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REPERTORIUM
FOR
KUNSTWISSENSCHAFT
REDIGIERT
VON
HENRY THODE,
PROFESSOR AN DER UNIVERSITAT IN HEIDELBERG
UNU
HUGO VON TSCHUDI,
DIRECTOR DF.R KONIGUCHliN NATIONALGALERIE IN BERLIN
XXVI. Band.
BERLIN W.35
DRUCK cnd VERLAG von GEORG REIMER'
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- ^-.~ »i«i m\
THE NEW YORK
PUBLIC LIBRARY
364046
AFT-",». LFN':X AND
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Inhaltsverzeichnis.
Tberdie Proportionsgesetze des mensehlichen Korpcrs auf Grund von Dlire^ Pro-
]ortionslehrc. Von Constantin U'interberg i, ioo, 204, 296, 41 1
lk< ?acher-Schule. Ein Nacbwort zur Kunsthistorischen Ausstellung in Innsbruck.
"on Robert Stia/sny 20
£a £itblom. Von Fricdr. Haack 33
Em Irief Peter Vischers des Alteren. Von Albert Gumbel 97
£a dn l^andskneehten David de Neckers. Von Campbell Dodgson 117
Appinti e document! per l'Arte del pinger su vetro in Perugia nel sec. XV. Di
"onte Luigi Manzoni 120
Notisn zu Georg Breu, Caspar de Crayer, Franciabigio. //'. Schmidt 133
Zweigrofie Gemiilde von Hans Bol in Stockbolm. Axel L. Romdahl 135
Die iotteshauser von Meran, der alten Hauptstadt des Landes Tirol. Von Franz
Jacob Schmitt 1S1
Dae >trambotti inediti per Antonio Vinciguerra e un ignoto ritratto di Vettor Car-
accio. Di Arduino Celasanti 198
D.cdlegorie des Lebens und des Todes in der Gemaldegalerie des Germanischen
Museums. Von Ludiuig Lorenz ?. . 2I9*\
/.ji Seschichte der Plastik Schlesiens von ca. 15 -1720. \'on Ferthold Hacndcke. 22$
Kin deiner Beitrag zur Dlirerforschung. Campbell JJodgson 236
I'etrrca und die bildende Kunst. Von IVerner Wcisbach 265
Ik* Stabbrechen auf den Darstellungen des Sposalizio. \'on Ernst v. Moeller . . 288
Meiier Berthold von Nurnberg, ein Glied der Familie Landauer. Von A. Gumbel, 318
Zua Gebetbuch des Kaisers Maximilian. Heinrich Rot linger 328
Master Nicholas Pietri de Apulia — aus Pisa. Von Ernst Folaczck 361
Die Vision des Ezechiel (cap. 37) auf einer byzantinischen Klfenbeinplatte. Von
E. von Dobschutz 382
Reicienauer Malerei und Ornamentik im (bergang von der karolingischen zur
ottonischen Zeit. Von Gcorg Swarzcnski 389,. 476
Zu Lukas Cranach. Dr. Heinr. Hccrwagcn 425
Tier Darers klinstlerisches SchafTen. Von Ludzvtg Justi 447
Za Hans Multscher. August Schmarsow 496
Za Diirers schriftlichem NachlaB. R. Wustmann 50S
U Leonhard Beck und Sigismund Holbein. Ernst Polaczek 511
Literatur.
Ainalow, D. Die hellenistischen Grundlagen der byzantinischen Kunst. (Russisch.)
G. Wulff ; ; .«. 35
Beiois, Alexander. Les Tresors d'art en Russie. James v. Schmidt 237
Beienson, Bernhard. The Study and criticism of Italian Art. Second Series.
\V. v. Seidlilz 136
Biockhaus, Heinrich. Forschungen iiber Florentiner Kunstvverke. G. Gr. ... 55
Bo:hner, Otto. Die mittelalterliche Grabplastik in Nord-Thliringcn. Dehio . . . 246
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f
Dobschtitz, E. von. Christusbilder und Untersuchungen zur christlichen Legem
Arthur Haseloff
Fabriczy, Cornelius von. Die Handzeichnungcn Giulianos da Sangallo. Ckarl<
Loeser
Grisar, Hartmann. Gescbichte Roms und der Papste im Mittelalter. C. v. Fabriczy.
Gutbmann, Johannes. Die Landscbaftsmalerei der toskanischen und umbrischen
Kunst von Giotto bis Rafael. . Schmarsoiv
Hasak, Max. Die romanische und die gotische Baukunst. Einzelheiten des Kirchen-
baues. Fr. Jacob Schmitt .4
Hermanin, P'ederico. Gli afTreschi di Pietro Cavallini a Santa Cecilia in Traste-
vere. Paul Schubring J ^
Hiazintow,W. Die Wiedergeburt der italienischen Skulptur in den Werken Niccolo
Pisanos. G. Wulff 4.2
L'Arte. Periodico dell' arte medioevale e moderna, diretto da Ad. Venturi. C. z>on
Fabriczy • 252
Last eyrie, Rob. de. Ktudes sur la sculpture franyaise au moyen-age. Vogc . . 5x2
Maafl, Ernst. Aus der Farnesina. Hellenismus und Renaissance. G. Gr 59
Modern, Heinrich. Giovanni Battista Tiepolo. Hans Mackcnvsky *44
Ricci, Corrado. Pintoricchio, sa vie, son oeuvre et son temps. Fr. Malaguzzi
Valeri 442
Schneider, Friedrich. Die Schatzverzeichnisse der drei MainzerKluster Karthausc,
Reichenklaren und Altenmiinstcr bei ihrer Aufhebung im Jahre 1781. Arthur
Haseloff 349
Siren, Oswald. Dcssins et tableaux de la Renaissance italienne dans les col-
lections de la Suede. Hans Mackoivsky 437
5trong, Arthur. Reproduction of Drawings by old masters in the Collection of the
Duke of Devonshire at Chatsworth, — of the Earl of Pembroke and Mont-
gomery at Wilton House. P. K. 60
Vi try, Paul. Michel Colombe et la sculpture franchise de son temps. Dchio . 247
f Ausstellungen.
f Die Brligger Leihausstellung von 1902. Von M. J. Fricdlandcr 66, 147
Die Ausstellung muhammedanischer Kunst in Paris. Von Fr. Sarrc 521
Erfurt. Kunstgeschichtliche Ausstellung, September 1903. Fricdliinder 533
Mitteilungen liber neue Forschungen.
t'ber Annibale da Bassano. HA/. 92
Lorenzo da Monte Aguto. C. v. F. 93
Das Tagebuch Jacopos da Pontormo. C. v. F. 95
Fresken der Capp. Grifo in S. Pietro in Gessate zu Mailand. C. v. F. 176
Cber ein frlihvenezianisches Bild. G. Gr. 177
Tizians himmlische und irdische Liebe. G. Gr 177
Beitriige zu Werken Leonardos. G. Gr 179
Piero di Cosimos Kampf der Kentauren und Lapithen. G. Gr 180
Signorellis Pansbild der Berliner Galerie. C.v.F. 261
Das Marmorrelief der Kronung eines Kaisers im Museo Nazionale zuFlorenz. C. v. F. 262
Das Grabmal Kaiser Heinrichs VII. C. v. F 263
Erwiderung. Hasak, Reg.- u. Baurat 358
Bibliographic Von Ferd. Laban.
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Interim istische Beigabe.
I>er Abdruck diescr Abbildung erfolgt im Text dcs 2. Heftcs.
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TWZ NEW YORK ,
PUBLIC UPRA'T
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flLfifiN FOUNDATIONS |
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Ober die Proportionsgesetze des menschlichen
Korpers auf Grund von Diirers Proportionslehre.
Von Constantin Winterberg.
Im Text zum »Polyklet« pag. 17 bemerkt Schadow, indem er die
*on den bervorragendsten Kunstlern verschiedener Zeiten und Nationen
aufgestellten Proportionsgesetze des menschlichen Korpers diskutiert, bei
dcnen Diirers, dafl von den in dessen » Symmetric des menschlichen
Korpers* dargestellten mannlichen Figuren wahrscheinlich nur eine
(welche, wird nicht gesagt1) naturlich, und nach dem lebenden Modell
genommen sei, die librigen aber dadurch entstanden schienen, dafl aus
Quadraten Rechtecke gebildet waren, die eine ubermafiige Schlankheit
erzeugt hatten. Diese Ansicht findet sich sogar durch Dtirers eigene
Worte scheinbar bestatigt, indem im 3. Buche vorgen. Werkes ein Ver-
fahren von ihm angegeben wird, um auf rein mechanische Art eine ge-
gebene menschliche Figur in eine andere verschiedenen Charakters zu
verwandeln. Allein es wird sogleich hinzugesetzt, dafi die so verwandelte
Figur in den Teilen , welche der Natur widersprachen, der Verbesserung
des Ktinstlers bediirfe, die er denn auch a. a. O. genauer erlautert.
Diirers Intention ist also, wie man sieht, durch mechanische Mittel
dem Anfanger zwar einen gewissen Anhalt, nicht aber ein fertiges Resultat
oder Schema zu bieten, wie Schadow vermutet. In der Tat wird man
trotz einzelner bei alien Figuren ohne Ausnahme bemerkbarer Verstofie
gegen die Natur denselben eine gewisse Eigentiimlichkeit nicht absprechen
konnen, die ihnen ahnlich den Antiken einen Anschein von Lebenstahig-
keit verleiht, derart, dafi, wenn auch in Wirklichkeit nicht vorhanden,
sie die Phantasie des Beschauers gleichwohl lebendig sich denken kann.
Sie gehen damit wie jedes, auch das unscheinbarste Werk von Kiinstler-
hand iiber den Bereich des Lernbaren hinaus, und werden durch die
l) Wahrscheinlich Nr. 3, die sich den Queteletschen auf Messung belgischer
Manner beruhenden Proportionen am meisten n'ahert (Quetelet, Anthropometric
p. 120).
Bepertoriam far Kunstwbsenschaft, XXVI. I
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2 Constantin Winterberg:
Zutat des klinstlerischen Genies geadelt. Darum wird es sich in erster
Linie fttr den Lernenden nicht sowohl um das Verfahren handeln, wodurch
Diirer zu seinen Resultaten gelangt, sondern zunachst um die Klarlegung
der in den a. a. O. gegebenen Zahlen ausgesprochenen Proportionsgesetze,
soweit sie durch einfache Relationen mathematischen Ausdruck finden.
Das Wesentliche davon findet sich in den beiden ersten Btichern
des qu. Werkes zusammengestellt, auf welche sich daher das Nachstehende
beschrankt.
Mafieinheit und Mafibestimmung.
Im ersten Buche wird als Mafieinheit die Korperlange selbst be-
nutzt, als deren aliquote Teile (resp. Summen aus solchen) die librigen
Langenmafie im allgemeinen sich darstellen. Die Bestimmungen halten
sich im wesentlichen an die Gesetze der harmonischen Teilung. — Im
2. Buche wird dagegen als Modulus der 600 te (eigentlich i8oote)')
Teil der Korperlange adoptiert. — Die Bestimmungen erscheinen ubrigens
im ganzen mehr der Wirklichkeit angepafit, wenn auch so noch nicht
frei von aller Willklir, aufierdem ist, um moglichst erschopfend alle
Variationen der Natur zu umfassen, die Zahl der mannlichen Typen von
5 auf 8, die der weiblichen sogar von 5 auf das Doppelte vergrofiert.
Proportionalfigur.
Dtirers Messungen liegen wesentlich die charakteristischen Punkte
der Skelette zu Grunde: insofern ist sein Prinzip als einzig richtiges und
sachgemafies zu bezeichnen. Die Punkte e i 0 q%) bezeichnen dabei
durch weg die Hauptteilpunkte der Korperlange, auf deren so erhaltenen
Abschnitten sich die librigen als Zwischenpunkte interpolieren. Von
Wichtigkeit sind dabei insbesondere die Drehpunkte der Gelenkkopfe
von Oberarm und Oberschenkel, als welche sich theoretisch die Centra
derselben darstellen. — Beim Ellbogen findet sich der ubergreifende Teil
oder Hbcker nicht mit in Rechnung gebracht, wie z. B. bei Schadow,
wrodurch sich jedoch die relative Klirze der Unterarme nach Diirer nur
teihveise erklart. Ebenso die der gesamten Armlange nur teilweise da-
durch, dafi Dtlrer dieselbe bei herabhangender Haltung nicht vom hochsten
Punkte, sondern vom oben bezeichneten Drehpunkt aus bezeichnet. —
In den Querdimensionen fehlt a. a. O. durchweg die Angabe der Maximal-
breite des Oberarms: daflir findet sich der im allgemeinen ihr nahezu
gleiche Vertikalabstand : Halsgrube — Armspalt vom und rtickwarts an-
gegeben: wovon in Tabelle der erstere als Mafi ftir die gen. Maximal-
2) Letzteres zwar nur gclegentlich, doch in bestimmter,freilich illusoriscberAbsicht.
3) Vgl. die beigegebene Proportionalfigur. Hinsicbtlicb der sonst noch im Text
vorkorumenden Bezeichnungen vgl. die Proportionstabelle.
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Cber die Proportion sgesetze dcs meoschlichen Kttrpers etc. 3
breite adoptiert ward in den Fallen, wo dies mit den tibrigen Verhalt-
nissen nicht zu kollidieren schien. Auch von den auf das Maximum der
Rippenbreite beztiglichen beiden Angaben vorn und riickwarts ist im
allgemeinen nur die erstere als ftir die Vorderansicht notwendig, in
Tabelle benutzt.
Beziiglich der Extremitaten ist ferner die Lange ww der horizontal
und seidich erhobenen Arme, gezahlt von Mittel- zu Mittelfingerspitze
von Interesse. Als Analogon dazu ist ebenso die Lange der zur Breiten-
richtung parallelen Basis ibai der Fuflstellung in einzelnen Fallen wichtig,
dadurch erhalten, dafi beide Ftifle bis in die bezeichnete Richtung ge-
dreht werden, indem dabei die Absatzenden p'p' genau lotrecht unter
den Oberschenkelknorren-Centren sich befinden, sodafi sie als deren
Horizontalproportion erscheinen.
Eine andere im 2. Buche bei Diirer gelegendich benutzte Arm-
haltung ist die, wobei aus der vorhergenannten beide Arme so hoch
gchoben werden, bis die Mittelfingerspitzen die durch den Scheitel a
gclegte Horizon tale treffen. Die beztiglichen Drehschnittspunkte sind
unter den »Bemerkungen« der Proportionstabelle mit ok ot bezeichnet.
P'Z P7
Proportionstabelle.
In der auf Grund von Diirers Zahlenangaben entworfenen Proportions-
tabelle, welche die entsprechenden Gesetze durch einfache Relationen zu
veranschaulichen sucht, finden sich zuerst die auf die Vertikalmafie be-
ztiglichen derart geordnet, dafl danach der gesetzliche Zusammenhang
der am meisten charakteristischen Mafie, soweit ein solcher tiberhaupt
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4 Constantin Winterberg:
vorhanden, unmittelbar zu iibersehen ist. Von diesen aus ergibt sich
laut Tab. in der Regel ein einfacher Ubergang zu den Quermaflen, die
ihrerseits mittelbar oder unmittelbar ebenso einfache Beziehungen unter-
einander, verbinden.
In beiden Btichern durfte auf Grund der in den »Bemerkungen«
der Tabelle enthaltenen einfachen Relationen aufier der Korperlange auch
die Kopflange a priori als bekannt angenommen werden. In der Reihe
der auf Lange, Breite und Dicke beztiglichen Relationen der Tab. gibt
es ferner stets gewisse die ftir den betreffenden Typus charakteristisch zu
nennen sind: wonach namentlich hinsichtlich der Langenteilung der
Korperaxe bald diese bald jene Punkte als maflgebend fur die beztiglichen
Proportionen sich kennzeichnen. Im ersten Buche tritt dies weniger scharf
zu Tage als im zweiten, wo die beztiglichen charakteristischen Relationen
darum vorangestellt und unterstrichen sind, weil aus ihnen sukzessif die
tibrigen Relationen sich entwickeln.
Die Typen beiderlei Geschlechts lassen sich auf Grund der allge-
meinen Charakteristik a. a. O. in beiden Btichern in vier Gruppen teilen,
wobei als Einteilungsgrund die Kopflange benutzt ist. Da die Korper-
lange bei Dtirer in absoluten Langenmafl sich nicht angegeben findet, so
haben alle Mafie nur relative Bedeutung.
I. Buch.
Die erste der vier gen. Gruppen (Kopflange = \ Korperlange) nur
durch Typus i vertreten, entspricht dem Maximum der Korperftille, die
zweite (Kopflange/= ^ Korperlange) mit Typus 2 und 3 zeigt die Ver-
haltnisse mittlern normalen, dort schon ins Schlanke gehenden Korper-
baus. Die dritte (Kopflange = £ Korperlange) nur mit Typus 4 halt
die Mitte zwischen jenen und tier nachstfolgenden, nur mit Typus 5 ver-
tretenen, dem Maximum der Schlankheit.
Das gemeinsaroe Prinzip-€k.r Proportionierung zeigt zwar gewisse
Inkonsequenzen, insofern, wo dasseft^ sich den nattirlichen Verhaltnissen
nicht genau genug anschliefit, oft im PV^izip ganz willktirliche Abweich-
ungen eintreten, welche den gesetzlichen Zusammenhang durchkreuzen;
der jedoch im tibrigen sich als solcher ohne Schwierigkeit zu erkennen
gibt: indem sich die Proportionen der Hauptmafie in der Regel als
Glieder der harmonischen Reihe:
4) Die geometrische Darstellung einer harmonischen Reihe der qu. Art darf
zwar im allgemeinen als bekannt angenommen werden: gleichwohl sei bei der Wichtig-
keit der vorliegenden Falle das BezUgliche kurz in Erinnerung gebracht. Es werde
demgemaO das erste Glied derselben oder die als Einheit anzusehende Ktirperla'nge
und auflerdem noch das 2. oder deren Hiilfte als LineannaO gegeben angenommen.
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tvber die Proportionsgesetze des menschlichen Korpers etc. c
oder irgend welcher daraus durch Interpolation oder durch Ausscheidung
beztiglicher Zwischenglieder derivierter Reihe gleichen Charakters dar-
stellen lassen.
Da jedoch die durch harmonische Teilung ausgedriickten Proportions-
gesetze, weil sie stets Relationen unter je drei Grofien ergeben, weniger
ubersichtlich und praktisch brauchbar erscheinen, so schien es, schon des
Yergleichs mit denen des 2. Buches wegen, notwendig, aus ihnen andere,
einfachere nur zwischen je zwei Grofien stattfindende Beziehungen abzu-
Ieiten, wie sie sich in der Proportionstabelle kurz zusammengestellt finden.
Es bleiben dabei allerdings, soweit es sich urn die fur Darstellung der
Figur erforderliche Gesammtheit der Daten handelt, immer einzelne Re-
lationen ubrig, fur welche, da sie einen einfacheren mathematischen Aus-
druck nicht gestatten, auf das harmonische Gesetz rekurriert werden mufi,
*ie es, um die Ubersicht der Tabelle nicht zu erschweren, unter deren
Text sich angemerkt findet.
Die einzelnen Typen.
A. Manner.
I. Gruppe.
Tvpus 1 .
Derselbe ist als Maximum der Korperfiille im allgemeinen den nattir-
lichen Verhaltnissen gemafi charakterisiert, nur fallt die Kiirze des Ober-
arms (= ei) sowie die der Hand (^ Korperlange) auf, wie unter den
Dicken die des Koj)fes (= ad) und ferner die relative Dicke und Breite
der Gcsamtpartie, welche nach beiden Dimensionen das beztigliche
Maximum der Brust ubertriflt und den beabsichtigten Charakter baurischer
Schwerfalligkeit zum Maximum steigert, von vorn umsomehr, als die
Weichenbreite wie bei Frauen, vom Maximum des Rippenkorbes sich
nicht unterscheidet.
Die harmonischen Reihen stellen die Verhaltnisse selbst in dieser
Form nur unvollstandig dar, indem sich Dtirer genotigt sieht, zur Er-
Dann sollen daraus die folgenden Glieder der obigen Reihen durch Konstruktion
sukzessif bei jeder beliebigcn Anzahl dargestcllt werden: was am einfachsten durch
tit barmonisches Strahlenblindel geschicht. Man trage dazu die zwei gegebencn
Mafle auf denselben Graden ancinander, sodaB op = 1 oq = \ wird, nehme einen bc-
Hcbigen auOer ihr liegenden Punkt (als Mittelpunkt des qu. BUschels und ziehe von
jbn aus drei Strahlen 0 p g, veriangere den durch o gehenden um sich selber, sodafl
iC=oo' wird, ziehe durch <? cine Parallele zu Cp, welche Cq in /' trifft, und lege
durch o und /' eine Grade, die Cp in q' schneidet. Darin findct sich nach elementaren
Satzen die Lange op' = oq\ Durch weiteres Antragen derselben Lange op' =p'r' = • • •
auf der nimlichen Linie und durch Verbindung der sukzessifen Punkte mit C findet
skh sodann in der Reihe der Durchschnittspunktc dieser Strahlen mit pq die har-
monische Teilung dieser Graden bei jeder gewollten Distanz durchgefuhrt.
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6 Constantin Winterberg:
ganzung des Fehlenden auf heterogene Beziehungen zu rekurrieren. Man
findet angenommen:
a) Langen:
az-.f'o' : ad: k'o' : eV • • • = i : \ : \ : iV • iV' • *
/V:/V:^:c/-... = i:*:*:,V'--
Die erste aus der allgemeinen durch Uberspringen von je zwei
Zwischengliedern gebildete Reihe bestimmt, wie man sieht, mittels der
als Einheit gesetzten Korperlange tf£ sowie der zu ^ davon gegebenen
Koptlange ad zunachst die Lange von Unterarm plus Hand /V als mitt-
lere Harmonische, sodann die Handlange und das der Armdicke gleiche
Mali eV ff. Mittels der zweiten wtirde nachdern zunachst die P\ifilange
als dritte Harmonische zu 2/V und /V gefunden, die Lange der Brust-
partie sich bestimmen, endlich mit der dritten durch Interpolation eines
Zwischengliedes aus der allgemeinen Reihe resultierenden die Lange des
Rippenkorbes oder des ihr gleichen Oberarms gefunden werden. Der Ab-
stand ae oder der diesem gleiche io wtirde jedoch schon in seiner Be-
stimmung vom Prinzip abweichen: indem er a. a. O. sich als Summe
der Hand- und halben Rippenkorblange darstellt. Die Bestimmung
des Kniepunkts q geschieht sogar nach dem Prinzip der mitttern Pro-
portionale, jedoch nur ausnahmsweise, auf diesen Fall sich beschrankend.
b) Dicken.
Den Ubergang zu diesen bildet die der Brusttiefe gleiche Fufilange,
indem man erhalt:
7f : if : 2f : D.h) in e : D. ob. Knie . • . = | : \ : \ : } : TV • • •
Die fehlenden Hauptmafie 8' und 9' setzen sich als Summen be-
reits bekannter Glieder oder deren Teilen zusammen. Ahnliches gilt fur
die iibrigen Mafie.
c) Breiten:
Hier bildet die der Gesafibreite gleiche Lange fo> den Ubergang
von den Langen, demgemafi sich findet:
s) Z>. = Dicke.
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tTber die Proportionsgesetze dcs roenschlicben Kttrpers etc. 7
9: 8: 2.3 s): 2. 11 : 1 : Br.*) in b . - = \ : \ : | : + : *: f : ^ • -
Beziiglich der fehlenden Mafie gilt ahnliches wie orf 2 bemerkt,
insbesondere fallt wie bei den Dicken das Maximum derWaden auf, als
trotz seiner relativen Kleinheit nur durch Summation bestimmbar.
Proportionstabelle.
Dieselbe enthalt zwar beztiglich des in Rede stehenden Typus die
meisten der zu seiner Charakteristik notwendigen Beziehungen durch je
zwei Grofien in mathematischer Form direkt oder indirekt ausgedriickt,
indem sich bei den Langen aufier der Kopflange zunachst die des
Rumpfes als Maximum (ao= 2 em') somit die untere Extremitat und
ferner der der Rippenkorblange gleiche Oberarm als Minimum ergibt:
indessen ist man genotigt, zur Vervollstandigung der in Tab. nicht be-
stimmten Mafie auf die vorher diskutierten Beziehungen zu rekurrieren,
beztiglich der Langen insbesondere bei ei und ae sowie hinsichtlich des
Kniepunkts q. Bei den Quermafien fallt es nach Tab. iibrigens auf dafi
die Gesafipartie nicht blofl von vorn gesehen, sondern auch im Profil als
Maximum sich darstellt, indem sie hier die Fufilange noch tibertrifft
(q = \ eh) was sonst nur bei unfertigen mannlichen Bildungen vorkommt,
ebenso wie die Gleichheit von 7 und 8 sonst nur bei Frauen sich findet.
II. Gruppe.
Typus 2 und 3 sind nur unwesentliche Modifikationen voneinander,
sowohl die Langen wie die Quermafie zeigen im ganzen relativ geringe
Unterschiede: beide dem mittlern mannlichen Typus von 8 Kopf langen
entsprechend : der eine etwas voller, der andere etwas leichter und
schmaler gebildet.
Typus 2.
Diirer will hier augenscheinlich dartun, dafi das harmonische Prinzip
den Verhaltnissen normaler mannlicher Schonheiten relativ am besten sich
anschJiefit:
a) Langen.
Den Ausgangspunkt bildet demgemafi die von der Einheit aus-
gehende Hauptreihe selber:
as : ah: *)ai : qio : 2 e/i ae • • • = 1 : \ : i : ^ : | : i • • •
fo'vaf-.p'u'...- *:*:{•••
Die Punkte &' und n finden sich durch harmonische Interpolation,
wahrend nur n und o sich als zweigliedrige Summen darstellen.
b) Dicken.
Den tibergang dazu bildet auch hier die Fufilange: zu ihr und der
«) 2'St 2'i 1 u. s. L bcsagt das Doppelte der Breite 3; 11 ; u. s. f. Entsprechendes
gilt fGr das Folgende.
») Br. = Breite.
«) « = Spaltf vgl. Prop.-Tab.
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8 Constantin Wintcrberg:
Lange des Oberanrts findet sich zunachst die Brusttiefe als dritte Har-
monische, und sodann die librigen Hauptsummen durch die Reihe:
/tt':7':i':io'... = i:|:i:i...
wo die Brusttiefe zugleich der des Gesafies entspricht, wahrend die fehlenden
sich aus jenen in bekannter Art harcnonisch erganzen: nur 8' tritt als
zweigliedrige Summe auf.
c) Breiten.
Der Ubergang wird durch die der Schulterbreite gleiche Lange f'o' ge-
bildet: rnittelst ihr und der Rippenbreite am Armspalt bestimmt sich zunachst
das Maximum der letzteren auf der Riickseite als mittlere Harmonische:
S:lT:Br.\nb' = ±:\:{...
ebenso der Brustwarzenabstand durch
ad:6:k'o'=\:$:&-..
Nur die Gesafibreite sowie die Abstande der Oberarm- und Ober-
schenkelknorren-Centra erscheinen in zweigliedriger Summenform.
Proportionstabelle.
Die Verlegung der Korpermitte gerade in den Spalt deutet auf
hohe Statur, wahrend andrerseits die Kopf lange auf mittlere normale
Verhaltnisse schliefien lassen wiirde. Die Verlangerung von ef bis auf
die Handlange ist schon als Maximum zu bezeichnen. — In den Quer-
mafien fallt auch hier die gegen das Gesafi verminderte Brusttiefe auf. Ftir
den Ubergang von Langen und Dicken findet sich keine einfachere als die
genannte harmonische Beziehung. Im librigen bemerkt man hier wie auch
schon im vorigen Falle das Bestreben, die wesentlichsten Quermafie, wenn
es ohne Zwang geschehen kann, durch Langenmafi direkt anzugeben:
aufier der Kopfdicke bei T. 9) i. Brust- und Gesafitiefe sowie Schulter-
und Gesafibreite, im vorliegenden Falle: aufier den gen. Dicken auch die
des Knies und aufier angegebenen Breiten noch die des Rippenkorbes
sowie der Weichen: also im wesentlichen die Hauptmafie von Kopf und
Rumpf, wodurch die Fehler der Interpolation sich nur auf Nebenmafie
reduzieren.
Typus 3.
Derselbe kann als leichtere Variante des Vorigen betrachtet werden,
wo das harmonische Prinzip weniger strerig durchgefiihrt erscheint. Der
allgemeine Eindruck beider verhalt sich etwa wie der des Doryphoros
zum Diadumenos, indem jener dem Typus 2 analog schon ganz ans Mann-
liche anklingt, dieser dagegen den Charakter des Jiinglings mehr betont.
a) Langen:
an' : qw :p'u' : ad : k'o' • • • = i : | : £
p'ti'ifV : ad: eg : 6* d ': ef- . . =
9) T. = Typus.
1 .
'S •
iV-
•
1 .
: f : I
■ 1 •
■ or •
1
1 1
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Cber die Proportionsgesetze dcs mcnschlichen Ktirpers etc. o
Die erste Reihe geht somit von der halben Korperlange als Ein-
heit aus, wonach die iibrigen. aus den zwei ersten Gliedern in bekannter
Art sich ergeben. Beztiglich der zweiten mufi zunachst f k' als har-
monisches Mittel gefunden werden, wonach das (ibrige sich ergibt. Von
den fehlenden Mafien ist ae oder aa resp. ei als mittlere Harmonische
zu 2k'o' und p'u' zu bestimmen, deren Halfte ef entspricht, wahrend
in, to und ebenso of und /V als zweigliedrige Summen, somit als ab-
weichend vom Prinzip zu betrachten sind.
b) Dicken:
Den Ubergang bilden einerseits p'u' und eg, als deren harmonisches
Mittel sich 7' und die ihr gleiche Gesafitiefe findet, wahrend andrerseits
die Dicke 8' als dritte Harmonische zur Lange und Tiefe des Rippen-
korbes gefunden wird. Sodann mittels jener:
2.12' : 9' : 2.11' : 2.3' :•••=+: ^ : \ : ^ : • • • u. s. f.
wahrend nur Kopftiefe und Dicke in 0 sich als zweigliedrige Summen
ergeben.
c) Breiten:
Den Ubergang bilden einerseits die aus der Langenbestimmung be-
kannten Grossen aa =/V und p'p' =fk' indem dadurch die Weichen-
breite als mittlere Harmonische sich findet, andrerseits ad und k'o*
aIs deren harmonisches Mittel Kopfbreite rep. Brustwarzenabstand erscheint.
Danacli ferner: %
j.12 : 2.3 : 6 : 2.11 : • • •= J : |, : | : ^, u. s. f. (wo 12 = 11' bekannt)
Nur Schulter- und Gesafibreite fiigen sich dem Prinzip nicht, sondern
stellen sich als zweigliedrige Summen dar.
Proportionstabelle.
Als Modifikationen gegen den vorigen Typus, soweit sie nach den
gegebenen Bestimmungen sich verdeutlichen, findet sich beztiglich der
1-angen :
Das Teilverhaltnis der Korperlange in T\ zwar beidemale identisch,
aber das der obem Strecke an durch e und i insofern modifiziert, als
nur die zwei obem Abschnitte unter sich gleich sind, der dritte sich
laut Note 1 der Tab. infolge Verlangerung jener im vorliegenden Falle
entsprechend verktirzt. Danach erscheint der Hals hier 1 anger, die Brust-
warzen riicken bis auf die Mitte des Rippenkorbes herauf (ef und im'
wechseln gegen T. 2 die Rollen). Die Quermafie erscheinen im ganzen
etwas vermindert, wie im Profil insbesondere die Bauchtiefe 0' verdeut-
licht, die nur die des Gesichts erreicht: wahrend die zu demselben Zwecke
um etwas weniges reduzierte Schulterbreite sowie die des Gesafies dies
Verhaltnis durch eine einfache Relation nicht darzustellen erlaubt. Da-
fur sind andrerseits 6 und 7 scharf und bestimmt durch korrespondierende
Langen darstellbar.
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IO Constantin Wintcrbcrg:
III. Gruppe.
Typus 4
als Ubergang zwischen denen der vorliegenden Gruppe und dem durch
T. 5 vertretenen Maximum der Schlankheit charakterisiert. Konstruktiv
Hegt hier der einzige Fall vor wo alle Langenmafle ohne Ausnahme nach
dem gleichen Prinzip der harmonischen Teilung gefunden werden. Die-
selbe beginnt demgemafi beztiglich der
a) Langen mit der Hauptreihe:
az\ao\ ai : qw • • • = i : \ : \ : \ • • •
wozu noch tritt:
ei : in : im : ad : k'o' ••= £ : £ : £ : £ : tV ' •
Die fehlenden Mafie ergeben sich unter Bezugnahme auf die relative
Gleichheit einzelner durch harmonische Interpolation me:eg=(adlk'o');10)
af = (2 ad, p'u'); p'u' = (ink io) (oder wie in Tab. Anm. angegeben).
b) Dicken:
Die Hauptrumpfmafle sind nur als zweigliedrige Summen gegeben,
daher hier statt der Fufilange k'o' und ad den Ubergang bilden, wonach
sich als dritte Harmonische die Dicke in y"und sodann das tibrige mittels
der Reihe findet:
D. in/: i' : 2 : D. L Mitte d. Ob. Schu):Z>. in c : • . = \ : £ : tVt^tV"
Die noch fehlenden Mafle finden sich aufier der zuerst genannten
sodann als aliquote Teile oder durch harmonische Interpolation bereits
bekannter.
c) Breiten:
Auch hier sind zwei Hauptmafle: das Maximum des Kopfes und
Gesafies als zweigliedrige Summen gegeben. Daher ist hier von den
Breiten in 0 und am Armspalt auszugehen, ftir welche die resp. gleichen
Langen io und in den Ubergang bilden: namlich:
Br. in o : Br. in b' : Br. a Adamskn. :6:--- = £: !:£:£:••• ferner
10: 12:27: 11 :... = TV:TV:TV: A'"
wobei das erste Glied 10 bestimmt wird als dritte Harmonische von:
5:a/:2.io=-^r:1^:1?5 u. s. f.
Proportionstabelle.
Als Bedingung der der Kopflange von £ Korperlange entsprechenden
Schlankheit findet sich die untere Extremitat auf Kosten des Oberkorpers
abermals verlangert, so dafi die Korpermitte C nicht mit dem Spalt,
sondern dem Rumpfende o zusammenfallt: und somit den extremsten
Fall charakterisiert, indem bereits bei Typus 5 diese Bedingung nicht
mehr ganz erftillt ist. Ubrigens ergeben sich gewisse Analogien des vor-
10) {ad% k'o') = Mittlere Harmonische von ad und k'o' (vgl. Prop.-Tab.).
'») Ob. Sch. = Oberschenkel.
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Kbrpers etc. 1 1
liegenden mit Typus 2: die Dreiteilung der obern Ktirperhalfte , auch
die gleiche Lange des Unterschenkels qw sowie analoge Beziehungen ftir
die Bestimmung der obern Extremitat und ihrer Teile. Die t)bereinstimmung
von p'u' mit act kann als Modification der entsprechenden von Typus 1
betracbtet werden. — Mit letzterem hat der vorliegende (iberdies die
block artige Kopfform gemein. Die Verhaltnisse der Hauptmafie der Quer-
dimensionen auf der Vorderseite des Rumpfes entziehen sich aus ange-
gebenem Grunde der Beurteilung. Auffallend ist auch hier wie schon
bei Typus 1 die Ubereinstimmung der Rippenbreite am Armspalt mit
der in den Weichen.
IV. Gruppe.
Typus 5.
Wie der vorige in den Langen verhaltnissen, ist der vorliegende in
denen der Quermafie als entgegengesetztes Extrem von Typus 1 ge-
lt ennzeichnet. Das harmonische Teil verbal tnis stellt sich im Gegensatz
zum vorigen Typus klarer in den Quermafien als in der Langenteilung dar.
a) Langen:
Die Hauptteilpunkte e und n bestimmen sich nur durch zwei-
glisdrige Summen, zur Kopflange und \ Korperlange findet sich die Fufi-
lange ak mittlere harmonische, sodann:
fo'.:p'n':ad:ef... = \:\:^^\...
ferner findet sich der Vertikalabstand aa als mittlere Harmonische von 2 ad
und /V, sodann:
af : aa : ei : p'u' : />/..• = ^ ■ : \ : £ : | : T*5 • • •
Die iibrigen Mafie bestimmen sich wie sonst entweder als aliquote
Teile bereits bekannter oder durch harmonische Interpolation.
b) Dicken:
Den Ubergang bildet wie unter normalen Verhaltnissen die Fufi-
lange; mittels dieser und den der Kopf- resp. Handlange gleichen Dicken
der unteren Extremitat bestimmt sich die Reihe:
/V:7r:^ina:Z).in/fe:8':... = }:i:i:TV:TV:-
ferner :
i':a':2.i9':i7»:ir:i8':... = 1ir:1V:lV:1V:1V:Jr...
Nur Gesafi- und Wadentiefe erscheinen als zweigliedrige Summen.
c) Breiten:
Hier erscheint nur die Schulterbreite als zweigliedrige Summe: den
Ubergang zu den iibrigen bilden die resp. Gesafi- und Rippenbreite gleichen
Langen aa und ei, wonach sich findet:
9 : -7 : Br . i n e : 8 : 2 . 1 o . . . = \ : T\ : | : ^ : $ • • •
ferner:
2 12.19:12:27...= ^r^:^:^. u. s. f.
wonach das librige in mehrerwahnter Weise zu finden.
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12 Constantin Winterberg:
Proportionstabelle.
Eine einfache Beziehung ftir die Korperhalbierung wie bei den drei
vorigen Typen lafit sich hier nicht aufstellen: ob die in Tab. aufge-
nommene die sei, von welcher DUrer ausging, ist zweifelhaft, da sie weniger
naheliegt. Als bemerkenswerte Modification gegen Typus 4 ist das Teil-
verhaltnis der in beiden Fallen gleichen Lange aa hervorzuheben. Aufier
de erreicht auch qz im vorliegenden Falle sein Maximum. Ferner vari-
iert hier das von aa aus gezahlte Teil verbal tnis der Lange des Ober-
korpers in i gegen Typus 4 sofern hier aa grdfier als ai, indem letztere
Strecke nur dem Abstande iri entspricht11).
Hinsichtlich der oberen Extremitat ist im ersten Buche der Unterschied
gegen das zweite zu bemerken, dafi die Lange wto der horizontal seitwarts
erhobenen Arme im ersten Buche durchgehends grdfier ist als die Korper-
lange, wahrend im zweiten im allgemeinen das Gegenteil zutrifft.
Beziiglich der Quermafle fallt es beim Vergleich mit Typus 4 auf,
dafi sowohl aa wie p'p' trotz grofierer Schmalheit der Figur die korr.
Mafie des letzlgenannten iibertreflen, wodurch die Knochenteile fast zu
nahe an die Oberflache treten. Die relative Verminderung der Kopf-
dicke erscheint dagegen hier ganz naturgemafi.
B. Frau en.
Die weiblichen Typen kdnnen im ganzen als Ubertragungen der
entsprechenden Manner ins Weibliche bezeichnet werden : den natiirlichen
Geschlechtsunterschieden gemiifi, jedoch mit folgenden Modifikationen:
1 . Die grofiere Rumpllange der Frau wird in der Regel durch Ver-
langerung des Rippenkorbes erreicht (nur bei Typus 3 durch Verlangerung
von id).
2. Die Lange oz ist naturgemafi bei Frauen relativ kiirzer als bei
Mannern, wie umgekehrt beziiglich ao gilt.
3. Der Abstand qz ist meist etwas kiirzer, seltener gleich der des
Mannes (vgl. T. 1 unci 5).
4. Der Abstand ae ist bei beiden Geschlechtern nahezu gleich grofi,
nur in den beiden extremen Fallen von T. 1 und T. 5 zeigt er sich bei
Frauen relativ kiirzer resp. relativ langer als beim Manne.
Da ferner der vertikale Abstand der Linie aa von der Halsgrube
bei beiden Geschlechtern nur sehr geringe Unterschiede zeigt, dagegen
die Schulter- und Rippenbreite sehr stark differieren, so erklart sich da-
nach der steilere Schulterabfall der Frauen auch da, wo die Halslange
nur eine mittlere ist.
,a) Vgl. damit Typus 8 des 2. Buchs, nur das c# sich hier urn einen Jilngling
handelt (Rumpfende riickw^rts liegt tiefcr als vordere Schatnendc!) wahrend dort ein
fertiger Manncstypus gemeint ist.
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ftber die Proportionsgesetze des menschlichen Kflrpers etc. 13
5. Kopf-, FuB- und Lange der obern Extremitat zeigen bei den
starkern Typen beider Geschlechter relative Gleichheit, wogegen bei den
schwachern insbesondere der weibliche Fufl kiirzer erscheint (bei Typ. 3
auch der Arm).
Die Quermafie lassen aufier den durch natiirliche Geajchlechtsunter-
schiede zu erklarenden Abweichungen, abgesehen davon, dafi darin zu-
weilen fast zu sehr ins Extrem gegangen wird, weiter keine Besonderheiten
erkennen.
Einteilung und Gruppierung der Frauentypen entspricht, wie bereits
Torweggenommen, der bei den Mannern, indem im Gegensatz zum 2. Buche
die relativen Kopflangen korrespondierenden Typen genau iibereinstimmen.
I. Gruppe.
*Typus 1.
a) Langen:
Kopf-, Fufr- und Lange der obern Extremitat sind nach dem vorher
Bemerkten als durch den betr. Mannestypus gegeben zu betrachten; danach
bestimmen sich ferner die Reihen:
/^:«:/V:tfrf:iwi':^*V... = J:l:i:|:i:J:1V--.
fo':qw:eizae:p'u'-.. . = J- .:$ : \ : £. : | : . . ,
wonach die fehlenden Mafle bei auf aa und qz, welche als zweigliedrige
Summen auftreten, sich wie gewohnlich interpolieren.
b) Dicken:
Den tJbergang dazu bilden f>'u' und ad, wonach sich die Reihe
bestimmt:
tWiS'iJiDmd^iDmeiif:!*9:*:}:*:*:^:^:^--*
welche jedoch nur Nebenmafle enthalt, indem sich die:Hauptmafie 1', 7',
gr, 12' als zweigliedrige Summen ergeben.
c) Breiten:
Auch fiir diese gilt entsprechendes hinsichtlich der Hauptmafie 1,
7, 9, 12. Als Ubergang zu den durch harmonische Reihe darstellbaren
Maflen dient
/V = Breite in k
f>'u' = „ „ V wonach sich findet:
Br. in k ; Br. in V : 6 : 2 : 3 : . . . = \ : | : | : T^ : ^ . . . u. s. f.
Proportionstabelle.
Infolge der vorangeschickten Bemerkung ist hier die Rumpflange eo
nach Tab. zu vier Handlangen ebenso ao ein absolutes Maximum. —
Die Lange qz wird ferner auf zweifache Art bei Dttrer bestimmt: der
erste Modus korrespondiert dem des Mannes: nach der zweiten in Tab.
i3j If = Wirbelpunkt am Hinterkopfe (vgl. Prop.-Tab.).
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1 4 Constantin Winterberg:
aufgenommenen Angabe ware dagegen qz nicht ein Minimum, indem es
das entsprechende Mafi von Typus 2 noch ubertrafe. 14) Die Lange tuto
der ausgestreckten Arme ubertrifft wie . beim Manne die Korperlange.
Ebenso findet sich naturgemafl die von (did hier grofier als die halbe
Korperlange, welche sie beim Manne nur grade erreicht. — Bei den Quer-
maflen ist mit Bezug auf das bereits vorher Bemerkte nur ein Kopfmafl
in Tab. direkt durch Langenmafl gegeben: die Dicke in g, oder die ihr
gleichen 8' und iof. — Die Schulterbreite tritt nur in diesem einen
Falle als vierfaches der Armbreite auf. Den Dicken analog finden sich
auch hier Rippen- und Weichenbreite unmitteibar im Langenmafl dar-
gestellt. Auffallend ist librigens, dafi allerdings nur hier im Maximum der
Korperftille die Gesaflbreite sich grofler als die Schulterbreite darstelit. u)
II. Gruppe. *
Typus 2.
a) Langen:
Als zweigliedrige Summen finden sich aa, in, io, qz. Ftir die
tibrigen Langenmafie kann als durch den korrespond. mannlichen Typus
bereits gegeben fo> und a'f gel ten, wonach sich findet:
/i/:ayt:«:^V:^:^:^f:^/:...=i:i:i: + :i: + :1V:Ilr----
b) Dicken:
Nur die Kopfdicke ist als zweigliedrige Summe gegeben. Ftir die
Bestimmung der tibrigen bildet ad und ft'u' den Ubergang, wozu sich als
dritte Harmonische 9' findet, sodann das Ubrige durch die Reihe:
9':/V:7':8'... = £:|:i:±...
das Fehlende wie sonst zu interpolieren.
c) Breiten:
Schulter- und Gesaflbreite, die beiden Maxima bestimmen sich zwei-
gliedrig. Rippen- und Weichenbreite durch die Fufl- 6 durch die Hand-
lange. Ftir das Ubrige bildet den Ubergang ad und &'o', wonach sich
die Reihe findet:
12 : 1 1 : 27 : 20 : 18 • • • = ^ : tV-sV : iV : ^V * ' •
das Fehlende wie gewohnlich zu erganzen.
Proportionstabelle.
Die Verkiirzung der Rumpfpartie gegen den vorigen Typus ist in
Tab. dadurch ausgedrtickt, dafi im vorliegenden Falle em' = 3&'of: woraus,
H) wenn nicht etwa ein Druckfehler a. a. O. vorliegt (vgl. das im folgenden
dartiber Bemerkte).
,5) Vorliegender ist der einzige Fall, wo Dilrer absichtlich die KOrpermitte be-
nutxt haben will, da sie nur hier in der betr. Figur ausdrUcklich bezeichnet ist. In
der Tat ist sie zur Bestimmung einzelner Mafie durch harmonische Teilung nicht zu
umgehen, wie z. B. fUr e/t ae (s. d. betr. Anmerkung der Prop.-Tabelle).
