Ein langer, schmaler, aus Baumbast verfertigte Lappen 
um die Lenden und zwischen die Oberbeine gewunden und rückwärts hinunter- 
hängend, ist das einzige Gewand des Nikobaren. Die Weiber ebenfalls kupfer- 
farben, sind klein von Gestalt; ihre Kleidung besteht aus einer aus den Fäden 
der Rinde des Cocosbaumes gebildeten Decke, welche um die Hüften geschlun- 
gen bis zur Hälfte der Beinlänge hinabreicht.“ 

„Die Bewohner der Inseln leben in Hütten, welche aus Blättern der Cocos- 
palme in ovaler Form erbaut werden und fünf bis sechs Fuss hoch über dem 
Boden stehen. Zu dem Eingange führt eine Leiter. Sechs bis acht Personen 
leben gewöhnlich in einer Hütte. Schädel von Wildschweinen sind die einzigen 
Hausartikel. Die Beschäftigung der Männer besteht im Bauen und in der Ausbes- 
serung der Hütten, sie dauert alljährlich durch sechs Monate fort, ferner im 
Fischfang und Handel mit den benachbarten Eilanden; die Weiber bereiten die 
Lebensmittel zu, bebauen das Land und rudern während der Abwesenheit ihrer 
Männer in den Canoes herum. Ist der Ehemann mit seinem Weibe nicht zufrie- 
den, sei es wegen Nachlässigkeit in der Besorgung der häuslichen Arbeit oder 


Die Nikobareninseln. 209 


wegen Mangels an Fruchtbarkeit, oder empfindet er eine Abneigung für das- 
selbe, so ist es beiden Theilen freigestellt, sich eine andere Ehehälfte zu wählen. 
Ein Weib, das drei Kinder geboren, wird für sehr fruchtbar gehalten , wenige 
Weiber haben mehr als vier Kinder. Die Ursache davon mag in dem vorzeitigen 
Geschlechtsgenusse, in der Compression des Unterleibes mittelst des Gürtels, in 
dem unmässigen Genusse geistiger Getränke und in der unthätigen, sitzenden 
Lebensweise zu finden sein. Die Lebensdauer ist auffallend kurz; die Männer 
erreichen selten das vierzigste oder achtundvierzigste Jahr. Kein Volk des 
Ostens übertrifft die Nikobaren an Trägheit. Ausgezeichnet sind sie jedoch als 
Fischer; den Fischfang treiben sie meistens zur Nachtzeit. Vor Menschen, 
welche das Lesen und Schreiben kennen, haben sie die grösste Achtung und 
hohe Meinung; sie glauben, dass die Europäer dieser Kenntnisse halber die 
Gabe besitzen, Dinge vorauszusehen und Winde und Stürme, sowie auch den 
Lauf der Gestirne ganz in ihrer Gewalt haben. Wie alle anderen rohen Völker 
haben auch sie eine besondere Furcht vor dem bösen Geiste. Es gibt auch Wahr- 
sager unter ihnen. Sobald ein Mann stirbt, wird sein Name nie mehr genannt. 
Jedermann, der zur Leichentrauer erscheint, bringt hiezu einen grossen Topf 
mit Toddy gefüllt. Die Weiber sitzen um den Leichnam, heulend und weinend, 
ihre Hände nach einander auf die Brust und den Bauch des Entseelten legend, 
welcher mit einem streifigem Tuche bedeckt wird. In einiger Entfernung sitzen 
die Männer und trinken und laden die Gäste ein, dasselbe zu thun; durch heftige 
Berauschung trachtet man den ohnehin nicht länger als ein paar Tage nach der 
Beerdigung dauernden Schmerz zu entfernen. Jeder Mondeswechsel wird von 
Festlichkeiten und Lustgelagen begleitet; die Oeffnungen der Hütten werden 
dann mit Palmenblättern und Baumzweigen geschmückt; im innern Raume sitzen 
die Männer und Weiber, mit Kränzen geziert. Der Tag des Festes wird mit 
Tanzen, Singen, Essen und Toddytrinken bis zur Verblödung zugebracht. Die 
Nikobaren rechnen die Zeit nach Monden, von denen sie vierzehn, und zwar sie- 
ben auf jede Monsoonzeit, zählen. In der warmen Jahreszeit, das ist mit dem 
Beginne des Nordost-Monsoons, fahren die Bewohner der südlichen Eilande nach 
der Insel Kar-Nikobar, um für die Producete ihres Bodens, Hühner, Schweine, 
Cocos- und Arekanüsse, ferner für Kleidungsstoffe, Silbermünzen, Eisen, Tabak 
und andere von den Europäern erhaltene Artikel, Canoes, Speere, Ambra, Vogel- 
nester und Schildkröten einzutauschen. Zehn bis zwölf Hütten bilden ein Dorf. 
Jedes Dorf hat seinen Häuptling oder sogenannten Capitän, welcher gemeinig- 
lich der älteste Mann ist. Die Anzahl der Einwohner übersteigt auf keiner Insel 
sieben- oder achthundert Seelen. Auf denEilanden herrschen nur wenige Krank- 
heiten vor, die Lustseuche ist unbekannt, Blattern erscheinen nur selten und in 
minder gefährlichen Graden. Herrschend ist das Uebel der Anschwellung der 
Beine, einer in Westindien unter dem Namen Cochin-leg bekannten Krankheit. 
Diese endemische Erscheinung mag der schlechten, nicht gehörig zubereiteten 
Nahrung, den elenden Wohnungen und dem äusserst unthätigen, faulen Leben 
zugeschrieben werden. Auch Fieber und Kolik sind gewöhnliche Krankheiten. 
Sobald Jemand krank wird, wird er sogleich in das Haus eines Teufelsbeschwö- 
rers getragen, welcher ihm befiehlt, durch längere Zeit auf dem Rücken zu lie- 
gen, worauf der obere Körper ohne Unterschied des Uebels stets mit derselben 
ekelhaften Substanz wiederholt eingerieben wird. Medieamente zum inneren Ge- 
brauche werden nicht angewendet.“ 

„Die einzigen vierfüssigen Thiere, welche man auf den Inseln findet, sind 
Schweine und Hunde. Von ersten werden nur die Säue gepflegt und selbe haupt- 
sächlich mit Cocosnussmilch und dem Kern der Cocosfrucht gefüttert, wodurch 


210 Anton Ed. Zhishman. 


das Fleisch fest, geschmackvoll und in Farbe und Geschmack besser wird, als 
das köstlichste englische Kalbfleisch. Merkwürdig ist es, dass, obwohl die Nach- 

‚ barküsten eine grosse Menge von Affen aufweisen, diese auf dem Nikobaren- 
Archipel gänzlich fehlen. Von Vögeln findet man wilde Tauben, Fasanen und 
Turteltauben vom Juni bis September. In den Wäldern wohnt ein Papagei mit 
schwarzem Schnabel und schwarzem Halse. Ausser diesem gibt es keinen andern 
Vogel. Das Klima könnte mit geringer Mühe gesund gemacht werden; beständige 
Seebrisen fächeln die Küsten an und mildern die drückende Hitze. Das Grün der 
Pflanzenwelt verschwindet nie. In den Wäldern, welche sich durch grosse Dich- 
tigkeit auszeichnen, findet man Bäume von sehr bedeutender Höhe und überaus 
grossem Umfange; diese eignen sich noch insbesondere wegen ihrer festen Be- 
schaffenheit zum Schiffbaue. Eine besondere Sorgfalt wird den Cocos- und 
Arekabäumen geschenkt. Die Frucht der letzten wird von den Eiländern viel 
gebraucht; mit Tabak, Betelblättern und Seeschalenkalk gemengt, dient sie als 
beständig gebrauchtes Käumittel. Die Cocosfrucht wird nieht nur von Menschen 
genossen und zur Fütterung der Schweine verwendet, sondern dient auch als 
Handelsartikel; denn die meisten Schiffe, welche nach Pegu fahren, halten an 
den Nikobareninseln an, um Ladungen von Coeosnüssen zu nehmen, von denen 
vier um ein Tabaksblatt gekauft werden können. Alle tropischen Früchte, welche 
hier angebaut werden, erhalten einen vortrefflichen Geschmack, namentlich die 
Ananasfrucht. Es wachsen hier der wilde Zimmet und Sassafras, die Caffee- 
staude trägt in zwei bis drei Jahren Früchte. Yams findet man nur durch 
drei oder vier Monate im Jahre, und wird in dieser Zeit statt der näh- 
renden Frucht Larum genossen. Der Baum, welcher letzte Frucht trägt, 
gehört einer Palmenspecies an, die von den Eingebornen Larum, von den 
Portugiesen Mellori genannt wird und in grosser Menge über die Eilande 
ausgebreitet ist. Er wächst in Gesellschaft von andern Bäumen und liebt 
feuchten Boden. Sein Stamm ist schlank, dreissig bis fünfunddreissig Fuss 
hoch, und hat zehn bis zwölf Zoll im Umfange; die älteren Stämme haben sogar 
zwei Fuss im Umfange. Die Rinde ist glatt, in Farbe jener unserer Eschen ähn- 
lich; am Stamme, dessen Mitte weich und fast hohl ist, befinden sich gleiehweit 
von einander abstehende Vertiefungen; die Blätter sind drei Fuss lang, vier Zoll 
breit und von dunkelgrüner Farbe; die Frucht hat dieForm eines Fichtenzapfens; 
das Alter des Menschen ist selten lang genug, um die Blüthen und Früchte des- 
selben Baumes sehen zu lassen. Gewiss ist es, dass dieser Brodfruchtbaum von 
der von Mr. Masson beschriebenen, im Innern Afriea's gefundenen Palme we- 
sentlich abweicht, welche zwar auch eine Art von Brodfrucht trägt.“ 

„So oft die Nikobaren einen Kreistanz machen, werfen sie ihre Hände über 
die Schultern des Nachbars und bewegen sich pathetisch langsam vor- und rück- 
wärts. Zahlenlaute haben sie nur bis vierzig, höhere Werthe werden multipliea- 
tiv ausgedrückt.“ 

Diess sind die Resultate des vom Schiffswundarzte Nieolaus F ontana auf 
den Nikobaren gemachten Besuches. Sie sind im Vergleiche zur gegenwärtigen 
Kenntniss der Inselgruppe allerdings unbedeutend, bleiben aber dennoch für uns 
interessant, weil wir selbe der Weltfahrt eines österreichischen Schiffes 
verdanken, 

Die Mannschaft des österreichischen Schiffes beschäftigte sich während 
des Aufenthaltes auf den Inseln mit der Aushauung des Gesträuches und Ebnung 
des Erdreiches. Von den europäischen Niederlassungen fand man nur die Trüm- 
mer der Wohngebäude, welche von Diekicht überwuchert waren und bei hohem 
Meere fast immer unter Wasser standen. Der Gesundheitszustand der Oester- 


Die Nikobareninseln. 211 


reicher war die ganze Zeit befriedigend; Krankheitsfälle ergaben sich nur bei 
jenen, die sich dem Regen zu viel ausgesetzt und die Nacht auf dem Lande 
zugebracht hatten. Das Klima dieser Eilande ist für den Europäer gewiss nicht 
gefährlicher, als jenes vieler anderer tropischen und subtropischen Ansied- 
lungen. Die Erfahrungen, welche man bereits in dem Colonisationswesen machte 
und der Fortschritt der Wissenschaft haben uns bei der Wahl und Einriehtung 
der Niederlassungen Mittel angegeben, die schädlichen Wirkungen des Klima’s 
in jeder Zone wenigstens zu schwächen. So gehören die Ufer der Flüsse , wo 
sich beständig die gefährlichsten Miasmen erzeugen, tiefgelegene, vegetation- 
überfüllte Stellen und Küsten, über welche sich, von regelmässigen Winden an- 
gehäufte, über ausgedehnte Landstriche anströmende und von den Exhalationen 
des Bodens verpestete, tiefe, atmosphärische Schichten ergiessen, zu den ersten 
Warnungen einer neuen Colonie, während offene, über der Region der schweren 
miasmatischen Luftschiehten liegende, von Winden beständig durchfegte Puncte 
zu den verhältnissmässig meist gesunden Stellen gehören. In den Reispflanzungen 
des Alluvialbodens genügt die blosse zeitweilige Versetzung der Arbeiter auf den 
oft nur wenige Fuss höher liegenden Bodenkern um die Sterbefälle in der war- 
men Jahreszeit zu vermindern; das gelbe Fieber hört in einer gewissen absoluten 
Erhebung des Landes auf, und die localen Krankheiten neuer Ansiedlungen sind 
immer dort am gefährlichsten, wo der Besen der Atmosphäre nicht mehr hinrei- 
chen kann, und Thäler, Wasser und Büsche durch ihren Reiz zur Gründung von 
Wohnungen verleiten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Vertilgung der 
Dschungeldickichte auf einem beträchtlichen Raume auch dem nikobarischen Fie- 
ber bedeutenden Einhalt thun könnte. Nachdem die Engländer Herren von Arra- 
kan wurden, nannte man es durch viele Jahre das Grab brittischer Truppen; nach 
der Ausrottung des Dschungelgestrüppes in der Umgebung der Stationen wurde 
es aber nicht minder gesund, als irgend ein Platz in Bengalen. Auch die Provinz 
Wellesley an der westlichen Küste der malaischen Halbinsel war vor zwanzig 
Jahren noch so gefährlich, dass fast keinEuropäer, der sich in das Innere wagte, 
vom Dschungelfieber befreit blieb; jetzt wird ihr Klima ebenso wenig gefürchtet, 
als jenes des rasch emporblühenden Penang. 

Die bedeutenden Staatssummen, welche Oesterreich zum Aufleben des ost- 
indischen Handels bereits verwendet hatte (an diesem betheiligten sich im Jahre 
1782 dreizehn Ostindienfahrer), der erst nach der Abreise des österreichischen 
Schiffes „Joseph und Theresia‘ ausgebrochene baierische Erbfolgekrieg und spä- 
tere Kriege nöthigten es, die weitere Colonisirung der in Besitz genommenen 
Nikobareninseln aufzugeben, Ungefähr zwei Jahre nach dem Erscheinen des öster- 
reichischen Schiffes in dem Nikobarenarchipel erfolgte ein neuer Missionsversuch 
durch die Dänen; der Prediger Engelhardt, welcher dahin geschickt wurde, 
starb aber schon neunzehn Tage nach seiner Ankunft. Nach William Brown's 
„History of the propagation of christianity‘“ gingen im Jahre 1779 abermals 
zwei mährische Brüder nach den Nikobaren, ihnen folgten später mehrere andere 
Brüder, nachdem sie vorerst durch Sturm und Ungewitter nach Junkseilan, 
Quedda und anderswo hin verschlagen worden waren. Im Jahre 1784 schickte 
das tranquebarische Gouvernement ein Schiff, nicht nur mit Lebensmitteln, son- 
dern auch mit einem angeblich von europäischen Ansiedlern auf Sombreiro (Bom- 
poka) hinterlassenen hölzernen Hause, nach Nancowry hinüber, Eilf Missionäre 
waren schon dort gestorben, und dreizehn fielen kurz nach ihrer Rückkehr nach 
Tranquebar als Opfer des Klima’s. Im September des Jahres 1787 verliess der 
letzte Missionär die Eilande. Im Jahre 1804 wurde nochmals ein mährischer Bru- 
der, ein gewisser Palm und seine Frau nach dem Naneovry-Hafen geführt, deren 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II, Bd. 2. Heft. pP 


212 Anton Ed. Zhishman. 


ferneres Schicksal unbekannt geblieben ist. Weder die religiösen Begriffe, noch 
der Gewerbfleiss der Einwohner tragen irgend Spuren von dem langen und wie- 
derholten Aufenthalte der „Brüder“ auf diesen Inseln. Im Jahre 1807 bemäch- 
tigten sich die Engländer der Inseln, aber auch ihre Colonisationsversuche glück- 
ten hier eben so wenig, als auf den benachbarten Andamanen. Ein von Ran- 
goon aus nach Kar-Nikobar geschickter italienischer Missionär, dessen Eifer, 
Milde und Einfachheit der Lebensweise die Herzen der Eingebornen gewann, 
war in seinem Berufe glücklicher als seine Vorgänger; leider kehrte er nach 
Rangoon wieder zurück, wo er bald nach der Landung, vom Nikobarenklima 
überwältigt, starb. 

Je hartnäckiger sich aber die Natur der Nikobarengruppe den Civilisations- 
bestrebungen der Europäer widersetzte, desto mehr wuchs die Begierde, sie zu 
kennen und zu besitzen. Schon im Jahre 1790 lieferte der Capitän Kyd eine 
ziemlich zuverlässige Karte der Nikobaren; Fontana schrieb über die Nikoba- 
ren und die Melorifrucht (Fontana: On the Nicobars and the fruit of the Me- 
lori. Asiatie Researches vol. III. p. 144). G. Hamilton gab eine Beschrei- 
bung der Insel Kar-Nikobar in dem zweiten Bande der „Asiatic Researches“ 
(Description of Carnicobar by G. Hamilton. A. R. vol. IJ.) und Colebrooke 
berichtete über die Inseln Nancowry und Comorty (Colibrooke: On the Islands 
Nancowry and Comorty A. R. vol. IV.). 

Die Dänen machten im Jahre 1813 abermals einen Versuch, die Inseln 
durch die Begründung einer christlichen Mission zu colonisiren. Der zu diesem 
Zwecke im Monate August gelandete Pastor Rosen verlegte sein Etablissement 
auf die Friedriehshöhe auf der Insel Kamorta, dann auf den nahe dabei liegenden 
Mongkatahügel, später auf die Insel Trinkut und endlich an den Friedrichshafen 
der unterhalb des Mongkatahügels gelegenen Küste. Jede dieser Stellen zeigte 
sieh der Gesundheit höchst nachtheilig. Im December des Jahres 1834 verliess 
er die Inseln, nachdem er daselbst eine kleine Besatzung zurückgelassen, welche 
zwar bis zum Jahre 1837 von Zeit zu Zeit erneuerte, endlich doch einging. Eine 
königliche Resolution hob die Missionseolonie auf. Die Lage des Pastors Rosen 
findet sich in seinem Werke: „Erindringen om mit Ophold paa de nicobariske 
Oer,“ Erinnerungen von meinem Aufenthalte auf den nikobarischen Inseln, vom 
Missionär Dr. Resen, Kopenhagen 1839, geschildert. 

Im Jahre 1835 sandte der Bischof der Straits zwei französische Missionäre 
nach Kar-Nikobar. Die Eingebornen, anfangs scheu, wurden nach wenigen Ta- 
gen freundlich und gestatteten ihnen den Bau eines Hauses. Die Missionäre wur- 
den jedoch bald gewahr, dass ein längerer Verkehr mit den Eiwohnern fruchtlos 
bleiben musste. Diese waren nicht mehr die einfachen, harmlosen Eiländer, wie 
sie ehedem geschildert wurden. Die beiden Fremden erhielten zwar in der ersten 
Zeit oft Besuche von den Eingebornen und Yams und Hühner und andere Lebens- 
mittel zum Geschenke, Einige zeigten sogar die Begierde, in der christlichen 
Religion unterrichtet zu werden, und kamen jeden Abend in das Missionshaus. 
Nach wenigen-Monaten hatten die Bekehrer einen solchen Einfluss auf die Ein- 
gebornen gewonnen, dass ihr Haus jeden Tag von denselben gefüllt war; sie er- 
hielten sogar das vorher noch keinem Fremden getattete Vorrecht, alle Theile 
der Insel und selbst seine von der Küste entfernten Stellen, wo man die werth- 
vollsten Artikel aufbewahrte, ungehindert zu besuchen. Alles versprach den 
besten Erfolg. Plötzlich jedoch wechselte die Lage der Dinge. Ein von den 
nahen Küsten angekommenes Schiff brachte grosses Unheil mit; sein Nakode er- 
zählte den Eingebornen, die Missionäre wären englische Spione, welche zu 
ihnen geschiekt worden wären, um das Land auszuspähen nnd zu besetzen. Der 


Die Nikobareninseln. 215 


Verkehr mit den Missionären wurde in Folge dessen abgebrochen, man versagte 
ihnen die Lebensmittel und schien ihnen sehr gfährlich werden zu wollen. Die 
Fremden, welche schon fast ein ganzes Jahr auf den Inseln lebten, mussten sie 
verlassen. Ihr Elend war sehr gross. Herr Laerampe, welcher während des 
Südwest-Monsoons auf der Insel Showry geblieben, konnte jeden zweiten Tag 
nur Eine Yamsfrucht zur Nahrung erhalten, und selbst diese musste er mit sei- 
nem ihn bedienenden Jungen theilen. Die beiden Missionäre Chopard und 
Borie wurden bald nach ihrer Ankunft auf der Insel Teressa zugleich krank. 
Herr Borie starb an der Seite seines Gefährten. Chopard's Nachrichten über 
die nikobarischen Inseln erschienen in dem Artikel: „A few particulars respeec- 
ting the Nikobar islands,“ in dem „Journal of the Indian Archipel,* 
vol. III. p 271. 

Wiederholte Seeräubereien, welche in dem Meere der Nikobaren began- 
gen wurden, zogen in neuester Zeit abermals die Aufmerksamkeit der Engländer 
auf die Eilande. Fahrzeuge von Penang, chinesische Dschonken, malaische 
Prahus, birmanische Schiffe von Bassein, Rangoon und Tenasserim liefen regel- 
mässig während der Zeit der Nordostmonsoone dort ein, aber es ging kein Jahr 
vorüber, ohne dass irgend ein Fahrzeug vermisst wurde. Man schrieb diesen 
Vorfall Stürmen oder der Ungeschicklichkeit der Capitäne zu, denn Niemand 
glaubte die Bewohner der Nikobaren fühig, Seeraub zu treiben. Bald wurde 
man vom Gegentheile überzeugt. In dem Meeresarme zwischen Kamorta und 
Trinkut wurde im Jahre 1839 die Mannschaft eines Wallfischfängers „the pilot“ 
überfallen und bis auf fünf Mann ermordet. Im folgenden Jahre erschien desshalb 
das englische Kriegsschiff „the eruiser“ vor Kamorta, wo man einige Hütten ab- 
brannte und nach den Eingebornen schoss. Ein Jahr darauf wurde an der Nord- 
ostseite von Teressa der Schooner „Mary“ überfallen, Capitän und Mannschaft 
wurden ermordet und das Schiff in Brand gesteckt. Der Rachezug, den der 
englische Dampfer „Phlegeton“ nach dieser That unternommen, hatte kein 
günstiges Resultat, denn noch in demselben Jahre wurde bei Kamorta eine 
Brigg angegriffen, der Capitän und mehrereLeute von der Mannschaft wurden ge- 
tödtet, das Schiff selbst wurde nur durch die Geschicklichkeit eines Serangs 
gerettet. 

Der erste Versuch, die Nikobarengruppe wissenschaftlich zu erforschen 
geschah vor dreizehn Jahren. Die dänische Regierung versprach sich durch die 
Auffindung eines Steinkohlenlagers auf den Nikobaren grosse Vortheile. Herr 
Mackey, dänischer Consul in Caleutta, unternahm in dieser Absicht -eine Reise 
nach dem Archipel und beabsichtigte zugleich eine Ackerbaueolonie zu gründen. 
Er benutzte hiezu einen von Mr. Lewis, einem Engländer, befehligten Schooner 
„l’Espiegle“. Die Dänen, Herr Busch, der eigentliche Leiter der Unternehmung, 
und Löwert begleiteten ihn auf dieser Expedition. Am 31. März 1845 kamen 
sie in der Rhede von Saoui an, besuchten das Dorf Lapate auf der Ostseite von 
Kar-Nikobar und begaben sich sofort, an Batty-Malve und Showry vorüber- 
segelnd, nach Teressa und von dort nach dem Hafen von Nancowry. Hierauf 
liefen sie in den von Pulo-Milu (Buschinsel) und von der Nordwestseite von 


-Klein-Nikobar gebildeten Hafen ein, fuhren durch den St, Georgseanal, segelten 


der Küste von Gross-Nikobar entlang, liefen in die südlichste Bucht der Insel 
ein, in welcher sie den in dieselbe einmündenden Fluss entdeckten, und traten 
endlich noch einmal den nordwestlichen Hafen Klein-Nikobars und die Insel 
Teressa besuchend, die Rückfahrt an. Zu Ende Mai war Herr Mackey bereits 
wieder in Caleutta; Löwert erschoss sich unvorsichtiger Weise auf dem 
Hooshlyflusse. Der wissenschaftliehe Gewinn dieser Reise wurde in der Sehrift 


p® 


914 Anton Ed, Zhishman, 


„H. Busch's Journal of a eruise amongst the Nicobar Islands. Caleutta 1845“ 
mit mehreren Ansichten und zwei Karten von Lewis veröffentlicht. Während 
‚ dieser Forsehungsreise wurde in Laplate die dänische Flagge einem sogenannten 
Hafencapitäne anvertraut, auch auf der Insel Klein-Nikohar wurde dieselbe auf- 
gepflanzt und das kleine Eiland Pulo-Condul, welches in dem St. Georgscanal 
liegt, im Namen des dänischen Königs förmlich in Besitz genommen. Steinkohlen 
fand man, mit Ausnahme einzelner Stücke auf den südlichen Inseln, nicht; zur 
Gründung der beabsichtigten Ackerbaucolonie konnte wegen Mangel an Kräften 
Niehts unternommen werden. 

Einen weiteren wissenschaftlichen Beitrag zur Kenntniss der Nikobar- 
gruppe erhielten wir durch Reverend P. Barbe, welcher im Jahre 1846 auf 
dem vom Capitän Ashland befehligten dänischen Dampfer „Ganges“ und 
begleitet von dem bereits erwähnten Herrn Laerampe, siebenzehn Tage auf den 
Nikobaren zubrachte. Barbe’s Beobachtungen wurden vom „Journal of the 
Asiatie Society of Bengal“ in dem Artikel: „Nicobar Islands“ Vol. XV. mit- 
getheilt. Seine naturwissenschaftliche Sammlung wurde von Herrn E. Blyth, 
Curator of the Museum of the Asiatie Society, beschrieben und unter dem Titel: 
„Notes on the Fauna of the Nicobar Islands“ veröffentlicht. 

Eine der Hauptaufgaben der Weltreise der dänischen Corvette „Galathea“ 
in den Jahren 1845, 1846 und 1847 war der Besuch und die Ausforschung der 
Nikobareninseln. Diese sollten während der trockenen Jahreszeit in Verbindung 
mit einem zu diesem Zwecke in Caleutta ausgerüsteten Tender allseitig wissen- 
sehaftlich untersucht werden; die „Galathea“ sollte einer dänischen Colonie, 
wenn dort eine solche existirte, behilflich werden ; die allgemeine königliehe 
Instruetion verordnete, wenn es zweckmässig befunden werden sollte, eine 
Colonisirung ins Werk zu setzen, administrative Autoritäten zu installiren und 
zum Verfolgen dieser Zwecke über eine Summe von 60.000 Rupien zu verfügen. 
Drei Zoologen, ein Botaniker, ein Geologe, ein Maler und ein naturwissenschaft- 
licher Zeichner machten die Reise mit. Dr. Rink, der Geologe, veröffentlichte 
das Ergebniss seines Aufenthaltes auf den Inseln in einer Schrift: „Die niko- 
barischen Inseln. Eine geographische Skizze mit specieller Berücksichtigung 
der Geognosie. Kopenhagen 1847.“ Die von der Expedition der „Galathea“ unter 
ihrem Capitän Steen Bille während eines nahezu sechswöchentlichen Aufent- 
haltes, vom Jänner bis März, auf den Nikobaren gemachten Forschungen wurden 
in dem in Kopenhagen 1851 und 1852 erschienenen Werke: „Beretning om 
Corvetten Galatheas Reise omkring Jorden.“ („Steen Bille's Bericht über 
die Reise der Corvette Galathea um die Welt“, übersetzt von W. v. Rosen, 
1852, Kopenhagen und Leipzig), ausführlich bekannt gemacht. Dieses Werk 
liefert ausser den Schilderungen der Fahrt im Archipel, auszugsweise mit- 
getheilte amtliche Berichte über die nikobarischen Inseln, einen geologischen 
Bericht, zwei für die Kürze der Zeit des Aufenthaltes gewiss befriedigende 
Notizen über die Fauna und Flora der Inseln, ferner eine ethnographische 
Sehilderung, einen Handelsbericht, eine klimatologische und medieinische Mit- 
theilung. Darin wird die günstige geographische Lage der Inseln hervorgehoben, 
namentlich ihre geringe Entfernung von den wichtigsten Puneten im bengalischen 
Meere, von Madras, Caleutta und Moolmain, von Ceylon, der Westküste der 
transgangetischen Halbinsel von Penang und Sumatra; es wird auf die Vortheile 
hingewiesen, welche die zwei vortreffliehen Häfen von Nancoyry und Klein- 
Nikobar, die Fruchtbarkeit des Bodens, der Reichthum an Fischen und die 
unschädliche Bevölkerung dem Handel und der Colonisation der Europäer dar- 
bieten. Als Schwierigkeiten der Colonisation werden die elimatischen Verhält- 


Die Nikobareninseln. 215 


nisse der Mangel an Arbeitskräften und das Zuwegebringen der erforderlichen 
Kapitale angegeben. 

In geognostischer Beziehung bilden die nikobarischen Inseln zwei von ein- 
ander scharf getrennte Gruppen: die südliche (mit Inbegriff von Katschull), welche 
aus geschichteten, aus Sandstein und Thonschiefer zusammengesetzten Gebirgs- 
arten besteht, und die nördliche, welehe im Wesentlichen aus plutonischen 
Massen entstand, die sich im geschmolzenen Zustande aus dem Meeresboden 
emporgedrängt haben. „Ein geognostisches Verhältniss“, sagt der geologische 
Bericht, ‚„‚haben indess alle Inseln mit einander gemein; es ist diess das jüngste 
Alluvialland, welches ringförmig jede der Inseln umgibt und von den sie umrin- 
genden Korallenriffen herrührt‘“. Diese Küstenriffbildung (fringing reefs) ist 
fortwährend im Wachsen begriffen und erregt noch insbesondere dadurch das 
Interesse, dass sie jenen schmalen Yo —'/zo des Inselareals betragenden Streifen 
Landes erzeugte, der nun ausschliesslich bewohnt wird und jene Produete liefert, 
von denen die jetzige Bevölkerung lebt. Die Thierwelt der Nikobaren characteri- 
sirt sich dadurch, „dass die Seethiere das Gepräge der Fauna der bengalischen 
Bucht tragen, während eigenthümliche Verhältnisse der Inseln, namentlich die 
im übrigen Theile der Bucht fehlenden Korallenriffe, in gewissen Richtungen 
eine Aehnlichkeit einerseits mit der Strand- und Meeresfauna des indo-malaischen 
Archipels, anderseits mit der des rothen Meeres und der mascarenischen Inseln 
bewirken. In Bezug auf die Landthiere schliessen sich die Inseln den malaischen 
Ländern am nächsten an.“ Von einheimischen Säugethieren kennt man bis jetzt 
nur 8—9 Arten; alle grössern Formen Sumatras und Malaccas, z. B.: Elephan- 
ten, Nashorn ete. fehlen gänzlich, ebenso die im indischen Archipel so zahl- 
reichen Hirscharten, Antilopen und Eber. Die auf der Nordküste von Kanıorta 
gefundenen Büffel sind nur Nachkommen importirter Büffel. Der Reichthum und 
die Mannigfaltigkeit der Vögel characterisiren die Fauna der Nikobaren. Einige 
Vögel sind den Inseln eigenthümlich, wie der Palaeornis erythrogenys, ein 
Haleyon, Cahenas Nicobarica, Macropygia rufipennis, Treron chloroptera, Me- 
gapodius nicobariensis. Von Reptilien sind bis jetzt nur 13—14 Arten gefunden 
worden, Das Meer und die Flüsse sind sehr reich an Fischen; die marine 
Fauna ist die des bengalischen Meeres überhaupt. Von Inseeten sind wenige 
bekannt, Einzelne Formen fand die Expedition der „Galathea“ in ausserordent- 
licher Anzahl vor; zahlreiche Fliegen und Ameisen bedeckten augenblicklich 
alle thierischen Ueberbleibsel, jedes faule Holz war von Termiten buchstäblich 
angefüllt, und die lästigen Muskitos kamen in Menge vor. Die Thierwelt ent- 
wickelt sich erst in ihrem vollen Reiehthum und ihrer buntesten Mannigfaltigkeit 
auf dem, aus Korallenkalkstein bestehenden, bald mit Korallen- und Felsblöcken 
überworfenen, bald mit Korallensand bedeckten, bald endlich mit ganzenWäldern 
ausgestorbener Korallenbüsche bewachsenen Riffen, die, als ein bis an mehrere 
hundert Ellen breiter, fast horizontaler Gürtel die Inseln umgebend, abwech- 
selnd von den Fluthwellen überspüllt und von dem ebbenden Wasser trocken 
gelassen werden“. 

Die Vegetation der Nikobaren ist als ein Uebergangsglied von dem von 
Schouw als Reich der Seitamineen bezeichneten, die beiden ostindischen Halb- 
inseln, Ceylon, die Maladiven und Lakediven, Nikobaren und Andamanen und das 
südliche China umfassenden „indischen Reiche der Flora des östlich von Sumatra 
gelegenen als polynesisch bezeichneten Archipels zu betrachten, „In dieser 
pflanzengeographischen Andeutung ist der Vegetations Ausdruck der nikobarischen 
Inseln so ziemlich angegeben. Dennoch ist zu bemerken, dass schon die südliche 
(Sambelong, Klein-Nikobar und Katschal) und nördliche Inselgruppe verschie- 


216 Anton Ed. Zhishman. 


dene geognostische Verhältnisse und in Folge dessen, eine in ihrer Masse und 
ihrem specifischen Gepräge verschiedene Vegetation darbieten“, Die nördlichen 
Inseln, wo plutonische, besonders serpentinartige, sterile Felsarten vorherrschen 
und die Disintegration schwieriger wird, characterisirt, mit Ausnahme des 
Küstenrandes und einzelner Thäler, waldloses Grasland mit gruppenweise oder 
einzeln zerstreut stehende Pandanus- und Areca-Arten; die südlichen, welche 
aus leicht verwitterndem kalkhaltigem Sandstein und 'Thonschiefer bestehen, 
tragen eine mächtige Humusschichte und sind bis an die Gipfel mit Waldungen 
geschmückt. 

Nirgends in Indien weist die Vegetation einen grösseren Massenreichthum 
auf. Vor der Ankunft der „Galathea* kannte man kaum mehr als sieben Pflanzen- 
arten, die dänische Expedition sammelte allein nieht weniger als 98 Pflanzen- 
gattungen mit 260 Arten; mehr als die Hälfte der 70 Dieotyledon-Geschlechter 
kommen als Bäume oder Sträucher vor. Die Wälder stehen das ganze Jahr im 
üppigsten Grün, selbst im Winter tragen die Bäume Blüthen und Früchte, fast 
die ganze Oberfläche der südlichen Eilande ist mit Urwald so dicht bedeckt, dass 
das Sonnenlicht nicht durchdringen kann. 

„Die Einwohnerzahl der Nikobareninseln wird auf 5—6000 geschätzt, von 
denen doch nur 600 auf die südliche Inselgruppe gerechnet werden. Die Küsten- 
bewohner sind von den übrigen südöstlichen asiatischen Völkern nicht wenig 
verschieden, sie nähern sich aber in ihrer physischen Beschaffenheit mehr der 
malaischen als chinesischen oder indischen Menschenrace. Wie auf den meisten 
grösseren Inseln im indischen Archipel, soll sich auch, im Inneren von Sambelong 
eine kleinere, schwarze, kraushaarige Menschenrage finden, die von den Strand- 
bewohnern verschieden ist und mit ihnen in Feindschaft zu leben pflegt. Man 
kennt sie indess fast nur aus den Erzählungen der andern Nikobaren. Diesen 
zufolge sollen sie ihre Hütten in den Baumwipfeln im dichtesten Jungle bauen, 
und obgleich sie die Ehe nicht gerade in Ehren halten, doch Jeder seine Frau 
haben. Sie sollen mit gehärteten, hölzernen Speeren fechten, finden mit Leich- 
tigkeit durch das unwegsamste Dickicht hindurch, leben von denselben Früchten, 
wie die übrigen Nikobaren (nur dass sie keineKokosnüsse haben), und ausserdem 
von Schlangen, Crocodillen und anderen ähnlichen Thieren, die sie durch Zau- 
berkünste zu fangen wissen; sie erhandeln von den Küstennikobaren für Bündel 
von Rotang sowohl Messer, als auch das Zeug, das sie um die Lenden tragen, 
und verfertigen das auf allen Insel allgemeine Bastzeug.“ Es ist höchst wahr- 
scheinlich, dass das Fabelhafte dieser Menschenrace, welches durch die Bemer- 
kung der Galatheaexpedition, dass die Bewohner Sambelongs die Centralbewoh- 
ner „Orangutangs“ nennen, noch erhöht wird, wie so manches andere über die 
Nikobaren in Umgang Gebrachte, mit der Zeit verschwinden werde. Die Haut- 
farbe der Einwohner ist jaunatre basande, „der Hinterkopf auffallend flach, die 
Scheitel spitz aufgehend und die Breite zwischen den Knoten der Scheitelbeine 
(tubera parietalia) ungewöhnlich gross, auch die Seiten des Kopfes sind sehr 
flach, die Stirn schmal, nieht hoch und weder sich bedeutend hebend, noch 
stark zurückweichend. Die Augen sind von einander weit entfernt, dunkel mit 
gelblicher Selerotiea; die Nase flach und breit, die Kinnbacken stark hervor- 
tretend, der Mund breit und plump mit dieken Lippen, das Kinn spitz, die Ohren 
gewöhnlich so breit durehbohrt, dass eine Cigarre darin getragen werden kann. 
Der Bart ist gewöhnlich ausgerupft und sehr sparsam, der Körper im Ganzen 
schwach behaart; das Haupthaar, das immer schwarz, platt und glänzend, tragen 
die Nikobaren bald lang, und dann gerne mit einem Bastbande umbunden, bald 
kurz abgeschnitten, doch gerne mit einem oder mehren Haarbüscheln, bald 


Die Nikobareninseln. 217 


endlich, und zwar bei den über alle Begriffe garstigen Frauen, völlig abrasirt. 
Die vom übertriebenen Betelkauen schwarzen Zähne sind bisweilen gesund, in 
manchen Fällen aber durchaus entartet, lose und angeschwollen, so dass sie, 
gleich einer bösartigen, formlosen Geschwulst, zwischen den dicken, wunden 
und nicht zuschliessenden Lippen hervortreten. An Statur sind sie in der Regel 
unter der Mittelhöhe, etwas untersetzt und plump, allein oft von athletischem 
Wuchse. Der Hals ist kurz, die Brust gewölbt, der Unterleib oft etwas hän- 
gend, der Rücken sehr hohl, die Extremitäten museulös, die Hände kurz und 
stumpf, die Füsse breit mit niedrigem Riste.“ 

Faulheit, Gleichgiltigkeit, Furchtsamkeit und Argwohn sind die charaeteristi- 
schen Züge desNikobaren. Beispiele von Gemüthlichkeit und Freundlichkeit selbst 
gegen Fremde sind nicht selten, Aus Allem, was über die Lebensweise dieser 
Eiländer, über ihre gemeinschaftliche Beschäftigung, ihren Gesang und musi- 
kalischen Werkzeuge, Kleidung, Wohnhütten und Gebräuche bekannt ist, geht 
hervor, dass sie auf einer sehr niedrigen Stufe der Entwieklung stehen. 
„Ihre Sprache ist voll unzähliger Gutturale und Nasallaute und gleicht weder 
der birmanischen noch andern Sprachen des indischen oder Südsee-Archipels. 
Schrift- und Zahlenzeiehen sind ihnen unbekannt, statt der letztern gebrauchen 
sie Kerbstöcke; es wird überhaupt nichts als Cocosnüsse gezahlt. Die Tages- 
zeit bezeichnen sie durch die Angaben des Sonnenstandes am Himmel; ihr 
eigenes Alter, so wie alle längere Zeitrechnung und jede historische Erinnerung, ist 
ihnen unbekannt.“ 

Während der Expedition der „Galathea* wurde auf der Insel Milu, welche 
im Namen des Königs von Dänemark in Besitz genommen wurde, ein Etablisse- 
ment gegründet. Zu diesem Zwecke wurden dreissig Chinesen mit einem Dol- 
metsch und einem Constable zurückgelassen. Man setzte das Liehten des Waldes 
fort, grub Brunnen und sollte nach der Anweisung der die Expedition beglei- 
tenden Botaniker säen und pflanzen. Wie es die Folge zeigte, blieb auch dieser 
Versuch ohne gewünschten Erfolg. Um auf jenen Eilanden den Fortgang der 
Colonisation zu sichern, wäre es besser Malaien oder Siamesen als Arbeiter zu 
dingen. Der Chinese ist an die Ausreutung des Dschungeldickichtes nicht ge- 
wöhnt, er verlangt bessere Nahrung und höheren Lohn und sein Temperament 
entladet sich oft in einer thierischen, gefährlichen Weise, welche die grösste 
Umsicht derjenigen erfordert, die seine Arbeit überwachen. An eine freiwillige 
Ansiedlung von Malaien, Chinesen oder Siamesen auf einem noch nicht urbar 
gemachten Boden ist nicht zu denken. Diese führen ihre Familien, wie uns die 
Vorgänge der englischen Colonisationsbestrebungen zeigten, nur dann aus ihren 
heimatlichen Sitzen, wenn die von den Europäern angelegten Niederlassungen 
schon für die Dauer gegründet erscheinen. Nach Barb&'s Meinung könnten 
zweihundert Malaien in den Monaten November, December und einem Theile 
Jänners eine beträchtliche Waldfläche umhauen; in den Monaten März oder 
April, wenn das Holz sehr troeken wird, könnte man mit dem Abbrennen be- 
ginnen und hierauf sogleich pflanzen. Die von der „Galathea“ zur Colonisirung 
der Nikobareninseln getroffene Einrichtung war demnach dem Zwecke nicht 
entsprechend; auch war das Volk Dänemarks im Allgemeinen für das Vorhaben 
der Regierung nichts weniger als begeistert; denn während der Weltfahrt der 
„Galathea“, die Absicht der Regierung die Eilande zu eolonisiren, erhoben sich 
dagegen viele Stimmen, welche diese Maassregel als ein unglückliches Project 
bezeichneten; man machte sich über den Pomp lustig, mit welchem von den 
Inseln abermal Besitz genommen wurde, über die Bekleidung der wilden Häupt- 
linge mit dänischen Uniformen, über die Installirung durch Uebergabe eines 


918 Anton Ed. Zhishman. 


Stockes mit silbernem Kopf, auf dem der Namenszug des Königs von Dänemark 
eingeschnitten war, und über die Ausstreuung dänischer Reichsbankthaler unter 
die Häuptlinge. 

Wenn auch der letzte Versuch Dänemarks, den Nikobarenarchipel für 
Handelzwecke bleibend zu oeeupiren und geeignet zu machen, erfolglos blieb, 
so ist dennoch die Zeit nicht mehr ferne, wo er als ein wichtiger Factor im 
europäisch-ostindischen Verkehr wirken wird. 

Schiffbauholz wächst daselbst im Ueberflusse, Schiffe können leicht vor 
Anker gehen, Trinkwasser einnehmen, Beschädigungen repariren. Als direeter 
Handelplatz können unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Inseln zwar nicht 
von Bedeutung werden, für europäische Fabricate ist kein Abgang zu erwarten 
und für diese könnte nur Cocosöl eingetauscht werden. Für europäische Schiffe 
welche fast nie mit ganzer Ladung nach den ostindischen und ebinesischen 
Häfen gehen, wäre es indessen vortheilhaft, wenn sie auf den Inseln, was immer 
für einen Handelsartikel einnehmen würden, um ihre Ladung zu ergänzen. Ein 
solcher Artikel wäre nun die Cocosnuss, die hier in grossen Quantitäten gedeiht, 
vor allem geeignet; denn diese Frucht findet in Caleutta und anderen hin- 
dostanischen Plätzen einen guten Markt, da die Hindostaner verpflichtet sind, 
der Finanzverwaltung jährlich ein bestimmtes Quantum Arrak abzuliefern, wel- 
cher aus der Cocosnuss bereitet wird und daher die Nachfrage nach dieser 
Frucht erklärlich macht. Die nach Caleutta bestimmten Schiffe könnten früher 
nach diesen Inseln vor Anker gehen und ihre Ladung mit Cocosnüssen vervoll- 
ständigen. Besonders günstig ist die Lage der Nikobareninseln zum Handel mit 
Birma. Birma hat einen sehr fruchtbaren Boden, ist reich an Gold, Silber, Edel- 
steinen, Marmor, Eisen, Blei, Zinn, Antimon, Arsenik, Schwefel, Steinöl; es 
hat Ueberfluss an Reis, Zuckerrohr, treflichem Tabak, Baumwolle, Indigo, 
Wachs und vielen tropischen Früchten. Auf den birmanischen Werften werden 
die grössten Schiffe aus Trackholz oder der indischen Eiche gebaut. Ranghun, 
zwölf Stunden vom Meere an einem Arme des grossen schiffbaren Frawaddy 
gelegen, ist Freihafen und Haupthandelsplatz des Reiches, wo viele Fremde 
leben, und selbst ein Kloster katholischer Missionäre besteht. Spieluhren, 
Orgeln und andere mechanische Gegenstände sind geeignet den Hof zu Ume- 
rapma zu Concessionen zu bewegen. 

Nachdem in dem Vorausgehenden das Wesentlichste aus der Entwicklung 
der Kunde des Nikobarenarchipels angedeutet und auf die diessfälligen geogra- 
phischen Quellen hingewiesen wurde, zu denen auch noch der unerwähnt ge- 
gebliebene Artikel im dritten Bande des „Journal of the Indian Archipel: 
Sketches at the Nicobars“ und einige Nachrichten über die Nikobaren aus dem 
literarischen Nachlasse des 1716 verstorbenen Kämpfen gehören, wollen wir 
nun noch einen topographischen Ueberblick des Archipels versuchen und 
hierbei die Reihenfolge betrachten, in welcher die einzelnen Eilande von einem 
von Caleutta nach der Malakkastrasse gerichteten Fahrzeuge am günstigsten 
besucht werden könnten. 

Die nördlichst dem Andamanenarchipel zunächst gelegene Insel Kar-Ni- 
kobar, von den Eingebornen Pü genannt, liegt im 92° 56' Gr. Länge und im 
90 10° nördl, Breite. Sie hat, abgesehen von der nordöstlichen Landzunge eine 
dem Quadrate mit stumpfen Ecken ähnliche Configuration. Mit Ausnahme der 
halbkreisförmigen Vertiefung der nordwestlichen Küste ist die Insel ohne Bai 
und Hafen. Ihr Umfang beträgt ungefähr 40 Meilen. Von der Ferne erscheint 
sie von Bäumen gänzlich bedeckt, im Innern hat sie mehrere gelichtete Stellen. 
Sie ist nieder und im Allgemeinen sumpfig, der Boden besteht nach Georg Ha- 


Die Nikobareninseln. 219 


milton aus einer Art schwarzen Argilla, worauf alle tropischen Früchte, als: 
Bananen, Pisang, Papayen, Cocos- und Arekanüsse, Yams- und die Cachouwurzel 
vortrefflieh gedeihen, Letztere wird von den Einwohnern besonders angebaut. 
An dem westlichen Ende der erwähnten Vertiefung liegt die Hüttengruppe Saoui, 
in deren Nähe sich ein kleines fliessendes Wasser befindet. Das Ufer ist da- 
selbst reizend, das Land steigt fast unmittelbar am Meeresrande empor, der Ko- 
rallenstrand wechselt mit steilen Abhängen von blauen Thonmassen und mit 
Grotten und Haufen von schwarzen Kalkeonglomeraten ab. Hinter dem Gürtel, 
welchen hie und da oft hundert Fuss hohe Cocospalmen, Areken und Casuarinen 
bilden, erscheint ein undurehdringliches Netz von Rotang und Pandanus, die von 
Orchideen und unzähligen anderen Schling- und Schmarotzerpflanzen umflochten 
werden. An der äussersten Spitze des Eilandes hat die Natur einen Brückenbogen 
geschallen, unter welchem Boote durchfahren können, wo man auch mit Leichtigkeit 
anlegt; nahe dabei liegtein kleiner stiller Bassin, über welchen sich die Klippe wölbt, 
das Wasser ist darin so tief, dass der Grund mit langen Rudern nicht erreicht 
werden kann. Hat man jene Spitze umschiflt, so trifft man an der Ostküste des 
Eilandes einen Strudel, der Boden wird ausserordentlich uneben, das Senkblei 
gibt abwechselnd von 17 bis 35 Faden Korallengrund. Die Spitze selbst ist 
etwa eine halbe englische Meile breit, auf ihr liegt die Hüttengruppe Arrow. Die 
weiter südwärts laufende Ostküste ist sechs Meilen lang, auf ihr findet man die so- 
genannten Dörfer Moose und Lapate. Ausser diesen zwei Dörfern liegen an die- 
ser Küste noch mehrere Gruppen von Hütten. Die Küste steht in fast beständi- 
ger Brandung, das Landen ist wenigstens während des Nordostmonsoons unmög- 
lich. Die Südküste zeigt eine schwache Bucht, in welche sich ein kleines Was- 
ser ergiesst. Von den Korallenriffen des südwestlichen Endpunctes des Eilandes 
zieht sich die Küste fast geradlinig nach Norden hin. Kar-Nikobar zählt unge- 
fähr ein Tausend Menschen; es ist mit Ausnahme von Chowry die am stärksten 
bevölkerte Insel der Gruppe. Die Einwohner werden als ausgezeichnete Fisch- 
sehützen geschildert, welehe ihre Beute in einer Entfernung von 30—36 Fuss 
mit der Lanze treffen. Sie gehen fast ganz nackt einher, die Leinwand und 
Wolltücher, die man hie und da als Fetzen an ihren Körper erblickt, sind nur 
Geschenke fremder Schifffahrer. Die Weiberröcke bestehen aus Binsen und 
trockenem Grase, welehe nieht geflochten werden und wie ein Strohdach von 
dem Leibe herunterhängen. Dessungeachtet scheinen diese Eiländer der Civili- 
sation noch am meisten zugänglich zu sein; sie sind, wenn wir den überlieferten 
Nachriehten glauben dürfen, einem geregelten Handel nicht abhold; sie tauschen 
von Fremden mehr Stoffe ein, als sie selbst brauchen, und führen den Ueber- 
schuss alljährlich im Monate November nach dem benachbarten Chowry um dafür 
Canoes zu erhalten, die sie selbst zu verfertigen nieht verstehen. Die Ohren 
durchbohren sie sich im zartesten Alter und bilden dabei so grosse Oellnungen, 
dass sie Holzstücke, mit schweren Conchilien behangen, darein steeken können. 
Aus der jungen Frucht der Cocospalme bereiten sie ein berauschendes Getränk, 
Soura genannt, welches sie vermittelst Röhren einschlürfen. Ein gespaltenes 
Stück Bambusrohr von zwei und einem halben Fuss Länge, in dessen Concavität 
der Länge nach eine gespannte Fadensaite läuft, ist das einzige musikalische 
Instrument des Kar-Nikobaren. Seine heuhaufenähnlichen Hütten haben keine 
Seitenwände und ruhen auf hohen Pfählen, um den Zutritt von Schlangen und 
Ratten zu verhindern, den Aufgang zum Wohnraume gestattet eine Leiter, welche 
Nachts weggenommen wird. Der Diebstahl war hier, so glaubte man wenigstens 
noch am Schlusse des letzten Jahrhundertes, unbekannt, der Fremde konnte un- 
gehindert und ohne ein Wort zu sprechen jedes Haus erklimmen, nehmen und 


220 Anton Ed. Zhishnan. 


geniessen was er fand und ohne Dank sich entfernen. Die Kar-Nikobaren erzähl- 
ten, dass die auf den Andamanen lebenden Einwohner Menschenfresser wären, 
‚ welche einst auf Kar-Nikobar mit Waffen und in vielen Canoes erschienen, sie 
überfielen und viele von ihnen tödteten. Man erzählt auch von dieser Insel, dass 
kurze Zeit nach der ersten Umschiffung des Vorgebirges der guten Hoffnung ein 
von Mozambique kommendes portugiesisches Schiff mit einer Ladung von Negern 
daselbst strandete, dass diese zurückgeblieben und somit die ersten Bewohner 
derselben wurden, während die mit ihnen verunglückten Weissen in einem von 
ihnen verfertigten Canoe nach der Küste von Pegu sich retteten. Von den vier- 
füssigen Thieren dieser Insel kannten die Europäer noch zu Anfange unseres 
Jahrhundertes nur den Hund, eine grosse Ratte und die Rieseneidechse Tollon- 
koni, den furchtbaren Feind der Hühner; Schlangen sind zahlreich und dem 
Menschen gefährlich. Beachtenswerth ist es, wie die Kar-Nikobaren das auf 
dem Lande nicht selten vorkommende Fieber heilen. Sie stellen sich beim Aus- 
bruch des Uebels vor ein starkes Feuer und reiben sich den Körper mit Speck 
ein; das Fett, welches durch die von der Hitze erweiterten Poren in den Körper 
dringt, scheint sich mit dem Krankheitstoffe zu verbinden und sofort mit ihm 
auszudünsten. 