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CbeT die Proportionsgesetze des menschlichen Kttrpers etc. 15
da im allgemeinen m'o wohl stets kiirzer ist als eine Handlange, das
Gesagte sich ergibt: da zugleich ae sich etwas verkiirzt, so folgt Ent-
sprechendes um so mehr beziiglich ao. 16) Da ferner die Rippenkorblange
beidemale relativ gleich, namlich zwei Handlangen ist, so bestatigt sich
das einleitend gesagte, wonach die Rumpfverkurzung wesentlich durch
die untere Partie to efzeugt wird. Wo keine Geschlechtsunterschiede in
Frage kommen, schliefien sich die Bestimmungen der Tab. beim mann-
Uchen und weiblichen Typus tibrigens sehr nahe einander an: so z. B.
beziiglich der Halbierung der Lange at durch die Linie aa. — Bei der
obern Extremitat talk im Gegensatz zu den Mannern die Ubereinstimmung
der Lange des Oberarms mit der des Rippenkorbes auf, die sich bei alien
weiblichen Typen aufier Typus 1 wiederholt, ohne dafi jedoch die betr.
Mafie wirklich koinzidieren. — Bezliglich der unteren Extremitat wieder-
holt sich die Bestimmung ww = 3/V (vgl. Manner T. 1.) In den Quer-
mafien fallt zunachst die Form des Rippenkorbes auf, indem sich weder
die Bauchtiefe noch die entsprechende Breite in den Weichen als Minimum
zwischen Brust- und Ges&fipartie darstellt, sondern den beztiglichen Mafien
im obern Teil des Rippenkorbes gleichkommt: danach zeigt der Rippen-
korb somit die Form eines platten Zylinders. In der Vorderansicht ist
fiberdies die Ubereinstimmung von Schulter- und Gesaflbreite zu be-
merken: welcher Fall nur noch einmal: im Maximum der Schlankheit
(Typus 5), wiederkehrt. Dem schliefit sich im vorliegenden Falle noch
die Gleichheit von aa und p'p' an: auch die Bestimmung des Brust-
▼arzenabstandes zur Halfte der Breite in 0 (eine Handlange) ist etwas
schema tisch.
Typus 3.
Wie der entsprechende Mann ist auch der weibliche T. 3 als Modi-
tkation von Typus 2 ins Leichtere zu charakterisieren.
a) Langen:
Die Mafie in qz} p'u1 stellen sich als zweigliedrige Summen dar:
Fur die (ibrigen Langen konnen aufier ad als durch den korresp. Mann
bereits gegeben angesehen werden: ae, eff eg, ei, im' und f 0' = 2 ad.
Sodann liefert die Reihe :
fo' : a/' : in : im : im' . • . = | : /r : | : ^ : TV • • .
das Fehlende mit Berticksichtigung der sonst noch vorhandenen Gleich-
l€) Wortlaut und Figur a. a. O. widersprechen sich augenscheinlich. Sehr
wthrscfaeinlich ist die Lange J-f-J nicht auf die ganze Strccke qz, sondern nur auf
den Abstand qiv zu beziehen. Das in der Zeichnung fUr letztere angegebene MaO
Wrdt dieser Annahme tatsachlich entsprechen, da im Gegenteil dem Text zufolge qw
and ebenso q% kQrzer als bei T. 1 sein mttfiten. Dies aber ware gegen die Natur,
»fern bei abnebmender Lange des Oberkttrpers die Unterschenkel insbesondere zu
vachsen pflegen.
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1 6 Constantin Winterberg:
heiten (qw=/'o'; ei=af u. s. f.), anderes durch harmonische Inter-
polation.
b) Dicken:
Mit Rticksicht auf die unmittelbar durch Langenmafl gegebenen
Dicken: in e, in k, Gesichts- und Bauchtiefe, bedarf es von Hauptmafien
nur noch der Gesafltiefe, die sich aus jenen durch harmonische Inter-
polation ergibt, ebenso das iibrige auf bekannte Art. Nur die Brusttiefe
ist als zweigliedrige Summe davon ausgeschlossen.
c) Breiten:
Auch hier gilt Analoges, sofern die Breite in kt in den Weichen,
ferner die des Kopfes und der Brustwarzenabstand unmittelbar bekannten
Langen gleichkommen : die Schulterbreite dem doppelten Brustwarzenab-
stand entspricht u. s. f.
Proportionstabelle.
Das Leichtere des Baus gegen Typus 2 charakterisiert sich in den
Langen nach Tab. durch geringe Rumpfverktirzung und Verlangerung
von qz und ae oder da ad beidemale gleich grofi ist, durch grofiere
Halslange. Die Rumpfverkiirzung geschieht jedoch als unwesentliche
Variante desselben Falles nicht durch Verminderung von to, sondern von
ei, so dafi diese L&nge wie beim korresp. Manne gleich ae wird. Dem-
gemafl stimmt auch at bei beiden Geschlechtern dieses Typus uberein
und findet sich im vorliegenden Falle tiberdies zu vier Handlangen. Sogar
das Teilverhaltnis von ei durch f ist bei beiden Geschlechtern dasselbe.
In den Quermafien fallt der quadratische Querschnitt des Kopfes
(I=sI') auf, der sich noch beim folgenden Typus wiederholt. Ferner ist,
dem leichteren Bau entsprechend , die Gesafibreite hier wenn auch nur
wenig gegen die der Schultern, der Brustwarzenabstand sogar bis auf
die halbe Gesafibreite vermindert. Auch die librigen Rumpfbreiten zu
den Schultern proportioniert, relativ schmaler als im vorigen Falle.
III. Gruppe.
Typus 4.
Die grofiere Schlankheit gegen die Typen der vorherigen Gruppe
bedingt eine weitere Verktirzung in den Langen der obern Kopf- und
Rumpfpartie.
a) Langen:
Die Mafie to qz finden sich als zweigliedrige Summen. Beztiglich
der librigen konnen als vom korrespondierenden mannlichen Typus bekannt
aufier der Kopflange angesehen werden : ae in atf fo' und p'p\ wonach
das ttbrige durch die Reihe sich findet:
fo' : or/ :/«' : im : im' ■ • • = ± : ^ : | : -ft : TV • • •
Die noch fehlenden Mafie wie gewohnlich zu finden durch har-
monische Interpolation oder Teilung bekannter Mafie.
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Cber die Proportionsgesetie des menschlichen Kdrpers etc. 17
b) Dicken:
Nur 7' stellt sich als zweigliedrige Summe dar: beztiglich der (ibrigen
bildet den Ubergang die der Gesafitiefe gleiche Fufilange, sodann die
Ropf-, Gesicbts- und Handlange, mittels deren sich die Reihe bestimmt:
Z>. in k : D. in g : 10' : 8' : 2' . . . = } : -fr : .fr : £. : -^ : . . .
wonacb sich das Fehlende wie sonst ergibt.
c) Breiten:
Rippen- und Gesafibreite sind als zweigliedrige Summen gegeben.
Bezuglich der (ibrigen bilden den I'bergang: die doppelte Gesichts- und
die Handlange, wonach sich die Reihe ergibt:
5:S:6:£aa:Br.ob.Knie: 27:20: 18 :...=£: J : T\ : 1| : TV : iV : ^3 :*V'
Proportions tab elle.
Die Verkiirzung von ao gegen den vorigen Typus findet sich hier
durch Verminderung von ae, wahrend die Lange des Rippenkorbes ei
unverkiirzt bleibt. Auch das Teilverhaltnis ei : io bleibt wie bei jeneni,
dagegen das von ao im Punkte i sich insofern andert, dafi at das Doppelte
von io betragt (im vorigen Falle ai = i*o). Die Verlangerung von oz
kommt dem Oberschenkel oq zu gute, indent zu q sich zwar qw wie beim
vorigen Typus, aber wz etwas ktirzer sich darstellt. Brust- und Armmafie
zeigen sich denen der letzteren analog: so dafi also auch hier, da act
tnverandert, die Lange coco die Korperlange Ubertrifft. — Die Verminderung
der Quermafie tritt in Tab. nur gelegentlich deutlich hervor: so darin,
dafi hier 12' das Mafi erhalt, was im vorigen Falle flir 11 angegeben;
femer dafi die Schulterbreite sich hier nur als doppelte mittlere Har-
monische von ef und eg; im vorigen als das Doppelte von eg darstellt,
wahrend zugleich der Brustwarzenabstand = ef ist (wie vielfach unter den
Antiken). Auch wird wie im vorigen Falle die Gesafi- von der Schulter-
breite ubertroffen. Ein Unterschied findet sich jedoch insofern, als hier 8
nicht mehr dem Rippenmaximum gleichkommt, sondern sich als Minimum
iwischen dieses und die Gesafibreite stellt.
IV. Gruppe.
Typus 5.
Dasselbe als Extrem der Schlankheit charakterisiert, liefert folgende
Beziehungen :
a) Langen:
Xur die Mafie in, io, p'u' sind als zweigliedrige Summen gegeben.
Beziiglich der tibrigen konnen als durch den korresp. mannlichen Typus
bekannt angesehen werden, aufier der Kopf lange : aa, qz, ctf, fo\ k'o\
Danach bestimmt sich die Reihe:
2 ad : ei : aa : ae : £ qz : • • • = | : ^ : J : fa : } : • • •
das Fehlende wie sonst zu interpolieren.
fiepertoriom fflr Kunstwissensctaaft, XXV f. 2
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*18 Constantin Winterberg:
b) Dicken:
Die Maxima 7' unci 9' sind zweigliedrige Summen. Zu den librigen
bildet den Ubergang aufler der der letzteren gleichen Fufllange die von
ad, ko\ wonach sich findet:
D. in k : 8' : 2 ' : D. in d* . . . = ^ : T*r : & : TV • • •
ferner die kleineren:
1' : D. in d* : 2.20' : 12' : 17' • • • = T»r : A : TV : iV : tV • • •
c) Breiten:
Den t'bergang bilden die Langen at, aa, ei, wonach
5 : 2.6 : Br.'mk : Br. in a : aa :/>'/>' : Br. in r .. = -& : J : T\ \\ : ^ : | r^-
ferner fur die kleinern:
23 : 3 : 20 : £10 : 18 : - • . = ^ : ^ : ^ : uV : A : • ' •
Proportionstabelle.
Die Hauptmafie der Rumpfliingenteile stimirten rnit denen vom
Typus entweder ganz tiberein, oder nahern sich denselben: zunachst
bleibt die Lage der Punkte ot m\ v! ebenso die des Punktes / unver-
andert. I7) Dagegen stehen die Punkte b' ft g i hier von der Linie aa
soweit ab, wie beim vorigen Typus von der Halsgrube, deren Scheitel-
abstand im letzteren Falle zugleich dern der besagten Linie irn vorliegenden
Typus entspricht. — Als Besonderheit ist noch die Verkitrzung von wo>
unter die Kbrperlange zu beachten, indem hier irn Maximum der Schlank-
heit aa sein Minimum erreicht. Entsprechendes gilt, ftir wit*. Von vorn
gesehen zeigen die unter sich gleichen Maxima 5 und 9 sich mit der
Rippenkorblange ei Ubereinstimmend, welche bei T. 1 vom Minimum 8
erreicht ward. Rippen- und Weichenbreite erreichen hier nur das Skelett-
mafi /'/'. Auch der Hals ist schmaler als sonst (3<.$f) ebenso 6 ge-
ringer als ef.
Das harmonische Teilprinzip ist dem gesagten zufolge im 1. Buche
tiberhaupt nur teilweise durchgefiihrt und das Verfahren Uberdies nicht
frei von einer gewissen Willktir, sofern in den zu einer harmonischen Reihe
vereinigten Mafien bald mehr, bald weniger wichtige, bald in engeren, bald
nur in ganz allgemeinem Zusammenhang stehende Grofien auftreten.
Jedenfalls besteht ftir deren Auswahl keine aus den Bedingungen des
Organismus folgende Notwendigkeit, wahrend oft gerade flir die Form-
verhaltnisse am meisten charakteristische Mafie nur nebenbei durch Inter-
polation aus den tibrigen bestimmt werden konnen. Durch die Anwendung
verschiedenartiger Prinzipien wie das der Summation, der dritten Pro-
portionale wird Uberdies nicht nur die Einheit des Verfahrens, sondern
") nur ist zu beachten, dafi in Tab. ftir die unter der Rubrik eb' ef eg ei an-
gegebenen Langen ab' af ag at zu lesen ist, indem nur in diesem einen Falle die
Rumpflange a. a. O. anstatt von e von- aa aus zahlt (vgl. Bern. d. Tab.).
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen K6rpers etc. J 9
auch die Ubersichtlichkeit gestort. Indem namlich die Bestimmung in
den LangenmaBen a. a. O. nicht in Bezug auf das ganze, d. h. die Korper-
lange, sondern abschnittsweise von gewissen sich stets in derselben Ord-
nung folgenden Teilpunkten aus geschieht; so ereignet es sich, daiJ, urn
die Lange eines nicht darunter unmittelbar enthaltenen Abstandes zu
fmden, man genotigt ist, nicht nur 2, sondern oft 3, 4, 5 Brtiche ver-
schiedener Numraern oder sogar Summen aus solchen zu addieren: eine
Unzutraglichkeit, die im 2. Buche trotzdem darin dieselbe abschnittsweise
Bestimmung der TeilmaBe festgehalten ist, dadurch vermieden ist, dafl
alle durch Summation daraus zusammengesetzten Ausdriicke den gemein-
samen Nenner 600 haben. In diesem stellt Dlirer namlich, wohl in der Uber-
zeugung, dafi fiir das Prinzip der harmonischen Teilung nach allem, was liber
die Anatomie des menschlichen Korpers bekannt ist, ein innerer organischer
Grund in Wahrheit nicht besteht, die Proportionen des menschlichen Korpers
nach einer »andern Meinung«, wie er sich ausdrtickt, von neuem auf. Es
haben demnach zu Diirers Zeiten wie es scheint auch unter den Meistern
der deutschen Malerzunft verschiedene Meinungen tiber die naturgemafleste
Auftassung und Darstellung der menschlichen Proportionen geherrscht.
Jene im 1. Buche enthaltene aber war wohl als die durch Tradition
tiberkommene, wenn auch mifiverstandene , die damals im allgemeinen
Torherrschende Lehre, der sich darum auch Dtirer zu Anfang angeschlossen
bat, bis durch vielerlei Erfahrungen er, von deren Unzulanglichkeit tiber-
leugt, es aufgibt, seine durch die Praxis gewonnenen Resultate in das
Prokrustesbett eines a priori willktirlich angenommenen geometrischen Ge-
setzes einzwangen zu wollen. Jene andre Meinung aber, die er sodann
im 2. Buche darlegt, mag dann wohl spezifisch als eine von ihm selbst
aasgehende, also wesentlich als sein geistiges Eigentum zu betrachten
sein. Darauf lafit schon, abgesehen von allem tibrigen, die ungleich sorg-
fcltigere Bebandlung, die groflere Zahl und Mannigfaltigkeit der vor-
gebrachten Falle schliefien, wovon das Nahere weiter unten folgt. Das
Wesentliche und Unterscheidende des 2. Buches liegt jedenfalls darin,
die Einfachheit der harmonischen Zahlenreihe einem komplizierteren Zahlen-
ausdruck zu opfern, um dafiir um so einfachere lineare Beziehungen der
unter sich im nachsten natiirlichen Zusammenhang stehenden Raumgrolien
besonders unter den Langenmafien zu erhalten: fiir die kiinstlerische Praxis
jedenfalls das Wichtigere und Notwendigere, wobei Dtirer es allerdings
darin versieht, die Angabe des Moduls oder der als Einheit gewonnenen
Korperlange in einer davon unabhangigen bekannten Mafieinheit hinzu-
zufugen^ ein Mangel, wodurch die Beurteilung der absoluten Grofien-
verhaltnisse der verschiedenen Typen unmoglich wird.
(Fortsctzung folgt.)
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Die Pacher-Schule.
Ein Nachwort zur Kunsthistorischen Ausstellung in Innsbruck
(15. August bis 15. September 1902).
Von Robert Stiafsny.
Der Gedanke der kunstwissenschaftlichen Kongresse ist von einer
Ausstellurig ausgegangen, der Dresdener Holbein -Ausstellung des Jahres
187 1. Im richtigen Augenblick angeregt, hatte jene erste zwanglose
Begegnung von Kennern und Ktinstlern bekanntlich einen mehr als
aktuellen Erfolg: die Echtheitserklarung der seither so glanzvoll wieder-
erstandenen Darmstadter Madonna. Ein gleich glticklich gewahlter Anlafi
hat die fahrenden Kunsthistoriker nur noch einmal zusammengefiihrt, in
den grofien Tagen der Amsterdamer Reinbrandt-Ausstellung. Die Spezial-
Ausstellungen, zu denen die iibrigen Wanderversammlungen den Anstofi
gegeben, bildeten dagegen nur ein dekoratives Beiwerk, nicht mehr den
bewegenden Mittelpunkt der Zusammenkunft. Im Interesse des Unter-
nehmens darf die Frage aufgeworfen werden, ob man nicht besser daran
getan hatte, mit jenen wichtigen retrospektiven Veranstaltungen in Fuhlung
zu bleiben, sich regelmafiig, nicht blofi von Fall zu Fall ihrer Anziehungs-
kraft zu versichern, statt durch die rasche Wiederholung in nur zwei-
jahrigen Zwischenpausen den Tagungen ihren festlichen Charakter zu
nehmen und die Teilnahme audi der engeren Fachkreise abzustumpfen.
Der gegebene Kongrefiort im verflossenen Herbst ware jedenfalls Brugge
gewesen. Mit den erlesenen Schatzen der dortigen Sommerausstellung
konnte die Innsbrucker Vorfuhrung selbstverstandlich keinen Vergleich
aufnehmen. Ein Ausschnitt aus den 1865, 1879 und zuletzt 1893 in der
tiroler Landeshauptstadt abgehaltenen Leihausstellungen, gewann sie indes
gerade durch den eng gesteckten Rahmen eine gewisse Geschlossenheit,
deren Reiz noch erhoht worden ware, hatte man die verschiedenen
Spezialitaten alttiroler Kunst gleichmafiiger herangezogen und daftir auf
die Beitrage nichttirolischer Herkunft verzichtet. Denn um eine inter-
nationale Abteilung von einiger Bedeutung zu bestreiten, erwies sich schon
bei jenen friiheren Gelegenheiten der Privatbesitz im Lande als nicht
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Robert Stiaftny: Die Pacher-Scbule. 21
crgiebig genug. Immerhin gab es unter den deutschen, flandrischen und
italienischen Gemalden, die einen Saal fiillten, einige bemerkenswerte
Nuramern: eine Vermahlung der hi. Katharina aus der groflen Gruppe
der gewohnlich mit dem Namen Herri met de Bles abgefundenen Bilder
Jnnsbruck, Lemmen), ein T&uferbrustbild im Charakter Signorellis, die
im »Klassischen Bilderschatz« verbffentlichte Verktindigung Kulmbachs,
fruher bei Hasselmann in MUnchen, und ein 1550 datierter alterer Cranach:
Christus und die Samariterin, die drei letzterwahnten Stlicke bei Prof.
v. Oppolzer in Innsbruck. Die Enthauptung der hi. Katharina aus Stift
Wilten hielt Bayersdorfer ftir einen verputzten Altdorfer — eine ahn-
lkhe Komposition bietet das Gemalde auf den Auflenfliigeln des Altares
m Corvara (Ennebergtal), iiber das Dahlke ausfiihrlich berichtet hat im
Repertorium VI, i6ff. Ein Opfergang Mariae in der Sammlung Vintler
zu Bruneck, zwischen Kulmbach und Wolf Traut stehend, wurde im
Kataiog nicht ohne Grund auf Ulrich Springinklee bezogen, einen in
Bruneck nachweisbaren Namensvetter und wohl auch Verwandten des
bekannten Diirer-SchUlers. Ein als italieniscji-tirolische Arbeit des 1 6. Jahr-
hunderts angesprochenes Portrat des Anton von Rummel (nicht Rumbl)
von Lichtenau, Rates Kaiser Karls V. bei der Regierung in Innsbruck
am gJeichen Ort (No. 44) ruft den Gedanken an Amberger hervor, der
ja 1548 Entwurfe fiir mehrere Erzstatuen des Maxgrabes nach Innsbruck
geliefert hat.
Unter dem Nachlafi der heimischen Kunst ist es in Tirol noch am
besten mit den Erzeugnissen der Kleinkunst bestellt, so stark der inter-
nationale Sammeleifer der letzten Jahrzehnte auf diesem Gebiete auch auf-
gcraumt hat. Leider zeigte die Ausstellung nur Weniges von diesen prach-
tigen Altsachen, die den monumentalen Schopfungen der Landeskunst durch
Frische der Lokalfarbe und Feinheit der Stimmung so haufig tiberlegen sind.
Xoch bedauerlicher war die sparliche Vertretung der tiroler Holzplastik,
von deren Arbeiten ein grofier, aber kunstgeschichtlich vollig ungesichteter
Vorrat sich erhalten hat. Eine andere in Tirol bodenwlichsige Kunst-
abang, die Wandmalerei, war von dieser Ruckschau naturgemafi ausge-
schlossen. (Dem Schreiber dieses, der die Ausstellung erst nach dem Kon-
gresse besucht hat, blieb auch der Vortrag unbekannt, mit dem Prof.
Semper in die Bresche trat). Die tiroler Barock- und Zopfmaler, ebenfalls
in erster Linie Freskanten, waren wenigstens mit einer Reihe von StarTelei-
bfldern zur Stelle, die freilich weniger von dem erstaunlichen Handgeschick
dieser flotten Manieristen als von ihrer vollkommnen Verwalschung Kunde
gaben. Umgekehrt fesseln die gotischen Altarmaler Tirols durch ihre
aaf sich gestellte Kunstlerschaft, durch das Vollblut einer herbkraftigen
Eigenart, die auch in der Art und Weise der Aufnahme des Fremden*
sich nicht verleugnet. Die instruktive Auswahl z. T. wenig gekannter
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22 Robert Stiafsny:
Denkmaler tiroler Tafelkunst, die Semper, untersttitzt von Dr. Schmolzer,
auf der Ausstellung vereinigt hatte, bildete denn auch den Glanzpunkt
der ganzen verdienstlichen Veranstaltung.
Dem altesten Gemalde, einer Kreuzigung aus Kloster Neustift (Nr. i),
lag eine in der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts in den bayerisch-
osterreichischen Alpenlandern weitverbreitete Komposition zu Grunde, die
auf ein oberitalienisches Urbild zuriickgeht. Den Einflufi der spatgiot-
tesken Veronesen, den diese Tafel verrat, finden wir auf einer hbheren
Stufe und selbstandiger verarbeitet in einem interessanten Votivbilde des
Ritters Hildebrand von Jauffenberg aus Passeir wieder, gleichfalls aus
Neustift (Nr. 2). Der Stifter kniet in Verehrung vor der hi. Dreieinigkeit,
empfohlen von seinem Schutzpatron St. Georg, ihnen gegentiber Konig
Sigismund. Daft mit der gekronten Figur der populare tiroler Landes-
heilige gemeint ist, ergibt sich aus dem vergessenen Bestimmungsort der
Tafel. Sie befand sich namlich frliher in der Kirche des Dorfes St.
Sigmund im Unterpustertal, einer Filialexpositur von Neustift, wie einer
handschriftlichen Reisebeschreibung des lnnsbrucker Bibliothekars Ant.
Roschmann von 1747 in der Bibliotheca tirolensis des Ferdinandeums
zu entnehmen ist (Stadt Brauneggen und dero Gegenden etc.). Mit dem
Entstehungsjahr 1418, das der Katalog aus den beigefugten Wappen
erschlofl, stimmt der Stilcharakter des Gemaldes. Die weich fliefienden
Formen, die konventionell formulierten Einzelheiten und individualitats-
losen Kopfe sind noch ganz deutsch-altgotisch. Daneben machen sich
aber schon leise Ziige einer freieren Behandlung und nicht nur in der
rein giottesken Hintergrundsarchitektur — einem echten »Giottokafig« —
deutliche Beziehungen zur oberitalienischen Trecentokunst bemerkbar.
Man weiiJ ja, dafl diese einen starken Absenker nach Slidtirol getrieben
und speziell auf die Wandmalerei siidlich des Brenners veronesische Vor-
bilder entscheidend tibergewirkt haben. Schon im Jahr 1387 tritt ein
Meister Bettinus, Maler von Verona, urkundlich in Trient auf (»Kunst-
freund« von K. Atz, 1894, S. 8). Die Fresken in dem Hugelkirchlein
Sta. Lucia bei Fondo in Nonsberg z. B. stehen im engen Zusammen-
hang mit Altichieros und Jacopo Avanzos Wandbildern in der Georgs-
kapelle zu Padua. Die Titelruckseite eines 1449 vollendeten Anti-
phonares in der Neustifter Bibliothek, das 1893 auf der lnnsbrucker
Ausstellung zu sehen war, hat ein Zeit- und Schulgenosse des Stefano da
Zevio mit dem reizenden Miniaturbilde einer thronenden Madonna ge-
schmuckt. Ja, neuestens ist sogar die personliche Anwesenheit Zevios in
Sudtirol fiir das Jahr 1434 wenn auch nicht beglaubigt, so doch wahr-
scheinlich gemacht worden durch eine Urkunde aus Schlofi Brughiero in
Nonsberg, in der ein »magister Stephanus pictor quondam Johanis de
Verona habitator nunc in c. Bragiero« als Zeuge . genannt ist (»Kunst-
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Die Pacher-Schule. 23
freund«, 1900, S. 31). Dafi der Maler unseres Prasentationsbildes nicht
wcit von Brixen zu Hause war, ergibt sich aus den Analogien mit
eincr Gruppe von Wandgemalden aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
im dortigen Kreuzgang. Der Ritterheilige Sigismund mit seiner rot-
blonden Lockenperticke ist geradezu ein Seitensttick zu Karl dem Grofien
und St. Albuin in der ersten Gewolbekappe der 12. Arkade. Wie in
der stillen Freundlichkeit der zierlich-schmachtigen Gestalten so klingt
auch in dem reichen Metallglanz des Bildes — die Rustungen und das
Flechtwerk des Hintergrundes sind echt versilbert — noch die Romantik
des Trecento nach, die in der stidtiroler Malerei erst Mitte des 15. Jahr-
hunderts durcb einen kraftigen Vorstofi des nordisch-gotischen Realismus
vtrdrangt wurde. Man pflegt diesen an den Namen des Brixener Kreuz-
gangsmalers Jakob Sunter zu kniipfen, dessen Arbeiten sich auf die Jahre
1458— 1475 verteilen. Auf der Ausstellung war nur Ein Bild seiner
Rkhtung vorhanden, der Tod der hi. Martha aus Neustift (Nr. 3), dessen
Prauenkopfe schon auf einen spateren Brixener Meister vorweisen, den
Maler der Augustin-Legende in Neustift. Die von Semper bei dieser
Gelegenheit der Sunter-Schule zugeteilte Anbetung der Konige in der
bis. Gemaldegalerie zu Wien (No. 1395, auf der Riickseite eine Ver-
mahlung Marias) ist als dahin gehorig bereits von Walchegger im »Kunst-
freunds 1894 (S. 1, Anm. 1) erkannt worden. Ein bisher ubersehenes
Originalwerk Sunters, eine freie Wiederholung der Grablegung von 1470
im dritten Gewolbejoch des Brixener Kreuzgang, befand sich vor wenigen
jahren im Miinchener Kunsthandel (Einstein & Co.). Ubrigens scheint
Sunter nur der uns zufallig gerade iiberlieferte Name eines gar nicht
tonangebenden Meisters aus jener Brixener »Malerhtitte« zu sein, die,
1440 — 1480 mit der Ausschmiickung des Kreuzganges beschaftigt, die
Vorschule Michael Pachers gebildet haben mag. Nach wie vor fehlen
jedoch die Mittelglieder, klafft ein Sprung zwischen Sunter und seinen
Leuten und dem fiihrenden Meister der tiroler Gotik. Die Ausstellung
gab auf diese wichtige Frage keine Auskunft — zumal Pacher selbst auf
ihr nur mit einem Spatwerk vertreten war, der Vermahlung der hi.
Katharina aus dem Petersstift in Salzburg. Das koloristisch feine, in
Zeichnung und Stimmung etwas flaue Bild hat leider betrachtlich gelitten
an seinem bisherigen Aufbewahrungsort, dem Kreuzgang des Klosters,
fiir das es Pacher wohl auch gemalt hat. Mit Semper es fiir einen
("berrest des von dem Kunstler fiir die Stadtpfarr-, jetzige Franziskaner-
kirche in Salzburg gelieferten Liebfrauenaltares zu halten, verbietet sich
darum, weil eine derartige isolierte Szene in dem fiir die Fliigel voraus-
msetzenden Mariencyklus keinen Platz gefunden hatte, im Mittelraume
aber erne noch erhaltene geschnitzte Madonnenfigur stand. Wahrend der
ungewohnlich langdauernden Arbeit an diesem Schreine (1484 — 1498)
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24 Robert Stiafsny:
und der wiederholten Besuche in der Bischofsstadt, die sie erforderte,
wird Pacher eben noch andere Auftrage dort tlbernommen haben. In
diese Schlufizeit des Meisters versetze ich auch zwei vorziigliche Gemalde
des Salzburger Museums, die mit dem Meister bisher nicht in Verbindung
gebracht wurden. Es sind Orgelfltigel mit den Gestalten der in Salzburg
verehrten Heiligen Primus und Hermes (in Saal XVII, Burgkapelle).
Durch die breite, lockere Malweise nahern sie sich dem Bilde aus St.
Peter ebensosehr, als sie ihm durch die temperamentvolle, urpacherische
Auffassung uberlegen sind. Deutlicher als dieses lassen sie erkennen,
dafi es ftir Pacher auch nach dem Wolfganger Altar noch eine Weiter-
entwicklung gegeben hat und zwar in einer ausgesprochen malerischen
Richtung.
Die Kunst, die auf dem Grund und Boden seiner Werkstatt zur
besonderen Bliite gelangt war, trieb aber ihre Wurzeln durch das ganze
deutsche Stidtirol. In den Hauptorten des Pustertales, in Brixen und in
Bozen, safi Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts eine Reihe
von Meistern, die Ahnliches wollten, wenn auch nicht Gleiches konnten
wie Michael Pacher. Immer klarer erhellt, dafi dieser Kunstlername sich
zu einem geographischen Stilbegriff ausgewachsen hat, zu einem Gattungs-
namen etwa wie Tiroler »Spezial«, unter welcher Bezeichnung auch
recht unterschiedliche Marken ausgeschenkt werden. Waltet schon uber
der anonymen Gesamtarbeit der Werkstatt haufig nur der Geist des
Meisters und vermogen wir mit Sicherheit eine ganze Anzahl von Gehtilfen-
handen in ihr zu unterscheiden, so beginnen sich vollends aus seiner
»Schule« mehr oder weniger greifbare Sonderpersonlichkeiten herauszu-
runden. Unter den unmittelbaren Genossen tritt Friedrich Pacher als
der Einzige, liber den wir nahere Kunde haben, heute wohl mehr wie
billig in den Vordergrund (vgl. meinen Aufsatz, Repertorium XXIII, 38ff.\
Aus der inschriftlich beglaubigten und 1483 datierten Taufe Christi,
welche das Klerikal-Seminar in Freising auf die Ausstellung geliehen hatte,
spricht eine trocken verstandige, etwas spieflbiirgerliche Natur, deren
Harten unter dem Eindruck wahlverwandter paduanischer und veronesischer
Muster sich eher verscharft als gemildert hatten. Mit der hageren Eckig-
keit der Squarcionesken, eines Marco Zoppo etwa, verbindet sich in dem
Vordergrundsmotiv — einer Steinbrtistung mit Blumentopf und Papagei —
anscheinend eine venetianische Reminiszenz. Bezeichnend ist, dafi das
Gemalde altertumlicher wirkt als sein Vorbild auf einer der Fltigeltafeln
des Wolfganger Altars, die Friedrich zwei Jahre friiher, unter Mitwirkung
Michael Pachers, vollendet hatte. Andrerseits lassen die von einer
weitgehenden Restauration verschont gebliebenen Partien der Freisinger
Taufe es erklarlich erscheinen, dafi Friedrich nach einer gleichzeitigen
Aussage zu den »besten und verstiindigsten Meistern « in Brixen zahlte*
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Die Pacher-Schule.
25
und machen es unmoglich, so handwerklich derbe Leistungcn wie den
kathaxinen- Altar und das Barbara-Marty rium aus Neustift (Nr. 6, 7) ihm
auch nur als Jugendwerke zuzutrauen. In der zweiten Auflage des
Kataloges hat Semper diese seine fruhere Annahme denn auch fallen
gelassen. Das Katharinen-Triptychon riihrt offenbar von einem Maler
her, der durch die Werkstatt der Pacher gegangen ist und einige Schwachen,
namentlich die Zeichenfehler Friedrichs, angenommen hat, wahrend ihm
dessen Vorziige fremd blieben. In der Verkundigung auf den Fliigel-
aufienseiten und auf einer der Innentafeln mit Katharina im Kerker sind
ModeUskizzen von Engelkopfen der Wolfganger Taufe benutzt. Die
Gcstalt des Wachters auf dem Kerkerbilde stammt aus dem Gemalde
Christus und die Ehebrecherin in St. Wolfgang, und den Szenen aus
dem Leben des Altarheiligen dort sind zwei weitere Figuren der
Katharinenbilder entlehnt. Die Barbara-Tafel ist das Mittelstuck eines
kleineren, nicht mehr zur Ganze erhaltenen Altarwerkes, von dem die
Neustifter Sammlung drei Fltigelbilder (Inv. Nr. 150, 153, 154) und
Frau Seebock in Bruneck das Fragment eines vierten besitzt. Von
demselben Brixener Lokalmaler sind zwei Legendendarstellungen, Be-
kehrung und Taufe zweier fiirstlicher Frauen im Bayerischen National-
Museum zu Mtinchen (Saal XI. Inv. Nr. 3220, 3221). Die tief braun-
liche, brandige Farbung dieser Malereien, die kurzen, stammigen Gestalten,
die grell ubertreibende Charakteristik weichen sowohl von der Manier
der Katharinenbilder wie der zahmeren Tonart Friedrich Pachers ab.
HiefSe es diesen also unterschatzen, wollte man ihm die Verantwortung
far derartiges Schulgut auf burden, so wilrde seine Autorschaft an einer
Gruppe anderer, ihm von Semper neuestens zugeteilter Arbeiten eine
Wandlungsfahigkeit voraussetzen, die einer Uberschatzung seiner ktlnstler-
bchen Kraft gleichkame. » Semper idem« scheint nicht der Wahlspruch
dieser Bestimmungen gewesen zu sein. Das aus Pariser Privatbesitz auf
der Ausstellung aufgetauchte Dreibild mit der Trinitat zwischen " dem
Evangelisten Marcus und Antonius Abbas gehort ohne Frage in den
Kxeis Pachers, zeigt aber keine der Besonderheiten Friedrichs. Das
Aufiere der Anordnung, die feststehenden, unverschliefibaren Seitentafeln
samt der arch itek ton ischen Einfassung von gotischen Giebeln und fialen-
fcrmigen Halbsaulen erinnern an die Anconen der Vivarini. Die knolligen,
gedunsenen Formen, die zu grofien Kopfe, die lederartig gegerbte Haut,
die verschnorkelte Zeichnung der Hande finden sich aber ahnlich wieder
auf einem aus Bozen in das Germanische Museum gelangten Triptychon,
das Semper folgerichtig ebenfalls dem Friedrich Pacher zuschreibt. Dem-
seJben begabten Vertreter der jungeren Pacher-Schule diirften die von
DahJke im Repertorium IV, inff. besprochenen FlUgeltafeln in Ambras
beizumessen sein, die auf der Ausstellung fehlten.
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26 Robert Stiafsny:
Leider gelang es auch nicht, das Doppelbild der hi. Petrus und
Paulus von Schlofi Tratzberg flir sie zu gewinnen. Diese bedeutende
Schopfung wird von Semper jetzt gleichfalls flir Friedrich Pacher in An-
spruch genommt. Sie liegt indes vollends jenseits der Grenzen, die dem
Konnen unseres Meisters gezogen waren. Die rauhe Grofie der beiden
kolossalen Gestalten, die gediegene, kCrnige Malweise deuten vielmehr aut
Michael Pacher selbst, den schon Rob. Vischer als Urheber der Tafel ver-
mutet hat (Studien z. Kunstgesch. S. 458). Der Kopf des Petrus stimmt
uberein mit dem Kaiserbildnisse auf dem Fresko Pachers liber dem
Siidportal der Stiftskirche in Innichen, in dem ich ein Portrat Ottos des
Grofien nachweisen konnte (Beilage zur Allgem. Zeitg. 1899, Nr. 22I)«
Unbekannt ist bisher, dafi wir es in Tratzberg mit dem Mittelbilde eines
Altarwerkes zu tun haben, das 1475 m dem Peter- und Paulus-Kirchlein
am Jochelsturm in Sterzing aufgestellt wurde. Die Predella mit der das
Schweifituch haltenden Veronika zwischen den knienden Figuren der
Bauherren der Kirche, der Sterzinger Gewerken Lienhart und Hans
Jochl befindet sich noch in Tratzberg, wahrend sieben Bilder aus dem
Leben der Apostelflirsten und des Evangelisten Johannes von den Tiiren
des Altars — eines darunter eben mit dem Datum 1475 — durch Pfarrer
Gotthart aus Oberbergkirchen 1809 in Sterzing erworben, spater in den
Besitz Prof. Sepps in Miinchen iibergingen, der sie 1861 der deutschen
Peterskirche zu Tiberias in Palastina geschenkt hat (Repertorium , XI,
346 f.).
An monumentaler Wtirde den Tratzberger Aposteln ebenbiirtig
sind die Heiligen Jakobus und Stephanus auf dem Gemalde der Samm-
lung Sepp, das schon auf der Renaissance-Ausstellung in Miinchen (1901)
verdiente Beachtung gefunden hat. In Innsbruck erlitt das Bild an
klinstlerischen Ehren keinen Abbruch, obwohl man mit Recht nicht mehr
Michael Pacher, sondern nur einen seiner anonymen Nachfolger als
Autof gelten lieO. Mit dem grofien Wurf und der markigen Charakter-
istik der Tratzberger Tafel vereinigt es eine mehr malerische Haltung,
eine weichere Tonschonheit, ein feineres Helldunkel, Qualitaten, in denen
man bereits das herannahende 16. Jahrhundert verspurt. Wahrend der
Okkupation Tirols durch die Bayern 1803 kam es aus Neustift in das
Schleifiheimer Galerie-Depot, um mit anderen Stiicken desselben 1852
versteigert zu werden. Vermutlich bildete es die Mitteldarstellung eines
Jakobus- und Stephanus- Altars, den, nach den Klosterannalen , einer
Handschrift des 17. Jahrhunderts in der Neustifter Bibliothek, der Brixener
Bischof Georg Golsner im Chore der Kollegiatkirche 1481 geweiht hatte,
dessen Ausftihrung sich jedoch ublicherweise einige Zeit hinausgezogen
haben dtirfte. Zweifellos auf denselben Ktinstler gehen ein vorzligliches
Abendmahl aus Neustift in der Schleifiheimer Galerie (Nr. 98) und ein
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Die Pachcr-Schulc.
27
ebendaher stammender Tod Maria" im Ordinariatsgebaude der Mlinchener
Frauenkirche zurlick. Acht Bilder aus der Augustin-Legende in Neustift
— von den en ftinf auf der Ausstellung gezeigt wurden (Nr. 10a — e) —
sowie die grofle Sippendarstellung mit der Zurlick weisung des Opfers
Joachims auf der Rtickseite am gleichen Ort (Nr, 11) beriihren sich in
den schweren Formen, der starken, dunklen Farbung und den ausdrucks-
vollen Kopfen mit der Seppschen Tafel, ohne deren hohen Stil zu er-
rekhen. Immerhin zeigen sie den Pacherschen Schultypus selbstandig
abgewandelt durch eine kiinstlerische Individuality, die mit den Traditionen
der Werkstatt paduaner und bellineske Einfliisse, in der Weise etwa eines
I.azzaro Bastiani, Mansueti, Vittore di Matteo, zu verschmelzen weifi.
Die Vermutung liegt nahe und ist von mir bereits im Repertorium
XXIII, 46) geaufiert worden, dafl dieser vertraute Jiinger des Altmeisters
Hans Pacher war, der dritte Maler der Familie. Triflft die Annahme zu,
so ware bei ihm auch die ofters besprochene und publizierte Altartafel
aus Utenheim in der Vintlerschen Sammlung zu Bruneck (Nr. 8) gut
aufgehoben, obwohl sie in der harteren Zeichnung und der bunteren,
kiibleren Farbengebung sich um einen Grad befangenener erweist. Zu
dem Augustin-Altar gehort, wie schon Semper erkannt hat, eine Predella
mit den Brustbildern der hi. Augustin und Monika im Mlinchener National-
Museum (Saal XV). Von der namlichen Hand sind weiter das Fragment
einer Darbringung in derselben Sammlung (Saal XI, Inv. Nr. 3130) unci
ein Fliigelgemalde mit den hh. Florian und Sebastian bei Frau Seebock
in Bruneck, auf das ich im Repertorium a. a. O. aufmerksam gemacht
babe. Stilverwandte Arbeiten sind ferner eine Beschneidung Christi aus
Innsbrucker Privatbesitz (Nr. 16) und ein 1484 datiertes Miserikordien-
bild der Sammlung Sepp, das nicht auf die Ausstellung gekommen war.
Es wiederholt die bekannte paduanische Komposition des auf dem Sarko-
phagdeckel sitzenden, von der Madonna und Engeln betrauerten Heilandes
mit einem Stifterpaar.
Entschlossener als der Augustinmeister und der Maler des Sepp-
schen Jakobus- und Stephanus-Bildes ging ein dritter Kiinstlcr aus dem
Nachwuchse des Pacher- Ateliers auf die Tendenzen des neuen Jahrhunderts
ern: der Monogrammist M. R., vermutlich identisch mit einem in Inns-
bruck, Bozen und Salzburg nachweisbaren Maler Marx Reichlich. Die
Ausstellung brachte von ihm nur zwei wenig charakteristische Predellen-
stiicke aus Wilten (Nr. 25, 26), die keinen Ersatz boten flir sein Haupt-
werk, das 1893 in Innsbruck vorgeflihrte Fliigelpaar aus der Waldaufschen
Kapelle in der Pfarrkirche zu Hall. Noch ganz im Geiste Pachers,
obschon aus einer anderen Palette gemalt, haben diese trerTlichen Bilder
auch ein gegenstandliches Interesse, das in der Beschreibung Sempers
.Zeitschrift des Ferdinandeums, 1891, S. 81 ff.) zu kurz gekommen ist.
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28 Robert Stiafeny:
V
Ihr Stifter, der Ritter Florian Waldauf von Waldenstein , Hofkanzler
Maximilians I. in Innsbruck (gest. 1510), war ein besonderer Gonner und
Forderer der damals neu aufgekommenen Andacht zur hi. Brigitta, von
deren »Revelationes« er auf seine Kosten die bekannte deutsche Ausgabe
(Ntirnberg, Koburger, 1500) veranstaltet hat. Daher erscheint auf der
Vorderseite des einen der Haller Flligel die Stifterin, Freifrau von
Waldauf, mit ihrer Namenspatronin Barbara, umgeben von Monchen und
Nonnen des Brigitta-Ordens, an deren Spitze die schwedische Heilige.
— Diesen, wohl noch im Vollendungsjahre der Waldauf-Kapelle 1500
entstandenen Votivtafeln schlieflt sich ein Bild aus der Jakobuslegende
in der Reindlkapelle der Miinchener Frauenkirche an, das in den »Kunst-
denkmalen des Konigreichs Bay em « (I, 981) irrtumlich als »niederdeutsch«
bezeichnet ist. Das sammtartige Kolorit mit den tiefen Schatten, die
plastische Modellierung der kiihn verktirzten Gestalten, der aparte Ge-
schmack der Trachten lassen jedoch den Tiroler nicht verkennen. Es
stammt gleichfalls aus dem Neustifter Zuwachs der Schleifiheimer Galerie,
aus dem ein anderes Gemalde des Klinstlers, ein Opfergang Marias,
ktirzlich der neugegrlindeten bayerischen Filialgalerie in Burghausen Uber-
wiesen wurde. Diese Tafel gehort zu demselben Marien- Altar wie die
Geburt Marias urtd die Heimsuchung in Schleiflheim (Nr. 100, 101)
und ist wichtig, weil sie aufier dem Monogramm M. R. auch das Datum
der ganzen Folge tragt: 1502. Der leichte, fliissige Vortrag und das
sichere Verstandnis der Renaissance-Architektur geben Zeugnis von der
rasch fortgeschrittenen Stilwandlung des originellen Meisters. In die
namliche Zeit oder nicht viel spater iallt eine in Vischers »Studien«
(S. 476) ihm mit Recht zugesprochene Geburt Johannes des Taufers
im Prager Rudolfinum (Nr. 672). Von einem schwacheren Nachfolger
riihren endlich die acht Tafeln mit Apostel- und Heiligen-Figuren im
Ferdinandeum zu Innsbruck her (Nr. 35—42).
Haben wir in dem Monogrammisten M. R. den aufiersten Fliigel-
mann der eigentlichen Pacher-Schule vor uns, so verkorpert Andre Haller
aus Brixen die kunstlerischen Bestrebungen einer jiingeren Generation, in
der sich der Geist der tiroler Gotik, der in Pacher seinen vollendetsten
Ausdruck gefunden, unter dem erneuten Einstromen sliddeutscher und
oberitalienischer Elemente zu zersetzen beginnt. Neben Pacher und den
Seinen macht dieser Epigone eine so geringe Figur, dafi es schwer be-
greiflich ist, wie Semper ihn fruher als den Urheber des Tratzberger
Apostelbildes und der Seppschen Altartafel betrachten konnte. Ein
handfester Praktiker, hat er die rassige Urwtichsigkeit der alten Tiroler
der aufierlichen Nachahmung Dlirerscher Typen, ihre zah energische, auf
die scharfste Bezeichnung des Einzelnen ausgehende Formensprache einer
leeren Glatte, ihre breite, gesattigte Farbung einem glasig leuchtenden
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Die Pacher-Schule. 20
Kolorit preisgegeben. Die Nummern 19 — 24 der Ausstellung, aus Neu-
stift und Freising — denen man noch die Brustbilder des segnenden
Salvators und einer Madonna in der Sammlung des Museumsvereins zu
Bozen (Inv. Nr. 1246 und 1247) sowie eine grofle Kreuzigung im Brixener
Didzesan-Museum (aus der dortigen Johanneskirche) hatte beifiigen kbnnen
— vermochten dieses Urteil nicht zu seinem Gunsten zu korrigieren.