Südöstlich zu Süd von Kar-Nikobar liegt das Inselchen Batty-Malve, in 
8° 46' 30° nördl. Breite und 920 57' (nach anderen Angaben in 93° 2' oder 
9301 5) Gr. Länge, ein unbewohnter, verhältnissmässig nackter Fels, an dessen 
südwestlichem Eeke eine von zwanzig auf dreizehn Faden allmälig steigende 
Untiefe liegt. Südöstlich zu Ost von diesem Felseneiland liegt ein eben so klei- 
nesEiland, Showr y(Dschaura)genannt. In denältesten Karten konmt derNameJoaro 
oder Schovri vor. Seine geographische Breite wirdauf 8° 28° 30° und die Länge 
auf 930 12" ang egeben. Die von Ost nach West laufende Längenachse dieses 
Eilandes beträgt eine und eine halbe englische Meile, die Breite von Norden 
nach Süden misst etwas über eine Meile. Nach der Karte von Lewis ist nörd- 
lich von Showry, drei Meilen vom Lande entfernt, eine Untiefe von 8 bis 13 Fa- 
den angegeben, welche jedoch die „Galathea“ nicht finden konnte. Von Osten 
aus gesehen gleicht das Eiland einem rauhen jähen Fels, mit Mauern eines alten 
Castells. Diese Aehnlichkeit verursacht der an der Südostspitze des Eilandes 
merklich isolirt stehende Berg Hatrock (Hutfels) genannt, dessen Seiten fast 
senkrecht in die Höhe zu steigen scheinen, Der Fels ist etwa 400 Fuss hoch; 
sein flaches und sehr waldiges Plateau enthält ungefähr ein tausend Quadratellen. 
Die Küste ist mit einem dichten, von ewigbewegten Cocospalmen überragten Unter- 
holze bedeckt. Schiffe landen hier selten, es fehlt an einem sichern Ankerplatz, 
zudem dauert die Brandung an den Küsten ununterbrochen fort und ist zur Zeit 
des Nordostmonsoons besonders gefährlich. Daher kommt es auch, dass die Be- 
wohner die ärmsten des ganzen Archipels sind, anderseits erscheinen sie aber 
wieder minder roh als ihre südlichen Nachbarn. Denn sie sind genöthigt, 
Tauschgegenstände zu erzeugen und dafür die ihnen fehlenden Objecte des Be- 
dürfnisses auf den benachbarten Inseln zu holen. Der Boden des Eilandes scheint 
bebaut zu werden, hübsch ausgehauene Wege führen nach dem Innern des klei- 
nen Plateau, man findet umzäunte Pflanzungen von Yams, Bataten, Orangen und 
Bananen, auch verfertigen die Bewohner irdene Töpfe, welche, obwohl unglasirt 
und zerbrechlich, von dem erwachten Keim der Industrie Zeugniss geben. Wie- 
wohl die Cocosfrucht sehr gut gedeiht, ist doch die Menge nicht ausreichend 
um den Bedarf zu decken, viele Einwohner wandern deshalb aus: weil die Wei- 
ber daheim bleiben, ist die Anzahl ihres Geschlechtes überwiegend und eine 
Folge davon die Polygamie. Die Einwohnerzahl beträgt ungefähr 500. Gutes 


Die Nikobareninseln. 221 


Wasser scheint auf dem Inselchen zu fehlen, nach Barbe gibt es daselbst gar 
kein Trinkwasser, daher man es durch die Cocosmilch ersetzen muss, Die Män- 
ner erscheinen kräftig gebaut, aber ihr Mund wird durch den übermässigen Ge- 
brauch des Betels scheusslich entstellt. An der östlichen, eine schwache Con- 
cave bildenden Küste liegt ein ungewöhnlich grosses Dorf, welches 21 bienenkorb- 
förmige Hütten zählt; zwischen diesem und dem Hatrock stehen noch mehrere 
kleine Hüttengruppen dicht an einander. Der grösste Theil der Küste ist von 
Korallenriffen umschlossen. 

Setzt man vom Hatrock in südöstlicher Riehtung die Fahrt fort, so gelangt 
man an den nördlichsten Punet der dem Eiland Showry (Dschaur a) zunächstliegenden 
Insel T eressa. Er befindet sich im 8° 22" der Breite und im 93° 17' der Länge; 
die Südspitze der Insel liegt i im 80 12" der Breite und im 930 20' der Länge (nach 
einer anderen Angabe im 80 13" lat. und im 930 20° long. Teressa ist eine der 
grössten und fruchtbarsten Inseln des Archipels, erstreckt sich 10 Meilen von 
Nordost nach Südwest, ist im Norden drei, in der Mitte und im Süden zwei Mei- 
len breit. Was man von dem Versuche zur Zeit Kaisers Joseph Il., von Pulo- 
Penang oder Sineapore aus die Insel mit 500 chinesischen Ansiedlern zu bevöl- 
kern und den Boden urbar zu machen, zu halten habe, konnte bis jetzt noch nicht 
ermittelt werden: ungewiss bleibt es auch, ob dieselbe ihren Namen von der 
erhabenen Kaiserin erhielt oder dieser nur eine verderbte Bezeichnung des in 
den ältesten Karten Raza oder Tarake genannten Eilandes sei. Sie hat eine 
halbrunde ostwärts eingebogene Gestalt; hohe lachende Hügel, auf denen Wäl- 
der mit freien, lichtgrünen Ebenen abwechseln, verleihen ihrer nördlichen Küste 
ein freundliches Ansehen, und die ausgedehnten waldfreien, nur theilweise mit 
Labang-Unkraute bewachsenen Anhöhen, welche auf der Insel im Allgemeinen 
angetroffen werden, zeugen von einem für den Anbau geeigneten Boden. Es ist 
desshalb umsomehr beklagenswerth, dass die Insel keinen einzigen Hafen und nur 
einen sicheren Landungsplatz hat. Zudem ist die Brandung namentlich während 
des Nordostmonsoons furchtbar. 

Der niedere Boden Teressa’s ist sandig, das höhere Land besteht aus rothem 
Thone, die Vegetation tritt hier nicht so üppig hervor, als auf den andern Eilan- 
den. An der östlichsten Küste liegen südlichst das Dorf Meniong, höher ein 
zweites, Bahiale genannt, nahe dabei die Hüttengruppen von Meniaine und Coie 
und endlich weiter oben Bengala. Bei letzterem Dorfe wurde im Jahre 1844 
der Capitän Ventura mit seiner Mannschaft schuldlos ermordet und sein 
Schooner „Mary“ geplündert und in Brand gesteckt. An der westlichen eon- 
vexen Küste liegt dem südlichen Ende der Insel zunächst das Dorf Laksee mit 
17 Hütten und 104 Einwohnern. Darin lebten einst in einer Hütte der Einge- 
bornen die französischen Missionäre, denn der Glaube der Dorfbewohner, dass 
sie sterben müssten, sobald ein von ihren Wohnhütten verschiedenes Bauwerk 
auf dem Eilande errichtet worden wäre, gestattete jenen nicht ein eigenes Haus 
zu bauen, wozu sie bereits das Material von Penang mitbrachten. Nördlich von 
Laksee liegen zuerst Henam, dann Tameika und in einer weiteren Entfernung 
das Dorf Jalumle. Henam besitzt einen während des Nordostmonsoons sehr sichern 
Ankerplatz, wo eine schmale Oeffnung, in dem die Insel umgebenden Korallen- 
riffe die Landung gestattet. Der Meeresgrund steigt daselbst rasch von 18 
auf 14 Faden. 

Nordöstlich von der Südspitze Teressa’s, eine halbe Meile ungefähr ent- 
fernt, liegt das liebliche Eiland Bompoka, das die Portugiesen die Hutinsel, ilha 
do Einiöreinös nannten. Der dazwischen liegende Canal ist sehr tief und frei von 
Riffen, doch läuft ein reissender unregelmässiger Strom hindurch. Die Küste des 


222 Anton Ed. Zhishuan. 


'Eilandes ist hoch, steigt unmittelbar am Strande empor, ist ganz blossgestellt 
den östlichen Stürmen und ohne sicheren Ankerplatz. Es ist gut bevölkert, die 
Bewohner stehen im Rufe der Höflichkeit. 

Südlich von Teressa, etwa 2000 Ellen vom Lande entfernt, befindet sich 
ein bei niederem Wasser vier Fuss hervorragender grosser Stein, zwischen ihm 
und der Küste liegt ein Riff, das, zumal der Strom stark um die Spitze läuft, in 
der Nacht für Schiffe gefährlich sein muss. Es ist diess eines der am weitesten 
in See gehenden Riffe der nikobarischen Küsten. 

Zweiundsechzig Meilen südöstlich zu Ost von Kar-Nikobar's Südwestspitze 
und zweiunddreissig Meilen nordöstlich zu Ost von Teressa’s Nordspitze liegt die 
hügelig aussehende, öde und wie es scheint unbewohnte Insel Tillangs ehong, 
einst Talikan genannt. Ihr Nordende steht im 8032" der Breite und i im 93043 
der Länge (nach einer zweiten Bestimmung beträgt die Breite 8° 33" und die 
Länge 93046’ der südliche Endpunet 8022" der Breite und 92° 46' der Länge. 
Das Eiland ist noch gänzlich unbekannt, seine scheinbar elliptische Configuration 
blieb bis jetzt noch unbestimmt, seine Längenachse von Nordnordwest nach Süd- 
südost misst 7 Meilen. Sowohl im Norden, als auch im Süden liegen bis zu einer 
Entfernung von drei Meilen mehrere isolirte Felsen, deren südlichster, Laouk sich 
durch seine hohe pyramidale Gestalt auszeichnet. 

Südlich %, zu Südwest von der Südspitze von Tillangschong, ungefähr 
vierzehn Meilen entfernt, liegt die nördlichste Spitze der Insel Kamorta. Diese 
Insel bildet mit den zwei benachbarten Eilanden eine besondere Gruppe. Ein 
schmaler Canal trennt sie von der östlich gelegenen, von Nord nach Süd ge- 
streckten Insel Trinkut, ein anderer scheidet ihre südliche, doppelbuchtige Küste 
von der Insel Nankovry. Ober der westlichen Einfahrt dieses letzten Canals zieht 
sich die unregelmässig geformte Ulula-Bucht tief in das Land Kamortas. Schiffe, 
welche an der westlichen Seite der Insel die Mündung des Canals suchten, hiel- 
ten sie oft für diesen selbst. Hiezu verleiten noch insbesondere zwei steile Spit- 
zen, welche sich sowohl bei der Einfahrt in die Bucht, als auch bei jener in den 
Canal befinden. Man gab desshalb der Bucht den Namen „Canal falso.“ Ihr Bassin 
hat Wasser für Linienschiffe, ist aber von Korallenriffen, welche sich fast bis zur 
Oberfläche erheben, enge begrenzt. Eines dieser Riffe sperrt nordwärts beinahe 
die ganze Bucht ab und hat kaum Tiefe für eine flache Gigg. Den oberen Theil 
der Bucht umgeben waldlose, mit Lalanggrase bedeckte Landstrecken, hinter 
denen sieh sanfte Anhöhen zeigen. Der östliche und südliche Rand der Bucht 
ist voll von Mangrovedickicht, Kaınorta ist verhältnissmässig unfruchtbar, die vie- 
len offenen Hügel und Thäler, insbesondere der vom Pastor Rosen zur Anpflan- 
zung gewählte Mongkatahügel (8°2'23” Breite, 83° 35' 58° gr. Länge) und 
das hinter demselben liegende Thal sind vonLalanggras überwuchert. Ausser der 
Ululabucht hat die Insel an der östlichen Küste eine weit geöffnete Bai, welche 
jedoch wegen ihrer den Ostwinden blossgestellten Lage und den sie rings um- 
lagernden Riffen als Ankerplatz nieht dienen kann. In der Mitte dieser Bai befin- 
det sich eine kleine kreisförmige Bucht, an deren Eingange links das Dorf La- 
minge steht. Ober dem nördlichen Auslaufe der Bai liegt das Dorf Taka, und 
nördlicher davon Takareit; gegenüber von Trinkut stehen die Hüttengruppen 
von Ikena oder Inaka, die Hügel sind daselbst ebenfalls von dem alle Vegetation 
erstickenden Lalanggrase umhüllt. Die Nordspitze von Kamorta, Kakäna genannt, 
ist der angebliche Aufenthalt der vonRosen erwähnten, wahrscheinlich während 
der verschiedenen Colonisationsversuche eingeführten Büffel. Die Landspitze 
Kakäna ist nieht hoch, die Abhänge bestehen aus unfruchtbarem Thon und eisen- 
haltigem Sande, der mit seiner rothen Farbe allenthalben durchschimmert , und 


Die Nikobareninseln. 223 


sind arm an Wald. Noch ist an der westlichen Einfahrt des Canals des Dorfes 
Bajuha und an der westlichen Küste des Eilandes der Dörfer Mohiaie und Kathul 
zu erwähnen. Auf der Insel Kamorta erfolgte die erste dänische Niederlassung, 
und zwar am Canale, gegenüber dem auf Nankoyry gelegenen Dorfe Malakka; 
auch die österreichische Flagge wehte einst auf der dem Nankovry-Hafen gegen- 
überstehenden Küste. Die Wahl dieses Ansiedlungspunetes war nicht geeignet, 
die Unternehmungen der Europäer zu fördern, indem derselbe ungeachtet des 
Canals von allen Seiten umschlossen war. Der Boden ist niedrig und weniger 
fruchtbar, als jener der südlichen Gruppenparthie. Kamorta war es, das dieDänen 
Seeland nannten. 

Gegenüber dem Dorfe Inaka liegt die fünf Meilen lange und eine und eine 
halbe Meile breite, in der Mitte bedeutend eingeengte, niedere, mit Unterholz dicht 
überwachsene, unbewohnte Insel Trinkut (Trinket). Die Cocospflanzungen, die 
dort angetroffen werden, sind Eigenthum der Bewohner Kamorta’'s und Nankovry’s. 
An der Südwestspitze, wo auch ein paar Hütten stehen, findet man einen guten 
Landungsplatz, es gibt daselbst keine Korallenriffe, und das Wasser hat, fünfund- 
zwanzig Ellen vom Lande entfernt, sieben Faden Tiefe. Die Magnetnadel zeigte 
hier während des Besuches der „Galathea“ eine nordöstliche Abweichung von 
201315". Die bedeutenden Korallenriffe der Insel sind besonders reich an 
Holothurien. Von Trinkuts Nordostspitze geht ein landfestes Riff ungefähr eine 
halbe Meile weit in die See; ähnliche Riffe, an denen die Wellen heftig brechen, 
erstrecken sich auch von der Südspitze der Insel. Ein bedeutendes Korallenriff 
zieht sich auch an der Ostküste von Kamorta, und zwar von dem Südostende der 
Insel, etwa eine halbe Meile nordwärts hin. Von der Westküste Trinkut's geht eben- 
falls einezwei und einen halben Faden haltende Untiefe aus. Zwischen diesen letz- 
ten zwei Rilfen, das ist im Canale zwischen Trinkut und Kamorta, ist das Fahr- 
wasser wenigstens in dem südlichen Theile rein und bildet eine gute, leider ge- 
gen Südost offene, von sieben bis acht Faden tiefe Rhede. Im nördlichen Theile 
des Canales ist das Fahrwasser schmäler und unregelmässiger. In diesem Canale 
wurden die bereits erwähnten Gräuel am „Pilot* und an dem Schooner 
„Mary“ verübt. 

Von der südlich von Kamorta liegenden Insel Nankovry (Nang Kaury), 
welche einst Nicavari hiess, scheint der Nikebaren-Archipel seinen Namen erhalten 
zu haben. Jetzt nennen sie die Eingebornen Laoi. Sie ist acht Meilen lang und eben 
so viele Meilen breit und im Allgemeinen waldig. Von den Höhen ihrer Hügel über- 
bliektman reizende Landschaften, der Boden ist fruchtbar. Lieutenant Colebrooke 
schätzt die Anzahl der auf Nankovry und Kamorta vorhandenen elenden Dörfer 
auf dreizehn, von denen jedes fünfzig bis sechzig Einwohner zählt. Die Bewoh- 
ner Nankovry’s leben nur an der Küste. Das Innere der Nikobareninseln scheint 
mit Ausnahme der noch fabelhaften „Orangutangs“ nicht bewohnt zu sein; fast 
nirgends trifft man Spuren von betretenen Pfaden, dieEilande sind noch so wenig 
entwildert, dass der Reisende selten Stellen findet, um eine mässige Bewegung 

machen zu können. Das Wasser zwischen Nankovry und Kamorta bildet vielleicht 
den besten Hafen in dem Golfe von Bengalen. Seine Lage ist auf 8° 0° nördl, 
Breite und 93041 Gr. Länge angegeben. Die östliche Einfahrt in denselben ist 
malerisch, die Ufer sind vom Mangrove-Dickicht bedeckt, hinter demselben zieht 
sich ein Streifen des undurchdringlichen Urwaldes hin, in Hintergrunde stehen 
grosse freie Hügel. Einen prächtigen Anblick gewährt vornehmlich der südwest- 
liche Eingang des Hafens. Dieser ist ungefähr einhundert Fuss breit. Zu jeder 
Seite steht ein nackter rauher Fels. Das Hafenbecken ist von Hügeln umgürtet, 
von denen einige stark geneigte Ebenen darstellen, andere fast senkrecht oder 


224 Anton Ed, Zhishman. 


in Terrassen emporsteigen. Diese Anhöhen sind von vier bis auf fünfhundert 
Fuss hoch und ebenfalls dicht bewachsen. Nirgends erblickt das Auge eultivirtes 
Land, welches das Bild wohlthuend verschönern könnte: überall herrscht noch 
die unbezähmte Gewalt des ursprünglichen Pflanzenwuchses. An der Südseite 
des Hafencanals, innerhalb der westlichen Einfahrt, etwa eine Kabellänge vom 
Lande entfernt, sieht man einen bei niedrigem Wasserstande trocken liegenden 
Stein; in der nordwestlichen Bucht des westlichen Hafentheiles liegt eine Koral- 
lenbank, welche bei tieferem Wasserstande nur zwei und einen halben Faden 
Tiefe hat. Fast in der Mitte des Hafencanals ragt eine von der Nordseite Nan- 
kovry’s auslaufende Landspitze hervor, an deren östlicher Seite der lange schmale 
Kreuz- oder Querhafen liegt. An der westlichen Seite dieser Landspitze zieht 
sich ein langes Riff hin, welches an Tiefe plötzlich abnimmt und das Nahen der 
Schiffe gefährdet. Die Korallenriffe schiessen in diesen Wässern seit dem Jahre 
1790, in welchem Capitän Alexander Kyd seine Karte entwarf, weiter hervor. 
Im Canale ist das Wasser 30—40 Faden tief, An dem Ende der den Kreuzhafen 
östlich begrenzenden breiteren Landzunge liegt das Dorf Malakka, ferner die 
Dörfer Injoang und Eldegoang; am Kreuzhafen steht das Dorf Enuang, am West- 
hafen Iton. Dem letzten Dorfe gegenüber liegt auf der südlichsten Spitze Ka- 
morta’s das erwähnte Bajuha, umgeben von undurchdringlichem Diekicht und 
versehen mit guten, ziemlich ergiebigen Quellen. Auf der Landzunge zwischen 
Malakka und Enuang entdeckt man noch die Reste des Etablissements der mäh- 
rischen Brüder, ein niedriges viereckiges Gemäuer mit einigen Treppen, zwi- 
schen Hügeln eingeklemmt, fast ohne Zutritt von reiner Luft und Sonnenstrahl. 
Colebrooke fand daselbst noch einen Sergeanten mit drei Soldaten, einigen 
schwarzen Selaven und zwei alten verrosteten Geschützen. Die Bewohner des 
Dorfes Malakka machen auf den Fremden den ungünstigsten Eindruck, sie sind 
als die bösesten der Nikobareninseln bezeichnet worden. Vor sechs Jahren un- 
gefähr wurde im Hafen der Insel Nankovry ein englischer Kauffahrer von See- 
räubern geentert, versenkt und die Mannschaft ermordet. In Folge dieser 
Gräuelthat ward sofort von Commodore Lambert das Kriegsschifl „Tenasserim“ 
dorthin beordert, um nähere Erkundigung einzuziehen. Die Slupen landeten bei 
verschiedenen Dörfern an den Küsten der drei Inseln Nankovry, Kamorta und 
Trinkut; die Bewohner aber flüchteten in die Bambusbüsche und nahmen aus 
ihren Hütten Alles mit sich. Verschiedene Sachen, die auf Nankovry gefunden 
wurden, und Aussagen von Bewohnern der benachbarten Insel Teressa bestätig- 
ten den Raubmord völlig. 

Westlich von Nankovry, südöstlich zu Süd von Teressa, vier Meilen von 
diesem Eilande entfernt, liegt dieInsel Katschal im 7° 54' der Breite und 93029 
gr. Länge. Ihre Ausdehnung von Norden nach Süden beträgt sieben, von Ost 
nach West zehn Meilen. An der Ostküste, gegenüber der westlichen Einfahrt in 
den Nankovryhafen befindet sich eine tiefe Bucht, welche mit Korallenriffen völlig 
überwachsen ist. Korallenriffe sind auch an der ganzen, stark bewaldeten Ost- 
küste in Menge vorhanden. Auf der Südseite der Insel gibt es keine einzige 
menschliche Wohnung und keinen Ankerplatz, auf der südwestlichen Seite, 
welche eine tiefe Bucht aufweist, deren südlieher Theil mit Korallenriffen ange- 
füllt, der nördliche aber rein ist, gibt es nur wenige Bewohner. In der Tiefe 
dieser Bucht liegt ein in's Land tief eindringendes, jenem bei Laminge auf Ka- 
morta ähnliches Becken, dessen Barre kaum mit Canoes passirt werden kann. 

Sämmtliche genannten Inseln sind von der noch genauer zu bezeichnenden 
südlichen Gruppenparthie durch den breiten Sombrerocanal geschieden. Dieser 
Canal ist auch zugleich die geognostische Seheidelinie des Nikobaren-Archipels. 


Die Nikobareninseln. 225 


Während die der südlichen Gruppe angehörenden Inseln aus geschichteten Ge- 
birgsarten, Sandstein und Thonschiefer bestehen, welche den Meeresboden noch 
vor Erhebung der Eilande bedeckten, bieten die nördlichen Inseln plutonische 
Gebirgsmassen dar, welche jüngere neptunische Bildun gen überlagern. Demge- 
mäss Beh sich die Vegetationsdecke, wie bereits bemerkt wurde, diess- und 
jenseits des Canals verschieden. 

In dem Sombrerocanale liegen die dreilnselehen Meroe, Trak und Treis, 
Das erste, flach, sehr unbedeutend, obschon bewohnt, ist sech sundzwanzig Mei- 
len von der Südspitze Nankovry’s und neun und eine halbe Meile westnordw est- 
lich von der Nordspitze Klein-Nikobars entfernt, und liegt im 7°29' der Breite 
und 93046" gr. Länge. Ungefähr in der Mitte zwischen Meroe und der äusser- 
sten Spitze Klein-Nikobars befindet sich Trak, das unbedeutendste der drei Ei- 
lande, und östlich von diesem, nur sechs Kabellängen entfernt, das Eiland Treis. 
Beide sind ziemlich hohe , unbewohnte Inseln, deren Cocospalmen die Nikobaren 
auf Pulo Milu sich als ihr Eigenthum anrechnen. In der Mitte des letzten liegt 
ein durch einen niedrigen Kamm getheiltes Thal, in dessen waldlosem nördlichem 
Theile sich ein kleiner See mit einer überaus reichen Kräuter-Vegetation befin- 
det. Auf diesem Eilande fand Dr. Rink Steinkohlen, doch meistens nur als Ge- 
rölle. Das Fahrwasser zwischen der nahen Küste Klein-Nikobars und den Insel- 
chen Trak und Treis ist fast gänzlich frei von Korallenriffen, eine darin liegende 
Korallenbank hat sechs Faden Tiefe. Der Name „Triest,“ welchen das Journal 
„Sincapore free press“ im Jahre 1846 einer der Nikobareninseln gab, kann ety- 
mologisch nur auf die Insel Treis bezogen werden. Die südlich vom Sombrero- 
canal liegende Gruppe bilden die Inseln Klein-Nikobar mit den Nebeneilanden 
Milu und Montschal, und Gross-Nikobar, die südlichste und grösste Insel des 
gesammten Archipels. Klein-Nikobar liegt zwischen dem 7° 27 der nördl. Breite 
und 93° 53" Gr. Länge (nach einer andern Bestimmung 7° 26 der Breite und 
93052 der Länge) und dem 7°13' der Breite und 93°A6' der Länge. Von 
Nankovry ist es neunundzwanzig Meilen entfernt; seine Länge von Nord nach 
Süd beträgt zwölf Meilen, seine grösste Breite von Ost nach West neun Meilen. 
Die nördliche Küste Klein-Nikobars hat zwei Vertiefungen und besitzt einen 
westwärts offenen Hafenarm, welcher in ein eirkelförmiges Bassin endet, Vor 
dem Eingange in den Hafen liegt das kleine Buscheiland Pulo-Milu (Pulo=Insel, 
Milo = Busch). Der Klein-Nikobarhafen, auch Pulo-Miluhafen genannt, ist von 
Nord nach Süd etwa eine Meile lang. Von der Südost- und Südwestspitze der 
Insel Milu, wie auch von der Nordküste von Klein-Nikobar gehen Korallenriffe 
aus, welche nur einen schmalen, geschlängelten, 13—16 Faden tiefen, gänzlich 
reinen Canal offen lassen. Am sichersten gegen die bei Monsoonwechseln eintre- 
tenden nordwestlichen Stürme liegt das Schiff in Lee von Pulo-Milu und seinem 
Korallenriffe. Der Pulo-Miluhafen hat vor jenem Nankovry’s den grossen Vortheil 
von zwei Eingängen; an Grösse und Vortrefflichkeit steht er ihm allerdings nach, 
indessen ist er immerhin sicher und sehr luftig. Die Schönheit der Lage und die 
Sicherheit des Ankerns, sowie auch die Fruchtbarkeit des ihn umgebenden Bo- 
dens, bestimmten die dänische Regierung, diese Küste zur Hauptstation zu ma- 
chen. Der Pulo-Miluhafen bildet den Mittelpunct zwischen Indien, dem malaischen 
Archipel und China auch in Erwägung der die Schifffahrt regulirenden Monsoone. 
Im Jahre 1846 sollte daselbst eine neue Colonie angelegt werden; der zu diesem 
Zwecke von der dänischen Regierung angeschaffte Dampfer „Ganges“ brachte 
vierzig chinesische Kulis von Penang. Unglücklicher Weise waren jedoch meh- 
rere von ihnen Opiumesser, welchen hier das Gift ausging. Da auf den Nikoba- 
ren Opium nicht zu finden war, so war der Tod dieser Leute eine unvermeid- 


226 Anton Ed. Zhishman. 


liche Folge. Die wenigen übrig Gebliebenen verwendete man zur Ausreutung 
der Wälder, Anlegung von Strassen, zum Anbau von Zuekerrohr, Caffee und 
Muscatnüssen, welche letzten hier wider alle Erwartung gedeihen. 

In dem südöstlichen, zwei bis drei Fuss tiefen Theile der Hafenbucht 
liegt eine Korallenbarre, sonst besteht der Boden aus Lehm und Moder. Ein 
kleiner Fluss, welcher in das Bassin mündet und bei hohem Wasserstande seine 
Umgebung in Sumpf verwandelt, führt in seinem höheren Laufe ausgezeichnetes 
Wasser. Dieser Fluss wird eine und eine halbe Meile ober der Mündung sehr 
schmal und theilt sieh in zwei Arme; sein Lauf geht von Nord nach Süd durch 
ein von Hügeln eingeschlossenes, schönes Thal. Der der Mündung naheliegende 
Hafentheil ist mit einem, während der Ebbe von nur wenigen Fuss Wasser be- 
deckten Schlamme angefüllt, in dem sich eine sehr kleine Mangrove gleichsam 
verirrt; wo aber während der Ebbe das Meer gänzlich zurückweicht, fängt der 
Mangrovewald an, der sich noeh über das unterste Drittel der Flusslänge er- 
streckt. Mit Ausnahme der Mangrove (Druguiera gymoorhiza) und einer selte- 
ner vorkommenden krautartigen Acanthacee (dilivaria) istdiese Strecke ohne 
Vegetation. Erstes Gewächs bildet zunächst der Bucht, ein sehr diehtes Ge- 
büsch, das unseren Erlengehölzen nieht unähnlieh ist, bald aber in einen hohen 
etwas offenen Wald übergeht, wo schlüpfriger Schlamm und die überall hervor- 
ragenden Wurzeln das Wandern erschweren. Dort wo das Meerwasser aufhört 
auf den Pflanzenwuchs seinen Einfluss zu üben, verschwindet die Mangrove 
gänzlich und es tritt nun, soweit der Fluss in der Regenzeit über die Ufer tritt, 
eine andere Vegetation auf, welche durch die stammlose, palmenähnliche Pflanze 
Nipa fruticans ein ganz eigenes Gepräge annimmt. Sobald die Ufer sich 
mehrere Fuss über den Fluss erheben, verliert sich auch dieses Gewächs gänzlich 
und es beginnt ein reicher, wiewohl noch etwas offener Wald voll von Pan- 
danus- und Arekapalmen. Der Wald wechselt ab bald mit lichten Plätzen, wo 
baum- und strauchförmige Farren, Melastomen, hohe Gräser, Zubus und die 
Cariea Papaya an Ueppigkeit sich überbieten, bald mit kleinen, zum Theile 
eingefriedeten Gartenparcellen, wo das Zuekerrohr, Cocosnüsse, Orangen, Bana- 
nen und andere Gewächse so ausgezeichnet gedeihen, dass dieses Terain nach 
dem Ausspruch des die „Galathea“ begleitenden Botanikers, mit Grund als der 
fruchtbarste und, zumal das Korallenland schon fast ganz in Anspruch genommen 
ist, bei einer Colonisation vorzüglich anzubauende Boden betrachtet werden 
darf. An der Mündung des Flusses befindet sich eine Grotte, deren Inneres 
mit mehreren Fuss tief liegenden Guano bedeckt ist, wo Salangaschwalben in 
grosser Menge ihre essbaren Nester bauen, welche jedoch von minder guter 
Sorte sind. Das von Klein-Nikobar auslaufende Korallenrif! wimmelt von Tre- 
pangs (Holothurien); beim Eingange des Bassins liegen sie gewissermaassen 
über einander. Der Trepang ist ein 15—20 Zoll langes, 4—5 Zoll dickes, blut- 
egelähnliches Thier von röthlicher, oft schwarzbrauner Farbe. Es liegt im 
Sande, oder auf den Korallenfelsen ohne Spuren seines Lebens zu geben. Es 
wird mit Spiessen getödtet oder wenn es in einem nicht tiefen Wasser liegt, 
von Tauchern mit den Händen gefangen. Es scheint, dass allein die Malaien den 
Trepang zu bereiten verstehen, Sie sieden ihn, und trocknen ihn in der Sonne 
oder am Feuer, verpacken ihn in Korallenkalk und führen ihn nach Penang, wo 
er an Chinesen als grosse Delicatesse verkauft wird. Jedes Jahr erscheinen 
malaische Trepangfänger in den Monaten November und December auf den 
Nikobaren und bleiben daselbst bis zum Ende des Monates April. 

„Die ganze Küste ist,“ schreibt Steen Bille, „malerisch schön; eine 
prachtvolle Lilie, Crinum asiaticum genannt, und eine Scävola mit hübschen 


Die Nikobareninseln, 227 


rothen gespaltenen und zurückgeschlagenen Blumen, wachsen der See so nahe, 
dass sie von den Wogen fast bespült werden. Mangrove gibt es hier nicht; 
dagegen wird die Cocospalme von der Hernandia ovigera, Getarda speciosa, 
Calophyllum inophyllum , Hibisken, Leguminosen und anderen mächtigen 
Bäumen umgeben, und hoch über den übrigen Waldkranz hebt die Barring- 
tonia speciosa ihre Krone, während die weisse kreuzförmige Blüthe derselben 
mit den grossen, hellrothen Staubfäden überall zwischen dem vollen Laub ihrer 
dicken glänzenden Blätter durchschimmert. Die Casuarine und die bis 80 Fuss 
hohe, schlanke Nibongpalme erheben sich majestätisch auf den ferneren An- 
höhen und ungeheuere Fieus- und Laurus-Arten, Terminalien und andere fremde 
Bäume bilden, wie auf den nördlichen Inseln, einen mächtigen Urwald, in dem 
nur scharfe Waffen mühsam den Weg bahnen durch das undurchdringliche Netz 
von Lianen, die bald an den Stämmen emporklettern, bald in grossen Guirlanden 
herabhängen, bald durch die wunderbarsten Verschlingungen jedes Vordringen 
versperren, Die in den Wipfeln verborgenen Sangeicaden erfüllen den Wald 
mit ihrer betäubenden Musik, und zahllose Nectarinien fliegen von Baum 
zu Baum.“ 

Ungefähr in der Mitte von Pulo-Milu trifft man einen Süsswasser-Sumpf an, 
welcher westlich an die Thonschiefer- und Sandstein-Formation stosst, sonst aber 
vom Korallenlande eingeschlossen wird. Sein feiner, sehr dunkler, torfähnlicher 
Boden bleibt noch gegen das Ende der trockenen Jahreszeit so ausserordentlich 
feucht, dass man überall einsinkt. Er ist von niederen Gewächsen völlig entblösst, 
um so reichlicher aber mit Pandanus- und Arekabäumen versehen, und besonders 
mit den ersten, die überhaupt wegen der Ueppigkeit für diese Inseln so bezeich- 
nend sind und namentlich hier bis zur Höhe von 30 — 40 Fuss heranwachsen, 
oft 4— 6mal verzweigt sind und 18—20 Zoll lange Fruchtköpfe tragen. Das 
Eiland Pulo-Milu ist 6600 Fuss breit und 4200 Fuss lang, es ist an der nord- 
östlichen und nördlichen Seite hügelig und ziemlich steil, sonst flach und stark 
bewachsen; an seiner Westseite liegen tiefe Grotten, die bei niederem Wasser 
trocken stehen, die es umgebenden Korallenriffe gestatten nur durch einzelne 
Oeffnungen den Landgang. 

Von dem Nordwestende Klein-Nikobars läuft die Küste, wie bereits be- 
merkt, in kleinen Buchten nach Ostnordost, hierauf biegt sie sich nach Norden 
und bildet in einer Länge von drei Meilen die Westseite einer schmalen, ziemlich 
hohen im Osten von Menschen bewohnte Landzunge, die Ostseite des Miluhafens. 
Diese Landzunge ist eine halbe Meile breit, von ihr geht nordwestlich zu West 
ein drei Kabellängen messendes Riff aus, an dessen Spitze ein bei niedrigem 
Wasser vier Fuss hoher, trockener Stein sichtbar wird. Auf ihr findet man ein 
rinnendes Wasser, welches während der trockenen Jahreszeit ziemlich sparsam 
ist; Tausende von kleinen Eremitkrebsen laufen auf dem weissen Korallensande 
geschäftig hin und her. An der nordöstlichen Seite bildet die Insel eine Conca- 
vität mit dem Dorfe Iurforte. Unweit davon liegt das kleine Felseneiland Mot- 
schall, wo die nikobarische Cocospalme die Höhe von ungefähr hundert Fuss 
erreicht; das Vorkommen der Palme auf diesem Felseneiland ist besonders 
desshalb auflallend, weil dieser Baum mit Ausnahme des oberen Flussthales von 
Klein-Nikobar nur auf dem Korallende angetroffen wird. Die südöstliche 
Küste Klein-Nikobars bildet eine tiefe reine Bucht, in deren Mitte einige 
Cocosbäume stehen; die südwestliche Spitze der Insel ist hoch, fällt gegen die 
See jäh ab, und ist mit Dschungel und Waldungen bis an den Strand bedeckt. 
Die Westseite der Insel hat mehre kleine Buchten mit einzelnen von unbedeuten- 
den Cocospflanzungen umgebenen Hütten. Von allen Landspitzen schiessen 

Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft. II. Bd, 2. Heft. q 


228 Anton Ed. Zhishnan. 


Korallenriffe aus. Längs der ganzen Küste hat man 13 bis 20 Faden Anker- 
grund. Die Höhe der Hügel, welche das Innere der Insel einnehmen, wurde 
‚ auf 1000 bis 1200 Fuss geschätzt. Im Norden fand man Kohlen; aber nicht in 
Quantitäten, um gehörige Ausgrabungen unternehmen zu können. Klein-Nikobar 
ist von Gross-Nikobar, der südliehst gelegenen Insel des Archipels, durch den 
Georgscanal getrennt. In dem Canale liegt das Eiland Condul. Auch dieses 
Eiland wurde von Herrn Busch im Namen des Königs von Dänemark in Besitz 
genommen; es ist eine und eine halbe Meile lang und eine Meile breit, seine 
Nordseite ist ziemlich hoch und felsig, die Westseite hingegen, wo mehre Hüt- 
ten stehen und während des Nordostmonsoons ein sicherer Ankerplatz von 11 bis 
14 Faden Wasser zu finden ist, erscheint flacher. Hier fand Dr. Rink Spuren 
von schlechter Steinkohle. Sowohl der nördliche als südliche von Pulo-Condul 
liegende Theil des Canales sind rein, letzterer ist jedoch voll von Stromstauun- 
gen und bei dem Eilande kaum eine Meile breit, so dass Segelschiffe ihn nur 
mit offenem Winde suchen dürfen. Die grössten Fahrzeuge, hiess es zu Dam- 
piers Zeiten, können den Canal befahren, sobald sie sich in gleicher Ent- 
fernung von den Küsten Klein- und Gross-Nikobars halten und dann das Insel- 
chen Pulo-Condul in allen Fällen südlich lassen ; denn dieses hat ein Riff, welches 
sich eine Viertelmeile weit ins Meer erstreckt und die Schifffahrt zwischen ihm 
und Gross-Nikobar gefährlich macht. Nothwendig ist es auch nördlich von dem 
ausser dem Canale gelegenen, hohen und unbewohnten, sehr kleinen Eilande 
Cabra zu fahren, da mitten im Canale zwischen Cabra und Pulo-Condul ein Riff 
liegt, das man südlich zu sehen bekommt. Strömungen und Riff gefährden 
überhaupt die Fahrt durch diesen Wasserarm, 

Gross-Nikobar, die südlichste und grösste Insel mit 1000 Einwohnern 
wird aueh’ Sambelong, Kar-Nikobar oder Loang genannt. Der Name Sambelong 
ist nur die englische Verunstaltüing der alten portugiesischen Bezeichnung 
Sambillon. In dieser Benennung glaubte man die collective Bezeichnung der 
Nikobarischen Inselgruppe gefunden zu haben, indem man sie auf die Zahl 
Neun bezog, da zu dem Archipel in der That neun grössere Inseln gehören’ 
In den zwei verschiedenen dem Verfasserbekannten Wortregistern der nikobarischen 
Sprache heisst jedoch neun, eancata oder inhatta. Sambelongs Nord-Ende liegt im 
708 nördlicher Breite und 93° 55" Gr. Länge ; sein Süd-Ende im 6° 45° der Breite 
und 94° 0° der Länge. Die Längenausdehnung der von Nord nach Süd immer 
enger zulaufenden Insel beträgt ungefähr 28, die grösste Breite etwa 14 Meilen, 

Gross-Nikobar ist auffallend wegen der hohen Hügel, seine östliche Küste 
besteht aus einer fortlaufenden Reihe ziemlich flacher Buchten hinter denen sich 
das Land zu einem überall fast gleichen Rücken erhebt, dessen Culmination auf 
2500 Fuss angegeben wird. Im 7° 12" 30° liegt an der Südspitze einer seichten 
Bucht ein durch ein Korallenriff mit dem Lande verbundener zuckerhutförmiger 
Fels. In die Bucht mündet ein Fluss. Die östliche Küste der Insel ist nur theil- 
weise untersucht worden, die westliche ist fast gänzlich unbekannt. Die erste 
enthält so weit man sie kennt, mehrere Buchten, von denen eine, ungefähr im 
7° 8' der Breite, einen Fluss aufnimmt. Etwas tiefer als im siebenten Grade 
stehen mehrere isolirte Klippen, von denen eine wegen ihrer Aehnlichkeit mit 
einem umgestürzten Boote von Lewis „Coatrock“ genannt wurde. An der 
hohen Südküste theilt sich das Eiland in zwei, eine verhältnissmässig sehr ge- 
räumige, reine Bucht mit einem von 15 auf 57 Faden allmälig steigenden Grunde, 
einschliessende Spitzen. An der östlichen Küste der Bucht findet man ein rin- 
nendes trinkbares Wasser; der steinige Grund der Westseite der Bucht macht 
die Einfahrt für Boote gefährlich. An den beiden erwähnten Endzacken der Insel 


Die Nikobareninseln. 229 


brieht sich die weit in die See reichende Brandung gewaltig. In der Tiefe der 
Bucht mündet der Fluss Galathea; die Einfahrt in denselben versperrt eine 
Barre sogar den kleinsten Booten. Ringsum ist das Land mit undurehdringlichem 
Dschungeldickicht bewachsen. 

An einer winkelförmigen Biegung desselben gewahrt man einen waldigen 
senkrechten Abhang, hinter welchem .eine kleine Bucht mit menschlichen Woh- 
nungen liegt. Der Capitän des Dampfschiffes „Ganges“ untersuchte den Fluss 
zwanzig Meilen aufwärts, er fand ihn nirgends unter zwei Faden tief. Bei An- 
näherung des Bootes flohen die Eingebornen hinweg und liessen sogar ihre 
Nahrung am Feuer stehen. Die nördliche Küste Sambelongs zieht sich vielfach 
gewunden in ostnordöstlicher Richtung hin und endet in eine verhältnissmässig 
breite Landzunge mit zwei nach Nordwest und Südost auslaufende Spitzen. 
Letztere Spitze ist durch ein, nur eine halbe Meile breites und völligsicheres Fahr- 
wasser von dem hohen, unbewohnten kleinen Eilande getrennt. Auf der westlichen 
Seite der Landzunge liegt der genau ausgemessene Gangeshafen, an dessen Ein- 
gange eine gefahrvolle Untiefe liegt. Der fast gar nicht bewohnte Hafen bietet 
nur gegen Nordost eine ungefähr 5100 Fuss breite offene Einfahrt. Die ganze 
nördliche Küste der Insel ist mit Korallenriffen umdrängt, ihr Strand von niedri- 
gem Mangrovedickicht umhüllt. 

„Der Fluss“, heisst es im Berichte über die Reise der Corvette „Galathea“, 
„behält etwa sechs Viertelmeilen innerhalb der Mündung eine Breite von 
50—60 Fuss, wird darauf schmäler und war, wo wir umkehrten keine 20 Fuss 
breit. Es war diess längs dem Flussbette 5, in gerader Linie aber kaum 2 Meilen 
von der Barre entfernt; indem der Fluss, obgleich hauptsächlich von NNW. nach 
SSO. laufend eine unendliche Menge Biegungen, darunter mehrere in einem 
Winkel von 140—150° macht. Ebbe und Fluth machten sich auf der ersten 
Meile geltend, später ward das Wasser ausgezeichnet; die Tiefe war anhaltend 
10—12 Fuss. Die Ufer waren anfangs so niedrig, dass sie einen grossen 
Theil des Jahres ganz unter Wasser stehen zu müssen scheinen; ein undurch- 
dringliches Mangrovedickicht wechselt auf ihnen mit zerstreuten schlanken Man- 
grovebäumen ab. Der nächsten, längeren Strecke hatte die Nipapalme sich ganz 
und gar bemächtigt; im Blatt der Cocospalme, in der Frucht dem Pandanus sich 
nähernd, erfüllte diese die ganze Landschaft mit dem Duft ihrer schönen Blüthe, 
bis der letztgenannte Baum, je nachdem die Ufer höher wurden, die Nipa ver- 
drängte. Ein üppiger Wachsthum erfüllte das ganze Flussthal: Farrenbäume, 
Bignonias mit ihren prachtvollen, weissen, eingekerbten Blüthen, zahllose mit 
den benachbarten Gewächsen sich verwickelnde Rotangs und Bambusse, und 
grosse Netze von über den Fluss herabhängenden Schmarotzerpflanzen. Die Ufer 
wurden immer höher und senkrechter; an den sanften steigenden Abhängen 
stand das Zuckerrohr im besten Gedeihen und wie ein alter Bekannter winkte 
der Brombeerbusch uns von den Anhöhen zu. Etwa 2'/, Meilen den Fluss hinauf, 
traten die Felsen so dicht zusammen, dass der Fluss durch eine zwischen ihnen 
liegende tiefe Kluft strömte. Das Flussbett ward hier plötzlich nur zwei Fuss 
tief, und wir mussten durchwaten und die Boote hinüberschleppen, was sich 
auf ungefähr tausend Ellen dreimal wiederholte.“ 

Von allen Inseln des nikobarischen Meeres war in früheren Zeiten Gross- 
Nikobar am meisten besucht; hier pflegten die Ostindienfahrer Anker zu werfen, 
um ausser den Früchten des Bodens auch Papageien zu holen, welche im Rufe 
grosser Sprechfähigkeit standen und jenen des indischen Festlandes vorgezogen 
wurden. Jetzt liefert die Insel hauptsächlich Salanganester, welche hier wie auch 
auf Klein-Nikobar ausserordentlich zahlreich erscheinen. Die Nester, welche von 

(rs 


230 Anton Ed. Zhishnan. Die Nikobareninseln. 


der Salangoschwalbe, Collocalia fuciphaga, erbaut werden, findet man in den 
oft schwer und mit Gefahren zugänglichen Felsenhöhlen der Küste. Sie bestehen 
aus Grasstroh und feinen Pflanzenfasern, welche vermittelst des Vogelspeichels 
“ zu einer weissen, scheinbar gelatinösen Substanz zusammengeleimt werden. Man 
kennt davon sechs Sorten. Jene Nester, in welche noch keine Eier gelegt wur- 
den, gelten als die besten; jene in denen die Jungen ausgebrütet, als die billig- 
sten. Chinesen behaupten, dass sobald ein Nest vor dem Ausbaue weggenommen 
wurde, das zweite von dem Vogel verfertigte an Güte verliere; man glaubt 
sogar an diesem Spuren von Blut zu entdecken, welches dem die Arbeit aber- 
mal beginnenden und selbe mit verdoppelter Hast verrichtenden Thiere enttliesst. 
Um die Nester geniessbar zu machen, werden sie eine Nacht lang im Wasser 
eingeweicht, worauf sie im Wasser gesotten und mit einer Zugabe von Zucker- 
kand in eine Gallerte verwandelt werden. Ein einziges Nest reicht hin den 
Gaumen eines Menschen zu befriedigen. Da die Nester sehr theuer bezahlt 
werden, so können sie nur von wohlhabenden Chinesen und Kranken genossen 
werden. Der reiche Opiumesser nimmt des Morgens eine Schale von dieser 
Delicatesse, um seinen hinsiechenden Körper aufzufrischen, und Lungensüchtigen 
oder von langer Krankheit Geschwächten verordnet sie der chinesische Arzt als 
letztes Heilmittel. Der Handel mit diesem Producte ist hier in grösseren Auf- 
schwung gekommen, seitdem harmlose Schifffahrer, welehe auf den benachbarten 
Andamanen Wasser suchten, von den Eingebornen erschlagen wurden und diese 
Eilande ungeachtet ihres grösseren Reichthumsan Salangaschwalbennestern von 
den Fremden gemieden werden mussten. 

Diess sind die den vorhandenen geographischen Quellen entnommenen Haupt- 
puncte, welche dieKenntniss der Nikobareninseln betreffen; nähere, namentlich 
naturgeschichtliche Aufschlüsse lassen sich noch aus den erwähnten Werken E. 
Blyth's, Dr. Rink's und Steen Bille’s schöpfen. Auf diese muss daher 
schliesslich noch hingewiesen werden, um von den darin enthaltenen Berichten 
über die Fauna, Flora, die geognostischen, ethnographischen, elimatologischen 
und commereiellen Verhältnisse nicht eine blosse Wiederholung geben zu müssen. 


IX. 


Beitrag zur Theorie der Luftströmungen und der Vertheilung 
der Winde auf der Oberfläche der Erde. 


Von Commodore Bernhard von Wüllerstorf-Urbair. 
k. k. Linienschiffs- Capitain, Befehlshaber S. M. Fregatte Novara. 


(Mit einer Tafel.) . 
Mitgetheilt in der Versammlung der k. k. geographischen Gesellschaft am 1. Juni 1858. 


Seit vielen Jahren der Wissenschaft die ich pflegte, durch die einge- 
tretenen Zeitverhältnisse entrückt, bin ich durch dieReise S. M. Fregatte Novara, 
welche mir zu leiten die Ehre geworden, wieder auf das Feld der Forschung 
gerathen und ich möchte nun, so weit meine Kräfte reichen, Nützliches leisten, 
und zum Mindesten in der praktischen Anschauung der Natur, die Zahl der auf- 
klärenden Thatsachen vermehren, welche Demjenigen entgehen, dem es nicht 
gegönnt ist, diese Erdenwelt in grösserer Ausdehnung kennen zu lernen. — 
Als Seemann und auf einer Reise begriffen, auf welcher so viele verschiedene 


Beitrag zur Theorie der Luftströmungen und der Vertheilung der Winde. 231 


Zonen der Erde befahren werden sollen, habe ich der Meteorologie und insbe- 
sondere der geographischen Vertheilung, so wie dem Verhalten der Winde, vor- 
zugsweise meine Aufmerksamkeit geschenkt. 

So vielfach auch die verdienstvollen und umfassenden Arbeiten Maury’s 
der praktischen Seefahrt, gleichwie der wissenschaftlichen Auffassung der 
physischen Geographie des Meeres zu Nutzen kamen, und so sehr dieselben 
auch über die Vertheilung der Winde auf dem Meere Aufschluss geben, so 
bleiben gleichwohl viele Lücken auszufüllen, und es bedarf der geistigen Kraft 
vieler Forscher, um ein Ganzes aufzustellen, das, so weit menschliche An- 
strengungen es überhaupt vermögen, auf Vollständigkeit Anspruch machen kann. 

Die schönen Resultate, welche Dove sowohl in Bezug auf die Ver- 
breitung der Wärme, wie auf das Gesetz der Winde erzielt hat; die mehr 
praktischen Ergebnisse, welche Reid, Redfield, Piddington und andere 
Schriftsteller aus der Beobachtung von Circeular-Orkanen, sogenannte Cyklonen 
abgeleitet haben, veranlassten mich zu weiteren Untersuchungen in dieser Rich- 
tung, deren vorläufige Folgerungen, so weit meine Beobachtungen zur Zeit 
reichen, hier zusammengestellt sind. 

Die Darstellung der Erscheinungen, wie ich dieselben auffasse, bedingte 
die Aufnahme bekannter Thatsachen, deren Aufführung zum Verständniss des 
Ganzen erforderlich war, die aber von jedem aufmerksamen Leser leicht von 
demjenigen Theile der Arbeit geschieden werden können, dessen Verantwortung 
ich selbst übernehmen muss. 

Es sei mir am Schlusse dieser einleitenden Worte erlaubt, zu meinem 
eigenen Schutze die Ansicht eines grossen Mannes anzuführen, dessen Urtheil 
massgebend für die ganze eivilisirte Welt ist, und der in allen Zweigen des 
Wissens den geistigen Standpunkt unseres Zeitalters bezeichnet. 

„Es geziemt nicht dem Geiste unserer Zeit, jede Verallgemeinerung der 
Begriffe, jeden auf Induktion und Analogien gegründeten Versuch, tiefer in die 
Verkettung der Naturerscheinungen einzudringen, als bodenlose Hypothese zu 
verwerfen, und unter den edlen Anlagen mit denen die Natur den Menschen aus- 
gestattet hat, bald die nach einem Causal-Zusammenhang grübelnde Vernunft, 
bald die regsame, zu allem Entdecken und Schaffen nothwendige und anregende 
Einbildungskraft zu verdammen,“ (Cosmos I. pag. 72.) 

1. Abgesehen von den störenden Ursachen, welche durch die Vertheilung 
von Land und Meer auf der Erde bedingt sind, oder von sonstigen örtlichen 
Zuständen des Erdkörpers und seiner Oberfläche abhängen, ist durch den per- 
manenten Einfluss der Sonne, deren nördliche und südliche Abweichungen vom 
Aquator sehr nahe dieselben bleiben, eine Zone grösster Erwärmung auf der 
Oberfläche der Erde gebildet, welche nicht stationär ist, sondern in engeren 
Grenzen der Sonne nachrückt, und wie ich im Allgemeinen annehmen zu dürfen 
glaube 25 bis 30 Tage später derselben in ihren Bewegungen folgt. 

Wäre die Oberfläche der Erde gleich einer Kugel ohne Erhebungen und 
Vertiefungen, und in jeder Beziehung gleichförmig gebildet, so würde diese 
Zone grösster Erwärmung überall dieselbe Breite besitzen, dem Aquator paral- 
lel bleiben, um demselben gleichmässig oseilliren und einem Isothermen-Gürtel 
entsprechen. 

Diese Zone grösster Erwärmung könnte sich indess nie in der Ebene 
des Parallelkreises der Sonne befinden, weil ihre Temperatur sowohl von der 
direeten Einwirkung der Sonne, als von der Ausstrahlung der Erdoberfläche ab- 
hängig ist, daher das Maximum der Wärme auf einem Parallele stattfinden 
müsste, den die Sonne bereits überschritten hat. Würde kein anderer Einfluss 


232 Commodore B, v. Wüllerstorf-Urbair. 


als die directe Erwärmung der Sonne und die Ausstrahlung der Erdoberfläche 
sich geltend machen, so müsste die genannte Zone stets um dieselbe Anzahl 
‚ Breitengrade vom Parallelkreise der Sonne entfernt bleiben. Weil aber die Luft, 
welche den Erdkörper umhüllt an der Zone grösster Erwärmung eine grössere 
Temperatur besitzt, folglich nieht so dieht sein kann als die Polarluft, so strömt 
auf beiden Seiten dieser Zone kältere Luft zu, und drängt die Zone grösster 
Erwärmung gegen den Äquator zurück. Je nachdem die südliche oder die nördliche 
Polarluft grössere Geschwindigkeit oder geringere Temperatur besitzt, wird die 
Zone grösster Erwärmung im Norden oder im Süden des Aquators sich 
befinden. 

Da nun die Sonne im Sommer der nördlichen Hemisphäre, der südlichen 
eine geringere Wärme spendet, so wird die Zone grösster Erwärmung durch 
die südliche Luftströmmung nach Norden gedrängt werden. Sobald die Sone 
aber von der nördlichen Hemisphäre in die südliche zieht, folgt ihr die Zone 
grösster Erwärmung in dem Maasse, als es die Temperaturen beider Luftström- 
mungen zulassen. 

Diese Bewegungen können indess in keinem Falle in gleichen Parallel- 
kreisen regelmässig vorschreiten, weil die Verschiedenheit in der Erwärmungs- 
fähigkeit der Continente und Meere und im Ausstrahlungsvermögen derselben 
zuweilen bedeutend ist. 

So zum Beispiel bleibt im Atlantischen Meere die Zone grösster Erwär- 
mung in der Regel nördlich vom Äquator, weil die Temperatursverhältnisse der 
Luft in beiden Hemisphären und im Atlantischen Ocean diesen Zustand bedingen. 

Im indischen Ocean hingegen, wo nördlich des Äquators die heissesten 
Länder der Erde sich erstreeken, muss die Zone grösster Erwärmung höher 
nach Norden sich bewegen, sobald die Sonne den Äquator von Süden nach 
Norden überschritten, und die indischen Länder erwärmt. 

Die Curve, welche hier der Zone grösster Erwärmung entspricht, wird 
aber sehr unregelmässig sein, theils wegen der verschiedenen Beschaffenheit 
der Länder selbst, theils weil Afrika mit seinen Sandwüsten im Westen mannig- 
fache Beugungen derselben bedingt. 

Eben so wirken Australien und die Sunda-Inseln selbst bei südlicher 
Declination der Sonne auf die Richtung und Beugung der Zone grösster Er- 
wärmung nach Süden und Osten. Die Breite dieser Zone wird ebenfalls je 
nach dem Wärmegrade, welchen die Continente anzunehmen fähig sind ver- 
schieden sein, und die Grenzen derselben werden je nach dem Stande der 
Sonne Beugungen und Veränderungen ihrer Lage erfahren, welche sich schon 
aus den Richtungen der Isothermen (z. B. für 26°C.) erkennen lassen. 

In der Zone grösster Erwärmung muss nun einerseits die Luft in grössere 
Spannung durch die ihr mitgetheilte höhere Temperatur gerathen, nach allen 
Seiten einen Druck ausüben, und in der Richtung des geringsten Widerstandes, 
also nach oben entweichen, anderseits wird zur Herstellung des Gleichgewichtes 
von beiden Seiten neue kältere Luft dieser Zone zufliessen. 

Daraus ergiebt sich für's erste, dass in der Zone grösster Erwärmung 
durch die eintretende Spannung der Luft, und durch den in Folge dessen aus- 
geübten Seitendruck, weleher den polaren Luftströmungen entgegengesetzt 
ist, in gewissem Grade Stillstand in den Luftbewegungen entsteht. Die Zone 
grösster Erwärmung muss sonach auch eine Zone von Windstillen und veränder- 
liehen Winden sein, und wird in der That je nach dem Stande der Sonne in 
geringerer oder grösserer Entfernung, diesseits oder jenseits des Äquators 
angetroffen. 


Beitrag zur Theorie der Luftströmungen und der Vertheilung der Winde. 233 


Zweitens wird die erwärmte Luft welche nach Oben entweicht, durch die 
erlangte Geschwindigkeit eine grössere Höhe erreichen, als jene solcher Luft- 
schiehten, die mit dieser aufsteigenden Luft eine gleiche Diehtigkeit haben; es 
wird daher da, wo dieses Aufsteigen zu Ende geht ein seitliches Abfliessen statt- 
finden, welches eine Luftströmung verursacht, die der untern Polarströmung 
entgegengesetzt ist. 

Die Lufttheilchen kommen aber dadurch in kältere Regionen, obschon 
dieselben die aus der Äquatorial-Region mitgebrachte Feuchtigkeit durch ein- 
tretenden Niederschlag, und durch Aufsaugung von Seite der troekenern Luft 
zum Theile verlieren, so büssen sie doch zugleich auch von der Wärme in 
ihren Laufe gegen die Pole ein, verdichten sich und vermehren jedenfalls den 
Luftdruck in den höheren Breiten. 

Uebrigens dürften nicht allein jene Lufttheilchen nach oben entweichen, 
und seitlich abfliessen, welche genau in der Zone grösster Erwärmung sich be- 
finden, sondern wahrscheinlich auch alle diejenigen, welche einer solchen 
Temperatur ausgesetzt sind, wodurch ihre Spannung so weit erhöht wird, um 
den Widerstand der aufliegenden Luft zu überwinden, 

In der Zone grösster Erwärmung kommen, wie wir gesehen haben 
Temperatyrsverschiedenheiten, je nach der Erwärmungsfähigkeit der Erdober- 
fläche vor; es muss demnach nicht allein ein Abfliessen gegen die Pole statt- 
finden, sondern an manchen Stellen auch in der Richtung der Zone grösster 
Erwärmung, wenn auch die dadurch entstehenden Strömungen gering und in 
der Regel unbedeutend sein können. 

In jedem Falle wird aber wie bereits erwähnt, nach den Richtungen wohin 
die Luft der Zone grösster Erwärmung abfliesst, ein vermehrter Luftdruck auf 
der Oberfläche der Erde sich kundgeben, wie wir solchen auch wirklich von der 
Zone der Windstillen zu beiden Seiten nach Norden oder nach Süden fort- 
sehreitend beobachten, 

Diese Vermehrung des Druckes muss nothwendiger Weise da wo die Luft- 
theilchen in ihrer Bewegung den grössten Widerstand erleiden, ein Maximum 
erreichen, oder so zu sagen einen Wellenberg des Druckes bilden. Weil aber 
dieser Zustand für sich nieht bestehen kann, und das Gleichgewicht des Druckes 
sich herzustellen trachten wird, so findet zu beiden Seiten dieses Wellenberges 
oder dieser Zone grössten Druckes ein Abfliessen der Luft statt. 

Die so entstehenden Strömungen werden sich aber in den untern Re- 
gionen der Atmosphäre kundgeben, weil es eben diehtere Luft ist, welche einer 
- Vermischung mit der weniger dichten Seitenluft entgegengeht. — Eine dieser 
Luftströmungen zieht gegen den Aquator, verbindet sich mit der Polarströ- 
mung und erzeugt die regelmässigen Passate, die andere aber ist gegen die Pole 
gerichtet, während in den höhern Schichten der Atmosphäre die Luft von den 
Polargegenden der Zone des grössten Druckes zuströmt. Dass hiebei die 
Rotation der Erde wirksam bleibt, versteht sich von sich selbst, es ist aber 
immer darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Luft allmälig die Geschwindigkeit 
der Parallele, auf welchen sie sich befindet annimmt, so dass zum Beispiel die 
Luft, welche auf dem 10. Breitegrade anlangt, bereits die Rotationsgeschwindig- 
keit der Erde nahezu auf 11° 10° Breite erlangt hat. R 

Wäre diess nicht der Fall, so müsste in der Nähe des Aquators ein fort- 
währender östlicher Orkan wehen, Von den Zonen grössten Luftdruckes muss 
die Dichtigkeit der Luft gegen die Pole sich vermindern und ein Minimum er- 
reichen, welches den Beobachtungen gemäss, zwischen 50 und 60 Breitengrad 
auch wirklich stattfindet. 


234 Commodore B. v. Wüllerstorf-Urbair. 


Von da an bis zu den Kältepolen selbst sollte aber wieder eine Zunahme 
des Druckes und eine der den Passaten ähnliche Luftströmung vorkommen. 

Bei der Entfernung der Pole von dem erwärmendenEinflusse, oder richtiger 
‘bei dem kleinen Winkel, unter welchem die Licht- und Wärmestrahlen der Sonne 
die Erde an diesem Punkte treffen, wird die Bildung des angedeutenden Mini- 
mums und des zweiten Maximums des Druckes im grösseren Maasse von den 
Örtlichkeiten selbst abhängig und mannigfachen Unregelmässigkeiten unter- 
worfen sein. 

Durch die Zone grössten Luftdruckes müssen für sich wieder Zonen auf 
der Oberfläche der Erde bezeichnet werden, wo die Luft in ihrer Bewegung 
einen Stillstand erleidet, wo sich entgegengesetzte Strömungen treffen, und 
von einander scheiden, und zu Windstillen und veränderlichen Winden Anlass 
geben. — In der That begegnet man an der Polar-Grenze der Passate in den 
sogenannten Rossbreiten solehen Windstillen und veränderlichen Winden. 

Ähnliche Erscheinungen werden sich auch in der Zone der grössten Er- 
wärmung einstellen, da wo verschiedene Temperaturen sich ergeben. Es 
müssen sich demnach auch in ihr Orte grössern Druckes in Folge von Orten 
grösserer Wärme zeigen, und Luftströmungen bilden, wovon die untere von 
dem Orte grösseren Druckes in entgegengesetzten Richtungen, die obern nach 
diesem Orte sich bewegen. In diesem Falle werden sich sonach auf der Ober- 
fläche der Erde nahezu östliche oder westliche Winde in der Zone der 
Äquatorial-Windstillen ergeben, welche von dem Orte abhängig sein werden, 
wo die Temperatur der Luft in der Zone grösster Erwärmung, je nach dem 
Stande der Sonne und je nach den örtlichen Ursachen ihr locales Maximum 
erreicht. 

Aber nicht allein in der Zone grösster Erwärmung, sondern überall wo 
aufsteigende Luftströmungen entstehen können, vorzüglich an der Grenze von 
Land und Meer werden sich diese Wellenberge grösseren Druckes bilden und 
Winde erzeugen, für die ebenfalls das allgemeine Gesetz Geltung hat, dass sie 
an der Oberfläche der Erde Normal zu den Orten grösser Druckes 
von diesen gegen die Orte grösserer Wärme wehen. 

Daraus erklären sich Land und Seewinde, und überhaupt alle regel- 
mässigen Luftströmungen, welche auf der Erde beobachtet werden. 

Die Zonen grössten Luftdruckes sind von der Lage der Zonen grösster 
Erwärmung abhängig; sie müssen daher ihren Ort mit dieser, und im Einklange 
mit den Bewegungen der Sonne verändern. Das Maass dieser Veränderungen 
wird indess jenen der Zone grösster Erwärmung nicht überall gleich sein, weil 
die örtlichen Störungen für beide nicht dieselben sein können. Würden aber 
keine örtlichen Störungen vorkommen, so müssten die Zonen grössten Luft- 
druckes der Zone grösster Erwärmung parallel und in gleicher Entfernung von 
derselben bleiben. 

Die Zonen grössten Luftdruckes verändern indess in jedem Falle ihren 
Ort im Einklange mit den Deelinationsveränderungen der Sonne. Diese Bewe- 
gung und schon ihre Entstehung bedingen aber die Bildung mehrerer Partial- 
zonen grösseren Druckes in der Zone selbst, welche einander nahezu parallel 
sein werden; mit andern Worten, es müssen nothwendiger Weise verschiedene 
Wellenberge des Druckes entstehen, und der Barometerstand wird in dieser 
Zone ein sehr veränderlicher sein, besonders wenn man dieselbe durehschneidet 
und bald zu einem Wellenberge, bald zu einem Wellenthal gelangt, wo der 
Druck der Luft ein verschiedener sein muss. Diese Zone grössten Luftdruckes wird 
sonach eine beträchtliche Breite, besonders in dem Falle besitzen, in welchen 


Beitrag zur Theorie der Luftströmungen und der Vertheilung der Winde, 235 


dieselbe gegen den gleichnamigen Pol vorrückt, weilsie dann grösseren Wider- 
stand von der Polarströmung erfahren und dieselbe stauen dürfte. Ich glaube 
dass es gestattet ist, in einem solchen Falle die Breite dieser Zone selbst zu 
10 Grade und darüber anzunehmen, wo keine localen Störungen andere Ver- 
hältnisse bedingen. Sie bezeichnet an der Oberfläche der Erde die Zone der 
veränderlichen Winde, und scheidet die Passate von den in höheren Breiten 
wehenden regelmässigen westlichen Winden. 

2. Ohne hier in weitere Einzelheiten einzugehen, welche sich selbst aus 
dem Gesagten ergeben dürften, will ich nur noch bemerken, dass sowohl die 
Ortsveränderungen der Zone grösster Erwärmung, so wie jene der Zone 
grössten Druckes Confliete in den Luftbewegungen veranlassen werden, welche 
besondere Erscheinungen zur Folge haben müssen. 

Wenn zum Beispiel die Sonne ihre Declination von Norden nach Süden 
verändert, so muss die Zone grösster Erwärmung allmählig nach Süden ge- 
drängt werden, das heist die nördliche Luft wird kälter und dichter, und 
strömt mit mehr Kraft gegen die Zone grösster Erwärmung, während die 
südliche an Kraft verliert, und von der in Spannung gerathenen Luft dieser 
Zone zurückgedrängt wird. 

Die nördliche Luftströmung muss sonach in die Zone grösster Erwär- 
mung und zwar vor Allem an jenen Orten eindringen, wo sie den geringsten 
Widerstand findet, wo die Luft aus irgend einem Grunde dünner geworden 
ist, als jene ihrer Umgebung, 

Hat die Luft welche aus Norden einströmt eine geringere Rotations- 
geschwindigkeit als jene welche sich in der Zone grösster Erwärmung be- 
findet, so wird dieselbe mit einer nördöstlichen Richtung treffen, und sich 
gegen den westlichen Theil der Begrenzungen dieses Ortes geringeren Luft- 
druckes bewegen. 

Gegen diesen Ort strömt aber auch obwohl in geringerem Maasse Luft 
von allen Seiten aus der Zone grösster Erwärmung selbst zu; die nordöstliche 
Strömung findet sonach einen grössern Widerstand, wird gebeugt, und er- 
zeugt in dem Falle als der erfahrene Widerstand nicht so gross ist, um die 
ganze Erscheinung aufzuheben, nördlichen, nordwestlichen, westlichen, süd- 
westlichen, südlichen, südöstlichen, östlichen und wieder nordöstlichen Wind, 
wodurch eine Drehung sich ergiebt, im verkehrten Sinne des Zeigers 
einer Uhr. 

Ist die Verdünnung der Luft in der Zone grösster Erwärmung eine 
beträchtliche und so grosse gewesen im Vergleich zur Geschwindigkeit und 
Dichtigkeit — also im Vergleich zum Moment der nordöstlichen Strömung, 
dass dadurch der Widerstand welchen die Luft in jener Zone darbietet, aufge- 
hoben wurde, so wird diese nordöstliche Luft indem sie sich bei ihrem Ein- 
dringen in die Zone grösster Erwärmung erwärmt und ausgedehnt, die südöst- 
liche Strömung erreichen können. 

Hier erfährt die nun schon in Drehung versetzte Luft einen Stoss aus süd- 
östlicher Gegend und wird eine fortschreitende Bewegung annehmen, welche 
nicht mehr von NO. nach SW. gerichtet sein kann, sondern die Resultate 
zwischen beiden wirkenden Kräften sein muss. Ist die Zone grösster Erwär- 
mung zum grössern Theile nach nordwärts des Äquators gelegen, so wird der 
Stoss den sie erfährt, aus mehr südlicher Richtung kommen, die fortschreitende 
Bewegung der rotirenden Luftmasse wird sonach in westlicher Richtung mit 
einer Neigung gegen Nord vor sich gehen. 


236 Commodore B, v. Wüllerstorf-Urbair, 


Die Geschwindigkeit, mit welcher sich die rotirende Masse fortbewegt, 

wird ebenfalls von den Strömungsgeschwindigkeiten der Passate und dem von 

‚ihren Richtungen eingeschlossenen Winkel abhängen, und sie muss in der Regel 
grösser sein als jede einzelne Componente. 

Der Durchmesser der rotirenden Luftmasse ist dureh die Entfernung 
beider Passate oder durch die Breite der Zone grösster Erwärmung bedingt, 
und dürfte im Beginne bei 300 bis 400 Seeineilen betragen. 

Es ist aber leicht erklärlich, dass in Folge der Centrifulgalkraft sowohl, 
als wegen der Reibung am äussern Rande derselbe eine bedeutende Vergrösse= 
rung erfahren könne. Ebenso dürfte es selbstverständlich sein, dass durch die 
Art der Entstehung einer solchen Cyklone die diehtere Luft am Rande, und das 
Minimum des Druckes im Mittelpunkte vorkommen müssen. 

Ist die resultirende Geschwindigkeit der Cyklone in ihrer Bahn genügend 
gross, so wird die rotirende Luftmasse in den Nordost-Passat eindringen, und 
durch Stauung der Luft denselben aufheben. Sie bewegt sich aber gegen zu- 
nehmend dichtere Luft, sie wird demnach von ihrer ursprünglichen Richtung 
allmählig mehr gegen Norden abgelenkt werden, bis sie endlich das Maximum 
des Widerstandes in der Zone grössten Luftdruckes erfährt, wo diese Bahn 
einen Scheitel bilden, und bei abnehmenden Druck nunmehr gegen Norden und 
Osten sich wenden muss, um endlich der Auflösung entgegen zu gehen, die in 
Folge ‘der Vergrösserung ihres Halbmessers und durch die fortgesetzte Reibung, 
welche die rotirende Luftmasse an ihren äussern Rande erfährt, früher oder 
später eintreten muss. 

Diese Auflösung kann indess bei ungenügender Projectionsgeschwindigkeit 
noch ehe die Cyklone die Zone grössten Luftdruckes überschreitet, durch den 
sich mehrenden Widerstand herbeigeführt werden. Diess ist auch in der That 
der Gang der Erscheinungen eines Cireular-Orkanes der nördlichen Hemisphäre 
da, wo auf freiem Meere keine Störungen vorkommen. 

Für die südliche Erdhälfte werden sich dieselben Erscheinungen mit dem 
Unterschiede ergeben, dass die Drehung des Windes in der Cyklone in ver- 
kehrter Richtung, also so wie ein Zeiger einer Uhr statthaben wird. 

Ihre Bahn wird anfänglich gegen W. und S., deren Scheitel in der Zone 
grössten Luftdruckes sich bilden, und ihr weiteres Fortschreiten nach Süden 
und Osten vor sich gehen, 

Die Bahn der beschriebenen Cyklonen hängt sonach in ihrer Riehtung von 
der ursprünglichen Projeetionskraft und von dem in der ersten Hälfte zuneh- 
menden, in der zweiten abnehmenden Druck der Luft, welcher in der Regel, 
und wenn keine Störungen vorkommen, seine Veränderungen in der Richtung 
der Meridiane zeigt, so dass die Zunahme und Abnahme dieses Druckes von 
Parallelkreis zu Parallelkreis stattfindet. 

Unter vollkommenen normalen Verhältnissen müsste also die Bahn der 
Cyklonen eine regelmässige Curve und zwar ein Kegelschnitt sein, und in der 
That sind die bis jetzt beobachteten Bahnen in freien Meeren, Parabeln oder 
Hyperbeln sehr ähnlich, vielleicht nur Theile einer Ellipse, deren Scheitel 
gegen Westen gerichtet, deren Axen nahezu parallel dem Aquator sind. 

Der Widerstand der parallelen Luftschiebten wirkt somit wie die Anzie- 
hung einer Kraft, welche sich in dem in Osten gelegenen Brennpunkte befände, 
und sind diese Bahnen wirkliche Ellipsen, so würde für jeden Punkt der Curve 
der Widerstand der Luft im verkehrten Verhältnisse des Quadrates der Entfer- 
nung vom östlichen Brennpunkte stehen. Wären die bedeutenden Störungen 
nicht vorhanden, welche durch die Verschiedenheit der Temperätur und des 


Beitrag zur Theorie der Luftströmungen und der Vertheilung der Winde. 237 


Luftdruckes vom Land und Meer und der Strömungen des Letzteren bedingt 
worden, so liesse sich die ganze Erscheinung auf eine astronomische Aufgabe 
zurückführen. — Vorläufig ist aber die Anzahl der Beobachtungen viel zu gering 
um nur einigermassen diese Phänomene der Rechnung unterziehen zu können. 
Aus dem Gesagten würde sich ergeben, dass Cireular-Orkane in der Regel für 
eine gegebene Erdhälfte nur dann in der Zone grösster Erwärmung sich bilden 
können, wenn die Sonne von dieser Erdhälfte gegen die entgegengesetzte vor- 
schreitet, und wenn die Zone grösster Erwärmung zum grössern Theile sich 
auf derselben Erdhälfte befindet. 

Im atlantischen Ocean, wo die Zone grösster Erwärmung in der Regel 
immer nördlich vom Äquator bleibt, wäre es nach den aufgestellten Grundsätzen 
erklärlich, dass im südlichen Theil desselben keine eigentlichen Äquatorial-Cy- 
klonen vorkommen können, und dass die günstige Zeit zur Bildung von Orkanen 
im nordatlantischen Ocean der Herbst und Winter sein müssen. 

Ausnahmen von dieser Regel mag es wohl geben, sie hängen indess von 
Ausnahmszuständen der Luft selbst ab, und sind gleichsam nur Störungen des 
regelmässigen Ganges der Erscheinungen, welche hier, und bei dem jetzigen 
Zustande unserer Kenntnisse in dieser Beziehung, nieht in Betracht kommen 
können. 

Noch ehe ich zu ähnlichen Erscheinungen ausserhalb der Tropen über- 
gehe, sei es mir gestattet, über die Geschwindigkeit des Windes in der Cyklone 
selbst meine Ansicht auszusprechen. — Man hat es vielfach in Zweifel gezogen, 
dass aus den gewöhnlichen Passaten Orkane entstehen können, welche so ausser- 
ordentliche Kraft entwickeln und mächtig sind, um menschliche Kräfte und An- 
strengungen auf Schiffen, welche dem Mittelpunkt nahe kommen mit diesen 
Schiffen selbst zu zerstören und aufzuheben. Man hat bei Erklärung solcher 
Phänomene zu ganz besonderen elektrischen und elektromagnetischen Erschei- 
nungen Zuflucht genommen, dieselben aber niemals zur deutlichen Vorstellung 
bringen können. 

Dass solche Erscheinungen eintreten, wo das Gleichgewicht der Luft in 
so bedeutendem Maasse gestört und dieselbe in Rotation versetzt worden ist, 
dürfte wohl überflüssig sein weiter zu erörtern. Wenn aber derartige Erschei- 
nungen in der Cyklone entstehen können und wirklich entstehen, so sind sie 
wohl eher eine Folge als eine Ursache von Luftbewegungen, die vor allem eine 
grosse Regelmässigkeit in ihrem Verlaufe zeigen. Jene Phänomene können viel- 
mehr dazu dienen, das Gleichgewicht, wenn auch oft auf sehr ungestüme Weise 
wieder herzustellen. 

Wie dem aber auch immer sein möge, jedenfalls lässt sich der Beweis 
liefern, dass diese Kraftentwieklung des Windes wirklich aus den in Drehung 
versetzten Passatwinden hervorgeht. 

Die Geschwindigkeit der Luft, welche in die Zone grösster Erwärmung 
eintritt, ist in jedem Punkte gleich, die Kräfte welche also auf jedem Punkte des 
Halbmessers, der nun in Drehung versetzten Luft wirken, sind dieselben und 
eskönnensomit von verschiedenen Halbmessern, gleiche Räumeingleichen 
Zeiten beschrieben werden, Ist diess aber der Fall, so verhalten sich die 
Geschwindigkeiten an den Peripherien verkehrt wie die Halbmesser oder die 
Quadrate der Geschwindigkeiten verkehrt wie die Zeiten, in welehen die ent- 
sprechenden Kreise beschrieben werden. Nimmt man also für den Halbmesser 
von 100 Seemeilen die Geschwindigkeit des Windes an der Peripherie seines 
Kreises zu 10 Seemeilen in der Stunde an, so wird bei einem Halbmesser von 
10 Seemeilen die Geschwindigkeit des Windes schon 100 Seemeilen in der 


938 Commodore B. v. Wüllerstorf-Urbair. 


Stunde betragen, welche letztere selbst von einem Orkane nie erreichen könnte, 
während die gewöhnlichen Passatwinde wohl 10 Seemeilen in der Stunde wehen 
‚können. Es ist aber der grösste Halbmesser bei Äquatorial-Cyklonen eher grösser 
als kleiner wie 100 Seemeilen, man erhielt sonach noch eine zu grosse Ge- 
schwindigkeit wenn der Widerstand, welchen die in Drehung versetzte Luftmasse 
erfährt, und die höhere Temperatur welche die Luftmasse ausdehnt, einen Theil 
der ursprünglichen Geschwindigkeit des Passates nicht aufheben würden, 

Cyklonenwinde, welche jedoch nicht immer Orkane zu sein brauchen, 
können übrigens überall entstehen, wo ein Wellenthal zwi- 
schen zwei Wellenbergen des Luftdruckes sich gebildet hat; 
und dieses Gesetz ist eine Folge des ausgesprochenen allgemeinen Gesetzes der 
Entstehungen der Luftströmungen. 

3. Bei der bedeutenden Wärme deren das afrikanische Continent fähig ist, 
werden sich an seinen Küsten partielle Zonen grössern Druckes bilden können, 
und daraus werden unter günstigen Verhältnissen Cirkularwinde vorkommen, wie 
es in der That die Tornados beweisen. Ebenso können die Pamperos Südamerikas 
wahre Cyklonen werden. 

An den Zonen grössten Luftdruckes aber, wo wie früher erwähnt ver- 
schiedene Wellenberge, besonders bei dem Vordringen einer Zone gegen den 
gleichnamigen Pol sich bilden müssen, werden ähnliche Erscheinungen als noth- 
wendige Folge der sich begegnenden Luftströmungen hervorgehen. Auf eine 
solche Auffassung des Gegenstandes gestützt, beobachtete ich auf dem Wege 
von Rio de Janeiro nach dem Cap der guten Hoffnung, von da ausbis St. Paul und 
Amsterdam und bis zur Polargrenze des SO-Passates, also auf einer Strecke 
von mehr als 6000 Seemeilen die vorherrschenden Winde, und da sie wirklich in 
einem und demselben Sinne veränderlich waren, so stellte ich dieselben so dar, 
wie es bei Cyklonen der südlichen Hemisphäre geschehen muss. 

Aus dieser Darstellung ergab sich nun die Thatsache, dass diese Winde 
Cyklonen angehörten, welche genau dieselben Gesetze befolgten. wie jene der 
Orkane der südlichen Erdhälfte. Denkt man sich einen Kreis am Orte der Er- 
scheinung, so ergiebt sich bekanntlich für die südliche Hemisphäre, dass der 
Wind auf der Nordseite dieses Kreises aus West, auf der Ostseite aus Nord, 
auf der Südseite aus Ost, endlich auf der Westseite aus Süd wehen, also in der 
Richtung des Zeigers einer Uhr allmählig sich beugen wird. 

Hat man zum Beispiel den Wind zuerst aus SO, so befindet man sich an 
der SW-Seite des Kreises; da aber die Cyklone bei ihrer Entstehung gegen 
WSW sich bewegt, so wird allmählig der Südtheil eines Kreises derselben über 
den Beobachter gehen, und dieser wird dann Ostwind, bei fortschreitender Be- 
wegung aber NO, N, NW-Wind erfahren. Da die Winde immer tangent zum 
entsprechenden Kreise gedacht werden können, so wird sich der Mittelpunkt 
der Cyklonen in der senkrechten aus der Windrichtung, und für Cyklonen der 
südlichen Hemisphäre rechts vom Beobachter finden müssen, wenn derselbe 
sich mit dem Rücken gegen den Wind gestellt denkt. 

Über die wahre Entfernung des Mittelpunktes könnte nur dann Aufschluss 
gegeben werden, wenn nämlich im selben Augenblicke von zwei entfernten 
Punkten Beobachtungen nieht unmittelbar entgegengesetzter Winde gemacht 
würden. In diesem Falle könnten zwei Richtungen gezogen werden, deren 
Durchschnittspunkt den Ort des Mittelpunktes der Cyklone bezeichnen würde. 
Bei Beobachtungen am Bord ist dieses Verfahren im ersten Augenbliche nicht 
möglich, man muss sich sonach begnügen, die verschiedenen Richtungen des 
Mittelpunktes in aufeinander folgenden Zeitperioden aufzutragen, und nach 


Beitrag zur Theorie der Luftströmungen und der Vertheilung der Winde, 239 


Maassgabe des Wachsens oder Fallens des Barometerstandes in der Kraft des 
Windes, die relativen Näherungen oder Ertfernungen des Mittelpunktes zu 
Schiffen zu bestimmen suchen, um dieses letztere einer Gefahr in der Nähe des 
Mittelpunktes zu entziehen, oder um Nutzen von dem Drehwinde zu erlangen. 

Man hat indess einige Andeutungen bezüglich der Richtigkeit der ange- 
nommenen Entfernungen durch den Weg den die Cyklone selbst beschreibt. 
Ohne hier in Folgerungen mich einzulassen, welche zur Genüge bekannt sind, 
will ich nur erwähnen, dass die von mir in der Zone grössten Druckes beob- 
achteten Winde ganz regelmässigen Drehungen unterworfen waren, dass die 
Richtung des Windes ganz in der Weise wie der Zeiger einer Uhr sich ver- 
ändert, endlich dass die Bahnen der Cyklonen Parabeln oder ähnliche krumme 
Linien waren, deren Scheitel nach West, und die Axe nahezu parallel dem 
Äquator liegen. 

Dieser Umstand deutet für sich auf einen Wellenberg des Druckes hin, 
welcher von der Cyklone durchschnitten werden musste, und da wir ausserhalb 
des SO-Passates uns befanden, so musste dieser Wellenberg südlich von der 
Polargrenze des Passates sich befinden, und mit einem andern Wellenberg ein 
Wellenthal bilden, wo die Cyklonen entstanden sind, und wo wir uns befanden. 

Wir hatten in gewissen Zeitinterwallen SO-Wind, aber nach kürzerer 
oder längerer Dauer giug derselbe über 0, NO und N nach NW, W, SW, 
zuweilen nach Süden über, welche Drehung mehrere Tage in Anspruch nahm. 
Nur bei St. Paul und in der Nähe des Caps der guten Hoffnung überschritt der 
Wind die Grenze mässiger Stärke, aber die Bewegung des Mittelpunktes in 
seiner Bahn war immer so regelmässig, dass ich in Voraus, meist schon Abends 
bestimmen konnte, welcher Wind am folgenden Morgen wehen werde. ° 

Bei anfänglicher Entstehung des Drehwindes war das Barometer hoch, 
das Wetter schön, aber bei grösserer Annäherung an den Mittelpunkt der 
Cyklone verschlechterte sich das Wetter, das Barometer fiel, und schwarze 
grosse Haufenwolken zogen am Himmel. In der grössten Nähe der Cyklone 
erreichte das Barometer seinen tiefsten Stand, wir hatten oft Regen und soge- 
nanntes Böenwetter (Böe, plötzlicher Windstoss, Böenwolke eine solche, von 
welcher Windstösse zu erwarten sind.) Sobald der Mittelpunkt der Cyklonen 
sich wieder entfernte, heiterte sich der Himmel allmählig auf, das Barometer 
stieg, bis endlich die Erscheinung bei schönem Wetter und hohem Baro- 
meterstand aufhörte, sichtbar zu sein. 

Die Wolkenbildung am Vorabende einer solche Cyklone war in den meisten 
Fällen bezeichnend, es kamen nämlich jene hohen Wolkenstreifen vor, die im 
Allgemeinen am westlichen Himmel wie ein Regenbogen, aber nicht halb so breit 
und einfärbig mit beiden Endpunkten am Horizonte liegen. Die grösste Höhe 
dieser Wolkenstreifen war zwischen 30° und 50°, in seltenen Fällen erreichte 
der Bogen das Zenith. 

Noch geröthet von der untergehenden Sonne dehnten sich diese Wolken- 
bänder wie rosenfarbene Gürtel am schönen Blau des Himmels aus, dort und 
da durch grünlichbraune Haufenwolken, welche in tiefen Schichten lagen, unter- 
brochen, dazwischen die aufglimmenden grössern Sterne des südlichen Himmels, 
und näher an der Polargrenze des Passates die herrliche Erscheinung jener vio- 
letten Luftfärbung, welche einem zarten Wolkenschleier ähnlich nach Untergang 
der Sonne dem Abendhimmel einen so unendlichen Reiz verleiht, und in den 
Tropen täglich bis zur eintretenden Dunkelheit, bis zum Augenblicke in welchem 
das Thierkreislicht an deren Platz tritt, in einem Abstande vom Horizonte, der 

. zwischen 10 und 15 Grade betragen mag, sichtbar bleibt. 


240 = C. B. v, Wüllerstorf-Urbair. Theorie der Luflströmungen. 


Vor und während.der ersten Hälfte einer Cyklone bemerkte man in der 
Regel die Wolken in zwei Schichten übereinander sich in verschiedenen Rich- 
‚tungen bewegen, deren obere meist dem Winde entsprach, der mehrere Stunden 
später sich zu erkennen gab. Die untern Wolken zogen aber stets mit dem an 
der Oberfläche der Erde wehenden Wind. Ob die Erklärungsweise die ich hier 
aufzustellen versucht habe die richtige sei oder nicht, wage ich zwar nicht zu ent- 
scheiden, gewiss aber ist, dass es ander Polargrenze des SO-Passates während 
der Zeit, in welcher die Sonne vom nördlichen Solstitium gegen Süden vor- 
schreitet, Winde gibt, die sich ganz auf dieselbe Weise, wie die Cyklonen der 
entsprechenden Erdhälfte verhalten und darstellen lassen, und dass diese Cireu- 
larwinde von geringerem Umfange und von mässiger Stärke, und die in der Zone 
des grössten Luftdruckes häufig vorkommen, das Studium der Cyklonen 
erleichtern werden, indem bei denselben genaue meteorologische Beobachtungen 
und astronomische Ortsbestimmungen sich ausführen lassen, was während eines 
Orkanes, an Bord eines Schiffes, das vielleicht um die eigentliche Erhaltung mit 
den Wellen kämpft, nicht leicht denkbar ist. 

Es wäre jedenfalls vom grossen Interesse, eine genaue Untersuchung 
dieser Winde mitmehreren, mindestens 2 Schiffen, welche eorrespondirende Be- 
obachtungen auf geeigneten Entfernungen machten, anzustellen, da es leicht 
sein könnte, dass die Cyklonen der Zone grössten Druckes in vielen Fällen nicht 
ganz ausgebildet sein möchten, und was mehr ist, dass ihre Bahnen elliptisch 
wären. Jedenfalls bieten diese Erscheinungen in der Zone grössten Druckes 
ein weites dankbares Feld der Forschung und sind ganz geeignet, um über die 
verwickelten Phänomene der Luftströmungen Aufschluss zu geben. 

Hiermit wäre ich nun mit einer kurzgefassten, aber wie ich fürchte schon 
zu lang gewordenen Darstellung zu Ende, und bedauere nur, dass mir die Zeit 
mangelt, um noch die Zeichnungen einer grössern Anzahl wirklich beobachteter 
Cyklonen zur bessern Auffassung des Gegenstandes beizugeben. Die Tafel stellt 
die vom 28. bis 30. November 1857 bei St. Paul vor. 

Ich verkenne nieht das Mangelhafte dieser kleinen Arbeit, weiss dass 
bessere Kräfte sich an diesen Problemen versucht haben, ohne ihre Lösung zu 
erzielen; wenn ich aber kaum hoffen darf, einen Schritt vorwärts gethan zu 
haben, so fühle ich mich doch für meine Bestrebungen schon hinreichend durch 
das Bewusstsein belohnt, auf dem Gebiete der Naturerscheinungen, wenn auch 
noch so geringfügige Thatsachen gesammelt zu haben, welche bisher der Be- 
obachtung, so viel mir wenigstens bekannt, entgangen sind. 


Gewässer von Sumatra. In See, 4. April 1858. 


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Prof. L. Fr. Kämtz. Ursache der früheren grössern Ausdehnung der Gletscher. 241 


X. 


Bemerkungen über die Ursache der früheren grösseren Ausdeh- 
nung der Gletscher in den Alpen und in Skandinavien. 
Von Prof. Dr. L. F. Kämtz in Dorpat. 


(Aus einem Schreiben vom 11. Mai 1858 an W, Haidinger.) 
Mitgetheilt in der Versammlung der k. k. geographischen Gesellschaft am 1. Juni 1858. 


Obgleich meine vorjährige Reise eigentlich mehr eine Erholungsreise war, 
so habe ich doch mit warmen Interesse auch die Gletscher und die von ihnen 
hervorgebrachten Phänomene betrachtet; ich bin vielleicht einer der ältesten 
Anhänger von Charpentier's Ansieht über die frühere Ausdehnung der 
Gletscher, da mich Charpentier 1832 auf die Umgebungen seines Wohn- 
ortes aufmerksam machte und ich wenige Zeit später alte Moränen und Fels- 
schliffe auf dem Wege nach dem St. Bernhard fand. 

Aber durch Verhältnisse verhindert, während einer Reihe von Jahren die 
Alpen wieder zu sehen, habe ich zwar mit Interesse die Arbeiten Anderer ver- 
folgt, doch ohne selbst etwas zu thun, Bei den mancherlei Diseussionen über die 
Ursache dieser Ausdehnung hat man, wie ich glaube, einen Punkt ganz übersehen, 
welcher dabei eine Hauptrolle zu spielen scheint. Die Alpen nämlich, von wel- 
chen die Geschiebe bis zum Jura und ins Salzburgische geführt wurden, sind 
nicht die jetzigen gewesen. 

Möge Granit, Protogyn feurig- oder wässerig-füssig gewesen sein, das war 
nicht möglich, dass die fast senkrechten Kalkschichten öfter Tausende von Fussen 
unter den krystallinischen Spitzen zurückblieben, ohne dass die flüssigen Massen 
weit nach allen Richtungen überflossen, zumal dadurch der Boden doch heftig 
erschüttert wurde. So bildeten gewiss die meisten krystallinischen Kämme und 
Spitzen nur gewaltige Gänge in weit höheren Kalkgebirgen, die vielfach zerstör- 
ten Blöcke stürzten in die Tiefe und der Kalk, theils mechanisch, theils chemisch 
aufgelöst, wurde sofort abgeführt. Blieben nun nach der Erkaltung die krystal- 
linischen Massen auch stehen, so wurden sie doch eben so, wie jetzt, von dem 
Wechsel zwischen Wärme und Kälte angegriffen und auch sie wurden niedriger. 
Wollen wir uns also einen Begriff von den Gebirgen in jener Zeit machen, so 
müssen wir die Blöcke, welche wir fern von den Alpen treffen, und welche 
doch gewiss nur ein verhältnissmässig kleiner Theil dessen sind, was von ihnen 
herrührt, da die feineren Theile durch die Gewässer fortgeführt wurden, wir 
müssen alles, was die ehemaligen Seen und was die lombardische Ebene ausfüllt, 
die vielen Gerölle, welche bis zur Donau sich erstrecken, auf das Gebirge zurück 
versetzen und wir bekommen Höhen, die sich über die Schweizer Ebenen um 
mehrere tausend Fuss mehr erheben als gegenwärtig. 

Indem ich die beschriebenen Geschiebe so weit als möglich nach ihrem 
Ursprunge zurück versetzte, konnte ich die Punkte näher angeben, welche be- 
deutend höher gewesen waren als gegenwärtig und nach Vollendung dieser Zu- 
sammenstellung war es mir interessant zu sehen, dass Studer namentlich das 
grosse Thal des Mer de Glace bei Chamouni als ein Seebeeken angeführt, wo 
eine grosse Lücke im Kamme sich findet, was er aus einer Einsenkung ableitet, 
wo mir aber die grosse Zerstörung wahrscheinlicher ist. Ganz dasselbe glaube 
ich von der Gruppe des Monte Rosa und den beiden Thälern von Saas und Zer- 
matt, welche gewiss anfänglich verhältnissmässig unbedeutende Risse in der zu- 


242 Prof. L. Fr. Kämtz. 


sammenhängenden Masse bildeten, die später durch Erosion weiter ausgearbeitet 
wurden. So mochte der Montblane in jener Zeit eine Höhe vn 20,000 Fuss 
- gehabt haben (auf das jetzige Meeresniveau bezogen). 

Geben wir aber in jener Periode der Schneegrenze eine Höhe von mehr 
als 9000‘, also 1000‘ mehr als jetzt, so war es nach demjenigen, was wir über 
Zusammenhang zwischen Höhen von Bergspitzen und unterer Gränze der Glet- 
scher wissen, sehr wahrscheinlich, dass sich die Gletscher bis zum jetzigen Mee- 
resspiegel herabziehen konnten, dass sie sich also auf den jetzigen Schweizer 
Ebenen viel weiter verbreiteten. Bei dieser grösseren Höhe des Gebirges konn- 
ten die südlichen Winde noch schwerer über das Gebirge kommen als jetzt und 
eben so fanden die an der nördlichen Seite aufsteigenden Winde ebenfalls gros- 
sen Widerstand, so dass Nebel und Wolken häufiger waren als gegenwärtig, 
was alles zu der Grösse der Gletscher beitrug, zumal dann viele Theile des Ge- 
birges steiler sein mochten. 

War das skandinavische Phänomen gleichzeitig mit dem alpinen, was ich 
zwar für wahrscheinlich, aber nicht für nöthig halte, so waren diese nördlichen 
Winde feuchter als jetzt und dieses trug ebenfalls das Seinige zur grösseren 
Ausdehnung der Gletscher bei. So kommen die Eismassen auf die vielen Seen 
der damals noch nicht ausgefüllten Thäler, in welchen allen die Temperatur sich 
gewiss wenig über den Gefrierpunkt erhob, hier gewiss drängten sie vorwärts 
und konnten sich mit ihren Blöcken weithin bewegen. Ohne dass die Temperatur 
der Erde im Ganzen niedriger war als jetzt, sondern vielleicht noch grösser war, 
halte ich diese grössere Ausdehnung der Gletscher für möglich. So wie das Ge- 
birge niedriger wurde, zogen sich auch die Eismassen zurück. Diese Zerstörung, 
die noch gegenwärtig vor sich geht, ist weit bedeutender als man glaubt. Ich 
will hier nicht mich mit Zahlen aufhalten, aber wenn man eine Sehätzung von dem 
Inhalte einer Moräne eines grösseren Gletschers macht, die in etwa allen hundert 
Jahren sich erneuern lässt, und dieses etwa 20,000 Jahre fortsetzt. Ganz das- 
selbe gilt von dem Schlamme der Flüsse. Leider sind bei keinem Alpenflusse 
Messungen über die Menge suspendirter Theile vorgenommen; aber wenn ich 
die Zahlen bei Bischof im Mittel nehme und die Zuflüsse des Rheins bis zu 
ihrem Eintritte in die grossen Seen nur die Hälfte des Wassers gäbe als bei Ba- 
sel, so führen diese Zuflüsse eine Schlammmasse fort, welche bei 45° Neigung 
jährlich einen Kegel von etwa 400 Fuss Höhe geben würden. 

Ganz auf dieselbe Weise leite ich auch das skandinavische Phänomen nur 
von der grösseren Höhe ab. Hier ist die Zerstörung bedeutend grossartiger ge- 
wesen als in den Alpen, die geschichteten Gebirge sind hier bis auf unbedeutende 
Massen zerstört. 

In ganz Finnland habe ich nur abgerundete und geschliffene Kuppen ge- 
sehen. Der Raum, auf welchem die Geschiehe zerstreut sind, beträgt mehr als 
70,000 geographische Quadratmeilen, dabei ist oft das Gerölle sehr mächtig. 
So verschwindet in Liefland der Sandstein in etwa 4 bis 500‘ Höhe, aber einzelne 
Spitzen erheben sich bis gegen 1000‘ und bei einer barometrischen Vermessung 
dieser Höhen traf ich mehrere bedeutende Wasserrisse, aber alles war nordisches 
oder Esthländisches Geschiebe. Nehme ich nach einer ungefähren Schätzung 
des Inhaltes dieser Massen die Hälfte für Schweden und Norwegen, so kann ich 
auf den Gipfel der 225 Meilen langen Gebirgskette ein Prisma von mehr als 1000° 
mittleren Höhe legen, wenn der Neigungswinkel etwa 10° beträgt. Eben so mag 
es in Finnland Höhen von mehr als 10,000° gegeben haben. Dabei mussten die 
Eismassen selbst bei einer höheren Temperatur der Erde im Ganzen eine Aus- 
dehnung haben, welche wir uns jetzt nicht vorzustellen im Stande sind. 


a 


Bemerkungen über die Ursache der früheren grössern Ausdehnung der Gletscher. 343 


Dieses sind also meine Ideen über das vielbesprochene Phönomen. Es ist 
wenigstens darin nichts, was den übrigen geologischen Phönomenen widerstreitet; 
das Einzige, was vielleicht zu hypothetisch ist, könnte meine Rechnung über den 
Zusammenhang zwischen der Höhe der Bergspitzen und des unteren Gletscher-Endes 
sein, doch fehlt es gerade hier noch an umfassenden Messungen, da®s die Formel, 
genau wäre. Aber man darf nicht vergessen, dass, wenn manche Gletscher, wie 
2. B. die der Aar etwas bedeutender wären, so dass sie sich bis in die Berner 
Thäler erstreckten, sie sich plötzlich viel weiter ausbreiten mussten, anderseits 
aber in den engen Thälern stark zusammen gepresst wurden, so dass die Eis- 
massen eine weit grössere Mächtigkeit erreichten; daher finden wir so häufig 
diesen Einmündungen der Querthäler gegenüber so gewaltige Schuttmassen, und 
ich erinnere in dieser Hinsicht nur an die Gegend von Imst dem Oetzthale 
gegenüber; doch will ich hiervon abbrechen, da eine ausführliche Diseussion für 
meinen Brief zu ausführlich würde. 


Xl. 


Schreiben von Herrn Dr. Karl Scherzer an Herrn k. k. 
Sectionsrath W, Haidinger. 


Von demselben erhalten am 14. Juli und zum Drucke mitgetheilt. 


Am Bord Sr. Maj. Fregatte „Novara“ auf der Fahrt von 
Singapore nach Batavia, 27. April 1858, 


Hochverehrtester Herr! 

Wie sehr freut es mich, Ihnen schon mit nächstem Courier einige und wie 
ich glaube befriedigende Aufklärungen geben zu können über die Differenz, 
welche zwischen unserer Längenbestimmung auf der Insel St. Paul und der frü- 
herer Besucher und Beobachter herrscht. Ich theile Ihnen zu diesem Zwecke 
die folgenden Bemerkungen des Schiflsfähnrichs Hrn. Robert Müller mit, wel- 
cher mit den astronomischen Beobachtungen betraut ist und gerade auf der Insel 
St. Paul die schönsten Beweise seines unermüdlichen Eifers und seiner Thätig- 
keit gegeben hat. Derselbe war so gütig, mir nachstehende Mittheilungen zur 
Beleuchtung Ihrer Bedenken zu übergeben. 

„Wie aus meinem dem Expeditions-Commando unterlegten Berichte her- 
vorgeht, habe ich aus zweimaliger, sehr gut stimmender Beobachtung mit dem 
Theodolithen für die Breite von St. Paul ein Resultat von 380 42" 48" Süd 
gefunden. 

Die Länge wurde durch sechs Chronometer (sowohl auf das Obser- 
vatorium der Capstadt, als auf jenes von Madras bezogen), nach viermal wieder- 
holter Standbestimmung auf St. Paul gefunden, und zwar: 

Erstens. Mit Bezug auf die Capstadt und gegründet auf die im Nautical 
Almanac angegebene Länge 76° 30° 25" Ost von Greenwich. 

Zweitens. Auf Madras gegründet 77°30' 56° Ost von Greenwich. Hierbei 

wurde jedoch nicht die nach der Aussage des dermaligen Directors der Stern- 
warte in Madras, Major Jakob, fehlerhafte Länge des Nautical Almanac, 
sondern 80° 14' 15° nach seinen Bestimmungen angenommen, Selbst diese 
Angabe dürfte nach unseren Chronometern vielleicht noch etwas zu gross sein. 

Da die Bestimmung am Cap viel verlässlicher erscheint (schon wegen des 
bedeutend kürzeren Zeitraumes, welcher zwischen unserem Besuch in der Cap- 
stadt und auf der Insel St. Paul verstrich), so wurde als endgültig diese Bestim- 
mung zweimal, und die auf Madras gegründete Einmal ins Mittel gezogen, so dass 
das Endresultat der Länge von St. Paul 77° 30° 36° östlich von Greenwich ist. 
Da nach der Connaissance des temps vom Jahre 1857 mittelst 1700 telegraphi- 
schen Signalen (also gewiss so scharf als es überhaupt je möglich sein wird) 
die Längendifferenz 2° 20' 9.'A5 gefunden wurde, so ist die Länge St. Pauls 
75° 10' 27 östl. von Paris. 

Capitän Blackwood R.N. gibt seine Bestimmung für den ER 
Nine Pin Rock; dieser liegt aber in Breite 3.'5 nördlicher und in Länge 8 
östlicher als der von uns gewählte Beobachtungspunet, Unsere Be- 

s 


246 Dr. K. Scherzer. 


stimmungen werden daher, auf den Nine Pin Rock, als den erkennbarsten Punet 
der Insel bezogen, lauten: 
Breite 380 42" 44. 5' Südl. 
Nine Pin Rock‘ Länge von Greenwich 77° 30 45" Oestl. 
„ von Paris 750 10' 36" Oestl. 

Beim Vergleiche dieser Bestimmungen mit den Resultaten anderer Beob- 
achter (wenn nämlich die Resultate für Länge mittelst Chronometer gefunden 
wurden) darf nicht ausser Acht gelassen werden, auf was für Stationen und deren 
Längeannahme die letzte Chronometer-Regulirung bezogen war, da z. B. zu Hor- 
seburgh's Zeiten fürMadras 80° 20' als verlässliche Länge angenommen wurde 
und darnach viele Puncte, wie z. B. die sonst recht genau bestimmten Nikobari- 
schen Inseln um volle 6° zu weit nach Osten verzeichnet sind.“ 

So weit die Bemerkungen des Schiffsfähnrichs Herrn Robert Müller. 

Indem ich Sie ersuche, diese Erläuterungen denjenigen Persönlichkeiten 
mitzutheilen, welehe von meinem Aufsatze über St. Paul Kunde erlangt haben, 
bitte ich Sie gleichzeitig, mich allen den verehrten Mitgliedern der k. k. geogra- 
phischen Gesellschaft auf das wärmste zu empfehlen und den Ausdruck meiner 
besonderen Verehrung und Werthschätzung genehmigen zu wollen, mit welcher 
ich die Ehre habe zu sein 

Euer Hochwohlgeboren ganz ergebenster 
Dr. Karl Scherzer m. p. 


X. 
Die Eingebornen der Nikobaren. 


Ein Beitrag zur Kenntniss der Bewohner dieser Inselgruppe. 
von Dr. Karl Scherzer. 


(Gnädigst mitgetheilt von Seiner kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Ferdinand 
Maximilian, Ehrenmitglied der k, k, geographischen Gesellschaft.) 


Der Aufenthalt Sr. M. Fregatte Novara auf den Nikobaren, jenem herr- 
lichen, so glücklich gelegenen Archipel, — dessen bereits Marco Polo und 
zwei mohamedanische Reisende des neunten Jahrhunderts erwähnen, und der 
gleichwohl bis heute noch in seinen meisten Theilen unbekannt und undurch- 
forscht ist — war, geboten durch unabweisbare Umstände, leider nur ein 
kurzer, Von den 32 Tagen, welche die kaiserliche Expedition auf den Besuch 
dieser Inselgruppe verwendete, konnten nur 16 von den Naturforschern wissen- 
schaftlichen Beobachtungen am Lande gewidmet,werden. Eine völlige Unwirth- 
barkeit und Unsicherheit der betretenen Punkte, so wie das arg ver- 
schrieene, Europäern angeblich so feindliche Klima gestatteten ausserdem nicht, 
auf dem Lande zu übernachten, sondern erhoben, im Interesse des allgemeinen 
Gesundheitszustandes die Rückkehr zur Fregatte vor Sonnenuntergang und die 
tägliche Aus- und Einschiffung zur dringenden Nothwendigkeit. Durch dieses 
Verfahren, welches sich allerdings in der Folge als höchst wichtig erwies, 
gingen aber kostbare Morgen- und Abendstunden für die Arbeiten auf dem Lande 
verloren. Die Witterung war allerdings die günstigste, die man sich zu unserem 
Unternehmen wünschen konnte. Während der ganzen Dauer unseres Aufent- 
haltes regnete es, so viel mir erinnerlich, nur ein einziges Mal. Die gesund- 
heitsschädlichen Dünste, welche diese dichten Urwälder während der Regenzeit 
in ungeheueren Massen aushauchen müssen, waren jetzt durch monatlange 


Die Eingebornen der Nikobaren. 347 


Trockenheit auf jenes Minimum redueirt, das einer Waldvegetation nie fehlt, die 
ich in den Urwäldern Central-Amerikas, an den Ufern des Sarapiqui und in den 
Wildnissen des Montagua wohl tropisch-gewaltiger, und ehrfurchtgebietender, 
nirgends aber diehter und undurehdringlicher gesehen habe, wie hier. Aber 
dieselben Witterungsverhältnisse, welche unsere Anwesenheit auf den einzelnen 
Inseln weniger unbehaglich und minder gesundheitsfeindlich machten, wurden 
zugleich die Ursache einer schwerfälligen Fortbewegung. Der Nordost-Monsun, 
welcher in diesen Gewässern von November bis Anfangs März mit solcher 
Regelmässigkeit weht, dass er für die ganze einheimische Schiffahrt zum Gesetz 
wird, fängt im letztern Monat bereits an, bedeutend schwäeber zu werden und 
von Zeit zu Zeit sogar völligen Windstillen Platz zu machen; gleichsam ein 
Mahnruf der_gnadenvollen Natur an die mit Boussole und Seekarten nur wenig 
vertrauten Befaher dieser Inseln, dass der Südwest und die Heimkehr nahe 
sei. Um eine nur in geringer Entfernung liegende Insel zu erreichen, waren 
fast eben so viele Tage nöthig als man unter günstigern Windverhältnissen 
Stunden gebraucht hätte. Was endlich einen flüchtigen Aufenthalt auf diesen 
Inseln, namentlich in ethnographischer Beziehung noch unfruchtbarer machte, 
war die ausserordentliche Furchtsamkeit und Angst, welche die Eingebornen 
jedesmal beim ersten, ungewohnten Anblick von Europäern erfasst, besonders 
wenn diese auf einem so imposanten Kriegsfahrzeug daher getragen erschei- 
nen, wie die österreichischen Reisenden auf den Riesenschwingen der Novara. 
Beim Besuch jeder neuen Insel wiederholte sich die seltsame Erscheinung, 
dass zuerst die ganze Einwohnerschaft aus ihren erbärmlichen Ansiedlungen 
dieht am Ufer, scheu wie aufgeschreektes Hochwild nach einem Versteck im 
Urwald flüchtete, dass allmählig einzelne Mannsgestalten, wahrscheinlich die 
beherztesten und furchtlosesten unter ihnen zum Vorschein kamen, dass der 
Anbliek von Weibern, Greisen und Kindern aber unsern Augen völlig ver- 
sagt blieb. 

Ich glaube diese Umstände vorausschieken zu müssen, um die Lücken- 
haftigkeit des folgenden Aufsatzes, namentlich in den Augen derjenigen Leser 
einigermassen zu rechtfertigen, welchen die umfassenden Arbeiten der wissen- 
schaftlichen Commission der Galathea und des Herrn Dr. Rink über die 
Ethnographie der Nikobaren, (wo sich letzterer gegen 5 Monate aufhielt) 

‘ bekannt sind. Eine Kenntniss der Verhältnisse, unter welchen diese Skizze 
entstanden, wird vielleicht beitragen, das Unterlassen um so eher zu ent- 
schuldigen und die gewonnenen Resultate desto nachsichtsvoller zu beurtheilen. 

Die Eingebornen der Nikobarengruppe, deren Gesammtzahl auf 5 bis 
6000 Seelen geschätzt wird, sind grosse, wohlproportionirte Menschen von 
einer dunkelbronzenen Hautfarbe, welche durch die häufige Sitte, sich den Körper 
mit dem Oele der Coeosnuss zu beschmieren, vielfach eine glänzende Tinte 
und einen eigenthümlichen Geruch erhält. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, 
dass, wie die Fetteinreibungen der Indianerstäimme am obern Mississippi in 
der Absicht geschehen, ihre nackten Körper gegen die direete Kälte zu 
schützen, die Einbalsamirung der Nikobaren mit Cocos - Nussöl vielleicht 
ihrer Ansicht nach eine übermässige Hautausdünstung und Hautkrankheiten 
verhindern soll. *) Das Bemalen des Gesichtes scheint nicht so häufig vor- 
zukommen als frühere Schriftsteller über die Nikobaren angeben. Wir sahen 
nur einen einzigen Eingebornen im Dorfe Malacea auf der Insel Nankaurie, 


®) Siehe: Karl Ritter's Asien Vol. IV, Abth, 1, pag. 846. 