Auch die aus Brixen stammende » Mater speciosa« des Ferdinandeums
(No. 46) hangt mit Haller zusammen. Zwei noch von den Tratzberger
Aposteln inspirierte Tafeln mit den Heiligen Petrus und Paulus in der
Marienkapelle der Neustifter Kollegiatkirche, die fiir ihn selbst zu gut,
seine Richtung deutlich ankiindigen, waren nicht auf der Ausstellung.
Vor allem vermiflte man auf dieser das einzige inschriftlich gesicherte
Werk des Meisters, den Durnholzer Altar von 15 13, heute im Ansitz
Stillendorf zu Bozen. Der Vergleich der Schreinskulpturen mit den in
das Ferdinandeum gelangten Fltigelgemalden (Nr. 43, 44) hatte unwider-
sprechlich ergeben, dafi Haller, obwohl er sich als Lieferant des ganzen
Altares nennt, die Schnitzereien nicht personlich ausgeftihrt haben kann,
vie dies in zahlreichen anderen Fallen urkundlich belegt ist. In die
tfahe Hallers gehort der im Kataloge als Kopie nach Pacher bezeichnete
hi. Corbinian beim Grafen Wilczek (»Segnender Bischof« Nr. 36). Das
interessante Bild zeigt einen abgeschwachten Nachklang des Pacher-
Stiles, gekreuzt mit schwabischem Einflufi, der ihm in der Sammlung
Develey in Milnchen, in der es sich frtiher befand, zu dem Namen des
alteren Holbein verholfen hatte (Janitschek, Gesch. d. deutsch. Mai.,
S. 268).
Die schwabische Kunstweise, im Oberinntale das kiinstlerische
Stammesidiom der Bevolkerung, findet liber das Vintschgau nach Stid-
tirol und durch einen starken Zuzug aus Schwaben auch in den
iibrigen Teilen des Landes Verbreitung. Direkter Import und die Arbeiten
schwab isch geschulter Tiroler (vgl, Nr. 27 — 31 der Ausstellung) sind
nicht immer leicht auseinanderzuhalten, wie fur das 15. Jahrhundert schon
das Beispiel des Multscher- Altares in Sterzing beweist, der die langste
Zeit als Landesprodukt gegolten hat. Das figurenreiche Sippenbild von
15 10 aus Flaurling, mit dem Portrait Kaiser Maximilians I. unter den
Vorfahren Jesu (Nr. 39), erinnert an den Allgauer Meister Jakob Schick
aus Kempten, von dem das bayerische Nationalmuseum zwei Altare besitzt,
and noch naher an die flachdekorativen Gemalde des wohl hauptsachlich
von Schaflfher beeinflufiten Sebastian Scheel aus Innsbruck. In einer
anderen Gruppe nordtiroler Bilder herrscht wieder der bajuvarische
Cbarakter, die Verwandtschaft mit der oberbayerischen Nachbarschule
vor, so in der Aposteltrennung aus Wilten (Nr. 12), fur welche die
Sdftstradition sogar einen Namen bereit halt, den des Malers Marx
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*0 Robert Stiafsny:
Tanauer, der in Innsbruck und Wilten 1493—1507 urkundlich er-
wahnt wird.
Von der selbstandigen Entfaltung und grofien Ausbreitung, welche
die tiroler Holzskulptur im 15. und 16. Jahrhundert erlangt hatte, gab
die Ausstellung, wie schon gesagt, keinen rechten Begriff. Da vollstandige
Altarwerke iiberhaupt fehlten, konnte das wichtige Verhaltnis von Tafel-
malerei und Schnitzkunst nicht veranschaulicht werden, die sich wechsel-
seitig bedingten und in die Hand arbeiteten. Auch in dieser Gattung haufte
man bis in die letzte Zeit wahllos nicht einmal die besten, sondern die
verschiedenartigsten und meist schon dem 16. Jahrhundert angehorigen
Leistungen auf den Meisternamen Pachers. Bezeichnenderweise ist
gerade im Pustertale nichts von Schnitzwerken vorhanden, was mit den
Malefeien seiner Richtung stilistisch iibereinstimmte. Die frliher fiir
Pacher in Anspruch genommenen Flachreliefs einer Kreuzabnahme und
Grablegung im Ursulinenkloster zu Bruneck (Nr. 85, 85 a) sind von der
Hand desselben Pustertaler Bildhauers, der in der Totenkapelle zu
Wahlen bei Toblach ein 1520 datiertes Altarchen mit reichem Renaissance-
Rahmen und ein zweites, identisch behandeltes in der Mooskirche bei
Niederdorf ausgeflihrt hat. Den Vintschgauer Lokalstil, wie ihn die
Altare von Latsch und Niederlana reprasentieren, zeigt in charakteristischer
Pragung das Fragment einer kleinen, sehr bewegten Freigruppe mit dem
Tode Maria im Besitze des Grafen Wilczek (Nr. 89; aus Meran). Ein
kleiner Schrein mit der Krippe zwischen den Heiligen Anna und Katharina
(Nr. 84), der ganz den Eindruck eines geschnitzten Gemaldes macht und
in den Frauentypen an den Augustinmeister anklingt, ist wohl Brixener
Herkunft. Fiir den Meister des Traminer Altares im National-Museum
zu Mlinchen, dem der Katalog dieses Stilck gibt, ist die Arbeit zu gering.
Hingegen hat dieser geniale Schnitzer nicht nur die ihm schon von Semper
zugeschriebenen Altare in der Jodokuskapelle der Bozener Franziskaner-
kirche und in Pinzon geschaffen, sondern auch die kostliche Marienstatue
der Sammlung Figdor in Wien (Nr. 83), uber deren weichbewegter Gestalt
mit dem mild individuellen Antlitz ein Abglanz von der Schonheit der
sudtiroler Landschaft zu liegen scheint. Die schon auf der Mlinchener
Renaissance-Ausstellung vielbewunderte Figur gehorte mit einem hi. Josef
in der Sammlung Thiem in San Remo zu einer »Anbetung des Kindest
aus SchloiJ Saltaus im Passeirtale. Auch das reizend naive Relief einer
Geburt Christi im Bayerischen National-Museum (Saal XII, Nr. 9) und
ein Altarchen aus Montan b. Pinzon in der Kapelle von SchloiJ Tirol
darf man auf den leider noch namenlosen Kunstler zurtickftihren, der in
dem Formenadel seiner Gebilde einen welschen Bluteinschlag verrat.
Alle diese Schnitzwerke, obwohl entschieden jtinger, haben die grofite
Verwandtschaft mit den Wolfganger Skulpturen, stammen aber nicht aus
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Die Pacher-Schule.
31
dem Heimatstale des Brunecker Meisters, sondern aus dem Etschlande.
1st es nun logischer, zu sagen, gerade in der Bozener Schnitzerschule
babe sich der Stil Pachers festgesetzt und sei dort fortentwickelt worden,
odcr anzunehmen, auch der Hauptbildhauer des Wolfganger Altares sei
aus jener Schule hervorgegangen , deren Aufschwung die wiederholte
Anwesenheit des Meisters in Bozen und die von ihm gelieferten
Entwurfe immerhin zu Gut gekommen sein mogen? Leider blieb die
Ausstellung die Antwort schuldig auf diese Kernfrage des Pacher-Problems,
die ich vor mehreren Jahren — in einem Aufsatze der »Deutschen
Rundschau* (1897, S. 422 ff.) — aufgerollt habe. Denn auch die schon
iqoi in Mlinchen gesehene Bischofsstatuette aus dem graflich Wilczek-
schen Schlosse Seebarn, die Semper als eine eigenhandige Schnitzarbeit
Pachers ins TrerYen flihrte (Nr. 82), kann nicht den Ausschlag geben.
Wohl erinnern Kopf und Hande in ihrer brillanten Behandlung an den
St. Wolfgang im Schrein des Wolfganger Altares (dessen ausgelegte Teil-
photographien, beilaufig bemerkt, fur die von mir vorbereitete Publikation
hergestellt worden sind, wegen ihrer Unzulanglichkeit jedoch zurlick-
gewiesen werden muflten). Der weinerliche Gesichtsausdruck der Figur,
der diirftige, unpacherische Korperbau, die unfreie Art des Sitzens, sowie
der Farbengeschmack der Fassung nahern aber das Werk noch weit mehr
dem Stile Riemenschneiders, unter dessen Namen es in Wiirzburg er-
worben wurde. Man vergleiche besonders die beiden Bischofsstatuen im
Berliner Museum, abgebildet bei Streit, Leben und Werke D. Riemen-
schneiders, Taf. 7 a. — Auch der neueste Biograph Riemenschneiders,
Ed. Tonnies, zweifelt nicht an dessen Urheberschaft und setzt die Figur,
in der er einen hi. Kilian vermutet, um 1505 an, nach Vollendung des
Blutaltars in Rothenburg. (Briefl. Mitteilung).
So hat die Innsbrucker Ausstellung, wie man sieht, zwar keine
uberraschenden Aufschlusse gebracht, aber ein schones Stuck altdeutscher
Runst dem Tagesinteresse der Forschung naher gertickt. Diese Lands-
mannschaft kemhafter, bodenechter Ktinstlercharaktere, die uns um die
Wende des 15. Jahrhundert in Tirol entgegentritt, wird denn doch noch
immer betrachtlich unterschatzt. An Bedeutung geht sie entschieden
\oraus so mancher oberdeutschen Lokalschule, deren Leistungen langst
kritisch gesiebt und mit alien kunstgeschichtlichen Ehren gebucht sind.
Wie vieles hier noch in Flufi begriffen, zeigte eben die Ausstellung. Sind
doch selbst die Akten liber den Fall Pacher noch keineswegs geschlossen.
Xach wie vor kennen wir nicht die formbestimmende Vorstufe seiner
Konst, lafit die Chronologie seiner Arbeiten fast alles zu wtinschen ubrig,
and bleibt uns sein personliches Wesen verborgen, so lange nicht einmal
ausgemacht ist, wo der Schwerpunkt seiner Begabung gelegen hat, auf
maJerischem oder plastischem Gebiete. Auf beiden hat jedoch seine
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32 Robert Stiafsny: Die Pacher-Schule.
Wirksamkeit so breite Spuren hinterlassen , dafi es zunachst gilt, sein
Eigenstes auszuscheiden aus der Kollektivproduktion der Sippe und
Schule, der Nebenbuhler und Nachfolger, ehe man versuchen kann, die
Individuality des Meisters scharfer zu erfassen. Die schwierige Aufgabe,
in dieses Inventarium Ordnung zu bringen, hat uns das Innsbrucker
Unternehmen wesentlich erieichtert, die Forderung dieser wichtigen Vor-
arbeit ist es, woftir wir ihm Dank wissen.
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Zu Zeitblom.
Von Friedr. Haack, Erlangen.
Der Katalog der Miinchener Pinakothek zahlt drei Gemalde von
Zeitblom auf, die Heiligen Margareta, Ursula und Brigitta. Es sind
ganz wundervolle Tafeln: leuchtend in satten tiefen klaren Farben, von
stiller ernster sanfter Religiositat der Auffassung, von auserlesenem Ge-
schmack in der Anordnung der Gestalten vor den prachtigen Hinter-
griinden und von einer fur die damalige Zeit einzigen Schlichtheit und
Grofie des Faltenwurfes. Von einer ganz besondern Feinheit zeugt die
Art, wie Kopf, Kopftuch, Krone, Heiligenschein und Hintergrund wirkungs-
voll miteinander verbunden sind. — Der Katalog gibt ganz richtig an,
dafi die Ursula urspriinglich das Seitensttick zur Margareta gebildet hat.
Uber das Verhaltnis, in dem die Brigitta zu den beiden andern gestanden
hat, sagt er dagegen nichts. Das Brigitten-Bild hat nun ohne Zweifel
die Ruckseite der Ursula-Tafel gebildet. Die beiden Malbretter sind
namlich sehr diinn, sie messen nur je beilaufig einen halben Centimeter
in der Tiefe, wahrend die Tafel mit der heiligen Margareta einen ganzen
Centimeter dick ist. Zu allem Uberflufi finden sich auch noch deutliche
Sagespuren. Die beiden diinnen Tafeln, die also urspriinglich zusammen-
gehort und einen Altarfliigel gebildet haben, besitzen auch genau die
gieichen Hohen- und Breitenmafie: 137X44,5 cm. Die diesbezlig-
iichen Angaben des Katalogs, welche einen geringen Unterschied auf-
weisen, sind nicht ganz genau. Auch sachlich stimmt die h. Ursula,
welche vor einem dunkelblauen Grunde stehend dargestellt ist, vortrerTlich
ab Ruckseite zur Ursula, die sich von einem Goldgrund abhebt, wie
er der Vorderseite eines Altarflugels zukommt.
Und wie steht's nun mit der Ruckseite der Margaretentafel ? —
Hier erblicken- wir gleichfalls eine Heilige, welche allerdings im Pina-
kothekkataloge gar nicht erwahnt wird. Zwar ist das Bild dieser Heiligen
leider arg zerstort, aber die Hauptsache: der grofite Teil des Kopfes und
namentlich die Hande sind sehr gut erhalten. Die Heilige entspricht in
Haltung und Wendung vollkommen der anderen Aufienfltigelfigur, der
h. Brigitte. Wie hier, so dort ein golddurchwirkter Teppich und gotisches
Astwerk auf dunkelblauem Grunde. Die Heilige ist in ein rotes Gewand
fiepertoriom ffir Kunstwisseuschaft, XXVF. 3
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34
Friedr. Haack: Zu Zeitblom.
und in einen griinen Mantel gekleidet, auf dem Haupte tragt sie tiber
weiflem Kopftuch eine Krone. Wundervoll ist die Neigung des Hauptes
auf die linke Seite. An ihrer linken Schulter lehnt ein Baumstamm, an
den man sie sich wohl als gefesselt vorzustellen hat, jedenfalls ist ihr
linker Arm um den Baum herumgegeben. Die Hande sind iibereinander-
gelegt. Am Boden zlingeln gelbrote Flammen empor. Wir haben daher
in dieser Gestalt die heilige Afra zu erblicken (vgl. Pfleiderer, Die
Attribute der Heiligen. Ulm 1898, speziell S. 57).
Der Miinchener Pinakothekkatalog gibt tiber die Herkunft der
Zeitblombilder an, dafi sie im Jahre 181 6 vom Grafen Rechberg in die
Wallersteinsche Sammlung abgegeben worden sind. Zwei von ihnen
haben sich bis 1882 in der Moritzkapelle zu Niirnberg befunden. Aus
der Wallersteinschen, vormals Rechbergschen Sammlung stammt nun
gleichfalls ein Gemalde Zeitbloms, das noch in Niirnberg und zwar im
Germanischen Museum aufbewahrt wird (Nr. 143). Dasselbe stellt die
heilige Anna selbdritt zwischen Margareta und Barbara auf der einen,
Dorothea und Magdalena auf der anderen Seite dar. Samtliche Gestalten
in Halbfigur. Das sehr niedrige und sehr breite Bild ist offenbar eine
Predella gewesen. Es mifit 92 cm in der Breite, also um nur 3 cm mehr
als die beiden Munchener Altarflligel zusammen. Die stilistische Cber-
einstimmung zwischen diesen und dem Gemalde in Niirnberg ist aller-
dings keine vollkommene. Die Ntirnberger Predella reicht an die
Miinchener Fliigel nicht ganz heran, weder im Geschmack der Anordnung
(z. B. des Kopftuches, der Krone, des Heiligenscheins und des gemusterten
Hintergrundes), noch in der Sorgfalt der Ausfuhrung im einzelnen, noch
endlich in der Giite der Malerei. Aber auf der anderen Seite stimmt
die Predella mit den Miinchener Altarfliigeln im Kolorit, in den Typen,
in den Bewegungs- und Gewandmotiven so genau iiberein, dafi sie nicht
nur von demselben Kiinstler, sondern wahrend derselben Stilepoche ge-
malt sein mufi. Die Hypothese dtirfte demnach nicht zu ktihn er-
scheinen, dafi die Niirnberger Tafel die Predella zu den Miinchener
Altarfliigeln gebildet hat. Die etwas geringere Qualitat der Predella liefie
sich zur Not aus der geringeren Bedeutung dieses Altarteils erklaren.
Der Breiteniiberschufi von 3 cm fallt auf die Mittelleiste zwischen den
beiden Altarfliigeln. Im Innern des Schreins durften, wie gewohnlich
bei Zeitblom, Holzfiguren gestanden haben. Wir aber hatten in Zeitbloms
Miinchen-Niirnberger »Frauenaltar«, wenn man so sagen darf, ein zu-
sammenhangendes Werk zu erblicken, in dem dieser frauenhafte, lyrisch
gestimmte, aller lebhaften Bewegung abholde Meister das Beste hinter-
lassen hat, was er iiberhaupt zu geben vermochte.
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Literaturbericht
Kunstgeschichte.
D. Ainalow. Die hellenistischen Grundlagen der byzantinischen
Kunst. Untersuchungen auf dem Gebiet der friihbyzan-
tinischen Kunstgeschichte. S. Petersburg. 1900. IV + 229 S.
mit 4 Taf. u. 48 Textabb. (Russisch).
Seit bald drei Jahren liegt ein Werk vor, das einen der wichtigsten
neuesten Beitrage zu dem lebhaft geftihrten Meinungsstreit tiber die
ethnischen Grundlagen der spatantiken und altchristlichen Kunst bildet
und nur deshalb bisher so gut wie keine Berlicksichtigung erfahren hat,
weil es in russischer Sprache abgefafit ist. So glaube ich noch heute
der kunstgeschichtlichen Forschung einen guten Dienst zu leisten, wenn
ich es versuche, ihr in gedrangtem Auszuge die Summe der tatsachlichen
Ergebnisse des russischen Forschers mit Beschrankung auf wenige kritische
Bemerkungen in [ ], dafiir aber unter Anflihrung der wesentlichsten
Quellen und Literaturnachweise zu vermitteln. Neben einem seltenen
Feingefiihl ftir die Unterscheidung der Stilrichtungen hat gerade ein
ausgebreitetes Quellenstudium Ainalow befahigt, die strittigen Fragen auf
Grand einer Reihe neuerer Publikationen und genauer Kenntnis der ein-
schlagigen Kunstwerke in breit angelegter Untersuchung ihrer Losung
luher zu bringen.
In der Einleitung (S. 1 — 6) nimmt der Verfasser zu den prinzipiellen
Standpunkten anderer Forscher, Kondakows (Byz. Emails, S. 29311.) und
Strzygowskis (Byz. Zeitschr.I, S.6srT.) einerseits, Kraus' (Gesch. d. christl. K.,
S. 547ff.; [vgl. S. 84ff.]) und Riegls (Stilfragen, S. 273) andererseits Stellung.
Der Name des extremsten Vertreters der Theorie von der grundlegenden
Bedeutungl der romischen Kunst fUr die altchristliche, — WickhorTs,
fehlt hier.l Dieser Anschauung gegentiber betont A. [was tibrigens von
Kraus halbwegs anerkannt worden ist] dafi auch die Katakombenkunst
scbon ihre Typen nur dem christlichen Orient entlehnt haben kann.
Sind es doch griechische Kirchenvater, die sich zuerst und vorwiegend
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36 Literaturbericht.
mit ihnen beschaftigen. Seine eigentliche Aufgabe sieht A. darin, die
christlich griechische Kunst als Vorstufe der byzantinischen unter den
Gesichtspunkten ihres Zusammenhanges mit der hellenistischen und ihrer
Umwandlung durch fremde orientalische Einfllisse in den Denkmalern der
Malerei und Plastik klarer zu erfassen. — A. geht (S. 7—40) aus von byzan-
tinischen Miniaturenhandschriften, die sich als direkte Kopien
alexandrinischer ansprechen lassen, obwohl sich die byzantinische
Formengebung in ihnen geltend mache. An der Spitze steht der Pariser
Kod. des Nik and er (Bibl. nat. 247 suppl.) a. d. 11. Jh. Die Vorlage
setzt A. (auf Grund von Tertullian, adv. gnost. Scorp. 1. I, c. 1) in die
Zeit des Autors (2. Jh. v. Chr.). Der Charakter der Darstellungen selbst
weise auf die hellenistische Naturwissenschaft zuriick. Von Elementen,
die sich dann in der byzantinischen (bezw. altchristlichen) Kunst
wiederfinden, vermerkt AinaJow den Hirten (z. B. Orion; vgl. Abel im
Cosmas Vat.), das Grab des Gyges (Adicula des Lazarus), den spateren
namenzeichnenden Segens- bezw. Redegestus u. a. m. [1st letzterer
nicht vom Kopisten hereingebracht? Und gehoren wirklich sowohl die
ohne Rahmen, Hintergrund und Bodenlinie gegebenen Szenen, wie die
Bilder »illusionistischen« Stils (zwei Vollbilder am Ende der Hdschr. und
die Geburt der Schlangen aus Gigantenblut) dem hellenistischen Original
an, oder stellen nicht vielmehr die ersteren nur einen byzantinischen
Auszug dar (wie im Cosmas Vat.; s. u.)?] Starker macht sich nach A.
der byzantinische Stil des 11. Jh. im Apollonius von Kitium (4- 60
v. Chr.) der Laurent. (LXXIV, 7) ftlhlbar. Trotzdem tritt er gegen
H. Schone fiir engsten Zusammenhang des Kod. mit einem alexandrinischen
Original ein. Diesem entstammen nach A. nicht nur die aus bewufiter
Absicht iibertreibenden anatomischen Figuren, sondern auch die in der
Komposition von ihnen untrennbaren Arkaden, welche eine Reihe von
Motiven der byzantinischen Ornamentik des 6. neben solchen des
12. Jh. darbieten. Unbedenklich erkennt A. in der Modellierung der
Gestalten die antike Skiagraphia wieder, auf die der Text des Apollonius
Bezug nimmt (f. 2,23) und von der sich noch bei mehreren Kirchenvatem
(Patr. gr. LI, 247 u.LXVIII, 140) eine dunkle Vorstellung erhalten hat. A. halt
die Bilder sogar fiir alteren Ursprungs als den Traktat selbst. Auf helle-
nistischer Tradition beruhen ferner nach A. Miniaturenhandschriften wie
der Ptolomaus in Watopadi (Nr. 543 in 40) mit wertvollen Proben
byzantinischer Kartographie oder der Pariser Kod. der Schrift des Athenaus
liber die Kriegsmaschinen. Eingehend untersucht er sodann den
Cosmas Vat., in dem er eine Kopie des 7. — 8. Jh. nach den Original -
illustrationen der um 536 — 547 verfafiten »christlichen Topographies und
den Hauptzeugen der auf Alexandria zurtickftihrenden Stro-
mung der byzantinischen Kunst erkennt. Die im Vat. fehlenden
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Literaturbericht.
37
Tier- und Pflanzendarstellungen des Kod. Laurent und Sinait. haben die
gleiche Herkunft. So ist z. B. das von L6wen zerfleischte Rofi im ersteren
em hellenistischer Typus (Gruppen im Vat. Mus. u. Kons. Pal.). Auf
Alexandria weisen die haufigen Personifikationen (Jordan, Helios, Thanatos),
die Mohren unter dem Thron des Ptolomaus, der Feuertopf des Isaak-
opfers (vgl. die afrikanischen Terrakottareliefs, Rom. Mittlg. XIII, 302)
und Mosesbusches hin. Im Cos mas finden die Jonasbilder der Kata-
komben und Sarkophage ihre Analogie; seine Miniatur wiederholt die
ganze an hellenistisches Genre gemahnende r. Halfte der Darstellung des
bekannten Lateransarkophags (Garrucci, 307,1). Eine gewisse Ahnlichkeit
mit Katakombenfiresken verrat auch Elias Himmelfahrt. Scharfsinnig er-
kiart A. die »friiheste Weltgerichtsdarstellung« im Cosmas und deren
scfaon hier fur immer festgestellte streifenformige Komposition aus der
durch mehrere Diagramme illustrierten Anschauung des Autors vom Welt-
gebaude, fur das er im Gegensatz zum Hellenismus als Christ die
spharische Gestaltung bestreitet. Christus thront in dem auf vier Saulen
fiber der Erde gewolbten ersten Himmel, die Engel stehen auf dem
rweiten (axepicwjia), die Menschen auf der Erde, unter der die Toten aus
der HoIIe auferstehen. Die Gruppierung folgt daher den Gesetzen des
Hochreliefs (Isokephalie u. s. w.). Sie wirkt nach im Kod. d. Parallelen
d. Kircbenvater der Bibl. nat. (Nr. 923, f. 67) a. d. 9. Jh., in den
PsaJtem u. s. w. bis Michel Angelo. Aus dem illustrierten Cosmas haben
Vat. 746 n) die Psalter und Oktateuche ihre Weltbilder geschopft. An
der Hand einzelner Bilder wie der Bekehrung Sauls und vor allem des
Abrahamsopfers fuhrt A. den Nachweis, dafi die christliche Buchmalerei
Akxandrias komplizierte Kompositionen mit Figurenwiederholung auf ein-
beitlichem in der Kopie fortgelassenem Schauplatz kannte. Daflir bietet
die Beschreibung der letztgenannten Szene in dem Sendschreiben Cyrills
v. AL, das in den Akten d. II. Nicanums (Labbe, Concilia VIII, 204)
erhalten ist, die vollste Bestatigung. A. leitet jedoch den »konti-
nuierenden Stil« im Gegensatz zu Wickhoff von der alt-
griechiscben und nicht von der romischen Kunst ab, allerdings
ohne die Unterscheidung desselben vom »kompletierenden« (Polygnots)
m berticksichtigen. Trotzdem wird man ihm zustimmen diirfen, da beide
zweifellos zusammenhangen (vgl. auch Strzygowski, Orient u. Rom, S. 3 ff.).
In den einschlagigen Szenen des Cosmas Vat. ist zwar der szenische
flintergrund fast vollig unterdrlickt, sie bewahren jedoch noch die Um-
rahmung ganz bifdmafiig ausgeftlhrter Vorlagen und verraten solche schon
durch die Figurenanordnung. Verschiedenen ikonographischen Typen
der spateren byzantinischen Kunst wie z. B. dem des greisen Propheten
Jesaias u. a.) begegnen wir bereits in der vollig ausgebildeten Typologie
des Cosmas Vat. Den wichtigsten unter ihnen, den historischen Christus-
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*g Literaturbericbt.
typus, bringt A. mit der in Agypten verbreiteten Verehrung der Schweifl-
tticher zusammen (vgl. Tobler et Molinier, Itinera 116; Cramer, Anec.
gr. II, 333). [In ikonographischer Beziehung ist freilich nicht zu vergessen,
dafl im 6. Jh. auch Agypten sicher unter syrischem Einflufi steht.] Mit
Recht betont A. den kraftvollen Korperbau der breitschultrigen und
groflkopfigen Figuren des Cosmas und die freie Gewandbehandlung als
echt an tike Merkmale seiner stilistischen Eigenart, wenngleich sich in
seiner stellenweise harten Brechung, in der Verkleinerung der FUfie und
dgl. Ziigen ein gewisser Stilverlust nicht verkennen lasse. — Eine alt-
byzantinische Kopie einer alexandrinischen Handschrift liegt
uns endlich selbst im Wiener Prachtkod. des Dioskorides vor.
Von seinen Titelminiaturen ist nur die letzte, welche seine einstige Be-,
sitzerin, die Prinzessin Juliana (1524), umgeben von Eroten und allegorischen
Frauengestalten zeigt, gleichzeitiger Entstehung. Flir die Arzteversammlung
(f. 2) mit dein Autor inmitten erlaubt das Mosaik der Caracallathermen
(Winckelmann, Opere t. CLXV) ein zwischen 500 n. Chr. und seiner
Lebenszeit (1. Jh. n. Chr.) entstandenes Vorbild vorauszusetzen. Auf noch
alterer Grundlage ruhen die beiden Darstellungen des Dioskorides mit
der Eoprfliq (f. 3 u. 4), die ihre Parallele in der Urania des lateinischen
Aratkod. findet (Be the, Rh. Mus. Bd. 48). Sie ktinnen einer der friihesten
Ausgaben des Traktats entstammen. Werden doch durch Seneca (s. u.) solche
Prachthandschriften mit Autorenportrats bezeugt. Die Pflanzenbilder
selbst weisen auf hellenistische Herbarien und nach Al. zuriick. Aufler
der Vorliebe fur Personifikationen , von denen die Amphitrite in einer
Statue in Byzanz wiederkehrt (Piper, Mythol. I, S. 491), sind die Motive
des Amorettengenres charakteristische alexandrinische Ztlge. Die Er-
klarung fiir diese nachhaltige alexandrinische Tradition in
der byzantinischen Miniaturmalerei findet A. in der geschicht-
lichen Tatsache der Berufung dortiger Gelehrter durch Kon-
stantin d. Gr. und derEinrichtung derBibliothek im Ok t agon. Sie
enthielt alexandrinische Originalhandschriften. — Im Folgenden (S. 42 —47)
untersucht A. zwei koptische Handschriften. Zur Darstellung eines
byzantinischen Kaisers mit Gattin und Tochter im Neapler Hiobfragment
(7. Jh.) zieht er das Zeugnis des Joh. Chrysostomus (I, 5iMU) tiber
Kaiserliche Familienbildnisse in Titelminiaturen heran. Diese hingen
von den offiziell in die Provinzen versandten Tafelbildern ab. Zu ver-
gleichen seien auch die Mosaiken von S. Vitale. In ornamentaler Be-
ziehung erscheint ein von W. Golenischtschew in Agypten erw. Unzialkod.
der Apostelgeschichte hochwichtig, der bereits die groflen Initialen der
Handschriften des 9. — 11. Jh. und die Tierornamentik aufweist. In
den Vogelsilhouetten am Rande mit ihrer einformigen Standweise fiihlt
A. den Einflufi agyptischer Kunst heraus, die Gruppen (Lowe und
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Literaturbericht. ^p
Gazelle, Greifenkampf u. a.) verraten den sassanidischen Einflufi. Als
Erklarung des Fuchses, der zugleich von Wolf und Storch angegriflfen
wird, vermutet A. eine Variante der Tierfabel, auf die der Predigermonch
Schnudi Bezug nimmt (Amdlineau, Les moines tfgypt. p. 306). Das tibrige
Ornament dieser u. a. Handschriften (R6m. Qu. S. 1887, S. 330) bertihrt
skh mit dem der koptischen Stoffe. — Die hellenistisch-antike Grundlage
verleugnet auch das 586 geschriebeneRabula-Ev., unserKronzeuge fur
Syrien (S.47 — 55) , nicht. Die dekorative Architektur der Kanones-
tafeln kommt aus der Wandmalererei, wie sie auch schon im Kalender
des Chronographen von 354 vorliegt. Die Zeugnisse flir deren Nachahmung
in der antiken Buchmalerei liefern dem Verf. wieder Seneca (de tranqu.
an. 9) und Sid. Apoll. (VIII, p. 475Mi), der die Wande eines caldariums
>paginae« nennt Aber diese Architektur ist bei Rabula flachenhafter auf-
gefaBt, und es mischen sich einmal in den Pflanzen und Vogeln auf
den Giebeln, dann aber auch im rein Architektonischen neue Formen
ein: figurierte Kapitelle, Pilaster mit Flachenftillungen, das syrische
pyramidale Ziborium. Auf diesem oder in den Bogenfeldern (Apsiden)
erscheint wie im Kirchenschmuck das auf der Kugel oder einem Sockel
stehende Kreuz. Die meisten Motive des Flachornaments: gereihte
Herzen (bezw. Epheubl&tter), die Wellenranke, Zickzackstreifen, Quadrate,
einfache und getreppte Rauten, der Regenbogen und die Rosette, offen-
baren engen Zusammenhang mit den koptischen Geweben. Das Wid-
mungsbild, das Christus zwischen Jakobus(?) und Ephraim(?) mit Rabula
end dem Abt seines Klosters zeigt, (nach Ussow die in d. Nachschr.
des Kod. genannten Presbyter Joh. und Marty rius, der Diakon Isaak und
der Monch Lugentus) lafit sich dem der Juliana (s. o.) vergleichen, der
schwebende Evangelist dem Dioskorides selbst. Die Vollbilder der
Kreuzigung und der Frauen am Grabe sowie der Himmelfahrt bewahren
noch den illusionistischen Stil (letztere sogar mit Lichteffekten) im
Widerspruch zu Wickhoffs These von seinem Aufhoren nach dem
4. Jahrhundert. Trotz des unverkennbaren Anschlusses an die spat-
aiexandrinisclie Malerei spricht aber ein anderer Geist aus dem Rabula-
Erangeliar. In seinen Miniaturen, von denen die kleinen Randbilder als
frcie Kopien feststehender Typen anzusehen sind, tritt deutlich der Zu-
sammenhang mit der Kunst Palastinas hervor. Verklindigung,
Geburt, Kreuzigung (mit den beiden Raubern) und Himmelfahrt haben
mit den Ampullen von Monza charakteristische Zlige gemein. In dem reichen
Bestand der Evangelienszenen walten die Wunder und historischen
Passionsszenen vor, wahrend die Parabeln fehlen. Dem entspricht ein
Wechsel im ikonographischen Typus besonders Maria unclChristi.
An SteUe des antiken Ideals tritt ein Rassen typus, bei Maria
sebmachtiges Oval, schwarze Brauen, kleiner Mund, bei Christus langer
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Literaturbericht.
schwarzer Bart und Haupthaar, wie es die syrischen Legenden liber das
Veronikabild bezeugen. Doch halt sich daneben der antike kurzbartige
Typus mit kastanienbraunem Haar. Abfallende Schultern, unsicherer Stand,
gelegentlich audi gestreckte Verhaltnisse und gescharfte Faltengebung
charakterisieren die Figuren. Eine zweite syrische Ev. Handschrift der
Bibl. Nat. (Nr. 33) aus dem Kloster Mar-Anania setzt A. (S. 55ff.) eben-
falls noch ins 6. Jahrh. Sie wahrt in dem bltihenderen Typus Marias
und dem dunkelblonden kurzbartigen Christi, in den farbigen Nimben,
den Engelgestalten, Stellungen und Bewegungen, sowie in der flotten
Technik sogar noch ein stark eres an tikes Geprage, und ihre Ornamentik
ist weniger von jenen neuen Elementen durchsetzt. Dabei fehlen ihr
jedoch schon durchweg die malerischen Hintergrtinde, vielmehr sind die
oft halbierten Szenen auch hier zu beiden Seiten der Kanones ohne
Rahmen und Bodenlinie ausgeftihrt, und zwar in Obereinstimmung mit
Rabula und zum Teil auch mit den Ampullen (Verktindigung, Heilung
der Verkrlimmten nach Luk. XIII, n und der Blutfliissigen, Myrrhophoren).
Dazu kommen die halbzerstorten Darstellungen der Scheidung der Bocke
und Schafe(r), der Verleugnung Petri (?) und augenscheinlich der wunder-
baren Vermehrung der Fische und Brote (s. Abb. bei A.). Mit dem
Rabula-Ev. teilt der Kod. aufierdem die Vogeltypen (Storche, Pfauen,
Fasanen und Ibis mit Schlange). Steht er der Antike naher, so zeigt
das Etschmiadsin-Ev. aus dem Jahre 989 alle syrischen Stileigentiimlich-
keiten in verstarktem Grade (S. 58 — 68). Bei grbflerer Ubereinstimmung
mit Rabula erscheint sogar die Architektur und Ornamentik der Kanones
vergrobert. Die Bilder sind zum Teil rohe, aber getreue Kopien des
Kalligraphen Johannes nach »echten alten Originaleiu. Einige von diesen
selbst erkennt Ainalow in den am Schlufi angeftigten vier alteren Minia-
turen (6. Jh.), von denen die Magieranbetung im Texte selbst un-
geschickt kopiert ist. Die letztere und das Abrahamsopfer weisen
nach Palastina. Diese Szene unterscheidet sich von dem bei Cosmas
und in umgekehrter Komposition auf romischen Sarkpphagen vertretenen
Typus darch die eigenartige Gestalt des Altars, welche auch auf zwei
Elfenbeinpyxiden in Berlin und Bologna vorliegt, obgleich dieselben in
ihrcm fast antiken Stil keine Verwandtschaft mit der Miniatur verraten.
A. erklart dies Detail als eine in den Pilgerberichten (Tobler, Itinera
57, 63, 102, 149, 152) wiederholt erw. Treppe, die auf den Kalvarien-
berg zu der Statte emporflihrte, die nach einer schon Hieronymus (in
Ev. Marc. XV) bekannten Legende als Schauplatz jenes Vorganges gait
(im Gegensatz zur jiidischen Tradition, die ihn auf den Berg Moriah
verlegte). Die Cbereinstimmung der Denkmaler wird begreiflich aus einem
ihnen zu grunde liegenden gemeinsamen Vorbild. Das gilt auch hinsicht-
lich der Magieranbetung, die mit einer zum Diptychon von Murano ge-
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Literaturbericht
41
horigen Tafel (bei Lord Crawford) zusammengeht, wahrend die alteren
Katakombenbilder, die Vase des Mus. Kircheriano (Garrucci 427), der
Mailander Silberkasten u. a. m. von ihnen durch die antike Tracht und
grofiere Zahl der Magier unterschieden sind. Der pyramidale und streng
symmetrische Bau der Gruppe fiihren zur Vermutung, dafi jenes Original
cin Mosaik war, das eine Apsis odeT einen Giebel schmtickte. Das
Prototyp solcher Kompositionen stellen weltliche Zeremonialbilder wie die
von Eusebius (Vita Const. IV, 7) beschriebene Huldigung der Volker von
Konstantin d. Gr. dar. Auf die Monumentalmalerei weist nach A. auch
die Giebelarchitektur der Miniatur zurtick, die in Agios Georgios in
Saloniki, im Baptisterium der Orthodoxen u. a. Ravennatischen Mosaiken
cine ahnliche Zusammensetzung hat. Die Frage, wo jenes Vorbild zu
suchen sei, wird noch verwickelter, dadurch das ein karolingisches Elfen-
bein (Graeven, Elfenbeinwerke, Ser. I, No. 30) die r. Halfte derselben
Komposition wiedergibt. Jedenfalls bezeugt aber das Synodal-Send-
schreiben des Jahres 836, dafi die Fassade der Basilika von Betlehem ein
solches Mosaik trug. Von den alteren Miniaturen haben auch die Ver-
knndigung an Maria und an Zacharias, die in strenger Symmetric
ab Gegenstiicke komponiert sind, ganz monumentalen Charakter. In
ikonograpbischer Beziehung stehen sie dem Rabula-Ev. , den Am-
pul 1 en und den Stoffen ausAchmim (Forrer, Seidentextil. T. XVII, 9)
am nach s ten, dagegen ist die zweite Szene anders aufgefafit als auf der
Sabinatiir und am Triumphbogen von S. Maria Maggiore. Ebenso bildet
die Taufe Christ i, welche allein in reich ornamentiertem Rahmen bild-
mafiig ausgefuhrt ist, mit der entsprechenden Miniatur Rabulas und
dem von A. hsgb. Elfenbein der Samml. Golenischtschew eine
engere ikonographische Gruppe. — Die Ergebnisse der vorhergehenden
Untersuchungen verwertet A. nun bei der Beurteilung griech. Handschr.
(S.69 — 87), an erster Stelle des Rossanensis (z. T. von Haseloff abweichend).
Nach A. fehlt dem Rossanensis der malerische Stil bereits ganzlich
vobei er dem Gethsemanebilde keine Rechnung tragt]. Die friesartige
Komposition (mit Isokephalie) in der Mehrzahl der Szenen, die symme-
tnscheAnordnung der Pilatusbilder in halbkreisformiger Umrahmung lafit ihn
geradezu Kopien monumentaler Darstellungen in seinen Miniaturen
erkennen, wie die nach Art byzantinischer Wandgemalde hinzugeftigten
Prophetenbusten bestatigen sollen. A. betont die na he Beziehung des
Rossanensis zum Rabula-Ev. und zur palastinensischen Kunst. Die
rtkhere Ausgestaltung des Verhors vor Pilatus ftihrt er auf illustrierte
Apokrypben wie das arabische Ev. der Laurentiana und das
M&drider Nik odemos-Ev. zurtick, die darin vorangegangen seien
(Barrabas verneige sich vor Christus). Die beiden beim Einzug in Jerusalem
Christus folgenden Gestalten deutet A. auf das Gesprach des Cursors mit
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42 Literaturbericht.
einem Apostel aus den »Akten des Pilatus«. [Unbegrtlndet ist es hingegen
wohl, wenn er unter den individualisierten Jtingern im Lazarusbilde Markus
und Johannes, beim Abendmahl Matthaus statt Johannes erkennt.] Christus
selbst hat den syrischen Typus (s. o.), dessen Verbreitung im O. u. W.
(Rom u. Ravenna) A. auf den Einflufi der nicht von Menschen-
handen gemachten Bilder vonEdessa, Jerusalem und Memphis
zurtickflihrt. Aber der Rossanensis weist nach A. auch Be-
ziehungen zu Alexandria in dem schreibenden Evangelisten und der
inspirierenden Frauengestalt auf. Diese halt A. mil Kondakow flir Eop^aic.
Den Kreis mit den Evangelistenmedaillons bringt er mit dem Lorbeerkranz
vor dem Text des Dioskorides in Parallele. Anderweitige Analogien
bietet das Triumphbogenmosaik von S. M. Maggiore (zur Tempel-
architektur bei der Austreibung der Handler) und vor allem die
Wiener Genesis in der Paradiesesdarstellung mit der davorstehenden
Tiir und der streifigen bezw. zweifarbigen Himmelsdarstellung beim Gebet
in Gethsemane. Mit der W. Genesis teilt aber der Rossanensis auch
abgesehen von aller gegenstandlichen Ubereinstimmung (Tierwelt, Gerat,
Architekturen) sowohl die ornamentale wie die technisch-stilistische Be-
handlung. In derFigurenbildung bieten beide Handschriften, mit dem
Cosmas Vat. und den syrischen Handschriften verglichen, eine dritte mit
dem jlingeren byzantinischen Typus verwandte Varietat: grofikopfige Ge-
stagen von schwachlichem Bau mit dtinnen Beinen und kleinen Fliflen. Be-
sonders der rundkopfige Jllnglings- und der Greisentypus erinnert an jenen.
Die Bewegungen haben nicht mehr die voile Freiheit, sondern etwas ge-
zwungenes. Das echt byzantinische Ubertreten liber das* zurtickgestellte
Bein ist bereits da. Selbst die fehlerhaften Kopfwendungen, die Trachten
und die felsige Landschaft haben R. und G. gemein. Die Folgerung
ihrer gleichzeitigen Entstehung an demselben Ort erscheint A. un-
umganglich. Die Abweichungen sind nicht durch die Verschieden-
heit der Kunstrichtung oder Werkstatt, sondern durch die des In halts
und namentlich derVorbilderbedingt. Der Genesis liegen Miniaturen
zu Grunde, und zwar zwei verschiedene Vorlagen. Auf die eine gehen »die
illusionistischen« Bilder Wickhoffs einschliefilich der Stindflut und des Gebets
Noahs zurllck, alle iibrigen dagegen, die einen friesartigen Zusammenhang
zeigen, auf eine Rolle, wie schon Ltidtke vermutet hatte. Die Mosaiken
von S. M. Maggiore und die Quedlinburger Itala erweisen das Vorhanden-
sein von Genesisillustrationen der ersteren Art. Die Zweiteilung falle
mit dem schon von Ussow bemerkten Wechsel in der Vegetation
und Tierwelt zusammen. Auch die spateren Oktateuche verraten nach
A. eine Benutzung mehrerer Vorlagen. Dagegen halt A. an Kondakows
Annahme einer einheitlichen Ausfiihrung der Genesisbilder
wegen der Gleichartigkeit der Gestaltenbildung und der vollig Uberein-
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Literaturbericht. 43
stimmenden Malweise fest. Schon allein dcr Figurcntypus beweist nach
A. ihre Entstehung auf griechischem Boden wie auch der epische und
idyllische Charakter der Miniaturen. Lichteffekte und farbige Schatten,
polychrome Architekturen u. a. m. beruhen auf der antiken Tradition
der alexandrischen Schule. — Zwischen der Illustration antiker Epen
und christlicber BUcher besteht ein geschichtlicher Zusammen-
hang. Auch die vatikanische Josuarolle sieht A. als einen AbkCmm-
ling der ersteren an. Die Ilias der Ambrosiana und der Vergil
dcr Vat. mit ihrer endlosen Folge von Schlachtszenen halt A. fur Ko pi en
von Rollen in Buchform. In solchen und nicht in den nach Stoflf
and Kunstgattung der Josuarolle viel ferner stehenden rtfmischen Triumphal-
reliefs erkennt er mit Kondakow (Hist. I, 63) und im Gegensatz zu
Wickhoff ihr eigentliches Vorbild. In den Personifikationen, phantastischen
Architekturen, farbigen Nimben weisen sie mit ihr nahere BerUhrungen
auf, welche den letzteren fehlen. Die Bedeutung der suletzt betrachteten
Handschriften und der Cottonbibel, welche der byzantiniseben ICmfit
noch naher steht als die W. Genesis, liegt fur A. darin, dafi sie die
Ubertragung alexandrinischer Miniaturmalerei auf byzan-
tinischen Boden mit syrischen Nebeneinfllissen erkennen lassen.
Einen bestimmteren Schlufl auf den Ort ihrer Entstehung zu ziehen, ent-
<*hliefit er sich nicht [was m. E. jetzt wenigstens flir den Kodex Rossanensis
mit nahezu volliger Bestimmtheit mdglich ist].