248 Dr. K. Scherzer 


der sich Stirne und Wangen mit dem rothen Färbestoff der Samenkörner der 
Bixa Orellana beschmiert hatte. Tättowirungen sind mir niemals aufgefallen, 
und selbst den schönen, zuweilen wahrhaft kunstvollen Hautpunktirungen der 
sie besuchenden Birmesen und Malayen auf Händen und Füssen scheinen sie 
keinen Geschmack abzugewinnen. Leberflecke auf der Brust und auf den 
Armen sind eine ziemlich häufige Erscheinung. — Die Stirne der Nikobaren 
ist leicht gewölbt, in vielen Fällen sogar schön geformt, fällt aber etwas zu- 
rück; ihr Gesicht ist in der Regel breit, und nähert sich, wenn man die 
ziemlich starken Jochbeine nicht berücksichtiget, der ovalen Form, Die Nase 
ist von gewöhnlicher Grösse aber immer ungemein breit und ohne feinen 
Schnitt; einzelne Individuen fand ich auffallend langnasig. Durch den eckel- 
erregenden Gebrauch des unaufhörlichen Betelkauens erscheint der grosse Mund 
krankhaft verändert. 

Bei einzelnen Individuen hat diese garstige Sitte eine derartige Defor- 
mität in den Zähnen zur Folge gehabt, dass dieselben nur wie eine dicke 
bösartige Geschwulst zwischen den dicken aufgeschwollenen Lippen hervor- 
treten. Auf der Insel Treis hat Dr. Schwarz einen ältern Eingebornen ge- 
sehen, dem das übermässige Betelkauen die Zunge bereits in ähnlicher Weise 
angegriffen hatte wie die Zähne. Das Kinn ist gewöhnlich, ohne heryorste- 
chenden Charakter, etwas zurückweichend. Die Jochbeine sind breit und her- 
vorragend, die Jochbrücke hat eine ziemlich starke Bogenspannung. Die Ohren 
sind klein, die Ohrläppchen dagegen so breit durchbohrt, um ein einen Zoll 
diekes Bambusröhrehen als Verzierung darin tragen zu können. 

Einzelne benützen diese breite Oeffnung um Cigaren aufzubewahren. 
Die spärlichen Augenbraunen wölben sich nicht über den ganzen Bogen des 
betreffenden Augenhöhlenrandes. Das Haar ist meistentheils schön schwarz, 
dicht und weich, manchmal auf beiden Seiten weit herabfallend. Der Bart 
ist bei allen Nikobaren sehr spärlich, und Fälle eines Schnur- oder Spitz- 
bartes sind seltene Ausnahmen. Indess scheint ein Bart auch nicht gerade zu 
den Dingen zu gehören, welche das Schönheitsideal eines Nikobaren aus- 
machen. Wenigstens sah ich die Eingebornen, so oft sie Gelegenheit fanden 
aus meinen Etui eine Scheere zu erhaschen, stets eifrig bemüht, sich selbst 
der wenigen Haare zu entledigen, welehe auf der Oberlippe, zu beiden Seiten 
des Mundes und in der Mitte des Kinns zuweilen schüchtern zum Vorschein 
kamen. Ihr Gesichtsausdruck ist im Allgemeinen ernst, ruhig, gleichgültig. 
Ich sah in ihren Zügen niemals eine Bewegung, die eine Freude über ein 
erhaltenes Geschenk zu erkennen gegeben hätte, auch wenn sie erst noch 
so ein grosses Verlangen nach dessen Besitz zeigten. Die einzige Bewegung, 
welche manchmal im Allgemeinen so gleichgültige Gesichter verriethen, war 
ein Ausdruck der Angst und Besorgniss, wenn sie eine grosse Anzahl be- 
waffneter Menschen auf der Insel landen sahen, Die grosse Physiognomien- 
Aehnlichkeit der einzelnen Individuen rührt wohl, wie bei den Indianern Cen- 
tral- und Südamerikas von den engen Heiraten her, welche unwillkührlich 
stattfinden müssen, wo, wie auf den nikobarischen Inseln ein paar hundert 
Menschen oft die ganze Bevölkerung eines Eilandes ausmachen, und ein Ver- 
kehr mit den Nachbar-Inseln ein so beschränkter ist. 

Was Fontana’s Angabe betrifft, dass die Eingebornen sich niemals 
die Nägel schneiden, dagegen ihre Augenbraunen abrasiren, so habe ich auf 
keinen der von uns besuchten Inseln dieselben bestätigt gefunden, wenn- 
gleich einzelne Individuen wahrscheinlich in Nachäffung der malayischen und 
chinesischen Sitten bisweilen ganz ungewöhnlich lange Nägel haben. Ver- 


Die Eingebornen der Nikobaren. 249 


krüppelte oder in ihrer Entwicklung zurückgebliebene Individuen sah ich 
bloss zwei; zu erstern gehört ein Eingeborner auf Kar-Nikobar, dem durch 
eine Verrenkung der Armspeichen im Handwurzelgelenke der linke Arm völlig 
abgemagert und lahm war; zu den zweiten eine Art Zwerg, auf derselben 
Insel mit Markirung kindlicher Fettleibigkeit an den Extremitäten und mit 
so schwülstigen verkürzten Fingern, dass er im Ort der Kurzfingerige (Kiuta- 
Kuntf) genannt wird. Einen interessanten Blick in die Behandlung der Armen 
und Arbeitsunfähigen von Seite der Bewohner Kar-Nikobar's mag die Antwort 
eines Eingebornen auf meine Frage geben, wer wohl für den armen unbe- 
holfenen Kurzfinger sorge? — „Ich, wir Alle,“ antwortete der bronzfarbige 
Halbwilde, und machte dadurch den weissen Sohn der Cultur fast erröthen, 
der sich dabei an die irischen Hungergestalten und das Erzgebirg erinnerte! — 
Was der Ethnograph der Galathea über das Vorkommen der Hängebäuche 
berichtet, fanden wir durch persönliche Wahrnehmung auf keiner der be- 
suchten Inseln bestätigt, obgleich uns eine Anzahl sehr woblbeleibter Gestal- 
ten zu Gesichte kam. Von dem Fluche syphilitischer Krankheiten scheinen 
die Eingebornen bisher noch verschont geblieben zu sein. Auch über das 
muthmassliche zeitweilige Auftreten verheerender Seuchen vermochte ich 
zu keiner Gewissheit zu gelangen; indess haben sie in ihrer Sprache ein 
Wort für Pocken, wovon ich mich durch die Confrontation eines Malayen, 
dessen Gesicht von den Narben dieser bösartigen Krankheit fürchterlich ent- 
stellt war, persönlich überzeugte. 

Nach der von einem der Expeditions-Aerzte, Herrn Dr. Schwarz und mir 
an 55 Eingebornen angestellten verschiedenen Körpermessungen *) ergaben sich 
für die Rubriken: 

Complette Höhe, Körpergewicht und manuelle Kraft (Dynamometer) die 
folgenden Durchschnittszahlen: 

Complette Hhe . . . . 2... 1,622 m. 
Körpergewiht . .» 2.2... 61 Kilo. 
Dynamometer (force manuelle **) . 49,47 Kilo. 

Die Hinterhautschuppe des Kopfes ist platt und eingedrückt, ein Umstand, 
dessen schon Fontana in seinem bekannten Tagebuche Erwähnung thut, der 
‚aber um so mehr eine besondere Berücksichtigung verdient, als wir nach den, in 
Folge der Resultate unserer Messungen eingezogenen Erkundigungen mit Be- 
stimmtheit annehmen können, dass diese Modification in der Form des Schädels 
nicht in der natürlichen Struetur der Race liegt, sondern künstlich hervorge- 
bracht ist. Wir erfuhren nämlich, dass unter den Eingebornen Nankauri's und 
anderer Inseln die Sitte bestehe, den Kopf des neugebornen Kindes, wahrschein- 
lich nach den Regeln des nikobarischen Schönheitsgesetzes, platt zu drücken, 
und dieses Experiment, eines besseren Erfolges wegen, eine geraume Zeit lang 
durch verschiedene künstliche Mittel zu wiederholen. Diese seltene Sitte bringt 
unwillkürlich die abgeplatteten Schädel der Aymaras an der Westküste von Süd- 
amerika in Erinnerung, welche d’ Orbigny in den Gräbern der Provinz Mune- 
cos, in den wildesten Theilen von Carangas und in den Thälern von Tacua 


*) Worüber später ausführlicher die Rede sein wird. Bei allen diesen Messungen haben 
wir uns des französischen Maasses bedient. 

°%) Nach Regnier ist die force manuelle eines Franzosen von 25 — 30 Jahren 50 Kilo, 
nach Ransonnet 46.3, nach Peron 69.2; nach letztern ist ist die force manuelle 
eines Neuholländers 51.8, eines Malayen von der Insel Timor 58.7 (Vergl. Quetelet, 
L’'homme, vol. II. p. 65 — 6b. 


250 Dr. K. Scherzer. 


fand!?). Auch d’ Orbigny gelangte zur Ueberzeugung, dass diese abgeplat- 
tete Schädelform keine natürliche, sondern durch Kunst hervorgebrachte sei, 
‚ indem der Kopf der jetzigen Aymaras, unter denen dieser Gebrauch nicht mehr 
besteht, die nämliche Form hat, wie jener der Quichuas, und indem in densel- 
ben Gräbern neben den zusammengedrückten Schädeln sich auch andere von ver- 
schiedenen Formen befanden. Ja, bei einer genauern Untersuchung bemerkte 
d’ Orbigny sogar, dass die abgeplatteten Schädel die von Männern waren, 
während man den weiblichen Köpfen ihre natürliche Form gelassen hatte. Wir 
befanden uns nicht in der Lage, die Köpfe von weiblichen Eingebornen der Ni- 
kobaren näher zu untersuchen, und können daher nicht angeben, ob sich auch 
bei diesem Volksstamme jener wunderliche Gebrauch nur auf das männliche Ge- 
schlecht beschränkt. Ebenso kann es nur das Resultat eines längern Aufenthaltes 
sein, Nachforschungen anzustellen über denUrsprung eines solchen Gebrauches, 
um den Einfluss zu beobachten, den das Abplatten des Kopfes möglicherweise 
auf die intelleetuellen Eigenschaften des Volkes hervorbringt, bei dem es 
üblich ist. 

Die Kleidung der Männer ist eine ausserordentlich einfache; dieselbe 
besteht in nichts anderem als einem langen, sehr schmalen Streifen blauer Lein- 
wand, den sie um den Leib winden und zwischen den Beinen nach rückwärts 
ziehen, am Gürtel befestigen und hinten herabhängen lassen; eine Sitte, welche 
dem schwedischen Reisenden Keoping, der im Jahre 1647 am Bord eines hol- 
ländischen Schiffes auf der Fahrt nach Osten an den nikobarischen Inseln anlegte, 
zur Annahme verleitete, dass diese Inseln von Menschen bewohnt wären, welche 
Schwänze gleich Katzen hätten und dieselben auch in gleicher Weise bewegten. 

Obwohl bei einem Clima von einer jährlichen Durchschnittswärme von 
27° Cels. das Bedürfniss einer Körperbekleidung völlig wegfällt, so tragen doch 
die Eingebornen ein ausserordentliches Verlangen nach europäischen Kleidungs- 
stücken, und wenn es überhaupt möglich ist, ihren kalten gleichgiltig-unbeweg- 
lichen Gesichtern irgend einen Zug der Befriedigung abzulocken, so kann diese 
gewiss nur durch die Beschenkung mit einem Hemd, einem Rock oder einem 
runden schwarzen Seidenhut geschehen. Da aber die Eingebornen selten mehr 
als Ein Kleidungsstück zum Geschenk bekommen und oft so manches Jahr wieder 
vergeht, bis sich zu diesem ein zweites findet, und allmälig der Anzug complett 
wird, so erscheinen die Nikobaren vor den Fremden in den wunderlichsten Auf- 
zügen, bald ganz nackt, bloss einen runden schwarzen Hut am Kopf, oder ohne 
Hemd, Hose und Kopfbedeckung in einen Frack gespreizt daherstolzirend, der 
am plumpen nackten Leib des braunen Natursohnes weit mehr das Ansehen einer 
Zwangsjacke hat, als das eines Toilettenstückes. Zum Beweise, wie weit in die- 
ser Beziehung die Eitelkeit der Eingebornen geht, mag folgendes Beispiel dienen: 
Der Häuptling desDorfes Saoui auf der Insel Kar-Nikobar wurde mit einer Phan- 
tasie-Uniform aus ziemlich schwerem groben Tuche beschenkt, deren Tragen 
dem bisher höchstens mit einem Leinwandhemd bekleideten Halbwilden bei der 
hohen Temperatur des Climas und dem Missverhältnisse, welches zwischen der 
Grösse des Kleidungsstückes und der Körperbeschaffenheit des wohlbeleibten 
Häuptlings bestand, offenbar äusserst unbehaglich fallen musste. Gleichwohl be- 
stachen ihn die buntfärbigen Aufschläge und der Schimmer der Metallknöpfe, 
kurz das Exotische des Rockes dermassen, dass er, so lange wir in Saoui ver- 
weilten, stets in dieser bunten Uniform erschien, und zwar stets bis zum Hals 


*) D. Orbigny, Z’homme americain, vol. 1. p. 320. 


Die Eingebornen der Nikobaren. 251 


zugeknöpft, und mit einer leinwandenen Unterhose und einem schwarzen Filzhut 
‚den Anzug komplettirend ! 

Ueberhaupt tragen die Eingebornen bei der Wahl eines Kleidungsstückes 
mehr der Eitelkeit als dem wahren Bedürfnisse und der Zweekmässigkeit Rech- 
nung. Ein grosser runder weisser Hut mit breiter Krämpe, den ich einem Ein- 
gebornen schenkte, fand nicht den geringsten Anklang, obwohl derselbe durch 
Farbe und Form weit mehr gegen die directe Einwirkung der Sonnenstrahlen 
schützte, als ein hoher, schmalkrämpiger, schwarzer, modischer Seidenhut, auf 
dessen Besitz die Bewohner von Kar-Nikobar und Nankauri einenganz besondern 
Werth legen. Im Tauschhandel geben sie für eine solche oft schon ganz abge- 
nützte Kopfbedeckung 1600 Cocosnüsse, während sie für ein langes breites 
Stück buntfarbigen Mousselin, in welches sie ihre Todten zu hüllen pflegen, nur 
1200 reife Cocosnüsse bieten. Der idealste Kopfputz der Nikobaren ist ein 
Stirnband aus getrocknetem Bast, das ihnen ein äusserst malerisches Ansehen 
gibt, Zierathen, Halsschnüre, Glasperlen sah ich sie nur wenig tragen, kaum zwei 
oder drei junge Männer hatten Hals und Hände mit ziemlich massiven Ringen aus 
Silber und Eisendraht verziert. Mag sein, dass die meisten ihren nationalen 
Schmuck abgelegt hatten, oder dass die Sitte sich zu schmücken hauptsächlich 
ein Vorrecht des weiblichen Theiles der Bevölkerung ist. Leider habe ich nur 
eine einzige Nikobarin zu sehen bekommen, und zwar auf der Insel Nankauri, im 
Dorfe Inuang; sie war an einen Eingebornen aus Pulo Pinang verheiratet, der auf 
einer gerade daselbst vor Anker liegenden malayischen Barke als Koch diente. 
Die nikobarischen Frauen sollen im Allgemeinen — was auch Dr. Hochstetter, 
der während eines Ausfluges nach der Insel Trinket in einem Canoe der Einge- 
bornen mehrere Weiber unter ihren Familien zufällig überraschte, bestättigt — 
noch garstiger und von einem weit derberen Aussehen sein, als die Männer; sie 
haben die Haare abgeschoren und gehen, mit Ausnahme eines Stückes Leinwand, 
das sie, ähnlich wie die Indianerinnen Mittelamerika’s, mehrere Male um den 
Leib winden, völlig nackt. Indess glaube ich, dass einem Reisenden auch der 
Anblick des weiblichen Geschlechtes nicht so lange versagt bleibt, als er für den 
Anfang den Anschein hat. Die Eingebornen gewöhnen sich nämlich leicht an das 
Hinzutreten eines fremden Elementes, sobald sie sich nur von ihrem ersten 
Schrecken erholt und überzeugt haben, dass man ihnen nichts zu Leide thun 
will. Als wir fünf Tage nach unserem ersten Besuch auf Kar-Nikobar an der ent- 
gegengesetzten Seite der Insel (der Ostküste) landeten, bemerkten die Einge- 
bornen, „sie fürchten sich jetzt nieht mehr vor uns, da wir bereits ein zweites 
Mal hier seien!“ Eine ähnliche Erfahrung machte ein junger Franzose von der 
Insel Bourbon, der, um eine Ladung reifer Cocosnüsse für ein sardinisches Schiff 
vollzumachen, sich seit zehn Tagen erst auf Kar Nikobar aufhielt und vor dem sie 
keine Hehl mehr machten, ihm ihre Familien zeigten und Augenzeuge bei ihren 
Festen sein liessen, 

Die Wohnungen der Nikobaren sind grösstentheils runde bienenkorbartige 
Hütten, die auf einer Anzahl 6—8 Fuss hoher Pfähle ruhen, so dass man in 
das Innere derselben nur auf einer Leiter gelangen kann, welche in der Regel 
aus zierlich verbundenen Bambusstäben zusammengefügt ist. Einfach wie der 
Bau dieser Hütten ist, entbehrt derselbe dennoch nicht, namentlich auf der Insel 
Kar-Nikobar eine gewisse Zierlichkeit, ich möchte fast sagen Eleganz, und die 
Bedachung aus Palmenstroh sowohl, wie dieaus Palmenstäben und Rotanggeflecht 
gebildeten Wände sind Spuren einer Industrie, welche selbst einem eivilisirten 
+ Volke zur Ehre gereichen würde. Jede Hütte besteht nur aus einem einzigen 
Raume, welcher der Familie nicht nur zum Wohnen und zur Schlafstelle, son- 


252 Dr. K. Scherzer. 


dern gleichzeitig auch zur Küche dient. Darum erscheint auch das Innere stets 
völlig angeräuchert und hat meist das Ansehen eines grossen umfangreichen 

Schornsteins. Allein diese augenfeindliche Sitte mag wenigstens nicht ohne wohl- 
‘ thätige Wirkung auf die Gesundheit der Bewohner sein, indem der häufige Rauch 
besonders während der feuchten Jahreszeit, nicht ohne Einfluss auf die vom Bo- 
den aufsteigenden bösen Dünste bleiben dürfte. 

Eine Anzahl von Speeren und Harpunen, die zwischen den Fugen der 
Wände der Nikobarenhütte stecken, eine Menge ausgehöhlter Cocosschalen, die 
als Trinkgefässe dienen, und ein paar plumpe irdene, unglasirte, leicht zerbrech- 
liche Kochgeschirre zur Bereitung und Aufbewahrung des aus der Pandanus- 
frucht gewonnenen Breies, ein Hauptnahrungsmittel der Eingebornen, sowie 
einige runde zierlich aus Rotang geflochtene Körbe und Kistchen aus Palmen- 
scheiden machen fast das ganze Ameublement einer Nikobaren-Behausung aus, 
wenn man nicht die vielen ringsherum hangenden, roh geschnitzten Talismane, 
gegen die so sehr gefürchteten Teufelsbesuche, gleichfalls dazu nehmen will. Nie- 
mals bemerkte ich im Innern einer solchen Hütte eine Bank, einen Stuhl, einen Tisch 
oder eine Bettstelle, nicht einmal eine Hängematte, die doch selbst in der Ka- 
bane des ärmsten westindischen Negers oder central-amerikanischen Aboriginers 
nicht fehlten. Nur Ein einziges Mal sah ich einen Häuptling im Dorfe Saoui auf 
Kar-Nikobar von einem schaukelartigen Sitz Gebrauch machen, der aus einem 
schmalen schwanken Brettehen und zwei Tauen aus der Faser der Cocosnuss- 
schale bestand, welche mit dem einen Ende am Brett, mit dem andern auf dem 
Dachbalken der Hütte befestigt waren. 

Im Allgemeinen kauern oder hocken die Eingebornen auf der Erde oder 
sitzen auf einer zufällig am Boden liegenden Cocosnuss, während sie sich des 
Nachts auf eine Blüthenscheide der Arekapalme hinstrecken und ihrem Kopf 
höchstens ein Stück hartes Holz zur Unterlage dient. 

Eine solche Hütte, die ungefähr 20 Klafter im Umfang hat, und von denen 
6—7 ein Dorf ausmachen, beherbergt in der Regel 8—10 Menschen, obwohl 
eine Familie im strengsten Sinne des Wortes schwerlich aus mehr als 5—6 Per- 
sonen bestehend angenommen werden kann. Da die Nikobaren äusserst gast- 
freundlich sind, sich einander häufig besuchen und gegenseitig zu Festen laden, 
so soll es vorkommen, dass manchesmal zwanzig und mehr Menschen in einer 
solehen Hütte die Nacht zubringen. 

Die Nahrungsmittel der Eingebornen sind nicht weniger als mannigfaltig. 
Da ihnen jede Art vonKornbau fremd ist, so sind sie in ihren ersten Bedürfnissen 
hauptsächlich auf das angewiesen, was ihnen eine gütige Natur ohne Hilfe des 
Menschen von selbst bescheert. Ihr Hauptnahrungsmittel ist die Cocosnuss und 
die Pandanusfrucht. Die grosse Rolle, welche die Cocospalme nicht nur im Haus- 
halte der Eingebornen, sondern in der Culturgeschichte der nicobarischen 
Inseln überhaupt spielt, wird es rechtfertigen, wenn wir auch die Wichtig- 
keit und mannigfaltige Verwendung der Cocospalme , dem grössten Geschenk 
der Natur an die Völker der Tropen etwas umständlicher eingehen. 

Die Cocospalme, der nothwendige Begleiter des Nicobaren wie des tro- 
pischen Menschen im Allgemeinen und gleichsam die erste Bedingung seiner 
Existenz, liefert ihm Alles, was er zur Wohnung und Nahrung, zum Hausrath 
und zum Verkehr mit fremden Völkern bedarf. Der Stamm dieser schlanken 
Säule mit ihrem wiegenden grünen Blättergewölbe ist 60 — 100 Fuss hoch 
und hat 1—2 Fuss im Durchmesser, zwar porös und schmächtig, aber doch 
fest und stark genug, um das nöthige Bauholz zu liefern. Die Fibern der 
Rinde wie der Nussschale liefern Stricke und Tauwerk, die 2—3 Fuss brei- 


Die Eingebornen der Nikobaren. 253 


ten, 12—14 Fuss langen, mächtigen Wedel ihrer Krone dienen gegenwärtig 
zum Dachdecken, zu Flechtwerk und zu Körben, und würde zur Asche ver- 
brannt, vortreflliche Seife geben. Ein guter Baum soll schon im 5. Jahre 
Früchte bringen und deren 100 Jahre hindurch 60—80 jährlich liefern. Der 
Saft der kopfgrossen, eiförmigen, dreikantigen, grünen, unreifen Nuss, ohne 
dem manche Insel gar nicht bewohnbar wäre, ist der einzige Trank, der den 
Wanderer in dieser Waldwüste labt und erfrischt, und den Eingebornen den 
Mangel an trinkbarem Wasser nicht im geringsten empfinden lässt. Immer 
“ergreift mich ein Gefühl des innigsten Dankes gegen eine gnadenreiche Na- 
tur, so oft mir, von mühsamer Wanderung ermattet und durchlechzend, ein 
gastlicher Eingeborner eine grüne, unreife, mit grosser Gewandtheit aufge- 
hauene Coeosnuss, jene vegetabile Quelle des Tropenwaldes, zur Labung und 
Erquiekung darreichte. Man pflegt diesen flüssigen Inhalt der jungen Cocos- 
nuss gemeinhin Cocosmilch zu nennen. Allein es ist weit mehr, ein klares, 
wohlmundendes Wasser, das weder durch seine Farbe, noch durch seinen 
Geschmak an Milch erinnert. Milch dagegen gewinnt man aus dem weissen, 
süssen, festen Mandelkern der reifen Cocosnuss *), der selbst ungemein nahr- 
haft und zugleich eine tägliche Speise der Eingebornen ist. Der wohlgetrock- 
nete ausgepresste Kern der reifen oder alten Coeosnuss , liefert ein starkes, 
reines, geschmackloses Oel, das nicht nur zum Salben von Haut und Haar 
dient, sondern auch zum Kochen, zum Brennen und zur Seifenerzeugung 
sehr brauchbar ist. Sogar der schon verwendete, ausgepresste Kern würde 
noch gutes Viehfutter und vortrefllichen Ackerdünger geben. Die harte 
Coeosschale ist das einzige Trinkgefäss der Nikobaren, und es hängen un- 
zählige dieser Schalen, durch leichtes Verkohlen am Feuer schwarz ge- 
macht und mit verschiedenen Zierathen versehen, ringsherum in ihren Hüt- 
ten. Die sehr zähe, braunrothe Faser der äussern Nussschale leistet zur 
Anfertigung von Schnüren, Stricken und Tauen ausgezeichnete Dienste. 
Diese ungemein harte, elastische Fiber soll dem Hanf an Feste und 
Dauerhaftigkeit gleichkommen, und denselben an Elastieität noch übertreffen. 
Ein anderer Ertrag der Cocospalme ist der kühlend-erquickende Saft, den 
man der noch unentfalteten Blüthe mittelst Einschnitte in die Scheide ab- 
zapft, und welchen die Eingebornen do ägh, die Engländer Toddy nennen. 
Und so tritt denn auch hier die schon bei anderen halbrohen Völkern 
beobachtete, eigenthümliche Erscheinung zu Tage, dass der Hauptnahrungs- 
stoff gleichzeitig auch zur Bereitung des Luxusgetränkes Verwendung findet; 
und wie dem Indier der Reis, dem Afrikaner die Yamswurzel, den Völ- 
kern Amerika’s der Mais, so dient dem hiesigen Eingebornen die Cocos- 
palme eben sowohl zur täglichen Befriedigung seiner ersten Bedürfnisse, 
wie bei besonderen Anlässen als berauschendes Getränk zur künstlichen 
Erregung seiner Sinne. 

Von allen Palmenarten soll die Cocospalme den besten Saft enthal- 
ten. Ich habe im Staate Costa-Riea auf den weiten Grasflächen von Guana- 
coste und Miravalles mehrfach Gelegenheit gehabt, den Saft einer andern 
Palmenart, der Cuyob-Palme, zu verkosten, der einzigen labenden Flüssig- 
keit, welche der erschöpfte, durstende Savanero auf seinen wilden Zügen 


*), Am Bord der Fregatte haben wir uns monatlang den Genuss verschaflt, die aus dem 
Kern der reifen Cokosnuss ausgepresste Milch anstatt animalischer zum Thee oder 
Kaffeh zu benützen und fand sie so vortrefflich, dass wir Kuh- oder Ziegenmilch nur 
wenig vermissten. 


254 Dr. K. Scherzer. 


trifft, wenn er bei versengender Sonnenhitze über unabsehbare kahle Sa- 
vannen dahinjagt, um frei umherlaufende Zuchtthiere mit dem Lasso ein- 
‚zufangen und vor sich hin nach dem Sammelplatze zu treiben. Mir kommt 
der Saft der Cocospalme viel süsser, zuckerstoffhaltiger vor, und gewiss 
liesse sich aus demselben, wie zuletzt schon Arrak und Essig, auch auf 
unschwere Weise und mit manchem Nutzen Zucker bereiten. Die Cocos- 
palme bildet zugleich den Haupt-Ausfuhrsartikel der ganzen Inselgruppe, wäh- 
rend der Gewinn von Trepang (Beche de Mar der Engländer), eine Holo- 
thurien-Art, und essbare Schwalbennester (von den Eingebornen hinlene ge- 
nannt) nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Und so findet die Co- 
eospalme die verschiedenartigste Verwendung, wenngleich es schwer fallen 
dürfte, alle jene 99 Nutzanwendungen namhaft zu machen, zu welchen, 
der Hindusage nach, dieser edle Sprosse aus dem Königsgeschlechte der 
Palmen dienen soll. 

Die Cocospalme gedeiht auf den Nikobaren hauptsächlich am See- 
ufer, so weit der Corallensand reicht, und darum ist auch die Existenz 
ihrer eultur- und industrielosen Bewohner auf diese Region beschränkt. 
Dieses kostbare Gewächs rückt selten tief landeinwärts und wird daher 
auch von Martius in seinem Prachtwerke über Brasilien so bezeichnend 
die „Seeuferpalme“ genannt, Es bleibt indess noch immer unentschie- 
den, ob die Coeosnuss auf den Nikobaren einheimisch, ob sie dahin ver- 
pflanzt worden oder ob sie, bei ihrem bekannten Vorrechte, auch im Salz- 
wasser zu keimen, durch die Welle an die Gestade dieser Inseln gespült, 
sich allmählich ohne jegliche Hilfe des Menschen auf denselben weiter und 
weiter verbreitet hat. 

An Wichtigkeit in Bezug auf den Unterhalt der Bewohner der Ni- 
kobaren steht der Cocospalme der Pandanusbaum (Pandanus Milore) aus 
der Familie der Pandaneen zunächst, dessen Frucht (Mellori oder Caldeira 
der Portugiesen, Caröhm der Eingebornen) den Reis und das indische Korn 
ersetzen muss, welche beide, da die Eingebornen keinerlei Cultur treiben, 
auf den Inseln nicht vorkommen, obschon die Bodenverhältnisse sich zu 
deren Anbau eignen würden. Aus der mächtigen Frucht des Pandanus 
wird eine Art Brei bereitet, der manche Aehnlichkeit mit Apfelmuss hat 
und von den Eingebornen zugleich mit dem weissen festen Mandelkern der 
reifen Cocosnuss gegessen wird. ‚Aus den Blättern des Pandanus werden 
alle Sorten Matten, namentlich zu Segeln verfertigt. 

Der Brotfruchtbaum (Artocarpus integrifolia), welcher eine so reiche 
Menge Nahrungsstoff liefert, dass, wie Cook erzählt*), drei Bäume hin- 
reichen, um einen Menschen acht Monate lang zu ernähren, kommt auf 
den Inseln in einzelnen Individuen vor, doch sah ich dessen Früchte von 
den Eingebornen niemals geniessen. Auch die Banane erscheint nur spär- 
lich gepflanzt, obschon dieses prachtvolle, nach der Cocospalme wohlthä- 
tigste Saftgewächs mit seinem lieblichen grünen Blätterschmuck nur sehr 
geringer Pflege bedarf und unter allen Nahrungspflanzen die grösste Quan- 
tität mehlgebender Nahrungsstoffe enthält. 


®) „Hat Jemand im Leben nur zehn Brotbäume gepflanzt,“ sagt der edle Cook, „so hat 
er seine Pflicht gegen sein eigenes und sein nachfolgendes Geschlecht ebenso reichlich 
und vollständig erfüllt, wie ein Bewohner unseres rauhen Himmelsstriches, der sein 
Leben hindureh während der Winterkälte gepflügt, in der Sommerhitze geerntet und 
nieht nur seine jetzige Haushaltung mit Brot versorgt, sondern auch seinen Kindern 
noch etwas an baaren Gelde kümmerlich erspart hat.“ — 


Die Eingebornen der Nikobaren. 255 


Von Knollengewächsen sah ich bloss die Yamswurzel in grösserem 
Mausse vorkommen; sie scheint aber von den Eingebornen mehr als ein 
Gegenstand des Tausches für die diese Inseln besuchenden Schiffe, als 
für den eigenen Gebrauch gebaut zu werden. So weit mir die hiesigen 
Bodenverhältnisse bekannt geworden und nach früheren Beobachtungen in 
Mittelamerika und Westindien zu urtheilen, würde aber auch die Jucea 
(Jatropha Manihot), die süsse Kartoffel, die Camote der spanischen Co- 


-Jonien, und andere amerikanische Knollengewächse hier eben so gut gedei- 


hen, wie in den heissen, feuchten Niederungen an der Westküste des neuen 
Continentes. 

An Fleisch geniessen die Eingebornen zuweilen Schweine und Hühner, 
die zugleich nebst Hunden und Katzen ihre einzigen Hausthiere ausmachen. 
Hornvieh kommt auf keiner der Inseln vor. Ein paar Eingeborne, die mich 
einmal auf der Fregatte besuchten, waren ungemein erstaunt, als sie eine 
lebende Kuh daselbst sahen. Auch der Gebrauch des Salzes ist ihnen noch 
ziemlich fremd, die Schweine, welche sie bei feierlichen Anlässen geniessen, 
bereiten sie, indem sie dieselben in salzigem Meerwasser reinigen und 
am offenen Feuer rösten. Zwei Gewächse aber sind es noch, welche, ob- 
gleich sie nicht zu den nahrungsspendenden Vegetabilien gezählt werden 
können, gleichwohl wie die Cocospalme als eine Hauptbedingung für die 
Existenz der Eingebornen sich darstellen. Es sind diess die Areka-Palme 
und der Betel-Pfefferstrauch. 

Die Nuss der Areka-Palme (Areca Gatechu) und das grüne Blatt des 
Betelstrauches (Piper betle) bilden nämlich nebst gebranntem Korallenkalk die 
Hauptingredenzien des Betels, jener merkwürdigen Kaucomposition, welche für 
die Völker Ostindiens und der angrenzenden Inseln von einem Luxusartikel 
zu einem Gegenstand des ersten Bedürfnisses geworden ist. Die Areka-Palme 
mit ganz gerade emporsteigendem Stamme und einer ungemein eleganten 
Krone geschmückt, ist auf der ganzen Inselgruppe einheimisch, und kommt 
daselbst in grosser Menge vor. Dieselbe könnte bei dem ungeheuern Ver- 
brauch ihrer Früchte als Kaumittel sowohl, wie in der Heilwissenschaft, wenn die 
Eingebornen nur etwas Sinn für Kultur hätten, einen reichlichen Gewinn ab- 
werfenden Handelsartikel bilden. *) Der Betelstrauch dagegen scheint erst — 
wenigstens auf einigen Inseln, von der malayischen Halbinsel eingeführt 
worden zu sein. Wenigstens erzählte mir ein malayischer Schiffs-Kapitän 
Namens Adong aus Pulo Pinang, den ich an der Nordküste von Gross- 
Nikobar gerade mit einer Ladung vonKokosnüssen und Trepang beschäftigt fand, 
dass die grüne Betelpflanze sonst im Verkehr mit den Eingebornen von Gross- 
Nikobar oder Sambelong einen vortheilhaften Tauschartikel ausmacht, und dass 
er selbst noch vor einer Anzahl von Jahren frische Pflanzen dieses Pfefler- 
Strauches zum Anbau nach jener Insel brachte und gegen Kokusnüsse ver- 
tauschte. Dermalen wird diese, sich leicht ohne alle Pflege verbreitende 
Kletterpflanze in solcher Menge angetroffen, dass nicht nur deren Einfuhr 
schon lange aufgehört hat, sondern sogar nur ein Theil des Blätterertrages 
von der geringen Bevölkerung verbraucht werden kann. 


®*) Von der Insel Sumatra, sollen über Pinang jührlich an 40.000 Pikul Areka-Nüsse, 
(an 53.000 Zentner) zum Kauen nach Bengalen und China ausgeführt werden. Crawford, 
History of the Indian Archipelago Vol. I. p. 414. Welch launenhafter Zufall, dass die 
Fruchteines der schönsten Bäume dieser Erde einem so hässlichen Gebrauche zur Verbrei- 
tung dient. — 


256 Dr. K. Scherzer. 


Mir bleibt es immer ein Räthsel, worin wohl der grosse Genuss des 
Betelkauens bestehen mag, dass dieser eckelerregende Gebrauch eine so un- 
‚ geheure Verbreitung vom ärmsten Sklaven bis zum reichsten Fürsten Indiens 
erlangen, Arme wie Reiche, ja Frauen und Kinder ebenso wie Männer zu 
fesseln in Stande ist, als mir der Zufall eine Stelle aus einem Sanskritge- 
diehte (Hytopedesa, p. 89) in die Hand spielte, welche die dreizehn Cardinal- 
Eigenschaften des Betelblates in folgender Weise schildert: 

„Betel ist scharf, bitter, gewürzig, süss, laugenhaft herb, carminativ, 
„ein Phlegma-Zerstörer, Wurmantidot, ein Verdufter des Athems, eine Zierde 
„des Mundes, ein Beseitiger von Unreinigkeiten, ein Anfacher der Flamme 
„der Liebe! O Freund! diese dreizehn Eigenschaften sind selbst im Himmel 
„schwer wieder zu begegnen. *) 

Es wäre immerhin eine interessante Aufgabe den Einfluss zu unter- 
suchen, den das beständige Kauen des Betels auf die Verdauung der Einge- 
bornen der Nikobaren und die Entwicklung ihrer Kauorgane hervorbringt, 
welche dadurch fortwährend in so gewaltiger Bewegung erhalten werden. 

Was uns allen bei den Nikobaren ganz besonders auffiel war die furcht- 
bare Entartung ihrer Zähne, während dieselben bei andern betelkauenden 
Völkern gleich dem Zahnfleisch und den Lippen bloss ganz dunkelroth ge- 
färbt sind. Ich schrieb diess anfänglich der Verschiedenheit der gekauten 
Ingredienzen zu, habe mich aber zu wiederholten Malen überzeugt, dass der 
Betel der Nikobaren aus nichts anderem besteht, als aus einen Stückchen 
Areka-Nuss (hijäh), das in ein grünes, mit etwas Kalk schön bestrichenes 
aromatisches Betelblatt (hakei) gewickelt und so in den Mund genommen wird. 

Die Hindus, mischen dagegen zu diesen Ingredienzien, die sie fortwäh- 
rend in eleganten Dosen bei sich führen, eine aus dem Mark der Acacia 
Catechu, einer Mimosenart, gewonnene adstringirende Substanz (früher terra 
japonica genannt, weilman sieerst für ein Mineralproduet hielt), zuweilen fügen 
sie zur gewöhnlichen Kaucomposition auch ein von der Melaleuca cajeputi 
gewonnenes Harz und etwas Tabak hinzu. 

Die Ursache der so fürchterlich zerstörenden Wirkung des Betels auf 
Zähne und Lippen der Nikobaren dürfte wahrscheinlich in einem verschiede- 
nen Mischungsverhältniss der Kau-Substanzen, vielleicht im Verbrauch einer 
grössern Quantität von Kalk liegen. Was hingegen über die Sitte der Niko- 
baren, ihre Zähne zu feilen und sie mit gewissen ätzenden Stoffen einzu- 
reiben, verlautet, beruht ausschliesslich auf einer Vermuthung, die ich weder 
durch persönliche Beobachtung, noch durch die Aussage der Eingebornen und 
der gerade aufNankauri, und Gross-Nikobar anwesenden malayischen Kaufleute 
bestätigt fand. 

In gesellschaftlicher wie in geistiger Beziehung erblicken wir die Be- 
wohner der Nikobaren noch völlig im Zustand der Kindheit des Menschen- 
geschlechtes. Sie pflegen sehr frühzeitig zu heirathen, nehmen nur ein 
Weib, altern aber ungemein rasch. Von einigen Hundert Eingebornen, mit 
denen ich während meines Aufenthaltes auf den verschiedenen Inseln zusam- 
mentraf, war kaum einer älter als vierzig Jahre, die meisten waren, nach 
einer oberflächliehen Schätzung 20 — 30 Jahre alt. Wenn man also nicht 


*) Die tagalischen Mädehen auf Luzon sollen es als einen besonderen Beweis der Auf- 
richtigkeit der Gesinnung wie der Heftigkeit der Leidenschaft ihrer Geliebten ansehen, 
wenn diese den Betelknäul aus ihrem Munde nehmen. — Vergl. Berghaus Länder und 
Völkerkunde. Vol. III. p. 261. 


Die Eingebornen der Nikobaren. 257 


voraussetzt, dass sämmtliche alte Männer, gleich den Weibern und Kindern die 
Flucht ergreifen, was bei der gewöhnlichen Gebrechlichkeit des Alters wohl 
nicht leicht anzunehmen ist, so dürften die Eingebornen kein sehr hohes 
Lebensalter erreichen. Dagegen wage ich bei der Kürze des Aufenthaltes 
und den nur äusserst flüchtigen Verkehr mit den Eingebornen keine Meinung 
auszusprechen, über die Entwicklung oder Abnahme der Bevölkerung, die 
-durchschnittliche Zahl der Kinder, die Behandlung des Alters der Frauen 
und Kranken. 

Von der heilwirkenden Kraft gewisser Urwaldpflanzen haben die Einge- 
bornen nur sehr wenig Kenntniss, Was sie an Medieinen besitzen, haben sie 
grösstentheils durch englische Schiffscapitäne aus Europa erhalten. Obwohl 
sie auf deren Besitz ein ungeheures Gewicht legen, so schaden ihnen diese 
Medieinen doch mehr als sie ihnen nützen, weil sie dieselben nicht zu ge- 
brauchen verstehen und oft die unsinnigsten Anwendungen davon machen. 
Wahrscheinlich hat sich einmal ein Schiffscapitän, um ihren Zudringlichkeiten 
zu entgehen, seiner entbehrlichsten Artikel wie Castoröl, Epsomsalz, Kampfer- 
geist, Terpentin, Pfeffermünze, Kölnerwasser u. s. w. entlediget, und nun 
begehren sie Heilstoffe von jedem spätern Besucher. Ein Eingeborner bat 
mich einmal inständig um etwas Terpentingeist. Als ich ihn frug, was er da- 
mit anzufangen gedenke, erwiederte er, er wolle sich den Körper damit ein- 
reiben, und einige Tropfen innerlich einnehmen, weil er glaube, dass diess 
ein vortreflliches Mittel gegen Brustweh sei! — Unter solchen Umständen 
kann man sich leicht eine Vorstellung von der Thätigkeit des einheimischen 
Doetors (manlüena) machen der nicht im geringsten verständiger oder unter- 
richteter als der Rest der Bevölkerung ist. Sein Hauptantheil an der Be- 
handlung der Kranken besteht auch mehr in einer mechanischen als 
geistigen Thätigkeit. Von der Meinung befangen, dass jede Krankheit durch 
einen bösen Geist auf dessen eigenen Antrieb oder durch Anstiftung eines 
Dritten in den Körper hineingezaubert wurde, versucht der Manlüena oder 
Doctor durch heftiges Drücken, Pressen und Kneten der Glieder den 
Krankheitsstoff bei den Fingerspitzen oder Fusszehen wieder aus dem Körper 
herauszutreiben. Ich liess einmal auf der Insel Gross-Nikobar einen solchen 
Kurversuch zur Unterhaltung meiner Gefährten und meiner eigenen Ueber- 
zeugung an mir selber anstellen, indem ich plötzlich heftiges Gliederreissen 
vorgab und einen eben anwesenden Manlüena bat, mich durch seine Kunst, 
die ich zu schätzen, d. h. zu honoriren wüsste, davon zu befreien. Der 
einheimische Doctor begann sogleich mich am Arme mit beiden Händen zu 
kneten; dabei schrie, heulte und pfiff er unaufhörlich, wie um den bösen 
Geist herauszulocken, und machte zu seinen Anstrengungen die possierlich- 
sten Geberden. Der Pfiff, den er hervorzubringen wusste, war ein ganz 
eigenthümlicher, ungemein klangvoller. So seltsam diese Kurmethode uns 
auch vorkam, so bin ich doch überzeugt, dass dieselbe bei einheimischen 
Kranken noch bei weitem geräuschvoller und mit einem viel grössern 
äussern Apparat vor sich geht. So z. B. soll der Doctor immer mit einer 
Lanze oder einen Speer vor dem Lager des Kranken erscheinen. Wird 
der Kranke besser, so hat er den Iwi durehbohrt, stirbt dagegen der 
Kranke, so hat sich der Manluena vor dem starken Gegner zurückziehen 
müssen. Diese Heilversuche sollen indess nur selten so glücklich für den 
Patienten ausfallen, wie der an mir angestellte. Sobald die Eingebornen 
einmal ernstlich von einer Krankheit befallen werden, sollen sie rasch zu 
Grunde gehen. Jedoch habe ich niemals von Grausamkeiten erzählen hören 


258 Dr. K. Scherzer. 


welche sich die Verwandten und Freunde des Opfers gegen den unglück- 
lichen Kurirer erlauben, was auch um so unwahrscheinlicher, als es, wenn 
‚ diess wirklich der Fall wäre, bei den geringen Vortheilen und Sporteln eines 
Heilkünstlers unter diesen armen Bewohnern schwerlich mehr einen Einzigen 
Manlüena auf ganz Nikobarien geben würde! Das Hauptkennzeichen eines 
Doetoren auf den südlichen Inseln sind ungewöhnlich lange herabfallende 
Haare. Als ich einen Eingebornen frug, welche Eigenschaften wohl nöthig 
seien um ein Doctor werden zu können, antwortete mir derselbe ganz trocken 
und naiv, man müsse der Sohn eines Doctors sein. Aus dieser Antwort geht 
hervor, dass Doctorswürde und Wissenschaft auf den Nikobaren nur gewissen 
Familien erblich ist. Ich fand diese Angabe später bestättigt, indem ich er- 
fuhr, das der junge Manlüena der meine Arme auf Gross-Nikobar so fürch- 
terlich knetete und abdrückte, der Sohn eines alten Doetors von der Insel 
Kondul war, und seinen Charakter bloss diesem verwandtschaftlichen Ver- 
hältniss verdanke. 

Ausser in Fällen der Krankheit, wo der Manlüena eine ähnliche Rolle 
spielt, wie der Medieine-man bei den Chippewa’s und Dahkotas in den Ver- 
einigten Staaten oder der Ach-itz unter den Queche-Indianern in den Altos 
von Guatamala, werden sein Rath, seine Geschicklichkeit und sein Eifer 
hauptsächlich zur Vertreibung der bösen Geister oder Iwi's (von den Eng- 
ländern Ewees geschrieben) in Anspruch genommen, von denen sich die Ni- 
kobaren unaufhörlich umgeben und bedroht glauben. Die Furcht und Scheu 
vor unsichtbaren Gespenstern scheinen unter den Bewohnern der südlichern 
Inseln ihren Culminationspunkt zu erreichen, wo am Strand vor jeder Hütte 
mehrere hohe, mit dürren Palmenblättern, ausgeschnitzten Vögeln u. s. w. be- 
hängte Stangen aufgerichtet sind, dazu bestimmt, die bösen Geister zu ver- 
scheuchen und sie zurück in’s Meer zu jagen, Man kann nicht leicht etwas 
seltsameres sehen als diese Teufelsscheuehen (hands chuop) aus Bambusrohr 
und dürren Palmen-Wedeln, und es ist fast zu wundern, dass diese bizarren 
Stangen von den bienenkorbartigen Hütten der Eingebornen, vorüberfahren- 
den Schiffern noch nieht Anlass zu eigenthümliehen Combinationen gegeben 
haben, wie die rückwärts herabhängenden dunkelblauen, schmalen Leinwandstrei- 
fen dem schwedischen Reisenden Koeping. 

Aber mit diesen Vorkehrungen gegen den Besuch der Iwis, wie sie 
jene unsichtbaren Geister in ihrer Sprache nennen, denen sie Krankheit, Miss- 
wachs und jedes andere Unheil, das ihnen begegnet zuschreiben, und denen 
sie gewiss auch in ihrer Einfalt und Unkenntnis der gesellschaftlichen Ver- 
hältnisse Europas den Besuch der österreichischen Naturforscher zur Last 
gelegt haben, enden auch ihr Cultus und ihre abergläubischen Gebräuche. 
Eigentliche Götzen, die sie abbilden und verehren, denen sie Tempel errich- 
ten haben sie nicht, ebenso wenig andere Gegenstände der Anbetung, wie 
z. B. einen gewaltigen Baum, eine imposante Grotte, einen mächtigen Fels 
oder Hügel. Sie haben in ihrer Sprache nicht einmal ein Wort für Götzen, 
Gottheiten, gutes Wesen, und die rohgesehnitzten Figuren, die man zuwei- 
len in ihren Hütten in der possierlichsten Stellung aufgerichtet findet, haben 
eigentlich keinen andern Zweck als zum Schrecken jener bösen Geister zu 
dienen, die selbst der Manlüena niemals gesehen hat, obschon er mit ihnen 
verkehren zu können vorgiebt, In vielen Hütten sah ich sogar im Innern 
nebst diesen geschnitzten Teufelsscheuchen, Betelblätter mit Kalk beschmiert 
an dünnen Fäden herum hängen, wahrscheinlich damit der Iwi den belieb- 
ten Betel finde, wenn er sich zufällig zu einem Besuch entschliessen sollte, 


Die Eingeboınen der Nikobaren. 259 


Ebenso wollte man uns nicht gestatten, in der Nachbarschaft der Hütten 
einen Baum zu fällen, aus Furcht, der Iwis könnte ungehalten darüber sein, 
und Krankheit über sie schicken! 

Gleichwie sie selbst nieht den geringsten religiösen Gebrauch besitzen, 
so haben auch die verschiedenen Bekehrungsversuche dänischer und franzö- 
sischer Missionäre bisher kaum einen sichtbaren Erfolg gehabt. Die Vorstel- 


“lung eines Wesens, dessen Weisheit und Liebe die Welt regiert, ist ihnen 


eben so fremd, wie die eines geistigen Fortlebens nach dem Tode. Ich 
frug wiederholt einen der verständigsten Häuptlinge, welcher auch etwas 
englisch sprach, ob er wohl glaube seine verstorbenen Freunde und Ver- 
wandte jemals irgendwo wieder zu begegnen? worauf er immer mit einem 
kalten, trostlosen never! never! antwortete, Was ich den Eingebornen von 
den Vorstellungen gläubiger Christen, von einen göttlichen Wesen, von einem 
Jenseits, von dem Glauben an ein Fortleben nach dem Tode erzählte, setzte 
sie ungemein in Erstaunen, und sie lauschten nicht ungern solchen Mitthei- 
lungen. Aber es war unmöglich, ihnen bei einem so flüchtigen Umgang 
einen nur etwas klaren Begriff von der Lehre des Christenthums bei- 
zubringen. 

Von dem Wenigen, was sie darüber vonMissionären und englischen Schifls- 
capitän’s hörten, haben sie nur eine höchst irrige Vorstellung behalten. Einer 
der Häuptlinge auf Kar-Nikobar, der alte Capitain John im Dorfe Gavoue 
zeigte mir eine englische Bibel, die er vom Schiffscapitain Green (Barke 
Rochester) von dem alle Eingebornen mit der grössten Achtung sprachen, 
zum Geschenk bekommen hatte, und in welche dieser glaubenseifrige Eng- 
länder, am Schlusse einer langen Lobeserhebung der Bewohner von Kar- 
Nikobar die Worte schrieb: 

„O what a pity, that they have not got a missionary!!“ — 

Man würde aber eben so sehr irren, aus dem Vorhandensein dieser 
Bibel einen Schluss auf die christliche Bildung des alten Nikobarenhäuptlings 
und seiner Genossen zu ziehen, als wenn man aus einem Stück schöner 
Steinkohlen, welche der Geolog der Expedition auf Gross-Nikobar gefunden, 
und das wahrscheinlich durch den Dampfer „Ganges“ dahin verstreut worden 
ist, auf das Vorkommen von Steinkohlenlager auf jener Insel schliessen wollte. 

„Dieses ist mein Jesus Christus!“ sagte der alte John im gebrochenen 
Englisch, indem er mit seinen hagern, schmutzigen Fingern auf das er- 
wähnte Exemplar der Bibel deutete, „dieses ist mein Jesus Christus!“ Wenn 
ich krank bin, lege ich dieses Buch unter meinen Kopf und werde wieder 
gesund!“ Der alte Mann konnte nicht lesen, er wusste auch nicht, was 
darin gedruckt stand, aber er schien zu fühlen, dass es kein gewöhnlicher 
Inhalt war, und hielt das Büchlein gleich einen Talisman, dessen geheim- 
nissvolle Kraft man nicht kennt aber schätzt, hoch in Ehren. — 

Die Lebensweise der Nikobaren scheint nach allem dem was wir da- 
von zu sehen bekamen, eine ungemein einförmige, indolente zu sein, die 
höchstens vielleicht durch den Unterschied der Jahreszeit einige Abände- 
rung erfährt, Sie kennen keine andere Eintheilung der Zeit als den Wech- 
sel des Mondes und der Monsune. Beim Beginn der nassen Jahreszeit oder 
des Südwest-Monsuns, und zum Anfang der trocknen oder des Nordost- 
Monsuns, finden gewisse Feierlichkeiten statt, die mit den Saat- und Ernte- 
festen der amerikanischen Völkerstämme einige Aehnlichkeit haben. Einen 
eigentlichen Ruhetag aber, welcher den Sabbath der christlichen Kirche 


260 Dr. K. Scherzer. 


entsprechen würde, haben sie nieht, noch bedürfen sie dessen bei einer 

Lebensweise, wo jeder Tag zum Feiertag wird! 

h Ich sprach einmal mit einem Eingebornen auf Kar-Nikobar, Namens 
Dr. Crisp, welcher ziemliche Kenntniss im Englischen besass, und schon 
mehrfach mit englischen Schiflscapitains verkehrt hatte, über die Bedeu- 
tung des christlichen Sonntags, und suchte die Unterhaltung auf die Feste 
der Nikobaren zu lenken. „Wenn der Mond noch zweimal voll wird, und 
der Wind von dorther weht“ (und dabei deutete Crisp mit der Hand 
in südwestlicher Riehtung) „dann feiern wir Oilere, das ist unser Sonn- 
tag!“ Er meinte damit das Fest, welches die Eingebornen, wie eben be- 
merkt, zu Anfang des Südwestmonsuns oder der Regenzeit begehen, Bei 
diesem Anlasse werden Schweine geschlachtet und geröstet, Palmwein wird 
getrunken und im Kreise getanzt und gesungen. 

Die Hauptrolle aber spielen, wie diess bei den meisten rohen Völ- 
kern (und zuweilen auch bei den gebildeten) der Fall ist, Essen und 
Trinken. 

Manchmal sind solehe Feste noch mit ganz besonderen Ceremönien 
begleitet. Eine Lieblingsunterhaltung der Eingebornen ist eine Art Schwein- 
hetze, welche darin besteht, dass eine Anzahl dieser baroken Thiere in einem 
eigens zu diesem Zwecke eigezäumten Raume von jungen muthigen Män- 
nern auf alle mögliche Weise geneekt und gereizt werden, bis zum Schluss 
ein förmlicher Kampf daraus wird, der häufig mit einer heftigen Bisswunde 
des Angreifenden endet. So roh und wild diese Belustigung auch ist, so 
hat sie doch gar manche Analogie mit gewissen Spielen eivilisirter Völker, - 
und wer jemals Augenzeuge der thierquälerischen Hahnenkämpfe im spani- 
schen Amerika oder der noch blutigeren Stiergefechte in Havanna oder 
Madrid gewesen, der wird, so total verschieden auch die Staffage sein 
mag, welche die Volksbelustigung der Nikobarer umgibt, dennoch bei diesen 
wilden nikobarischen Spielen unwillkührlich an erstere erinnert werden. Ich 
sah im Dorfe Komios, auf der Insel Kar Nikobar einen jungen Mann, eine 
hübsche kräftige Gestalt, der kurze Zeit vorher bei einem solchen eigen- 
thümlichen Gefecht von einem Schwein derart verwundet worden war, dass 
er noch gegenwärtig hinkte. 