Weit schwieriger lag fur A. die Aufgabe der D en km ale r-
groppierung in der Flastik (Kap. II), in der sich selbst die Hauptwerke
Bkht durch literarische Beziehungen oder aufiere Zeugnisse so leicht festlegen
lassen, wie bei den Handschriften]. Der Verf. bewahrt hier ganz besonders
seine feine Unterscheidungsgabe ftlr die verschiedenen Stilrichtungen. Er
gent von der Tatsache aus, dafi noch die jtingere byzantinische Kunst
em (allerdings verkummertes) malerisches Relief besitzt und fragt nach
dessen Herkunft. Die schon von Strzygowski hervorgehobene Ausftillung
des Reliefgrundes durch Architektur auf dem Holzrelief von Al'Muallaka
md den mit ihm verwandten Pyxiden Nesbitt und Figdor, die auch flir
den ganzen bisher fiir ravennatisch gehaltenen Kreis der Maximians-
kathedra, der fiinfteiligen Dyptychen von Paris und Etschmiadsin und
emer Anzahl Pyxiden bezeichnend ist, bringt A. zusammen mit der Rolle,
dk Alexandria nachweislich in hellenistischer Zeit ftir die
Aosbildung des malerischen Reliefs gespielt hat. Innerhalb der
MannorpJastik (S. 87 — 93) vertreten nur noch wenige Sarkophage in Rom
■nd Ravenna diese Richtung. An erster Stelle zieht A. den o. a. Jonas-
sarkophag des Lateran heran. Dieser bietet auf seiner Hauptseite ein
iDerkwiirdigesBeispielderVereinigung fertiger, aber ungleichartiger
T?pen, von denen die Szenen der oberen Reihe nach den Gesetzen des
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44 Literaturbcricht.
strengen Hochreliefs, der untere Streifen hingegen mit der Gcschichte dcs
Jonas ganz malerisch und in alexandrischem Geiste behandelt ist (s. o.). Die
Figur des angelnden Fischers am Strande steht hellenistischen Statuetten,
bes'onders der Londoner (Collignon Sculpt, gr. II, fig. 289) sehr nahe.
Reiche architektonische Hintergriinde weist der lateranensische
Sarkophag (Ficker, No. 174) mit der Heilung der Blutfltissigen und der
Verleitgnurig Petri auf. Sie sind in diesem Falle vorher ausgebildeten
Hochrelieftypen zugefiigt, erweist sich doch die erstere Szene durch
ihre Ubereinstimmung mit den Miniaturen der o. a. beiden syrischen
Evangelien und einem koptischen Stoff des Trocadero als Kopie der
von Eusebius genau beschriebenen Gruppe von Paneas in Palastina.
Entlehnung von Vorbildern aus der einen sowie aus der anderen Relief-
gattung, zwischen denen ein Hauptunterschied darin begriindet ist, dafl
bei jener die Figuren auf dem malerisch wiedergegebenen Terrain, bei
dieser auf dem unteren Rahmenstreifen stehen, begegnet noch ofter auf
den Sarkophagen, so z. B. bei den Myrrhophoren und dem Thomas
eines mailandischen (Garr. 115,5), den Jonasszenen und den Magiern
eines solchen" im Vat. (Garr. 337,1), und verdient als wichtiger Vorgang
in der Entstehung ihres Bilderkreises aufmerksame Berucksichtigung. Der
ersteren gehoren z. B. die in Vogelperspektive, wie sie auch der Vat.
Vergil kennt (Wickhoff, W. Genesis Taf. D.), dargestellten idyllischen
Hirtenszenen (Garr. 298,3) an. Wenn aber die malerischen Elemente
auf den romischen Sarkophagen oft sehr zurlickgedrangt erscheinen, so
treten sie uns ungleich geschlossener in der Kleinkunst ent-
gegen (S. 94). Das schonste Beispiel bietet die Doppelszene in der Auf-
erstehungsgeschichte auf dem Elfenbein Trivulzi mit seiner ansteigen-
den Bodenflache, seiner arch itek ton ischen Perspektive (der TUr) mit
der Wiedergabe der Wolken und den starken Verkurzungen in der Figuren-
zeichnung (Garr. 449,2). A. nimmt es fur Alexandria, jedenfalls ftir den
Orient in Anspruch und setzt es ins 4. Jahrh. Das strenge aus Akanthus
und Lotos bestehende Ornament hat rein griechischen Charakter (vgl.
Mon. Piot, 1895, pi. IX). Der klassische ausdruckslose Kopftypus ohne
Angabe des Augapfels erinnert namentlich an die Kopfe des Silberschatzes
von Bosco Reale. Die Darstellung des Grabes als Rundbau hangt von
dem konstantinischen Bau ab, und unter den auf der Prachtttir darge-
stellten Wundern Christi sind die Geschichte des Zachaus und die Heilung
des Aussatzigen bisher nur auf Denkmalern des Orients belegt. Die
sechsfliigeligen Evangelistensymbole haben ihre Parallele in den ganz vom
Osten abhangigen Mosaiken von Neapel und Capua, das Kostlim der
Wachter am Grabe endlich nicht nur auf romischen Sarkophagen, sondern
auch an den Magiern im Cosmas. — Malerische Auffassung einzelner
Szenen liegt ferner auf den o. a. Pyxiden von Berlin und Bologna mit
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Literaturbericht.
45
dem Abrahamsopfer (bei Wiedergabe der Treppe) vor, einer Darstellung,
die erst durch sie verstandlich wird. Die gleiche Form des Altars wie
hicr ist aber bisher nur in Alexandria nachgewiesen (Neroutsos-Bey,
Lane. Al. p. 76). In der Gestalt des Abraham sieht A. mit Graeven
eine freie Wiederholung des Calchas aus dem Opfer der Iphigenia von
Timanthes. Eine andere Entlehnung aus demselben Bilde stellt er in
der Gestalt des fortgetragenen Ananias auf der Lipsanothek von Brescia
fest — An dem Hauptdenkmal des ganzen Kreises der Maximians-
kathedra (S. 101 — 120) ist mit Bewufitsein malerisches Flachrelief
Tieben pi astisch erem Hochrelief verwandt, was zur verfehlten An-
nahme zweier Ravennatischen Schulen geftihrt hat. Jenes herrscht auf den
grofien und hohen Feldern vor (Geburt, Maria mit Kind, der Magieran-
betung, Taufe, Flucht nach Agypten, Marias Wasserprobe, dem Wunder
zu Kana, der Samariterin, dem Einzug in Jerusalem), von denen jedoch
zwei (Brotvermehmng und Blindenheilung) wieder eine Vermischung
beider Relief arten zeigen. Dagegen sind die schmaleren und langen
Streifen der Josefgeschichte durchgangig friesartig mit einer Figurenreihe
(mit Isokephalie) komponiert. Unter ihnen nahert sich aber wenigstens
die eine Szene der Verkaufung Josephs an Potiphar durch Hinzuftigung
von Architektur und einer oberen Figurenreihe, sowie durch ihre Terrain-
angabe umgekehrt der malerischen Richtung. Es sind also Uber-
ginge zwischen den auflersten Gegensatzen vorhanden. Auf der
Kathedra zeigen sich bereits gewisse Erscheinungen von Stilverfall, die
spater im verstarktem Mafie zu bleibenden Zugen des byzantinischen
Kunststils werden. Den falschen Stand, bei dem beide Flifie im Profil
Toll aufstehen, hat der Ev. Marcus (s. u.). Die Streckung der Gestalten
des Matthaus und Johannes ist nach A. durch die hohen und engen
Fekier, in die sie hineingestellt sind, hervorgerufen. Aus der Vermischung
der verschiedenen Reliefarten entspringt die umgekehrte Perspektive,
l B. in der Wiedergabe der BUcher, die nach der Weise des Hoch-
rdiefe auf drei Seiten den Schnitt sehen lassen und daher oben verbreitert
mcheinen. Bezeichnend fur die noch mit reichem antiken Erbe
zusgestattete Werkstatte der Kathedra ist einerseits ihre ikono-
graphische Abhangigkeit von der Kunst Palastinas, — dorthin
veist die Prtifung Marias durch das Fluchwasser, das Kirchlein am Jordan
bei der Taufe Christi (Tobler, Itinera 177), die Form der Krippe bei
der Geburt, der Engel bei der Flucht nach Agypten — andererseits das
starke Interesse an der Geschichte Josephs, aus der auch die
loprischen Stoflfe einzelne Szenen darbieten. Auf Alexandria ftihren
die haufigen Personifikationen (Jordan, die Tochter Zions, d. h.
dk Kirche beim Einzug in Jerusalem, der Hypnos beim Schlaf
PAaraos) zurCick, dann aber auch die stilistischen Merkmale.
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46 LiteraturbericKt.
Der figlirliche Typus ist der o. charakterisierte des Cosmas Vat
(vgl. z. B. den Paulus dort mit den Ev.), ebenso auch die Kopftypen
(vgl. den bartigen Apostel der Blindenheilung mit dem ersteren, den jugend-
lichen der Brotvermehrung mit dem Moses), die Bewegungen (z. B. des
Abraham dort und des Isaak bei der Wiedererkennung, der Magier und
der Hirten), die Geberden, wie die offen erhobene Hand. Die Hirten-
gestalten der Brlider Josefs stimmen bis zu den hohen Knopfgamaschen
herab mit dem Moses auf dem Horeb des Cosmas tiberein. Die Typen
und die Frisur der Ismaeliten erinnern an Kopfe der alexandrinischen
Plastik (Collignon, a. a. O. II, p. 563). Ganz antik ist noch die mehr
plastische als malerische Gewandbehandlung. Die Ravennatische
Schule steht demnach in engstem Anschlufi an die Kunst
Alexandrias. Sie verdankt nach A. ihre Entstehung dem Erzb. Maximian,
dessen Monogramm die Kathedra schmiickt, wie die gesamte Kunst
Ravennas sich auf die von ihm mit dem Orient und Byzanz unter-
haltenen Beziehungen grundet. [Die Folgerung, dafi die Kathedra und
die verwandten Denkmaler in Alexandria selbst entstanden seien, hat A.
weiter unten auf Grund von Patr. lat. CVI. p. 608 als moglich angedeutet.]
Zu diesen rechnet er (S. i2off.) die o. a. bei den Pyxiden und die
Diptychen von Etschmiadsin, Paris und Berlin, die ihr sowohl in
ikonographischer Hinsicht wie namentlich im figiirlichen Typus sehr nahe
kommen. Aber die Rundung der ersteren und die Einteilung der
Diptychen in hohe und schmale Felder sei bei ihnen weniger der Anwendung
des reinen als des halbmalerischen Reliefs forderlich. — Vollendete P rob en
des echten malerischen Flachreliefs bietet wieder die Ttlr von
S. Sabina (S. 121 — 126), z. B. in der Himmelfahrt des Elias mit ihrer
ganz antiken Felsenlandschaft und in dem Ubergang der Juden tiber das
Rote Meer. Dazu gehoren anscheinend auch unter den mehr oder weniger
restaurierten Szenen das Gebet in Gethsemane, jedenfalls aber Moses auf dem
Berge Horeb, der sich auf drei Felsterrassen viermal wiederholt, ganz so
wie Homer auf dem antiken Relief der Apotheose. Malerische Hintergrtinde
weisen auch die Kreuzigung und die Berufung Habakuks auf, obwohl
hier die Figuren auf dem Rahmen stehen. An Beziehungen zu Palastina
fehlt es der Sabinatlir nicht. In der Verktindigung an Zacharias findet
sich das Golgathakreuz, die Kreuzigung hat ihre nachsten Parallelen auf
den Ampullen von Monza, die Himmelfahrt des Elias unterscheidet sich
von alteren Darstellungen (Garr. 324, 2; 327, 3) vor allem durch die
Hinzuftlgung der beiden Prophetenstihne der palastinensischen Legende
(Tobler, Itinera 19). Die sich mehrenden geschichtlich lokalen
Ztige im malerischen Relief weisen auf den Einflufi der Kunst des
hi. Landes mit seinen Wohlfahrtsstatten hin. — A. reiht den Denkmalern
des malerischen Reliefs endlich noch zwei Taufdarstellungen an (S. 127 ff.).
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Literaturbericht. .47
Etschmiadsin. Die zweite bietet das einzige in Konstantinopel erhaltene
Beispiel dieses Stils. Es ist die von Strzygowsky publ. Saulentrommel
des o t toman ischen Museums. Mit der Kathedra hat sie die
iZeichnung und technische Behandlung (a jour) der Weinranke gemein,
deren Windungen hier wie dort Tiergestalten ausfiillen. Dagegen finden
wir hier statt der schweren und stammigen Figuren der Kathedra
scbmachtige Gestalten mit dtinnen Armen und ovale Kbpfe mit scharfem
Kick. Die Analogien flir diesen Typus bietet eine andere
Denkmalergruppe, in deren Mittelpunkt das Diptychon von
Murano (s. u.) steht. Er begegnet uns auch auf einem Steinrelief
in Kairo (Gayet, Muse'e de Boulaq, pi. VI, 7) und neben dem der
Kathedra uberwiegend auf dem Holzfries von Al'Muallaka.
Im III. Kap. sucht A. die hellenistische Tradition in der Wand-
malerei des 4. — 8. Jh. nachzuweisen (S. 129 — 158). Das Verstandnis
der kirchlichen Malereien erschlieflt sich uns nur im Zusammenhange mit
der gesamten dekorativen Malerei dieser Zeit. Die gemeinsamen helle-
nistischen Grundelemente, die wiederum der Osten reicher bewahrt
hat, bilden Inkrustation und Polychromie der Wande, in die
Vollbild, Portrat und Landschaft nebst reichem Ornament ein-
gehen. Fiir ihr Fortleben im malerischen Schmuck des christlichen
Hauses zeugen Asterios von Amaseia, Cyrill von Al., Theodoret und
Ouysostomus (Patrol, gr. XL, p. 165; VII, p. 648; LXXXIII, p. 617
u, 720; LVH. LVIII, p. 750 und LI. LII, p. 195). Charakteristisch ist be-
sonders der Bericht tiber die Umwandlung eines antiken Hauses in Amaseia
m eine Kirche, wobei die heidnischen Mosaikbilder durch christliche
ersetzt wurden (Patr. gr. LIII. LIV, p. 607). Ein erhaltenes Beispiel
bietet die Casa caelimontana. (Yber karyatidenahnlichen Gestalten,
zu denen die verlorenen Mosaiken von S. Costanza [und die Vik-
torien der neuentdeckten Katakombe in Palmyra] Analogien bieten,
▼dst sie — , wie die Tonnengewolbe dort, die Kat. der Domitilla u. a. — ,
Wcinlaub als Deckenschmuck auf, im tablinum aber das opus
isodomum und symmetrische Akanthusrank en. Unter den figtir-
Hchen Elementen begegnen uns auch die in den Katakomben
Torkommenden Schafe zu seiten der mulctra, die Orans u. dgl.1) Die
TonEusebius (Vita Const. 1, 3) beglaubigte Bildnismalerei an den
Wind en — [in Palmyra sind wieder Proben davon aufgetaucht] —
sem sich noch wahrend des Bildersturmes fort, indem siedieausihrher-
Torgegangenen Heiligendarstellungen wieder verdrangt (Nikeph.
fur. bei Pitra, Specil. Sol. IV, p. 276). Im 5. u. 6. Jh. haben auch
schcn Volibilder biblischer Vorgange und sogar Passionsszenen in
J) P. Getmano di Stanislao. La casa caelimontana. Roma. 1894.
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48 Literaturbcricht.
Die eine eines Elfenbeinfragments (Graeven, a. a. O. No. 28) steht der
gleichen Szene der Kathedra ziemlich nahe und berlihrt sich andrerseits
in der Szenerie mit der Heilung des Besessenen auf dem Diptychon von
den hauslichen Freskenschmuck Eingang gefunden (Augustinus, Patr. l.t
XLII, p. 446 und Leontius bei Mansi, Coll. Concil. XIII p. 46). Als
wichtigste Tatsache ergibt sich flir das 5. u. 6. Jh. eine voll-
kommene Gleichartigkeit des gesamten dekorativen Systems
im O. u. W. Die gleichen Gegenstande finden sich an gleicher Stelle
(Verklarung in S. Apollinare in CI. und auf dem Sinai), Rundfriese an
Kuppeln (in den Baptisterien Ravennas und A. Georgios in Saloniki),
lange tiber Saulen (in S. Apollinare Nuovo und in Bethlehem), Martyrer-
portrats an Bogen u. a. m. Alexandrinischen Ursprungs sind die a*gypti-
sierenden Flufllandschaften mit Erotengenre der Mosaiken, z. B. in
S. M. Maggiore und S. Giovanni in Laterano. Das erstere hat
schon Woermann mit dem Rahmenfries der Alexanderschlacht, das letztere
WickhorT mit Philostrats Beschreibung (Imag. I, p. 342 Boiss.) verglichen
(entsprechende Motive auf antiken und christl. Denkmalern s. bei
Garr. I. 461, 2; Heron de Villefosse,, Mel. d'archdol. et. d'art p.
181,3; Fond. Piot III, p. 198 und auf kopt. Geweben in Wien). Wie
dieser so hat noch Chorikios von Gaza (p. 121) dafiir die Bezeichnung Nil.
Auch Nilus (Ep. 1. IV, c. 61) spricht nicht vom Jordan, sondern nur
vom »Meer«. Dieser Name ist wahrscheinlich erst durch die Restaurationen
des Jac. Torriti in die beiden o. a. Kirchen hineingekommen, wenngleich
oder vielmehr weil er in anderen rom. Mosaiken in der Tat vorkommt.
In solchen FaMlen ist aber der Flufi ganz einfach mit Felsufern und
Grasbtlscheln dargestellt. Im allgemeinen nicht symbolisch verstanden,
konnte jene Dekoration doch leicht christliche Elemente wie den Fischer
u. dgl. aufnehmen (z. B. in S. Costanza nach Ugonio). Jagdszenen
in Hausern und Kirchen (wie z. B. in der Basilika des J. Bassus bei
Ciampini, Vet. Mon. I, p. 242 t. 22 ss.) werden von Nilus (a. a. O.),
Asterius und Theodoret bezeugt. Sie lebten im Bilderstreit nur noch
kraftiger auf (Patr. gr. C, p. 11 13 u. 11 20). Der von Chorikios (p. 89
ss.) beschriebene Garten findet als alleenartiger izzpixoLTo; seine Parallele
in den Fresken von Primaporta und Pompeji, aber auch noch in der
Wiener Genesis und im Rabula-Ev., und geht auf die von Demetrios
(2. Jh. v. Chr.) in Alexandria und Rom aufgebrachte Malerei der
Paradiese zuriick. Die kirchlichen Mosaiken entlehnen daher ihre
Palmen, Blumen u. a. m. Besonders merkwurdig sind die Architek tur-
friese, von denen schon der einfachste der Kap. des hi. Vittor in
Mailand das Grundprinzip dieser Dekoration in den aneinander-
gereihten Muschelnischen, die noch auf diinnen mit Statuetten und
Biisten geschmlickten Pilastern ruhen, im Keime vorgebildet zeigt. In
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Literaturbericht. 40
Agios Georgios in S. sind daraus drei oder fiinfteilige teils aus Quer-
schnitten, teils aus Fassaden zusammengesetzte Gebaude entstanden. Ihre
einzelnen Elemente (Giebel, Bogen, Gewolbe, Kassetten, Kandelaber.
Vasen, Vogel u. a. m.) lassen sich bis in den zweiten und dritten
pompejanischen Stil zurtickverfolgen, sie sind aber hier zu einem
eigenartigen Ganzen vereinigt und dem neuen ktinstlerischen
Zweck entsprechend umgebildet. Als Vorstufe dieses Systems und
als Derivat alexandrinischer Dekoration sind die im Jahre 1893 aut
dem Palatin entdeckten Fresken a. d. 2. Jh. n. Chr. (Rom. Mittlg.
l%93t S. 291) anzusehen, und besonders fiir die dort fehlenden Oberteile
ist die Beschreibung des Palastes auf einem die Geschichte der Phadra
darstellenden Bilde bei Chorikios zu vergleichen. Fertig liegt es be-
reits in den phantastischen Architekturen des Kalenders v. J.
354 als lineare Umrahmung von Figuren und Text vor. Fehlen auch
noch die charakteristischen christlichen Bestandteile , so ist doch die
schlanke pompejanische Saule durch schwere Pilaster mit Edelsteinschmuck
und Vorhangen ersetzt. — In den Mosaiken treten Spiralsaule, Apsis, Zi-
borien, KanzeUen u. a. m. hinzu, was zugleich mit der Verselbstandigung
dieser ganzen Gebilde auf die Nachahmung kirchlicher Architektur hin-
weist Es ist eine, wie die altere, durch Formen der Wirklichkeit
bestimmte, von einem in Alexandria schon frtih aufkommenden und in
Byzanz sich behauptenden neuen Farbengeschmack (rote Friese, blaue
Grande und buntfarbige Details in Verbindung mit Gold) begleitete
dekorative Stilbildung. Das Fehlen von Kreuzen und die Auswahl
der HL lassen in dem Mosaik von A. Georgios vielleicht eine mo-
omnentale Reproduktion eines griechischen Kalendars aus Konstantins
Zeit erkennen. In Ravenna kommen meist nur die einzelnen Elemente
dieser Dekoration vor (S. Appollinare Nuovo, S. Vitale u. s. w.), im
Baptisterium der Orthodoxen aber zusammenhangende Quer-
schnitte einer Basilika mit dem Blick in die Apsis. Die schemati-
schen, aber ahnlichen Innenansichten der alteren Teile des Mosaiks
Ton Betlehem zeigen dartiber noch die aufiere Dach- und Kuppel-
bildung und sind mit den phantastischen Kirchen-Darstellungen spaterer
brzantinischer Miniaturen (und Wandgemalde?) zu vergleichen. Mafl-
gcbenden Einflufi auf die kirchlichen Wandmalereien mufi ferner nach A.
die antike Bildnismalerei ausgetibt haben, auf deren Grundlage
die historischen Typen (Christi, Marias u. s. w.) der christlichen
Ikonographie geschaffen seien. Mit den Portrats aus dem
Fajum, in denen er, Strzygowski folgend, die Fortsetzung der Enkaustik
erkennt, haben besonders die Heiligenmedaillons an den Triumph-
bogen raid Langwanden der ravennatischen u. a. Kirch en die ganze
posierende Auf fas sung in Voll- oder Dreiviertelansicht ohne Hande,
Kepertarium fQr Koostwissenscbaft, XXVI. 4
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5<>
Lit eraturbe rich t.
den auf den Beschauer gerichteten Blick und namentlich bei den Frauen
die auf Fernsicht berechnete dekorative Vergrofierung des Auges gemein.
Ftir den Orient bieten die Brustbilder Christi und der Apostel auf den
Ampullen von Monza und die Nachrichten tiber die Portrats der Nicani-
nischen Vater (Tobler, It. p. 272) Belege. Im allgemeinen Gebrauch
goldner, silberner und blauer Grtinde, wie sie auch beim Bildnis
(z. B. im Cosmas Vat., Dioskorides, Rossanensis, den Mosaiken vom
Sinai und in Ravenna) und auf koptischen Stoffen Ublich erscheinen,
sieht A. ein Erbteil der durch den Orient beeinflufiten alexan-
drinischen Dekoration (vgl. die Angaben das Kallixenos tiber die
Gold-, Silber- und Kupferinkrustation des Serapeums). Namentlich die
der agyptischen und assyrischen Kunst seit alters gelaufigen blauen
Grtinde waren in der starken dekorativen Verbindung mit Gold beliebt
(Greg. Nyss. bei Migne, Diet. d. mscr. I, p. 1191 u. Chorikios, p. 90).
Gold und Kupfer ist fur Konstantins Euktirion in Antiochia (Euseb.
Vita Const. Ill, p. 50), ersteres auch ftir die Kirchen von K — pel und
Jerusalem, Silber seltener bezeugt (Chorikios, p. 89).
Im Schlufikapitel (S. 158 — 218) geht Ainalow hauptsachlich an der
Hand neuerer Funde den Beziehungen Konstantinopels, dessenKunst-
anfange durch seine Ausschmtickung mit Kunstschatzen derGrofi-
stadte des Orients und Kleinasiens bestimmt sind, zu den letzteren
nach und sucht den dort erhaltenen schon bekannten Skulpturresten weitere
anzuschlieflen. An erster Stelle steht hier das inzwischen nach Berlin tiber-
tragene und von Strzygowski (Orient oder Rom) unter Berticksichtigung
der wesentlichsten Ausfuhrungen Ainalows verofTentlichte Christusrelief
(4. — 5- Jn0 eines Sarkophags (a us Sulu-Monastir). — Eine aus
Brussa stammende Statuette des g. Hirten gewinnt dadurch besondere
Bedeutung, dafi A. aus Marmorresten ihrer Basis in ihr eine plastische
Wiederholung der in Katakombenfresken beliebten Gruppe mit zwei
Schafen erkannt hat. Durch ihre Ubereinstimmung mit dem in einer
Statuette des Lateran und einer weiteren des Ottom. Museums vertretenen
Typus so wie durch den unbearbeiteten Zustand ihrer Rtickseite wird
de Rossis Vermutung, dafi der letztere auf die vonKonstantin d. Gr.
als Gegenstuck zu Daniel mit den Lowen aufgestellte Brunnenfigur
(Euseb. Vita Const. Ill, 59) zurtickgeht, bestatigt. In stilistischer Hin-
sicht stellt A. sie treffend mit der Hirtengestalt einer skulpierten Saule
in K — pel (Byz. Zeitschr. I, Taf.) zusammen. Beiden sind der unsichere
Stand, der lange Rumpf, die kurzen Arme, das gestraubte Haar, die
gleiche Gewandbehandlung gemein. Noch starker als in ihnen (vgl. die
Hirtengestalten der Maximianskathedra) macht sich der Einflufi grie-
chisch-orientalischer Kunst in einem Flachrelief gleichen Fund-
orts geltend, in dem A. gewifi richtig den knieenden Isaak mit auf den
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Literaturbcricht.
5'
Rack en gebundenen Handen und Abrahams Hand aufdem Haupt
erkennt. Die Profilstellung des Ubergroflen Kopfes und der Beine bei
Frontansicht des Oberkorpers, das scharf umrissene [grofi geoffhete, fast
e. f. stehende] Auge und die eingeschnittene wenig tiefe Haar- und
Faltengebung erinnern an koptische [wohl noch mehr an asiatische] Relief-
plastik. — Auf die nahen Beziehungen von Byzanz zu der von
Konstantins Bautatigkeit in Jerusalem bis 614 n. Chr. w&hrenden Kunst-
bliite Palastinas werfen die Olampullen von Monza helles Licht.
Ihre Kompositionen sind als freie Nachbildungen bekannter
Typen anzusehen, die je nach der Grofie des Pragestempels eine Ver-
einfachung in der Zahl, der (friesartigen oder pyramidalen) Anordnung
(z. B. der Magier, Hirten und Engel bei der Anbetung), aber auch in
der Haltung (z. B. der bald ausgebreiteten, bald gebogenen Arme der
Gekreuzigten) und Form der Figuren (Biisten oder gar blofie Kopfe) und
Gebaude (z. B. des Grabes Christi bald als Rundbau, bald scheinbar als
Giebelbau) erfuhren. Der Bestand der Bilder ist mit Ausschlufi des
AJten Testaments sowie der Wunder durch das Evangelium eng
omschrieben. Besondere Bedeutung hat ihre Kombination (bis zu sieben),
weil sie entsprechend den bald allgemein, bald spezieller (z. B. auf der
in dieser Hinsicht den Menasampullen vollig gleichstehenden einzigen
Tonampulla) gehaltenen Inschriften sichere Hinweise aut be-
stimmte von den Pilgern besuchte Heiligttimer enthalt (vgl. Garr. I,
p. 566), und zwar auf solche Bethlehems (Geburt, Anbetung, Heim-
sechung und wohl auch die Gottesmutter zwischen Engeln), Nazareth s
^Verkundigung), Jerusalems (Kreuz, Kreuzigung, Myrrhophoren, Himmel-
iahrt und Thomaswunder) und die Kirche am Jordan (Taufe). Ftir die
Mehr zahl derseiben sind durch Eusebius und vor allem durch die
Pilger von Bordeaux, Silvia, Petronius, Arculph und die Russen Epi-
phanius (8. — 9. Jh.) und Daniel (1106 — 8) monumentale Mosaik-
biider bezeugt (vgl. Molinier u. Kohler, Itinera Hier. p. 146; Silviae
Peregr. ad loca s-ta; Tobler, It. p. 38, 68, 184; Archiv d. orthod. Palast.-
Gts. ID, XI, XIII, XX, XXIII, XLIX u. a. m.), fur die ubrigen zweifellos
rorauszusetzen, von denen die ikonographischen Typen der Ampullen
l T. aufs nachste abzuhangen scheinen. Die Ubereinstimmung dreier
Stempel mit der Anbetung der Magier u. Hirten (Garr. 433, 7 u. 9;
4J4, 1) weist auf ein Prototyp zurtick, das man mit J. Smirnow im
Mosaik der Basilika von Bethlehem erkennen konnte, welches, un-
§&chtet ihrer Restauration unter Justinian, wohl eine Stiftung der hi.
fle/ena gewesen sein kann, wie in seiner altesten Beschreibung im
Srnodalsendschreiben von 836 Uberliefert ist. Doch macht es der Um-
stand dafi hier aufier der Gottesmutter und den Magiern die Geburt,
dagegen nicht die Hirten erwahnt werden, — ganz so sind auch in der
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52
Litcraturbericht.
Miniatur des Etschmiadsin-Ev. und auf dem Elfenbein des Lord Crawford
(s. o.) die Magier allein zu beiden Seiten Marias dargestellt — noch
wahrscheinlicher, dafi jenes Vorbild vielmehr in dem Apsismosaik
derGeburtsh6hle zu suchen ist, das schon von Epiphanius und Daniel
erwahnt, wenngleich erst von Phokas (12. Jh.) genauer beschrieben
wird. Zwar benutzt er dabei des Chorikios Schilderung eines Bildes
der Sergiuskirche in Gaza, welches dem palftstinensischen verwandt
erscheint, fiigt jedoch offenbar aus eigner Anschauung so wichtige
und den Ampullen entsprechende Ztige wie die grasende Herde, das
Aufblicken der Hirten und das Kniebeugen der Magier hinzu. Die
Form des Sternes und der Vorbau der Hohle in der Geburt ist auf
diesen sichtlich durch ortliche Anlagen und Legenden bestimmt (vgl.
Tobler, It. p. 292 u. Archiv d. orth. P. G. XI. p. 124 u. VIII, p. 52).
Die Verkiindigung und Heimsuchung lassen sich wieder dank
Phokas (a. a. O. XX1II,7 u. 36) wohl auf Mosaiken der Kirche in
Nazareth und zwei vor dieser errichtete (auch auf dem Goldring in
Palermo dargestellte) Saulen beziehen. In der Kreuzigung ist mit
einer Ausnahme (Garr. 434, 4) stets das auf dem Golgathafelsen er-
richtete Votiv-Kreuz (wie im Mosaik von S. Pudentiana) mit dem Brust-
bild Christi dartiber dargestellt. Unter einem Bogen, aber ohne den
Felsen, ist es auf dem Halse samtlicher Ampullen wiedergegeben. Das Grab
des Herrn (die »Anastasis«) besteht meist aus dem aufieren Rundbau
und dem inneren tegurium, vor dem sich das von Silvia erwahnte Gitter
befindet, mit dem von Arculph gesehenen Kreuz dartiber, seltener aus
dem tegurium allein. In der Himmelfahrt sind bei einheitlicher
Grundlage die Variationen ziemlich stark (in der Anordnung der Apostel,
der Zahl der Engel, Stellung Marias und dem jugendlichen oder bartigen
Christustypus). Die Gotteshand mit Strahl und Taube weist auf die
Ausgiefiung des hi. Geistes hin, die wie sie auf den Olberg be-
zogen wurde. Den groben Stempel der thronenden Gottesmutter
ist A. geneigt auf eins der besonders verehrten Marienbilder Beth-
lehems oderPalastinas zuruckzufiihren, dessen Typus auch das Berliner
Diptychon und das Mosaik der Panagia Kanakaria wiedergeben. Eine
bestimmte lokale Anknlipfung ist auch ftlr die auf der Thonampulla in
einem mit dem Sarkophag der Adelfia und dem Mailander Diptychon
tibereinstimmenden Typus dargestellte Verkiindigung am Quell noch nicht
moglich. Die Kompositionen der Ampullen sind teils nach den Gesetzen
des malerischen, teils nach denen des Hochreliefs gestaltet. Der an tike
Stil hat auf ihnen eine starke Einbufie erlitten. Der Blick ist
scharf und manchmal den sassanidischen Mlinzen verwandt. Ebenso das
oft mit voller Vorderansicht des Rumpfes gepaarte Profil. Die vor-
herrschende Parallelfaltelung erinnert an den Ambon von Saloniki und
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Literaturbericht.
53
das o. a. Isaakrelief [und an palmyrenischc Grabrcliefs]. Der Stand ist
unsicher. Beim Ausschreiten nach r. findet sich das Vortreten mit
dcm r. Bein, das auch dem Rossanensis eigen, dagegen der Maximians-
kathedra, dem Cosmas Vat. und der W. Genesis fremd ist. Durch
die Ampullen wurde die palastinensische Ikonographie mit
ihrem historischen Stil weit verbreitet, vor allem ging sie aber
mit alien ihren Eigenttirolichkeiten in die byzantfnische Kunst ein.
Fur ihre weitgehende Ubereinstimmung mit der agyptischen
[die aber doch wohl seit dem 4. Jh. auch als der nehmende Teil er-
scheint] zeugen mehrere Denkmaler. Ein Amulet mit der Inschrift
ITAYPE (das wahre Kreuz!) BOH0I ABAMOYN (Byz. Zeitschr. 1893,
S. 187) schliefit sich in den beiden Darstellungen der Kreuzigung und
der Myrrhophoren so eng an die Ampullen an, dafi es nur eine
palastinensische Arbeit sein kann, und der agyptische Name (Abamun)
erklart sich leicht aus der lebhaften Beteiligung der Agypter am Kreuz-
aufnchtungsfest in Jerusalem (vgl. Theoph. I, p. 244). Ein anderes,
zveifellos gnostischen Ursprungs (Journ. d. Minist. d. Volksaufklar. 1902,
Aug. S. 93) zeigt im abgekiirzten Typus der Himmelfahrt das Brustbild des
bartigen Christus der Ampullen, darunter in zwei Reihen z. T. nur auf
Denkmalem des Ostens (Goldmedaillon aus Adana im Qttom. Mus.,
Diptychon von Murano u. a.) belegte Szenen (Magieranbetung, Heilung
des Blinden am Quell [Siloam], des Besessenen, Hamerrhoissa und viel-
kkht die Ehebrecherin, Zachaus, den Gichtbrtichigen und wohl nochmals
den geheilten Besessenen), zuunterst endlich Christus, ein Ehepaar ver-
exnigend, wie z. B. auf den Ringen von Tarsus und Palermo. Der Stil
o&enbart alle Mangel der syrischen und afrikanischen Elfenbeine (eckige
Qiedcrbildung, zu kurze Verhaltnisse u. a. m.) und weist ins 6. Jh.
Die weit verbreitete Komposition dreier nebeneinander stehenden
Kreuze ftihrt A. auf Grund einer in einem Grabe in Sofia ent-
deckten Freske, die das mittlere grofiere von einer Aureole umgeben
irigt, auf Palastina und die Kreuzauffindungslegende (Byz. Zeitschr. 1895,
5L 332) zuriick. Den Einflufi seiner Kunst im Hinterlande Syriens
und die Riickwirkung des dort machtigen sassanidischen Kunst-
stiJs (in der punktierenden Haar- und Bartbehandlung, den gemusterten
langen Armelgewandern, Vereinigung von Profil- und Vorderansicht; s. o.)
Ttranschaulicht die im J. 1898 im Gouv. Perm gefundene Silber-
5chussel (Mater, zur Archaol. Rulil. Nr. 22), welche die drei haufigsten
&enen der Ampullen: Kreuzigung, Myrrhophoren und Himmelfahrt, wie
se, in verschlungenen Medaillons in wenig abweichender, wenngleich die
erstere in bereicherter Komposition zeigt (dazu Daniel und Petrus mit
dem Hahn). Derselbe stilistische Charakter ist den groben kaukasischen
Reliefs (Mater, zur Archaol. des Kaukasus IV, T. 7 u. 8) eigen, wahrend
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54
Literaturbericht.
ihre Kompositionen eine noch jlingere Entwicklungsstufe der Ampullen-
typen vertreten, die Disposition und Ornamentik dagegen den fiinf-
teiligen Diptychen entspricht. Eine viel charaktervollere Probe des
syrischen Mischstils und der Kunstweise der dortigen Silberschmiede
z. T. persischer Abstammung (vgl. Patrol, gr. LXXXII, 3271) ist die
Stroganowsche Silberschlissel mit den beiden Engeln zu den Seiten
eines Kreuzes, welches die Gestalt der von Konstantin d. Gr aufgestellten
Nikos-Kreuze (vgl. die 7 Wunder v. Byzanz; Byz. Z. 1898) hat. A. stellt
weiter mit diesen Denkmalern die Pyxiden von Kertsch und Oserukowo
und vor allem das Diptychon von Murano, dessen verlorene Teile von
ihm, Graeven und Strzygowski (Byz. Z. 1899) fast vollstandig zusammen-
gebracht worden sind, zusammen und erkennt auch in den gereckten,
eckigen Figuren des letztern mit dem emporgerichteten oder schielenden
Blick syrische Typen. Dafi sein Stil [nicht so sehr der beider Pyxiden]
von dem der Maximianskathedra sich weit entfernt, ist unleugbar [die
Analogien mit jenen syrischen Arbeiten hingegen erscheinen nicht zwin-
gend]. A. selbst hat genau dieselben „persischen" Stilmerkmale in der
Fufistellung des Markus, mangelhaften Verktirzungen u. s. w. und dazu
manche aufieren Bertihrungen (Barbarenkosttim und Josefs Tiara) flir die
Kathedra festgestellt. [Das Muraneser Diptychon konnte sie also auch
wenn es einer andern agyptischen (nach Strzygowski der oberagyptischen
Schule) angehort, ebenfalls durch syrischen Kunsteinflufi empfangen haben].
Die ikonographischen Analogien gehoren z. T. Agypten an. Auch A.
erkennt sein Ornament noch als wesentlich antik an. Bei dem der
Kathedra ist der Zusammenhang mit den dekorativen Friesen von
Meschita augenfallig [dessen Ursprung ist aber gewifi nicht sassanidisch,
sondern wohl syrisch oder gar umgekehrt agyptisch]. Dafi Elfenbein- und
Holzschnitzerei in Syrien bltihten, wird durch Zeugnisse des Eusebius
(X, 4, 42), Gregor v. Nyssa (XL VI, p. 737 Mi% Chorikios (p .116 u. 119)
u. a. bestatigt. Ftir den Austausch kunstlerischer Krafte zwischen
Byzanz und dem Orient liegen ebenso sichere Beispiele vor (vgl.
Garr. I, p. 403; Sittl, Archaol. S. 788; Theoph. I, p. 230). So ver-
dankt wohl auch das von A. zum erstenmal nach einer, allerdings un-
vollstandigen und undeutlichen, Photographie veroffentlichte Mosaik der
Basilika auf dem Sinai seine Enstehung der unmittelbaren Initiative
Justinians. Der Christustypus der [z. T. restaurierten] Verklarung findet
seine Parallele in S. Apollinare in Classe und S. Cosma e Damiano (Rom),
im Rabula-Ev. und Rossanensis. Alt sind auch die Apostel- und
Prophetenblisten am Triumphbogen, wahrend die Szenen des Moses auf
dem Horeb und auf dem Sinai schon durch ihre Nichterwahnung in
einer genauen Beschreibung des 16. Jh. (Archiv d. orth. Pal. Ges.
XXXV, 21) verdachtig erscheinen. Vom gleichen Gesichtspunkte zieht A.
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Literaturberieht. 55
zuletzt die Karte von Madaba in seine Untersuchung hinein. Er betont
die Ubereinstimmung ihrer Technik mit byzantinischen Mosaiken (S. Vitale),
sowie ihren landschaftlichen Charakter, der den ununterbrochenen Zu-
sammenhang zwischen romischen, spatantiken (Daremberg et Saglio, Diet.,
p. 1 25 1, 1539, 3196) und mittelalterlichen Karten (Tab. Peut.) erkennen
lafit Im Cosmas Vat. durch allegorische Deutung teilweise verdunkelt,
bricht er doch gelegentlich durch, urn in Hdschr. des byzantinischen
Mittelalters (Psalt. Barberini, Vat. Oktateuch 746) wieder starker hervor-
zutreten. Sowohl fiir Madaba wie fUr den Sinai legen nach A. die be-
gleitenden Inschriften den Gedanken, dafi eine Beziehung zwischen diesen
Denkmalern und der Sendung des Architekten Theodoros, von der Prokop
(de aed. 321 u. 328) u. a. berichten, besteht, sehr nahe. — Als End-
ergebnis der Betrachtung hebt der Verf. in kurzem Schlufiwort (S. 219)
cinerseits den innerhalb der verschiedenen Denkmalergattungen erbrachten
Xachweis des Zusammenhanges der christlichen Kunst des griechischen
Orients mit der hellenistischen hervor, andrerseits die in jener unter dem
Einflufl der altorientalischen sich vollziehende Stilwandlung, infolge deren
die der letzteren unbekannte Verkiirzung schwindet, Disproportion und um-
gekehrte Perspektive platzgreift, eine neue Ornamentik aufkommt und
das Relief sich verflacht. Die Bedeutung von Byzanz liegt in der Ver-
schmelzung aller dieser Stileigentiimlichkeiten.
Berlin, Januar 1903. 0. Wulff.
Heinrich Brockhaus. Forschungen tiber Florentiner Kunstwerke.
Leipzig, F. A. Brockhaus 1901. IX u. 139 S.
Die neuere italienische Kunstgeschichte setzte mit den Forschungen
Rumohrs und Gayes glorreich ein. Eine Fulle von Tatsachen wurde
*on diesen beiden geboten, an deren Verarbeitung Jahrzehnte hinaus zu
fcm war. Els verging eine langere Zeit, bis andere dem gegebenen Bei-
-piel folgten: unter ihnen Gaetano Milanesi, durch giinstige aufiere
Umstande alien voraus, der fruchtbarste und gliicklichste Finder auf dem
Gcbiet archivalischer Studien.
Neben dieser auf dem scheinbar ganz festen Boden der Tatsachen
sandelnden Forschung scheint vielen der Bau, der von den Freunden
stilkritischer Untersuchung aufgefuhrt worden ist, in gefahrlicher Weise
imsicher, ja schwindelhaft. Viele mogen sich nicht dem eignen Auge
anvertrauen und noch weniger Resultate acceptieren, die andere mit ihren
Augen gefunden haben wollen: sie greifen lieber zur Stutze der Doku-
mente, die doch auch oft verschiedene Auslegung zulassen und nicht
selten in Gegensatz treten zu dem, was der Augenschein tiberzeugend
dartut.
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e 6 Literaturbericht
Eine Verstandigung zwischen beiden Richtungen, deren Anhanger
gegen einander kriegerisch gestimmt scheinen, will sich zunachst offenbar
nicht anbahnen lassen. Das mag daher kommen, dafi jene — soweit
wenigstens die gegenwartige Erfahrung reicht — sich gegenseitig aus-
schliefien. —
Heinrich Brockhaus, seit Jahren in Florenz ansassig, hat in seinen,
vier Kunstwerken des Quattrocento gewidmeten Forschungen echt
deutschen Sammel- und Forschereifer bewiesen. Er unterzog sorgfaltiger
Erwagung, was die Entstehung beeinflufit haben konnte, wo verwandte
Gegenstande sich nnden; er forschte nach dem Namen der etwa Dar-
gestellten u. a. m. Und so erfahren wir audi tiber Kunstwerke, die alien
vertraut sind, neue Details.
Ghibertis Tur, deren Anordnung in zehn grofien Relieftafeln der
gedrangten Ftille der beiden alteren Tiiren so ungeheuer tiberlegen ist,
sollte urspriinglich in zwanzig kleineren Darstellungen die Hauptmomente
aus den fruhesten Tagen der Menschheitsgeschichte erzahlen; dazu wurden
noch acht Reliefs mit Propheten geplant, so dafi die gleiche Gesamtzahl
der Reliefs, wie bei den beiden anderen Ttiren, herausgekommen ware.
Diesen urspriinglichen Entwurf hatte Leonardo Bruni aufgestellt ; er wurde,
nach vorlibergehendem Versuche einer Reduktion auf 24 Reliefs, aufge-
geben und die gegen wartig sichtbare Anordnung gewahlt, dabei aber
der Inhalt jener ersten grofien Zahl von Darstellungen beibehalten, in-
dem viele Einzelszenen in geschickter Weise auf einem Relief vereinigt
wurden. So umfafit das erste Relief der Tiir die ersten vier Darstellungen
des Brunischen Entwurfes. Besonderes Interesse wendet der Verf. dem
Tempel auf dem letzten Relief, der ihm als Idealbild des Florentiner
Doms erscheint, und den Bildnissen des Meisters zu; der Anregung,
welche die herrliche Umrahmung der beiden Ghibertitliren der Familie
della Robbia hat gewahren konnen, und die etwa Raphael fur einige
seiner grofien Kompositionen daraus geschopft haben mag, wird gedacht.
In den Erlauterungen findet man eine Untersuchung liber »die Dom-
aufnahme und den Tempel zu Jerusalem « und das urkundliche Material
liber die Herstellung der Tiir.
Im zweiten der Aufsatze »Die Hauskapelle der Medici « ist Fra
Filippos Altarbild der »Anbetung des Kindes« in der Berliner Galerie in
Zusammenhang gebracht mit einem dem heiligen Bernhard von Clairvaux
zugeschriebenen Gedicht zum Preise Christi und seiner Mutter. Mancherlei
im Bild erhalt danach symbolische Bedeutung. Fra Filippo malte seine
lieblichste Schopfung fur die Kapelle des Mediceerpalastes in Via larga,
die heute noch, von nicht allzu storenden Anderungen abgesehen, ihren
strengen, schonen Charakter rein bewahrt. Aber im Mittelpunkt fehlt
das Bild mit der jungfraulichen Mutter und dem liebreizenden Kind zu
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Litcraturbericht cj
ihren Ftiflen; Benozzos Engel an den Schmalseiten rechts und links am
Fenster drangen sich wie einst herzu, ihre Verehrung zu bezeugen: das
macht das Fehlen so recht ftihlbar. Wie wenige Kompositionen der Zeit
hat Filippos Bild ge fallen, hat es ungemein oft Nachahmung gefunden.
Der dritte Aufsatz behandelt Castagnos 1899 in der Annunziata
wieder aufgedecktes Fresko, bespricht die Momente, die zur Entstehung,
wie die, welche zur Jahrhunderte wahrenden Verdeckung fiihrten. Die
Stiftungsurkunde der Kapelle Corboli, in der sich Castagnos Fresko be-
frndet, von 1451 ist im Wortlaut mitgeteilt.
Und wieder mit einem Fresko, das in unseren Tagen freigelegt
wurde, beschaftigt sich der letzte Aufsatz: mit Ghirlandaios zwei Szenen
▼ereinigendem Werk, das die Kapelle der Vespucci in Ognissanti ziert.