Diesen Belustigungen folgt in der Regel ein zweites Fest, von einem 
nicht weniger barbarischen, aber weit ernstern, tragischen Charakter. Die Ein- 
gebornen graben nämlich jeden Todten, welcher zwei Monsune in der Erde ge- 
legen wieder aus, stellen den Schädel in Innern der Hütte vor sich hin, 
reichen ihm Betel und Tabak, heulen und schreien noch einmal, wie beim 
Begräbniss, hauen einige Cocospalmen um, werfen die Nüsse als Zeichen 
der Trauer in den nahen Wald*) und übergeben dann die Gebeine wieder 
der Erde, ohne sich weiter mehr viel darum zu kümmern. So wurde mir 
wenigstens diese Sitte auf der Insel Kar Nikobar geschildert; auf andern 
Inseln mag sie gewissen Veränderungen unterliegen, wie diess auch bei 
den Begräbnissen und andern Festlichkeiten der Fall ist. 

Gewöhnlich aber werden die Todten dicht bei den Hütten der Einge- 
bornen begraben und die einzelnen Grabstellen, bald durch säulenartige 
durchlöcherte Hölzer von 3 — 4 Fuss Höhe, bald dureh 5 — 6 Fuss hohe 


*) Diese Sitte hat die wohlthätige Wirkung, dass bei der Leichtigkeit der Verbreitung 
der Cocospalme unter günstigen Bodenverhältnissen, jeder Todesfall die Geburt einer 
Anzahl von Exemplaren dieses segenbringenden Gewächses zur Folge hat. 


Die Eingebornen der Nikobaren. 261 


Stangen bezeichnet, welche mit einer Anzahl langen, schmalen, rothen und 
blauen Calieostreifen aufgeputzt sind, und an welche ausserdem häufig einige 
Habseligkeiten des Verstorbenen, wie Hacken, Lanzen u. s. w befestigt sind. 

Auf manchen Inseln wird dem Verstorbenen Alles was er im Leben 
besessen, (das allerdings in der Regel sehr wenig ist), theils in die Grube 
mitgegeben, theils rings um's Grab herum ausgestreut. Darum haben auch 
die Begräbnissplätze häufig ein sehr wüstes, ich möchte fast sagen Ru.n- 
pelkammer-Ansehen. Auf der Insel Kar Nikobar sollen alle Habseligkeiten 
mit den Verstorbenen in die Erde versenkt oder in's Meer geworfen werden. 
Auch nützliche Dinge, Hacken, Säbelklingen, Lanzen, sollen davon keine 
Ausnahme machen und keine Angehörigen sich deren mehr bedienen. Diesen 
Gebrauch zu Folge würde es auf den Nikobaren, oder wenigstens Kar 
Nikobar, wo ich über diese Sitte genauere Erkundigungen einzuziehen Ge- 
legenheit hatte, kein Erbrecht für bewegliche Güter geben. Die Sitte 
mancher indischen Völker, ihre Todten zu verbrennen, ist den Bewohnern 
der Nikobaren völlig fremd. Bei dem Umstande, dass sich die Eingebornen 
noch nicht zu den beseligenden Gedanken eines Fortlebens nach dem Tode 
erheben, ist zwar ihre Pietät für Verstorbene nur eine sehr geringe; aber 
sie wird dafür dureh Aberglauben, Vorurtheil und Furcht ersetzt. Darum 
gelang es auch Herrn Dr. Schwarz und mir nur mit der grössten An- 
strengung die Schädel von zwei männlichen Nikobaren zu erwerben, welche 
der eine von nahe an 30 Jahren auf der Insel Nankauri. der andere vor 
ungefähr 10 Jahren auf der Insel Pulo Milü gestorben war. 

Weder das erste noch das zweite Mal konnten die Eingebornen da- 
zu bewogen werden, bei der Ausgrabung des Schädels thätig Hand anzu- 
legen. Man musste sich begnügen, von ihnen die Stelle im Urwald be- 
zeichnet zu erhalten, wo der Todte begraben lag. Die ganze ausser- 
ordentliehe Wichtigkeit, welehe die KErwerbung einiger Nikobarenschädel für 
die Anthropologie besitzt, liess mich leicht alle Bedenken an einer derartigen 
Exhumation überwinden, und bei der Ausgrabung des zweiten Schädels auf 
der Insel Pulo Milü selbst Hand anlegen. Die Eingebornen standen in eini- 
ger Entfernung, an eine Coeospalme gelehnt, stumm und bewegungslos, 
und bliekten nur von Zeit zu Zeit verstohlen nach dem Orte hin, wo 
wir uns ohne andere Werkzeuge als ein langes Waldmesser vergeblich 
abmühten, eine Spur der daselbst angeblich eingegrabenen Gebeine auf- 
zufinden. Endlich nach fast zweistündigen Suchen und Graben, wobei uns 
der zugespitzte Blattstiel einer Cocospalme als Spaten und eine halbe Co- 
cosschale als Schaufel dienten, gelang es uus, in einer Tiefe von unge- 
fähr 3 Fuss auf einen Canoe zu stossen, in welehem, nach der Sitte der 
Eingebornen der südlichern Inseln, die Todten begraben zu werden 
pflegen. Nach der Lage zu urtheilen, in welcher wir den Schädel fanden, 
schien der Todte auf die rechte Seite gelegt gewesen zu sein. Sämmt- 
liche Gesichtshöhlen waren völlig von Wurzeln durchwuchert. Die drei Ein- 
gebornen, darunter ein Maunlüena, welche uns nach der Grabstätte begleitet 
hatten, gaben an, den Todten im Leben gekannt zu haben, Sie sagten 
seinen Namen und schilderten uns dessen körperliche Beschaffenheit. Un- 
möglich war es für sie, das Interesse sich erklären zu können, welches 
wir an einem solehen nutzlosen erdfahlen Schädel haben mochten ! 

Ausser den Festen beim Wechsel des Mondes und der Monsune, welch 
letztere gewöhnlich 14 Tage dauern, und den Begräbnissfeierlichkeiten, 
welche Dr. Rink in seinem schönen Aufsatze über die Bewohner der 
Nikobaren bereits ausführlich geschildert hat, giebt es noch sogenannte zu- 
t 


Mittheilungen der k. k, geograph, Gesellschaft. II. Bd. 3. Heft, 


262 Dr. Carl Scherzer. 


fällige Feiertage, wenn z, B. ein Eingeborner von irgend einem Baume her- 
abfällt, von einer Schlange gebissen oder sonst verwundet wird. Einen der- 
‚ artigen Feiertag heissen die Eingebornen von Kar Nikobar „Uräkä“. Sie be- 
sitzen weder ein Maass für die Zeit noch für andere Gegenstände; kein 
einziger weiss über sein Lebensalter Auskunft zu geben, noch viel höher 
als 20 zu zählen. *) Die Zeit hat für sie nicht den geringsten Werth; 
das Feldgeschrei, das gegenwärtig, von England ausgehend, durch alle 
eivilisirtten Länder der Erde tönt! „time is money!“ würde an ihren harten 
Ohren schier erstarren. Ihre Zeitrechnung ist ebenso beschränkt, wie ihre 
Erinnerungsfähigkeit an vergangene Begebenheiten. Die Anwesenheit christli- 
cher Missionäre zu verschiedenen Zeiten so wie der königlich dänischen Korvette 
Galathea im Jahre 1847 waren fast spurlos an ihnen vorübergegangen. Kaum 
sind Einzelnen von ihnen die Namen Galathea und Steen Bille (den sie übri- 
gens Piller nennen) im Gedächtniss geblieben, 

Auch besteht nichts, was irgend eine bestimmte Regierungsform, eine 
gesetzliche Eintheilung der gesellschaftlichen Verhältnisse, eine Autonomie, 
einem Fehderechte u. s. w. gleichkäme. Ebenso hat die Angabe, die müh- 
same verlassene Insel Tillanschong im Norden auf deren Westseite wir einige 
Stunden zubrachten, sei das Sibirien der nikobarischen Verbrecher entweder 
einer missverstandenen Aeusserung eines Eingebornen oder einer müssig 
abenteuerlichen Einfalt ihre Entstehung zu verdanken. Freilich für den, welcher 
auf den Nikobaren auch nur einige Stunden zubrachte, bedarf diese An- 
gabe keiner Widerlegung, aber für die Leser, welche die Nikobaren 
bloss aus Beschreibungen kennen, und dadurch leicht zu mancher irrthüm- 
lichen Ansicht verleitet werden könnten, 

Die Eingebornen achten die Familie und das Eigenthum: die Macht 
des Kapitäns dagegen, den die meisten Dörfer besitzen und den sie Mäh oder 
Umiäha (alt) nennen, geht nicht darüber hinaus, mit den fremden Schiffen 
welche auf den Inseln erscheinen zuerst zu verkehren, und den Tausch- 
handel einzuleiten. Ueberhaupt scheint die Institution eines Kapitäns, ob- 
schon sie unter den Eingebornen sehr beliebt ist, keine einheimische zu 
sein, sondern erst von der Zeit an zu datiren, wo englische Kauffahrer 
diese Inselgruppe regelmässig zu besuchen anfingen, und jeden Eingebor- 
nen, der ihnen zu einer Ladung von alten Cocosnüssen behüflich war, den 
Namen „Capitän“ beilegten und ein Zeugniss über seine Ehrlichkeit, Tüch- 
tigkeit u. s. w. ausstellten. Das erste was die Eingebornen, nach der ge- 
wöhnlichen Ansprache: „@ood friend? no fear?“ — und einem, bei ihrem 
wenig appetitlichen Aussehen äusserst widerlichen altenglischen Handschlag 
von dem sie besuchenden Weissen begehren, ist ein Name! **) das zweite, 
„a good character!“ In einem solchen „character“ oder Zeugniss, welches 
von Capitän Green von der Barke „Rochester‘“ aus London herrührt, heisst 
es unter andern „dass Green während 38jährigen Seereisen niemals ein 
tugendhafteres Volk vorgekommen sei wie auf Kar Nikobar.“ Aehnlich 
äussert sich der Capitän des Arracan, der erst im Januar dieses Jahres 
die Nikobaren besuchte, über einen der Eingebornen Namens Diekson. 
„Diekson obwohl ein schäbig aussehender Kerl, ist doch ein Mann von 


*) Jch traf indess einzelne Individuen auf den verschiedenen Inseln, welehe mit 
einiger Anstrengung bis auf 100 zu zählen vermochten. 
°2) Dickson, although a shabby looking fellow, is a man of suhstance!“ — heisst es 
im englischen Original. 


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Die Eingebornen der Nikobaren. 263 


Gehalt“ *) Auch mir kamen die Eingebornen der Nikobaren, namentlich die 
Bewohner von Kar Nikobar, ganz entgegengesetzt von dem wie man sie mir 
geschildert hatte, — als ehrlich, harmlos, gastfrei aber auch phlegmatisch, 
denk- und arbeitsfaul vor. In allen Transactionen mit ihnen, gaben sie 
zwar das Zeugniss eines kindlichen, unwissenden, aber biedern, patriarcha- 
lischen Volkes, ohne Ehrgeiz und Wissensdrang, aber auch ohne Scheel- 
sucht, Geitz und Neid. „Wir sind alle gut,“ antwortete mir einmal Diekson ganz 
naiv, als ich ihn frug, in weleher Weise Verbrechen auf seiner Insel bestraft 
würden. „Wir kennen solehe nicht, aber“ setzte der Haldwilde hinzu, „in 
Eurer Heimat muss es auch böse Menschen geben, zu was braucht Ihr 
sonst so viele Gewehre und Kanonen ?* 

Freilich wenn wir von den Bewohnern der Eingebornen gegen uns 
sprechen, müssen wir auch den Umständen Rechnung tragen, unter wel- 
chen wir diese Inselgruppe besucht und mit ihnen in Verkehr getreten 
sind, indem eine achtunggebietende,, furchteinflössende Fregatte, mit einer 
Bemannung, welche die Gesammtbevölkerung mancher Insel übersteigt, immer 
eine andere Aufnahme zu gewärtigen haben wird, als eine Barke, deren 
Mannschaft völlig hülflos ist. Indess dürften die vor mehreren Jahren an 
englischen Seeleuten begangenen Verbrechen weit mehr aus Furcht und 
Besorgniss ihren Besitz zu verlieren, als aus wirklicher Schlechtigkeit und 
Raubsucht der Eingebornen verübt worden sein. Für den einmal Erschla- 
genen ist die Feststellung dieser Thatsache allerdings ganz gleichgültig, 
aber fir künftige Besucher scheint diess einen gewaltigen Unterschied zu 
machen. Auch herrscht eine ziemlich merkliche Verschiedenheit zwischen 
den Bewohnern von Kar Nikobar und jenen der übrigen Inseln mit welchen 
erstere nicht nur sehr selten verkehren, sondern von denen sie sich auch 
sowohl durch mehr Ordnung, Fortschritt und Wohlhabenheit als namentlich, 
wie später ausführlicher gezeigt werden wird, durch die Sprache wesentlich 
unterscheiden, 

Ueber das gesellige Leben der Eingebornen, ihr Verhältniss zur Fa- 
milie u. s. w. sind mir bei unserem so flüchtigen Aufenthalte auf den 
einzelnen Inseln und bei dem Umstande, dass Weiber und Kinder 
stets entllohen waren und selbst die männliche Bewohnerschaft mir nur 
wie im Zustande des Wanderns erschien, so wenig und so unsichere Daten 
bekannt geworden, dass ich nicht wage, dieselben der Oeffentlichkeit zu 
übergeben. Die Ansicht aber sei mir gegönnt, hier auszusprechen, dass nach 
den Anfängen einer Bekleidung, nach der grössern Zierlichkeit der Canoes 
und Hütten der Eingebornen Kar Nikobar im Vergleich zur Dürftigkeit, Nackt- 
heit und Verkommenheit der Bewohner der südlichern Inseln zu urtheilen, 
die Civilisation muthmasslicher Weise in langsamen aber sichern Schritt von 
Norden nach den Süden vorzurücken scheint. Und dem Sprachforscher wird 
es vielleicht von Interesse sein, wenn wir hier die Bemerkung beifügen, dass 
sowohl auf KarNikobar, wie auf Nankauri die bedeutendste Ansiedlung denselben 
Namen führt wie die alte Herrscherstadt auf der malayischen Halbinsel Malacca. 

Da die Eingebornen in einem süssen far niente bloss von jenem kost- 
baren Naturgeschenke leben, dass ihnen zugleich Trank nnd Speise gibt. 


*) Bereits gibt es, Dank dem baroken Einfall eines englischen Sehiffseapitäns, auf Kar 
Nikobar einen Lord Nelson, einen Lord Byron u. s. w. mehrere andere Repräsentan- 
ten der englischen Geburts- und Geistesaristokratie. Wie glücklich, dass der Capi- 
tän des Bremer Sehiffes, das vor einigen Jahren hier war, nüchterner gedacht und 
nieht auch Schiller, Göthe, Lenau in diesen braunen Schmufzgestalten zu ver- 
ewigen beilissen war. 


t? 


264 Dr. Carl Scherzer. 


so findet man bei ihnen auch nur sehr wenige Arbeitsgeräthe, und zwar 
nur solche, welche sie zum Bau ihrer Hütten, zur Verfertigung ihrer 
Canoes und zum leichtern Öffnen der Cocosnüsse nöthig haben. Und selbst 
‘diese sind ihnen z. B. Hacken, Waldmesser, Säbelklingen, Feilen u. s. w. 
erst durch den Verkehr mit der Civilisation geworden. 

Ihre Waffen bestehen bloss aus Lanzen oder Wurfspiessen mit hölzer- 
nen oder eisernen Spitzen, nach deren Zahl angeblich der Reichthum eines 
Nikobaren geschätzt wird. Eine Armbrust, die ich bei den Eingebornen 
Kar Nikobar sah, ist, obschon auf der Insel verfertigt offenbar fremdländischen, 
europäischen Ursprugs, und bloss nachgemacht. 

An Musikinstrumenten fand ich auf Kar Nikobar kein einziges; dage- 
gen auf den südlichen Inseln eine 6 bis 7 löchrige Flöte aus Bambus- 
rohr, die wie ich mich später überzeugte von den malayischen Schifls- 
leuten hierher gebracht wurde, dann eine Art Guitarre, aus einen unge- 
fähr 2 bis 3 Fuss langen, ausgehöhlten, an der Seite mit Lautlöchern ver- 
sehenen, dieken Bambusrohr und eine Rotangseite bestehed. Im Ganzen 
scheinen die Nikobaren ein viel zu apathisches, gleichgiltiges Volk zu sein, 
um für Musik, Gesang und Tanz einer besondere Vorliebe zu haben. Auch 
bei den Monsunfesten und andern Feierlichkeiten besteht ihr Tanz blos in 
einem Herumhüpfen im Kreise mit geschlossenen Armen, und einem gedan- 
kenlosen vor sich hin Summen. 

Bei einem Volke, welches keine eigentliche Cultur und keine Industrie 
besitzt, kann auch von einem Erwerbszweig im engern Sinne des Wortes 
nicht die Rede sein. Das nämliche wohlthätige Gewächs, welches sie speiset 
und tränket, bringt sie gleichzeitig auch mit der Civilisation in unfrei- 
willigen Contakt und wird zur Vermittlerin derjenigen Bedürfnisse und Ge- 
genstände, welche nur das Produkt einer höhern Cultur sind. Die reifen 
Nüsse der Cocospalme bilden den Hauptausfuhrartikel der Nikobarischen 
Inseln, und zugleich denjenigen, welcher allein noch die Eingebornen bis 
zu einen gewissen Grad in Thätigkeit erhält, obschon der grösste Theil 
der verladenen Nüsse nieht von den Eingebornen, sondern von der Mann- 
schaft der malayischen Fahrzeuge eingesammelt werden, Alle andern Aus- 
fuhrartikel wie Trepang, essbare Vogelnester*) Sehildpatt, Amber u. s. w. 
sind von höchst untergeordneter Bedeutung, und werden nur als Beifracht 
benützt. Nach gedruckten Angaben sollen die nördlichen Inseln 10 Millionen, 
die südlichen 4 Millionen, also die ganze Inselgruppe gegen 14 Millionen 

okosnüsse erzeugen, von denen jedoch gegenwärtig kaum mehr als vier 
Millionen, und zwar 2/, Million allein von Kar Nikobar, und 1'/, Million 
Nüsse von allen übrigen Inseln zusammen ausgeführt werden. Da die Nüsse 
hier sechsmal so billig sind wie an den Küsten Bengalens und der Malacca- 
Strasse, so vermehrt sich auch der Zuspruch englischer und malayischer 
Schiffe, namentlich aus Pulo Pinang, mit jedem Jahre*). Der Handel ge- 
schieht mittelst Tausch, nicht durch Baarzahlung, obgleich Silber grossen 
Werth hat, und sich auch hier, trotz allem was über die Begehrsucht 
der Nikobaren nach Tabak, Glasperlen und anderes Tandwerk verlautet, 
die Richtigkeit des Satzes bestätigt: „dass Geld die allgemeinste 


°) Im ganzen und getrockneten Zustande sollen 72 Nester dieser Schwalbenart, welche 
dieselben nur in den unzugängliehsten Felsriffen baut, einen Catty oder 1Y, Pfund 
wiegen und deren Verkaufspreis auf dem chinesischen Markt ein überraschend hoher 
sein, nämlich 1 Rupien für 2—3 soleher winziger Nester. 

®°) In Pulo PRaR werthet der Pikul reifer Cocosnüsse (300 Stück) gegenwärtig SU, 
Dollar (11 fl. C. M.). 


Die Eingebornen der Nikobaren. 265 


Waare ist.“ Von Silber kennen und nehmen die Eingebornen bloss Rupien, 
spanische Dollars, und englische 3 Pence-Stücke, die sie kleine Rupieu 
nennen, und womit sie häufig die beiden Enden des kleinen Bambusrohres 
das sie in den Ohrläppchen tragen verzieren. Gold ist auf den südlichern Inseln 
noch gar nicht bekannt, und in den Augen der Bewohner daher werthlos. 

Als ein glückliches, nachahmungswürdiges Verfahren muss es ange- 
sehen werden, dass die meisten Schiflseapitäns stets am Schlusse der Zeug- 
nisse, welche sie den verschiedenen Eingebornen über ihre Ehrlichkeit, 
Gewandtheit und Dienstfertigkeit ausstellen, zugleich die gesuchtesten Ge- 
genstände, so wie das Werthverhältniss der in Tausch gegebenen Artikel 
zur Anzahl der gelieferten reifen Coeosnüsse mittheilten, was sich nicht 
nur spätern handeltreibenden Besuchern von grossem Vortheil erweiset, sondern 
auch manchen interessanten Blick in die Culturgeschichte dieser Inseln erlaubt. 
So sehen wir auf der Insel Kar Nikobar vertauscht: 


6 Stück Säbelklingen (eutlasses) . . . für 300 Paar Cocosnüsse. 
4 „kleine Tischmesser a an u a 11) 0 3 
1 ,„ Halstuch je „ra Fern TO0SE 5; 
1 Sack Reis . . ar BDanfen300ß 2 
1 Stück amerikanmähes Taschenmesser . für 50 „ r 
1 Fass Rhum . . RRHN, EE ANEFRr20ORN = 
25 Fuss langer Silberdraht ee A re, = 
KraltewuNlusketer eu „7®, In RK, I autür, 29000 S 
IaDoppelkewehrl tr. me tr > 
Brbüschel? "Tabak... Tanne ee für 0m, br 
dakleiner Lampez, 7... uw, BE Rus Safran 50084 re 
IrHacke®., Pr. I AN. für. 85000, 4 
1 grossen eisernen Löffel BE A el AT, u 
1 Messer oder Gabel u nz für 008% 3 
1 kleine Flasche Castoröhl . . . . . für 50=;, 3 
1 Paar Hosen (husk drawers) - , für 700 


Auf der Insel Nankauri und Kamorta dagegen haben gewisse Bedürf- 
nisse verschiedene Preise. Der Supercargo eines malayischen Schiffes, der 
beim Dorfe Inuang vor Anker lag, gab mir den Werth der wichtigsten 
Tauschartikel wie folgt an: 


1 Pfund Tabak (in Oehl gebeizt) . . für 60 Cocosnüsse. 
1 langes Messer . . . für 500 en 
1 Säbelklinge (Werth 1 Dollar) . . für 500 = 
1 Bouteille Rhum . . } . » für 100 “ 
1 Baumwoll-Sacktuch . . für 30 F 
10 Faden (eirca 18 Ellen Baumwlstaf) für 1200 = 
10 Faden Calicoe (sehr grob) . . für 240 En 
1 Stück sogenanntes malayisches Tuch für 100 > 
1 Todtenkleid (Käinkake) . . . . . für 1000 = 
1 schwarzer Seidenhut . . . für 1000 = 


So wie sich die Beziehungen der Eingebornen mit fremden Völkern 
ausschliesslich auf den Verkehr von ein paar Dutzend englischer und ma- 
layischer Barken beschränken, welch letztere mit dem Nordostmonsun nach 
der Insel kommen, während der ganzen Dauer desselben dort verweilen 
und mit dem Südwestmonsun wieder heimkehren, also im Jahre nur Eine 
Reise machen, ebenso unterhalten auch die Bewohner der verschiedenen 
Inseln unter sich eine nichts weniger als häufige oder regelmässige Ver- 
bindung, Schon die Mangelhaftigkeit ihrer zwar sehr zierlichen, aber schmalen, 


266 Dr. Carl Scherzer. 


kleinen, für Fahrten von grösserer Entfernung nur wenig geeigneten 
Canoes spricht zu Gunsten dieser Annahme. Ich traf auf Kar Nikobar nur 
‚einen einzigen Bewohner, welcher die benachbarten, ungefähr 26 "Meilen 
entfernt liegenden Inseln besucht hatte, und selbst diess geschah nur aus 
einer besondern Veranlassung; der Capitän der Barke Cecilia aus Moulmein 
hatte nämlich vor einigen Jahren den erwähnten Eingebornen von Kar 
Nikobar nach den Inseln Tschaura, Terassa und Bampoka mitgenommen, 
um beim Einhandeln von Cocosnüssen behülflich zu sein. Ein anderes Mal 
brachte ein englischer Schiffskapitän Namens Iselwood einige Eingeborne 
von der Insel Teressa nach Kar Nikobar und führte sie später in ihre Heimat 
zurück. Den meisten Verkehr unterhalten die Eingebornen der verschiede- 
nen Inseln mit Tschaura, die einzige Insel des ganzen Archipel, wo ein 
gewisser Grad von Industrie getrieben wird, indem sich die Bewohner 
mit der Fabrikation von ziemlich plumpen, irdenen Geschirren und Töpfen 
beschäftigen, welche nach allen Inseln Absatz finden. Ungünstige Wind- 
und Witterungsverhältnisse gestatteten leider nicht, den beabsichtigten Besuch 
dieser Insel, welcher nicht bloss manche interessante Aufklärung über die 
Civilisationsfähigkeit der Eingebornen geliefert hätte, sondern auch eine 
seltene Gelegenheit geboten haben dürfte, den Einfluss der Übervölkerung 
auf den tropischen Menschen zu beobachten. Tschaura ist nämlich eine 
ziemlich unfruchtbare Insel und hat mehr Einwohner als seine Bodenfläche 
leicht zu ernähren im Stande ist. Zwar gibt es noch unzählige, frucht- 
bare, unbewohnte Punkte auf den unbewohnten Inseln, wo der Eingeborne 
von Tsehaura mit seinen geringen Bedürfnissen unter dem Schatten der 
Cocospalme ein eben so eitles Leben zu führen im Stande wäre, wie der 
Bewohner Kar Nikobar's oder Nankauri's. Aber auch in der Brust der halb- 
wilden Nikobaren scheint bereits jene wunderbare Neigung und Anhängig- 
keit für die Scholle auf der man geboren, Wurzel geschlagen zu haben, und 
wird nun der erste Anlass zu einer industriellen 'Thätigkeit. Wie leicht 
mag angesichts einer solchen Thatsache die Phantasie eines kurzsichtigen 
Philanthropen auf Abwege gerathen und den reichen Segen einer allgütigen 
Natur bedauern und zerstört wünschen, welcher dem Menschen der Mühe 
überhebt durch Arbeit für sich selbst zu sorgen, ihm gestattet sein ganzes 
Leben hindurch in einem eitlen, denk- und arbeitsfaulen Zustande zu ver- 
harren? Derselbe würde aber dabei in einen ähnlichen, grossen Irrthum 
verfallen wie gewisse überspannte Reformatoren und befangene Wohlthäter 
des Menschengeschlechtes, welche allen Ernstes den Vorschlag machten, 
man müsse die Bäume unter den Tropen vertilgen, um dort die Völker 
aus ihrer Trägheit und Sorglosigkeit zu reissen, und gewaltsam der Cultur 
entgegen zu führen®). Was jenen schwarzen, kraushaarigen, wilden, von 
den Küsten-Nikobaren völlig verschiedenen Volksstamm betrifft der in den 
nie betretenen Urwäldern der Insel Gross Nikobar auf Bäumen hausen, und 
nur von Schlangen, Ungeziefer, Wurzeln und Kräutern sich nähren soll, 
(im Englischer Jungle-men, in Malayischen Orang-utangs, im Nikobaren - Idiom 
baju-oal-tschüa genannt) so habe ich meine Kenntniss über dieselben nur 
mit Sagen vermehrt die offenbar in's Reich der Mythe gehören. Wenn 
man aber denkt dass kein einziger Reisender und Schriftsteller, welche 
über dieselben geschrieben, so wie die Eingebornen, welche von ihnen 
erzählen, sie niemals gesehen haben, so dürfte wohl auch mir erlaubt 
sein, zu den vielen über diese geheimnissvollen Bewohner bestehenden 
Muthmassungen noch die hinzufügen, dass die angeblichen Bevölkerer der 


#) Vergl. Karl Ritter’s Asien. vol. IV. 1. Abth. p. 888. 


Die Eingebornen der Nikobaren. 267 


Berge Gross Nikobars weder eine von den Küstenbewohnern völlig verschiede- 
ner Menschenschlag sind, noch dem kraushaarigen schwarzen Stamme der 
Papua’s von Neu-Guinea angehören, sondern durch ein Zusammentreffen 
unheilvoller Umstände verdrängt und herabgekommen, in einem ähnlichen 
Verhältnisse zu den Nikobaren der Küste stehen, wie die Buschmänner 
des Namaqualandes zu den Hottentoten der Capeolonie. 

In dem Zustand in dem sich die Bewohner der Nikobaren gegen- 
wärtig befinden, ohne Ueberlieferungen, ohne Sagen, ohne Gesänge, ohne 
Denkmal, ohne irgend ein charakteristisches Monement in ihren Sitten und 
Gebräuchen, welches einen Lichtstrahl auf das Dunkel ihres Ursprungs zu 
werfen im Stande wäre, bleibt es für den Ethnographen ein ungemein 
bedenkliches Unternehmen über die muthmassliche Abstammung und Her- 
kunft der Bewohner der Nikobaren, eine, auch nur einigermassen stich- 
hältige Ansicht auszusprechen. Denn Vermuthungen und Ableitungen ohne 
physiologische, geschichtliche oder philologische Basis werden stets mehr 
beitragen die herrschende Unsicherheit zu vermehren statt sie zu beseiti- 
gen und aufzuklären! — Welchen Eindruck muss es z. B. auf den Leser 
machen, wenn er die folgenden Urtheile gelehrter und berühmter Forscher 
über die Abstammung der Nikobaren liest! Während z. B. Prichard 
sagt: „Die Nikobaren-inseln werden von zwei Volksracen bewohnt; eine 
„Race hat denselben Typus wie die Inselvölker Sumatra’s, die andere ist 
„ein Neger- oder schwarzer und wollhaariger Stamm,“ *) nennt G. W. 
Earl in seinen Native races of the Indian Archipelago London, 1853, p. 173 
die Eingebornen der Nikobaren: „essential Papuan in their leading cha- 
racteristics“ aber arbeitsam, industriös und von vortrefllichem Charakter, 
und meint, „dass die alte Benennung der Insulae bonae fortunae wohl auf 
die Nikobaren-Gruppe allein ihre Anwendung fand!“ — 

Anderseits zählt Burdach in seinem schönen anthropologischen Werke 
die Nikobaren zu den Austral-Mongolen, *) und Logan behauptet wieder 
in seiner im Allgemeinen ınit eben so viel Scharfsinn als Fleiss geschriebenen 
Ethnology of the South Eastern Asia; (p. 36.) The Nikobars are inhabited 
by lank-haired Indonesians, strongly tinetured with Africanism in 
their superstitions und manners. 

Wer wird bei einer solehen Verworrenheit der Ansichten über die 
Race, welcher die Eingebornen des nikobarischen Archipels muthmasslich 
angehören, nach einem so flüchtigen Aufenthalt wie der unsrige, noch 
wagen, ohne die schlagendsten Beweisgründe eine Ansicht über diesen 
Gegenstand kund zu geben? Wir glaubten vielmehr unter den gegebenen 
Umständen unsere Aufgabe weit besser zu erfüllen, indem wir, anstaft 
uns unfruchtbaren Speeulationen über eine dunkle Vergangenheit her- 
zugeben, uns bemühten, ein möglichst reiches Material über alles dasjenige 
zu sammeln, was irgendwie beitragen könnte, die Kenntniss über die 
Gegenwart dieses noch so räthselhaften Volkes zu vermehren. 

* Bei dem gänzlichen Mangel anderer Anhaltspunkte, in dem Studium 
der Sprache eine besonders wichtige Quelle der Forschung erkennend, 
habe ich es mir vor allem angelegen sein lassen, von der Sprache der 
Eingebornen von Kar Nikobar sowohl wie von jener (mit Ausnahme der Zahlen) 
völlig verschiedenen der Bewohner der südlichen Inseln nach Gallatin's 
bekanntem, von allen amerikanischen und englischen Reisenden benützten 
Schema ein Verzeichniss von ungefähr 200 Wörtern in jeder Sprache zu 
verfassen. Da zufällig während meiner Anwesenheit an der Nordküste von 
Gross Nikobar eine malayische Barke aus Pulo Penang daselbst vor Anker 


®) Der Mensch mach den verschiedenen Seiten seiner Natur Stuttgart 1854, p. 673. 


368 Dr. Carl Scherzer, 


lag, so benützte ich zugleich diese Gelegenheit, um auch ein ähnliches 
Wörterverzeichniss von dem in Pulo Pinang gesprochenen malayischen 
Idiom zu erwerben, was dem Sprachforscher den Vortheil gewähren dürfte, 
“sich persönlich zu vergewissern, welche Aechnliehkeit zwischen diesen beiden 
Sprachen und beziehungsweise Volksstämmen besteht, und beurtheilen zu 
können, ob diejenigen Gelehrten der Wahrheit näher kamen, welche wie 
Vater behaupten, die Sprache der Nikobaren habe das Malayische zur 
Grundlage mit Einmischung fremder, sogar europäischer Wörter, oder jene 
anderer Forscher, welche, wie Adelung, die Idiome dieser Insulaner mit 
einigen Sprachen auf der Indo-chinesischen Halbinsel für ähnlich halten. 

Vielleicht wird uns im Verlauf unserer Weltfahrt im Verkehr mit 
den indo-chinesischen Völkern und den Papua’s Veranlassung geboten, einen 
Blick zurück zu werfen auf den eben verlassenen Volksstamm, und im 
Studium des Gesehenen ein neues Glied zu finden, zu jener idealen Kette, 
mit welcher die moderne Sprachforschung alle Völkerstämme des indischen 
Archipel's mit einander zu verbinden sich beeifert. 

Zugleich machten wir es zu unserer Aufgabe, nach einem von Herrn 
Dr. Schwarz entworfenen Plane und unter dessen gütiger Mitwirkung 
an so vielen Eingebornen als nur die Umstände gestatteten, solche Be- 
obachtungen und Messungen vorzunehmen, welehe an den einzelnen die 
Erde bevölkernden Raeen fortgesetzt allmählig zu manchem neuen Schluss 
berechtigen, und viel zur endlichen Feststellung der physischen Aehnlieh- 
keiten oder Ungleichheiten der verschiedenen Völkerschaften beitragen dürften. 
Ein solches Verfahren gibt die Möglichkeit an die Hand, durch Ziffern, 
jene unwiederlegbarsten Zeugen auf dem Gebiete der Beweisführung weit 
schneller und sicherer das angestrebte Ziel zu erreichen, wie durch noch so 
glänzende Resultate auf dem unabsehbaren Felde philologischer Speeulationen. 

Wir haben diese Beobachtungen und Messungen auf der gesammten Insel- 
gruppe an 55 Individuen oder eirea "/,oo der muthmasslichen Bevölkerung ange- 
stellt, und zwar 68 an jedem einzelnen Individuum. In einem Memoir, welches 
Herr Dr. Schwarz und ich gemeinsam über diesen Gegenstand schon in der 
nächsten Zeit unter der Aegide der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 
der seientifischen Welt zu überreichen gedenken, haben wir versucht, jede ein- 
zelne Messung an den 3 Haupttheilen, nämlich am Kopf, am Rumpf und an den 
obern und untern Extremitäten wissenschaftlich zu begründen. Hier möge es ge- 
nügen, zu bemerken, dass bei den angestellten Messungen nicht nur der Anthro- 
pologie im weitesten Sinne Rechnung getragen, sondern dass sich unter den 68 
Rubriken, in welche diese Messungen zerfallen, auch solche befinden, welche so- 
wohl der National - Veeonomie in Bezug der Ermittlung der Arbeitskraft (force 
manuelle) der verschiedenen Völker durch die Anwendung des Dynamometers, als 
auch der graphischen Kunst für die Darstellung des Skelettes wie der ganzen 
Figur manche schöne Anhaltspunkte und Behelfe an die Hand geben werden. 

Ebenso habe ich nieht unterlassen, von den meisten gemessenen Individuen 
Kopfhaare zu sammeln, seitdem die schönen Untersuchungen Peter Brown's in 
Philadelphia über das menschliche Haar, dasselbe als ein so merkwürdiges Mit- 
kennzeichen in der Beurtheilung der Racen Unterschiede herausstellten. 

Als ein besonders glückliches Resultat muss ich ferner die bereits erwähnte 
Erwerbung von zwei Schädeln von Eingebornen der nikobarischen Inseln, un- 
schätzbare Belege für unsere erwähnten Messungen, namentlich wenn sich diese 
eraniologische Sammlung, wie ich hoffe, im Laufe der Reise noch vermehren 
wird*). Zur Ergänzung unserer Arbeiten und als das erste Resultat unserer Be- 


5) Nr. 1 ist der Schädel eines Nikobaren, an der Spitze von Itoe auf der Insel Nan- 
kauri, aus einem Nikobarengrab durch Dr. Schwarz erworben, mit eingebogenem 


Die Eingebornen der Nikobaren. 269 


mühungen hat es der Künstler der Expedition, Herr Selleny, mit seiner gewohn- 
ten Bereitwilligkeit übernommen, nach den auf Grund unserer Messungen gefun- 
den Durehschnittszahlen einen idealen Nikobaren sowohl wie einen Schädel 
en face und en profil darzustellen. Herr Selleny hat gleichzeitig von den am 
meisten eharakteristischen Tinten der Haut der Eingebornen eine Farbentafel an- 
gelegt, welche, auf den verschiedenen Puneten, wo wir mit farbigen Völker- 
schaften in Berührung kamen, fortgesetzt, am Schlusse der Expedition Sr. Maj. 
Fregatte „Novara“ ein schönes werthvolles Tableau bilden wird von den Haupt- 
farben der meisten Racen und Völker der Erde. 

Endlich möge eine kleine Sammlung von 23 ethnographischen Gegenständen, 
welche ich auf den verschiedenen Inseln gesammelt habe, beitragen, theils dem 
Mitgetheilten zur Illustration zu dienen, theils Zeugniss zu geben von der Cultur- 
stufe der Nieobaren ?*). 

Diess sind dieResultate, welche die Ethnographie während des Aufenthaltes 
Sr. Maj. Fregatte „Novara“ auf den nikobarischen Inseln zu erringen so glücklich 
war, und die ich nun vertrauensvoll in die Hände jener hochangeschenen Körper- 
schaft lege, deren Wohlwollen und Nachsicht schon so manche frühere Arbeit 
des Gefertigten besehienen hat. 

In See 4. April 1858. Dr. Carl Scherzer m. p. 


Bemerkungen. Die deutschen Wörter aus Herrn Dr. Scherzer's Schema sind hier alpha- 
betisch geordnet, so dass die gleichbedeutenden Wörter der bezügliehen Sprachen neben 
einander stehen. 

Die erste Spalte der Spraehproben enthält die Wörter von der Insel Kar Nikobar 
auch Puh in der Sprache der Eingebornen. 

Die zweite Spalte gibt eine Uebersicht der Sprache der Einwohner von Nankaury, 
und wurde daselbst am 10. März mit drei Revisionen der Eingebornen der Dörfer Innung 
und Malaceu aufgenommen. Sie wird gleichzeitig gesprochen von den Eingebornen von 
Kamorta (Kumat), Pulo-Milu, Klein-Nikobar, Kondul. 

Die dritte Spalte enthält ein Wörterverzeiehniss der von den Eingebornen von 
Pulo-Penang gesprochenen Sprache, Sie wurden aufgezeichnet am 22. März 1858 in 
einer Bucht der Nordseite von Gross-Nikobar, in welcher ein Schiff aus Pulo-Inuang 
mit malayischer Mannschaft vor Anker lag. Tschingi, 2, Capitän aus Pulo-Penang, 
früher im Dienste des Pastor Rosen auf Kamorta, nun 40 Jahre alt, versteht auch etwas 
französisch, portugiesisch und englisch 


Oberkiefer, abgelöstem linken Schläfenbein. Nach Dr. Schwarz Ansicht, der Schädel 
eines ältern Individuums, weil die Alveolarfortsätze des Kiefers theilweise resorbirt sind. 
Nr. 2 ist der Schädel eines jungen Mannes Namens Haeng-läh, nach der Aussage 
der Eingebornen vor ungefähr 10 Jahren auf der Insel Pulo Milu gestorben. Nach 
Dr. Sehwarz’ Beschreibung sind „die Nasenbeine auffallend schmal, in spitzerem 
Winkel aneinander geheftet, wie mit einer leichten Convexität nach links. Der Schä- 
del zeigte eine von der Medianlinie abweichende Sutura sagittalis mit der Convexi- 
tät nach links. Ungemein scharfe Linea semieireularis externa, so auch äussere Hin- 
terhauptstachel als Ansätze einer mächtigen Nackenmuseulatur. Merkwürdige Ossa 
Wormiana in der Lamda-Naht. Vollkommene Process! Styloidei. Sehr seharfe fossa sig- 
moidea. Starke Knochenentwieklung am Processus mastoideus und hinter demselben. 
Hinterhauptschuppe flach, der ganze Schädel wie in gebogener Axe mit der Con- 
vexität nach links gebaut. Gebiss ziemlich vollkommen, einzelne Zähne mit dieken 
Kalkkrusten überzogen. Mehrere anomale Oeflnungen am Oberkiefer von der Augen- 
höhle waren offenbar durch die Wurzel durchbrochen.“ 
®*) Diese Gegenstände sind: 1. Modell eines Canoes der Eingebornen. 2. Bogen und 
Pfeil (lindraeng). 3. Mehrere Ohrläppehen-Ornamente (näng). 4. Mehrere Tabaks- 
büchsen aus Bambusrohr (ztäng). 5. Eine Pulverbüchse. 6. Eine Zimmerverzierung 
aus einer Cocosnuss geschnitzt. 7. Sehildpattstrieke (kap). — 8. Musikinstrumente 
(daenang). 9. Weinheber, zum Ausheben des gegohrenen Palmensaftes (senöja). 
10. Teufelsseheucher. 11. Flöte. 12. Geschnitzte Schlangen (tulau) von Pulo Milü 
13. Schildkröte, aus Holz geschnitzt. 14. Flöte aus Kleinnikobar. 15. Geschnitzte 
Figur eines englischen Marinesoldaten. 16. Getrocknete ausgepresste Pandanusfrucht, 
von den Eingebornen als Besen gebraucht. 17. Dolchartiges Schnitzwerk. 15. Was- 
sergefässe aus Üoeosschalen. 19. Canoe - Segel aus Pandanusblättern. 20. Geläss 
aus Bambusrohr. 21. Riemen der Eingebornen von Nankauri. 22, Leiter aus Bam- 
busstäben. 23. Weibliche Figur aus Holz geschnitzt. 


270 


Abend 

Alle 

Alle, alles 
Alt 

Alter Mann 
Altes Weib 
Ananas 
Arekanuss 
Arm 

Armer Mann 
Auge 
Augenbraunen 
Banane 

Bart 

Bauch 

Baum 

Bein, Knochen 
Berg 
Betelblatt 
Beten 

Blatt 

Blau (licht) 
Blau (dunkel) 
Bleistift 

Blitz 

Blut 

Böser Geist 
Bogen 

Brod 


Bruder 
Brust 
Canoe, Boot 


Capitän 


Carica Papaya 
Coeosnuss (grüne) 
Coeosnuss (alte) 
Cocospalme 


Dieses 
Doctor 
Donner 
Dorf 
Du 


Dr. Carl Scherzer. 


Sprachproben 


der 


Eingebornen von 


Kar Nikobar | 


haräp 
ointschi 
röchere 
mäh 


tissäh 
kel 


mat 


taniünga 
mäin-kua 
äik 
kaha-tschiön 
tangae 


kurägnia 
droi-tschiön 
tatukä®) 
turing 
kanuitsch 
nieinäka 
maham 
lindraeng 
pekö 


hanän kesäna 


äp 


mäh 


tauka 
tuwueka 
kaha -tauka 


ine 
kunzoka 


panäm 
meh 


Nankaury 


ladieje 

du6in kein 

umlöohm 

bumü asche, umiäha 

umi-aha 

angana - umiäha 

tschudu 

hyäh 

koäl 

öichtschaka 

dalmät 

okmäl 

hibuh 

inhoing 

wuläng 

koy-uniha 

ung-äng 

hakey (areh) 

da uniha 

tschungoa 

anet -leiberi 

maäit 

näh (wuah) 

Jwi 

döna 

puang (pan, portu- 
giesisch) 

tschäo 

alendäga 

düeh, rudern, duende- 
dol düch 


popäy 

nau (ujnäokl. Nikobar) 

gnoat 

nyau (samoang kl. Ni- 
kobar) 

neäe oder nina 

manluena 

komtugna 

mattäi 

mueh 


Malayen von 
Pulo-Penang. 


patäng 
gräh 
samuä 
tua 


ananas 
langän 
matt& 


pisang 
bulo-ba6 
barut 
atas-kajü 
tuläng 
buget-bassa 
samajäng 
dazin kaju 
kalabu 


kilät 
darä 
hontü 
pana 
roti 


aban 
sampan 


eapitan (eapitan kam- 
pöng) 

nion -muda 

massä 

nion 


sini 

bomo 

guroh 
kampöng 
saja häng (?) 


Sprachproben der 


Ebbe 

Ehefrau 

Ehemann 

Ei 

Einheimisches Saiten- 
Instrument 

Eisen 

Er 

Erde, Land 


Essen 


Ferne 
Feuer 
Feuer machen, mit 
Bambus 
Finger 
Finsterniss 
Fisch 
Fleisch 
Fliege 
Fliegen 
Flinte 
Flöte 
Flügel 
Fluss 
Freund 


Freundschaft 
Friedhof 
Fuss 

Gähnen 
Gehen 


Gelb 
Gelber, Brauner 
Gesicht 
Gestern 
Gott 

Gras 

Gross 

Grün 

Gut 

Haar 
Hacke, Axt 
Hässlich 
Hahn 

Hals 


Die Eingebornen der Nikobaren. 


Eingebornen von 


Kar Nikobar 


kamioian 
jong-niä 
uha 


wert 

knä 

tumtät (Sand) panam 
Land 

nid 


tamoöia 
kiseit 


haeng 
sanguüla 
käh 


inluei 
koeti 
hinwöt 


tit-mak 
hol, muve 


höldra 

eujukupa 

eldrän 

kirängare, langsam 
gehen at-kayän 

tangäo 


ejua 
wahe 


key-op 
maröle 
fäiäl 

taläk 

kuia 
haniaeng 
atläka-kuüa 


likun 


Nankaury 


| tschöh 


gähn 


| angönie 


huyä 
Dänang 


kaldo 
an 
Sal-mattäi 


näok, einer der isst 
ug-näok 
hoy 


hiöe 


kanitäi 
dutschul 
gäh 
okauha 
jueh 


hindel 
hinhel 
danden 
hiayaräk 
jol 


täh 

haeng - äp 

tschüuh, geh! arbeite: 
umschonga 

läom 

kolog-üagmat 
matschäka 

mandioy 


ubyüuab 
kadü 
tsehungoa 
lapo 

jogh 
enloin 


jüh 


1 


271 


Malayen von 
Pulo -Penang 


tschandän-purampuan 
tschandän 
tulo ajäım 


bassi 
diä 


kampöng 
makän 


tschao 
api 


tschari 

bania - galäp 

ikän 

kulet 

lalät 

sanapäng 

bangsi 

sajap 

sungue 

bai (sehr guter Freund 
bania -bai) 

tapa-kaki 


bigi 


kuning 
orang mera 
mukä 
kumarin 


rumböt 

loass 

itschö 

bagüs 

ramuüt 

kapä 

hang 
ajäam-tschantlin 


272 


Sprachproben der 


Dr. Carl Scherzer. 


Eingebornen von 


Kar Nikobar 


Hand 


Haus, Hütte 
Haut 
Häuptling 


Heber 
Henne 
Herz 
Heute 
Himmel 
Holz 


Honig 
Hübsch 


Hühnchen 
Huhn 


Hühner-Ei 
Hügel 

Hund 

Ja 

Ich 

Ihr 

Insel 

Jenes 

Jung 
Junger Mann 
Junglewald 
Jüngling 
Kalk 

Kalt 
Kartoffel, süsse 
Katze 
Kanone 
Kehlkopf 
Kessel 
Kette 

Kinn 

Kind 

Klein 
Kirche 
Knabe 

Knie 
Kommen 
Kopf 
Körper 


——— nn 222mm LLLILJ_____JÜÜÜÜIIU 


kunte 
pati 


mäh 


kuan-hayam 

faneinta 

sahei (tasakam-tahei) 
haliaeng 

tschion 


taläka - küa 


hayäm 


Jjögle 

ähm 

hoan 

tiua 

panäm, pülgna 
umü 

nie 

kutschion 
marengla 
sunäm 

Iyit 
toltatschiöng 
kumeäo 


tsitum 
niä 
kyilong 
luenda 


Iyi 
kuüi 
aläha 


Nankaury 


oktai, Palme der Hand 
oal-täi 

nji 

ihe 

umiäh mattäi 


senöcha 


kiöyen 
lenhaeng 
öal-galahaya 
umnoit 


lapoa, sehr hübsch: 
illote-lapoa 

kon - kamüe, tschi - 
kamue 

huya-kamüe 

kohindjuan 

ahm 

äon 

tina 

ifoe 


-pulgna, mattai 


ahnäe 
ilüh 
elöh 


hin-wäuh 
ungnöka 
punhägua 
maläo 
enkoin 

poa 
umpeitsche 
kanium 
kochanoäng 
kaetere 
göeh 
okaha 


ee a 


Malayen von 
Pulo -Penang. 


tangän 


rumä 
eapitän (capitän-kam- 
pöng) 


ajäm-batinä 

hangät 

arini 

langit 

kajü, geschnittenes 
Holz kaju-papan 

lapä 

bania -bäi 


ajam 
ajam 


buget 
antsching 

ya 

sajäa 

abärıy 

pulo 

situ 

muda 

orang -mudä 


sitschu 


mariäm 


balanghä, panel 
dagu 
ana-kitschi 
kitschi 

mosekit 
buda-kitsehi 
lutöt 

mari 

kapaläh 

badan 


2 A nn 


| 


te 


Die Eingebornen der Nikobaren. 


Sprachproben der 


Eingebornen von | 


Malayen von 


Kar Nikobar “ Nankaury | Pulo-Penang. 

Krieger hol == tumöh 
Kuhpocken (varicella)) mallök = tumtı 
Lachen = ii we 
Laufen kayän diän lari 
Lebendig atkäpa ähn (?) diä 
Licht hat haeng tsarä 
Lieben hanganlon sujönghien bania-kesien 
Lippe == = bibir 
Mädehen nid- kukäna kaniim-angäna buda-purampuüan 
Maina Vogel >> a buron-tiön 
Malaye Z = orang-malajü 
Meer mäi öal-kamaleh, Fluth | aja massin (süsses 

heyan, Ebbe tschöh Wasser aja-tawar) 
Mensch, Mann Kigönie Bahiu (Was sind diess orang 

für Menschen? 
Dsehin-bahia ?) 

Menschenfleisch alahä = _ 
Messer surrita kahauäp pisöh 
Messing mäas kalahei tamagä 
Mond tsehingät kahäe \ bulän 
Morgen hureik hakei \ hisso 
Morgen, der hurei hagei pagi (morgen hiso) 
Morgen früh — = hiso-pagi-pagi 
Mund minu manoing mulöt 
Muskito musoka mihöya namo 
Mutter kamioiän tschia-angäna mä 
Nabel — fon basät 
Nacht atam hatäm maläm 
Nacken likün unlongha tinkoö 
Nagel kinsö kaischüa kuku 
Nahe raela meehoan dakät 
Name minanie lermne, kiulermnewas| namä, was ist Ihr 

istihr Name? Name”? apa-namä 
Nase elm& moah idöng 
Nasenlöcher _ ol-moäh bulo-idong 
Nein arahawa nät tidä 
Niedersetzen = buja es 
Nothdurft verrichten — ischiao — 
Ochsenfleisch kirini — = 
Ohr nang näng | teleng-a 
Ohrgehänge der Ein-| näng itiey _ 

gebornen 

Palmenwein (toddy) _ doäigh — 
Palmwein ausheben —_ senoch - ta >= 
Pandanus _ laröhm (Mellori) mankuän 
Papagei sakda katok buron - bajän 
Papier - leiberi = 
Pfeife ripa tanöp hundshüee 


274 


Dr. Carl Scherzer. 


Sprachproben der | 


Eingebornen von 


Kar Nikobar | 


Naukaury 


“ Pfeil 
Ratte 
Rauchen (Tabak) 
Regen 
Reise 
Rinde 
Roth 
Salz 
Sand 
Schenkel 
Sehiessen 
Sehiesspulver 
Sehildkröte 
Schlafen 
Sehlange 
Schlange, grosse 
Sehlecht 
Schlüssel 
Schneiden 
Sehuhe 
Schwanger 
Schwarz 


Sehwarzer 
Schwein 
Sehweinfleisch 
Schwester 

Sehen 

Sehr weit 

Sehr hübsch 

Sie 

Singen 

Sitzen 

Sohn 

Sonne 

Sonntag (Festtag) 
Sommer N.0. Monsun | 
Spazierengehen 
Sprechen 
Stark 


Stechen 
Stehen 


Stein, Fels 


a-lindraeng 
komet 


kumra 

uk -tsehiön 
sakalät 

salt (englisch) 
tumlät 

kaldrän 

käp (wie Fisch) 
lum 

petsch 


atläk 


kundröka 


turing*) 


haun 
kanäna 


' muak 


tingöka 
rät 
kuan 
tawue 
oilere 
taläk 


roa 
takale-aläh 


taläu 


| ehong 


bel 

top umhoy 

ameh 

Jjohateha 

ok-uniha 

ak 

sal (portugiesisch) 
piet 

bulo 

hodil 


iteak 

paitji 

tulän 

hadlapä 

tenuän 

ottäh 

zapatos (porlugies.) 

kumhuis 

öil, (loehm - oil 
schwarzes Kleid) 

taöln hamät 

nöt 

tschäo-angäna 

hadah, ug-hadäh 

höy kahı 

ilöte -Japoa 

ifoe - bahju -tomtöhm 

aekäscha 

kato, niedersetzen buja 

göan, ilüh 

haeng 


koikapä 


olliola 
koäng 


okschiäga 


' mangäl 


Malayen von 
Pulo- Penang. 


ona-panä 
usän 
blajär 
kule-kaju 
mera 
garim 
kampöng 
pahä 
ubät-madil 
kulet-karä 
tido 

euläh 


tabäi 


itäm 


isam 
bavi 


kakä 
tengo 


magnani 

dudo 

ana -tsehandän 

matahari 

pulan-näm 

mari-tschalamein 

sakap 

prät, sehr stark, bania- 
prat 

bunon 

badiri, aufstehen ban- 
ket 

batu 


°) Die Eingebornen von Kar Nikobar unterscheiden nicht blau von schwarz. So z. B. frug 
ich sie um die Farbe einer Matrosenhose, indem ich ihnen eine solehe vorwies und sie 
antworteten turing (schwarz). Nur sehr licht blau bezeichnen sie mit tatukä. 