Dieses aber ist nur Ausgangspunkt fur Untersuchungen tiber die durch
den jiingeren Amerigo beruhmt gewordene Familie, die es ermtiglichen,
jedem einzelnen der unter dem Schutz der «Mantelmadonna« vereinigten
Mitglieder wieder seinen Namen zurUckzugeben und die negativ ergeben,
dafi der Namensgeber eines Weltteils hier nicht zu suchen ist, — obwohl
die spater verbreiteten Portrats auf zwei verschiedene Personen unter den
hier Dargesteilten sich zuruckflihren lassen. Im Anhang ist Material tiber
die Darstellungen der Madonna della Misericordia und zur Familien-
geschichte der Vespucci zusammengestellt; alle bildlichen Darstellungen der
Familie werden gepriift, wobei sich natiirlich das Interesse besonders auf
die sbella Simonetta«, Marco Vespuccis jung verstorbene Frau, kon-
zentriert.
So hat der Verf. vielerlei zusammengetragen, urn fur einzelne Kunst-
werke neues Material zu gewinnen und damit nach eigenen Worten
•Florenz und die Florentiner Kunst, die fur die Geistesgeschichte der
Menschheit von so hoher Wichtigkeit sind, unserm Verstandnis noch
naher zu bringene.
Nicht die vieldeutige Sprache persdnlicher Eindrlicke wird gesprochen,
die dem einen dies, dem andern das verraten; was hier gesagt wird, —
▼enigsten fast durchgehends hat es Geltung — ist nicht diskutierbar,
lit gewonnene Tatsache . . .
Der Kunsthistoriker wird stets fur Bereicherung um tatsachliche
Kenntnisse dankbar sein mlissen, wo so vieles noch im Flufi ist. Und
doch: es mag ein Defekt sein, der im Beruf liegt (der ja, wie das Wort,
das ibn bezeichnet, nicht einheitlicher Natur ist), vielleicht ist es ein
Defekt des Referenten; es will scheinen, als fiihren Dokumente immer
nur zu einem bestimmten Punkt, bei dem dann die wirklichen
Sdiwierigkeiten erst beginnen. An dem einen Beispiel des Altarbildes
der Mediceer Kapelle mag erlautert werden, was gemeint ist.
Wir werden hier, wie oben erwahnt wurde, mit einem Gedicht
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5 8 Literaturbericht.
bekannt gemacht, das zu Recht oder Unrecht des heiligen Bcrnhards
Namen als des Verfassers ftihrt. Wie das literarische Produkt das bild-
nerische beeinflufite, wird dargetan. 1st nun damit erschopft, was uns
das Kunstwerk zu sagen hat? Ich glaube nicht. Wohl ist hingewiesen
(S. 58), wie allmahlich diese Anregung die Phantasie des KUnstlers be-
fruchtet: aber blieb nicht trotzdem das Wesentlichste Ubrig, die sinnliche
Anschauung, die allein erklart, dafi so tiberraschend im Quattrocento
dies herrliche, in seiner Art nie wieder tibertroffene Naturabbild gezeitigt
wurde? Hatte der Kiinstler, fragt man sich, der intime Freund der Medici,
in den geheimnisvollen Waldern um CamaJdoli das Motiv erlauscht, oder
hatte das Waldweben auf dem Monte Senario auf ihn so tiefen Eindruck
gemacht — so geeignet, die liebliche Szene der Anbetung zu umschliefien,
wie eine Bocklinsche Jungfrau auf dem Einhorn. Hier hat der Frate
wahrhaft Unvergangliches und Vorbildliches geschaffen, nicht nur Abbild
der Natur, sondern auch die Stimmung, die sie weckt, wiedergegeben.
Daher der immer sich erneuernde Eindruck dieses lieblichsten unter seinen
Altarbildern.
Aber auch zu einer feinen stilkritischen Untersuchung mag das Bild
anregen, die fur die Erkenntnis von Fra Filippos kiinstlerischer Bildung
die grofite Bedeutung hat. Zweimal hat Fra Filippo die gleiche Kompo-
sition, in den aufiern Formen annahernd ahnlich, wiederholt; beide Bilder
bewahrt die Florentiner Akademie. Das eine, nahezu mit dem Berliner
Bild identische stammt aus Camaldoli, das andere, das Joseph nebst ein
paar Heiligen hinzufiigt, aus dem Annalena-Kloster. Das Verhaltnis ist
nun durchaus nicht so, dafi der Maler das Bild, das ihm fast fiber seine
Krafte hinaus so wohl gelungen war, mehrfach flir andere Besteller
wiederholte: vielmehr sind jene Bilder Vorstufen und sie zeigen, ver-
glichen mit dem Bild in Berlin, wie der Klinstler sich vervollkommnete,
die Formen der Masolino-Schule abstreifte, immer bewufiter seine Kompo-
sition abrundete.
Damit haben wir aber erst einen ungefahren Anhalt filr die Datierung
des Bildes gewonnen; und neue Fragen erheben sich, wollen wir ver-
suchen diese zu prazisieren. Der letzte Biograph Fra Filippos (Edward
C. Strutt; London 1901) setzt es in die erste Florentiner Periode an, der
jene zwei Akademiebilder sicher angehoren; und ebenso wtirde es auch
nach Crowe und Cavalcaselle zu datieren sein. Ohne dafi ein genaues
Jahr angegeben wird, sind die dreifiiger Jahre gemeint. Das Berliner
Altarbild schmlickte zweifellos die Kapelle des Palazzo Medici in der
Via larga. Dieser wurde gegen 1451 im Bau fertig, der malerische
Schmuck erst im danach folgenden Jahrzehnt ausgeftihrt Und gerade
fiir die Dekoratioh der Kapelle haben wir die Briefe, die Benozzo Gozzoli
im Jahre 1459 an Pietro Medici richtete. Es wurde erwahnt, wie Benozzos
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Literaturbcricht.
59
Fresken als Mittelpunkt Filippos Bild erfordern; diirfen wir rtickschlieflen,
dafi dieses damals erst entstand? Oder war es nahezu zwanzig Jahre frtiher
entstanden und wurde von Cosimo, der es vielleicht besonders hoch
schatzte, als Altarbild seiner Privatkapelle bestimmt?
Es soil hier nur angedeutet werden, welche bedeutsamen Fragen
gerade dieses Bild stellt; nicht die Beantwortung aber, die nur auf
Grand minutioser stilistischer Untersuchung gegeben werden konnte, kann
hier versucht werden. Dokumente lassen uns im Stich, der Hymnus
Sankt Bernhards gibt keinen Fingerzeig: wer aber sich versenkt in die
Kunst des Frate, wie sie sich bildete, und wie sie, wachsend, ihn zu
Schdpfungen, gleich dem Mediceerbild, inspirierte, wird vielleicht die
Losung geben konnen.
Dies Beispiel mag zeigen, dafi eben doch der kunsthistorischen
Weisheit letzter Schlufi nicht aus Archiven, die uns gewifi wertvollste
Baumaterialien gegeben haben und noch in Aussicht stellen, sondern von
den Kunstwerken selbst zu holen ist. —
Es ware- unrecht, nicht hervorzuheben, dafi die Illustrationen, die
in reicher Zahl dem Buch beigegeben sind, vor allem die Lichtdrucke,
vorziiglich sind. Der Kopf des Hieronymus z. B. (aus Castagnos Fresko)
ist schlechthin uniibertrefflich wiedergegeben.
G. Gr.
Malerei.
Ernst Maafs. Aus der Farnesina. Hellenismus und Renaissance.
Marburg 1902. 56 S.
Die Besucher von Agostino Chigis Villa konzentrieren ihre Auf-
merksamkeit zumeist auf Raphaels Schopfungen, den Psyche-Cyclus und
das Galateafresko. Die Deckenbilder, die Llinetten sind relativ wenig
beachtet; und gewifi haben nur vereinzelte, mit antiken Schriftquellen
Vertraute es versucht, den Inhalt der in LUnetten, Sechsecken und Spitz-
bogen umschlossenen Darstellungen sich nahe zu bringen. Ein Archaologe
tat zuerst Deutungen gegeben (Fbrster, Farnesina -Studien 1880) und
iriederum ein Archaologe unternimmt es, die noch vorhandenen Unklar-
heiten zu beheben, Unverstandenes richtig zu deuten und flir den
Gesamtzyklus die Quelle nachzuweisen.
Als Gesamtthema kann flir die Galateahalle jener Vers der Ilias
bezeichnet werden, in dem* der Inhalt der Darstellungen auf dem Schild
des AchiJJeus gegeben ist: das Reich der Erde, des Himmels und des
Meeres. Die Arbeit in diesem Raume ist nicht vollendet worden: so
reprasentiert Galatea allein das Meeresreich, das Reich der Erde ist nicht
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60 Literaturbericht.
dargestellt worden; an dem oberen Teil der Wande und an dcr Decke
erscheinen die den Ather bewohnenden Gestalten und die Stembilder.
Hat Ovid die Darstellungen von Boreas und Oreithyia, von Phaetons
Sturz u. s. w. bestimmt, so war Hygins im Mittelalter oft abgeschriebenes,
in den Anfangen der Buchdruckerkunst viel aufgelegtes Buch fur die
Bilder der Planeten und des Tierkreises die Quelle. Wie vertraut die
Renaissance mit den echt hellenistischen Vorstellungen von Hygins Schrift
war, das weist der Verf. an den Farnesinafresken im einzelnen nach und
erganzt es aufs glticklichste durch Stellen aus Ariosts Gedicht.
Nur in einem Falle kann ich seiner Deutung nicht ganz zustimmen.
Wer immer den Blick in diesem Raum zu den Lunetten- und Decken-
bildern gerichtet hat, dem ist der gewaltige Kopf in der einen Lunette
aufgefallen. Der Verf. hat, nach eigenem Gestandnis (S. 45), von diesem
seine Untersuchungen ausgehen lassen. »Der Schopfer aller der Wunder
des Himmels und der Erden selber ist es, welcher, in sinnende Teilnahme
versunken, sein Werk beschaut; . . . der weltschbpfende Gott der Antike;
ob wir ihn bestimmt benennen oder unbestimmt lassen wollen, ist an
sich gleich.« Es wird darin erinnert, dafi auch Caelus bartlos dargestellt
erscheint: aui dem lateranensischen Sarkophag. Hier ware auch an
Donatellos Relief in Sant' Angelo a Nilo in Neapel zu erinnern. Recht
befriedigend ist die Erklarung nicht. Weder die Verschiedenheit der
Technik noch der Dimension wird erlautert, wenn dieser Kopf vorbedacht
im Zusammenhang mit den iibrigen Darstellungen entstanden sein soil.
Der rein improvisierte Charakter ist stets aufgefallen; ihn suchte Vasari
durch die bekannte Anekdote zu erlautern. So wenig es zu dem ge-
schlossenen Inhalt aller im selben Raum enthaltenen Kompositionen passen
will : etwas wie klinstlerischer Gelegenheitseinfall schaut dabei heraus.
Oder soil man denken, dafi der Kiinstler an dieser Stelle begann, sich
im Mafistab vergrifT uud deshalb hernach davon abging?
So mag, was schon von Zeitgenossen nicht voll begriffen ward, noch
lange hinaus zu nachdenklicher Betrachtung verlocken.
, G. Gr.
Graphische Kunst.
Reproductions of Drawings by old masters in the Collection
of the Duke of Devonshire at Chatsworth. With an introduction
by S. Arthur Strong. M. A. — London, Duckworth & Co. 1902.
Reproductions in Fascimile of Drawings by the Old Masters
in the collection of the Earl of Pembroke and Montgomery
at Wilton House. With text explanatory and critical by S. Arthur
Strong. — London, P. & D. Colnaghi. (6 parts) 1900 — 1902.
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Literaturbericht. 6 1
Man gibt sich hofferttlich keiner Tauschung hin, wenn man gjaubt,
dafi den heutigen Besitzern und Sammlern von Werken der alten Kunst
— soweit sie nicht nur von merkantilen Absichten geleitet werden —
die edlen Pflichten, die ihnen aus ihrem vornehmen Besitze erwachsen,
starker zum Bewufitsein gekommen sind; dafi sich die Eigentlimer privater
Sammlungen, wie die Htiter offentlicher Anstalten, oder wenigstens die
Gebildeten unter ihnen, nicht mehr blofi in der Rolle der beati possi-
dentes, der »Herren«, gefallen, sondern ihre Schatze dem Genusse der
Liebhaber und dem Studium und der freien wissenschaftlichen Besprechung
der Forscher zuganglich zu machen geneigt und bemiiht sind. Einen
Beweis darf man wohl darin erblicken, dafi neuerdings zahlreiche Sammler
oder Besitzer alten ktinstlerischen Familiengutes nicht nur den Gelehrten
die Betrachtung ihrer Sammlungen und ein freies Wort gestatten, sondern
auch durch prachtige Publikationen der schonsten ihrer Kunstwerke das
Studium zu fordern und das Interesse weiterer Kreise anzuregen suchen.
Unter den in dieser schonen Absicht unternommenen Veroffentlichungen
durfen die beiden, oben genannten, fiir die wir nicht nur dem Kunstsinne
und der Liberalitat des Besitzers, sondern auch dem Eifer und der Ein-
sicht des gelehrten und kunstverstandigen Herausgebers zu Dank ver-
pflichtet sind, einen hervorragenden Platz durch die glanzende und ge-
schmackvolle Ausstattung wie durch den Wert der in den Abbildungen
wiedergegebenen Kunstwerke und auch durch den mit viel Kritik und
umfassender Denkmalerkenntnis abgefafiten Text von Arthur S. Strong
beanspruchen. Mehr als auf andern Gebieten der Kunstforschung sind
wir fur das so wichtige wie schwierige Studium der Zeichnungen alter
Meister auf solche Publikationen angewiesen. Unser Besitz an guten alten
Zeichnungen ist im Verhaltnis zu dem an Werken der monumentalen
Kunst verschwindend klein, so dafi hier jedes gute Stiick einen erhohten
Wert gewinnt. Flir den einzelnen Liebhaber ware es freilich besser,
Tenn er die Blatter in guten Photographien oder Lichtdrucken im Handel
emzeln zu mafiigen Preisen erwerben konnte. Die Grundlage unserer
Studien, wie iiberhaupt aller menschlichen Erkenntnis, ist die Vergleichung,
die unendlich erleichtert wird, wenn die Reproduktionen schnell zur Hand
sind und bequem nebeneinander oder neben die Originale verwandter
Kunstwerke gehalten werden konnen. Man lernt zweifellos sehr viel
mehr aus einzelnen Abbildungen, die man besitzt und die man oft durch
die Hande gehen lassen kann, als aus den kostbaren Werken in offent-
lichen Sammlungen oder selbst der eigenen Bibliothek. Publikationen
dieser Art haben natihiich vielerlei grofie Schwierigkeiten , und wenn
nr auch von den offentlichen Sammlungen eine solche populare und
wissenschaftliche Form der Veroffentlichung ihrer Schatze verlangen
durfen, so haben andererseits in sich geschlossene Publikationen von
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62 Literaturbcricht.
Privatsammlungen, besonders von historischer Bedeutung, ihre innere
Berechtigung, ja oft den Wert eines kulturgeschichtlichen Dokumentes.
Die Auswahl der Zeichnungen, die Strong in der bertihmten Samin-
lung des Herzogs von Devonshire mit Geschmack und Sachkenntnis
getroften hat, bietet zum grofiten Teile Werke italienischer Meister.
Unter den 70 Tafeln befinden sich 59 Zeichnungen italienischen und nur 11
Blatter deutschen oder niederlandischen Ursprungs. Zwei herrliche
Zeichnungen von Domenico Ghirlandaio (Tf. 22 und 23) sind Studien
zu dem Fresko der Geburt Mariae in S. Maria Novella zu Florenz. Nicht
so unmittelfcar iiberzeugend scheint Ghirlandaios Autorschaft in dem
dritten, klinstlerisch ebenso bedeutenden Blatte, das ihm zugeschrieben
wird (Tf. 2), dem Bildnis eines Florentiner Patriziers. Eine nicht weniger
glanzende Leistung der Florentiner Bildniskunst ist ein Kopf von Lorenzo
di Credi, in dem das Bildnis des Mino da Fiesole erhalten sein soil
(Tf. 29). Die Studie eines Knieenden (Tf. 3) scheint eher umbrisch als im
Stile Fra Angelicos. Filippino Lippi, dessen Zeichnungen ja Uber-
haupt weniger selten sind, ist mit einigen besonders vorziiglichen Studien
vertreten (Tf. 11, 14, 34). Signorelli werden einige charak teristisch derbe
Aktfiguren (Tf. 12) wohl mit Recht zugeschrieben. Sehr glllcklich scheint
mir Strongs Zusammenstellung des A. Bronzino zugeschriebenen weib-
lichen Kopfes (Tf. 45) mit dem bertihmten, frtiher Raffael genannten
Bildnis Cesare Borgias und sein Hinweis auf Mtindlers sehr beachtens-
werte Zuschreibung des Borgiabildnisses anParmigianino, von dem Tafel
65 noch eine htibsche Madonna bringt. Gewagt ist selbst die fragweise
Zuschreibung des Kopfes Tf. 13. an Leonardo, von dem aufTf. 28 fiinf
groteske Kopfchen in Federzeichnung abgebildet sind. Von der langen
Reihe der frtiher Raffael zugeschriebenen Zeichnungen hat, wie der
Herausgeber freimtitig genug zugesteht, keine einzige unbestrittenen An-
spruch auf eine so hohe Herkunft. Von den abgebildeten Blattern
scheint das Rund mit der Madonna und Heiligen (Tf. 15) ganz besonders
fein und dem venezianischen Skizzenbuche nahe verwandt. Ebenso
steht es mit der viel umstrittenen Zeichnung zu einem der Fresken
Pinturicchios in der Libreria des Domes zu Siena (Tf. 43). Die tibrigen
Zeichnungen sind interessante, z. T. sehr gute Arbeiten der Schule
Raffaels.
Mindestens ebenso bedeutend wie die Zeichnungen der Florentiner
Schule sind die zahlreichen Blatter oberitalienischer Meister, die die
Publikation bietet. An erster Stelle ist die bekannte grofie Mantegna-
zeichnung zu nennen (Tf. 4). Drei herrliche Blatter (Tf. 5, 31, 31a) lassen
an der Autorschaft Vittore Carpaccios keinen Zweifel aufkommen,
ebenso sicher kann man die feine Studie eines Bockes fur die Medaille
der Cecilia Gonzaga (Tf. 10) als Werk Pisanellos bezeichnen, dagegen
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Liter aft] rbericht. 63
werden die Figuren im Stil des jungen Gio. Bellini (Tf. 33), wie so
viele andere venezianische Blatter dieser Art, wohl noch lange namenlos
bleiben miissen. Die schone, von Strong, wie mir scheint, nicht mit Recht
angezweifelte Enthauptung eines Heiligen von Giorgione ist, wie einige
andere Blatter der Sammlung, schon von Braun photographiert worden;
die Qualitaten der Zeichnung kommen aber durch die starkeren Lichter
hier viel besser zur Wirkung. Morellis Zuschreibung des hi. Hieronymus
(Tf. 39) an Tizian hat Wickhoff widersprochen und ist mit dem Namen
Marco Riccis der Wahrheit wohl viel naher gekommen. Auf Tafel 21
ist ohne Zweifel das Bildnis des Andrea Alciati dargestellt, dessen Name
in der link en Ecke steht, ob aber von der Hand Tizians, mag dahin-
gestellt bleiben. Auch liber die andern Tizian zugewiesenen Zeich-
nungen sind trotz Morelli die Akten wohl noch nicht geschlossen. Be-
sondere Hervorhebung verdienen noch die wundervolle Ledadarstellung
von Sodoraa (Tf. 35) und zwei Studien von Correggio (Tf. 8 und 50)
und aus spaterer Zeit eine grofiartige Grablegung von Fed. Baroccio
(Tf. 63) und das Bildnis des Kunstsammlers P. Resta von Carlo Marat ti
(Tf. 70).
Die Zahl der abgebildeten deutschen Zeichnungen ist nicht grofl.
Von den drei hochbedeutenden Zeichnungen von Hans Holbein ist
das Bildnis (Tf. 26) ein wahres Wunderwerk kunstlerischer Stilisierung
des unmittelbaren Naturbildes. Die drei Blatter von Dtirer sind schon
im grofien Werke der Diirerzeichnungen abgebildet. Adam und Eva
Tf. 54) ist eine besonders gute Arbeit Hans Baldungs. Von einigen
Veduten von Jan Breughel, dem einzigen Vertreter der Niederlande in der
Publikation, ist vornehmlich die Ansicht des Forum Augusti in Rom (Tf. 69)
von Interesse.
Die Publikation der Pembroke Sammlung bietet fast nur italienische
Zeichnungen der Hochrenaissance. Das italienische Trecento ist nur
durch eine sehr interessante, wenig spatere Kopie nach Giottos Navicella
in S. Peter vertreten (Tf. 39), das Quattrocento durch eine Studie
Antonio Pollaiolos zu seinem grofien Kupferstiche mit dem Herkules-
kampfe (Tf. 17), durch eine Zeichnung von Filippino Lippi (Tf. 18),
dessen Schule auch die von Strong mit Vorbehalt Piero di Cosimo zuge-
schriebene Anbetung der Konige (Tf. 32) angehoren mag, durch eine
anatomische Pferdestudie von Verrocchio (Tf. 58), einen Francesco di
Simone zugeschriebenen Skulpturenentwurf (Tf. 12) und endlich durch
eine Studie zum Merkur im Cambio ztf Perugia (Tf. 57), die Perugino
als recht durftigen Zeichner erscheinen lassen wtirde. Ein Hauptsttick
der Sammlung bildet ein prachtvoller Entwurf Leonardos zu einem
lfceiterdenkmal (Tf. 1), wahrend alle andern von der Tradition als seine
Werke bezeichneten Studien der Sammlung vom Herausgeber mit Recht
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64 Litcraturbericht.
dem Meister selber abgesprochen werden (Tff. 15, 28, 29, 63, 64). Von
seinen Schtilern ist Cesare da Sesto mit einer hi. Familie (Tf. 5) ver-
treten und, wie ich glaube, auch Luini, denn die alte Inschrift »Lovini
Milanese« auf der von Strong D. Campagnola zugeschriebenen Zeichnung
(Tf. 54) scheint rnir doch wohl ernste Beachtung zu verdienen. Die
So do ma zugeschriebene Studie zum Fresko der Verlobung Mariae in S.
Bernardino in Siena (Tf. 27) ist doch im Vergleich mit den echten Zeich-
nungen des Klinstlers zu schwach, um als Original angesehen werden zu
konnen.
Den Glanzpunkt der Publikation bilden die Zeichnungen Correggios,
dem nicht weniger als 11 Blatter zugewiesen werden. Zu den schonsten
Zeichnungen des Meisters gehoren die herrliche Anbetung der Hirten
(Tf. 2) und die Studie zur Verktindigung in der Annunziata in Parma
(Tf. 25); auch in den Putten (Tf. 24), und in der Trophae (Tf. 47) wird
man Correggios Hand erkennen dtirfen, die andern Blatter dagegen
(Tf. 14, 35 — 38, 48, 56) mtissen wohl noch mit einem mehr oder weniger
dicken Fragezeichen hinter dem Namen des Meisters versehen werden.
Von Parmigianino sind drei Studien abgebildet (Tff. 6, 34 und 45) und
von Primaticcio zwei sehr wichtige Entwtirfe ftir Zwickel im Schlosse
zu Fontainebleau (Tff. 52, 53); auch die beiden Zeichnungen des besonders
als Radierer interessanten Andrea Schiavone (Tff. 7 und 16) verdienen
Beachtung.
Unter den Zeichnungen der romischen Schule ragt eine Studie
Raffaels zu einer Darstellung der Unglaubigkeit des hi. Thomas (Tf. 22)
hervor, die Strong mit Recht in die letzte Zeit der Tatigkeit des Klinstlers
verweist. Der Neptun von Perino delVaga (Tf. 33) scheint mir inter-
essant wegen seiner stilistischen Verwandtschaft mit Marcantons Kupfer-
stich, dem »Quos ego«. Von den andern Blattern dieser Schule ist
Giulio Roman os Jagd auf den Kalydonischen Eber (Tf. 51) hervorzu-
heben.
Von Werken norditalienischer Meister ist Ni col o Giolfi no s Studie
zu einem Fresko in der Cap. di S. Croce in S. Bernardino zu Verona
(Tf. 4) das alteste. Der Entwurf zu der Lotto zugeschriebenen Madonna
mit Heiligen in der Borghese - Galerie (Tf. 11) wird ftir die nahere Be-
stimmung dieses schdnen Bildes noch Wichtigkeit gewinnen. Die angeb-
liche Studie Tizians zu einem Gott Vater, der Sonne und Mond schafft
(Tf. 9), wird man dagegen kaum ohne Kopfschutteln betrachten konnen;
sie sieht doch allzu secentistisch aus. Von Veronese sehen wir einen
Entwurf zum Deckenbild in der Sala del Maggior Consiglio des Dogen-
palastes (Tf. 3); die Pordenone zugeschriebene Zeichnung (Tf. 40) er-
innert uns dagegen mehr an ferraresische Meister (etwa Ortolano?). Der
Zweifel Strongs an der Echtheit der Romanino zugeschriebene Szene
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Litcraturbericht. 6 5
aus der romischen Geschichte (Tf. 49) scheint mir nicht berechtigt ange-
sichts einer schonen, Romanino genannten Zeichnung derselben Hand,
die aus der Sammlung Beckerath in das Kupferstich-Kabinet zu Berlin
iibergegangen ist. Von spatern Italienern sind Annibale Carracci
(TL 44), Guido Reni (Tf. 46), Baroccio (Tff. 8 und 50) und Salvator
Rosa (Tf. 10) sehr gut vertreten.
Von nichtitalienischen Meistern bietet die Publikation nur vier Blatter,
vor allem eine Studie Van Dycks zum Reiterbildnis des Count of
Arenberg, jetzt in Holkham, dann eine Puttengruppe von Duquesnoy
(Tf. 30), und eine, wie mir scheint, mit Unrecht Dirk van Staren zuge-
schriebene Zuriickweisung des Opfers Joachims (Tf. 31) von einem hol-
landischen Meister der Richtung des Lucas van Leyden und endlich eine
Zeichnung von dem Miniaturmaler Isaac Oliver (Tf. 66).
P. K.
Bepertorimn f&r Knnstwijweiwehaft, XXVI.
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Ausstellungen.
Die Brtigger Leihausstellung von 1902.
Von Max J. Friedl&nder.
Den ini vorigen Jahrgange dieser Zeitschrift (S. 2 28ff.) erschienenen
Bench t v. Tschudis ilber den Eindruck, Inhalt und Charakter der
Brtigger Ausstellung altniederlandischer Bilder erganzend, ordne ich das
gesamte Material kunstgeschichtlich. Der gegen den Schlufi der Aus-
stellung von Georges H. de Loo (Georges Hulin) herausgegebene aus-
gezeichnete » catalogue critique « enthalt einen grofien Teil der Be-
stimmungen, die ich im folgenden notiere, indem der Verfasser jenes
Kataloges und ich vielfach unabhangig voneinander zu denselben Er-
gebnissen gekommen sind. In nicht wenigen Punkten habe ich von
dem Scharfblick dieses Gelehrten profitiert und in manchen anderen
hat er meine mlindlich oder schriftlich geaufierten Vorschlage tiber-
nommen, wie seine Zitierungen erkennen lassen. Im allgemeinen ist
vieles, was die deutsche Kunstforschung seit Jahrzehnten vertreten hat,
bei Gelegenheit der Brtigger Ausstellung einem international en Forscher-
kreise klar geworden, wie eine Vergleichung der alteren Arbeiten
Scheiblers, Justis, v. Tschudis mit den in den letzten Jahren publizierten
belgischen und franzosischen Aufsatzen zeigt. Was die aus England
geliehenen Gemalde betrifft, ist der Artikel v. Tschudis liber die 1892 im
Burlington Club veranstaltete Ausstellung (Rep. XVI, S. 100 ff) und
mein Bericht liber die Leihausstellung in der New Gallery (Rep. XXIII,
S. 245 ff.) zu vergleichen; was die aus Berlin gesandten Gemalde an-
geht, mein Bericht liber die Berliner Renaissance-Ausstellung von 1898
in dem Werke liber diese Ausstellung (Berlin, G. Grote).
Eine kleine Gruppe altertlimlicher Tafeln sollte die niederlandische
Kunst aus der Periode vor dem Center Altar reprasentieren. Bei
niiherer Pruning blieb jedoch nur von einer Tafel die Sicherheit der
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M.J. Friedlander: Die Brtigger Leihausstcllung von 1902. 67
niederlandischen Provenienz bestehen. Fiir die Frage nach der Her-
kunft der Eyckschen Kunst wurde nichts gewonnen. Das Andachtsbild
aus dem Hospice von Ypres (1), wie mir scheint, erst 1420 etwa
entstanden, riihrt von einem zurtickgebliebenen Meister her und ist
historisch von geringer Bedeutung. Viel wichtiger ist die bekannte
Tafel mit dem Gekreuzigten und Heiligen aus S. Sauveur zu Brugge
(4), aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Briigger Maler auf der
Stilstufe des sogenannten Meisters Wilhelm, recht fein, wohl das beste
flandrische Tafelbild dieser Periode.
Schon bei dem sehr interessanten kleinen Fliigelaltar aus der
Galerie Weber, der als „Broederlam" ausgestellt war (2), ist die Lokali-
sierung schwierig. Der Umstand, dafi dieses Stuck in einer Sammlung
m Dijon war, ist gewifi kein ausreichender Hinweis. Mit den be-
nihmten, dem Broederlam in Dijon zugeschriebenen Flugeln hat diese
Malerei nicht viel zu tun, am ehesten erinnert sie an niederliindische
Bachmalereien aus der Zeit um 1400. Noch schwieriger ist die Lo-
kalisiernng der Fliigelbilder eines stark restaurierten Madonnentabernakels
— mit Holzstatuette — aus dem Besitz des Herrn Ch. L. Cardon (3).
Das derbe, provinziell zurlickgebliebene Andachtsbild, die Madonna mit
den Heiligen Peter, Paul, Magdalena und dem Donator aus der Kathedrale
von Luttich (5), von 1459 fiige ich hier an, weil diese Tafel trotz der
spaten Entstehung zu den wenigen Malereien auf der Ausstellung ge-
horte, die von den Errungenschaften der van Eyck unberiihrt erschienen.
In der Gegend von Luttich ist fast nichts von der Malerei des 15. Jahr-
btmderts erhalten geblieben. Aus diesem Grunde ist dem Bilde Iiber-
triebene Beachtung gewidmet worden.
Mit Ausnahme der unvollendeten „Barbaraa und des Mittelteils
des Genter Altares war alles auf der Ausstellung, was Belgien von
Jan van Eyck noch besitzt Neben dem Pala-Altar (10), der besser
1I5 an seinem gewohnlichen Standort zu sehen war, und dem Frauen-
bildnis (12) standen die kleine Antwerpener Madonna von 1439 (*3)
and die Tafeln mit Adam und Eva vom Genter Altar aus der
Brasseler Galerie (9), die wohl mit Recht ganz allgemein fiir eine
Scbopfung des Jan van Eyck gehalten werden. Eine mittelmafiige
Kopie aus der Tafel des Genter Altars mit den musizierenden Engeln —
drei Engelskopfe auf runder Flache — war von Ch. L. Cardon aus-
gestellt (213). Die Madonnenfigur des Pala-Altars ist ofters kopiert
worden. Eine von den beiden Nachahmungen, die auf der Londoner
Leihausstellung in der New Gallery 1900 zu sehen waren, wurde auch
hier gezeigt, das recht schwache Bildchen aus der Sammlung des Earl
of Northbrook (11). Eine andere Kopie ist als die eine Halfte eines
5*
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68 ' M. J. Friedl&nder:
von 1513 datierten Diptychons in der Sammlung Bartels in Kassel zu
finden.
Das erst vor wenigen Jahren bekannt gewordene Portrat aus dem
Gymnasium zu Hermanstadt (15) bestand die Feuertaufe. Leider er-
scheint das Kolorit dieser Tafel nach der Reinigung etwas unharmonisch.
Uber das ehemals als friiheste Arbeit Jans in der Literatur oft erwahnte
Bild, die Bischofsweihe des Thomas von Canterbury (8), ist schon bei
frtiheren Gelegenheiten Gericht gesprochen worden. Die Inschrift ist
falsch, dieTafel stark iibermalt, immerhin in einigen Partien gut genug er-
halten, ein stilkritisches Urteil zu gestatten. Ein bestimmter, ziemlich
schwacher, wahrscheinlich Brligger Meister von 15 10 etwa hat diese
Darstellung irgend einer Bischofsweihe gemalt. Alles, was auf den eng-
lischen Heiligen deutet, ist von dem Restaurator hinzugefilgt. Ein Bild,
merkwlirdiger Weise ebenfalls im Besitz des Duke of Devonshire, ist von
derselben Hand (147 — Abschied eines jugendlichen Heiligen). Viel ge-
stritten wurde vor der Tafel mit den drei Frauen am Grabe Christi aus
der Sammlung Cook zu Richmond (7). Die hohe Alterttimlichkeit, der
entschieden Eycksche Charakter und die aufierordentliche Qualitat dieser
Malerei, also jene Eigenschaften, die v. Tschudi bei Gelegenheit der
Burlington Club-Ausstellung 1892 energisch betont hat, wurden nicht
von alien Beurteilern anerkannt, und die Gruppe derer, die das Bild
ahnlich wie v. Tschudi beurteilten, zerfiel wiederum in zwei Parteien,
indem die Frage »Jan oder Hubert « gerade hier dringlich gestellt
wurde. Ich wage nicht, an die Beantwortung dieser Frage zu gehen,
da die Scheidung der Hande im Genter Altar noch nicht gelungen ist.
Das Cooksche Bild steht dem unteren Mittelbilde des Genter Altares
naher als irgend eine andere Malerei. Dafi die Tafel noch immer
unterschatzt wird, liegt zum Teil wenigstens an dem Zustand, auf dessen
recht erhebliche Mangel ich schon ofters hingewiesen habe. Viele
Partien der Oberflache sind verrieben und retuschiert, wie namentlich der
Himmel, einiges in den Baulichkeiten des Hintergrundes, die KSpfe der
heiligen Frauen und anderes.
Schwierigkeiten anderer Art bot das Lowener Triptychon, das, bis
vor kurzem im Hause des Herrn Schollaert, von Herrn G. Helleputte
(14) ausgestellt war. Dieser Fltigelaltar soil aus St Martin in Ypern
stammen und ist besser beglaubigt als Arbeit Jans denn irgend eine
andere Malerei, von den signierten Stticken abgesehen. Dennoch stellt
sich vor dem Bilde selbst die freudige Gewifiheit nicht ein. Die ganze
Flache scheint in neuerer Zeit tibermalt zu sein. Die Kunst des van
Eyck ist in der Ausftihrung nicht zu entdecken. In der Anlage, der
Komposition, in den Hauptlinien der Zeichnung ist nichts, was der
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Die Brflgger Leihausstellung von 1902. 60
beachtenswerten Uberlieferung widerspricht, aufier dem Kopf des Stifters,
dessen Bartschnitt in die Zeit von 1570 weist. Ein sicheres Urteil
ist bei dem Zustand des Werkes schwer abzugeben. Undenkbar ware es
nicht, dafi wir nur eine Kopie vor uns hatten. Wahrscheinlich aber ist,
dafi der urspriinglich unvollendete Altar im 16. Jahrhundert mit einem
neuen Stifterkopf versehen und spater vollkommen Ubermalt worden ist,
ein trauriger Rest, immerhin der noch nicht gentigend beachtete Rest
eines Eyckschen Originals.
Der aus der ernsteren Literatur verschwundene, in Katalogen aber
immer wieder auftauchende Name »Margaretha van Eyck« stand bei
dem httbschen kleinen Fliigelaltar mit der Anbetung der Konige in der
Mitte, der G.Donaldson (London; 327) gehort Dieses Werk ist etwa
1490 von einem guten siidniederlandischen Meister ausgeftihrt, von dem
mehrere Tafeln im Antwerpener Museum ganz ohne Grund unter dem
Namen &Van der Meire« gezeigt werden (s. unten). Verstandigerweise nicht
mehr mit der Bestimmung »Margaretha v. Eyck« hatte Helbig (LUttich;
481 sein aus der Sammlung Weyer stammendes, ziemlich charakterloses
Andachtsbild, eine Arbeit von 1470 etwa, ausgestellt, von der frtiher in
der Literatur ofters die Rede war. Man hat hier die Inschrift: »Mar-
gareta e eyc« zu finden geglaubt
Petrus Christus war sehr reich vertreten, durch das signierte
und von 1449 datierte bekannte Bild aus dem Besitz des Freiherrn v.
Oppenheim (17), durch das allgemein anerkannte Bildnis eines jtingeren
Mannes, das aus der Northbrook-Sammlung in den Besitz George
Saltings iibergegangen ist (18), durch die miniaturartige figurenreiche
Kreuzigung aus Worlitz (19), und durch eine leider nicht gut erhaltene,
im landschaftlichen Grunde und auch sonst vielfach verputzte »Be-
veinung Christia, die Herr Ad. Schlofi aus Paris gesandt hatte (325).
In dieser Gesellschaft stand das stattliche Breitbild mit der Beweinung
Christi aus der Brtisseler Galerie (20), die durch ein wunderliches Ver-
sehen vor einiger Zeit mit Ouwater in Verbindung gebracht worden ist,
and es wurde klar, dafi Scheibler, Bode und andere deutsche Kenner
ganz mit Recht die Zuschreibung an Petrus Christus vertreten hatten.
Xach einer interessanten Beobachtung Hulins ware die Tafel bald nach
1460 entstanden. Ein Edikt von 1460 befahl den Edelleuten eine voll-
kommene Rasierung des Hauptes. Der ganz und gar geschorene Schadel
des Mannes zur Rechten ist wirklich sehr auffallig. Dafi die Figur
der zusammensinkenden Maria durch die entsprechende Figur in
Rogers beriihmter Kreuzabnahme angeregt ist, wurde schon frtiher be-
merkt. Werden wir durch diese Beobachtungen nach Low en und in
relativ spate Zeit gewiesen, so erscheint es nicht weiter merkwiirdig,
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70 M« J* Friedlander:
dafi der stets anlehnungsbedtirftige Meister sich bei diesem Versuche
monumentaler und dramatischer Gestaltung wie an Roger, so auch an
Dirk Bouts gehalten hat Sein altestes in Brtigge ausgestelltes Bild ist
wohl die Worlitzer Kreuzigung.
Die recht unbedeutende kleine Kreuzigung aus der Galerie Novak
in Prag scheint die Arbeit eines wesentlich kopierenden Malers zu sein,
der sich an Petrus Christus, aber freilich auch an Roger angelehnt hat (186).
Roger van der We y den war vielfach gegenwartig auf der
Ausstellung. Nicht dafi er mit Schopfungen seiner Meisterschaft eine
unmittelbare Wirkung geiibt hatte, wie im Escurial und in der Berliner
Galerie, aber seine Kompositionstypen wurden das allgemeine Gut der
niederlandischen Maler. Niemand ward soviel kopiert wie er; der
Meister von Fle'malle und Memling, abgesehen von den vielen kleineren
Nachfolgern, verdanken ihm viel. So wenige sichere eigenhandige
Werke dieses grofien Meisters zu sehen waren, so oft mtissen wir seinen
Namen anrufen, urn die kunstgeschichtliche Position geringerer Bilder
anzudeuten.
Als Originalwerk des Meisters fast allgemein anerkannt und als
neue Erscheinung mit besonderem Interesse betrachtet wurde die „Be-
weinung Christi" (25), die das Briisseler Museum 1901 auf der Auktion
Pallavicini-Grimaldi in Genua erworben hat. Die Komposition ist des
grofien Dramatikers wtirdig, ihre Nachwirkung in Darstellungen der
iBriigger Schule (Gerard David, Memling) mehrfach zu bemerken. Die
Berliner Galerie hat ganz kurzlich aus Italien eine im Stile Rogers aus-
geftihrte, in der Komposition nahverwandte Darstellung erworben (an
die Stelle der knieenden Magdalena des Briisseler Bildes ist hier die
Stifterfigur getreten). Der starke stimmungerregende Farbeneindruck des
Briisseler Gemaldes ist fremdartig, riihrt aber wohl zum grofieren Teil
von gefarbtem Firnifi her. Eine bessere, dem Roger noch naher
stehende Gestaltung derselben Komposition befindet sich bei dem Earl
of Powis in London.
Das vom Grafen Wilczeck ausgestellte Lukas-Bild (116), das auch
auf der Miinchener Leihausstellung 1901 war, ist offenbar nur eine
sorgfaltige Kopie nach Roger aus der Zeit um 1500. Eine weit bessere
Replik besitzt das Museum in Boston. Von diesem Lukas-Bilde, als
dessen Original wohl doch mit Recht die Miinchener Tafel angesehen
wird, stammt eine lange Reihe von Halbfiguren der Madonna ab. Roger
hat den zwischen 1450 und 1470 allgemein giiltigen Typus des Marien-
bildes gescharTen.
Der Qualitat nach geordnet, standen auf der Ausstellung: die von
Mr. Matthys in Brtissel ausgestellte Madonna (28) gut erhalten und
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. 71
namentlich im Kopf Mariae ganz in der Art des Meisters, zumal mit
dem Medici-Bild in Frankfurt zusammengehend (die mangelhaft ge-
zeichneten Augen des Christkindes machen bedenklich); die Madonna
aus der Sammlung des Chevalier Mayer v. d. Bergh (113), eine gegen-
seitig in der Komposition mit dem zuletzt genannten Bild ziemlich
genau tibereinstimmende Darstellung, mit dem Datum i44i(r) in etwas
wunderlicher Form auf dem Rahmen, von einem ttichtigen Nachfolger
Rogers; die Halbfigur der Madonna, die Mr. Nardus eingesandt hatte (144)
nah verwandt einem ktirzlich aus deutschem Privatbesitz fur die Briisseler
Galerie gekauften Bilde, und wie dieses, etwas bessere, Stiick von einem
kopierenden Nachfolger Rogers; das vom Baron d'Albenas geliehene
Bild (94), dessen Meister freilich aufier dem Vorbilde Rogers auch das-
jenige des Dierick Bouts vor Augen hatte.
Unter den Bildnissen schien mir ein sicheres und vollkommen
erhaltenes Original von der Hand Rogers das Frauenportriit aus
Worlitz (108). Der scharfe Typus des Meisters ist in der Portrat-
erscheinung durchaus deutlich. Die meisterhaft gezogene reine und
grofle Linie, die Sparsamkeit der Schatten, die Bildung des etwas
vorgeschobenen Mundes und der Augen, alles ist besonders cha-
rakteristisch fur den Meister und durchaus seiner wiirdig. Von den
Mannerportrats machen zwei ernstlich und erfolgreich Anspruch darauf,
fur Originale des Meisters gehalten zu werden: das Bildnis eines
Mannes in mittleren Jahren, ausgestellt als „Pierre Bladelin" — wohl
mit Unrecht, die Ahnlichkeit mit dem Donatorenbildnis in Berlin ist
nicht groD — aus der Sammlung R. v. Kaufmann (26), und das ganz und
gar verputzte Portrat eines jtingeren Herrn (27) aus dem Besitz des
Herm Ch. L. Cardon in Briissel.
Als Arbeit Rogers wird von den besten Kennern die kleine Uber-
aus fein durchgebildete »Madonna« der Northbrook-Galerie betrachtet,
die friiher als >Jan van Eyck« gait und oft schon ausgestellt war (30).
Das Tafelchen gehort zu einer festgeschlossenen Gruppe, die sich aus
dem 3\Verke« des Meisters heraushebt. Hierher gehoren die kleine
stehende Madonna in Wien, die hi. Katharina ebendort, die kleine
Verkiindigung in Antwerpen und die Visitationen in Turin und Llitz-
schena und eine Verkiindigung im Louvre. Ich kann mich nicht dazu
entschliefien, diese Gruppe zierlicher Arbeiten von den sicheren Ar-
beiten des Briissel er Meisters abzutrennen.
Von jener Darstellung der Kreuzabnahme, die haufiger als irgend
cine andere Komposition des 15. Jahrhunderts wiederholt worden ist,
jenem Hochbilde, in dem der Leib Christi bis zu den Knien sichtbar
und Maria, Johannes und Nikodemus dargestellt ist, befand sich auf der
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j2 M. J. Friedl&nder:
Ausstellung ein besonders gutes Exemplar (335, Dr. June* de Lavandal,
Wien). Das verschollene Original, das wahrscheinlich in Briigge gewesen
ist (hier gibt es mehrere alte Wiederholungen), war sicher ein Werk
Rogers, wie ein vergleichender Blick auf die reichere Kreuzabnahme
im Escurial lehrt.
Die Nachwirkung der Kunst Rogers ist nicht auf Brtissel, nicht
auf Brabant beschrankt, sie reicht tief nach Flandern hinein. Eine
ganze Anzahl interessanter Werke auf der Ausstellung zeigten als einziges
flir uns fafibares Merkmal zur kunstgeschichtlichen Bestimmung mehr
oder weniger ausgepr>e Spuren der Rogerschen Anregungen.
Ein bedeutender Nachfolger Rogers hat die Tafel in der Kathe-
drale von Antwerpen geschaffen, die nebeneinander links die Zuriick-
weisung des Opfers im Tempel, rechts die Vermahlung Mariae und
Josephs zeigt (29). Der von Roger nicht ganz leicht zu unterscheidende,
aber weit weniger sicher und auffallend ungleichmafiig zeichnende
Meister, der eine flackrige Lichtftihrung liebt und die Einfiihrung vieler
portratmafliger, etwas chargierter Kopfe, hat, wie mir scheint, auch die
Beerdigung eines Bischofs in der Londoner National Gallery gemalt,
wahrscheinlich auch den Edelheer-Altar in Lowen, das Mittelstiick nach
Roger kopierend, und endlich das hlibsche Portrat einer Frau, das in
Brugge zu sehen war (96, J. P. Heseltine). Wie nahe der Werkstatte
Rogers wir mit dieser Gruppe von Bildern noch sind, wird bei
einer Vergleichung des Altars von Cambrai (Prado) klar. Wir finden
in diesem Altar, der urkundlich von Roger herrtihrt, an dem der
Meister selbst aber offenbar nicht viel getan hat, Architekturmotive
wieder, die wir von dem Bilde der Antwerpener Kathedrale her
kennen.
. Der Werkstatt Rogers angehdrig, oder doch von einem treuen
Schtiler des Meisters gemalt sind die beiden Altarflugel mit je zwei
Heiligen, geliehen von Ch. Sedelmeyer (97) die noch den strengen Stil
unaufgelost zeigen.
Der Meister von Fle*malle hat gewifi seine historische Stellung
dicht bei Roger, sei es, dafl er ein Schtiler Rogers war, sei es, dafl er
mit Jacques Daret identisch, wie eine neue geistreiche Hypothese vor-
schlagt, als Mitschiiler Rogers anzusehen ist. Als ein unbezweifeltes
Original von seiner Hand stand die bekannte Madonna aus der Somzee-
Sammlung (23) auf der Ausstellung, tadellos erhalten, bis auf eine kleine
libermalte Flache. Das Bild ist mit den anderen in Briigge ausgestellten
Stucken dieser Sammlung an eine Londoner Firma verkauft worden.
Sonst waren nur Kopien nach Schopfungen dieses Meisters zu
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Die Brtigger Lcibausstellung von 1902. 73
sehen, da auch die Dreifaltigkeit mit Engeln aus der Lowener Galerie
(206), die ofters ftir ein Original gehalten worden ist, nur als ziemlich
grobe Nachahmung aus der Zeit um 1500 betrachtet werden kann.
Wichtig unter den Kopien, nicht sowohl wegen der Eigenschaften der
Ausfiihrung, wie vielmehr wegen der Bedeutung des zugrunde liegenden
Urbildes ist das Triptychon aus Liverpool mit der Kreuzabnahme
Christi (22). Ein Fragment des Originals, der bose Schacher, ist in der
Frankfurter Galerie erhalten. Der urspriinglich wahrscheinlich in Briigge
stehende Fliigelaltar war bei geoffneten Fltigeln mindestens 4 m breit
und 2 m hoch, gehorte zu den grofiten Werken der altniederlandischen
Malerei, und war wahrscheinlich das Hauptwerk des Fle'maller Meisters.
Teile dieses gewaltigen Werkes sind oft kopiert worden, so in dem Breit-
bilde zu S. Sauveur in Briigge, das mit Unrecht dem Gerard van der
Meire (s. unten) zugeschrieben wird (120), in einem oft erwahnten
Kupferstich des Bandrollen-Meisters und in einer Tafel mit der Kreuz-
abnahme, die Herr E. Schweitzer in Berlin kurzlich aus dem Florentiner
Kunsthandel erworben hat.
In der Tafel der Gregorsmesse, aus der Galerie Weber (156), die
v. Tschudi ganz mit Recht als Kopie nach dem Flemaller Meister be-
zeichnet hat, wurde die — merkwtirdig spate — Jahreszahl 15 14 ent-
deckt (die letzte Stelle der Zahl nicht ganz deutlich). Eine Wieder-
hohmg dieser Komposition (das Original?) befindet sich in Lissabon und
ist publiziert von dem Besitzer des Bildes J. Moreira (mit dem wunder-
lichen Titel: Un probleme de Tart, l'ecole portugaise crdatrice des
grandes ' e*coles).
In ziemlich losem Zusammenhang mit dem Meister von Fldmalle
steht die hiibsche aus der Zeit um 1500 stammende Madonna am
Kamin, mit Engeln (24) aus der Sammlung des Sir Fr. Cook, deren
Komposition einige Verwandtschaft zeigt mit der bekannten Petersburger
Madonna des Meisters.
Wahrscheinlich geht die in mehreren Wiederholungen bekannte
tot einer Kirchenapsis stehende saugende Madonna auf den Fl^malle-
Meister zuriick. Ein besonders gutes Exemplar dieser Komposition
befcndet sich im Privatbesitz zu Gratz. Auf der Ausstellung war ein
Exemplar aus englischem Besitz (89; James Mann) ein Triptychon — die
selten fehJenden beiden musizierenden Engel auf den Fltigeln (iibrigens
mit vertauschten Platzen) — , eine mittelgute Arbeit, noch aus dem
15. Jahrhundert Von einer freieren Wiederholung der Hauptfigur in
einem Altarbild des Pseudo-Mostaert wird noch die Rede sein.
Die predellenartige, derb gemalte, aber hochst charaktervolle Tafel
aus der Kirche von Hooghstraeten (341) mit Szenen aus der Geschichte
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74 M. J. Kriccilandcr:
Josephs, eine anscheinend nicht in einem Zentrum der niederlandischen
Kunsttatigkeit entstandene Arbeit von 1440 etwa laflt sich, soweit ich
sehe, nicht besser bestimmen als durch Hinweis auf eine deutlichc,
wenn auch nicht sehr tief reichende Stilverwandtschaft init dem Flemalle-
Meister und ein Hinweis nach derselben Kraftquelle bleibt auch als
einziges Mittel, jene vier lnerkwiirdigen, kaum nach 1460 entstandenen
vier Kirchenvater aus dem Besitz des Herrn Le Roy (Paris; 318) kunst-
historisch unterzubringen.
Die im Gesamtcharakter alterttimliche, nicht sehr bedeutende An-
dachtstafel aus S. Sauveur in Brugge (6 — Crucifixus, Maria und Stifter)
erinnert in der Figur des Gekreuzigten entschieden an den Meister von
Flemalle, dessen Tatigkeit auch sonst Spuren in Briigge hinterlassen hat
Ich fiige eine Reihe mittelguter Werke an, die zwischen 1450
und 1500 entstanden, wahrscheinlich in der Brabanter Gegend, nicht
anders als durch unbestimmte Beziehungen zu Roger kunstgeschichtlich
bestimmt werden konnen.
Dafi die Madonna aus der Galerie Oppenheim ganz und gar
nichts mit Gerard David (133) zu tun hat und dafi sie in der Kom-
position genau tibereinstimmt mit einer Madonna im Besitz des Earl of
Crawford (132, mit falchem Dtirer-Monogramm), habe ich schon friiher
bemerkt. Die Komposition, die als Mittelstiick eines Triptychons in
Lille (legs Reynart — auf den Fliigeln: Engel) vorkommt, geht vielleicht
auf Roger zurtick. Die beiden Exemplare auf der Ausstellung sind
sehr verschiedenartig in der Ausftihrung und schwerlich in einer Werkstatt
entstanden. Das englische Bild ist weich, mit voller Farbe gemalt,
ahnlich wie die vorhin erwahnte „ Madonna" der Cook - Sammlung
(24), wahrend das Exemplar der Sammlung Oppenheim trocken und
niichtern, ohne Luft- und Raumvorstellung, wie eine Stickerei, ausge-
fiihrt ist und durch diese Eigenschaften der Ausftihrung an zwei unbe-
deutende Fliigel mit weiblichen Heiligen erinnert, die von L. Harris ge-
liehen waren (404, 405.)
Im losen Zusammenhang mit Rogers Kunst erschienen zwei
schwache Werke, das von M. Colnaghi ausgestellte Diptychon mit
Philippe Hinckaert als dem Stifter (31) und die kleine helle und nuchterne
Beweinung Christi, die A. H. Buttery geliehen hatte (214). Hier und
dort ist die Magdalenenfigur der bertihmten Kreuzabnahme Rogers ent-
nommen. Das Diptychon ist kaum vor 1470, die kleine einzelne
Tafel kaum vor 1490 entstanden.
Von einem interessanten Nachfolger Rogers, von dessen Hand die
Briisseler Galerie die Darstellung eines vor Bischbfen predigenden
Bischofs besitzt, ist die alterttimliche Tafel, auch mit der Darstellung
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Die Brttgger Lcihausstellung von iyo2. 75
einer Predigt (344; von de Walle, Brugge). Vielleicht gehbren die
beiden Stiicke zusammen. Das Bild in Briissel stammt aus Briigge!
Die Maflverhaltnisse kann ich nicht vergleichen, da die Mafiangabe im
Briisseler Katalog oflfenbar irrtiimlich ist Von demselben Meister, der
mit einer sproden Technik eine fesselnde Zartheit der Empfindung,
verbindet, riihrt die Rtickkehr des hi. Bruno in die Karthause her,
eine bescheidene, von besonderer Poesie erfiillte Tafel (171, Baron
Bethune). Ich glaube, wir haben hier einen zu Brugge urn die Mitte
des 15. Jahrhunderts tatigen Meister vor uns. Einige Stileigenschaften
gemeinsam mit dieser Gruppe von drei Bildern zeigt das Triptychon mit
der Gregormesse in der Mitte, das durch die Versteigerungen Ruhl, Habich,
Hoesch, Huybrechts gegangen und nun von Herriman (Rom; 87) aus-
gestellt war. Diese schwache Malerei, in der alteren Literatur stark iiber-
scbatzt, steht nicht auf der Hohe der stilverwandten Werke.
Ein bestimmter, um 1480 in den Sudniederlanden tatiger Meister,
der von Bouts vielleicht mehr als von Roger bestimmt ist, und dessen
scharfe, hafiliche Typik leicht wiederzuerkennen ist, hat die Altartlligel
geschaffen, die in falscher Zusammenstellung als ganzer Altar auf
der Ausstellung zu sehen waren (no; Ch. L. Cardon, Briissel). Dar-
gestellt ist die Konigin von Saba vor Salomon mit Geschenken, auf
dem anderen Flugel: ein Bote vor David (r); auf den Rtickseiten, jetzt
neben den Innenbildern : die Verkiindigung. Das verschollene Mittel-
stiick zeigte wahrscheinlich die Anbetung der Konige. Das Hauptwerk
dieses Meisters ist der auf der Auktion Feschenbach zu Koln ver-
steigerte, jetzt im Kolner Museum bewahrte grofie Altar (einige Teile
hier von einem Schiller) mit der Heimsuchung, dem Passafest und
anderen Darstellungen. Im Besitz der Hen-en v. Radowitz in Madrid
befindet sich ein kleiner Altar mit Holzschnitzerei in der Mitte, dessen
Fliigel von demselben Meister herriihren, und endlich ist die interessante
Tafel mit dem Gotzendienst Salomons, die am 9. Dezember 1902 bei
Muller in Amsterdam verkauft worden ist (aus Middelburg stammend,
jetzt im Rijksmuseum zu Amsterdam), von ihm.
Mit ruhiger Sicherheit und besonders grofiem Erfolg konnte auf
der Ausstellung die Persohnlichkeit des Dierick Bouts erkannt, konnte
das ihm Zugehorige aus dem reichen Material gesondert und geordnet
werden, weil der mittlere Hauptteil seines beglaubigten und iiberdies
tadellos erhaltenen Lowener Werkes, das Abendmahl Christi, als Mafi-
stab und Ausgangspunkt gegenwartig war (36). Zwischen dem Marz
1464 und dem Februar 1468 war Bouts an dem Sakramentsaltar tatig,
er sollte wahrend dieser Arbeit nichts anderes unternehmen und alien
Fleifl und alle Kunst daran wenden.
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y 6 M. J» Friedlander:
Nicht eigentlich beglaubigt, aber durch alte, von der Stilkritik
bestatigte Tradition als Schopfung desselben Meisters geltend stand auch
der andere Altar aus der Lowener Peterskirche auf der Ausstellung (35),
das Martyrium des hi. Erasmus. Mit unbeholfener Feierlichkeit und
naiver Sachlichkeit ist der furchtbare Vorgang geschildert. Die wunder-
bar sorgsame, aber etwas befangene Durchflihrung scheint darauf zu
deuten, dafi dieses, (ibrigens vollkommen erhaltene Werk eher vor, als
nach dem Sakramentsaltar entstanden ist. Der Hi ppolytus- Altar aus
Brtigge wird seines grausigen Motivs wegen stets in engem Zusammen-
hang mit dem Erasmus-Altar erwahnt. Die Arbeit steht nicht ganz auf
der Hohe der Lowener Altare, sei es dafi die Gestaltungskraft des
Meisters im Schwinden war, als er dieses Werk ausftihrte, sei es, dafi
er hier nicht seine ganze Kraft einsetzte. Zweifel an der Autorschaft
halte ich fur unberechtigt. Ubrigens ist die Tafel nicht ganz so gut
wie die beiden Lowener Stiicke erhalten.
Mit der grau in grau gemalten Figur Johannes des Taufers aus
Worlitz (219) war ein Teil eines zerstreuten Altares auf der Ausstellung.
Man sieht in der Figur des Evangelisten Johannes in Miinchen, der
Gefangennahme Chris ti ebendort, der Auferstehung Chris ti in Nurnberg
und diesem Worlitzer Stiick zwei beiderseitig gemalte Altarfliigel. In
den Mafien stimmt das Worlitzer Bild genau zu der Gefangennahme
Christi, wahrend die beiden anderen Stiicke, unter sich gleich grofi,
wesentlich breiter sind. Fiir diese Abweichung der Breitenmafie weifl
ich keine Erklarung zu geben.
Zwei Tafeln aus der Galerie Thiem bewahrten sich in der Nachbar-
schaft des Lowener Abendmahls als echte Schopfungen des Dierick Bouts,
das kleine wundervoll erhaltene, aus Mailand stammende »Gastmahl bei
Simon « (39) und das mindergut erhaltene Bild mit dem Gekreuzigten,
Maria und Johannes — im Hintergrunde die Ttirme von Brlissel (40),
das ehemals zu Wien in der Sammlung Fr. Lippmann gewesen ist und
angeblich von Malta stammt Die Komposition des »Gastmahls bei
Simon « kommt mindestens in drei ahen Kopien vor (Brtigge; Brtissel,
Galerie; Pariser Privatbesitz). Mit noch groflerer Sicherheit als in
dieser Kreuzigung wurde die Formauffassung des Lowener Meisters
in demPortrat eines Mannes (38) aus der Galerie Oppenheim wiedererkannt,
das dieser Sammler so gliicklich war zusammen mit zwei anderen ausge-
zeichneten altniederlandischen Portrats vor einigen Jabren zu erwerben.
Das tadellos erhaltene Bildnis erinnert mit der hohen Kopfform, den
geradlinigen Ztigen an die Bildnisse der Gerechtigkeitstafeln in Brtissel
und gehort der letzten Zeit des Meisters an. Den Freunden der Berliner
Galerie war das Fragment mit dem anbetenden Joseph, das Heir Noll
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. 77
aus Frankfurt a. M. geliehen hatte (44), sehr interessant, insofern wie
es ein Rest jener Tafel ist, von der ein anderes Sttick, die Halbfigur
Mariae, sich in Berlin befindet. Der ausgestellte Teil ist nicht ganz so gut
erhalten wie das Berliner Fragment. Die Bestimmung auf Dierick Bouts
ist vor langer Zeit von Scheibler vor dem Berliner Bildchen getroffen
worden, namentlich wohl im Hinblick auf das zierliche Triptychon mit
der Anbetung der Konige in Munchen. Eine alte Kopie der ganzen Tafel
befindet sich im Berliner Privatbesitz.
Eine hochst interessante Darstellung des hi. Lukas und der
Madonna, in der Komposition angeregt durch die bertihmte Tafel
Rogers, ganz im Stil des Bouts, fand auf der Ausstellung viel Be-
achtung als eine neue Erscheinung. Das im Besitz des Lord Penrhyn
(115) befindliche Bild ist leider scharf geputzt und nicht im besten
Zustand. Die Landschaft und die Gestalt des Evangelisten sind des
Meisters wiirdig, wahrend die plumpen Gestalten der Gottesmutter und
des Kindes der Bestimmung zu widersprechen scheinen. Vielleicht
haben wir hier eine vergleichsweise frtihe Schopfung des Lowener
Meisters vor uns. Nur als frtihe Arbeiten in das »Werk« des Meisters
aufzunehmen waren auch die beiden kleinen Madonnenbilder aus dem
Besitz der Mrs. Stephenson Clarke (43. 54). Das bessere dieser Tafelchen
(43) zeigt eine Anordnung mit Garten und Baulichkeiten, wie sie die
hollandischen Maler des 15. Jahrh., aus deren Kreis Bouts hervorgegangen
ist, liebten. Die Halbfigur der Madonna aus dem Besitz des Grafen
Fr. Pourtales (269) weifl ich auch jetzt, wie bei Gelegenheit der Ber-
liner Renaissance-Ausstellung, nirgends besser als im »Werk« des Lowener
Meisters unterzubringen.
Der als » Meister der Himmelfahrt Mariae« seit einigen
Jahren in der kunstgeschichtlichen Literatur oft genannte Meister hangt
aufs engste mit Bouts zusammen, dessen Kompositionen er wiederholt,
dessen Formenbehandlung er nachahmt. Viel Eigenes hat er nicht zu
bieten. Die Hypothese, dafi wir in ihm den Sohn des Dierick Bouts,
Albert Bouts zu sehen hatten, ist leicht zu begrtinden. Von ihm war
das Doppelbild aus der Sammlung Crews, Moses vor dem brennenden
Busch und Gideon (41), eigentlich zwei Altarfltigel, die ungltlcklich zu-
sammengesetzt sind (von v. Tschudi auf der Burlington Fine Arts
Club -Ausstellung rich tig bestimmt) wiederzusehen. Zu seinen vorztig-
lichsten Arbeiten gehdren die beiden Altarfltigel mit Heiligen und
geistlichen Stiftern aus der Sammlung v. Kaufmann (141. 142).
Die haufig vorkommenden Brustbilder Christi und Mariae in
mehreren Varianten scheinen ganz besonddrs in Lowen beliebt gewesen
zm sein. Fast stets, auch in schwacheren und vergleichsweise spaten
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yg M. J. Friedlander:
Stiicken dieser Art ist der Stilzusammenhang mit Dterick Bouts detitlich,
wahrend iin 16. Jahrhundert das Vorbild des — aus Lowen stamm&riden
— Quinten Matsys mafigebend wird.
Die Brustbilder Christi und Mariae, die auf der Ausstellung zu
sehen waren, stelle ich hier zusammen, so weit sie den Stilcharakter
des 15. Jahrhunderts zeigten:
365 (van Speybrouck) Maria. Aus den Versteigerungen Clave' und
Haberthiir. Genau entsprechende Bilder im Louvre, in der Lon-
doner National Gallery (mit Christus als Gegenstiick), auf der Ver-
steigerung Westenberg (1902) und sonst. Alte Kopie nach
D. Bouts.
238 (de Somzde) Christus, ganz von vorn. Nachfolger des D. Bouts.
252. 253 (Vtc Ruflfo) Christus und Maria. Gegenstlicke. Meisterder
Himmelfahrt Mariae.
237 (Dr. Martius, Kiel) Christus. Meister der Himmelfahrt Mariae.
95 (Dr. Hofstede de Groot, Haag) Christus und Maria, auf einer Tafel
nebeneinander. Der Kopf Christi restauriert. Meister der
Himmelfahrt Mariae.
239 (Peyralbe, Brtissel) Christus. Schwache Nachahmung des
typischen Lowener Vorbildes.
248 (Bequet, Namur) Christus. Ziemlich schwache Nachahmung
des typischen Lowener Vorbildes.
193. 194 (S. Gilles, Brugge) Christus und Maria. Gegenstiick e. Stil
des Meisters von S. Sang, urn 1510 (s. unten).
Die Nachwirkung des Dierick Bouts war — von dessen Brust-
bildern Christi und Mariae abgesehen — nicht stark ftihlbar unter den
ausgestellten Werken. Am ehesten von seiner Typik beherrscht schien
mir die um 1490 entstandene Darstellung des Pfingstfestes (53, Briigger
Privatbesitz).
Die grofie Kunst des Hugo van der Goes war auf der Aus-
stellung durch den „Marientodu aus der Brtigger Akademie vertreten
(5 1). Man schien endlich die von der deutschen Kunstforschung schon vor
Jahrzehnten vorgeschlagene Zuschreibung anzuerkennen, wahrend noch
immer die sonderbare Behauptung wiederholt wurde, die Tafel sei
schlecht erhalten. Sie ist in Wahrheit ungewohnlich gut erhalten, und
die auffallig ktihle, blauliche Tonung, die etwas scharfen Farbenkontraste,
hier ungemildert und nicht verfalscht durch warm tonenden Firnifi, sind
dem Meister . eigentumlich. In der dramatischen Lebhaftigkeit, der
Tiefe des Ausdrucks, der Mannigfaltigkeit der Gesten, in der Meister-
schaft der Zeichnung, im Verstandnis des Korperbaues stent dieses
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Die Briigger Leihausstellung von 1902. 70
Bild vielleicht unter alien altniederlandischen Werken an erster Stelle.
Bei weitem nicht so charakteristisch, weder in den Typen noch in der
Farbung, scheint mir der kleine Fliigelaltar mit der Anbetung der
Konige, den der Furst Liechtenstein geliehen hatte (52), ein iiberaus
kostliches, emailartig funkelndes Werk, dessen Komposition in eigentlim-
licher Art durch die engen Raumverhaltnisse beschrankt ist.
Schliefilich ist das Stifterpaar in dem Hippolytus- Altar des Dierick
Bouts von van der Goes! Diese hochst merkwiirdige Tatsache, dievor Jahren
schon v. Tschudi bemerkt hatte, wurde unter den gtinstigen Beobachtungs-
verhaltnissen deutlich. Die in defer schwarzlich violetter Tonung des
Kostiims, mit weifilichem Teint, ungemein eindrucksvoll im Umrifi
und koloristisch reizvoll im Gegensatz zu dem hellen Grtin der Land-
schaft sich heraushebenden Stifterrlguren lassen die — in diesem Falle
besonders schwachliche — Leistung des Lowener Meisters weit hinter
sich. Von Goes (nicht von Bouts) ist audi die einfarbige Heiligenfigur
auf der Riickseite des Stifterfliigels. Wahrscheinlich hinterliefi Bouts
den Altar unvollendet bei seinem Tode, im Jahre 1475, unc^ Goes
fiihrte den Auftrag zu Ende. So ware ein Datum fur das Werk des
einen und des anderen Meisters gewonnen.
Das aus der Spitzer-Sammlung stammende Tafelchen mit der
Halbfigur der Gottesmutter, das jetzt Frau O. Hainauer gehort (107),
hat in der Zeichnung, namentlich der Hande, vieles, was an van der
Goes erinnert, ist fur den Meister selbst aber zu gering.
Eine sehr haufig, zumeist in sehr geringwertigen Wiederholungen
vorkommendes Brustbild der Kreuzabnahme, das in Brugge durch ein
Exemplar aus der Galerie von Tournay (388) vertreten war, geht auf
Hugo van der Goes zurtick, wovon man sich vor den besten Exemplaren,
z. B. in Neapel, leicht uberzeugen kann.
Ein ttichtiger Meister, der vor 1470 tatig war und in den Typen
etwas an Hugo van der Goes erinnert, hat derb aber ernst und grofi-
ziigig die Tafel mit einem Donator (angeblich Hieronymus de Busleyden)
und dem hi. Hieronymus (10 1; F. P. Morrell, London) gemalt, vielleicht
derselbe Meister, von dem die schwere Halbfigur des Jacobus maior
99; Vincent Bareel, Cappellen) herriihrt.
Hier sei des Gerard van der Meire gedacht, von dessen Tatig-
keit wir keinerlei Vorstellung haben. Die verschiedenen Stticke, die
diesem Meister in Belgien zugeschrieben werden, sind von verschiedenen
Meistem, und keines davon ist nachweislich ein Werk Gerards. Das
vichtige Bild, das unter diesem geheimnisvollen Namen gezeigt wird,
dit breite, sehr bedeutende, urn 1460 entstandene Tafel in S. Bavo zu
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80 M- J. Friedlftnder:
Gent, war nicht auf der Brtigger Ausstellung, wo ich auch vergeblich
nach einer Arbeit derselben Hand gesucht habe.
Dagegen war auf der Ausstellung die predellenartige Darstellung
der Einnahme Jerusalems (119; de Ruyck, Gent), die frliher ofters dem
van der Meire zugeschrieben und als Predelle des Triptychons in S.
Bavo betrachtet worden ist. Nach Weale stammt diese namentlich
kulturhistorisch bemerkenswerte Tafel aus einer Kapelle in der Krypta
der Genter Kathedrale. Wie dem auch sei, im Stilcharakter hat sie
mit dem Triptychon nichts zu tun und erscheint um ein Menschenalter
j finger.
Ein ganz anders gearteter Maler, ein wesentlich kopierender
unerfreulicher Brtigger, hat die breite Tafel mit Passionsdarstellungen
geschaffen, die zu S. Sauveur in Brtigge traditionell Gerard van der
Meire genannt wird. Das Datum » 1500s auf dem Rahmen ist
glaubhaft. Der Maler hat dem grofien Altar des Fle*malle-Meisters
bekanntlich mehrere Figuren entnommen (s. oben). Von der Hand
dieses Malers, den man den Brtigger Meister von 1500 nennen
konnte, besitzt die National Gallery zu London eine sehr genau, aber
sehr trocken, mit Anlehnung an Schongauer, ausgeftihrte Ecce homo-
Darstellung, und der Prado ein Bild mit dem Eselswunder des hi.
Antonius.
Endlich stehen im Museum zu Antwerpen mehrere Tafeln, dem
Gerard van der Meire zugeschrieben, die von einem liebenswtirdigen,
ziemlich fruchtbaren Meister herruhren, der um 15 10 tatig, auf der
Ausstellung durch ein Triptychon mit der Anbetung der Kdnige (327;
G. Donaldson »Margarete van Eyckt s. oben) vertreten war. Ein Haupt-
werk dieses Malers, dessen Figuren etwas steif, dessen Landschaft be-
sonders htibsch zu sein pflegt, befindet sich in der Sammlung des Chev.
Mayer van den Bergh zu Antwerpen, eine Anbetung der Kdnige. Sonst
kenne ich noch mehr als 10 Bilder von seiner Hand.
Memling war tiberaus reich vertreten. Die Werke aus dem Jo-
hanneshospital gaben mit ihren Daten ein festes Geriist Die tiberallher
geliehenen Tafeln fiigten sich ein, sodafi eine lange vielgliedrige und
ununterbrochene Vorstellungskette geboten wurde. Im allgemeinen war
das Ergebnis der Studien bei dieser einzigen Gelegenheit erfreulich
positiv. Die allermeisten Bestimmungen wurden bestatigt Ich reihe
die Bilder Memlings auf, den Nummern des Kataloges folgend:
16 (Baron Oppenheim) Bildnis eines alten Mannes. Besonders feines
Portrat aus der Frtibzeit Memlings, nahe verwandt dem Bildnis
des alten Mannes in Berlin. Nicht ganz tadellos erhalten. Nament-
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Die Brttgger Lcihausstellung von 1902. Si
lich die Hande htichst charakteristisch. Sonderbarerweise als ein
Werk des Jan van Eyck ausgestellt
55 (Antwerpen) Portrat des Medailleurs Spinelli (geb. 1430). Nach dem
Alter des Dargestellten wahrscheinlich bald nach 1470 ent-
standen.
56 (Duke of Devonshire) Der Fltigelaltar mit der Madonna und
Heiligen, gestiftet von Sir John Donne. Wie Weale nachgewiesen
hat, vermutlich 1468 entstanden.
57, 58 (Leopold Goldschmidt, Paris) Die Bildnisse des Thomas Por-
tinari und seiner Gemahlin. Die erst kiirzlich im Florentiner Kunst-
handel aufgetauchten Tafeln leiden unter einem sehr schweren und
gelben Firnifi. Der Zustand unter dem Firnifi ist etwas unklar und
keineswegs einwandfrei, besonders der dunkle Hintergrund in dem
Bildnis des Mannes ist verdachtig. Entstanden um 1475, etwa
gleichzeitig mit dem Altar der Portinari, dem Meisterwerk des
Hugo van der Goes.
59 (Brtigge, Hospital) Der grofie Altar mit der Madonna und Heiligen.
Das Datum auf dem Rahmen, 1479, *st nicht durchaus zuver-
lassig, aber wohl glaubhaft Die Malerei ist stellenweise stark be-
schadigt und sehr mangelhaft restauriert Arge Retuschen storen
namentlich im Mittelfelde und auf der Aufienseite. Am besten
erhalten ist die Innenseite des linken Fltigels.
60 (Brtigge, Hospital) Der Floreins- Altar, inschriftlich beglaubigt
und datiert 1479 au^ dem Originalrahmen. Vollkommen erhalten
und von hochster Feinheit
61 (Brtigge, Hospital) Der Fltigelaltar mit der Beweinung Christi, ge-
stiftet von Adriaen Reyns, datiert 1480. Frtiher ofters ganz mit
Unrecht bezweifelt
62 (Brtigge, Hospital) Die Sibylle Sambetha, die portratierte junge
Frau ist durch spatere Aufschrift zur Sibylle gemacht worden.
Glaubhaft datiert 1480.
63 (Leopold Goldschmidt) Madonna mit weiblichen Heiligen. Schon
auf der Londoner Leihausstellung in der New Gallery, damals
ausgestellt von Mr. Bodley, allgemein anerkannt Schwache
Kopie danach in der venezianischen Akademie. Unter gelbem
Firnifi nicht tadellos erhalten. Dem Stil nach um 1480 entstanden.
64, 65 (Bnissel) Die Bildnisse des Willem Moreel und seiner Gattin.
Nach dem Alter des Dargestellten, der 1484 in dem Altar des
stadtischen Museums zu Brtigge (66). dargestellt ist, wahrscheinlich
noch etwas vor 1480 entstanden.'
Kepertorium fOr Kftnstwiasenschaft, XXVI. 6
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82 M. J. Friedl&nder:
66 (Brtigge, Stadtisches Museum) Der grofie, von Moreel gestiftete
Altar von 1484.
67 (Brugge, Hospital) Das Doppelbild der Madonna und des Martin
van Nieuwenhove. Datiert 1487.
68 (BrUgge, Hospital) Der Ursula-Schrein. Das oft angegebene Datum
301489V bezeichnet die Entstehungszeit dieses Werkes nicht mit
Sicherheit, darf vielmehr nur als terminus ante quern betrachtet werden.
Der Stil pafit aber sehr wohl zu diesem spaten Termin. Die Er-
haltung ist leider nicht vollkommen; einige Tafeln sind ein wenig
verrieben.
69 (Brtissel) Martyrium des hi. Sebastian. Unter stark vergilbtem
Firnifi. Dem Stil nach bald nach 1470 entstanden.
70 (Baron Oppenheim) Portrat eines jungeren Mannes. Um 1470
entstanden.
71 (Nardus, Paris) Bildnis einer alten Frau. Gegensttick zu dem
Portrat des alten Mannes in Berlin. Aus der Sammlung Meazza
in Mailand. Besonders fein empfundene Schopfung aus der Zeit
vor 1470.
72 (Ftirst Liechtenstein) Madonna in Halbfigur. Die Tafel stellt ur-
sprtinglich wohl die Madonna in ganzer Figur dar und ist nur
fragmentarisch erhalten. Aus mittlerer Zeit, von 1480 etwa.
73 (Haag, Mauri tshuis) Bildnis eines Mannes. Hochst ausdrucksvoll.
Aus mittlerer Zeit
74, 75 (Hermannstadt, Gymnasium) Stifterbildnis eines Mannes mit
seinem Sohne. Bildnis der Gattin des Stifters. Ausschnitte aus
den Fltigeln eines Triptychons, auf denen die Stifter mit Heiligen
dargestellt war en. Der Grund stark iibermalt Bald nach 1480
dem Stil nach entstanden.
76 (Brocklebank, London) Fragment aus einer grofien Tafel mit der
Eccehomo-Darstellung. Der stark (ibermalte Rest einer sehr be-
deutenden Schopfung Memlings. Die wenigen erhaltenen Partien,
namentlich der Kopf des Soldaten zu aufierst rechts, und die erste
Hand vom linken Rande lassen die Art und die Qualitat des
Meisters deutlich genug erkennen. Das interessante Sttick war in
der New Gallery in London als „Massysa ausgestellt,
77 (G. Salting, London) Bildnis eines jungen Mannes. Aus der Samm-
lung Felix. Die feingliedrigen Hande erinnern ein wenig an Roger.
Dennoch glaube ich nicht, dafl dieses sehr zarte und liebenswlirdige
Bild eine besonders frtihe Arbeit Memlings ist Es scheint nach
1470 entstanden zu sein.
78 (A. Thiem) Madonna mit einem Engel. Die reizende, nicht tadellos
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. 83
erhaltene Tafel tauchte vor wenigen Jahren im Privatbesitz zu
Mailand auf. Der steinerne Thron erinnert in den Dekorations-
fonnen an denjenigen auf der grofien Madonnentafel des Louvre,
die der Spatzeit des Meisters angehdrt Unser Bild erscheint ein
wenig altertllmlicher.
79 (Worlitz) Madonna mit zwei Engeln. Diese Tafel ist eine der
wenigen aus der Reihe der unter sich nah verwandten Madonnen-
bilder, die mich ein wenig befremdet Die schwachliche Haltung
wird vielleicht durch spate Entstehungszeit allein nicht ausreichend
erklart. In der Komposition dem bekannten Bilde in Florenz ent-
sprechend, ist das Wdrlitzer doch durchaus keine Kopie nach
jener Tafel.
80 (Clemens, Mtinchen) Die Geburt Christi. Das Tafelchen, das
aus Spanien stammt, wurde schon auf der Miinchener Leihaus-
stellung 1 90 1 als ein feines Werk Memlings begriifit Die seitdem
vorgenommene Reinigung hat den Reiz erhoht Vor 1470 ent-
standen,
81 (Furst Liechtenstein) Madonna mit dem hi. Antonius und dem Stifter.
Das Datum 1472 ist unecht, vielleicht aber beach tenswert und
glaubhaft, da die Zahl von dem verlorenen Originalrahmen abge-
schrieben sein konnte. Schon das Kosttim des Stifters zeigt, dafi
wir es in der Tat mit einer ziemlich frtihen Arbeit des Meisters
zu tun haben.
82 (Stephenson Clarke) Madonna mit zwei Engeln. Ganz und gar
liber malt, aber an einzelnen Partien mit Sicherheit als Original
Memlings zu erkennen.
83 (Baron L. Bdthune) Madonna mit musizierenden Engeln. Sorgfaltige
und genaue Schulkopie der Nieuwenhove-Madonna; drei Engel
recht ungeschickt hinzugefiigt.
84 (Antwerpen) Das grofie Triptychon von Najera/" das vor einigen
Jahren ftir das Antwerpener Museum erworben worden ist Wahr-
scheinlich fiir Spanien, in ungewohnt grofien Verhaltnissen von
Memling ausgeftihrt und nicht besonders gut erhalten. Die laut
gewordenen Zweifel sind ganz unberechtigt Aus den 80 er Jahren
des 15. Jahrhunderts.
85 (Ftirst Radziwill) Die Verktlndigung. Die Tafel von hochst eigen-
artiger Komposition und besonderer Feinheit in Empfindung und
Durchftihrung wurde von Waagen als ein von 1482 datiertes Werk
in die kunstgeschichtliche Literatur eingeflihrt Jetzt ist von dem
Datum nichts zu sehen. Vielleicht stand die Zahl auf dem ver-
6*
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84 M. J. Friedlftnder:
lorenen Originalrahmen. Der reife Stil des Bildes entspricht wohl
dem Datum 1482.
86 (Bachhofen, Basel) Der hi. Hieronymus. Aus der Sammlung Schubart
Teilweise schlecht erhalten und nicht besonders glticklich in der
Anordnung, aber echt, aus der mittleren Periode.
91 (Fttrst Doria, Rom) Beweinung Christi. Nicht in alien Teilen gut
erhalten und unter trubem Firnifl. Nach 1480 entstanden, spater
als die entsprechende Komposition in Brugge (61) und wesentlich
spater als der Fltigelaltar mit der Beweinung Christi bei Herrn
v. Kaufmann in Berlin (92).
92 (v. Kaufmann, Berlin) Fltigelaltar mit der Beweinung Christi und den
Heiligen Jacobus und Christoph auf den Fltigeln. Aus der Samm-
lung Heath. Aus der fruheren Zeit des Meisters, von 1470 etwa.
in (Pacully, Paris) Die Einkleidung des hi. Ildefonsius durch die Ma-
donna. Diese aus Spanien stammende Tafel scheint das Werk
eines vortrefflichen Nachfolgers Memlings zu sein.
140 (Earl of Northbrook) Madonna in Halbfigur. Von einem tuchtigen
wesentlich kopierenden Nachfolger Memlings.
176 (Straflburg i. E.) Sechs Tafel chen: Gottvater mit Engeln. Die
Holle. Der Tod. Ein Totenschadel. Die Eitelkeit, eine nackte
Frau mit Spiegel. Das Wappen des Stifters. — Vortreffliche und
besonders tief gefarbte Arbeit aus der Spatzeit des Meisters,
Das Htindchen, das neben der nackten Frau steht, scheint dasselbe
Tier zu sein, das bei der Donatrix in Hermanstadt zu sehen ist.
Diese Bilderfolge stammt aus Italien und ist wahrscheinlich ftir
einen Italiener ausgefUhrt worden.
215 (Sommier, Paris) Madonna in Halbfigur. Von einem tllchtigen un-
mittelbaren Nachahmer Memlings, vielleicht demselben, von dem
die unter No. 140 notierte Tafel.
Mit dieser Liste ist die Zahl der Werke erschdpft, die den Stil-
charakter Memlings in deutlicher Auspragung zeigen.
Zwei relativ schwache, allem Anschein nach in Brugge zwischen
1470 und 1490 tatige Meister traten auf der Ausstellung deutlich hervor.
Diese Kunstgenossen und Landsleute Memlings teilen manche Eigen-
schaften mit dem grofien Meister, sie sind namenlos, und ich bin ge-
zwungen, sie je nach einem Hauptwerke zu benennen. Das bekannte
Breitbild der Biiisseler Galerie (114, nach Weale 1489 entstanden), die
Madonna mit 1 1 weiblichen Heiligen, schwankend und unselbstandig in
der Typenbildung, hell und ntichtern in der Farbung, riihrt von dem
Maler her, der die Legende der hi. Lucia auf einer langlichen Tafel in
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. gt
drei Abteilungen (50, S. Jacques, Brugge) geschildert hat. Diesen
Maler, der sich an Rogers und Memlings Vorbild halt, der steife
Bewegungen und schlanke Figuren liebt, kdnnten wir »Brtigger
Meister von 14804c — diese Jahreszahl steht auf dem Bilde der Lucia-
Legende — nennen. Der Turm von Notre Dame zu Brugge ist
in diesem Sttick und auch in zwei anderen Arbeiten des Meisters
zu sehen, namlich in dem Altarbild mit der hi. Katharina im museo
civico zu Pisa (hier ist nur der mittlere Teil von seiner Hand) und
in dem sehr schwachen Madonnenbilde, das auch der Versteigerung
Fondi (Rom I89S) vorkam.
Weit reicher ist das »Werk« des ebenfalls sicher in Briigge und
etwa gleichzeitig tatigen Meisters, dessen am meisten hervortretende
Schopfung die 8teilige Schilderung der Ursula-Legende bei den soeurs
noires zu Briigge ist (46. 47). Man hat diese etwas unbeholfenen aber
freundlichen Tafelchen, die eher noch in den 7oer als in den 80 er
Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden sind, namentlich im Hinblick
auf Memlings Ursula-Schrein beachtet und ganz mit Recht hier eine
frahere Briigger Gestaltung der reichen Historie begrtifit. Nichtsdesto-
weniger ist der Meister dieser Tafeln in seiner Gesamtwirksamkeit wohl
ton Memling angeregt Die Figuren der Kirche und Synagoge ge-
horen offenbar zu demselben Altar wie die Fltigel tafeln, die auf
der Vorderseite je 4 Szenen aus der Legende der hi. Ursula und
auf der Rtickseite 4 Evangelisten und 4 Kirchenvater zeigen. Dieser
Meister ist besonders kenntlich an dem weifllichen Fleischton, dem
rotlichen Haar und den schwarzen Augen seiner weiblichen Gestalten,
er liebt ziemlich niedrige Proportionen und grofie Ktfpfe. Auf
der Ausstellung war von derselben Hand die Halbfigur der Ma-
donna mit zwei Engeln, die die Krone tragen, aus dem Aachener
Museum (173), und ein in jeder Beziehung dieser Tafel nah verwandtes
Werk ist die hiibsche Madonna, die Herr Steinmeyer in Koln besessen
hat (jetzt bei Mr. Nardus in Paris) und die ktirzlich in der Zeitschrift
fur christliche Kunst publiziert worden ist Ein ausgezeichnetes Haupt-
werk dieses »Meisters der Ursula-Legende« ist die Altartafel bei
Herrn Geheimrat v. Kaufmann in Berlin mit Anna-Selbdritt und
4 Heiligen in ganzer Figur. Ich kenne aufier anderen Tafeln ein
Triptychon dieses Malers aus dem Besitz des Duca di Parma und ein
von i486 datiertes Diptychon bei Fairfax Murray in London. Die
interessante, grau in grau gemalte Folge der Grafen von Flandern
(aus der Bibliothek der Abtei von Dunes, jetzt im Seminar zu
Brugge, 408 — 413)* datiert von 1480, erinnert an die Werke des
Meisters der Ursula-Legende.
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86 M. J. Friedlandcr :
Als eine Schopfung der Brtigger Kunst, die keinen deutlich wahr-
nehmbaren Zusammenhang mit einer der bekannten Person lichkei ten
zeigt, verzeichne ich hier das ofters in ganz anderem Zusammenhang
erwahnte Triptychon aus Sigmaringen (49), das ein auffallig friihes
Datum — 1473 — tragt und ebendeshalb historisch beach tenswert
erscheint. Der bedeutende Meister dieses vom Btirgermeister de Witte
gestifteten Altarchens erscheint nicht wie ein Schtiler Memlings, eher
wie ein Mitschtiler Memlings bei Roger van der Weyden.
Den Fltigelaltar mit dem Abendmahl Christi im Mittelfelde aus
dem Seminar zu Brugge (42) betrachte ich als Arbeit eines Briigger
Meisters aus keinem bessern Grunde, als weil die Provenienz dafiir
spricht Die in den 60 er oder 70 er Jahren des 15. Jahrhunderts ent-
standene Malerei erinnert mit den scharf markierten Typen an eine
Darreichung Christi im Tempel im Bargello zu Florenz. Der Schul-
zusammenhang mit Roger ist hier wie dort nicht zu tibersehen. Kein
Schlufi aus der Provenienz kann in Hinsicht auf das erheblich feinere
Bild mit zwei Darstellungen unbekannten Inhalts gezogen werden, das
in der Kapelle von S. Sang zu Brtigge bewahrt, dorthin erst im 19.
Jahrhundert gekommen sein soil (45). Der Stil des tibel zugerichteten,
um 1470 entstandenen Gemaldes gestattet mir keine nahere Bestimmung.
Ein unbekannter, nicht sehr bedeutender, aber ziemlich selb-
standiger Brtigger Meister hat kurz vor 1500 die beiden • Fltigel mit
Szenen aus der Legende des hi. Georg gemalt, die sich im stadt
Museum von Brugge befinden (370. 370b).
Die Entwickelung der Brtigger Malerei weiter verfolgend, reihe
ich katalogartig die Werke auf, die als Schopfungen Gerard Davids
auf der Ausstellung zu erkennen waren. Die Wandlungen im Stil
dieses Meisters sind weit merkwtirdiger und iiberraschender als die
Stilwandlungen in Memlings Kunst Eine ltickenlose Kette bot die
Ausstellung nicht, sodafi ich auf verschiedene Zwischenglieder, die
fehlten, hinweisen mufi. Gerard David war bereits 1484 Meister in
Brtigge, wahrend die Brtigger Gerechtigkeitsbilder, von 1498 datiert und
die bertihmten, allgemein anerkannten Hauptwerke noch weit spater
entstanden sind ! Er starb erst 1524.
117. (Notre Dame, Brtigge) Die Transfiguration. Matte und lahme
Arbeit aus der letzten Zeit des Meisters, sehr hell und kuhl gefarbt.
121. 122 (Brtigge, stadt. Museum). Die besten Tafeln mit der Ge-
schichte des Sisamnes aus dem Brtigger Stadthaus. Datiert 1498.
Mit den etwas unklaren urkundlichen Nachrichten allein liefie sich
schwerlich beweisen, dafi diese Tafeln von David herrtihren. Die
t
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Die Brliggcr Leihausstcllung von 1902. 8y
stilkritische Betrachtung, die Vergleichung mit den anderen be-
glaubigten Schopfungen des Meisters, im Verein mit den urkund-
lichen Nachrichten schlagt jeden Zweifel nieder. Gut erhalten
unter triibem und ungleichem Firnifi.
123 (Brugge, stadt. Museum) Fltigelaltar mit der Taufe Christi im
Mittelfelde, gestiftet von Jan des Trompes, datierbar nach den
von Weale festgestellten Lebensdaten der dargestellten Frauen des
Stifters. Die Innenseite kurz vor 1502, die Auflenseite um 1508.
124 (Rouen, Museum) Die Madonna inmitten weiblicher Heiligen.
We Weale festgestellt hat, authentisch und 1509 entstanden.
Tadellos erhalten.
125 (De Somzee, Briissel) Dreiteiliger Altar mit Anna Selbdritt, Nikolaus
und Antonius von Padua. Aus den hierzu gehorigen erzahlenden
Tafeln wurde eine „chasseu fabriziert, die ganz kurzlich wieder
auseinandergenommen worden ist Die kleinen Tafeln sind in den
Besitz der Lady Wantage iibergegangen. Aus der Sammlung des
Kardinals A. Despuyg vor 8 Jahren etwa nach Paris gebracht, ist
dieser tibermaflig grofie Altar wahrscheinlich urspriinglich ftir die
iberische Halbinsel geschaffen worden und nimmt im „Werka
Davids etwa die Stellung ein, die der Altar von Najera in
Mendings „Werk" einnimmt. Aus der spateren Zeit des Meisters,
bald nach 15 10.
128. 128 bis (Sigmaringen) Die Verktindigung. Der alte Firnifi ist von
diesen Tafeln etwas zu energisch entfernt worden, sonst sind sie
gut erhalten. Um 1 5 1 o.
134. 134 bis (v. Kaufmann) Johannes d. T. und der hi. Franciscus.
Die beiden kleinen Tafeln habe ich schon des ofteren als feine und
charakteristische Werke aus der fruheren Zeit Gerard Davids
erwahnt Aus den 9oer Jahren des 15. Jahrhunderts.
135 (Briissel) Die Anbetung der K6nige. Stellenweise schlecht erhalten.