Die Eingebornen der Nikobaren. 


Sprachproben der 


Eingebornen von 


Kar Nikobar 


| 


ee Nankaury 


Malayen von 
Pulo-Penang. 


Sterne 
Stirn 
Tabak 


Tabaksbüchse aus 
Bambus 

Tag 

Tag, ganzer 

Tanzen 

Taube 

Teufelsscheuche, 
Stange 

Thal 

Tochter 

Todt 

Tödten 

Trinken 


Trocken, schöne Zeit 
Uebermorgen 
Varicelle 
Vater 

Vater, mein 
Viele, vieles 
Vogel 

Vogel, gelber 
Vogel, weisser 
Volk 
Vollmond 
Waden 
Wange 

Warm 


Wasser 
Weib 


Weinen 
Weinet nicht 
Weiss 
Weisser 

— (Norden 
e 

| 


Bin 


tanusamaät 
mäal 
tobaceo 


urany 
tahei 

guliäm (küliäm) 
makuüka 


kuan 
küpa 
säp 
kön 


taläk 


mallok 

yong 

yong - tiü 
maronga 
tschiaitschon 
katschaläo 
tarik 

tohö 


wang (wei-lon) 
mak 


kikäna 


teso 
isohokua 


akia (2) 


kuföt 


schokmateitseha 

läl 

umhoy rauchen 
topumhöy 


haeng 


katäoga 
mumuük 
handsehuöp 


alhodä 

kanium-angana 

kapa 

urri, schneiden ottäh 

täup, einer der trinkt, 
ug-täup 


tschaiesläng 


tschia 
utöhatsche 
sitschua 


kahäe 
kanmoäna 
tapoah 
kioyan 


däk, Salzwasser: ka- 
maleh 

angana, altes Weib: 
angana umiaha 

tium 

wat-me tium 

tenia 

baju-tatän-hamät 

hasch-kapoa 

hasch-full 

hasch-lachna 

hasch sohong 

tschi (?) tschik-än? 
wer ist er?) 

häsch 


bintang 
däi 
tabaco 


hari 
satu hari 
maen 
pregäm 


wuan-buget 
ana- purampuüan 
matti 

boton 

minung 


tumu 
papa 


baniä 

burön 

buron-tion 

hang-ät, sehr warm: 
bania-hang-at 

ajer 


purampuän 


pute 
orang-büte 


sapai-su? wer ist er? 


ang-in 


276 


Dr. Carl Scherzer. Die Eingebornen der Nikobaren. 


Eis he nn te Te a a ET EA EEE RI 
Eingebornen von 


Sprachproben der 


“Winter (S. W.Monsun) 
Wir 
Wolken 
Yamswurzel 
Eins 
Zwei 
Drei 
Vier 
Fünf 
Sechs 
Sieben 
Acht 
Neun 
Zehn 
Eilf 
Zwölf 
Dreizehn 
Zwanzig 
Einundzwanzig 


Zahlwörter 


Zweiundzwanzig 
Dreissig 


Vierzig 
Fünfzig 


Sechzig 

Hundert 

Tausend 
Zahn 


Zehen 


Zuckerrohr 
Zunge 


Kar Nikobar 
kümra 


talul 

taula, takenia 
haeng 

anät 

lueh 

fön 

tanei 

taful 

sat 

häware 
matiütare 
som 

kauk -sien 
ah-sien 
luch-sien 
kauk matiäma 


lueh-kaniü 


fön-kaniü 
tanei-kaniü 


taful- kantü 
haeng-on 
som ön 
kanäp 
kundrän 


lamua 


hitäg 


"Nankaury 


sohöng 
tioy 
galahaja 


haeäng 

ah 

löeh (auch lueh) 

fuän 

tanei 

tafuel 

isiat (ischiät) 

6enfoän 

hacang-hata 

som 

söm-haeang 

som-äh 

som-loeh 

haeng-um tschöoma 

haeng-um tsehöma 
haeng 


haeng-um tsehoma-ah | 


haeng - amstschöma 
toktay 

ähm-umtsehöma 

ähm-umtschoma- 
toktay 

lüeh- um-tschöna 

söm-umtsehöma 

kanäp 

kaneoh-lah oder ok- 
läh 


kaletäg 


Malayen von 
Pulo - Penaug. 


barät 
sajäpa-samu& 


satu 

duä 

tyä 
umpät 
lima 

nam 
tutscho 
lapän 
sembilan 
sibulo 
sebeläs 
duäbeläs 
tigabelä 
dua-bulö 
dun-bulö satu 


duä-bulö-duä 
tiga-bul6 


umpat-bulo 
lima-bulö 


nam-bul6 

saratus 

siribu 

gigi 

dalugnu-kaki, grosse 
ibu kaki, kleine ka- 
linking-kaki 


lidä 


N 


u ee 


277 
X. 


Ein Beitrag zur Ethnographie Ost-Galiziens. 


Von J. Zimmermann. 


Geometer der k. k. Katastral-Vermessung. 


Die Bewohner Ost- und Westgaliziens sind sowohl ihrer Abstammung 
als Religion nach verschieden. 

Die Bevölkerung, welche dem griechischen Ritus angehört, bewohnt die 
grössere östliche Hälfte Galiziens und ist unter dem Namen Ruthenen bekannt, 
welche wieder nach Landstrichen Podulaken, Pokutier, Hueulen, Horalen u. s. w., 
genannt werden. Ihre Pfarrer sind verheiratet, dürfen aber, wenn sie Witwer 
werden, sich nicht wieder verehelichen, in welchem Stande — oder auch 
wenn sie ledig geblieben waren — ihnen die höheren geistlichen Würden 
offen stehen, — was auch bei den verheirateten nur dann der Fall ist, — 
wenn die Ehefrau eines solchen Geistlichen, ohne Vorbehalt, auf ihr eheliches 
Band verzichtet, und, der Welt freiwillig entsagend, in ein Kloster zu treten 
bereit ist, — was nur in früheren Zeiten bei kinderlosen Ehen, und das nur 
selten vorkam, eine Resignation wie diese aber in neuerer Zeit ohne 
Beispiel ist. 

Die Bewohner der westlichen Hälfte Galiziens — die Polen oder Ma- 
zuren und Krakowiaki — gehören der lateinischen Kirche an, zu welcher sich 
auch der Adel der ganzen Provinz, auch der von Ruthenen abstammende, 
bekennt; bis auf einen kleinen Theil, welcher öfters aus einer Familie stam- 
mend, nun fast ganze Theile von Dorfschaften bewohnt, und auch vermöge 
der zu weit gegangenen Zerstückelung ihrer sonst grossen Dominieal-Grund- 
complexe beinahe durchgehends verarmt dasteht, im äusseren von den übri- 
gen Ruthenen sich höchstens durch einen schlechten Tuchrock unterscheidet, 
im gewöhnlichen der „Kleinadel“ oder spottweise „Chodaczkowa Szlachta* 
— (Chodak eine Fussbekleidung, aus einem blossen Stück Leder ohne Naht, 
bloss mit Schnüren zusammengehalten, und welche etwas besser als eine 
Sandale erscheinen. mag) — oder baarfüssiger Adel — genannt wird. 

Die Feiertage der Polen und Ruthenen, wie ich selbe fortan bezeich- 
nen werde, fallen selten zusammen, werden aber in grossen Ehren gehalten, 
in der Ueberzeugung, dass hievon aller Segen Gottes abhängt; daher findet 
man unter dem Volke viele Sagen von den Strafen, die über solche verhängt 
wurden, welche die zum Dienste Gottes bestimmten Tage entheiligt hatten. 

Bei Kownat in Podlachien zeigt man zwei ungeheure Steine, von denen 
die Sage erzählt, es sei ein Bauer mit seinen Ochsen, der, weil er am Sonn- 
tage geackert, versteinert ist. — Nahe bei Brzese kujawskie sieht man einen 
Stein, in welchem das Volk die Gestalt eines Mädchens mit einem Rechen 
zu erblicken glaubt; das Mädchen soll ihrer Mutter ungehorsam gewesen sein 
und trotz dem Verbot an einem Sonntage Heu gerecht haben, weshalb 
sie von der eigenen Mutter in einen Stein verwünscht wurde. 

In den Krakauer Hügeln hört das Volk oft bei Nacht starkes Windes- 
brausen; viele wollen dazwischen langgedehntes Klagegestöhne vernehmen, 
und erzählen, es rühre von einem Herrn, der so streng gewesen, dass er 
seine Unterthanen selbst am Sonn- oder Feiertage zur Robot hinaustreiben 

Mittheilungen der k. k, geograph. Gesellschaft, IT, Bd. 3. Heft, u 


278 J. Zimmermann, 


liess; dafür wird er nach seinem Tode von höllischen Furien von Berg zu 
Berg gejagt und erbarmungslos gepeitscht. 

Die Kurpen hören in ihren Wäldern des Nachts das Horn des Schützen, 
“der nach dem Tode spuckt, weil er an einem Feiertage jagte. — In den 
polnischen und ruthenischen Karpathen haben sich eine Menge derlei Sagen 
erhalten, und es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass das Flachland arm 
an Sagen ist, während in den Bergen fast in jedem Orte, an jedem auffal- 
lenden Naturgegenstande , sei es ein.Fels, Baum u. dgl., sich eine Sage 
knüpft. — Ich selbst im Jahre 1855 in der Bukowina, in dem Dorfe Ober- 
Wikow, hörte erzählen, dass ein Weib mit zwei Schlangen an der Brust 
herumgehe und bettle, welche ihr als Strafe vom Himmel zur Ernährung bei- 
gegeben seien, weil sie am Sonntage um Holz in den Wald ging, was mir 
wie ein Mährehen aus früheren Jahrhunderten vorkam. 

Der Weihnachtsabend, der St. Rochustag bei den Polen, an welchem 
die Bauern ihre Heerden dem Schutze des Höchsten empfehlen, — der Tag 
Mariä Himmelfahrt, wo man Getreide und Gemüse, — der St. Stephanstag, 
wo man Hafer, — und der Frohnleichnamstag, an welchem man Blumenkränze 
weiht, werden von den Lateinern — und Ostern und Pfingsten von beiden mit 
vieler Andacht begangen. Die letzteren werden auch die „grünen Feiertage“ 
genannt, weil hier die Sitte herrscht, das Wohnhaus und die allenfälligen 
Wirthschaftsgebäude mit grünen Laubreisern zu schmücken und die Fenster- 
scheiben mit einzelnem Laub zu bekleben. 

Die Ruthenen haben ausserdem noch eine Menge anderer Gelübde und 
grösserer Feiertage, unter welchen besonders das Fest des Kirchenheiligen, 
„Prasznik“* genannt, den ersten Rang einnimmt. 

An solehen Festen entfaltet der ruthenische Bauer seine ganze Gast- 
freundschaft, die freilich nur Schweinefleisch, Kuchen (placki), „Pirogi,“ eine 
Mehlspeise, in welche Käs, Kraut, auch Hirse und Haiden eingewickelt wird, 
und Schnaps — diesen wahren Volksnectar der Polen und Ruthenen — in 
grosser Menge bietet. 

An Sonn- und Feiertagen steht in der Kirche vor dem Geländer, 
welches den Priester vom Volke trennt, ein Tisch, auf welchen die Opfer- 
gaben gelegt werden, und es übt einen eigenen Eindruck aus, wenn man 
im Hause des Herrn einen Tisch sich erheben sieht, der mit Brot, Fleisch, 
Würsten, Butter, Käse, Eier, Wachs, Obst u. dgl. in bunter und öfters nicht 
appetitlicher Weise beladen ist. 

Häusliche Feste gibt es wenige und selbst diese werden immer mehr 
und mehr vernachlässigt; Erntefeste zum Beispiele haben sich spärlich nur 
hie und da in ihrer alten unschuldigen Licblichkeit erhalten. Bloss die 
Hochzeitsfeierlichkeiten behielten ihre frühere Bedeutendheit bei, — in ihnen 
repräsentirt sich noch die alte Volkspoesie. 

Jede Hochzeit dauert mehrere Tage mit ununterbrochenem Zechge- 
lage und Tanz. Eine Unzahl Lieder begleitet die hiebei stattfindenden Ge- 
bräuche; jede Gegend fast besitzt deren andere, jede in Hülle und Fülle. 
— Man singt Lieder beim Einladen der Gäste, beim Auseinanderflechten 
des Haarzopfes der Braut, beim Umbinden der Stirnbinde, beim elterli- 
chen Segen, bei der Uebergabe der Ringe durch den „Starosta* (Fest- 
ordner) — ferner Lieder vor der Abfahrt und auf der Fahrt zur Kirche, 
bei der Heimkehr in's väterliche Haus, auf der Fahrt durch’s Dorf oder 
durch die Stadt, vor der Hausschwelle, beim Eintritt in’s Zimmer, beim 
Tischdecken, beim Einlegen der Geschenke für die Braut, beim Mittags- 


>, 


Ein Beitrag zur Ethnographie Ost-Galiziens, 279 


tanze, bei und nach dem Haubenaufsetzen, beim Geleit in's Brautgemach, 
zum Schluss der Hochzeit, beim Auseinandergehen des bräutlichen Gefol- 
ges, — und endlich wird gesungen beim Ueberziehen in die neue Wohnung. 

Die Melodie dieser Lieder ist abwechselnd fröhlich und elegisch. 
Besondere Aufmerksamkeit verdienen einige Lieder, in welchen der Hopfen 
besungen wird, und sind wahrscheinlich Ueberreste von Lobliedern auf das 
Lieblingsgetränke der alten Westslaven — Bier, welches aber in Galizien schon 
lange dem Branntwein gewichen ist. 

Ein zweites häusliches Fest, die Taufe, zeichnet sich jetzt durch 
keinen besonderen Glanz mehr aus, als dass Gevatter, Bekannte und Ver- 
wandte, die Hebamme und zuweilen in besseren Häusern auch der Herr 
Pfarrer zusammenkommen, und der Wöchnerin fleissig Bescheid thun, da 
diese jedem erscheinenden Gaste Schnaps zutrinken muss; und vollends 
bei Begräbnissen findet ausser denen von der Kirche vorgeschriebenen 
Ceremonien, den gewöhnlichen Trauerbezeugungen und dem Almosengeben 
kein eigenthümlicher Gebrauch mehr statt. 

Die alten Leichenmahle sind ausser Cours gekommen, Branntwein 
jedoch muss noch immer auf dem Grabe des zur Erde Bestatteten ge- 
trunken werden; — von dem Aufthürmen hoher Grabhügel, auf welchen 
unter Gesängen Blumen gepflanzt wurden, blieb nur noch das Werfen 
einer Hand voll Erde auf den Sarg des Verblichenen. — Auch die Lei- 
chenreden werden immer seltener, und nur wenn der Pfarrer gut gezahlt 
wird, finden selbe statt. — Nach der Bestattung beginnt ein tolles Ge- 
lage, bei welehem unter Lobsprüchen auf den Verstorbenen der Brannt- 
wein abermals die grösste Rolle spielt. 

Ein allgemeines charakteristisches Zeichen der Polen und Ruthenen 
ist ihre Gesangsliebe und die Unzahl von Volksliedern. Kein Gelage, kein 
Fest, keine gesellschaftliche Unterhaltung kann ohne Gesang gefeiert wer- 
den. — Am verbreitetsten sind die Krakowiaki, welche Kinder des Augen- 
bliekes, meist durch Improvisation entstanden — kurz und von ungleichem 
Gehalte sind. Sie sind Iyrisch, beschreibend, satyrisch, elegisch — kurz 
sie umfassen Alles, was sich nur immer durch die menschliche Sprache 
ausdrücken lässt. — Wer irgend einen Seelenzustand oder Gedanken mit 
Worten darstellen will, kleidet ihn in zwei oder vier gereimte Zeilen und 
bringt ihn singend als Krakowiak vor. 

Beim Tanze in der Karezma (Wirthshaus) werden die meisten Lieder er- 
funden und gesungen. Die meisten erhalten im ersten Vers ein Bild aus 
der Natur, im zweiten ein demselben entsprechendes Gefühl oder eınen 
analogen Gedanken. 

Gesellige Unterhaltungen sind aber nicht der einzige Ort, wo der 
hiesige Landmann singt, auch auf Feldern, Weiden und den nebelbedeck- 
ten Polanen (Alpen) der Karpathen hört man seine Lieder, welche in tief 
gezogenen traurigen Tönen, durchaus Moll, einen ungemein tiefen Ein- 
druck hervorzubringen vermögen. 

Die Krakowiaki haben eigentlich keine Melodie, sondern die erste 
Zeile wird in einem einzigen Tone gleichsam halb gesprochen und halb 
gesungen, die zweite Zeile tiefer und die zwei letzten Silben noch tie- 
fer, ungefähr so: 


Sinn für Musik ist im ganzen Volke verbreitet, doch von einer Aus- 
n? 


280 J, Zimmermann. 


bildung keine Spur. Ein Geiger und ein Bassstreicher bilden ein voll- 
ständiges Dorforchester, welches an Sonntagsunterhaltungen und Hochzeiten 
das Dorfpublikum ergötzt. 

; Trotz der ohrenzerreissenden Töne, die sie ihren im höchsten Grade 
verstimmten Instrumenten entloeken, halten sie sich dennoch für Künstler, 
und werden als solche allgemein betrachtet — mit Schnaps gehörig rega- 
lirt. Von den gemeinen Musikinstrumenten findet man noch in jedem Hause 
die Ligawka — ruthenisch „sopiulka,* eine lange Pfeife aus Holz. — Die 
Hirten blasen während der Weidezeit ihrem Viehe darauf vor, auch die 
Ochsenknechte während des Pflügens, da hier immer einer den Pflug führt, 
und der andere die Ochsen leitet und auf der Sopiulka bläst. 

Ich übergehe nun vom Allgemeinen auf das Einzelne, und fange bei 
den Ruthenen an, die mir während meines dreizehnjährigen Aufenthaltes 
in Galizien stets die Nächsten waren. 

Sie sind in der Jetztzeit ein ruhiges friedfertiges Volk, ziemlich 
arbeitsam, jedoch schwerfällig, unbeholfen, und festhaltend an ihren Ge- 
wohnheiten und Sitten, weshalb sie trofz aller Bemühungen noch immer 
auf einer sehr niederen Culturstufe stehen. Bei dem Anblicke eines Dor- 
fes fallen besonders drei Merkmale in's Auge. 

Dort jenes Haus mit zwei Caminen, umgeben mit Pappeln, dort wohnt 
der Grundherr, — in dem Hause unter der Kirche mit einem Rauchfange 
der Pfarrer; und in jenem langen, immer in möglichster Nähe der Kirche 
oder im Mittelpunete des Ortes gelegenen Hause, das eigentlich nur ein 
gedeckter Stall mit einer Stube ist, der Jude — dieser König des Dorfes. 
— In den schmutzig grauen und geschwärzten Hütten, in denen der Rauch 
am Dache, am Fenster und an der Thüre sich den Ausgang bahnen muss, 
wohnen die Bauern. 

Umgeben von mannshohen geflochtenen Zäunen, welche sie im Win- 
ter verbrennen, im Frühlinge wieder erneuern, sind diese Hütten, welche 
theils vereinzelt oder in gewissen Entfernungen von einander stehen, klei- 
nen Verschanzungen gleich — aus denen nur das schmutzige russige Dach 
über den Zäunen hervorragt. 

In den Dörfern ist besonders bei nassem Wetter ein Koth, der an 
die vorsündfluthliche Gestalt der Erde mahnt, und fast mit Lebensgefahr 
passirt werden muss. — Der Bauer baut sich sein Haus selbst aus roh 
behauenen Stämmen, zwischen welchen zur Bildung der Wände Stäbe, 
gewöhnlich von jungen Eichen, eingefügt werden, die er sodann mit Ha- 
selreisern und Stroh ausflicht, mit zähem Strassenkothe sorgfältig von 
Innen und Aussen verschmieret, und wenn dieses trocken, endlich mit 
einer gemischten Auflösung — halb Kalk, halb Thonerde — übertüncht. 
Welch letzteres Geschäft namentlich zur Ausschmückung des Hauses, zu 
Feiertagen, Kirchweihe- und anderen Festen, immer nur weiblichen Hän- 
den, und ganz vorzüglich jenen der Hausfrau (Gazdina) selbst über- 
lassen ist. 

Diese Häuser entstehen und zerfallen mit jeder Generation und kön- 
nen den Wighams der Indianer und den unterirdischen Balkenhütten der Eskimo’s 
würdig zur Seite gestellt werden. 

Die Stelle des gedielten Fussbodens vertritt wie zu einer Tenne 
geschlagener Lehm, und so wie der Vater baute, so baut der Sohn und 
der Enkel, betrachtet häusliche Bequemlichkeit und Reinlichkeit für Gewohn- 
heiten, die er mit den heimatlichen Gebräuchen seiner Brüder nicht in 


.- 


Ein Beitrag zurEthnographie Ost-Galiziens. 281 


Einklang zu bringen weiss, und antwortet aul die Frage, warum er es 


sich im neugebauten Hause denn nicht bequemer gemacht? — durch den 
Rauchfang nicht den Rauch zum Dache hinausgeleitet ? — grössere und 
lichtere Fenster angelegt habe? u. s. w. — gewöhnlich immer mit den- 
selben Worten: „Mi gid tak, — Mi pragid tak, — Mi olie tak — 
a u se tak.“ — Mein Urgrossvater so, — Mein Grossvater so, — Mein 
Vater so — und immer schon so. 


Das neu aufgeführte Haus besteht wie das vorgewesene aus zwei 
Piecen, der Stube und der Kammer — getrennt durch das Wohnhaus, in 
welchem die Handmühle „Ziorna“* zum Schrotten des Kornes und Hafers 
sowie der Gerste, dann die Stampfe „Stupa“ zum Stampfen der Haiden 
und Hirse steht. 

Den vierten Theil des ganzen Stubenraumes nimmt der Ofen ein, 
der zugleich Backofen und bei seiner Mündung mit einem Mantel verse- 
hen ist, der den Rauch in das Vorhaus und in die Dachräume leitet. 

Ein weiteres Viertheil der Stube bildet das Bett — auf vier in den 
Fussboden eingerammten Pfählen, bedeckt mit der „Wereda“ — grobes 
Leintucb, jedoch aus Hanf — und zwei bis drei Pölstern; den übrigen 
Rest der Wände umgeben rechtwinkelig zusammengefügt, zwei, mindestens 
drei- bis vierzöllige Bänke, ebenfalls auf in die Erde eingerammten Pfäh- 
len ruhend. In der Mitte steht der Tisch, der zugleich, wenn die obere 
Platte weggeschoben wird, die Commode bildet, und an der Seite der Stube —, 
vom Eingange rechts und dem Ofen gegenüber, steht die Szalla mit einigen 
bunt bemalten Schüsseln — dem Luxusgeschirre der Bauern. 

Dem Eingange Angesichts gegenüber hängen in dichtgeschlossener Reihe 
einige Heiligenbilder — fast immer St. Nicolaus, Onophrius u. dgl., aber 
derartige Fratzenbilder, dass es unbegreiflich erscheint, wie die Andacht hie- 
durch gehoben oder erweckt werden kann. — In der Kost sind sie sehr genügsam, 
ihre erste Mahlzeit ist Morgens um neun Uhr und bildet zugleich Frühstück 
und Mittagmahl. Barszez (gesäuerter Rübensaft), sauere Milch, Erdäpfel, Hirse- 
und Haidenkasch, Sauerkraut und Rüben, in den nördlicheren Gegenden Korn- 
und Gersten-, im Gebirge Haferbrod, in den südlicheren Gegenden statt des 
Brodes Mamaliga aus Kukuruzmehl (Sterz oder auch Polenta), an Festtagen 
Pirogi aus Mehl oder gesäuerten Krautblättern, erstere mit Käs, die zweiten 
gleich dem ungarischen Kraute mit Speck und Schwarzfleisch, gewöhnlich 
aber nur mit in Fett gerösteter Hirse oder Haiden gefüllt, sind ihre täglichen 
gebräuchlichen Nahrungsmittel. 

Schnaps, von ihnen überall „Horylka“ genannt, ist das sine qua non 
des galizischen Bauern, Schnaps ist der Volksnektar, für dessen Genuss der 
Bauer Alles aufopfert, — der Schnaps ist das grosse moralische Unglück der 
ganzen Nation und das Elend eines wildvernachlässigten Lebens, das ohne 
Aenderung und Grenzen über Generationen fortschreitend, nie ohne Wehe- 
gefühl und mitleidigen Schmerz betrachtet werden kann. 

Aber nicht, dass der Bauer Schnaps, und diess in grossem Maasse, 
trinkt, ist sein Unglück, — sondern dass der Ausschank dieses verführerischen 
Getränkes und somit der Bauernstand ausschliesslich in die Hände der Juden 
überliefert ist. Es ist kein seltener Fall, dass ganze Dörfer verarmten, der 
jüdische Schänker dagegen aber sich ein Gut kaufte oder den Schein seines 
erpressten Vermögens bergend, in Pacht genommen hat, 

Betreten wir ein Dorfwirthshaus — die Karezma. 

In der feuchten grossen Stube, erfüllt von Rauch und Knoblauchgeruch, 


289 J. Zimmermann. 


ist in einer Ecke ein mittelst Holzstäben vergitterterter Verschlag angebracht, 
hinter dem der Jude mit seinen Kannen und Flaschen den Schnaps dem 
‘harmlosen Bauernvolk feilbietet. 

Baares Geld, Korn, Gerste, Hafer, Weizen, Kukuruz, Kartoffeln, Flachs, 
Hanf, Hühner, Eier, Pelze, Sirak’s (grauer grober Wollrock) Stiefeln, Gürtel, 
Hüte, Wagenräder und sonsten sich in seinem Besitz allenfalls befindenden 
Eisenrequisiten ete. sind die Tauschmittel, für welche sich der Bauer seinen 
Rausch holt. — Ist das Geld, Getreide, Kleider, Vieh und Geräthschaften ver- 
trunken, so kommen die Felder und Wiesen an die Reihe, zuerst das müh- 
sam erworbene, dann der Besitz. 

Die Wirthschaft wird vernachlässigt, und so verarmt der Bauernstand, 
dieser Kern des Volkes, immer mehr und mehr, und er, der naturgerechteste, 
unwandelbarste Stand von allen, ist hier eine Horde, die nach Futter blöckt, 
ein Proletarismus, der ein Attila der Zukunft, Barbarei und Verheerung ver- 
kündigt. — Schöne Dörfer sind das sichtbarste Zeichen des National-Wohl- 
standes — hier aber, sie, diese kleinen niedrigen Hütten aus Holz, Stroh und 
Erde, mit ihren Fenstern, an denen man mit der flachen Hand die Stube ver- 
finstert, schlechtes Zugvieh, liederlich bestellte Felder, verwahrloste Obst- 
gärten, schmutzige Bauern ohne Lebenszweck und Sinn für häusliche Tugend 
sind das unverkennbare Aushängeschild der drückendsten Armuth, geistiger 
und materieller Verkommenheit. 

Die Tracht der Ruthenen ist einfach und im Flachlande mit Ausnahme 
der Kopfbedeckung fast durchaus gleich. — Im Sommer geht der Bauer bloss 
im Hemde, welches er über seiner Unterhose trägt, um die Mitte des Leibes 
ist ober den Hüften ein breiter doppelter Ledergurt befestigt, der dadurch, 
dass dessen untere Enden zusammengenäht sind, eine Tasche für sein Feuer- 
zeug und seine Tabackspfeife bildet, und in welehem er sein Geld, allenfäl- 
lige Papiere, wie Steuerbüchel, Grundertragsbogen u. s. w. aufbewahrt. Mit 
Knöpfen von verschiedener Form und Farbe benäht, ist dieser Gurt (pas) die 
grösste Zierde des Bauern, dessen Schönheit von der Breite desselben und 
von der Zahl und Gattung der daran befindlichen Knöpfe und Schnallen abhängt. 

Das Messer, ohne dem der Bauer nie ausgeht, ist an einem Leder- 
riemen am Gurte befestigt, ausser welchem man in einem Bauernhause weder 
Messer noch Gabel antrifft. { 

Ein weiteres Kleidungsstück ist der schon erwähnte „Sirak,,“ ein 
aus grober Wolle verfertigtes, langes, rockähnliches Kleidungsstück, mit 
breiten unförmlichen Aermeln, und der Pelz (kosiüich) am gewöhnlich- 
sten von weissgegärbten Schaffellen. Die Kopfbedeckung sind theils selbst 
verfertigte Strohhüte, theils Filzhüte, theils Mützen, je nach der Gegend 
von verschiedener Form — aus schwarzen und grauen Schaffellen — und 
bei den Gebirgsbauern die mit Fuchsschwanz verbrämte Tuchmütze, „Kolo- 
mejka.“ Auch kommen gestickte blaue Mützen mit Zipfeln für jede Jahreszeit im 
Zloczower-, Brzezaner- und Lemberger-Kreise vor, 

Die Tracht der Weiber ist von jener der Männer wenig verschie- 
den, da Sirak und Pelz ganz gleich ist, nur tragen sie um den Leib 
einen Wollgürtel und am Kopfe ein weisses Tuch, welches, Kopf und Kinn 
verhüllend, die Schultern bedeckt und dem Zendalo der Istrianer ähnelt. 
Es ist diess das Einzige, was noch von Alters her in der ganz einfa- 
chen Tracht beibehalten zu sein scheint. 

Malerischer ist die Tracht der Hueulen — einem kräftigen schönen 


Ein Beitrag zur Ethnographie Ost-Galiziens. 283 


Menschenschlage, der die Karpathen von der Siebenbürger Grenze bis in den 
Samborer Kreis, wo die Göralen anfangen, bewohnt. 

Der schwarze Filzhut ist statt eines Bandes mit einem breiten Reif 
Messingblech umgeben. — Statt des schwerfälligen, das schnelle Gehen 
hindernden Sirak’s trägt er eine blaue Tuchjacke und grapprothe weite 
Beinkleider, oder bezüglich der Farbe, diese beiden Kleidungsstücke auch 
umgekehrt. — In seinem breiten Ledergürtel steckt ein dolchartiges Mes- 
ser, auch, wenn bessere Vermögensumstände obwalten, eine oder zwei 
Pistolen. 

Ausserdem hat fast jeder einen mit Messing reich ausgelegten Stock 
mit einer beilähnlichen Handhabe, womit sie besonders geschickt zu wer- 
fen verstehen. — Die meisten von ihnen sind mit Gewehren versehen, 
und gute Schützen, immer bei den häuslichen Gängen mit einem scharf- 
geschliffenen Handbeile versehen, bei dessen Anwendung sie alle Arten 
von Geräthschaften und sonst zierliche Arbeiten hervorzubringen wissen; 
— sie sind äusserst rüstige und geübte Bergsteiger, und überhaupt auf- 
richtige und gemüthliche Leute, obwohl sie früher durchgehends Räuber 
gewesen sein sollen, und „Dobosch,“ der berüchtigte Räuberhäuptling, 
heute noch in Aller Munde lebt. 

Da das Klima des Karpathengebirges vorzüglich in den südlichsten 
Gegenden dem Ackerbaue nicht besonders günstig ist, leben sie grössten- 
theils von der Viehzucht, und tauschen ihre Producte, als: Felle, Butter, 
saure Milch, Käse (Brindza) u. dgl. gegen die Früchte des Flachlandes 
aus. — Sie scheinen noch am meisten den alten Sitten und Gebräuchen 
treu geblieben zu sein, während in den Ebenen des Landes der Schnaps 
den Bauer moralisch todt schlug, was nur in dem Umstande seine volle 
Begründung findet, weil hier die Menschen in geschlossenen Dörfern bei- 
sammen wohnen, und der Verführung des Juden nicht widerstehend, von 
diesem unausgesetzt durch Interessenverbindung Tag und Nacht dominirt 
werden, während der Gebirgsbauer auf seiner Einschichte lebend, weniger 
solchen Anfechtungen ausgesetzt, nur zu Zeiten beim Kirchgange in's Dorf 
kömmt, wie man alldort die wenigen Hütten, welche in der Nachbarschaft 
der Kirche stehen, nämlich die Pfarrerswohnung, die des Kirchensängers 
und das Wirthshaus nennt. 

Auch wird der Gebirgsbauer nur höchst selten in der Einsamkeit 
seines Weilers vom Dorfjuden besucht, da dieser grundsätzlich ein grosser 
Feind weiter Gänge ist, und öfters lieber seine Speeulazion aufgibt, als 
sich um deren Realisirung anstrengender körperlicher Mühen auszusetzen, 
woraus auch ganz folgerichtig der auffallend grössere Wohlstand der Ge- 
birgsbewohner, trotz der geringeren Ertragsfähigkeit und Produetivität ihrer 
Grundstücke abstrahirt werden muss. 

Thatsächlich und auf die erspriesslichste Weise könnte diesem Lande 
und respective seinem Volke in zwei sicheren Richtungen besonders auf- 
geholfen werden, und zwar: durch Weckung seiner geistigen Fähigkeiten 
und Hebung seiner Moralität — der allgemeinen Einführung von Dorf- 
schulen, — dann durch rationelle Verbesserung der Landwirthschaft, näm- 
lich Vermehrung und bessere Anwendung der hier im Ueberflusse vorhan- 
denen menschlichen Arbeitskräfte, mittelst Anlegung von Ackerbaucolonien 
im grösseren Maassstabe. 

Einer alten, noch immer in Kraft bestehenden Hofkanzlei-Verordnung 
für Galizien zu Folge, Dorfschulen aufzubauen und einzurichten, ist pünet- 


254 J. Zimmermann. 


lich nachgekommen worden; die vormaligen Herrschaften als Patrone, haben 
das Holzmateriale dazu unweigerlich verabfolgt; — die Schule wurde ge- 
‚ baut, eingedacht, und sogar von den ehemaligen Patrimonialbeamten mit 
einem Conscriptions-Nro. versehen; — doch aber hier blieb's stehen bis 
zum heutigen Tage — und an dem fensterlosen Gebäude ohne Kamin, Thüre 
und Anwurf kann man sogleich beim Einfahren in's Dorf auf den ersten 
Blick das Haus der Volksbildung, die Dorfschule (Skola) erkennen, — der- 
malen als moderne Ruine den Sperlingen und scheuen Nachtvögeln zum 
Unterstande, den Eidechsen und anderem derlei Ungeziefer zum Schlupf- 
winkel dienend. 

Doch die Schule ist da — der Kostenausweis über den hierauf ge- 
leisteten Geldaufwand und das Steuerbüchel mit der Abquittirung der vom 
Ortsrichter jedesmal wirklich abgeführten jährlichen Häusersteuer kann stünd- 
lich vorgelegt werden, doch an die gänzliche Einrichtung der Schule und Doti- 
rung eines Lehrers, welcher doch bekanntlich von Natur aus so genüg- 
sam ist, haben weder die ohnehin allen humanitären Neuerungen stets ab- 
hold gesinnten Bauern, noch der Ortsgeistliche gedacht, sowie es ganz 
im materiellen Interesse der gewesenen Grundherrschaften war, der geisti- 
gen Entwickelung und Aufklärung ihrer ehemaligen Unterthanen bei jeder 
Gelegenheit, und mit welchen Mitteln nur immer möglich, entgegenzuwirken. 

Diese hochsinnige Verordnung zur Gründung von Volksschulen ist in 
Galizien aber nicht die einzige, welche in besagter Weise so schnöde 
umgangen wurde und in wirkende Kraft zur Veredlung des Volkes und 
seiner Zustände nicht gelangen konnte. — Andere, wie z. B. die soge- 
nannten verlassenen Gründe, von denen der Bauer mittelst Robotüberbür- 
dung vom Grundherrn zur Vergrösserung oder Arrondirung seiner eigenen 
Complexe ohne jede Entschädigung methodisch abgestiftet wurde, betref- 
fend, und über welche ich später noch andeutend sprechen werde, bestand 
aus dem vorigen Jahrhundert bis zum Jahre 1848 in voller Kraft. 

Ebenso existirt bis heutigen Tages aus jenen Zeiten, die seither 
öfters republieirte väterlich gesinnte Landes-Cireularverordnung, dass keine 
Grundherrschaft bei schwerer Geldstrafe und gänzlicher Aufhebung des Be- 
fugnisses in ihren Dorfwirthshaus - Regalien jüdische Schänker aufnehmen, 
um so weniger solche ihnen in Pacht übergeben dürfe; — und doch, wie 
zum Hohne gegen diese bestehenden, es auf den Volkswohlstand abgesehe- 
nen landesväterlichen Befehle, sind Bauern öfters auf die roheste Art ge- 
waltthätig von ihrem väterlichen Erbe vertrieben worden, und eine allbe- 
kannte Thatsache muss es einem Jeden sein, der Galizien bereiste, dass 
die Dorfwirthshäuser — diese moralische Pestgrube bäuerlicher Verkom- 
menheit — ausschliesslich nur jüdischen, stets auf Beute und Gewinn 
lauernden Schänkern in Pacht gegeben sind. 

Bereiste ein Kreiscommissär seinen Bezirk einmal des Jahres, um 
Wirthshausrevision vorzunehmen, so wurde der Grundherr einige Tage vor- 
aus getreulich avisirt. Der Schänkjude, von diesem verständiget, wusste die 
Stunde auf's genaueste, wann er auf einige Minuten aus seinem Bereiche 
zu verschwinden habe, und trat öfters im nämlichen Augenblicke, als der 
strenge Herr Commissär erschien, ganz einfach und beruhigt in seine Ne- 
benkammer, während ein betrunkener Bauer durch formelles Herleihen sei- 
nes Namens den Juden substituirte, und wie der Beamte in strenger Hal- 
tung die Wirthsstube verlässt, so ist auch schon wieder der jüdische 


— 


en. 


a u eier ee ie 


Ein Beitrag zur Ethnographie Ost-Galiziens. 285 


Wirth im Geschäfte der alten Leier, und dem bestehenden Gesetze ist 
sohin Genüge geleistet. 

Mit seltenen Ausnahmen, mit dem Grundherrn stets auf bestem Fusse 
lebend und natürlich von diesem das ganze Jahr hindurch bei jedem An- 
lasse mit der grössten Aufmerksamkeit behandelt, genoss der Beamte stets 
in Untersuchungsfällen zwischen Herr und Unterthan im Hause des geklag- 
ten Herrn natürlich die ausgedehnteste Gastfreundschaft, und es ist zu 
errathen, zu wessen Gunsten das Endresultat des öfters Jahre lang obge- 
schwebten Processes ausgefallen. 

Bezeichnend ist dann das Sprichwort der Duldung beim Bauer in 
Galizien, wenn er misshandelt worden oder sah, wie Gesetze, zu seinem 
Rechtswohle gegeben, nur oberflächlich oder gar nicht exequirt wurden. 
Mit düsterem nach oben gewandtem Blicke stammelte er sodann sich die 
von der Verzweiflung eingegebenen Worte: „Hm — Bög jest za wysoko 
— a ÖOysarz jest za daleko.“ — Hm — Gott ist zu hoch — und der 
Kaiser ist zu weit.“ 

Kein Wunder dann, wenn der Wahnwitz der Verzweiflung eines ohne- 
hin in Geistesarmuth geknechteten Volkes ausbricht, und am äussersten 
Rande menschlicher Duldung angekommen, bei der ersten Gelegenheit durch 
Mord- und Gräuelscenen die brennenden Schmerzen der erlittenen Unbil- 
den zu kühlen sucht, und die erwachte Menschenwürde im vollen Bewusst- 
sein durch das Blut seiner Peiniger schreitend, sich Geltung verschafft, 
wie diess in der neueren Geschichte in Westgalizien 1846 durch die 
daselbst massenhaft angehäuften älteren und neueren Feudalsünden auf die 
blutigste Weise an den zu weit gegangenen Grundherren geschehen ist. 

Daher nur der Schulbildung, diesem wahren moralischen Hebelpuncte 
für jeden Menschen, müsste es auch gelingen, auf das keineswegs unzu- 
gängliche oder verstockte Gemüth dieses Volkes den wohlthätigsten Ein- 
fluss auszuüben, der schädliche Aberglaube und unzeitige Vorurtheile, welche 
sein Vorwärtsschreiten beengen, müssten weichen, Lust und Liebe zu Grund 
und Boden und somit reeler Sinn für rationelle Landwirthschaft schon früh- 
zeitig geweckt, einem geregelteren Wandel im vollen Bewusstsein eines 
höheren Lebenszweckes, und sonach einer vollständigen und radicalen Re- 
generazion zugeführt werden. . 

Die Vermehrung des Grund und Bodens und die hiezu nöthigen Ar- 
beitskräfte für die galizische Landes-Agricultur aber liegen gar zu nahe, 
als dass ihrer hier nicht besonders sollte gedacht werden. 

In Galizien überhaupt gibt es eine Menschenclasse, welche Jahr aus, 
Jahr ein seit ihrer dortigen Niederlassung die Hände im Schoosse ber- 
gend, anderen Mitmenschen bloss zusieht, wie mühsam dieselben für sie 
das Brot der dankbaren Scholle Erde abgewinnen. 

Diese, jede etwas schwerere Arbeit scheuenden, vom factischen Müs- 
siggange lebenden Menschen, welche im Lande zum Verhältnisse ihrer 
Wohnsitze die grosse Majorität bilden, und an denen man nur zu gerecht 
des grössten Lasters, des Müssigganges halber, das Jugend -Moralsprüch- 
lein: „wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ in Anwendung brin- 
gen sollte — sind die überall ohne Arbeit Gewinn suchenden, speculiren- 
den, und sich wo nur immer möglich allen gemeinnützigen Werken und 
Obliegenheiten auf die listigste Weise stets entziehenden Juden. 

Während sie aus dogmatischer Tendenz jene Gegenden mit Tage- 
dieben zu übervölkern trachten, arbeiten sie Tag und Nacht darauf hin, 


286 J. Zimmermann. Ein Beitrag zur Ethnographie Ost-Galiziens. 


einstens prineipiell die Geldaristokratie zu bilden, und durch unzeitige 
Vorschüsse alle anderen Bewohner von sich abhängig und tributpflichtig 
‚zu machen, — ein Bestand, welcher unmöglich dauernd für die andere 
Bevölkerung, deren Mark dadurch ausgesogen wird, erwünscht sein kann. 

Theilweise kann auch hierin schon ein Grund erblickt werden, nach 
welchem Galizien, einstens die Getreidekammer von halb Europa, weit ent- 
fernt, sich dermalen selbst ernähren zu können, mit Früchtenzufuhr aus 
anderen Ländern, namentlich der benachbarten Moldau und Walachei, aus 
welchen beiden alljährlich hunderttausende Koretz Kukuruz herbeigeschafft 
werden, bedacht werden muss, — und es erregt dem aufmerksamen Beob- 
achter ein peinliches Gefühl, wenn er ganze Fluren der schönsten Gründe 
öde und unangebaut liegen sieht, während doch in nächster Nähe Men- 
schenhände in hinreiehender Menge da sind, welche diese Felder sorg- 
fältigst zu bestellen im Stande wären. 

Der von seinem einstigen Herrn mit Frohnarbeiten überbürdete Bauer 
war häufig gezwungen, den vierten Theil, öfters auch die Hälfte und mehr 
seines Grundes liegen zu lassen, weil er die Robot zu leisten ausser 
Stande war. Diese Grundstücke, welche man in Galizien „Pustki* oder 
verlassene Gründe nennt, auf welchen wie auf anderen die Frohnpflicht 
lastete, und für welehe der Grundherr die Urbarialsteuer bezahlt, fielen 
als Entschädigung zur Benützung demselben, jedoch bloss zeitweilig anheim, 
weleher für Wald- und andere vorgebliche Frevel, wie durch sonstige 
Erpressungen, indireet immer noch so viel Robot zu Stande brachte um 
diese künstlich erbeuteten Felder regelmässig bewirthschaften zu können, 

Durch die gänzliche Aufhebung jeder Art Frohne aber kam auch 
der grössere Complexbesitzer in die Unmöglichkeit, weder die erwähnten, 
noch seine eigenthümlichen Gründe fortan bebauen zu können, und wurde 
nothwendiger Weise veranlasst, alljährlich mehr oder weniger unbestellt 
liegen zu lassen, demnach auch gezwungen, verhältnissmässig weniger denn 
zuvor zu produeiren. 

In dem Karpathengebirge, welches nach allen Richtungen von den 
breitesten Thälern, der üppigsten Vegetation durchzogen ist, schlummern 
noch hunderte von Tausenden Joche, nur der Menschenhände gewärtig, 
mittelst Krampe und Rotthaue in die lachendsten Fluren umstaltet zu wer- 
den, welche dem Lande von unsäglichem Nutzen, und an jährlicher ver- 
mehrter Grundsteuer dem Staatsschatze aber Millionen abzuwerfen nicht 
verfehlen könnte. ’ 

Wäre da nicht Anlass vorhanden, den müssigen Judenhänden die 
erwähnten Pustkigründe des flachen Landes und kulturfähigen Gauen des 
noch vielen Segen bergenden Karpathengebirges zur Urbarmachung zu über- 
geben und sie mittelst höchsten Machtspruches und zu Gebote stehenden 
Zwangsmassregeln gebieterisch auch schon desshalb zur Feldwirthschaft zu 
verhalten, dass, da sie doch Brot essen, auch selbes wie vor ihrer Aus- 
wanderung aus Aegypten durch eigenes Handanlegen erzeugen zu helfen; 
umsomehr, als früher oder später bei der stets im Unverhältnisse wach- 
senden jüdischen Bevölkerung Galiziens dem Hange zum demoralisirenden 
Müssiggange gesteuert werden, und die Massregel, durch selbe ackerbau- 
treibende Colonien anzulegen, als unabweisliches Gebot sich herausstellen 
dürfte. 

Ackerbau-Staaten haben durch alle Räume der Geschichte immer den 
ersten Rang eingenommen, waren durch blühenden Wohlstand gesegnet, 


Dr. A. v. Ruthner. Eine Ersteigung der Ortelesspitze. 287 


und es sind auch vermöge der harmlosen Beschäftigung ihrer Bewohner 
in Gottes freier Natur, angezogen von dieser, stets die friedfertigsten ge- 
wesen; und hier was speciell Galizien betrifft, würde durch die vermehrte 
Erzeugung des Brodmateriales das Land in voriger Blüthe erstehen, der 
Segenüberfluss mittelst Ausfuhr in minder begünstigte Gegenden und Län- 
der wie einstens mit erhöhter Kraft beginnend, Liebe zu Grund und Bo- 
den und mit ihr Arbeitsfreude beim Bauer die mächtigsten Wurzeln schla- 
gen, die Moralität durch Fleiss und Arbeit gefesselt, den Bauer und Ju- 
den wie das ganze Land dem unwandelbarsten und blühendsten Wohl- 
stande entgegenzuführen, gewiss nicht verfehlen. 


XIV. 
Eine Ersteigung der Ortelesspitze. 
Von Dr. Anton von Ruthner. 


Mitgetheilt in der Versammlung der k. k, geographischen Gesellschaft in Wien am 15. Juni 1858. 


Es ist nicht zu wundern, wenn die Ersteigung der Ortelesspitze der Lieb- 
lingsplan eines österreichischen Bergsteigers wird. Denn trotz der Protektion, 
welche dem Grossglockner in neuerer Zeit zu Theil und wodurch er höher als 
der Orteles gemessen wurde, steht doch noch heute bei allen Unbefangenen die 
Ueberzeugung fest, dass die Messungen des k. k. Generalquatiermeisterstabes 
richtig sind und nur der Orteles der höchste Berg der deutschen Alpen ist. 

Dennoch ist die Zahl der bisherigen Orteles - Ersteigungen eine sehr 
geringe. 

Der Berg fällt auf allen Seiten zu scharf ab und so führt der Weg bald 
über an sich schauerliche Wände, bald über steile Eislappen oder weite Gletscher, 
die von Jahr zu Jahr in ihrer Zerrissenheit wechseln und eine Orteles-Expedition 
bleibt immer ein gefährliches Unternehmen. 

Man weiss daher nur von folgenden Ersteigungen, welche im Laufe dieses 
Jahrhunderts stattfanden: 

Joseph Pichler, Josele, der eigentliche Ortelesmann, erstieg die Orteles- 
spitze im Jahre 1804 von Trafoi als Kundschafter desDr. Gebhart, der sie aus 
Veranlassung Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Johann im Jahre 
1805 von Sulden aus, nachdem wieder Josele die Bahn gebrochen, zwei Mal be- 
stieg, während die Führer Gebhart's damals oft auf die Spitze kamen, um eine 
Steinpyramide daselbst zu errichten. 

Nach einer Pause von 21 Jahren erreichte der k. k. Offizier, Herr Sch e- 
belka, die Ortelesspitze im Jahre 1826. Auch ihn führte Josele und zwar, weil 
er den Weg von Sulden aus untersucht und wegen neugebildeter Eiswände 
unbrauchbar gefunden hatte, von Trafoi aus. 

Auf Schebelka folgte Professor Thurwieser auf demselben Wege 
im Jahre 1834, 

An Thurwieser's Ersteigung reiht sich die durch mehrere Bewohner 
von Prad, darunter die Tochter des Wirthes Karner im Jahre 1838 vollführte. 

Erst im vorigen Jahre 1857 gelangen, nachdem in der Zwischenzeit ein 
paar Versuche schon in den unteren Regionen misslungen waren, die durch 
Zufall an demselben Tage von dem k. k. Geologen Herrn H. Wolf von Sulden 
und von mir von Trafoi aus unternommenen Orteles-Ersteigungen wenigstens in 
der Hauptsache. 


288 Dr. A. v. Ruthner. 


Von meinem Eintritte in Tirol an hörte ich nur ungünstige Urtheile über 

den wahrscheinlichen Erfolg einer Orteles-Expedition und der Berg war, wie 
‚freilich fast immer in ähnlichen Fällen, seit des Hauptführers Josele’s Tode nach 
der Meinung der Menge unersteigbar geworden. 

In Eyrs, der letzten Poststation vor dem Beginne der Strasse über das 
Wormser Joch, erlangte ich zuerst die sichere Kunde davon, dass ich auf Schloss 
Churburg, wo Josele Förster gewesen wäre, für meine Orteles- Zwecke nichts 
zu suchen habe, denn auch Lex, Josele’'s Sohn und sein und Thurwieser's 
Begleiter auf den Orteles, war bereits gestorben. 

Ich fuhr daher nach Prad, der ersten Poststation auf der Strasse zum 
Wormser Joch, und hier gab mir der sehr gefällige Postmeister die erste för- 
derliche Notiz, indem er mir mittheilte, dass zwar auch Strimmer, Thurwie- 
ser's dritter Führer, schon todt sei, dagegen Brunner, einer der Führer 
Schebelka's, in der Nähe lebe. 

Die Ansichten über die Ersteigung des Prader im Jahre 1838 wechselten 
hier an Ort und Stelle sehr. Doch vereinigte sich das allgemeine Urtheil dahin, 
dass sie zwar auf dem Orteles, aber bei Weitem nicht auf der höchsten Spitze 
gewesen seien, und ganz folgerichtig wurden desshalb auch die Führer von den 
früheren Zügen her als die verlässlichsten betrachtet. 

Ich liess alsbald Brunner zu mir kommen, allein sein blosser Anblick 
überzeugte mich davon, dass seine Erklärung, er könne mich wegen Kränk- 
lichkeit nicht begleiten, keine Ausflucht sei. Uebrigens hatte auch er vielfach 
gehört, dass der alte Weg, der in den Jahren 1826, 1834 und 1838 genommen 
worden war, wegen Zerrissenheit des unteren Orteles- oder Trafoi-Ferner kaum 
mehr brauchbar sein dürfte. 

So kamen denn die Ersteiger vom Jahre 1838 von selbst an die Reihe. 
Brunner nannte als die tüchtigsten aus ihnen die beiden Brüder Führer und den 
Anton Ortler aus Gomagoi. Die Wirthstochter rieth er mir zur Ersparung von 
Zeit nicht aufzusuchen, weil sie ganz taub sei. 

Auch verdanke ich ihm eine weitere Mittheilung, die ich als eine mir und 
vermuthlich auch späteren Orteles-Besteigern nützliche bezeichne. Ich pflege 
bei grösseren Expeditionen nur bei einem Führer die Eigenschaft der Terrain- 
kenntniss vorzugsweise zu berücksichtigen, die übrigen aber unter den besten 
und kühnsten Bergsteigern der Umgegend auszuwählen. 

Als ich nach solehen frug, bezeichnete mir Brunner den Anton Schöpf 
aus Gomagoi und die beiden Neuwieser Söhne aus Trafoi. 

Am folgenden Tage, den 21. August, begann ich denn in Gomagoi sogleich 
aufFührer zu fahnden. Einer der Gebrüder Führer befand sich in Snlden bei 
Herrn Heinrich W o | f um mit ihm den Orteles zu besteigen. Der andere Bruder 
schien zwar Anfangs nicht ungelaunt mich zu begleiten, meine Verhandlung mit 
ihm scheiterte aber zuletzt an den Vorstellungen seiner Ehehälfte, die ihn be- 
sehwor sich nicht in ein so gefährliches Unternehmen einzulassen. So blieb mir 
nur Anton Ortler übrig. 

Ich begab mich in seine Wohnung in einer der Hütten am Eingange der 
Suldner Schlucht. Es dauerte lange bis sich die verriegelte Thüre seiner Kam- 
mer öffnete. Dann befriedigte mich jedoch seine Erscheinung vollkommen. 
Ich hatte ihn allgemein „den Alten“ nennen gehört, und so besorgte ich einen 
gebrechlichen alten Mann zu erblicken. 

Da trat vor mich ein allerdings verwitterter aber durchaus nicht alter Mann 
von ganz unternehmendem Aussehen, dass sich besonders auf einen sehr ver- 
wilderten Vollbart, stechende graue Augen und eine scharfe Habiehtsnase gründet. 


"EINEN BE EB 


Eine Ersteigung der Ortelesspitze. 289 


Ich erfuhr später, dass Ortler 47 Jahre alt sei, den Beinamen, der Alte, jedoch 
schon seit seiner Jugend als der älteste Sohn seiner Eltern führe. 

Ortler fand sich auch bald bereit mich zu begleiten und bemerkte sogleich 
dass der frühere Weg wirklichnicht anzurathen sei, dass er mich aber einen neuen 
Weg führen wolle, nur möge ich ihm einen Tag Zeit geben, damit er, da er 
diesen Weg blos von den gegenüberliegenden Bergen sich ausgedacht habe, den- 
selben rekognssziren könne. Mit der Wahl Schöpf’s und eines Neuwieser 
Sohnes war er vollkommen einverstanden. 

Um den folgenden Tag nieht unbenützt zu lassen, ging ich noch Nachmit- 
tags am 21. August nach Sulden, von wo ich am 22. nach Trafoi zurückkehrte. 

Vom Posthause der sehr ehrenwerthen Frau Ortler in Trafoi erblickt man 
zwar das Fussgestelle des Orteles, aber nicht die Spitze selbst. Die Begrenzung 
des ersteren geschieht nach rückwärts gegen den Madatsch zu durch den unteren 
Orteles- oder Trafoi-Ferner, nach vorne gegen Trafoi zu.durch die „hohe Eis- 
rinne,* den Ausgang des Dobretta-Thales. 

Im unteren Theile am sogenannten Bergel, ist es mit spärlichen Wald- 
und Felsdurehbrüchen bedeckt und biegt sich allmälig gegen die Dobretta- 
Schlucht. 

Darüber aber, wo erst Geröllhalden lagern und dann mächtige Wände sich 
aufbauen, tritt es bestimmter als Kamm zwischen der Dobretta-Schlucht und dem 
Trafoi-Ferner auf, 

In seinem höheren Theile rechts im Hintergrunde des Dobretta - Thales 
bildet dieser Kamm den nordwestlichen Rand des oberen Orteles-Ferner, und 
vielfach thürmen sich die letzten Eismauern über seinen Wänden oder senken 
sich in seine Schluchten herab. 

Weiter vorue, nahe dem Punkte, wo der Kamm in westlicher Richtung 
steil auf das Bergel absetzt, fällt ein Eisstreif von ungemeiner Steilheit auf, der 
von der Kammhöhe bis zu den Schutthalden .oberhalb des Bergels in seltener 
Länge reicht. Das ist die sogenannte „stickle Plais“ (steile Plaicke.) 

Ich staunte daher nicht wenig, als man mir in Trafoi erzählte, Ortler sei 
über diese Plais auf und nieder klimmend erblickt worden. Das war ein uner- 
warteter Weg! 

Am 23. war Sonntag und so wurde der Aufbruch auf den 24. Früh um 
1 Uhr festgesetzt. Ich zog es nämlich vor, die Ersteigung von Trafoi bis zur 
Spitze in Einem zu leisten, als wie die früheren Ersteiger alle Unannehmlich- 
keiten des Uebernachtens im Freien auf bedeutender Höhe durchzumachen. 

Thatsächlich schritten meine drei Führer und ich Punkt 1 Uhr Nachts aus 
dem Posthause. Wir mochten aber kaum eine Viertelstunde gewandert sein, da 
hörten wir Tritte hinter uns, und bald erkannte ich beim Scheine der Laterne 
den Wirth in der SchmelzHerrn Karner, denBruder der Ersteigerin des Orteles 
vom Jahre 1838. Ich hatte ihm zwar abgerathen, bei seiner mangelhaften Aus- 
rüstung die Bergfahrt mitzumachen, doch jetzt, da er einmal bei uns war, liess 
sich nichts mehr an der Sache ändern und so wurde er als Orteles-Ersteiger 
angenommen. 

Bis zur Kirche bei den heiligen drei Brunnen ging es gut. Allein im Walde, 
der bis zu dieser Kirche herabreicht, wurde in Kurzem die Richtung verfehlt. Die 
Schafhütte am Bergl besteht längst nicht mehr und damit auch kein erhaltener Weg. 
Dazu das Zweifelhafte des Laternenlichtes, und bald begann ein Klettern über 
Windfälle, ein Schliefen zwischen breiten Tannenästen, ein Rutschen, Stolpern 
und Tappen über grössere Steine und an den Grashängen. Die Richtung wurde 
nach links und rechts geändert, aber Alles half nichts, 


290 Dr. A, v. Ruthner. 


Endlich langten wir bei einer überhängenden Felswand an, wo ein Ausweg 
nach links nicht mehr möglich war und dies allein brachte uns nach mindestens 
einer Stunde Umherirrens auf den rechten Weg, weil wir uns nun offenbar mehr 

“rechts halten mussten, 

Als wir bei einer zweiten grossen Wand und etwas seitwärts und oberhalb 
von ihr an einem kleineren Felseu- ankamen, waren die Führer wieder ihrer 
Sache sicher. Hier wurde die Laterne zurückgelassen, und nach 4 Uhr waren 
wir bei der sonstigen Schlafstätte der Orteles-Steiger, einer ansteigenden Gras- 
mulde in liehtem Tannenwalde. Diese Stelle hat nach Thurwieser eine Höhe 
von 6327 P. F. und liegt nur wenig unterhalb des Platzes, auf dem sich früher 
die Schafhütte gegen die Dobretta-Schlucht zu befunden hat. 

Etwas vor 5 Uhr ging es weiter. 

Hier trennte sich unser Weg von dem der früheren Besteiger. Sie zogen 
sich vom Bergl an rechts um die Biegung des Rückens zwischen dem Dobretta- 
Thal und dem Trafoi-Ferner herum, immer über dem Trafoi-Thale allmälig auf- 
wärts steigend, bis sie diesen Ferner selbst schon aufeiniger Höhe betraten, stie- 
gen dann die steilen Wände die gefürchteten „Wandeln“ hinan, welche den 
Ferner in seinen höheren Theilen begrenzen und mit ihrem Fusse in ihm wurzeln, 
mit ihrer Spitze aber bis an den oberen Orteles-Ferner reichen, und gelangten 
so auf diesen letzten Ferner in bedeutender Höhe, nach Thurwieser 10.739 
P. F. hoch. 

Wir dagegen stiegen links über den dem Ausgange der Dobretta-Sehlucht 
gegen Trafoi, der hohen Eisrinne, aufwärts zur sticklen Plais und ihre ganze 
Erhebung hinan bis zur Höhe des Scheidekammes zwischen deın Dobretta-Thale 
und dem Trafoi-Ferner , von wo wir nach kurzem Klettern nach links über die 
Wände am Rande .des oberen Ferner , jedoch tiefer unten, als es von jenseits 
erfolgte, anlangten, 

Auf unserem Wegegieng es zuerst noch über einige Mulden mit schwachem 
Graswuchs, dann über ein mächtiges Geröllfeld, das bis dahin reicht, wo der 
Schnee der sticklen Plais beginnt. Wir benöthigten eine starke Stunde von dem 
Ruhepunkte zunächst der Schafhütte bis an die Plais und trafen daher etwa um 
6 Uhr daselbst ein, 

Nun wurden die Steigeisen angeschnallt und die Besteigung der Plais 
begann. 

Anfangs ist sie sanft geneigt, wo eine Felsen-Erhebung in Mitte der Haupt- 
rinne und eines nach links seitwärts hinabreichenden Schneefeldes liegt, wird 
die Neigung bereits stärker und sie hat auf etwa ®/, der Höhe der Eisrinne, dort, 
wo die linksseitigen Felsen am weitesten in das Eisfeld vorspringen, eine so un- 
gewöhnliche Stärke erlangt, dass die steilste Strecke von der Adlersruhe auf die 
kleine Glocknerspitze keinen so bedeutenden Böschungswinkel hat. So viel dies 
auch bedeutet, die Neigung beträgt stellenweise gewiss 50—60 %/,. Man hält 
sich übrigens fortan auf der linken Seite der Plais, weil die Mitte fast überall 
noch steilere eisige Bahnen des Schnees weist. » 

Wir mussten der Steilheit halber durch 1'/, Stunden fortwährend im Ziek- 
zack Stufen hauen, um diese schauerliche Eiswand, auf der wir an manchen 
Stellen auch dem fliegenden Eise nicht ausweichen konnten, zu bemeistern. 
Schöpf und Johann Thöni, der Neuwieser Sohn, wetteiferten dabei an Lust und 
Kühnheit, und am Besten wäre es gewesen, wir hätten zwei Eishauen gehabt, 
denn jeder wollte beständig Fusstapfen hauen. 

Endlich um 9 Uhr standen wir auf der Höhe der Plais. Ganz nach Ortlers 
früherer Angabe hatten wir von hier weg bis an den Rand des oberen Ferner kaum 


Eine Ersteigung der Ortelesspitze. 291 


mehr als eine Viertelstunde über einige, für den geübten Bergsteiger wenig 
bedenkliche Wandeln zu steigen. 

Am Ferner angekommen, rasteten wir, nahmen Jeder vom reichlichen 
Mundvorrath, was ihm am meisten behagte, und freuten uns des Blickes hinab 
auf Trafoi. Um /, auf 10 Uhr wurde dann wieder aufgebrochen. 

Der obere Ferner hatte nur das Bedenkliche für uns, dass Niemand den 
Weg zur Spitze genau kannte, denn Ortler gestand jetzt bereits, dass die Prader 
zwar hoch auf den oberen Ferner, aber nicht bis auf den Kamm und die Spitze 
gelangt seien. 

Die Neigung war Anfangs etwas stärker, etwa 20°. Dort, wo diese stär- 
kere Erhebung aufhört, ragen rechts zwei Felsköpfe am rechten Rande des 
Gletschers empor, und dies sind die Nadeln, bei denen der obere Gletscher von 
den früheren Ersteigern von Trafoi aus betreten wurde. 

Thurwieser rechnet von ihnen auf die Spitze 1'/, Stunden und diese 
Angabe trifft mit der Zeit, welche wir von hier bis nahe an die Spitze benöthig- 
ten, genau zusammen. 

Auf dem nunmehr sanft ansteigenden Ferner trafen wir nur auf wenige doch 
dann gewaltige Klüfte. Einmal schreckte eine Schneebrücke zwischen 2 riesigen 
Klüften selbst die muthigen jungen Führer, bis ein Vorangehen — freilich am 
Seile — die zum Stehen gebrachte Kolonne wieder vorwärts trieb. 

Auf dem Gletscher selbst gewahrten wir noch eine Felserhebung zur 
Rechten am Rande, dann zwei Eisköpfe nebeneinander in südöstllicher Richtung. 
Den schönsten Anblick jedoch bot eine mit herrlich blauer Wand auf den tieferen 
Absatz herabfallende Stufe im Gletscher. Sie ist links am höchsten und ver- 
bindet sich nach Rechts mit der Masse des hier zu ihr anziehenden Ferner, und 
da wir sie lange Zeit ohne höhere Erhebung frei dastehend erbliekten, so hielten 
wir sie zuerst für die höchste Spitze, Als wir sie jedoch auf ihrer linken Seite 
umgangen hatten und dann auf ihre Höhe gelangt waren, da erst: sahen wir 
den obersten fast flachen Theil des Ferner, begrenzt vom höchsten Kamm und 
an dessen linken-Ende uns ganz nahe die höchste Spitze. 

Der Ferner steigt in südlicher Riehtung zum Kamme eınpor, und da der 
Kamm selbst von Süden nach Norden sanft ansteigt, bis er am nördlichen Ende 
die raschere Erhebung zu der ihn um 6—7 Klafter überragenden Spitze hat, so 
erhebt sich die Spitze über den unter ihr senkrecht liegenden Theil des Ferner 
zur Linken unsers Weges und zwar ziemlich steil, etwa 40 Klafter hoch, Gegen 
die Dobretta-Schlucht und den linken n. n. w. Rand des oberen Gletschers fällt 
sie noch steiler ab. 

Im Ganzen ist ihr Anblick in der Nähe eher zierlich als imponirend. 

Um nicht die steilere Erhebung emporklimmen zu müssen, machten wir 
den Umweg bis dorthin, wo der Kamm sich ganz auf den Gletscher herabsenkt. 
Leider war uns jeder Genuss durch das ungünstige Wetter verbittert, das wir 
hier antrafen. 

Schon auf unserer Wanderung zur Plais sah der Morgenhimmel sehr dro- 
hend aus, jetzt trafen wir abscheulichen Sturm auf der Höhe an. 

Auch die Aussicht war höchst unvollständig. Ausser dem prachtvollen 
Monte Cristallo zur Rechten mit dem langen Trafoi- oder unteren Orteles-Ferner 
an seinem Fuss von seinem Ende gegen den Madatsch, bis zu seinem Anfang an 
der Scharte gegen das Ende der Welt von Sulden hatte ich oberhalb der Plais 
einen Theil der Oetztthalergruppe, zahlreiche Schweizerberge, besonders Grau- 
bündtner und den Berninastock, dann viele italienische Spitzen aus dem Veltlin 


292 Dr. A. v. Ruthner. 


und Bergamaskischen gesehen und ich glaubte sogar eine Zeitlang in w. s. w. 
Richtung den Stock des Monterosa zu erblicken. 

Jetzt dagegen wälzten sich die Nebelballen bald dahin bald dorthin. Beson- 
ders ungüustig gestaltete sich die erst auf dem Kamme sich erschliessende Aus- 
sicht nach Nordosten, Osten und Süden. Konnte man auch den Einschnitt vom 
Ende der Welt in Sulden unterscheiden so waren doch selbst die nächsten Spitzen: 
der M. Zebru, M. Cevedale, der Zefal-Ferner und die übrigen Kuppen der an- 
stossenden wälsch-tirolischen Thäler durch die auf ihnen lagernden Nebelmassen 
dem Blicke entzogen. 

Dennoch ging ich mit Schöpf und Thöni noch eine Strecke weit auf 
dem Grath in der Richtung der Spitze vor. 

Da aber die Nebel sich von dieser nicht hoben, der Sturm aus Nordosten 
auf der Höhe des dachfirstartigen Grathes zu gehen nicht gestattete, entgegen 
auf der Ostseite der oberste Theil der steil nach Sulden, vielleicht 1000 Fuss 
tief, abfallenden Schneewand, über welche wir zur Spitze zu schreiten hatten, 
derart vom Nebel aufgebläht war, dass sich ehestens unter unseren Füssen eine 
Partie loszulösen und uns nach dem Ende der Welt unter Beendigung auch unserer 
Bergsteigerlaufbahn zu befördern versprach, so beschlossen wir nicht vollends 
auf die Spitze hinaufzugehen. 

Meine Führer meinten der höchste Punkt sei nur noch um 6 Klafter höher 
als unser Standpunkt, und ich glaube ein bedeutendes Zugeständniss zu machen, 
wenn ich ausspreche, dass wir 10—20 Klafter tiefer als der höchste Punkt stan- 
den. Denn der Grath zieht sich zwar noch ziemlich lange, etwa 50—60 Klafter 
lang, doch mit geringer Steigung nach Norden, die Spitze selbst aber überragt 
nach Thurwieser den Grath um 6—7 Klafter. 

Nimmt man also die Höhe des Orteles mit dem k. k. Generalquartiermeister- 
stab auf 12.357 W. Fuss an, so waren wir mindestens 12.200—12.300 W. F. 
hoch angekommen. 

Ich beobachtete eben mein Thermometer, das kaum +2° R. zeigte, und 
Schöpf trieb ein Fähnlein, freilich blos für den Orteles, denn von bewohnten 
Orten sieht man, wie ich später erforschte diese Stelle nicht, in das Eis. Thöni 
aber jauchzte mit starker Stimme — horch,, da wurde auch von Unten herauf 
Jauchzen hörbar. Ich meinte Anfangs es sei Sinnestäuschung, denn der Sturm 
singt auf den höchsten Bergzinnen oft wunderbare Lieder, doch bald waren wir 
Alle einverstanden, dass uns menschliche Stimmen antworteten. Die Antwor- 
tenden aber waren die Führer des Herrn Geologen Wolf. 

Auch seine Expedition erreichte nach seiner Angabe eine Höhe von über 
11.000 W. F. und die völlige Ausführung der Ersteigung ist nach seiner Ansicht 
nur durch die Ungunst des Wetters verhindert worden. 

Ich muss gestehen, dass ich nach dem Bilde, das ich von Oben von der 
Eiswand gewonnen habe, über die die Bergsteiger von Sulden aus auf den Grath 
hätten kommen müssen, glaube, dass es auch bei günstigem Wetter kaum gelin- 
gen kann, den Grath und die Spitze auf diesem Wege zu erreichen, und ich 
beuge mich in diesem Falle vor der allgemeinen Stimme, welche die Ersteigung 
des Orteles von Sulden aus für unausführbar hält. Wenigstens hat sie darin 
gewiss Recht, dass der Weg von Trafoi viel weniger schwierig ist, als jener 
von Sulden. 

Die Ausdauer des Herrn Heinrich Wolf aber kann nicht genug bewundert 
werden, der mit grosser persönlicher Anstrengung und mit bedeutenden Geld- 
opfern das Unternehmen mindestens so weit als möglich verfolgt hat. 

Als ich endlich das Gefühl des Loslösens des rechten Vorderfusses von den 


Eine Brsteigung der Ortelesspitze, 203 


Knöcheln hatte, und auch sonst vom Sturme gehörig durehkältet war, stiegen 
wir vom Kammme herab, und bald nach 12 Uhr waren wir auf dem Rückzuge 
begriffen. 

Tiefer unten am Ferner belästigte uns der Wind weniger und so schritten 
wir ziemlich behaglich in den eigenen Fusstapfen dort, wo sie noch bestanden, 
abwärts, nur war bei dem weicher gewordenen Schnee ein theilweises Einbre- 
chen in Klüfte häufiger als beim Aufwärtssteigen und wir mussten daher die mög- 
lichste Vorsicht beobachten. 

Nach einiger Ruhe am Ende des Ferners wurde über die Wände zur Plais 
hinabgestiegen, doch sie machte jetzt von Oben im Ganzen gesehen und auch als 
wir sie betreten hatten, in ihren Einzelnheiten einen höchst unangenehmen 
Eindruck. 

Der Schnee war auf unserem Wege stellenweise abgerutscht und hier, 
wie in der Mitte, zeichneten lange Streifen die Bahnen abgerollter Schneeränder. 
Die Schneerutschungen hatten zudem im Verein mit dem Nebel unsere Fuss- 
tapfen zerstört. 

Wir stiegen also, und zwar ich mit Schöpf und Ortler mit Karner durch 
das Seil verbunden, Anfangs vorsichtig, und jeden Tritt so fest machend, dass er 
gleichsem eine Stufe im Schnee veranlasste, im Zickzack hinab. Da wir aber 
dennoch bei der ungewöhnlichen Steilheit keine Sicherheit vor plötzlichen Ab- 
rutschungen durch diesen Vorgang gewannen, auch, weilich mit Schöpf voran war, 
uns die gerade über uns sichtbaren übrigen Gefährten bei einem Sturze mitzu- 
reissen drohten, so beschlossen Schöpf und ich, als wir zu der steilsten Strecke 
kamen, uns an den die Plais auf der linken Seite begrenzenden Wänden zu halten. 

Es war keine geringe Arbeit, eine Stunde lang immer wieder den Fels- 
wänden in allen ihren Vorsprüngen folgend, bei den häufigen Zwischen- 
räumen zwischen dem Eise und der Wand jetzt sich mit dem ganzen Körper in 
eine Kluft hinablassen , jetzt wieder aus ihr auf den Rand des Schneefeldes 
schwingen zu müssen. 

Wir erkannten aber bald das Nützliche unseres Entschlusses bald nachdem 
wir ihn gefasst. Wir arbeiteten uns eben um eine Felsenecke, als wir einen 
Schrei ober uns vernahmen und hinaufblickend, Thöni gewahrten, der blitzschnell 
auf einer der steilsten Stellen nach abwärts fuhr. Es war ein beengender Mo- 
ment, aber auch nur ein Moment, denn schon stand er auf seinen Bergstock 
gestützt wieder aufrecht. Er war ausgeglitten, hatte jedoch Besonnenheit und 
Kraft genug, im Abrutschen den Bergstock so kräftig in den Schnee zu stossen, 
dass er sich an ihm erhielt. Dafür kam er, da er den Versuch, ob man, ohne 
sich alle Glieder zu zerschlagen, etwa 1500 Fuss über die Plais rntschen könne, 
vollkommen dnrehzumachen nieht gesonnen war, jetzt zu uns an die Wände. 

Endlich als wir den unteren minder steilen Theil der Plais erreicht hatten, 
betraten wir wieder vollends die Schneefläche und nun ging es schnell abwärts; 
doch hinderte der sich immer wieder unter den Füssen ballende Schnee das bei 
fester Beschaffenheit eines Schneefeldes köstliche Abfahren mit dem Bergstock. 

An der beim Aufwärtssteigen erwähnten Felserhebung mitten im Schnee 
liess ich Thöni zurück, um den Ortler und Karner Hilfe zu leisten, falls sie deren 
bedürften; denn seit geraumer Zeit sah ich nichts mehr von ihnen und wusste 
nicht, auf welcher Höhe der Plais sie hinter den Felsvorspringen sich befänden. 

Ich selbst eilte mit Schöpf bis zum Beginne des Waldes an der Schafhütte. 
Hier wurde Halt gemacht. Nach kurzer Rast wäre ich gerne nach Trafoi weiter 
gewandert , aber es liess mich nicht von dieser Stelle, wo man noch einmal 
den untersten Theil der Plais erbliekt; denn das auffallende Zurückbleiben Ort- 

Mittheilungen der k. k. geozraph. Gesellschaft, I, Bd. 3. Heft. Y 


294 Dr. A. v. Rutliner. Eine Ersteigung der Ortelesspitze. 


ler's und Karner’s hatte mieh doch einigermassen beunruhigt. Ich war froh, als 
ich nach etwa 1 Stunde alle 3 Gefährten auf der tiefsten Schneefläche zum Vor- 
‚ schein kommen sah. In Trafoi erfuhr ich dann, dass Karner, der sehon im Auf- 
wärtssteigen vor Ersehöpfung auf dem oberen Ferner weit zurückblieb, als er 
über die Plais kinabzusteigen begann, von Schwindel befallen wurde, und nur 
mehr mit Ortler’s Hilfe langsam herabgelangen konnte. 

Auf dem Wege über das Berg] zu den drei Brunnen hinab war die Sonnen- 
hitze drückend, dafür gewährte der Anblick des untersten Absturzes des Trafoi- 
Ferners gegen die drei heiligen Brunnen durch seine wundervollen, viele Klafter 
hohen Eisnadeln und andere ungeheuerlich geformte Eisgebilde ein zugleich 
schönes und eigenthümliches Bild. 

Zwischen 5 und 6 Uhr Abends traf ich wieder bei meiner freundlichen 
Wirthin in Trafoi ein und wurde von allen Seiten mit grosser Theilnahme empfangen. 

Das Resultat meiner Orteles - Ersteigung ist insoferne ein verunglücktes, 
als ich weder die Fernsicht, noch auch nur die Gruppe, deren Kulminationspunkt 
der Orteles ist, genügend kennen lernte. 

Doch als Pionierleistung bleibt diese Ersteigung immerhin erfolgreich, weil 
durch sie ein Weg gefunden wurde, auf dem Derjenige, der vollkommen schwin- 
delfrei ist, unter günstigen Wetterverhältnissen, wenn nicht Lawinen drohen 
oder das Eis zu sehr blossliegt, auf die Höhe der Pleis, und da dies der bei 
Weitem gefährlichste Theil der Orteles - Ersteigung ist, auch auf den Orteles 
selbst wird gelangen können. 

Ich war daher nicht wenig erstaunt, nach meiner Zurückkunft nach Wien, 
in einem Tiroler Blatte eine Notiz zu lesen, aus der man entnehmen sollte, dass 
der Orteles im Jahre 1857 eigentlich nicht erstiegen worden sei, ihn Niemand 
kenne und er erst nach längeren Forschungen über ihn in Folge werde erstiegen 
werden können. 

Nun ist zufälligerweise vom Grath, auf dem ich stand, auf die Spitze zu 
gelangen eine Arbeit, die etwa eine Viertelstunde Zeit erfordert und mit geringer 
Gefahr verbunden ist, und wirklich erwähnt weder der Bericht über Josele's erste 
Ersteigung vom Jahre 1804, noch jener Schebelka's und Thurwieser’s, über ihre 
Ersteigungen, der Gefahren der Wanderung auf dem Kamm zur Spitzen mit einer 
Sylbe, sondern alle erklären die Gefahren mit dem Betreten des oberen Ferners 
für überwunden. 

lch dachte wiederholt darüber nach, wer eigentlich der Schreiber dieser 
Notiz sein könne, bis mich ein originell abgefasster Brief meines Begleiters Kar- 
ner auf die rechte Fährte brachte und mir klar wurde, diese Mittheilung stamme 
von Jemanden her, der sein Interesse daran hat, dass nach Sulden, von wo aus 
der Orteles wenigstens durch mehrere Tage im verwichenen Jahre erforscht 
wurde, Fremde zur Orteles-Ersteigung koınmen, weil er alsdann von ihnen Geld 
zu lösen bekömmt. Ich bewahre dieses launige Schreiben auf und werde es bei 
passender Gelegenheit zu benützen wissen. 

Denn treten nicht ausserordentliche Hindernisse dazwischen, so habe ich 
es mit dem Orteles in Kürze noch einmal zu thun, und bin ich dabei glücklich, 
ein vollständiges Ersteigungs-Resultat zu erzielen und besonders über die Fern- 
sicht und die Umgebung des Berges, die Ortelesgruppe, genauere Daten liefern 
zu können, so sollen dieselben gleichfalls der Oeffentlichkeit übergeben werden. 


295 


XV. 


Mittheilungen aus Shanghai an die k, k. geographische 
Gesellschaft in Wien 


über die 
erste österreichische Erdumsegelungs-Expedition mit der k. k. 
Fregatte Novara, 
unter den Befehlen des Herrn Commodore B. von Wüllerstorf-Urbair. 
Von Dr. Karl Scherzer. 


(Vorgelegt in der Sitzung der k. k. geographischen Gesellschaft am 19. October 1858.) 


Ich habe niemals die Wahrheit des französischen Wortes: embarras de 
richesse tiefer empfunden, als im gegenwärtigen Augenblicke. Fast jede Woche 
befinden wir uns in einem neuen Hafen, in einem verschiedenen Lande, unter 
verschiedenen Menschenragen; was das Auge erblickt, ist fremdartig, seltsam, 
staunenerregend. Vor zwei Monaten waren wir noch in Batavia und jetzt befinden 
wir uns schon bald wieder auf der Reise nach Sidney, nachdem wir in kurzer 
Aufeinanderfolge Manila, Hongkong, Macao und Shanghai besucht haben. Die 
Eindrücke sind sogar für einen „vieljährigen Wanderer“ so gewaltig, der Stoff 
ist von solcher Reichhaltigkeit, dass selbst das umfassendste Beobachterauge ihn 
nicht in allen Einzelnheiten zu überschauen, dass auch eine viel gewandtere Hand 
in der Darstellung als die meinige, ihn nicht zu beherrschen vermöchte. Gar oft 
wünsche ich mir die Beobachtungskraft des hundertäugigen Hüters und alle 
Schreibefinger des vielhändigen Riesen der alten Mythe, um meine Aufgabe wür- 
diger erfüllen und dem Begehr von Freunden und Gönnern nach Nachrichten von 
der „Novara“ ausreichender genügen zu können. — Aber unter den herrschen- 
den Verhältnissen ist es völlig unmöglich allen den Anforderungen zu entsprechen, 
die in Bezug auf Mittheilungen über die Erfolge der kaiserlichen Expedition, 
welche die Sympathien der ganzen gebildeten Welt und alle Schutzgeister Oester- 
reichs auf eben so ehren- als gefahrvoller Bahn zu begleiten scheinen, an die 
Novara-Reisenden gestellt werden. Sie müssen mir daher schon erlauben, Sie auf 
die Berichte zu verweisen, welche ich in den letzten Wochen über den Aufenthalt 
S. M. Fregatte in Batavia und Hongkong an die Kaiserliche Akademie der Wissen- 
schaften nebst einer Anzahl ethnographischer Gegenstände und Bücher abgesen- 
det habe, und sich diessmal damit begnügen, in den folgenden Blättern nur eine 
Ergänzung des im erwähnten Berichte Mitgetheilten zu erhalten. Vielleicht wird 
mir auf der Reise von Shanghai nach Sidney (auf welcher wir allerdings auch die 
Mariannen-, Carolinen und Salomons-Inseln berühren werden, die aber jedenfalls 
mehrere Monate dauern dürfte) Musse zur grösseren Ausarbeitung geboten. Dann 
sollen Sie meinen redlichsten Willen in Schriftzeichen verkörpert sehen. 

Wir verliessen die herrliche, gastliche Insel Java am 29. Mai, nachdem 
wir 23 unvergessliche Tage daselbst verlebt hatten. Während dieser Zeit waren 
die Novara-Reisenden bis zu einem gewissen Grade die Gäste der holländischen 
Nation; die Ausflüge die vom Commodore, von den Offizieren und den Naturfor- 
schern der kaiserlichen Expedition ins Innere der Insel unternommen wurden, 
glichen wahren Festzügen, wie man sie in Europa nur bei ganz ausserordentlichen 

Y ne 


296 Dr. K. Scherzer. 


Anlässen, bei Königsfahrten und Kirchen-Jubiläen mehr erlebt. Aber im Taumel 
dieser glänzenden Eindrücke und Genüsse wurde die Wissenschaft keineswegs 
stiefmütterlich behandelt, oder bei Seite gesetzt; vielmehr trug diese grossartige 
“ Gastfreundlichkeit, welehe uns von den Holländern auf Java zu Theil wurde, we- 
sentlich dazu bei, unsere wissenschaftlichen Zwecke zu fördern, indem sie uns 
die seltene Geiegenheit gab, in einer verhältnissmässig sehr kurzen Zeit, über- 
raschend viel zu sehen, zu beobachten und im geselligen Austausch mit den 
angesehensten und gebildetsten Männern Batavia’s zu erfahren. Mancher der 
jahrelang auf Java lebt, hat nicht so viel von Land und Menschen gesehen, als 
wir, dureh die grossartigen Mittel die uns daselbst zu Gebote standen, binnen 
einer Spanne Zeit von 23 Tagen! ! Dazu kommt noch, dass man uns mit selte- 
ner Grossmuth sehr werthvolle Sammlungen ethnographischer, anthropologischer 
und naturwissenschaftlicher Gegenstände verehrte, welehe kaum den Blicken 
eines einzelnen Gelehrten zugängig gewesen wären. — Ein Verzeichniss dieser 
der kaiserlichen Expedition verehrten, höchst werthvollen Gegenstände, inso- 
ferne dieselben Ethnographie oder Anthropologie betreffen (74 an Zahl) habe 
ich meinem „Bericht an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften über un- 
seren Aufenthalt auf Java“ beigefügt und gleichzeitig jene Männer namhaft ange- 
führt, welche sich um die Förderung der wissenschaftlichen Zwecke der Novara- 
Expedition ganz besondere Verdienste erworben haben. — 

Am 15. Juni um 1 h. 53 m. p. m. ankerten wir im Hafen von Cavite auf 
der Insel Luzon. Wir hatten die Reise von Batavia nach Manila (eirca 1800 See- 
meilen) in 17 Tagen zurückgelegt. Ein holländischer Schiffskapitain aus Batavia, 
der kurze Zeit vor uns in Manila angekommen war und den günstigen Monsun 
noch nicht erhascht hatte, brauchte zur nämlichen Fahrt (von Batavia nach 
Manila) 54 Tage! Die Schnelligkeit unserer Reise wurde indess selbst in der 
gegenwärtigen Jahreszeit von erfahrenen Seemännern gerühmt. 

Erlassen Sie mir, Ihnen von den Eindrücken und Erlebnissen auf Manila 
zu erzählen; es waren eben so viele traurige Enttäuschungen! Mein Aufenthalt 
auf den Philippinen so kurz derselbe auch war, hat beigetragen, mein Urtheil 
über die Spanier und ihre Zukunft zu bekräftigen. Ich habe dieselben Charaktere 
und Verhältnisse wieder begegnet wie ieh sie in Oentral-Amerika und in West- 
Indien verlassen; die nämlichen höflichen Formen und hohlen Redensarten, der 
nämliche mitleidswürdige Stolz auf eine bankrotte nationale Grösse, den schon 
Kotzebue in dem Charakter des Don Ranudo de Colibrados so ergötzlich 
schildert; die nämliche Denkfaulheit, die nämliche kleinliche Zersplitterung in 
politische Parteien, ohne Prineip und Energie, die das arme Land niemals zur 
Ruhe kommen lassen; — ein solehes Volk wird mit jeden Tag lebensunfähiger, 
dass es auch rühmliche Ausnamen gibt, dass man auch wohlgebildeten! 
fortschrittsfreundlichen Männern begegnet, versteht sieh von selbst. So z. B. 
verdanke ich dem gelehrten Dominikaner R. Fray Joaquin Fonseca, so wie 
dem Chef der grössten und gewissermassen einzigen hiesigen Privat-Druckerei 
Herrn Ramirez, und dem Obersten Miguel Cr&us manche schätzenswerthe 
Mittheilung über Land und Eingeborne, manche Beobachtung, welche von einer 
schönen geistigen Thätigkeit Zeugniss gibt. 

Ganz besonders aber fühle ich mich gegen Herrn Wood (vom amerika- 
nischen Handlungshause Russel and Sturgis) verpflichtet, welcher mir nicht 
nur zwei interessante Wörterverzeichnisse in den Sprachen der wilden fast 
unzugänglichen Volksstämme Luzon’s, der Ylongotes, Ygorotes, überliess, son- 
dern mir auch die Manuseripte eines „Dieeionario Espanol y Mariano con 
una breve esplicacion del modo como se deben pronunciar las palabras“ und 


Nittheilungen aus Shanghai. 297 


einer umfassenden Abhandlung über Jie Mariannen „las islas Marianas en el 
archipielago de San Läzaro descubiertas por el celebre Magallänes el ano 
de 1520 etc“ zu copiren gestattete. 

Diese beiden letztern Handschriften haben für mich doppeltes Interesse im 
Momente, wo wir im Begriff stehen, den Mariannen-Archipel zu besuchen. 

Die in den verschiedenen Klosterdruckereien in Manila erschienenen, von 
katholischen Missionären zum Besten ihrer Orden herausgegebenen Wörter- 
bücher der vier Hauptidiome, welche auf Luzon gesprochen werden; Tagala, 
Bisaya, Ylogano (oder Pangasinano), und Ybanae (oder lagayän) habe ich käuf- 
lich erworben und theilweise bereits an die Kaiserliche Akademie der Wissen- 
schaften eingesandt. 

Gerne würde ich Ihnen noch ausführlich einen Ausflug in einer „Lorcha“ 
am Pasig-Fluss, jener Pulsader Manila’s, nach der schönen Laguna de Bay 
schildern, den ich so glücklich war in Gesellschaft des Herrn Commodor's, des 
Bremer Consuls, eines englischen Malers und der Herrn Selleny zu unter- 
nehmen, und der viel des Anziehenden und Schönen bot, wenngleich die herr- 
schende Regenzeit für eine solche Exeursion nicht gerade günstig war. Aber es 
gebricht mir an Zeit, und ich müsste wieder manches Klagelied über die unzäh- 
ligen Schwierigkeiten anstimmen, welchen selbst die geringste Fortbewegung 
auf Manila begegnet. Auch habe ich noch so vieles über Hongkong zu sagen. 
Ein anderes Mal komme ich sicher auf den mächtigen Pasig-Fluss, die impo- 
sante Laguna de Bay mit ihrer lieblichen Bergumsäumung, auf den am Fuss des 
üppig bewaldeten 3600 Fuss hohen Maquilin reizend gelegenen Warmbrunnen 
„los banos“, und den, wegen seiner Alligatorenbevölkerung berühmten, be- 
zauberten See (laguna encantada, tagalisch: $ocol) einen modernen Hades, 
zurück. 

Habe ich Ihnen doch gleichfalls noch über ein historisches Gedicht um- 
ständlich zu berichten, welches mir dessen Verfasser, der freundliche Padre 
Fray Joaquin Fonseca so weit es bisher vollendet, in einer Abschrift nach 
Hongkong naehsendet und das die Geschichte der Insel Luzon und seiner Bevöl- 
kerer zum Gegenstande hat, wie schon dessen Titel: „Luzonia, 6 scan los 
Genios del Pasig, andeutet. — 

Nach einem kaum zehntägigen Aufenthalte in der Bay von Manila, setzten 
wir am 25. Juni gegen 1 Uhr Morgens auf der Fahrt nach Hongkong 
wieder unter Segel, wo wir, ohne besondere Vorfälle während der Reise, 
ausser einer fast unerträglichen Hitze, (das Thermometer zeigte fortwäh- 
rend 29—31. 40 Celsius) von der allgemeinen Klage über den ungemein pein- 
lichen tropischen Ausschlag, den die Engländer so bezeichnend „priekly 
heat“ (lichen tropieus) nennen, am 5. Juli bald nach 10 h. a. m. vor 
Anker giengen. — Ein grosser schöner sicherer Hafen aus einem Theil des 
chinesischen Festlandes und einer Anzahl baumloser, nur mit Grasvegeta- 
tion bedeckter Inseln gebildet. Die Stadt Hongkong selbst, (die eigentlich 
Vietoria heisst, im öffentlichen Leben aber stets Hongkong genannt wird, 
ähnlich wie man immer nur Pulo-Pinang und fast niemals „Prince of Wales 
island“ sprieht und schreibt), ist terassenförmig an der Südseite des Hafens, 
an einem ziemlich steil aufsteigenden Bergrücken von ungefähr 400 Fuss 
erbaut, welcher die Ausbreitung der Stadt ungemein schwierig macht. 

Zur Zeit der definitiven Abtretung der Insel an die Engländer im 
Jahre 1843 war Hongkong bless von einigen hundert armen chinesischen 
Fischer-Familien bewohnt, die, wenn sich die Gelegenheit bot, von Zeit 
zu Zeit auch Piratenhandwerk trieben. Gegenwärtig zählt die Insel, nach 


298 Dr. K. Seherzer. 


der Angabe des dermaligen Gouverneurs Sir John Bowring, über 80,000 
Seelen, ist das Hauptemporium des fremden Handels mit dem chinesischen 
‚Reiche geworden ! 

Wenn es uns gelungen, in dem kurzen Zeitraume von 14 Tagen, 
unter politischen und socialen Verhältnissen, welche wissenschaftlichen Stre- 
bungen nichts weniger als günstig waren, Jeder in seinem Fache, so 
manches schöne, werthvolle Resultat zu erzielen, so müssen wir diess 
hauptsächlich der herzlichen, zuvorkommenden Aufnahme zuschreiben, welche 
wir in allen Kreisen der Gesellschaft in Hongkong gefunden, und nament- 
lich der unbegrenzten Güte und Freundlichkeit deutscher Landsleute, die 
es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, selbst die leisesten un- 
serer Wünsche zu erfüllen, und die Erinnerung an Hongkong mit tausend 
unauslöschlichen Denkzeichen in unsere Herzen zu schreiben. 

Fühlen wir uns gegen Seine Excellenz den Gouverneur Sir John Bow- 
ring für die Güte verpflichtet, mit welcher uns derselbe mit den her- 
vorragendsten Persönlichkeiten der Insel in Contact gebracht, so sind wir 
dagegen Männern wie Dr. W. Lobscheid, Missionär und Inspeetor der Re- 
gierungsschulen, Ph. Winnes, Missionär der Baseler Missionsgesellschaft, 
Dr. W. A. Harland, Colonial Surgeon, Dr. Hauce, Botaniker, Dr. Chal- 
decott, Secretär der China branch of the Royal Asiatie Society, Herrn 
Gustav Overbeck, kön. preuss. Viee Consul, Mr. W. H. Medhurst, bri- 
tischen Consul in Futschan, G. A. Wiener, k. k. österreichischer Consul 
u. s. w,, für den thätigen Antheil grossen Dank schuldig, den sie an 
der Förderung der wissenschaftlichen Zwecke der Novara-Expedition nahmen. 

Ihnen verdanke ich die Beantwortung so mancher interessanten Frage, 
so manchen wichtigen Aufschluss, so wie zahlreiche Geschenke an ethno- 
graphischen Gegenständen und seltenen chinesischen Büchern. In dieser Be- 
ziehung muss ich besonders die Namen des Dr. W.Lobscheid und des 
Consul Overbeck hervorheben. Durch edle Theilnahme allein war es mög- 
lich, einige Beiträge zur Kenntniss jener wissenschaftlichen Gegenstände zu 
sammeln, deren Erörterung der Kaiserliche Akademiker Hr. Dr. Pfizmaier in 
seiner schönen Zusammenstellung von Desideraten aus China den Novara- 
Reisenden empfohlen hat. Indem ieh mich auch hier neuerdings auf jenen 
Bericht beziehen muss, den ich hierüber an die Kaiserliche Akademie der 
Wissenschaften abgehen liess, und dem ich zugleich ein Wörterverzeich- 
niss des Hakka-Dialeetes beischloss, erlaube ich mir flüchtig einer Sitzung 
der China branch of the Royal Asiatie Society zu gedenken, bei welcher 
Sir John Bowring den Vorsitz führte, und die trotz eines sehr spär- 
lichen Besuches manches Interessante bot. Zuerst zog die Vorlage eines 
so eben aus Europa eingetroffenen Berichtes, über die bisherigen Resultate 
der mit dem neu aufgefundenen chinesischen Färbe-Stoff, der sogenannten 
vert chinois oder green Indigo plant in Lyon angestellten Experimente, 
die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Ich hoffe in Shanghai Ge- 
legenheit zu haben, über diese merkwürdige, nur im Norden von China 
vorkommende Nutzpflanze Ausführlieheres zu hören und vollkommene Exem- 
plare davon zu erhalten, und werde sodann gewiss nicht ermangeln auf 
einen Gegenstand zurück zu kommen, der so sehr geeignet ist, der For- 
derung, welche unsere practische Zeit an die Wissenschaft stellt, gebüh- 
rend Rechnung zu tragen. 

Von nieht weniger Interesse, namentlich für den Culturhistoriker, war 
die Lesung einiger Mittheilungen „über den Einfluss der chinesischen 


\ittheilungen aus Shanghai. 299 


Einwanderer in Caleutta“, welchen Mr. Alabaster, gegenwärtig dem 
chinesischen Exgouverneur Yeh als Dollmetsch beigegeben, aus Caleutta 
an die Gesellschaft eingesendet hatte. Aus diesen Mittheilungen geht die 
höchst merkwürdige Thatsache hervor, dass die kaum 500 Seelen über- 
steigende chinesische Bevölkerung Caleutta’s bereits mehrere Gewerbe, wie 
z. B. die der Schuster, Schneider, schon förmlich monopolisirte, und trotz 
ihrer Minderheit, mit Hilfe des den Chinesen eigenthümlichen Characterzuges 
des hartnäckigen Festhaltens am Alten, Herkommlichen, auch mehre tausend 
Meilen von der Heimath unter völlig veränderten Verhältnissen, ihre Sitten 
und Lebensgewohnheiten bewahrt. Chinesische Häuser, chinesische Tempel 
entstehen, chinesische Priester und Lehrer sind thätig, um den emigrir- 
ten Chinesen von der Gefahr des Neophytenthums zu bewahren; und, 
damit auch dem Vergnügen und der heitern Laune ihr Recht werde, 
verschreibt man Schauspieler aus China und schlägt chinesische Theater- 
buden auf. Man sieht, selbst ein gewisser Luxus beginnt sich bereits 
unter den eingewanderten Chinesen zu entfalten. So unscheinbar der An- 
fang ist, so dürfte doch diese Chinesen Emigration nach Caleutta nicht 
ohne grosse Folgen bleiben. Sobald nur einmal die Nachricht von ihrem 
erfreulichen Gedeihen nach dem Reich der Mitte gelangt, und die Aus- 
wanderung aus China einmal auf weniger Hindernisse stosst, werden chine- 
sische Emigranten gleich Heuschreckensehwärmen über Ostindien fallen. 
Die Hindus sind eine schöne begabte Race. In mechanischer Fertigkeit 
und Arbeitstüchtigkeit aber dürften sie von den Chinesen bei weitem über- 
troffen werden. Dazu kommt ein anderes Moment, welches den Chinesen 
in gewerblicher Beziehung gewisse Vortheile über manche andere, sogar 
eivilisirte Völker einräumt. Es ist dies ihre unausgesetzte Thätigkeit, 
ohne jeglichen Ruhetag, Der Hindu besitzt zahlreiche Feste, welche die 
Zahl seiner Arbeitstage wesentlich beschränken; die durch seine Religion 
vorgeschriebenen täglichen Verrichtungen nehmen ihm ausserdem manche 
kostbare Arbeitsstunde weg; seine, fast ausschliesslich vegetabile Nah- 
rung hindert nicht nur bis zu einem gewissen Grad die Entwicklung sei- 
ner Muskelkraft, sie bringt ihn auch durch seine pedantische Scheu vor 
jeder christlichen Menage, vielfach mit den bestehenden bürgerlichen Ver- 
hältnissen in Confliet. Der Chinese dagegen kennt nur Einen einzigen 
Feiertag, das neue Jahr, das er allerdings acht bis 14 Tage ohne Auf- 
hören und ohne Unterlass feiert. Aber der ganze Rest des Jahres 111/, 
Monat sind freilich Ein langer Arbeits-Tag! Dabei ist der Chinese nichts 
weniger als serupulös in der Wahl seiner Nahrung. Er isst Schwein- 
fleisch und trinkt Wein und nährt sich lieber von Braten als von Hül- 
senfrüchten, ohne sich weiter zu kümmern, ob eine solche Handlungs- 
weise mit den Vorschriften seiner Weisen und den Lehren des Confueius 
im Einklange steht. Bei einem längern, nähern Verkehr mag der Chinese 
allerdings Eigenschaften und Charaeterzüge zur Schau tragen, die vielleicht 
gerade nicht strenge Gewissenhaftigkeit und Wahrheitsliebe verrathen, jeden- 
falls aber entwickelt der Chinese unter den verschiedensten Verhältnissen 
eine Rührigkeit und einen Fleiss, die von gewaltiger Lebensfähigkeit zei- 
gen, und vielleicht noch einmal andere als die farbigen Völker der süd- 
lichen Hemisphäre in Erstaunen setzen werden. 

Herr Dr. Hochstetter benutzte diese Versammlung der Mitglieder 
der Zweiggesellschaft der königlichen asiatischen Societät, um seine wissen- 
schaftliche Acereditive als Bevollmächtigter der k. k. geologischen Reichs- 


300 Dr. K. Scherzer 


anstalt zu überreichen, und als Anknüpfungspunet für einen späteren Aus- 
tausch von Publieationen u. s. w. dem Gesellschafts-Museum eine kleine 
‚geologische Sammlung zu übergeben. In den Worten des Dankes, welche 
hierauf der Präsident der Gesellschaft Sir John Bowring in Erwiederung 
sprach, drückte derselbe zugleich seine Freude darüber aus, Männer der 
Wissenschaft aus Oesterreichs Gauen auf dieser entfernten Insel zu sehen. 
und hiess die Novara-Reisenden im Namen der Gesellschaft herzlich will- 
kommen. Auch seine Lordschaft der Bischof von Hongkong, welcher in 
der Sitzung anwesend war, begrüsste die Naturforscher der kaiserlichen 
Expedition in einer kurzen, warmen Ansprache, und schloss mit den be- 
deutungsvollen Worten, „dass das Christenthum von den Naturwissen- 
schaften niehts zu fürchten, sondern nur zu hoffen habe.“ — (nothing 
to fear, but only to hope.) 

Ein Besuch, den ich wenige Tage nach unserer Ankunft in Beglei- 
tung meiner werthen Reisecollegen Herrn Dr. W. Lobscheid abstattete, 
gab mir Gelegenheit eine der reichhaltigsten Bibliotheken chinesischer 
Werke zu sehen, welche es in Hongkong gibt. Es finden sich zahlreiche 
geographische, historische, naturwissenschaftliche, medieinische und numis- 
matische Werke darunter, Viele davon sind freilich blosse Uebersetzungen 
englischer, französischer oder deutscher Autoren ins Chinesische, aber ich 
sah doch auch zahlreiche chinesische Original-Werke, namentlich geogra- 
phischen, geschichtlichen, medieinischen Inhaltes. Ein numismatisches Origi- 
nalwerk, so wie eine „Anleitung verfälschte Münzen zu erkennen“, mit 
Holzschnitten erwarb ich für das k. k. Münz- und Antikenkabinet. Eine 
allgemeine Geographie im Chinesischen und eine ältere Origi- 
nalkarte von China war ich so frei einer aus Hongkong an die Kaiser- 
liche Akademie der Wissenschaften abgegangenen Bücher-Sendung für die 
Bibliothek der k. k. geographischen Gesellschaft beizulegen, und bitte diese 
beiden Gegenstände als ein Geschenk von mir empfangen zu wollen. 
Staunenswerth ist, was deutsche und englische Missionäre während der 
kurzen Zeit, als ihnen der Aufenthalt in China gestattet ist, in publiei- 
stischer Hinsicht geleistet haben. Die auf Kosten der verschiedenen Mis- 
sionsgesellschaften in chinesischer Sprache herausgegebenen Bildungsschrif- 
ten umfassen bereits eine reiche Literatur. Leider ist die chinesische 
Sprache ein eben so grosses Hinderniss für die Verbreitung des Evan- 
geliums, wie sie es für die Verbreitung christlicher Civilisation ist. Die 
meisten Missionäre halten es noch immer für unmöglich, den Vorschlag 
einiger Gelehrten, das Chinesische mit römischen Buchstaben zu schreiben, 
in Ausführung bringen zu können. Die Armuth und Unklarheit der chine- 
sischen Bezeichnung hat sogar unter den Missionären selbst schon manche 
Controverse zur Folge gehabt. So z. B. sind die Verbreiter der verschie- 
denen christlichen Bekenntnisse noch immer nicht unter einander einig, 
mit welchem Worte man den Gott des Christenthums im Chinesischen am 
richtigsten bezeichnet. Die römisch-katholischen Missionäre schreiben Tin- 
tschi, die englischen und deutschen Protestanten schreiben Schang-ti, die 
amerikanischen protestantischen Missionäre schreiben Schin (Geist). 

Diese Meinungsdivergenz in der richtigen Bezeichnung des Wortes 
„Gott“ hat Anlass zu einer grossen Anzahl von Publicationen gegeben, 
die aber nur beitrugen den Streit noch lebhafter zu machen, anstatt eine 
Verständigung herbeizuführen. Als eine der klarsten und besten Schriften 
über diesen Gegenstand wurde mir Dr, S. €. Malan’s Abhandlung ge- 


Mittheilungen aus Shanghai. 301 


nannt, welche so eben unter dem Titel: „Who is God in China? Schin 
or Shang-Te? bei Sam. Bagster and Sons in London erschienen ist. 

So grossartige Verdienste sich auch christliche Missionäre auf die 
Herausgabe nützlicher und moralischer Bücher in der chinesischen Sprache 
erworben, — ein Same, der späteren Generationen gewiss die herrlich- 
sten Früchte bringen wird — so sind doch andererseits ihre direeten Be- 
kehrungsversuche bisher von nur sehr geringen und höchst problematischen 
Erfolgen begleitet gewesen. Die katholische Mission war vielleicht noch 
am glücklichsten. 

Wie an ihren Lebensgewohnheiten und Gebräuchen, so halten sie 
auch an ihrer Religion, mit starrer Gleichgültigkeit für alles Edlere, Bes- 
sere, hartnäckig, unbeugsam fest. 

Selbst auf ihre rohen, barbarischen Sitten vermochte das Christen- 
thum bisher nur in wenigen Fällen mildernd einzuwirken. — Kinder wer- 
den in China noch fortwährend in grosser Anzahl ausgesetzt, und zwar 
nieht bloss aus Armuth, sondern aus Indifferenz gegen weibliche Geschöpfe. 
Eine Chinesenfrau die gegenwärtig Christin ist, und zur Gemeinde der 
Baseler Gesellschaft gehört, hat 8 unter ihrem Herzen getragene Mädchen 
ermordet! Dr. Lobscheid erzählte mir, es selbst erlebt zu haben, dass 
Schwiegermütter, ärgerlich über die Geburt einer Tochter, dieselbe gleich 
nachdem sie zur Welt gekommen war, in Gegenwart der Mutter ermor- 
deten, obwohl diese Familie den wohlhabenden Ständen angehörte. Junge 
Weiber, in denen die Mutterliebe noch nicht ganz erstickt ist, legen ihre 
Säuglinge oft ins Feld oder an den Meeresrand, von der Ferne ängstlich 
lauschend ob Jemand sie findet, oder eine mitleidvolle Welle sie davon- 
trägt. Ein solehes Kind, welches von der Mannschaft der englischen Fre- 
gatte „Nankin“ aufgefunden, und mit herzlicher Sorgfalt von den Matrosen 
gepflegt wurde, befindet sich gegenwärtig im deutschen Missionshaus; der 
Kaplan der Fregatte taufte das Kind in der anglikanischen Kathedrale in 
Hongkong, und gah ihm den Namen Vietoria Nankin. Andere junge 
Mütter ersticken ihre Kleinen oft mit feuchter Asche, die sie den Mäd- 
ehen nicht selten mit kosender Hand in den Mund legen. Knaben, auch 
wenn sie verwachsen sind, werden dagegen selten und nur ausnahms- 
weise getödtet, Die Sitte des Aussetzens beschränkt sich jedoch unter 
den Chinesen keineswegs bloss auf Kinder. In allen bevölkerten Plätzen 
sollen kranke und dürftige Chinesen aus andern Dörfern oder Städten am 
Weg oder am Wasser ausgesetzt, ohne Speise und Trank gelassen, und 
so einem elenden Tode Preis gegeben werden. 

Die vielverbreitete Sage, dass die Chinesen kranke Hetären nach 
Hongkong senden, in der Absicht die fremden Barbaren desto sicherer 
zu verderben, soll in so ferne nicht aller Wahrscheinlichkeit entbehren, 
weil ähnliche Fälle unter den Chinesen selbst schon vorgekommen und ge- 
schichtlich sind. Wie ein Krieg mit einem fremden Volke oft verwildernd 
auf die streitenden Parteien einwirkt, ebenso ist diess und noch weit 
mehr dort der Fall, wo ein Volk, in feindliche Fraetionen getheilt, sich 
selbst befehdet. Im letzten chinesisch-englischen Kriege 1842 hatten 
sich die Teu-Tschin-Soldaten in den Augen der Chinesen ausserordent- 
lich kühn und tapfer benommen, als damals Kanton wie jetzt von den 
Engländern bedroht wurde. Trotzdem vermochten die Teu- Tschin Solda- 
ten mit den unruhigen Cantonesen nicht fertig zu werden, und es kam 
endlich unter ihnen sogar zu wirklichen Feindseligkeiten, wobei alle erdenk- 

Mittheilungen der k, k. geograph. Gesellschaft, II. Bd. 3. Heft, w 


302 Dr. K. Scherzer. 


liehen Grausamkeiten verübt wurden. Die Cantonesen, nieht im Stande die 
Teu - Tschin’s zu besiegen, nahmen endlich zur List ihre Zuflucht; sie 
‚schickten nämlich eine Menge kranker Weibspersonen unter sie, wodurch 
an 500 ihrer eigenen Landsleute mit den furchtbarsten Krankheiten behaftet 
wurden. Sobald die verführten Soldaten diese scheusslichen Uebel unter 
sich ausbrechen sahen, sank ihr Muth. — Sie sehnten sich nach Ruhe 
und nach der Heimath, und nahmen gerne den Antrag der Cantonesen an, 
sie nach Hause befördern lassen zu wollen. Schiffe wurden nun ausgerü- 
stet, zahlreiche Provisionen herbeigeschaft, und aufgerichtet durch die Aus- 
sicht in der Heimath bald Linderung für ihre Leiden zu finden, schifften 
sieh jene unglücklichen Geschöpfe voll Trost und Hoffnung ein. Aber 
nicht lange dauerte es, so wurden sie auf eine furchtbare Weise aus 
ihren Träumen aufgeschreckt. Die Cantonesen hatten mit ihrer Ladung 
kranker Soldaten kaum die offene See erreicht, als sie das Schiff in den 
Grund bohrten, und alle Fremden die darauf waren, ersäuften. 