Vor langer Zeit schon im Hinblick auf die Gerechtigkeitsbilder in
Brugge von Scheibler bestimmt, trotzdem als „inconnua auf der
Ausstellung. Oft kopiert Um 1500 entstanden.
x38 (J* Simon, Berlin) 4 Tafelchen von einem Altar, die Heiligen
Franciscus, Hieronymus, Christoph und Antonius. Charakteristische
Arbeit aus der mittleren Zeit des Meisters.
149 (Baron Schickler, Paris) Lunette mit Gottvater und zwei Engeln.
Tadellos erhaltenes Meisterwerk Davids, aus der mittleren Zeit.
172 (De Somzde) Der hi. Hieronymus. Gut erhaltene und fein emp-
fundene Arbeit aus der frtiheren Zeit des Meisters.
209 (Strafiburg i. E.) Madonna in Halbfigur. Auf der Versteigerung
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88 M. J. Friedlftnder:
Hulot zu Paris erworben. Von Holz. auf Leinwand iibertragens
Variante der Komposition des in der Galerie Brignole Sale zu
Genua bewahrten Bildes, von dem die Brllsseler Galerie kilrzlich
eine genaue Wiederholung erworben hat Die Variierung besteht
fast nur darin, dafi der Kopf des Kindes gedreht und gehoben ist
Gute Ausftihrung im Stil der Spatzeit Davids.
2 1 8 (Pacully, Paris) Maria, den toten Christus beklagend. Aus Spanien
erworben. Eng begrenzte Komposition; die Kopfe Mariae und
Christi dicht beieinander auf relativ kleiner quadratischer Flache.
Aus der mittleren Zeit des Meisters.
268 (Baron Be'thune, Briissel) Die Madonna in Halbfigur, auf runder
Flache. Etwas ungewohnlich im Typus der Madonna. Aus der
Frtihzeit des Meisters.
343 (Martin Le Roy, Paris) Die heilige Familie. Eng umgrenzte
Komposition, mit relativ grofien Kopfen auf beschrankter Flache.
Gerard David liebte die Konzentration der Wirkung mit solchen
Mitteln zu erreichen. Vortreffliches Werk aus der Spatzeit Davids.
Genaue und gute Wiederholungen bei Herrn Clemens in MUnchen
und in Schleifiheim.
Bekanntlich gibt es eine grofle Zahl vortrefflicher Buch-
malereien, die sich unmittelbar an die schematisierende Gestaltung
Gerard Davids anschliefien. Weale hat versucht, in der Wasserfarben-
malerei, die Willett in Brighton besessen hat, und die von P. und D.
Colnaghi in Brligge ausgestellt war (130), eine Arbeit der Gattin Gerard
Davids, der Cornelia Cnoop, nachzuweisen. Aus drei Buchmalereien,
deren Stil nahe Verwandtschaft mit einigen Blattern des Kodex Grimani
zeigt, hat man ein Fltigelaltarchen hergestellt — die Madonna in der
Mitte, die Heiligen Barbara und Katharina rechts und links. Die
Bestimmung sttitzt sich auf eine Inschrift, die nicht mehr vorhanden ist
Fast noch enger an Gerard David scbliefien sich die beiden be-
kannten Miniaturmalereien an, die ebenso wie die drei der Cornelia
Cnoop zugeschriebenen Blatter aus der Abtei von Dunes stammen, jetzt
im stadtischen Museum von Brugge bewahrt werden, die Predigt des
Taufers und die Taufe Christi (129). Eine Schrift auf der Riickseite
dieser hubschen Bildchen, eine Schrift, die nach Weale noch aus dem
16. Jahrhundert stammt, nennt als den Meister »Geeraert van
Brugghe*.
Ein guter Miniaturmaler der Briigger Schule, der sich durchaus
an Davids Vorbild halt, hat um 1520 die Anbetung der Konige auf
feiner Leinwand mit Wasserfarben gemalt, die die Erben de Somze'es
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. gq
ausgestellt hatten (246), wahrend die mittelmaflige Aquarellmalerei
do- Herabkunft des hi. Geistes (Alfred de Pass, London; 131) weit
weniger deutlich mit dieser stark und lange wirkenden S til tradition zu-
sammenhangt
Der bei weitem fruchtbarste Nachfolger Gerard Davids ist jener
in Brugge etwa zwischen 1510 und 1540 tatige, erfindungsarme, aber
liebenswtirdige Maler, den Waagen ganz irrttimlich auf Grund verschie-
dener Miflverstandnisse fur Jan Mostaert, den in Haarlem tatigen
Meister, von dem van Mander ziemlich ausfiihrlich spricht, gehalten hat.
Freilich sind manche von Waagen diesem Meister zugesprochene Arbeiten
nicht einmal vom Pseudo-Mostaert, wahrend andererseits sein
>Werk« weit grdfier ist, als Waagen ahnte. Hulin hat die Hypothese
aufgestellt, dafl wir hier den als Schtiler Davids urkundlich bezeugten
Adriaen Ysenbrant vor uns hatten. In der Typik und dem Falten-
nirf eng verwandt mit seinem Lehrer Gerard David, ist dieser Maler
lcicht kenntlich an seinem Kolorit, das ubertrieben warm, braunlich ist
und als herrschende Lokalfarbe fast stets ein schones leuchtendes Rot
bat Die Landschaft in den Bildern des Pseudo-Mostaert ist manchmal
ganz in der Art Davids, wohl vielfach kopiert nach diesem Meister,
haufiger aber recht originell und an eigentiimlichen schrag in den Boden
gcsteckten Felskorpern kenntlich. Die Brtigger Meister gegen die Mitte
des 16. Jahrhunderts ahmen den Pseudo-Mostaert vielfach nach, so-
dafi es zuweilen schwer wird, seine Arbeit abzugrenzen. Ich zahle die
in Brugge ausgestellten Bilder in der Reihenfolge auf, dafi ich die
besten Arbeiten voranstelle.
178. 179 (Brugge, Notre Dame und Brtissel, kgl. Museum) Maria, um-
geben von sieben Darstellungen ihrer Schmerzen — Die Stiftertafel
des Joris van de Velde, deren Zusammengefhorigkeit mit dem be-
ruhmten Briigger Bild Hulin erkannt hat. Entstanden nach den
Lebensdaten der Stifter zwischen 1528 und 1535 unter der Vor-
aussetzung, dafl das Diptychon nach dem Tode v. d. Veldes von
der Witwe gestiftet worden sei. Der Meister wird nach diesem Werke
*maitre de Notre Dame des sept douleurs« genannt. Vieles in den
Kompositionen ist kopiert Dtirer und Schongauer werden nachst
Gerard David von diesem Meister am haufigsten beraubt Die
Ausiiihmng der Brtigger Tafel ist von grofler Feinheit, wahrend die
Portrattafel verhaltnismaflig schwach ist und von charakteristischer
Ungeschicklichkeit in der Anordnung. Im allgemeinen sind die kleinen
Bilder des Pseudo-Mostaert weit reizender und erfreulicher als die
grofieren.
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go M» J- Friedlandcr:
182 (De Somzee) Magdalena in der Wttste. Besonders hiibsche und
tadellos erhaltene Arbeit des Meisters.
152 (Earl of Northbrook) Die thronende Madonna. Zart und sehr ge-
fallig. Die Architektur mit den vielen Widderkopfen ist typisch
und ganz ahnlich wie in der Brtigger Haupttafel, die etwas spater
entstanden zu sein scheint
1 5 1 (Earl of Northbrook) Maria, dem hi. Ildefonso erscheinend. Feine
und charakteristische Schopfung. Die hiibsche Komposition ist
wahrscheinlich endehnt
145 (Graf Arco, Mtinchen) Maria inmitten weiblicher Heiligen. Die
Komposition geht auf Gerard David zuriick, an den auch die land-
schaftlichen Formen erinnern (Vergl. meinen Bericht liber die
Munchener Leihausstellung von 1901, Repert XXIV, 323).
180 (v. Kaufmann) Zwei Fltigel mit Stifterfamilie, dem hi. Johanne sund
der hi. Barbara. Dieselbe Familie in der Tafel, die der Earl of
Northbrook besitzt (183).
183 (Earl of Northbrook, nicht in der alten Baring-Gal erie, sondern neuer-
dings im Londoner Kunsthandel erworben) Die thronende Madonna
mit Stifterfamilie. Etwas schwere und rauhe Behandlung. Der
Kopf Mariae restauriert und etwas fremdartig. (Vergl. 180 und
meinen Text im Werk tiber die Berliner Renaissance-Ausstellung
von 1898).
187 (P. D. Colnaghi) Der hi. Lukas. Tlichtige Arbeit des Meisters.
185 (Ch. Sedelmayer, Paris) Drei Heilige und Christus am Kreuze im
Mittelgrunde. Auffallend schwarzlich, aber sonst mit alien Eigen-
ttimlichkeiten des Meisters. Die Gruppe des Gekreuzigten und der
Trauernden fast genau libereinstimmend mit der entsprechenden
Darstellung in der Tafel mit den sieben Schmerzen in Brtigge (178).
188 (Fiirst Doria, Rom) Halbfigur der lesenden Magdalena. Der Maler,
der ja fast stets kopiert, hat in diesem Fall ein Bild des Halb-
figuren-Meisters zum Muster genommen. Man darf aber daraus
keinen Anlafi nehmen, die beiden Personlichkeit, die sich deutlich
von einander unterscheiden, zu verwechseln. Das Vorbild hat hier
nicht nur die Haltung der Figur, sondern auch die Kopfform und
die Form der Hand alteriert
93 (De Somzee) Zwei Fltigel mit Hieronymus und Johannes dem
Taufer. Sehr charakteristisch, wahrscheinlich besonders frtihe Arbeit
des Pseudo-Mostaert, mit auffallend hohen Propositionen und relativ
grofien und ernsten Kopfen.
177 (Lotmar, Zurich) Kleiner Fltigelaltar mit der Madonna im Mittel-
felde. Ziemlich schwache und formlose Arbeit des Meisters.
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Die BrUgger LeihAU.sstellung von 1902. ql
(Vergl. meinen Bericht tiber die Munchener Lehrausstellung 1901
Repert XXIV, 323).
184 (Briigge, S. Sauveur) Fltigelaltar mit der Darbringung Christi im
Tempel. Wichtig als friihe Arbeit des Pseudo-Mostaert, um 15 10
etwa entstanden. Die von Weale festgestellten Lebensumstande
der Stifter scheinen in noch friihere Zeit zu weisen, doch schliefien
schon die Trachten eine andere Datierung aus. Die stehende
Madonna im Mittelfelde ist, obgleich hochst unpassend innerhalb
der Gesamtkomposition, entlehnt, sie entspricht einem im 15. Jahr-
hundert beliebten Kompositionstypus der saugenden Madonna, die
zumeist zwischen zwei Engeln aufrecht vor einer Kapellenapsis
steht Dieser Typus, der vielleicht auf den Fltfmalle-Meister zuriick-
geht, war auf der Brligger Aus9tellung durch Nr. 89 Qames Mann)
vertreten. Charakteristisch ftlr die Friihzeit des Pseudo-Mostaert ist
die vergleichsweise energische Plastik der Korperformen.
195 (Mgr. Be*thune, Brtigge) Fltigelaltar, von Diego de Pardo gestiftet,
mit deT Madonna im Mittelfelde. Schwach und mafiig erhalten.
212 (F. Scribe, Gent) Madonna in der Landschaft. Etwas verputzt, in
der Art des Pseudo-Mostaert.
229 (C. Baus, Ypres) Madonna. Von einem wesentlich kopierenden
Nachahmer des Meisters.
153 (Visart du Bocarme*, bei Brtigge) Die thronende Madonna. Rohe
Nachahmung.
385 (Baron de Volsbergh, Ypres) Madonna in Landschaft. Kopie nach
dem Pseudo-Mostaert, mit fremdartiger Landschaft
139 (Aachen, Museum) Madonna in Halbfigur. Schlecht erhalten, in
der Art des Pseudo-Mostaert, unbedeutend.
364 (De Brayne, Antwerpen) Christus am Kreuze, Maria und Johannes.
Nachahmung im Stile des Pseudo-Mostaert.
136 (Stadt Museum, Briigge) Die Anbetung der Konige. Mittelmafiige
Briigger Arbeit von 1530, mit einigem Anklang an die Art des
Pseudo-Mostaert
(Fortsetzung folgt.)
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Mitteilungen liber neue Forschungen.
Uber Annibale da Bassano, den Erbauer der Loggia del Con-
siglio, Paduas schonstem Renaissancebauwerk, macht VittorioLazzarini
im Bollettino del Museo civico di Padova (Vol. V. 1902, auch als S. A.
erschienen) eingehende, auf archivalischer Forschung beruhende Mitteil-
ungen. Der Meister entstammt der angesehenen Familie der Maggi, die
zu Beginn des Quattrocento aus Bassano nach Padua einwanderte. Sein
Vater Nicold safi seit 1424 im Richterkollegium der Stadt. Das Geburts-
jahr des Sohnes erfahren wir nicht; nur gibt der Nicold 1444 im Estimo
an, dafl er fiinf Sohne, alle unter 20 Jahren, besitze. Die erste Arbeit
des jungen Ktinstlers ist eine Karte des Paduaner Territoriums, bezeichnet
Hannibal De Madijs fecit sibi et suis anno 1449, unc^ aufbewahrt in der
Ambrosiana zu Mailand. Kreisrund (Dm. 0.58) zeigt sie im Mittelpunkt
die Stadt mit dem doppelten Mauerring, den vorgelagerten Kastellen,
den umliegenden Landhausern und den vorbeistromenden Flufllaufen.
Jomard hat das Blatt lithographisch in den Monuments de la gtfographie
verviellaltigt. 1450 taucht Annibales Name zuerst in den Atti del Consiglio
auf. Von 1457 an bekleidet er eine schier endlose Reihe offentlicher
Amter in immer steigendem Range, oft unter driickender Verantwordich-
keit, ja selbst unter Lebensgefahr, wie 1479, a*s er gewahlt wird, die
Zahl der Pestkranken festzustellen, ihnen Hiilfe zu gewahren und fUr die
Bestattung der Toten zu sorgen.
Das Werk, mit dem sein Name verkntipft ist, hat er erst in seinen
letzten Lebensjahren begonnen. Am 29. Juli 1493 faflt die oberste Stadt-
behorde den Beschlufi, ihr baufalliges Versammlungslokal zu erneuem.
Aufier Annibale reichen noch zwei unbekannte Meister Lorenzo und
Pietro Antonio Modelle ein. Die Entscheidung (25. Februar 1496) fallt
zu Gunsten des Annibale aus, dessen Modell »fere ab omnisbus laudatur*.
Die Baugeschichte ist bekannt. Als Annibale im Juni 1504 stirbt, mufi
er sein Werk unvollendet zuriicklassen. Erst der Ferrarese Biagio Rosetti
legt 1523 — 26 die letzte Hand an. H. M.
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Mitteilungcn Ubcr neue Forschungen. g^
Lorenzo da Monte Aguto, ein unbekannter florentinischer Ar-
chitekt, wurde uns jiingst durch Aless. Luzio enthUllt. In seiner so an-
regenden Studie tiber die Bildnisse Isabellas von Este Gonzaga (Emporium,
Mai 1900) bench tet er episodisch, ihrem Gatten, dem Markgrafen
Francesco habe bei einem Besuch von Florenz die Villa seines dortigen
Kommissionars, des reichen Kaufmanns Angelo del Tovaglia so sehr ge-
fallen, dafi er kurz darauf den Gedanken fafite, eine gleiche fiir sich im
Mantuanischen erbauen zu lassen und sich im Juli 1500 mit dem Er-
suchen an den Besitzer wandte, er moge ihm den Plan seiner Villa zu-
schicken. Schon einen Monat darauf war der Agent des Markgrafen
Franc. Malatesta in der Lage, ihm das Gewiinschte u. z. in der Auf-
nahme keines Geringeren als Leonardos da Vinci mit dem beifolgenden
Schreiben vom 11. August zu libersenden:
Mando alia ill. ma S.V. el disegno de la chasa de Agnolo Tavaglia
facto per man propria de Leonardo Vinci el qual se rechomanda
come servitore suo a quella et similmente a la S.ria de Madona. Domno
Agnolo dice che '1 vora poi venire a Mantova per poter dar indicio qual
sera stato migliore architetto o la S.V. o lui; benche '1 sia certo de
dover essere superato da quella, si che » facile est inventis addere«, si
perche la prudentia de la S.V. non e da equiparare a lui. El p.to
Leonardo dice che a fare una chosa pertecta bisogneria poter trans-
portare questo sito che e qui la dove vol fabrichare la S.V. che poi quella
haria la contenteza sua. Non ho facto far colorire el disegno ne fa toll
metere li ornamenti de verdura, di hedera, di busso, di cupressi ne di
lauro come sono qui per non parer me molto de bisogno; pur de sa S.V.
vora, il p.to Leonardo se offerisse (sic) a farlo cusi di pictura che
di mod el 1 o come vora la p.ta S.V.#
Wenn auch die politischen Sorgen, die den Markgrafen dazumal
bedrtickten, ihm nicht erlaubten, sofort an die Ausfiihrung seines Pro-
jektes zu gehen, so liefi er dasselbe doch nicht aus den Augen, sondern
terlangte das angebotene Model 1 des Baues zu besitzen, wie sich aus dem
folgenden Schreiben Franc. Malatestas vom 2. April 1501 an ihn ergibt;
Io ho facta opera con D. Agnolo Tovaglia de far fare el modello
de la chasa sua per mandarlo a la S.V. Ma esso Agnolo me ha pro-
posto uno partito el qual sara molto piu al proposito . . . che la p.ta
S.V. havesse li el M(aest)ro che fece la propria casa sua, el qual e uno
Lorenzo da Monte Aguto, el qual ultra la casa del p.to D. Agnolo
fece de molte fabriche al M.co Lorenzo q(uondam) de Medici,
ct e ten u to questo tal m.ro homo inzegnoso et molto sufficiente circha
tai exerritio del fabricare. M.ro Lorenzo e contento de venire a servir
quella et a questo modo la S.V. haveria el modello et el m.ro insieme;
Et se non desidera di avere M.ro Lorenzo si fara fare il modello.
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q4 Mitteilungen tiber neue Forschungen.
Luzio glaubt, die Plane fur die Anlage der neuen Villa batten
spater (1508) in dem Bau des Lustschlosses Poggioreale Gestalt ge-
wonnen, das seither auch wieder untergegangen ist. Wie weit dabei
das Vorbild der Florentiner Villa befolgt wurde, weifi er ebensowenig
zu sagen, als er iiber die Person des Baumeisters Lorenzo eine Auskunft
erteilen kann. Sein Name weist auf eines der beiden Kastelle Montauto:
das tiber Compiobbi am linken Arnoufer, oder das andere im Tale der
Grassina, halbwegs auf dem Wege nach Impruneta gelegene. Wenn er
fur Lorenzo Medici viele Bauten ausfuhrte, so mufl er wohl ein tiichtiger
Meister gewesen sein. Aber welche Bauten mogen es gewesen sein?
Sowohl hieriiber als iiber seine Person ist es uns bisher nicht gelungen,
irgend etwas zu ermitteln; ebenso haben uns die Ausktinfte unserer
Florentiner Fachgenossen diesfalls im Stich gelassen. Auch das wagen
wir nicht mit Bestimmtheit zu behaupten, ob die Villa Tovaglia, um die
es sich handelte, die La Bugia oder La Torre genannte, unter S. Mar-
gherita a Montici auf dem Wege nach Porta S. Niccold gelegene sei. Es
ist die einzige, die uns seit 1470 im Besitz der genannten Familie be-
kannt ist. Um die Unregelmafligkeiten des mittelalterlichen Kastells
zu markieren, war ihr auf der Seite gegen die Stadt zu eine machtige
fingierte Facade vorgesetzt worden. Sollte sie es gewesen sein, die das
Gefallen des Gonzaga erregte? C. v. F.
Nachschrift. Der vorstehenden Notiz bin ich in der Lage bei
ihrer Druckkorrektur folgendes hinzuftigen zu konnen:
Vespasiano da Bisticci berichtet in seinem Lebensbilde Cosimos de'
Medici, er habe den Neubau der Villa Careggi einem »maestro intenden-
tissimo« mit Namen Lorenzo um eine fixe Summe im Generalakkord
libergeben. Als derselbe nun etwa zur Halfte gediehen war und Cosino
sah, der Meister mtisse, wenn er ihn zu Ende fiihre, dabei einige tausend
Gulden einbiifien, habe ihn Cosimo ermutigt, sein Werk zu vollenden,
und ihn versichert, er werde ihm dafiir zahlen, was Rechtens sei, da er
nicht wolle, dafi Lorenzo dabei verliere. — Ferner sind wir in den
(nachstens zu veroffentlichenden) Urkunden des Florentiner Staatsarchivs,
die sich auf den Bau der Sakristei von S. Maria de' Servi beziehen, unter
dem Datum des 14. Juni 1448 einem Vermerk begegnet, wonach ein »Lau-
rentius magister muratorum« fiir dabei geleistete Arbeiten 265 Lire 5 Soldi
8 Denari zu fordern hatte. Wo nicht mit voller Sicherheit, so doch mit
aller Wahrscheinlichkeit haben wir in dem fiir die beiden obigen Falle
identischen Meister Lorenzo unsern Lorenzo da Montauto zu erkennen.
Allerdings mufi er sich zur Zeit, von der unsre Notiz berichtet, im
hochsten Greisenalter befunden haben, trotzdem aber noch riistig gewesen
sein, da er sich bereit erklarte, nach Mantua zu reisen. Ubrigens scheint
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Mitteilungen ttber neue Forschungen. 95
er nach dem Zeugnis der obigen Urkunden mehr als Unternehmer von
Maureiarbeiten , als ausfiihrender Werkmeister, denn als schaflfender
Architekt in Betracht zu kommen. Als solcher steht zuin mindesten fiir
Carcggi und die Sakristei von S. Maria de' Servi Michelozzo fest.
C v. F.
Das Tagebuch Jacopos da Pontormo, das der Meister wahrend
der vier letzten Jahre seines Lebens, als er mit der Ausfiihrung der
Fresken im Chor von S. Lorenzo beschaftigt war, fiihrte, macht A. Co-
lasanti zum Gegenstand einer eingehenden Studie (II diario di Jacopo
Camicci im Bulletino della Societa Filologica Romana, 1902 N. II).
Mir besitzen davon nicht nur eine unvollstiindige Kopie des Autographs
^Cod. Palatino n. 621, alte Signatur 351, E, 5, 6, 32), die schon Gaye
kannte, — er hat daraus im Carteggio III, 166 die Stellen mitgeteilt, die sich
auf die obengenannten Fresken beziehen. Es ist audi das Original in
einem aus der Bibliothek des Marchese Carlo Strozzi stammenden Mis-
zellaneenbandes der Magliabechiana (VIII, var. 1490, alte Signatur
Q. XXV Cod. 12 bis, nicht katalogisiert) erhalten. Dasselbe hat viel
weniger kunsthistorische als psychologische Bedeutung, indem wir daraus
das Wesen des weltabgewandten, hypochondrischen Meisters in seinen
itmmsten, gewifi nicht fiir die Offentlichkeit der Nachwelt bestimmten
Auflerungen kennen lernen. Denn die sechzehn Blatter (wovon liberdies
einige ganz leer gelassen, andre nur einseitig, wieder andre nur zur
Halfte beschrieben sind), enthalten aufier Notizen iiber den taglichen
Fortschritt der Bilder in S. Lorenzo, die von fltichtigen erklarenden
Randskizzen der einzelnen Figuren derselben begleitet sind, zum weitaus
grofken Teil genaue Angaben tiber das kulinarische Regime des Klinstlers,
oft mit Preisangaben, Anflihrung der Genossen seiner Malzeiten, Be-
merkungen iiber sein korperliches Befinden, das dazumal schon sehr
scbwankend war, ferner (iber einzelne mit Fachgenossen unternommene
Acsfliige. An Ereignissen, die dem Leben des Schreibenden fern stehen,
fbdet sich nur am 28. Marz 1556 die Feier aus Anlafi des Friedens-
schlusses von Cambrai verzeichnet. Aber gerade fiir die Charakteristik
Pontormos als Mensch, die Vasari von seinem Liebling in wenigen Satzen
so pragnant gegeben hat, bietet das Tagebuch die wertvollsten Illu-
strationen. Freilich mufi man nicht aufier acht lassen, dafi es die Zeit
Tom 7. Januar IS54 bis zum 13. Januar 1556 (also bis ein Jahr vor
seinem Tode) umfafit, wo der leidende Zustand des Kunstlers die Eigen-
beiten seines Wesens ganz und gar nach jeder Richtung ausgereift hatte.
Hierdurch findet auch der Umfang Erklarung, der im Tagebuch den,
sein WohJ- oder Cbelbefinden betreffenden Beobachtungen, in ihrer oft
sehr drastischen Fassung eingeraumt ist. Die Todesfurcht Pontormos,
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06 Mitteilungen Uber rteue Forschungen.
von der schon Vasari, als von einem seiner krankhaften Zlige berichtet,
kommt in demselben nicht minder zum Ausdruck; ebenso die den
Leuten, die auf ihre Gesundheit in ubertriebenem Mafie Bedacht nehmen,
eigene (berzeugtheit von dem Wert ihrer angeblichen Kenntnisse in der
Heilkunde.
Im zweiten Teil seiner Studie berichtigt Colasanti zum Teil auf
dem Wege des Raisonnements, zum Teil aber auf Grund seiner urkund-
lichen Funde im Florentiner Archiv manche chronologischen Ungenauig-
keiten, die sich Vasari in seinen Biographien Pontormos und Andreas del
Sarto hatte zu schulden kommen lassen. Hiervon wird der zukiinftige
kritische Biograph namentlich des letzteren Meisters — denn die bis-
herigen haben alle nichts getan, als Vasari ausgeschrieben — Notiz zu
nehmen haben. Unter den Pontormo betreflfenden Berichtigungen sei die
endgiiltigeFeststellung seines Geburtsjahres auf 1494, desTodesdatums seiner
Sch wester auf den 7. Dezember 15 17, des Beginns seiner gemeinsamen
Tatigkeit mit Andrea del Sarto auf 151 o, und der von Vasari mit elf
Jahren angegebenen Dauer der Arbeit an den Chorfresken von S. Lo-
renzo auf die Zeit von Anfang 1548 bis 1557 (Pontormo starb am ersten
Tage dieses Jahres) hervorgehoben. In den beiden vorhergehenden
Jahren 1546 und 1547 war Pontormo noch vollauf mit den Kartons der
Wandteppiche beschaftigt, die von den Niederlandern Giov. Rost und
Nice. K archer ftir den Saal der Zweihundert im Pal. Vecehio ausgefiihrt
wurden, — welche Arbeit er aber, nachdem er zwei Kartons gezeichnet
hatte, aufgab, da er damit weder die Teppichweber, noch auch den
Grofiherzog Cosimo zufriedengestellt hatte. Auch die Behauptung Va-
saris, der Klinstler hatte ftir die Figuren der Fresken von S. Lorenzo zu-
erst Modelle in Ton hergestellt, wird mit dem Hinweis widerlegt, dalJ
im Falle ihrer Wahrheit das Tagebuch, worin jede geringste Phase der
Arbeit genau registriert erscheint, doch auch hiervon eine Erwahnung ent-
halten miiiite. C. v. K
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Ein Brief Peter Vischers des Alteren.
Von Albert Giimbel- Niirnberg.
An anderer Stelle1) hatte ich Gelegenheit, ein Aktensttick zu ver-
offentlichen , welches sich auf die Errichtung der Sebalduskapelle zu
Schwabisch-Gmiind durch den vor einer verheerenden Seuche dahin ge-
Oohenen Kirchenmeister von St. Sebald zu Ntirnberg, Sebald Schreyer,
und auf die bisher unbekannte Mitwirkung der Dtirerschen Werkstatt an
den Altargemalden der Kapelle bezog. Wahrend nun Schreyer in Gmlind
verweilte (i. August 1505 bis 7. Februar 1506), ging ihm das nachstehend
abgedruckte Schreiben Meister Peter Vischers zu, das uns unter den im
k. Kreisarchiv Niirnberg befindlichen Aufzeichnungen des kunstfreundlichen
Kirchenmeisters in Abschrift erhalten ist. Veranlassung dazu gab der
Umstand, dafi die Vormiinder der Kinder des Schreiners Herwig Ge-
schwind zu Niirnberg, namens Ulrich Prunner, Jacob Amman *) und Georg
Heufi, *) die Schwiegersohne Meister Ludwig Gerings,4) »ormachers« an
Peter Vischer das der Tochter Gerings, Elisabeth, Witwe des Schreiners
Geschwind, bei der Teilung der Verlassenschaft Meister Ludwigs zu-
gefallene erbliche Nutzungsrecht an den Hausern, »so davor vier ge-
machde vnder drewen dachungen gewesen sind ond itzo derselben zwey,
Nemlich die hindern, abgeprochen vnd ein giefihtiten an derselben stat
gemacht vnd gepawt ist, mitsambt dem hove darbey . . . hinder sant
Kathrina zwischen Peter Vischer's, des Rotsmids, und Niclasen
Herbs t's, des schlossers sel., und Agnes, etwan seiner vnd Itzo Jobsen
') Kunstchronik. N. Fig. XIV. Jahrg. 1902/3, Nr. 4.
*) Bcide Schreiner. Letzter wird in gleichzeitigen Urkunden als »Stadtschreiner«
«nrilint.
*) Der bekannte Verfertiger des Ubrwerks fUr das Mannleinlaufen am Michaels-
cbdrlein der Marie nkirche zu Niirnberg und des Gitters um das Vischersche Sebaldus-
grab. Seine Ehefrau hiefi Barbara. Vgl. Uber ihn Lochner in der Ausgabe der Neu-
dOrferschen Nachrichten von Kiinstlern, Wien 1875 S. 70.
*) Auch Gerung genannt. Er starb nach dem Grofitotenbuch von St. Lorenz am
S. Jaui 1505. Vgl. auch Lochner a. a. O.
RejHrtOTlam far KunstwUsenschaft, XXVI. 7
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Albert Gttmbcl:
Ruprecht elicher hausfrauen, hewsern gelegen,«5) um 102 fl. Rheinisch
verkauft hatten. Da die veraufierten Behausungen im Eigentum Sebald
Schreyers standen, erbat der Meister (ebenso die Vormunder in einem
gleichzeitig mit dem Vischerschen abgehenden Briefe) Schreyers Ein-
willigung zu diesem Erwerb bezw. Verkaufe des Erbrechts an jenen
Grundstticken.
Das Schreiben Peter Vischers nun hat folgenden Wortlaut:
Dem ersamen und weisen hern Sebolt Schreier von Nur. ietz zw
Gmundt
Mein freuntlichen grus vnd willigen dienst, Lieber heir Schreier!
Wist, lieber Herre, ich hab euch auf ein zeit gepeten von der hofstat
wegen, die neben mir leit vnnd meister ludbich gewesen ist, ob sie einem
andern verkauft wurd, das ir mir sie zw grossem danck liest widerfaren;
wist, lieber Herr, das ich die hofstat kauft hab vmb hundert vnd zwen
gulden vnd sol euch geben alle Jar zw erbe vier gulden R[einisch]. Nun
will ich euch biten, als mein lieben hern, das Ir mir die Hofstatt wolt
leihen, in gestalt vnd weis, als man pflicht zw don vnd bit euch Ir wolt
emmand (!) geben eurern gewalt, der mir ein zusagen dut, von eurern
wegen vnd was ich thun sol gegen euch, das will ich geren thone, wann
ich der hofstat notdurftig pin zw meiner huten, als ir oft wol gesehen
ha[b]t,6) wann ich wider ein grofi werck7) verdinck hab, gott hab lob
vnd ere, got vnd maria helf vns mit Hebe zwsamen, ich will dan, was
euch lieb ist, mit meinem armen dienst, an sant Barbaren tag [== 4. De-
zember] 1505. Peter Vischer Rotsmid.
Dem ersamen vnd weisen Sebolt Schreier soil der brieve.
Schreyers Antwort lautete folgendermafien :
Mein freuntlichen grus zuvor, lieber peter Vischer! Mir ist am
pfintztag vergangen [= 18. Dezember] ein schreiben von euch, auch eins
von den Vormundern meister Ludbig gerings, ormacher seligen, zukumen,
5) So wird die Lage des Hauses in der Urkunde des Stadtgerichts vom 17. Juni
1506 Uber den nach Schreyers RUckkehr, unter dem 26. Mai 1506 wirklich abgeschlossenen
Verkauf der Liegenschaften an P. Vischer geschildert. Vgl. hiertiber auch Lochner a. a.
O. S. 26, wo jedoch die Kaufsumme berichtigt werden mufl (102 nicht 120 fl.), auch
ist es nicht recht klar, warum Lochner annimmt, Peter Vischer habe kurz vorher noch
ein anderes Haus an sich gebracht
6) Im Original hat.
7) Es dtlrfte mit diesen Worten das Grabmal des am 30. Januar 1 505 verstorbenen
Bischofs Georg II. vom Bamberg fUr den Bamberger Dom gemcint sein. Nach Ausweis
der fUrstbischbflich-bambergischen Kammerrechnungen war die Zuweisung dieses Auf-
trages an Peter Vischer durch Linhard Held namens des Bischofs Georg III. von Bam-
berg in den Tagen des 24. August bis 21. September 1505 erfolgt Vgl. auch Beschrb.
der Grabdenkmaler in der Domkirche zu Bamberg, Nttrnberg, 1827, S. 32.
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Ein Brief Peter Vischers des Xlteren. go
darinnen ich eur gesuntheit gantz gem vernommen hab; wiewol ich
mitler zeit bei andern auch vorschung darnach gehabt hab vnd eurm
begem nfajch,8) bit ich euch die sachen in Rwe ston zw lafin, vntz mir
got heim hilft, das, als ich verhoff, den lewffen nach kurtzlich bescheen
mag, So will ich mich vnsrer alten verwontschaft9) nach darinnen halten,
das Ir, als ich mich versihe, von alien teilen gevallen haben werd; vnd
dar[zu] ist meins bedu[n]ckens nit not auch nit fur euch noch die ver-
kaufer einich eestung von beden teilen, weder10) auf das anbieten vber
landt, noch verer gewaltgebung zw legen, n) wann es on dasselb in vnser
aller gegenwertikeit eer vnd formlicher geendet vnd aufigericht werden
mag vnd wollet solich mein schreiben vnd gutbeduncken den vormundern
Auch zu erkenen geben. Damit spar euch got mitsambt euren mite-
verwanten gesunt. Geben zw gemund am Sambstag sant thomas Abend
{= 20. Dezember) Im funften Jare. Sebolt Schreier.
Dem ersamen peter vischer, Rotsmid zu Nurmberg oberhalb sant
Katherina gesessen.
Dafi der Kauf nach Schreyers Riickkehr wirklich zustande kam,
vurde schon oben erwahnt Am 24. Februar 150612) liefien dem ersteren
Kaufer und Verkaufer den Kauf durch den geschworenen Fronboten
Heinrich Bauer von neuem » anbieten « und, nachdem sich Peter Vischer
verpflichtet hatte, Schreyer anstatt der bisherigen 4 Gulden Rh. Lands-
wahrung 4 Gulden Stadtwahrung als jahrlichen Eigenzins zu geben und
den Verkaufern fiir diese Mehrung des Zinses noch 6 fl. Rh. 2 M. und
28 Pfg. auf die Kaufsumme daraufzuzahlen, willigte Schreyer ein. Am
17. Juni wurde dann sowohl der am 26. Mai von den beiden Parteien
abgeschlossene Kauf als auch die Erhohung des Eigenzinses beim Stadt-
gericht in Gegenwart Hanns Stromers und Georg Hallers als Zeugen be-
urkundet
*) Im Or. noch.
•) Hier so\-iel wie Bekanntschaft, Freundschaft.
l0) Im Original: wieder.
u) Der Sinn ist offenbar: Schr. halt die Kosten, welche dem Kaufer und den
Verkiufem einerseits durch das »Anbieten« des Kaufhandels (namlich durch einen
aadtischen Fronboten), andererseits ihm selbst durch Bestellung eines Bevollmachtigten
owachsen warden, nicht filr notwendig.
^) Vor diesem Datum dUrfen wir also keinesfalls die Erweiterung der Vischer-
sciken Gieflhutte setzen. Die MaBe der neugekauften Behausung und Hofstatt waren
nach dem Kauf brief c. 30 Stadtschuhe in der Breite zu 70 Stadtschuhen in der Tiefe.
7*
o(i-I04X>
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ftber die Proportionsgesetze des menschlichen
Korpers auf Grund von Durers Proportionslehre.
Von Constantin Winterbcrg.
(Fortsetiung.)
II. Buch.18)
a) Methode.
Dtirer teilt, wie bereits angedeutet, um auch feinere Schwankungen
der Oberflachenform noch nach gleichem Prinzip in Zahlen ausdrticken
zu konnen, seinen Mafistab, welchem er als Einheit die Korperlange zu-
grunde legt, in 600 — eigentlich 1800 — Teile, indem er jedes 600 tel
(=1 pars) noch in weitere 3 Teile zerlegt, die indessen nur ausnahms-
weise praktische Anwendung finden. Auf das Illusorische dieser allzu-
grofien Rigorositat wurde bereits hingewiesen. Denn unter normalen
Verhaltnissen wird | pars nicht mehr als 1 mm betragen, also eine Grofie,
die noch innerhalb derjenigen Grenzen fallt, worin die Unsicherheiten der
Messungen des nattirlichen Modells infolge der Bewegungen des Atmens,
des Bluts, der unwillktirlichen Stellungsano^erung variieren konnen — ganz
abgesehen davon, dafi eine, innerhalb eines Millimeters genaue Fixierung
korrespondierender Punkte bei verschiedenen Modellen, also auch ein
Vergleich verschiedener nach derselben Methode gemessener Individuen
unter so rigorosen Bedingungen geradezu unmbglich ware. Dtirer wollte, wie
es scheint, damit nicht sowohl den individuellen Eigenschaften Rechnung
tragen, als vielmehr bestimmte Gesetze scharf betonen, die ohne dieses
Mittel als solche kaum kenntlich gemacht werden konnten, woftir sich
spater verschiedene Falle als deutlicher Beweis ergeben. — Es werden
also im Anschlufi an das gesagte die Resultate des 2. Buches im allge-
lS) Um Irrtum fUr das folgende zu vermeiden, sei bemerkt, dafi wo beim
Vergleich korresp. Typen des I. und 2. Buchs von gleichen oder unvertfnderten
Mafien die Rede ist, dies so verstanden wird, dafi die auf 600 tel der Kttrperlgng-e
(jfj = l Pars) transformierten Daten des 1. Buchs bis auf Bruchteile eines pars ttber-
einstimmend gefunden wurden.
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Constantin Winterberg: Ober die Proportionsgesetze etc. 101
meinen als mehrstellig, jedenfalls als kompliziertere Zahlenausdrticke
erscheinen, wie im iUn, weshalb denn auch das diesen Daten zugrunde
liegende geometrische Gesetz als solches a priori nicht in die Augen fallt,
sondem gesucht werden mufi, wie es in der Proportionstabelle zum
2. Buche geschehen ist. Zwar findet sich auch schon im i. Buche, wie
die entsprechende Tabelle lehrt, ein gewisses, die Reihe der auf die
Langenteilung beziiglichen Relationen verbindendes Prinzip mehr oder
weniger deutlich ausgedrtickt dadurch, dafi unter ibnen stets eine
existiert, die als flir den betreffenden Fall besonders charakteristisch be-
zeichnet werden darf; doch ohne die Konsequenzen des 2. Buchs, indem
aus der hier stets vorangestellten charakteristischen Gleichung alles
tibrige, gleicbsam mit Notwendigkeit, wie beim nattirlichen Organismus,
abgeleitet werden kann. Nach dieser Auffassung erscheinen somit ins-
besondere im 2. Buch die verschiedenen Typen wesentlich wie in der
Natur als Modinkationen einunddesselben Grundgedankens. Alle daraus
abgeleiteten Relationen sind tiberdies — wie unter normalen Verhalt-
nissen in der Natur — der einfachsten Art: bis auf einzelne, welche der
Eigentumlichkeit des Individuums den andern gegeniiber Rechnung tragen,
ohne jedoch den allgemein typischen Charakter dadurch im mindesten
zu alterieren. — Die meisten dieser Relationen besagen Ubrigens wesent-
lich nichts anderes, als was durch Tradition der kunstlerischen Praxis
iangst bekannt ist. — Grofiere Freiheit herrscht, wie in der Natur, auch
bier in den Quermafien: wahrend auch im 1. Buche immerhin noch eine
gewisse Ubereinstimmung in einzelnen Teilen: dem quadratischen Kopfe
und desgleichen Querschnitt des Halses, die Wadenbreite und Knie-
dicke etc., bekundet, welches sich nach traditionellem Herkommen er-
klart, so will im 2. Buche der KUnstler, wie es scheint, mit aller Tradition
vollkommen brechen, um nur auf Grund der Erfahrung rein individuell
zu charakterisieren- Unter den verschiedenen korresp. Maflen herrscht
darum die grofite Verschiedenheit, die sich gelegentlich sogar ins Will-
knrliche verliert. Doch finden sich, wie unter den Langen, stets einzelne,
die als fiir den betr. Fall speziell charakteristisch bezeichnet werden
raussen, und als solche auch in ihrer tabellarischen Bestimmung gekenn-
zeichnet sind, indem sie sich zum Unterschiede gegen andere, unter-
geordneter Art, gewohnlich direkt durch korrespondierende Langen
emfach darstellen lassen, wahrend ftir die Bestimmung der ubrigen die
Interpolation geniigt.
Rein ktinstlerisch betrachtet, wird man tibrigens kaum zugeben, dafi,
abgesehen von der grofiern Exaktheit der Detaillierung im zweiten Buche
wesentlich asthetisch geniefibarere Resultate als im ersten zu Tage gefordert
werden. Jedenfalls wird sich der unbefangene Beschauer des Eindrucks
kaum erwehren konnen, dafi z. B. von den Mannern Fig. 2 und auch
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102 Constantin Wintcrbcrg:
noch Fig. 3 des ersten Buches an Harmonie der Verhaltnisse die meisten
der im zweiten enthaltenen eher hinter sich lassen als das Gegenteil Auch
wird wohl andererseits kein Mensch die erste Figur: Mann, und ebenso
Frau des zweiten Buches fUr wirkliche Naturmodelle ausgeben wollen, nach
welchen etwa im Sinne der zitierten Schadowschen Stelle die librigen
entsprechend modifiziert zu denken waren. Wie dem auch sei, so wlirde
man wohl erst in allerletzter Linie flir alle Mangelhaftigkeiten das von
ihm etwa angewandte Messungsverfahren verantwortlich machen konnen,
denn die Unterschiede entsprechender Typen, z. B. schon der das
Maximum der Korperfiille in beiden Btichern vorstellenden Typen 1 . sind
viel zu grofl, um auch bei noch so unvoilkommenen Instrumenten und
Methoden der Messung dadurch allein erklart werden zu konnen.
Im iibrigen gel ten hinsichtlich der in Betracht kommenden am
meisten charakteristischen Mafie dieselben Bemerkungen wie im 1. Buche.
Dtirer legt demgemafi auch hier der Gesamtform das Skelett wieder zu-
grunde, worauf sich die zur Erlauterung auf pag. 2 gegebene Skizze (Fig. 1 .)
bezieht. Ein Unterschied gegen das erste Buch besteht jedoch insofern,
als im zweiten diese Punkte, insbesondere die Oberarm- und Ober-
schenkelknorren-Centra, wie das folgende lehrt, konstruktiv mehr in
Betracht gezogen werden, obgleich auch hier liber die Art, wie diese
Punkte gefunden wurden, dasselbe Dunkel herrscht.
b) Einteilung.
Die Kopflange kann hier nicht, wie im 1. Buche, als ausschliefl-
licher Einteilungsgrund benutzt werden: indem das Maximum derselben
nicht wie dort zugleich mit dem der Korperfiille zusammentrifft, sondern
einem mittleren Typus angehort. Sie variiert liberhaupt hier in viel
engeren Grenzen: das Maximum zwar wie im ersten Buche nahezu
\ Korperlange, wogegen das Mimimum sich genahert gleich ^, also wie
bei Typus 4 des 1. Buches ergibt, zum Beweis, dafi das Uberschlanke
des der altkolner Schule nachgebildeten Typus 5 von Dlirer selbst in-
zwischen als solches erkannt und beseitigt wurde, denn es handelte sich
hier nicht sowohl um Phantasiegebilde, als um die Aufstellung eines auf
Erfahrungen basierenden allgemeingtiltigen naturgemafien Systems der
verschiedenartigen menschlichen Proportionen zum Nutzen und Gebrauch
der Kunstgenossen.
Nicht wie im 1. Buche finden sich ferner die Kopflangen der ver-
schiedenen Typen liber das ganze Intervall vom Maximum zum Minimum
gleichmafiig repartiert, sondern gruppenweise geordnet: zunachst um den
Mittelwert 4-1 Korperl. = 80 p. im Interwall von 86 — 74 p., wobei jedoch
der innere Zwischenraum von 83 — 78 p. frei bleibt. Ebenso findet sich
eine zweite Gruppe um den Mittelwert = 70 p. im Intervall von 74 bis
67 p., wobei die Zwischenwerte fehlen. Im Gegensatz zum 1. Buch haben
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Ktirpers etc. 103
die Manner hier etwas grtffiere Kopfmafie: das Maximum um 2, das
Minimum sogar um 3 p. gegen die beztigliche Frau vergrofiert; nur bei
drei Typen: 2, 5, und 6, sind beide Geschlechter darin relativ gleich;
in den ubrigen Fallen die Frauen um je 1 — 2 p. verktirzt, wodurch sich
dann zugleich die angedeutete Gruppierung als solche abrundet*
Die in den »Bemerkungen« der Tab. enthaltenen Angaben der
Kopflange in mdglichst einfachen Bruchteilen der Korperlange zeigen
die beziiglichen Nenner, 7 resp. 8, event, noch mit Zusatzen von
{ . . . ^ versehen, welches gentigt um — mit moglichster Genauigkeit —
bis auf unmerklich kleine Bruchteile der a. a. O. gegebenen Parteszahl
zu entsprechen.
Dies scheint in Verbindung mit dem vorher Bemerkten darauf hin-
zudeuten, dafi es sich ganz wie im 1. Buche nicht sowohl um eine blofi
zufallige Zusammenstellung beliebiger Modelle, sondern um ein festes
Prinzip handelt, wonach auch hier die Koptlangen als etwas a priori Ge-
gebenes der Proportionstabelle zugrunde gelegt wurden.