Ueber meinen Besuch der portugiesischen Ansiedlung Macao auf der 
gleichnamigen Halbinsel kann ich nur wenig berichten, da ich mich bloss 
Einen Tag daselbst aufhalten konnte. Der preussische Consul daselbst 
Herr von Carlowitz that sein Möglichstes, mir alle „Lions“ (wie, die 
Einwohner die Merkwürdigkeiten der Stadt nennen) zu zeigen, und mich 
mit den interessantesten Persönlichkeiten der Stadt in Berührung zu brin- 
gen. Dass ich die Camoens-Grotte besucht, wo der Sage nach der be- 
rühmte portugiesische Diehter als Verbannter seine Lusiade schrieb, dass 
ich die bedeutendste Anhöhe der Umgebung bestieg, um einen vortheil- 
haften Blick über die Stadt und die schmale Landzunge zu geniessen, 
welche Macao mit dem Festlande Chinas verbindet, brauche ieh wohl kaum 
zu erwähnen. Früher war in der Mitte der kaum /, engl. Meilen breiten 
Landzunge eine Mauer gezogen, welche die Grenze der portugiesischen 
Besitzung bezeichnen sollte. Diess hinderte indess nicht, dass die Bewoh- 
ner Macao’s (macaoistas wie sie sich nennen) häufig Lustpartien und Aus- 
flüge nach dem gegenüberliegenden Festlande unternahmen, und die be- 
nachbarten chinesischen Dörfer besuchten. Als aber im Jahre 1848 der 
damalige Gouverneur von Macao während eines Spazierrittes auf der Land- 
enge, von ein paar bewaffneten Chinesen überfallen, vom Pferde gerissen 
und enthauptet wurde, zerstörten die Portugiesen die Grenzmauer und das 
chinesische Fort, so dass gegenwärtig von beiden nur mehr Trümmer 
übrig sind. Die portugiesische Regierung bestand auf der Auslieferung der 
Mörder und des verstümmelten Leiehnams des Gouverneurs. Nach zwei 
Jahren erschienen endlich chinesische Commissäre an der Grenze, auf der 
Landzunge wo einmal die Scheidemauer stand, indem ‚sie zwei Chinesen 
als die angeblichen Mörder des Gouverneurs der portugiesischen Behörde 
auslieferten, übergaben sie gleichzeitig einen Todtenschädel, der in der 
That nach genauer Untersuehung als der Kopf des ermordeten Gouver- 
neurs erkannt worden sein soll. Derselbe wurde zu den übrigen Körper- 
theilen feierlich begraben, die ausgelieferten Mörder hingerichtet. 

Die Bewegung zwischen dem Festland und der Halbinsel ist fort- 
während ziemlich gross. Ich zählte binnen weniger als einer Viertelstunde 
an 60 Menschen, welche beladen mit Waaren aller Art, nach dem Fest- 
lande gingen, oder davon kamen. Auch Palankinträger, welche vermögli- 
chere Chinesen trugen, befanden sich darunter. Am Weg nach. dem west- 
lichen Hügel der Stadt erlebte ich ein grässliches Sehauspiel. Die Leiche 


Nittheilungen aus Shanghai. 303 


eines chinesischen Lastträgers (Coolie) lag nämlich mitten am stark be- 
tretenen Weg; ein Theil des Kopfes und die rechte Hand waren bereits 
durch Raubvögel entfleischt und ein ungeheures Heer von Geziefer hatte 
sich auf die übrigen Theile des nakten, aufgeschwollenen Kadavers ange- 
siedelt. Dicht daneben lagen zwei schwere halbzerbrochene Tragkörbe. 
Zahlreiche Menschen gingen vorüber, Männer, Weiber, Kinder, ohne sich 
weiter darum zu kümmern. Es schien diess ein ganz gewöhnlicher An- 
bliek zu sein. Und wirklich erzählte mir Herr von Carlowitz, dass 
Fälle wie der erwähnte, keineswegs zu den Seltenheiten gehören, und 
menschliche Cadaver zuweilen auf oflener Strasse verwesen. Das spricht 
gerade nieht zu Gunsten der Sanitätspolizei von Macao. Bevor wir die 
Stadt erreichten kamen wir am Abhange eines Hügels vorüber, wo eine 
Anzahl kleiner Strohhütten von armseligster Construction, wie provisorisch 
errichtet waren. Ja man kann fast sagen es waren bloss die obern Theile, 
die Dächer von Hütten, die am grünen Rasen niedergesetzt waren, und 
unter welchen die Bewohner nur in liegender Stellung gelangen konnten, 
um sich darin gegen Unwetter zu schützen. „Sehen Sie“, sagte mein 
Begleiter, hier siedeln sich Kranke, Aussätzige, Unheilbare an, die nir- 
gends Hilfe und Aufnahme finden, um hier zu dulden, zu darben und zu 
sterben!“ — — 

In Dr. Kane, dem einzigen englischen Arzte Macao's, lernte ich 
einen äusserst liebenswürdigen, wissenschaftlichen Forschungen ungemein 
zugethanen Mann kennen. Der schöne Kopf einer Priesterstatue aus der 
neunstöckigen Pagode (Hwä täh) in Canton, den ich von Hongkong aus an 
die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften sandte, rührt von ihm her. 
Dr. Kane erwarb diesen schöngeformten Kopf, der über 1000 Jahre alt 
sein soll, als er im März d. J. das belagerte Canton und die berühmte 
neunstöckige Pagode besuchte, wo er denselben im 7. Stockwerk von der 
Erde aufhob und mit nach Hause nahm, Ein grosser Theil dieser Bauten 
liegt bekanntlich gegenwärtig in Trümmern, und es ist unter den gegen- 
wärtigen Umständen gar nicht abzusehen, ob der noch stehende Theil für 
die Dauer dem gänzlichen Verfall wird widerstehen können. Als ich von 
Dr. Kane nach Hause ging, kam ich an einem schwarzen düstern Ge- 
bäude vorüber, das ein gefängnissartiges, Aussehen hatte. Es war der Ort, 
wo die armen chinesischen Eingebornen, bevor sie nach der Insel Cuba 
verschifft werden, Unterkunft finden. Ich trat ein, und ersuchte den Inspec- 
tor die Anstalt im Innern besichtigen zu dürfen, allen man schien Be- 
denken oder Sorge zu tragen und führte mich bloss im Hofraume herum. 
Es mochten ungefähr 200 Chinesen, bleiche, hagere, verkommene Gestal- 
ten zugegen gewesen sein. Man bemerkte mir, es sei dermalen nicht 
die eigentliche Saison für die Verschiffung dieser armen Geschöpfe. Zu 
jener Zeit sollen oft über 1000 Chinesen in diesem Gebäude unterge- 
bracht sein. Ich habe später Exemplare der wichtigsten auf diesen Men- 
schenhandel bezüglichen Documente erhalten, und werde denselben an 
geeigneter Stelle zur Kenntniss des grossen Publieums bringen. 

Hier nur noch die Bemerkung, dass gegenwärtig Macao der Haupt- 
verschiffungs-Platz für chinesische Arbeiter nach der Havana ist, wohin 
jährlich von dem genannten Orte über 10,000 abgesendet werden sollen. 
Die Fahrt geschieht meistentheils auf französischen und leider! — auf 
deutschen Schiffen, und dauert in der Regel 4—5 Monate, wofür dem 
Kapitän 70 Doll. pr. Kopf Reisespesen bezahlt werden. Wir begegneten 

w*® 


304 Dr. K. Scherzer. Mittheilungen aus Shanghai. 


einem solchen Transportschiffe, dein Schraubendampfer Cleopatra in der 
Bay von Manila, wo derselbe einlief um Lebensmittel einzunehmen. Auf 
‚der Fahrt von Amoy nach Manila (circa 1000 Meilen) hatte derselbe von 
seiner Menschenladung, die aus 450 abgehärmten, leidenden Chinesen be- 
stand, bereits 11 durch den Tod verloren. Bevor der Dampfer wieder 
absegelte, waren neuerdings zwei Chinesen gestorben. Und diess geschah 
am Anfang der Reise, wo das Wasser noch gut, die Emigranten durch 
die Reise noch nicht viel gelitten hatten ! — — — 

Die letzten Tage meiner Anwesenheit in Hongkong brachte ich fast 
ausschliesslich mit Körpermessungen im Gefängnisse und Spital zu. Ich 
habe Ihnen schon in meinen frühern Schreiben berichtet, wie ich es mir 
zur Aufgabe gemacht, nach einem von Herrn Dr. Schwarz entworfenen 
Systeme an den verschiedenen von uns besuchten Völkerstämmen Messun- 
gen anzustellen, welche dazu dienen sollen, den Weg zu einer Classi- 
fieation des Menschengeschlechtes auf Grund der verschiedenen Körper- 
Proportionen der einzelnen Racen zu bahnen. Was Thermometerbeobach- 
tungen für die genaue Bestimmung der Temperatur eines Ortes, das schei- 
nen mir Messungen für die exacte Darlegung der normalen Körperpro- 
portionen der verschiedenen Menschen-Racen zu sein. Die schärfste per- 
sönliche Anschauung wird immer mehr trügen und unzuverlässig sein als 
das Band, Maass und der Greifzirkel. In einen Vortrag, den ich am Tage 
vor meiner Abreise von Wien in einer Sitzung der k. k. geographischen 
Gesellschaft über die „wissenschaftlichen Aussiehten‘ der Novara-Expedition“ 
zu halten die Ehre hatte, wagte ich bereits anzudeuten, wie wichtig und 
wünschenswerth es wäre, nach einem bestimmten Plane Messungen des 
Schädeldurchmessers und der verschiedenen Dimensionen des Körpers und 
der Gliedmaassen an mögliehst vielen Individuen von mittlerem Alter vor- 
zunehmen, um endlich einmal dazu zu gelangen, dem Kaukasier (nach 
Quetelet’s Begrifi) den normalen Malayen, Hindu, Mongolen, Indianer, 
Papu u, s. w. entgegenzustellen. Aber ich setzte damals noch wenig Hofl- 
nung in die Ausführung dieses Vorhabens. Durch die freundliche, wahr- 
haft hingebende Unterstützung eines der Aerzte der kaiserlichen Expedi- 
tion, des Herrn Dr. Schwarz, war ich bereits in der erfreulichen Lage, 
an mehr als 150 Individuen der verschiedenen, von uns besuchten Men- 
schenracen Messungen, und zwar 68 an jedem einzelnen Individium vor- 
zunehmen, was über 10.000 einzelne Messungen ergibt. Ich werde so 
frei sein, eine ausführliche Beschreibung des bei diesen Messungen von 
Herrn Dr. Schwarz und mir verfolgten Systems nebst seiner Bedeutung 
für Anthropologie, vergleichende Anatomie und Volkswirtbschaft (Bestim- 
mung der Arbeits-Kraft) von Sidney aus an die k. k. geographische Ge- 
sellschaft einzusenden, und beschränke mich heute auf die Mittheilung, dass 
es die Zuvorkommenheit Seiner Exeellenz des Gouverneurs Sir John B ow- 
ring ermöglichte, unter 300 Sträflingen die für unsere Zwecke geeig- 
netsten Individuen auswählen und messen zu können. Im Ganzen haben 
wir so weit es unsere auch von anderweitigen Beschäftigungen in An- 
spruch genommene Zeit erlaubte, — in Hongkong an 26 männlichen und 
3 weiblichen Chinesen Körper- und Schädelmessungen vorgenommen. Ge- 
lingt es uns dieses ausgedehnte Messsystem auf alle Racen der von der 
kaiserlichen Expedition noch zu besuchenden Länder anzuwenden, so dürf- 
ten sich Resultate ergeben, welche reichlich für die unsägliche Mühe, An- 
strengung und Geduld entschädigen werden, womit diese Messungen, an- 


Dr. K. Scherzer. Das erste Jahr der Erduinsegelung Sr. M. Fregatte Navara. 305 


gestellt an Individuen einer wenig reinlichen Gesellschaftsclasse bei einer 
Temperatur von 29 bis 31° Cels. in oft halbverschlossenen, dumpfen Räumen 
verbunden sind. — Ehe wir von Shanghai scheiden, erhalten Sie noch ein 
zweites Schreiben. Ich bitte, den verehrten Mitgliedern der k. k. geo- 
graphischen Gesellschaft die freundlichsten Grüsse zu bringen, und die 
Versicherung der Gefühle inniger Verehrung zu genehmigen. 
Shanghai (China) 31. Juli und 2. August 1858. 
(Empfangen Wien den 1. October, W. Haidinger.) 


XI. 
Das erste Jahr der Erdumsegelung S. M. Fregatte Novara. 


Bericht an Herrn k. k. Sectionsrath W, Haidinger. 


Von Dr. Karl Scherzer. 


Am Bord S. M. Fregatte Novara, in See, 
Gaspar-Straits, 2043" S. B.1070 49" öst. L. 
Geschrieben am 30. April 1858. Erhalten 
Wien am 14. Juli. 


Hochverehrtester Herr! Ich glaube den heutigen Tag, den Jahrestag 
der Abfahrt der Novara von Triest nicht würdiger begehen zu können, 
als indem ich den verehrten Mitgliedern der k. k. geographischen Ge- 
sellschaft, welche diesem vaterländischen Unternehmen so edle Theilnahme, 
zuwenden, von meiner stillen Cabine aus Rechenschaft ablege, über die 
Art und Weise, wie ich dem Vertrauen, welches die Gnade Seiner kaiser- 
lichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Ferdinand Maximi- 
lian in mich setzte, nach meinen Kräften zu entsprechen bemüht war. 
Bei einen so grossartigen, herrlichen Unternehmen, auf dessen Erfolge 
die Augen der ganzen gebildeten Welt gerichtet sind, erscheint es mir 
Pflicht jedes einzelnen dabei Betheiligten, von Zeit zu Zeit darüber Kunde 
zu geben, „wie er mit dem Pfunde gewuchert habe,“ das ein benei- 
denswerthes Geschick in seine Hände gelegt. Jedoch ist es nicht der 
Zweck dieser Blätter in die Details eines jeden Aufenthaltes der 
Novaraexpedition einzugehen, vielmehr sollen im Nachfolgenden bloss die 
Resultate, welche an jedem einzelnen der besuchten Punkte von dem erge- 
benst Gefertigten gewonnen wurden, übersichtlich zusammen gestellt werden. 
Zugleich werde ich mir erlauben, ein Verzeichniss der hervorragendsten 
Persönlichkeiten, mit welchen die Reiseexpedition in Berührung kam, so 
wie der von mir für dieselbe erworbenen Bücher und ethnographischen 
Gegenstände beizufügen. 

1. 6ibraltar. (10 Tage Aufenthalt.) 

A. An Aufsätzen eingesandt: Handelspolitische Notizen über Gibral- 
tar, mit Rücksicht auf den österreichischen Handel im Mittelmeere. 

B. Den Zweeken der kaiserlichen Expedition ist hier be- 
sonders förderlich gewesen: M. J. Frembly, Kanzler des k. k. österr. 
Consulats, Geolog und eifriger Sammler. 

2. Madeira. (10 Tage Aufenthalt. ) 


306 Dr. K. Scherzer. 


A. Aufsätze: 1. Handelspolitische Notizen über die Insel Madeira 
und Porto Santo. 

2. Ueber das erste Auftreten der Cholera in Madeira. (Für die k. k. Ge- 
‚sellschaft der Aerzte bestimmt.) 

B. Den Zwecken der kais. Expedition haben sich besonders 
dienstlich erwiesen: 

1. Don Antonio Pedro de Azevedo, Major im Geniecorps, Geolog und 
Meteorolog , eifriger Forscher. 2 

2. Don Joä Maria Moniz, Botaniker. 

3. Don Carlos Bianchi, k. k. österreichischer Consul. 

4. Richard Smith, Hortikulturist. 

3. Rio de Janeiro. (26 Tage Aufenthalt.) 

A. Aufsätze: 1. Brasilien, in seiner Bedeutung für den deutschen 
Handel, die deutsche Industrie und die deutsche Emigration. 

2. Ueber den Gebrauch des aus der Hura Brasiliensis gewonnenen Milch- 
saftes (Assacü), bei chronischen Hautübeln, und die Anwendung des Bisses der 
Klapperschlange gegen Elephantiasis Graecorum. (Für die k. k, Gesellschaft der 
Aerzte bestimmt.) . 

3. Ueber das südamerikanische Pfeilgift Curare. 

4. Wörterverzeichniss der Mozambique-Sprache. 


B. Erworbene Bücher, Druckschriften u. s. w, 

1. A. Confederacäo dos Tamoyos. Poema por Domingos Jos6 Gongalves deMagalhäes. 
Rio de Janeiro 1856. (Auf Kosten des Kaisers von Brasilien in einer geringen Anzahl 
von Praehtexemplaren gedruckt, undvon$S.Majestätdem Gefertigten zum Geschenk gemacht). 

2. Grammatica do lingua geral dos Indios do Brazil, por Joao Joaquim da Silva Gui- 
maräes, Bahia 1851. 

3. Tratado descriptivo do Brazil em 1537, obra de Gabriel Soares de Souza, Sen- 
hor de engenho da Bahia, nella residente dezesete annos, seu vercedor da camera etc. Edieäo 
castegada pelo estudo e exame de muitos eodices manuscriptos existentes no Brazil em Por- 
tugal, Hespanha e Franga e acerescendada de alguns commentarios a obra por Franeisco 
Adolpho de Varnhagen. Rio de Janeiro 1851. 

4. Memoria sobre las minas da capitania de Minas Geraes, suos discripeoes ensaiög e 
domicilio proprio, ete., eserito en 1801 pelo Dr. Jose Vieira Couto. Rio Janeiro 1842. 

5. Intrucedes para a commissäo seientifica, eneorregada de explorar o interior de algu- 
nas provincias do Brazil, Rio de Janeiro 1857. 

6. Le budget du Bresil, ou recherches sur ces ressources de cet Empire dans leurs rap- 
ports avec les interets europ6&ens du commerce et de l’&migration, par le comte Auguste Van 
der Straten-Ponthoz. Paris, 1854. 3 vol 8°. 

7. Historia, eriminal do Governo Inglez, desde as premeras matangas da Irlanda ate o 
envenenamento dos Chinas. Por Elias Regnault. Rio de Janeiro 1842. 

8. Revista trimensal de historia e geographia o Jornal do Instituto historico e geogra- 
phico Brazileiro Fundato no Rio de Janeiro debaixo da immediato proteceäo de S.M.I.o 
Senhor Dom Pedro II. Rio de Janeiro 1848. 4 vol. 

9. As Lusiadas, poema epico de Luiz de Camoens. Rio de Janeiro 1856. 

10. Plutarco brasileiro por I. M. Pereira da Silva. Rio de Janeiro 1847. 2 vol. 

11. Colleccäo de proverbios, adagios, rifäos, anexins, sentengas moraes e idiotismos da 
lingoa Portugueza por P. Perestrello daCamera. Rio de Janeiro 1848, 

12. Luiz de Camöens, Drama en einco Actos por L. A. Burgain. Rio de Janeiro 1845. 

13. Florilegio de Poesia Brazileira, ou ceolleceäo dos mais notaveis composigoes dos 
poetas Brazileiros Falecidos contendo as biographias de muitos dellos.3 vol. Lisboa 1850. 

14. Folhinha do Sabio para o anno de 1857. 

15. Almanak administrativo mercantil e industrial da Corte e provincia do Rio de Ja- 
neiro para o anno de 1857. 

16. Eine complette Sammlung der neuesten Ministerial-Berichte über das brasilianische 
Kaiserthum vom Jahre 1856—57. 

17. Eine Anzahl älterer und neuester brasilianischer Volksgesänge und Melodien. 


vv. 


Das erste Jahr der Erdumsegrlung S. M. Fregatte Novara. 307 


C. Um die Zwecke der kais. Expedition haben sich ganz be- 
sonders verdient gemacht: 1. Herr H. v. Sonnleithner, k. k. öster- 
reichischer Minister-Resident. 

2. Das k. k. österreichische General-Consulat (Schröder et Co. durch 
Herrn Liebich gegenwärtig vertreten.) 

3. Don Manoel Ferreira Lagos, Viee-Präsident des historisch-geogra- 
phischen Institutes. Zoolog (besitzt eine grosse entimologische Sammlung) 

4. Dr. Schüch de Capanema. Professor der Mineralogie an der Ma- 
rine-Schule, Mitglied des Institutes. 

5. Manoel Araujo de Porto Alegre, Direetor des Museums der schö- 
nen Künste. 

6. Dr. Franeisco de Paula Candido, Leibarzt Seiner Majestät des Kai- 
sers von Brasilien, Professor an der medieinischen Schule, Anatom. 

7. Dr. Bento Maria da Costa und 

8. Dr. Jose Teixeira de Souza, Aerzte im Marine-Hospital von St. 
Isabella und der Jurujuba Bucht. 

9. Don Ildefonso Gomez, Arzt, ausgezeichneter Botaniker (warmer 
Freund der Fremden und namentlich der Deutschen, hat gleichzeitig mit Hum- 
boldt in Paris gelebt.) 

10. Dr. Candido de Azeredo Coutinho, Director der Münze. (Durch 
die Bemühungen dieses gastlichen Mannes ist es mir gelungen eine eomplette 
Sammlung brasilianischer Gold-, Silber- und Kupfermünzen für das k. k. Münz- 
und Antikenkabinet in Tausch zu erhalten.) 

Noch darf ieh die Namen zweier deutscher Landsleute nicht vergessen, die 
jeder in seiner Weise und nach seinen Kräften unseren Mitgliedern der natur- 
wissenschaftliehen Commission von grösstem Nutzen gewesen und verdienen, 
dass ich in diesen Zeilen den verbindlichsten Dank für ihre Dienstgefälligkeiten 
ausspreche. 

Es ist Herr Karl Woge Apotheker, Eigenthümer der Phamacia Franceza- 
Allemäo, und Herr H. Lämmert, Buchhändler, seit 26 Jahren in Rio etablirt, 
der sich um die Verbreitung nützlicher Kenntnisse unter der Volksklasse dureh 
die Herausgabe billiger Schriften grosse Verdienste erworben. 

4. Capstadt. (24 Tage Aufenthalt. ) 

A. Aufsätze: 1. Die neuesten linguistischen Arbeiten der Capeolonie. 

2. Ueber einige Nutzpflanzen der Cap-Colonie mit Hinbliek auf deren mög- 
liche Verpflanzung nach den Küsten Istriens und Dalmatiens. 

3. Wörterverzeichniss der Mozambique-Sprache, mit 2 Negern von Quili- 
mani aufgenommen. 

4. Ueber mehrere Heilstoffe der Hottentotten, Kaffern, die Pferdekrankheit 
am Cap und ihre Verheerungen. 

5. Die handelspolitischen Verhältnisse der Capeolonie mit Benützung der 
neuesten ofhieiellen statistischen Daten. 

B. Erworbene Bücher, Drucksehriften und andere Gegen- 
stände. 

1. English-kafir Dietionary of the Zulu-kafir language By J. Perrin Pietermaritz- 
burg 1855. 

2. The kafir language, (history and grammar) by R. John W. Appleyard. Kingwil- 
liamstown, 1850. 

3. A Zulu-kafir Dietionary, by Döhne, Capetown, 1857. 

4. A Grammar of the Namaqua Hottentot language by the Rd Henry Tindall, Wesleyan. 
Missionary, Capetown 1857. 

5. The language of Mozambique. By Dr. W. T. Bleek, Lond, 1856. 

6. An outline of the Mädagascar language. Mauritius 1845. 


308 Dr. K. Scherzer. 


7. A vocabulary of the dialects of the South Western Australia, by Capt. George Grey, 
Governor of South Australia. London 1841. 

8. Treatise of Dr. Bleek, on the languages of South Africa 1857. 

9. History of the Basutus of South Africa, Capetown 1857. 

10. The Malaysof Capetown in South Africa, By J. Schofield Mason 1855 Manchester. 

li. Two leetures on the Native tribes of the Interior, By Rd. E. Salomon. Cape- 
town 1855. 

12. Die vier Evangelien in der Sprache der Sesutos. Capetown 1858. 

13. Die vier Evangelien in der Hottentotten-Sprache. Capetown 1851. 

14. Des Pilgers Fortschritt (The pilgrims progress) in der Sechuana-Sprache. 

15. Epistel Paulus an die Römer in der Carnataca-Sprache, gesprochen von den Ein- 
gebornen der Küste von Malabar bis Mysore. 

16. Carnataca Englische Sprachlehre. Madras 1841. 

17 Die heilige Bibel in der Teluga-Sprache 1851. 

18. Druckschrift in der Tamil Sprache. (unbekannten Inhaltes). 

19. Druckschrift im Hindostanischen, (unbekannten Inhaltes). 

20. Geschichte des alten Testamentes im Siamesischen. 

21. A view of China for philological purposes, containing a sketch of Chinese Chrono 
logy, Geography etc. Macao 1817. 

22. 23. 24. Chinesische Druckschriften biblischen Inhaltes. 

25. On the languages of Southern and Western Africa. By Dr. W.J. Bleek, Lond, 1855. 

26. The Natal-kafirs. By Dr. Moodie. 1857. 

27. Specimens of the Authentio Records of the Colony of the Cape of Good Hope, rela- 
tive to the aboriginal tribes. By D. Moodie. Capetown 1841. (Sehr werthvolles und äusserst 
seltenes Werk). 

28. Correspondence between D. Moodie and the Rd. J. Philipp relative the Authen- 
tie records ete. Capetown 1841. 

29. Cape of Good Hope Blue book, 1855. 

30. Correspondence between H. E. Sir George Grey ete. and H. M's. Prineipal secre- 
tary of State of the colonies, on the affairs of the Cape Colony, Natal and adjacent Coun- 
tries. Capetown 1857. 

31. Treatise entered into by Governors of the Cape of Good Hope and other british 
Authorities with native chieftains and others beyond the border of the Colony between the 
year 1823 till 1854. 

32. Titles and index to Ordinances 1825— 53 enacted by the Government of the Co- 
lony of Good Hope. Titles and Index to Acts of Parllament 1854—56. Capetown 1857. 

33. Report of special Commissioner on the Granting and occupation of farms in the 
distriet of Vietoria and Queenstown. Capetow. 1857. 

34. Report on public education. 1853—56. Capetown 1857. 

35. Abstract on population, returns of the Colony’ of the Cape of Good Hope. Cape- 
town 1857. . 

36. Handing rules and orders of the legislative council of the Cape of Good Hope 1854, 

37. Reports of surveys conducted by eivil Engeneers department, Capetown 1857. 

38. Report of the Surveyor Gen. Charles Bell Esq, on the Copper fields of little Nama- 
qualand. Capetown 1845. 

39. Report upon the Mineral and geological Structure of South Namaqualand and the 
adjoining mineral distriet. Capetown 1857. 


40. Sammlung sämmtlicher in den Jahren 1856—57 erschienenen oflciellen öffent- 
lichen Acte und Erlässe in fliegenden Blättern. Capetown 1857. 


41. Three lectures on the Cape of Good Hope, By E. Watermeyer. Capetown 1857, 
42. Five lectures on the Emigration of the Dutch Farmers. Capetown 1856. 

43. Cape Agriculture, in two leetures. Capetown 1857. 

44. Notes on the horse sickness at the cape.of Good Hope. Capetown, 1856. 

45. South Central-Afriea and its Explorers. Capetown 1856. 

46. Synopsis of the edible Fishes at the Cape. By D. L. Pappe. Capetown 1853. 

47. Florae Capensis Medicae Prodromus. By D. L. Pappe 1857. 

48. Silva capensis. By D. L. Pappe. Capetown 1854. 

49. The Cape Monthly Magazine. Nr. 1—10 Jan. to Octob. 1857. 

50. Eastern Province Monthly Magazine Grahamstown, 1857. 

1. The Natal Journal. Pietermaritzburg 1857. 

2. TheSouth-African Church Magazine 1857. 

3. The South-African Evangelical Magazine Octob. 1857. 

4. Correspondence betwen the Committee of the South African Bible Society, relative 


Das erste Jahr der Erdumsegelung Sr. M. Fregatte Novara. 309 


to the translations, Printing and Circulation of the scripture in the native languages of South 
Africa. Capetown 1857. 

55. Third Report of the Cape of Good Hope Sailor's home. Capetown 1857. 

56. De Gereformeerde Kerk Bode in Zuid-Africa, 

57. Elpis, Algemeene Tijdschrift voor Zuid-Airica. Kaapst. 1857. 

58. South-Africa to 16° S. Lat. Map by H. Hall 1857. 

59. Missions in South-Africa. Dublin 1845. 

60. The 37th. Report of the Committee of the London Association in aid of the Missions 
ofthe United brethren, London 1855. 

61. Naturhistorische und medieinische Beobachtungen über Genadendal (Gnadenthal) 
in Südafrica von D. R. Roser 1856. 

62. The Cape of Good Hope Almanack 1857. 

63. Universal Exhibition, Cape Colony 1855. 

64. Lake Ngami by Ch. J. Andersson. London 1856. 

65. Sammlung der sämmtlichen in der Cap-Colonie gedruckten Tagblätter 1857. 

66. 67. 68. Gedichten. De kalifa. Gezelschaps Liedern von Saussa de Lima. 

69. Poetry ofthe New Zealanders by Sir George Grey. Wellington, New Zealand 1853. 

70. Maori-Mementos presented to Sir George Grey by the native people. Auck- 
land, 1851. 

71. Journal of an Overland-Expedition from Auckland to Taranaki in 1849—50, by 
Sir George Grey. Auckland 1851. 

72. l,etters on tlıe Nikobar islands. Adressed by the R. J. G. Hänsel, (the only sur- 
viving missionary) to the R. C. L. Latrobe. London 1812. 

73. Short Notices on’ Madagascar by James Cameron. Mauritius, 1854. 

Ferner an Sämereien, von Myrica Cordifolia ( Waxbery Shrub) 
nebst einem Stückchen des aus den Innern dieses Strauches genommenen 
Wachses. Von Holcus Caffrorum. Imphie.) Von Holeus saccharatus (Chinese 
Sugar plant). Von Fabricia laevigata (äusserst vortheilhaft zum Anbau an 
der Küste, da dieser Strauch im Sande sehr gut fortkommt und am Kap einer 
der Pionniere der mehr wählerischen Pflanzenarten ist. Von Ayaenanche Globosa 
(Wolf’s bean) Heilmittel der Hottentotten. Von Osmitopsis asteriscoides (Bellis). 
Von Leonotis Leonurus (wild dagger) von den Hottentotten zum Zwecke der 
Berauschung geraucht. Von Eucalyptus diversifolia blue, gum tree). Erst seit 
wenigen Jahren in der Cap-Colonie aus Australien eingeführt, und ganz vortrefl- 
lich daselbst gedeihend. 

Mehrere Exemplare der Tsets& Fliege (Glossina morsitans) vom Flusse 
Chobe in Südafriea, deren Biss bekanntlich dem Hornvieh und Pferden der Colo- 
nisten tödtlich wird, und oft furchtbare Verheerungen in gewissen Distrieten 
anrichtet. (Von Missionär Dr. Livingstone mitgebracht). 

1 Stück Snake root (Nasturtium), von den Buschmännern angeblich als 
Decoct gegen Schlangenbisse angewendet. 

1 Stück Fly-root (Präservativ), gegen den Biss der Tsetse Fliege bei 
Pferden angewendet. 

Hyraceum (von Hyrax Capensis). 

1 Buschmannschädel vom Schlachtfeld genommen. Geschenk des Gouver- 
neurs Sir George Grey. 

1 Gefäss mit Früchten in Weingeist von Port Natal. 

Plastische Darstellung der 4 Haupt-Racen welche die Cap-Colonie bewoh- 
nen, aus Thon. Haare von Kaffern und Kalferweibern. Opferdüten vom Grabe 
eines malayischen Profeten in Sandvliet bei Capetown. 

C. Namen der Männer, welche sich um die kais. Expedition 
und die Förderung ihrer Zwecke grosse Verdienste erworben: 

Sir George Grey K. €. B. Gouverneur der Capcolonie seit 1845. Früher 
Gouverneur von Südaustralien und Neuseeland, beschäftigt sich vornehmlich mit 
philologischen Studien. 

Hon. Rawson W. Rawson, Colonialsecretär. 

T. Maclear, Direetor der Sternwarte. 


310 Dr. K. Scherzer. 


A. Wyley Geolog. 

L. Layard, Seeretär des südafrikanischen Museums, 

Charles Fairbridge Advocat. 

Saul Salomon, Parlamentsmitglied, Buchdruckereibesitzer. 

Dr. H. Bickersteth, Director des Spitals, verehrte dem Expeditions- 
arzt Herrn Dr. Schwarz ein sehr werthvolles Buschmann-Skelett für die kaiserl. 
Expedition und eine Anzahl schätzenswerther Druckschriften. 

Julius Mosentbal, österreichischer Consul. 

Dr. Laing, Arzt und Sanitätsrath der verschiedenen öffentlichen Anstalten. 

Dr. L. Pappe, Botaniker, bereicherte wesentlich die Sammlungen unse- 
res Botanikers mit Exemplaren der Capflora. 

Dr. €. E. Juritz, Pharmaceut, dänischer Consul; verehrte der kaiserli- 
chen Expedition eine sehr schön zusammengestellte Droguensammlung der Dro- 
guen der Capeolonie. 

William de Smidt, Central Road board Secretary; verehrte der kaiserl. 
Expedition die eben angeführten Sämereien und versprach eine noch grössere 
Anzahl davon nach Wien zu schicken, namentlich von jenen Pflanzen, welche 
sich zum Anbau dicht an der Meeresküste eignen und die immer mehr fortschrei- 
tende Ausdehnung des Sandes verhindern. 

Dr. W.H.J. Bleek, Philolog, vom Gouverneur Sir George Grey zur 
Ausarbeitung der von ihm vorbereiteten Arbeiten über die Sprachen Süd-Africas 
gewonnen. 

In Worcester (etwa 60 englische Meilen von der Capstadt) Rr. D. 
Esselin, Missionär der rheinischen Brüder-Gemeinde, Hesse von Geburt, 
ungemein dienstgefällig und gastlich. 

In Gnadenthal (Genadendaal) Distriet Caledon: Rd. Dr. Kolbing, 
Superintendent der dortigen mährischen Brudergemeinde, Botaniker. 

Dr. R. Roser, Arzt, Geolog. 

5. Inseln St. Paul und Amsterdam im südindischen Ocean. (Aufenthalt 
18 Tage.) 

A. Aufsätze: a) Geographisch-historische Skizze. Ein Besuch auf den 
Inseln St. Paul und Amsterdam im indischen Ocean. Novemb. — Decemb. 1857. 

b. Erworben: Manuel des hahitans de St. Domingue, contenant un 
preeis de l’histoire de cette isle depuis sa d&eouverte. Paris 1802. 

6. Insel Ceylon. (Aufenthalt 8 Tage.) 

A. Aufsätze: 1. Ueber Mahawanso, den ältesten geschichtlichen Bericht 
über Ceylon, in 9175 Versen und in der Palisprache, und mehrere andere sin- 
galesische Manuseripte, 

2. Handelspolitische Notitzen über die Insel Ceylon mit Benützung der 
neuesten offieiellen statistischen Quellen. 

Erworbene Bücher und Gegenstände: 

1. Prodromus faunae Zeylanicae, benig contributions to the Zoology of Ceylon, by 
E. L. Kelaart. M.D., F,L.S. 1852. 

2. The Ceylan Almanach and annual Register for the year of our Lord. 1856 and 1857. 

3. The Sidath-Sangarawa. A. grammar of the Singhalese language Translated into 
English with introductions, notes and Appendices by James de Alwis, Colombo 1852. 

4. Journal of the Ceylan Branch of the R. Asiatic Society for 1848, 50, 53. (unvoll- 
ständig). 

? Journal of the Indian Archipelago and Eastern’Asia, edited by J. R. Logan F. S.S. 
1849, 50, 51, 52, 1854. (unvollständig). 

6. Tamil Calendar 1849. 

7. Ceylon Miscellany. Colombo 1855. 

8. Coffea-planting in Ceylon past and present. Colomb. 1855. 

9. An essay on the human mind. By the Rd. J. R. Mutteekistna Colonial Chaplain 
Colombo 1849. (Singhalese). 


Das erste Jahr der Erdumsegelung Sr. M. Fregatte Novara. 311 


10. Colombo friend of need society, 21st. Report. Colombo 1853. 


11. Introductory report of the Natural history of the Pearl oyster of Ceylon. Trinco- 
malee 1857. 


12. Report on the Tamblecaım Pearl-oyster fishery 1857. 
13. Ceylon Blue Book, 1846. 


14. Mahawanso in Pali, auf Talipot-Blättern nebst vier andern Manuscripten auf 
Palmenblätter im Singalesischen. 


15. George Turnour's englische Uebersetzung des Mahawanso in römischen Buchstaben 


mit dem nebenstehenden Original und einem einleitenden Versuch über Buddhistische Pali- 
Literatur. Colombo 1837, 


16. Eine Anzahl singhalesische Manuscripte auf Palmenblättern, 


17, Exemplare von sümmtlich auf der Insel Ceylon erscheinenden Tagblätter und 
Monatsschriften. 


C: Persönlichkeiten, welehe die wissenschaftlichen Zwecke 
der Expedition zu fördern bemüht waren: 

1. In Pointe de Galle: Herr H. Sonnenkalb, Hamburger Consul, hat 
allen Mitgliedern der Expedition den herzliehsten zuvorkommendsten Empfang 
zu Theil werden lassen. 

2. In Colombo: Mr. David Wilson, k. k, österreichischer Con- 
sularagent. 

Mr. John Selby, Redacteur des Colombo Examiner. 

Dr. E. L. Kelaart, Geolog. 

Charles Peter Layard, Gouvernement-Agent for the Western Proyince. 

Capit. Gosset, Surveyor General, Ceylon. 

R. P. E. Miliani, Benedietiner, in der Mission St. Sebastian-Makun, 
auf dem Wege von Pointe de Galle nach Colombo. (Ich erlaube mir hier 
die Bemerkung beizufügen, dass die erste grosse Sendung der Novara- 
expedition von Ceylon abgesendet wurde, und zwar vom Hafen Pointe de 
Galle, von wo aus am 6. März d. J. 31 Kisten naturwissenschaft- 
lichen Inhaltes mit der Hamburger Brig Gustav und Ernst, Capit. Peter 
Hansen durch die Vermittlung des Herrn H. Sonnenkalb an das k. k. 
Generaleonsulat in London zur Weiterbeförderung nach Triest abgegan- 
gen sind, und wohl gegen den 6. Juli a, e. dort eintreffen dürften. Ich 
bemerke diess hauptsächlich darum, damit sich nieht vielleicht mit dieser 
Sendung ein ähnlicher Fall ereigne, wie mit den durch Herrn Dr. Schwarz 
abgesandten Kisten mit höchst werthvollen anatomischen Präparaten, welche 
wie wir eben aus englischen Zeitungen in Singapore erfuhren, wegen 
mangelhafter Addressirung von Seite des Spediteurs vom Londoner Custom- 
house zurückbehalten wurden). 

7. Madras. (Aufenthalt 10 Tage). 

a) Aufsätze; Ein Besuch bei dem Monolith- Tempeln von Mohama- 
taipuram oder den sieben Pagoden, 

2. Bericht über die handelspolitischen Verhältnisse von Madras, mit 
Benützung der neuesten offiziellen Documente. 

b) Erworbene Bücher und Gegenstände: 

1. Report of the Madras Chamber of Commerce 1839, 40, 41, 45, 50, 54—1857. 

2. Madras Almanack and general directory 1856 bis 1857. 

3. Statement of Imports and Exports for 1857 and. 1858. Published by order of the 
Right Hon. Governor in couneil. Madras 1857, 1858. 

4. The commercial products of the Madras presideney as shewn by its exports and 
imports, their quantities and values for the 4 years 1852—1856 inclusive. Prepard [rom the 
Madras Commercial Reports. Madras 1857. 

5. Map of India 1857. 

6. The Hindoo Pantheon, comprising the prineipal deities worshipped by the natives 
of British India; being a collection of coloured sketches representing the Gods and Goddesses, 
accompanied by a suceint history and description of the idols, recognized in Siwa reli- 
gion. ete. By G. A. Rodriguez. Madras, 1845 (sehr selten). 


312 Dr. K. Scherzer. 


7. The Religion of Vishnoo (Wischnu). The history of the mostremakable tsveno f. 
the Avatrarso Incarnations of Vishnoo, the preserving power of India. By G. Rodriguez. A.e 
Madras 1849. 

8. Selection’s from the Records of the Madras Government. By G.Balfour. Madras 1857. 

9. Hindu-Manuskript auf Palmyra-Blättern von Mahamalaipuram, 

10. Sämmtliche in Madras erscheinende Tagblätter und Wochenschriften in einzelnen 
Exemplaren, sowie eine Sammlung aller auf die Madras Exhibition vom Jahre 1857 sich 
beziehenden Dokumente, 

11. Photographien verschiedener Hindu-Pagoden. 

12. Ein Wischnu Idol aus Holz geschnitzt, von Mahamalaipuram. 

C. Persönlichkeiten, welchen die kaiserliche Expedition 
zu mehrfachem Danke verpflichtet ist: Lord Harris Gouverneur 
der Präsidentschaft Madras. 

J. A. Murray, Secretär des Lord Harris. 

Honbl. Walter Elliot, Vicepräsident der Royal Asiatie Literary Society 
in Madras. 

Dr. E. G. Balfour, translator to Government. 

Dr. A. Hunter (eben nach Europa gereist zur Herstellung seiner 
Gesundheit). 

Dr. H. F. C. Cleghorn, Professor of Botany and Materia medica. 

Dr. J. Kellie, Arzt der sämmtlichen Wohlthätigkeits-Anstalten. 

Mr. J. J. Franklin, Secretary to the Marine board. 

Dr. Alexander Lorimer, Secretary General to the Medical Board. 

Dr. Mudge, Direetor of the Leprahospital and Secretary to the Me- 
dieal College. Durch die Verwendung dieser beiden Herren gelang es dem 
Botaniker der Expedition, Hrn. Dr. Schwarz, ein Exemplar von Wights 
Ieones florae Indicae orientalis zu erwerben, jenem Prachtwerke in 6 dieken 
Quartbänden, welches trotz seines hohen Preises von 36 Pfund Sterling 
ausserordentlich selten geworden ist. 

8. Nikobarische Inseln. (Aufenthalt am Lande 18 Tage.) 

A. Aufsätze: 1. Die Eingebornen der Nikobaren. Ein Beitrag zur 
Ethnographie der Bewohner dieser Inselgruppe. 

2, Wörterverzeichniss von den auf Kar-Nikobar und der südlichen 
Gruppe, sowie auf Pulo Pinang gesprochenen Sprachen. 

B. Erworbene Gegenstände: 

1. Modell eines Canoes der Eingebornen von Kar-Nikobar. 
2. Ohrläppehen-Ornamente (Näng). 
3. Tabaksbüchsen von Bambusrohr (utäng). 
4. Eine Pulverbüchse. 
5. Bogen und Pfeil (lindraeng). 
6. Zimmerverzierung auf einer roh geschnitzten Cocosnuss. 
7. Schildpa (käp, was eigentlich Fisch heisst). 
8. Musikinstrument von Trincut (Dänang). 
9. Weinheber (senöja). 
10. Zwei Teufelsverscheucher. 
11. Flöte von Pulo Milü. 
12. Geschnitzte Schlange (tuläu) von Pulo Mil. 
13. Geschnitzte Schildkröte von ebendaselbst. 
14. Flöte von Kar-Nikobar. 

15. Geschnitzte Figur, einen englischen Marinesoldaten vorstellend, aus Pulo-Milü. 

16. Getrocknete, ausgedrückte Pandanus-Früchte (der Fruchtboden der Pandanus- 
Früchte), welehe von den Eingebornen anstatt kleiner Kehrbesen gebraucht werden. 

17. Aus Holz geschnitzter Dolch von Gross-Nikobar. 

13. Wassergefässe der Nikobaren (ausgehöhlte Kokosnüsse). 

19. Canoesegel aus Pandanusblättern von Gross Nikobar. 

20. Gefäss aus Bambusrohr, von Gross-Nikobar. 

21. Riemen (Ruder) der Eingebornen von Nankauri. 

22. Leiter aus Bambusrohr von Kar-Nikobar. 

23. Weibliche Figur, eine Eingeborne darstellend, aus Holzgeschnitzt, von Gross-Nikobar, 


Das erste Jahr der Erdumseglung S. M. Fregatte Novara. 313 


Gleichzeitig habe ich auf der Nikobarischen Insel im Verein mit dem 
Expeditionsarzte, Herrn Dr. Schwarz, nach einem von demselben entwor- 
fenen Plane an 53 Eingebornen eine Anzahl von Körpermessungen (68 
an jedem einzelnen Individuum) vorgenommen, welche an den verschiede- 
nen, von der kaiserlichen Expedition berührten Punkten fortgesetzt, der Wissen- 
schaft ein bisher noch so wenig benütztes Mittel zur genauern Bestim- 
mung des Racenunterschiedes und Classifieirung der verschiedenen Racen 
an die Hand geben dürfte. Ein Memoir, welches ich hoffentlich schon 
in der nächsten Woche der k. k. geographischen Gesellschaft zu über- 
senden die Ehre haben werde, soll das bei diesen Messungen beobachtete 
System ausführlich belegen und jedes einzelne der genommenen Maasse 
wissenschaftlich begründen. Als Beleg zu diesen Messungen haben wir 
zu erwerben gesucht, Schädel der Eingebornen der Nikobarischen Inseln, 
Kopfhaar von jedem gemessenen Individuum. 

9. Singapore. (Aufenthalt in Folge der Choleraseuche nur 6 Tage). 

A. An Aufsätzen: Handelspolitische Notitzen über Singapore und 
Bemerkungen über den Einfluss des Opiumhandels auf die geistige, kör- 
perliche, sittliche Verkümmerung der ostasiatischen Völker. 

B. Erworbene Bücher, Druckschriften: 

1. Zwei siamesische Manuskripte unbekannten Inhaltes. 

2. A Vocabulary of the Englisch and Malay languages. 34 Edition Singapore 1856. 

3. Das neue Testament im Malayischen. Singapore 1857. . 

4. Dasselbe mit römischen Buchstaben gedruckt. Singapore 1853. 

5. Taman-Pungatauan Bagie Kanak Kana (der Garten des Wissens) 1848, 49, 52 mit 
römischen Buchstaben; in 22 Heften in monatlichen Lieferungen. 

6. Das Leben Abdallah-Munschi’s, während mehr als 30 Jahren Lehrerin Singapore, von 
ihm selbst geschrieben, nebst einer kurzen Geschichte der Malaccastrasse von der Zeit der 
ersten Ankunft der Portugiesen bis auf unsere Tage. In Malayischen Buchstaben. 4° Singa- 
pore 1850. 

7. Naturgeschichte, in Malayischen Buchstaben. 

8. Geographie, in Malayischen Buchstaben. 

9. Weltgeschichte, in Malayischen Buchstaben. 

10. Ueber Künste und Wissenschaften in Malayischen Buchstaben. 

11. Dahwa in Hikayat Binatang. (Populäre Naturgeschichte, in römischen Buchstaben.) 
Singapore 1846. 

12. Puji-Pujian, Malayische Hymnen, in römischen Buchstaben 1855. 

13. Biblische Geschichte, in römischen Buchstaben 1855. 

14. Der Malayische Lehrer. 4 Hefte. 1847 und 1856, in Malayischen und Römischen 
Buchstaben. 

15. Des Pilgers Fortschritt. In Malayischen Buchstaben. 1854. 

16. Geschichte Amins. Nach einer deutschen Erzählung, in römischen Buchstaben. Sin- 
gapore 1853. 

17. Das Betragen des Menschen. In Römischen Buchstaben 1847. 

18. Natural Philosophy in Malay characters, Singapore 1848. (Die meisten dieser 
Schriften sind aus der Singapore Mission-Press hervorgegangen und mir durch den äusserst 
verdienstvollen Missionär Rd. M. Keasberry, der schon seit 22 Jahren in Singapore ‚‚im 
Weinberg des Herrn thätig ist‘‘ zum Geschenke gemacht worden.) 

19. Ein Bugis Kalender (Celebes), 

20. Karte des südöstlichen Theiles der Insel Celebes mit dem Bonigolf, und dem Jrack 
des britischen Schiffes Royalist. 

21. Singapore and the Straits Settlements. By Th. Braddell Esq. Singapore. 1858. 

€. Persönlichkeiten, welehe sich in Singapore gegen die 
Mitglieder der wissenschaftliehen Commission besonders 
dienstgefällig erwiesen: A, Logan, Redacteur der Singapore Free 
Press (Bruder des Herausgebers des „Journal of the Indian Archipelago“ and 
Eastern Asia, Mr. J. R. Logan, welcher nicht mehr in Singapore, sondern 


auf der Insel Pulo Pinang am Eingang der Malaccastrasse lebt, und seine 


314 Dr. K. Scherzer. 


vortreffliche Vierteljahres-Schrift, welche jedoch wie bisher in Singapore 
gedruckt wird, von Pinang aus redigirt). 
; R. B. P. Keasberry, Missionary of the Protestaut Malay Mission, 
Herausgeber der „Gouvernement Gazette“. 

A. M. Aitken, Advokat. 

Indem ich nun meine schwachen Leistungen im Laufe des eben vol- 
lendeten ersten Novara-Jahres, welche mein Thatendrang gerne vertausend- 
fachen möchte — dem Wohlwollen und der nachsichtsvollen Güte 
der k. k. geographischen Gesellschaft empfehle, erlaube ich mir gleich- 
zeitig die Hoffnung auszusprechen, dass es mir auch in diesem Reisejahr 
gelingen werde, wenn mir GOTT Leben und Gesundheit schenkt, des in 
mich gesetzten, so ehrenvollen Vertrauens nieht ganz unwürdig zu sein, 
und das Glück meiner Lage zum Vortheil für die Wissenschaft und zu 
Ehren meines geliebten Vaterlandes zu benützen. 

Genehmigen Sie, vielgeschätzter Herr, schliesslich noch die Versiche- 
rung meiner besonderen Hochachtung, mit welcher ich die Ehre habe zu sein 

Eurer Hochwohlgeboren 
treu ergebenster 
Dr. Karl Scherzer, m/p. 

N. S. Schliesslich finden Sie eine Zusammenstellung der von uns im 

Laufe des Ersten Jahres zurückgelegten Distanzen. 


Novara-Kalender 
vom 30. April 1857 bis 29. April inclusive 1858. 


& |s2]88 2| 85, | 34 8 
i = |73| geus% | 532 | 3383 
Stationen ic) oaAlzeegs o% edE3 
& na | 4325 Br: Bon“ 
2. ae Sr SE 
<178 iS ga 
| Le) 
Von Triest nach Gibraltar . . . 20 | 10 1720 1750 871% 
Von Gibraltar n. Madeira (Funchal) 7 11 650 700 100 
Von Madeira (Funchal) nach Rio 
Janeiro . . 49 | 26 3770 4330 8831, 
Von Rio Janeiro nach Simonsbay 
(Cap der guten Hoffnung) . . 32 24 3160 3870 121 
Von Simonsbay nach der Insel st. 
Pauls sr 24 | 19 2850 3160 132 
Von St. Paul nach Pointe de Galle 
auf Ceylon . . . } 31| 8 2760 3110 100% 
Von Pointe de Galle nach Madras & 15 10 550 1110 74 
Von Madras nach Kar - Nikobar. | 13]o, 18 | 760 Ei 351/214 
Kreuzung zwischen den Inseln .| 14(” 200 360) 251/, 
Von Gross-Nikobar nach Singapore . 20 6 720 960 
Von Singapore nach Batavia (bis 29. 
April inclusive) .. -. 2... 8 — 320 360 45 *) 
Summa 223 | 132 17.460 20.560 
Somit unter Segel ». . .... » 233 
Aufenthalt am Lande. .. . .- 132 


30. April 1857 — 1858 365 —_— _ = _ 


*) Bis zum Mittagspunkt am 29. April. 


Das erste Jahr der Erdumsegelung S. M. Fregatte Novara. 315 


Für das ganze Jahr ergeben sich durchschnittlich 88.2 Seemeilen 
pro Segeltag. Die Rubrik: „Nächste Entfernung“ bedeutet die beiläufige, 
von einem Dampfer zurückzulegende kleinste Distanz zwischen beiden 
angegebenen Stationen. Die darauf folgende Rubrik enthält die Summen 
der, von einem Mittelpunkt zum nächsten directe gemessenen Distan- 
zen. Auf den Nikobarischen Inseln haben wir im Ganzen 32 Tage zuge- 
bracht, davon 444 Tage unter Segel zwischen den Inseln und 48 Tage 
auf dem Lande. 13 Tage dagegen brauchten wir von Madras nach Kar- 
Nikobar der nördlichen Inseln. Im Ganzen also haben wir in dem ver- 
Nlossenen Jahr 20.500 Seemeilen zurückgelegt. 


? . Beiträge zur Geschiehte der Entwicklung der Nivenukarten, sowohl 


. Umrisse aus den Ufernländern des weissen Nil. Von Theodor Kotschy. 75 


- Ueber das Leben und Wirken des Geographen Georg Matthäus Vischer. 2 
. Ein Besuch der beiden Inseln St. Paul und Amsterdam im indischen | 
\ 


Inhalt 


: 

Fr, a 

Berichte über die Versammlungen. Seite 6 B- 
Jahresversammlung am 3. November 1857... 2.2 2222220. 1 er ; 
Versammmlung vom 17. November 1857 ah 25 z f 
2 EA NDezemhen en We m Le wir A 

5 a ER RER VE REN, An} H 

= » 5. Jänner ABGB. N. Are Sn RS N N 

» a1 dr ee, Be RE EN I, 3 


en » 9. Februar FL" Dh. ER EEE TER 


Abhandlungen der k. k. geographischen Gesellschaft. 


Ein Ausflug in die Marmaroscher «arpathen. Von Dr. Alois von Alt. 1 


Von F. Simony und Joseph Fell... ... 2... a 
Das Wassergebiet des Wienflusses. Von J. M. Geytehberhen. .) 


See- als Landkarten. Von Anton Steinhauser.. . . .».. - 2... 58° 


Ocean. Von Dr. Carl Scherzer