Aus dem gesagten motiviert es sich ferner, dafi, wie bemerkt, die
Einteilung hier nicht an der Kopflange strikte festhalt, wie im 1. Buche,
sondern, um sich diesem nach Moglichkeit anzuschliefien, mehr auf die
allgemeinen Verhaltnisse: der Ubergitnge vom Breitesten und Vollsten
zum andern Extrem rekurrieren mufite. Aufierdem ist zu bemerken,
dafi der grofieren Variability des schonen Geschlechts, wofUr dem Meister
leider nicht immer gerade die idealsten Vorbilder zu Gebote stehen
mochten, durch eine grofiere Anzahl von Typen Rechnung ge-
tragen wird, sodafi auf einen mannlichen mehreremale zwei weibliche
entfallen.
Der Einteilung zufolge entsprechen sich
A. Manner:
[. Bach I Kopfl.
« i *
Typus 1.
« 2.
« 4-
« 5.
3-
II. Buch
«
85 partes Kopfl.
86 resp. 84 p.
78 « 76. 76.
70 « 70.
Typus 1.
« 2. 6.
« 3- 4. 7.
« 5. 8.
B. Frauen:
1. Buch \ Kopfl.
i «
4 T* «
Typus 1.
« 2.
« 4-
* 5.
3-
II. Buch
«
«
83 partes Kopfl.
86 resp. 84 p.
17. 76; 77 5 75- 74;
70 resp. 67
Typus 1.
« 2. 6.
<<3a.3b.4-.7a.7b,
« 5. 8.
c) Anordnung der Tabellen.
Im Gegensatz zum 1. Buche, dessen Bestimmungen mehr architek-
tonischen, um nicht zu sagen schematischen Charakter tragen, indem
das alte Vitruvianische Prinzip der harmonischen Teilung den Bauten
Albertis, Palladios etc. analog nunmehr auch auf die Verhaltnisse des
menschlichen Kbrperbaues angewandt sind, wobei die Wirklichkeit aller-
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104 Constantin Winterbcrg:
dings nur unvollkommen und naherungsweise sich wiedergeben lafit, kdnnen
die Resultate des 2. Buches, trotz der im vorherigen hervorgehobenen
Mangel und Willklirlichkeiten, wie bereits angedeutet, immerhin mehr
organisch genannt werden, schon deswegen, weil sie alles rein Schematische
zu venneiden suchen, um den erfahrungsmafiigen Beobachtungen keinen
Zwang anzutun. Die dennoch vorhandenen Willklirlichkeiten, insbesondere
bei der Bestimmung der Querdimensionen, entschuldigen sich andererseits
leicht dadurch, dafl schon a priori das Urteil hinsichtlich der Langen-
teilung im allgemeinen ein viel sichereres sein mufl, als bei den letzt-
genannten Mafiverhaltnissen, insofern Vermischungen, welche beim Uber-
gang von: »klein« zu »grofl«, von »untersetzt« zu »elanziert«, von
»kraftvoll« zu »schwachlich« die Langenproportionen erleiden, dem
KUnstler wie dem Laien viel auftalliger und dem Auge gelaufiger sind,
sodafi schon relativ geringe Verstofle dem Beschauer Disharmonien er-
wecken, von deren Ursache er sich allerdings nicht immer sogleich
Rechenschaft zu geben vermag. Gewisse erfahrungsmaflig feststehende
Prinzipien werden darum auch in den grofiten Meisterwerken der Plastik
nicht leicht (iberschritten. ,9) Bei den Querdimensionen aber ist es
anders: hier fehlt schon darum, weil sie nicht in einer Linie uberein-
anderstehen, der sichere Anhalt des Vergleichs, wie bei den Vertikal-
verhaltnissen, zudem gibt wohl auch die Natur selbst in den Quermafien
mehr Willktirlichkeit als in den Langenverhaltnissen zu erkennen. Ganz
naturgemafl erklart es sich darum, wenn die letzteren als Mafistab der
Beurteilung fur jene dienen: es finden sich demgemafi auch bei Diirer
im 2. Buche wenigstens die Hauptmafie des Dicken und Breiten vor-
herrschend als einfache Bruchteile entsprechender Langenmafie dar-
gestellt, wobei, wie angedeutet, immer noch mehr als genligend Rauin
bleibt, den freien Flug der kiinstlerischen Phantasie nicht allzusehr zu
hemmen.
Um nun aus der scheinbaren Kompliziertheit der a. a. O. gegebenen
Zahlen ein den verschiedenen Typen zugrunde liegendes gemeinsames
Prinzip zu erkennen, sind auch hier, wie im 1. Buche, gewisse einfache
Relationen unter den in Rede stehenden Mafien abgeleitet und tabel-
larisch nach gleicher Ordnung wie dort zusammengestellt, sodafl zunachst
bezuglich der Langenverhaltnisse wiederum die wichtigsten Punkte und
sodann ebenso die Quermaile in einer fur die Konstruktion der Umrifi-
linien der Gesamtfigur geniigenden Weise durch die sie bestimmenden
,9) Dies gilt selbst flir Michelangelo, in denjenigen seiner Werke, wo es sich
nicht darum handelt, liber die Natur hinausgehende Gestalten, sondern Menschen
als solche zu erzeugcn: woflir die beiden Sklaven am Grabmal Julius II. als Bcweis
dienen konnen.
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Cber die Proportionsgesetse dc« memchhchen Kttrpers etc. 105
Relationen festgelegt werden. In diesem Sinnc ist auch hier die Reihen-
folge derselben zu verstehen, wobei wiederum von mbglichst charakte-
ristischen und zugleich als einfache Bruchteile der Korperlange darstell-
baren Mafien ausgegangen wird. Die Kopflange ist, wie bemerkt, auf
Grund der in Tab. »Bemerkungen« enthaltenen Relationen als gegeben
anzusehen.
Der genauere Vergleich dieser, den einzelnen Typen entsprechenden,
kolonnenweise wie im 1. Buche zusammengestellten Relationen laflt nun
in der Tat jeden im groflen und ganzen als neue Modifikation den
andern gegentiber erscheinen, und demzufolge als aus derselben Grund-
idee entstanden denken, welches man sich etwa auf folgende Art erklaren
mag. In jedem der vorgefiihrten Typen reprasentieren sich, wie in der
Natur, gewisse allgemeine Gesetze des menschlichen Kbrperbaues, in der
Art, dafi gewbhnlich ein, selten mehrere Punkte zunachst in den Langen,
den weseitf lichen Charakter der Figur bestimmen, welchen analog auch
in Tabelle eine event, mehrere Relationen entsprechen, wahrend alles
ubrige auf Grund der allgemeinen erfahrungsmaflig feststehenden Prinzipien
bereits mehr oder weniger dadurch bedingt erscheint. Jeder neue Typus
stellt sich daher zunachst als neue Variante bezliglich der Bestimmung
jener charakteristischen Punkte resp. der ihnen in Tabelle entsprechenden
charakteristischen Relationen dar, von denen alles andere als abhangig,
und somit ebenfalls als Modifikation gegen frtihere Falle sich darstellt,
sodafi demgemafi das ganze Kriterium sich gewbhnlich auf eine oder
wenige charakteristische Relationen wird zuriickfiihren lassen, wie die Dis-
kussion der einzelnen Typen weiter ersichtlich machen wird.
Uber die, den Langenverhaltnissen entsprechenden Angaben ist
a priori zu bemerken, dafi die zueinander in Beziehung gesetzten, Mafle
rooglichst der Bedingung entsprechend gewahlt wurden, zunachst durch
die einfachsten Zahlenverhaltnisse darstellbar zu sein und ferner auch
der, dafi die beztiglichen Langen selber wombglich nicht in- oder auf-
einanderfallen oder auch nur teilweise tibereinandergreifen, sondern jedes
Mafl fiir sich entweder vom andern durch Zwischenraum getrennt bleibt
oder als dessen unmittelbare Verlangerung erscheint, weil nur da-
durch dem Auge ein sicherer Anhalt flir die Schatzung der Verhaltnisse
gcboten wird. Die charakteristischen Relationen der Tabelle bilden hier
im Gegensatz zu denen des 1. Buches, vielleicht von Dlirer selber so be-
absichtigt, den naturgemaflen Ausgangspunkt fiir die Bestimmung der
nbrigen, die der Zahl und Reihenfolge nach auch hier zur Konstruktion
der aJJgemeinen Umrisse in beiden Projektionen gentigen.
Diese charakteristischen finden sich demgemafi stets den tibrigen in
TabelJe vorangestellt.
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Io6 Constantin Winterberg:
d) Erlauterungen zu den Tabellen.
I. Manner.
Erste Gruppe: Typus i.
a) Langen.
Typus i. kennzeichnet sich als Maximum der Korperftille im ganzen
durch dieselben Eigenschaften wie im i. Buche, mit dem Unterschiede
jedoch, dafi im vorliegenden Falle, wie schon in der Zeichnung a. a. O.
selber in die Augen fallt, die Verhaltnisse viel scharfer charakte-
risiert sind.
Die Kopflange nahert sich bis auf i p. dem DUrerschen Maximum,
welches somit, wie auch in der Natur, nicht mit dem Maximum der
Korperflille zusammentrifft, sondern vielmehr den niedersten Wuchs
(T. 2.) kennzeichnet. Das Rumpfende o ist gegen Typus i des i. Buches
etwas heraufgerlickt, wahrend der Abstand: Scheitel-Linie der Oberarm-
knorren-Centra fast unverandert bleibt. Dagegen trennt sich die Hals-
grube, welche im i. Buche mit act koinzidierte, von dieser Linie, indem
sie um 10 p. hoher rtickt, wodurch die Schultern weniger heraufgezogen
unci der Kontour nicht so unbeholfen wie ebendort sich darstellt, sodafl
mit Bezug auf die Lage von o die von e gezahlte Rumpflange eo in
beiden Fallen nahezu unverandert bleibt. ?c) In beiden ist dieselbe dem-
gemafi als Maximum gekennzeichnet, nach Tab. hier genau zu -$ Korper-
lange normiert. Charakteristischer ist jedoch, dafl der Abstand des
Rumpfendes o vom Scheitel ebenfalls ein Maximum wird, wie sich durch
die in Tab. den Ausgang bildende Relation:
co = oz
bekundet. — Die Kniemitte fallt, wie die darauf bezligliche 9. Relation
der Tabelle ausdriickt, im Anschluft daran naturgemafl ebenfalls tiefer
als sonst, doch will das Minimum der Lange qz hier offenbar wenig
sagen, da der Unterschied gegen den nachstfolgenden Typus sich nur auf
einen pars beschrankt. Ebensowrenig sind die Teilpunkte i, m' und n des
Rumpfes ftlr die Charakteristik von Bedeutung. Der untere Rippenrand
hat sogar genau den gleichen Scheitelabstand wie Typus 2. Die Relation
to = oq, welche hier nach Tab. ausschliefllich an das Maximum gebunden er-
scheint, findet sich, beilaufig bemerkt, auch unter den Antiken bei
ubrigens verschiedenartigen Typen, wodurch dieselbe eine viel all-
gemeinere Bedeutung erhalt, als sie nach Dtirers Erfahrungen bean-
spruchen konnte. Ahnliches gilt von der zur Bestimmung von n dienenden
Relation bf=fn: in modifizierterForm findet sie sich nur nocheinmal(Typ.7)
wiederholt, wo statt ;/ die Korpermitte Cauftritt. Weniger allgemeingtiltig ist
ao) wenn in Tab. von VertikalabstHnden oa af etc. die Rede ist, so wolle man
dies, stets mit Rilcksicht auf die Bezeichnungen des Profils als Durchschnittspunkt
der Linien aa, ff. etc., mit der Profilebene vcrstehen.
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Cbcr die Proportionsgesetze des menschlichen Ktfrpcrs etc. 107
die zur Bestimmung von m' in Tab. angegebene Relation, wonach m'z
dem Doppelten von aV entspricht: sie hat aber hier eine besondere Be-
deutung durch ihren Zusammenhang mit den Verhaltnissen der oberen
Extremitat, wie weiter unten zu ersehen. Nabel und oberer Beckenrand
liegen anstatt wie im 1. Buche zu koinzidieren, voneinander getrennt, der
Nabel k bis auf die Mitte des Interval Is vom untern Rippen- zum obern
Beckenrande {ik) heraufgenickt. Nur ftir letzteren (k) als den wichtigeren
ist in Tab. die zu seiner Bestimmung dienende Relation als um die
doppelte Lange em' von der Sohle entfernt, direkt angegeben (wahrend
k sich im oberen Drittel der Strecke b'q befindet). Von den tibrigen
Rumpfteilen hat nur die Brustwarzenhohe Interesse, insofern nach Tab*
ihre Bestimmung einem nicht blofl in der Natur nach normalen Verhalt-
nissen, sondern ebenso in den Meisterwerken der bildenden Kunst oft
wiederkehrenden Gesetze entspricht, demgemafi der Abstand df genau
der Kopflange gleichkommt, wobei es auftallt, dafl dasselbe hier zum
erstenmale bei Diirer Anwendung findet, im ganzen 1. Buche dagegen
nicht. Die Bestimmung von g ist ofFenbar als ein Anschlufi an die bereits
diskutierte beziiglich der Lage des Punktes n aufzufassen.
Beziiglich der oberen Extremitat wurde im vorherigen schon auf
die Bedeutung der Lange tn'z hingewiesen, deren Doppeltes nach Tab. der
Lange tow der ausgestreckten Arme entspricht, die sich demgemafi auch, was
Tielleicht noch naher liegt, als das 4fache des Abstandes ad' auffassen
liefie. Man sieht, diese Bestimmung kann nur stattfinden, wo die Arm-
lange nicht zu kurz und Punkt m' verhaltnismaflig tief liegt, wie im vor-
liegenden Falle, ftir welchen darum die Bestimmung charakteristisch ge-
nannt werden mufi.
Ubrigens konnte man, in Ermangelung derselben, auch die in Tab.
nicht aufgenommenen betrachten, wonach sich der Abstand k'k' beider
Handwurzeln in der vorausgesetzten Armhaltung der Lange ez vergleicht,
sodafi also durch die gen. Mafie in der Vorderansicht ein voiles Quadrat
umschlossen wird. Ebenso einfach und leicht zu merken ist die in mo-
difizierterWeise mehrfachwiederkehrende, wonach dieLinie der Handwurzeln
bei vertikal herabhangenden Armen mit der Hohe von n koinzidiert, wie dies
bereits im korresp. Falle des 1. Buches stattfand, wo gleichzeitig auch die
obere Begrenzungslinie act mit e koinzidierte. — Die zur Bestimmung des
Oberarmendes dienende Relation hat wohl mehr zufalligen Charakter.
Die Hand ist schliefilich durch die Bestimmung, wonach deren drei auf
die Strecke en gehen, als appr. Maximum gekennzeichnet: ebenso die
Fufllange, sofern sie nach Tab. auf der Strecke: Knie — Sohle nur fiinfmal
enthaJten ist, somit das Vitruvianische Mali, welches im 1. Buche dem
Maximum entsprach, noch um einige partes iiberschreitet. Da aufier-
dem auch der Abstand der Oberschenkelknorren-Centra /'/' sich grofier
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108 ConsUntin Wintcrberg:
als die Fufilange ergibt, so (ibersteigt auch die Basis tow hier die halbe
Korperlange nicht unbetrachtlich, wahrend sie derselben im i. Buche nur
gerade gleichkam.'1)
b) Quermafie.
i. Dicken.
Das Maximum der Kopfdicke findet sich nach Tab. interpolatorisch,
mittels korrespondierender Breiten: jedenfalls geringer als beim Typus i
des i. Buches, wo sich der Profilschnitt als voiles Quadrat ergab. Nur
die Gesichtstiefe ist durch die gleiche Relation gegeben, flir die des
Halses gilt dagegen das tiber die Quermafie im allgemeinen Bemerkte.
Gegen Typus i des i . Buches ist ferner die Vergroflerung der Brusttiefe
und Verminderung der Gesafldicke von Bedeutung, indem hier beide
Mafie sich gleichstellen. Sie libertreffen demzufolge beide die als Kasen-
tiefe anzusehende Fufilange: ein Fall, der aufierdem sich nur bei Frauen
wiederholt. (Dafi die Brusttiefe sich nach Tab. als Teil von ai' ausge-
drlickt findet, erklart sich dadurch, dafi dieselbe hier in die H6he der
Armspalte b\ anstatt wie sonst in die von / fallt). Naturgemafi ver-
mindern sich auch die beiden andern Rumpfdicken: Bauchtiefe und
Dicke in o. Am meisten charakteristisch ist unter den Dicken der Ta-
belle offenbar die Bestimmung der als Maximum gekennzeichneten Gesafi-
tiefe, welche Eigenschaft bei der ihr gleichen Brusttiefe weniger hervor-
tritt. Nach denen des Rumpfes proportionieren sich wie sonst die
ubrigen Mafie : die Kniedicke als dritter Teil der Lange qz als Maximum.
Analoges gilt fur die obere Extremitat, wo die Dicke des Oberarms ein
Maximum ist, sofern sie das im i. Buche angegebene Verhaltnis zur
Brusttiefe noch Uberschreitet. ")
2. Breiten.
Ftir das Maximum der Kopfbreite ergibt sich nur die Bestimmung
als Ftinffaches der Schadelhohe (a6*), was auf einen niederen Grad der
Intelligenz hinzudeuten scheint. Als Bruchteil davon findet sich die des
Gesichts, analog wie auch in anderen Fallen (vgl. T. 3). — Von den
Rumpfmafien ist die Schulterbreite zu £ der Rumpflange selber darge-
stellt, im Vergleich zu ahnlichen Bestimmungen spaterer Falle (vgl.
Typus 3) als Maximum charakteristisch. Die Verschiedenheit gegen die
des 1. Buches ist im librigen nur eine scheinbare: indem die grofiere
Handlange des vorliegenden Typus den gleichen Ausdruck wie dort
formell nicht gestattet; in Wirklichkeit ist in beiden Fallen das Mafl
3>) Die resp. Mafie Dlirers lassen hier allerdings eine cinfache Beziehung
vermissen. Man findet aber lcicht, dafi der Abstand wZj die halbe Lange ww bis auf
1 pars Unterschied erreicht.
23) Nach Tab. am einfachsten als Mittel aus den Vcrtikalabstanden ttf der
Vorder- und RUckseite darstellbar.
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Ober die Proportionsgesetie des menschllchcn KiSrpers etc. 109
^V Korperlange. Rippen- und GesaUbreite zeigen dagegen hier ein ge-
geringes Wachstum, welchem sich auch der zur Rippenbreite in dem-
selben Verhaltnisse wie dort stehende Brustwarzenabstand anschliefit.
Doch nur die beiden ersten sind nach Tab. wie auch bei den Dicken
durch Langenmafi als die wichtigeren und als Maxima deutlich gekenn-
zeichnet, die anderen Rumpfbreiten danach interpoliert. Uberdies
lassen die Bestimmungen der Tabelle, wie man leicht tibersieht, in den
dabei benutzten Langen einen gewissen Zusammenhang ebenso wie bei
den Dicken erkennen, welcher nicht sowohl als zufaMlig, sondern offenbar so
von Dttrer beabsichtigt aufgefaflt werden mufi, weil auch in den (ibrigen
Typen ein ahnlicher Zusammenhang wiederkehrt. — Hinsichtlich der
ubrigen Mafie lafit in der untern Extremitat nach Tab. eigentlich nur die
Bestimmung der Minimaldicke liber dem Fuflknochel als Halite der
Kjiiedicke Bekanntes erkennen, welche letztere anstatt durch den Unter-
schenkel hier durch den Abstand oq der Oberschenkelpartie, also durch
cine offenbar weniger naheliegende Bestimmung als die korresp. Dicke
gekennzeichnet ist. Ebenso findet sich unter den Mafien der oberen
Extremitat aufier dem nur hypothetisch angebbaren Maximum nur die
mit der EUenbogendicke tibereinstimmende mittlere Oberarm- und Hand-
knochelbreite scharfer prazisiert, wonach das tibrige sich interpoliert. — -
Zweite Gruppe.
Die beiden Typen 2 und 6 dieser Gruppe sind im Vergleich zu
den entsprechenden des ersten Buches augenscheinlich niederer Statur,
der erstere wohl unter mittlerer, der andere kaum mittlerer Grofie, in-
dem in beiden Fallen der Korperlange nicht mehr als ppt. 7 resp. 7^
Kopflangen gegeben werden. Diese Typen sind also nicht sowohl Modi-
fikationen jener des 1. Buches, als vielmehr ftir sich bestehende Ein-
schiebungen inner halb des relativ sehr weiten Intervalls von Typus 1 bis
zum nachstfolgenden.
In den Hauptverhaltnissen, insbesondere der Teilpunkte e und n
stimmen beide unter sich fast liberein, differieren dagegen in Bezug auf
die Lage der Kniemitte q sowie auch in den Teilverhaltnissen der Rumpf-
partie. — Typus 6 ist der elanziertere, in den Dicken schw&cher, dagegen
starker in den Breiten der oberen Rumpfteile, im ganzen leichter und
dastischer gebaut als der andere, der in seinen Verhaltnissen mehr an
jene untersetzten niedern Gestalten der Aigineten erinnert, welche man als
Reprasentanten maximaler Kdrperkraft anzusehen pflegt, dergleichen sich
o. a. bei Schadow a. a. O. als extremer, in der Natur noch moglicher Fall,
im cLesbenier» verkorpert findet. Dafi gegen diesen der Dtirersche Typus 2
so schwach erscheint, hat seine Erklarung wohl darin, das letzterer sich
zur Aufgabe stellte, die mdglichste KraftfUlle mit Sch6nheit, d. h. nach
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HO Constantin Winterbcrg:
mittelalterlichem Begriff mit auflerstem Grade der Schmalheit und
Schmachtigkeit zu verbinden.
I. Typus 2.
a) Langen.
Der vorliegende Typus ist, wie bemerkt, von niederm Wuchse: die
Kopf lange erreicht dabei das Maximum, welches fast ans Knaben-
hafte anklingt. Auch der Vertikalabstand : Scheitelhohe der Oberarm-
knorren-Centra, stellt sich als solcher dar, namlich nach Tab. als
5. Teil der Korperlange. Das Charakteristische liegt jedoch gegen
Typus 1 in der Verkurzung des Oberkorpers und entsprechender Ver-
langerung der unteren Extremitat, infolge Heraufschiebung der Linie
der Oberschenkelknorren-Centra (Punkt m'), demgemafl sich mit Bezug
auf die Lage von e auch die Rumpflange als solche verkiirzt, doch ohne
sich zu verschieben. Die dies ausdrtickende Relation:
am' = oz
bildet darum als besonders charakteristisch in Tab. den Ausgang fiir die
Konstruktion und man iibersieht zugleich, wie der ganze Charakter von
dem des Typus 2 im 1. Buch verschieden sein wird, indem die Korpermitte
bei letzterem in den Spalt, also 0 offenbar viel naher tallt als ///', wahrend
sie hier zu beiden symmetrisch liegt. Da ferner, wie sich aus der Be-
stimmung des Abstandes az (vgl. Note 1. Tab.) ergibt, die Lange qz,
als dritter Teil davon, sich gegen Typus 1 offenbar nur unwesentlich
wird andern konnen, so kann sich die Verlangerung der unteren Extremi-
tat nur in der des Oberschenkels resp. in der Lange von oq bekunden.
Punkt n dagegen ist, wie schon dessen Bestimmung nach Tab. zeigt,
hier nur von untergeordnetem Interesse, da derselbe bereits durch o
mehr oder weniger vorgezeichnet erscheint. Wichtiger wtirde beim Uber-
gang von Typus 1 zu 2 der Punkt i fiir die Konstruktion sein, sofern
sich dessen Teilverhaltnis der Korperlange unverandert ubertragt, obgleich,
da dasselbe kein einfaches ist, eine beztigliche Relation der Tabelle fehlt.
Auch die Lage des mit dem oberen Beckenrand koinzidierenden Nabels
hat wie im vorigen Falle hier nur untergeordnete Bedeutung und stellt
sich nach Tab. gewissermafien als Fortsetzung des bezuglich ;//' und o
bestehenden Gesetzes dar, indem ebenso wie jene zu C, sich k und o
wieder symmetrisch zu m' verhalten. —
Von den obern Rumpfpunkten ist e bereits durch a mehr oder
weniger bedingt, die Hohe der Brustwarzen durch dieselbe Relation wie
im vorherigen Falle gegeben, wovon dann wiederum die der unteren Brust-
kontur abhangt. In Tab. wurde dafiir ein von f unabhangiger Aus-
druck (gq = 4<*g) seiner Einfachheit und Verstandlichkeit wegen vorge-
zogen, der jedoch auch in dieser Form immer nuT individuelles Interesse
beanspruchen dtirfte, da analoge Bestimmungen in andern behandelten
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Cbcr die Proportionsgesetxe des menschlichen Kttrpers etc. 1 1 1
Fallen sich nicht wiederholen. Hinsichtlich der Arme findet nach Tab.
der auch im i. Buche nicht vorgekommene Fall zum erstenmale statt,
dafi die Lange o>a> der Korperlange genau entspricht. — Die Lage der
Handwuxzeln bei vertikal herabhangenden Armen lafit ihrerseits in der
zu ihrer Bestimmung dienenden Relation, wobei Ce an Stelle von an tritt,
gegen die von Typus i nur eine unwesentliche Variante erblicken. Von
noch weniger Bedeutung sind die beiden fehlenden Punkte f und o\
obgleich Tab. dafiir sehr emfache Bestimmungen liefert.18) ,
Den Zusammenhang der obern und untern Extremit&t will Dtirer
augenscheinlich in diesem Falle dadurch ausdrlicken, dafi er, wie auch im
nachsten Typus 6, Oberarm und Fufi von gleicher Lange setzt, eine Be-
stimmung, die, wenn uberhaupt, nur denkbar erscheint, wo der Fufi sein
Maximum, der Oberarm sein Minimum erreicht. Viel haufiger ist be-
kanntlich in der Natur der Fall, dafi Unterarm und Fufi gleich grofi
erscheinen, was bei Dtirer allerdings schon dadurch ausgeschlossen er-
scheint, dafi die voile Lange des Unterarms (inkl. Ellbogenlibergriff) nicht
angegeben wird. Unleugbar liegt in dieser, im Gegensatz zum ersten
Buch prinzipiell durchgeftihrten, Verktirzung der oberen Extremitat, ins-
besondere des Oberarms eine gewisse Willklir, fUr welche eine innere
Notwendigkeit nicht abzusehen ist, insofern selbst unter den antiken
Bildungen, da wo die Armlange ihr Minimum erreicht, die Knabentypen
inbegriffen, der Oberarm die Fufilange stets noch urn ein merkliches zu
ubertreffen pflegt.14)
b) Quermafie.
i. Dicken.
Die Kopfdicke ergibt sich wie bei den meisten Typen des 2. Buches
interpolatorisch : die Halsdicke als das i^-fache der Halslange nicht so-
*ohl durch die Starke als durch die Ktirze des Halses zu erklaren. Von
den Rumpfmafien lassen Brust- und Bauchtiefe eine Verstarkung gegen
Typus 2 des 1. Buches wahrnehmen, wahrend die Gesafitiefe sich nahe-
m wie dort ergibt. Trotzdem somit die letztere von der Brusttiefe um
ehige partes tiberschritten wird, bleibt diese hinter der als Kasentiefe
inzusehenden Fufilange auffallend zuriick. Die nach Tab. der Kopf lange
gieichgesetzte Gesafidicke gestattet, da diese mit der Unterarmlange
kientisch ist, nebenbei den unmittelbaren Vergleich der qu. Mafie. Sie
°) Die der GesichtshOhe b*d gleiche Handl&nge kann tur Bestimmung von 0'
iffi rorliegendcn Falle Ubergangen werden, insofern nach dem Gange der Konstruktion
der Ponkt b* fiberhaupt hier keine Rolle spielt.
u) Auch mit Hinzunahme des Abstandes <zV, d. h. also die ganze LSnge vom
bochiten Ponkt des Oberarms, wie bei den Antiken gezahlt, bleiben die Mafie hinter
den letztercn erheblich zuriick, wie schon daraus hervorgeht, dafi das Intervall der
KariabiJiUt beide Grenzen (103I - 123/) auch so viel tiefer gerUckt zeigt, als bei
letxtereo.
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H2 Constantin Winterberg:
ist somit eigentlich das Hauptmafi fur die Rumpfdicken indem auch die
Brusttiefe sich danach interpolatorisch ergibt (vgl. Anm. 7 — 9 d. Tab.).
— Nach den Rumpfdicken proportionieren sich die tibrigen, von der
untern Extremitat besonders die auch im ersten Buche fur mittlere
Typen vorherrschende Bestimmung der Kniedicke zu £ der Unterschenkel-
lange. Die Mafie der oberen Extremitat zeigen dies weniger deutlich,
doch steht die in Anm. 4 der Tab. zur Bestimmung des Maximums (17')
gegebene Beziehung nicht isoliert: ebenso ist die der Handdicke schon
im 1. Buch vertreten.
2. Breiten.
Ftir die Kopfbreite gilt im allgemeinen das beziiglich der Dicke
Bemerkte. Auch die des Halses findet sich wie im vorliegenden Fall
nur ausnahmsweise durch einfache Ausdriicke gegeben : tibrigens zeigt sie
sich gegen die korresp. Dicke nur um 1 p. vermindert. Voile Gleichheit
beider Mafie findet sich dagegen, im Gegensatz zum 1. Buche, nach
Tab. im zweiten nur ausnahmsweise. — Beziiglich der Rumpfmafie zeigt zu-
nachst die Schulterbreite sich gegen Typus 2 des 1. Buches, wo sie in
runder Zahl zu J KSrperlange, also auffallend schwach angesetzt war,
verglichen z. B. mit Schadows mittleren Mannestypen sogar noch um
einige partes vermindert, indem sie nach Tab. dem Vertikalabstande
Brustwarzen — Rumpfende entspricht. Dem entgegen zeigt die Rippen-
breite das normalmaflige Mafl des mittleren Mannestypus, welches aller-
dings wegen der Schmalheit der Schultern nicht wie sonst als £ dieser,
sondern nach Tab. als der gleiche Bruchteil des der normalen mittleren
Schulterbreite ungetahr entsprechenden Abstandes etri sich darstellt.
Ebenso erklart sich die Angabe der Tab. Anm. 5 hinsichtlich des Brust-
warzenabstandes dadurch, dafi er der Rippenbreite entsprechend gegen
die halbe Schulterbreite etwas vergroflert werden mufite. Auch die
Weichenbreite proportioniert sich in nahezu normaler Weise zu der der
Rippen, wie nach der beztiglichen Bestimmung der Tab. insofern
ersichtlich ist, als der Abstand to, den sie demzufolge bis auf 1 p. erreicht,
auch sonst unter normalen Verhaltnissen daftir ofter als Mali auftritt.
Ebenfalls die Gesafibreite, zwar etwas stark bemessen, schliefit sich hin-
sichtlich der in Tab. enthaltenen Bestimmung als dritter Teil des Ab-
standes kz den auch sonst vorkommenden Fallen an. Die tibrigen
Breiten proportionieren sich wie gewohnlich, was beziiglich der untern
Extremitat die wie auch sonst der Kniedicke gleichgesetzte Wadenbreite,
ebenso beziiglich der Arme vom Maximum abgesehen, die der mittleren
Oberarm- und ebenso der Handbreite bekundet.
II. Typus 6.
a) Langen.
Die Kopflange ist gegen Typus 2 nur um 2 p. vermindert.
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Ubcr die Proportionsgesette des menschlichen Kttrpers etc. 113
Im Vergleich zu ihm stellt sich, wie bereits bemerkt, der vorliegende
von elanzierterer Form obgleich nur mittleren Wuchses, iiberdies von
moglichst normalen Proportionen, indem schon aus den Relationen der
Tabelle unverkennbar die Absicht Dtirers spricht, die einfachsten und iiber-
sichtlichsten Verhaltnisse der Natur in diesem Typus zu veranschaulichen.
Mit Schadows mittlerem Manne von 66" verglichen, findet sich allerdings
auch hier ein grofier Unterschied in der relativen Schmalheit des vor-
liegenden, wofiir der Grund im allgemeinen bereits angegeben wurde,
ebenso auch demzufolge in den Vertikalverhaltnissen. In einzelnen Punkten
herrscht allerdings Ubereinstimmung. Nur in diesem Falle hat z. B. wie
bei Schadow die Korpermitte C als mit dem oberen Penesrande n
zusammenfallend, eine anatomische Bedeutung, weshalb die dies aus-
driickende Relation der Tabelle:
an = nz
fur diesen Fall charakteristisch ist. Gegen Typus 2 und 3 des 1. Buches,
wo der Spalt h die Stelle von n vertritt, liegt darin ein wesentlicher
Unterschied, insofern durch Verlangerung des Oberkorpers und Verkiirzung
der Beine der Natur im vorliegenden Falle offenbar mehr Rechnung ge-
tragen wird. Mit n verschiebt sich selbstredend auch m\ im vorigen
Falle mit o symmetrisch zur Korpermitte gelegen, nach abwarts. Die zur
Bestimmung von m' dienende Relation der Tabelle charakterisiert jedoch,
mit dem vorhergehenden verglichen, nicht sowohl dies, als vielmehr das
Heraufrticken der Brustwarzenlinie. Mit ihr in gleichem Sinne verschieben
sich die oberen Rumpfteile, wie die der Kopflange hier gleichgesetzte
Brusthohe eg ersehen laflt, wahrend das obere Rumpfende e gegen
Typus 2 fast ungeandert bleibt. Von den librigen Punkten ist ins-
besondere das Teilverhaltnis des Rumpfs in dem naturgemafl ebenfalls
etwas aurwarts geruckten Punkt i von Interesse, wobei im Gegensatz
zu Typus 2 nicht dem Rippenkorb sondern der untern Rumpfpartie
die grofiere Lange zugewiesen wird. Dies ware jedoch, der ent-
sprechenden Relation der Tabelle zufolge, wonach Punkt i die Mitte
des Abstandes aq bilden soil, nicht mbglich, ohne dafi gleichzeitig auch
der letztgenannte Punkt, die Kniemitte, sich nach aufwarts verschiebt,
somit die Lange oq des Oberschenkels verktirzt wird. Dies bestatigt
denn auch die beziigliche Relation der Tabelle, wonach sich diese Lange
als Halfte der des Rumpfs ergibt. Bei der obern Extremitat, deren
Bestimmungen in diesem Falle besonders charakteristisch sind, ist das
wie bei Tab. 2 der Korperlange gleiche Mafl u>u> der ausgestreckten
Anne noch nicht das Wichtigste: es tritt vielmehr noch eine zweite
Bestimmung hinzu, durch welche der auch hier mit dem obern Beck en-
rand koinzidierende Nabel eine besondere Bedeutung erlangt, indem
mitteb des genannten Punkts die Armverh&tnisse, oder umgekehrt, wenn
Rejxrtoriam fttr Kunstwissenschaft, XXVI. 8
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114 Constantin Winterberg:
diese bekannt, daraus die Lage jenes abgeleitet werden karm. Dieser
bereits einleitend angedeutete Zusammenhang tritt nach Dlirer nicht in
alien Fallen ein, sdndern findet sich nur in dreien, und zwar bei beiden
Geschlechtern wiederholt, und besteht darin, dafi der vom Nabel k*b) als
Zentrum mit dem Radius kz beschriebene Kreis durch die beiden Mittel-
fingerspitzen ot oi der ausgestreckten Arme geht, diese soweit erhoben
gedacht, bis die genannten Fingerspitzen die durch den Scheitel gelegte
Horizontale treffen (vgl. Fig. i). In der Tat zeigt die Rechnung,
dafi, bis auf eine minimale Differenz das gesagte fiir die Daten des
vorliegenden Falles zutrifft: in den beiden vorigen dagegen die
Spitzen do, urn in der bezeichneten Horizontale zu bleiben, ziemlich
stark iiber die Peripherie des genannten Kreises hinausfallen wtirden.
— Da hier iibrigens nach den Relationen der Tabelle sowohl die
Armlangen und deren Teile wie auch der Abstand der Oberarm-
knorren-Centra act, von denen aus dieselben zahlen, als bekannt anzu-
sehen sind, so finden sich nach Andeutung der Fig. i zunachst die
Punkte ofit und mittels dieser dann Punkt k, indem man auf der Mitte
der in a. a. O. fehlenden Verbindungslinie ojz eine Senkrechte errichtet,
deren Durchschnitt mit der Korperaxe den qu. Punkt ergibt (in Tab. durch
die Relation: kz = otk kurz angedeutet). Die Bestimmungen der Arm-
teile nach Tab. bedtirfen keines Kommentars; fiir die Konstruktion ist
nur zu beachten, dafi die Lage der Horizontale, worauf die Strecke mw
und ihre Teile aufgetragen sind, zur vertikalen Hauptaxe laut Anm. i
der Tabelle dadurch gefunden wird, dafi wie ad Typus i bei senkrecht
herabhangenden Armen die Linie der Handwurzeln A'Jk' mit n koinzidiert,
welcher Punkt als Korpermitte hier als a priori bekannt anzusehen ist. —
Das Verhaltnis von Oberarm- und Fufi- zur Korperlange ist gegen Typus 2
unverandert: nur das von Unterarm und Hand durch Verklirzung der
letzteren und entsprechende Verlangerung jener dem leichteren Kdrperbau
mehr angepafit.
b) Quermafie.
1. Dicken.
Die Kopfdicke — in Tab. nicht angegeben — stellt sich als arith-
metisches Mittel zwischen korrespondierender Lange und Breite dar, wahrend
die Gesichtstiefe (ohne Nasenvorsprung) wie in anderen Fallen der Ge-
sichtshohe b*d gleichkommt. Ebenso entspricht die Halsdicke den
gewohnlichen mittlern Verhaltnissen. Uber die Brusttiefe, welche sich im
Anschlufi an die Kopfdicke gegen Typus 2 um etwas weniges vermindert,
obwohl die beztigliche Relation dies nicht zu tibersehen gestattet, gilt
") k = Nabel, turn Unterschied gegen den obern Beckenrand k so bezeichnet,
wo beide ausnahmsweise nicht koinzidieren.
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Obcr die Proportionsgesetze des menschlichen Kttrpers etc. 115
das bei letzterem bereits Bemerkte. Das Minimum der Bauchtiefe
(Dicke in k), welche bei Diirer mit Ausnahme des Typus 1 im allgemeinen
stets kleiner als die Kopftiefe sich darstellt, erscheint im vorliegenden
Falle ganz besonders schwach im Vergleich zu jener und zur Brusttiefe
bemessen. ,6) AuiTallend gering ist auch hier der nur auf ein 1 pars redu-
zierte Uberschufi der letzteren gegen die Gesafidicke, wie sich Ubrigens
schon in den beziiglichen Relationen nahezu angedeutet findet. Letztere
ist nach Tab. auch hier in Ubereinstimmung mit Typus 2 der Kopflange
gleichgesetzt. ,T) Als wesentliche Mafie sind somit hier Gesafl- und Brust-
tiefe gekennzeichnet. Die tibrigen Rumpfmafie sowie die der untern
Extremitaten finden sich nach Tab. meist interpolatorisch, so dafi sich
namentlich die Abschwachung der Kniedicke danach nicht ersehen laflt:
Ahnlich verbalt es sich mit der obern Extremitat, wo nur die Bestimmung
der Maximaldicke durch die halbe Oberarmlange fiir die Proportionierung
der tibrigen einen Anhalt bietet.
2. Breiten.
Wie Lange und Dicke bleibt auch die nach Tab. hier zur 3fachen
Schadelhohe angesetzte Kopfbreite gegen Typus 2 etwas zurlick, ent-
sprechend die tibrigen Mafie: Gesichts- und Halsbreite, obwohl aus
mchrfach angegebenen Grunde nach Tab. nicht zu ersehen. Dagegen sind
bezuglich der Rumpfmafie die Bestimmungen einfacher als sonst; ins-
besondere die allerdings wieder sehr schmal, obgleich etwas voller als
im vorigen Falle, namlich zu \ Korperlange, bemessene Schulterbreite
(als Halfte des Abstands an dargestellt), wahrend der Brustwarzenabstand,
nach Tab. interpolatorisch bestimmbar (Anm. 5), wenn auch nur um ein
Minimum starker als die Halfte von jener erscheint. Trotz der Ver-
grdfierung der Schulterbreite bleibt hinsichtlich der tibrigen Rumpfbreiten
im Vergleich zu ihr dennoch das dartiber im vorigen Falle Bemerkte so-
gar noch in verstarktem Mafie in Kraft zunachst allerdings hinsichtlich
der Rippenbreite, wahrend in den Weichen der elanzierteren Figur mehr
Rechnung tragend, die Breite sich gegen Typus 2 relativ schwacher
gestaltet. Vielleicht schon der tJbereinstimmung mit dem zur Bestimmung
der tibrigen Hauptmafie benutzten Langen wegen erklart es sich, dafi
auch fiir die Gesafibreite hier statt kz der Abstand ak auftritt, als dessen
Halfte sie sich darstellt. Gegen die Rippenbreite ist der Unterschied
ein sehr geringer. Deutlicher als die Dickenmafie lassen sich die Breiten
*) Da cine einfachere Bestimmung da fiir nicht zu ermitteln war, so wurde in
Tib. statt ihrer das Mittel aus den Dicken in i und k aufgenommen, welches, wie
*&ch die Ges&fitiefe, als einfacher Bruchteil der Rumpfl&ngc erscheint.
,T) Obwohl auch eine andere Bestimmung zu \m'q mOglich ware, die jedoch
weniger nahe liegt.
8*
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Il6 Constantin Winterberg: Uber die Proportionsgesetze etc.
der untern Extremitat als proportionale Fortsetzung zu denen des Rumpfs
(ibersehen, insbesondere die der Waden. In der oberen Extremitat gilt
dies zwar weniger, da sich das Maximum nicht einfach genug ausdrlickt,
doch deutet wenigstens die mittlere Oberarm- und auch das Maximum
der Unterarmbreite seiner Bestimmung nach auf mittlere, den iibrigen
sich anschlieflende Verhaltnisse. Etwas willkiirlich erscheint allerdings
die vollstandige Ubereinstimmung dieser Mafie mit denen des vorigen
Typus.
(Fortsetzung folgt.)
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Zu den Landsknechten David de Neckers.
Von Campbell Dodgson.'
In den zahlreichen Aufsatzen, welche seit der Veroffentlichung
Breunner-Enkevoerths !) dieses Thema behandelt haben, ') wird man etwas
vergeblich suchen, was doch zur Sache gehort: eine Abschrift von der
Vorrede David de Neckers, die, soweit bekannt, nur in einem voll-
standigen Exemplar in Stuttgart erhalten ist. ") Eine solche Abschrift, die
ich der Giite des entgegenkommenden Direktors des Konigl. Kupferstich-
kabinets, Prof. K. Krautle, verdanke, mag an dieser Stelle die empfind-
Ikhe Liicke ausflillen.
Kurcze Vorred (iber diese | ftinflftzig Landsknecht.
DIse nachfolgende alte Landsknecht seind vor 60. und etlich jam
von dreyen guten berlimbten Malern, dero gewesner Namen, Hans Burk-
mair, ChristorT Amberger und Jorg Brew, alle damals zu Augspurg ge-
wonet, gerissen und gestalt worden, Hat Jobst de Necker formschneider,
mein lieber Vatter seliger zusamen geordnet, dieselben geschnitten, etwo
wcgen der guten bossen und seltzamen Kleidungen, weil keiner wie der
') Rbmisch kaiserlicher Majestat Kriegsvolker im Zeitalter der Renaissance, Wicn
1S83, mit erlauterndem Text von Jacob Falke.
*) H. A. Schmid, Zeitschr. f. bild. Kunst. N. F. v. 24, und Kunstchronik, 2. Nov.
1&93. Sp. 56. R. Stiaflny, Zeitschr. f. christl. Kunst, 1894. VII. Sp. 119— 120.
W. Schmidt, Repertorium, XVII. 366—368. F. Dornh&ffer, Jahrb. d. Kunstsamml. d.
AUcTh. Kaiserhauses, XVIII. 35—36. Vgl. auch Pauli, Beham, Nrn. 1255—1258,
1455-1459.
3) Erst als obiges schon zum Satz gegeben war, fand ich die verraiflte Vorrede,
fieilich mit etwas abweichender Orthographie, im bekannten Buche Konrad Langes liber
Fldtner (1896) S. 25 publiziert. Ichj hatte es nicht versaumen sollen, das grilndliche
Werk Langes in diesem Zusammenhang nachzuschlagen, wenn es auch hauptsachlich
die eiste Scrie Breunner-Enkevoerths behandelt. Ich kann allerdings der Ansicht Langes
nicht beipflichten, dafl einige Numraern der zweiten Serie erst nachtraglich ftir D. de
Seeker nach den entsprechenden Nummern der ersten Serie geschnitten wurden. Kein
Fonnschneider des auslaufenden Jahrhunderts ware im stande gewesen, den Stil der
zwaxtriger Jahre so trefflich nachzuahmen. Die ganze Folge tragt, was den Scbnitt an-
bdangt, cin einbeitliches Geprage,
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1 1 8 Campbell Dodgson :
ander ist, damit die jugend lust gewinne sich darnach zu iiben und
reissen lerne. Weil nun aber unter diesen keines bisher gesehen worden
und niemalen in Druck auszgangen sundern biszher geschlafen: Hab ich
David de Necker solche alte gute bossen herfiir gezogen, die mit lustigen
Reimen, und in Druck gefertigt, wie vor augen.
Aus dieser Vorrede geht hervor erstens, dafi David wirklich der Sohn
Jost de Negkers war, was von Passavant und anderen bezweifelt worden
ist; zweitens, dafi die Folge von Jost de Negker oder wenigstens in seiner
Werkstatt geschnitten wurde. Die Ausgabe ist leider nicht datiert. Es Hegt
jedenfalls kein Grund vor, eines der beiden Jahre (1566, 1579), in denen
ein Wiener Aufenthalt 1). de Neckers allein beglaubigt ist, als Datum der
VerofTentlichung anzunehmen. Der Ausdruck >vor 60. und etlich jarn« er-
fordert vielmehr einen spateren Termin, gegen 1590. Die Holzstocke mogen
lange » geschlafen « haben, aber der Sohn irrt sich offenbar, wenn er meint,
seines Vaters Werke haben das Licht noch nie gesehen. Das Gegen teil beweisen
nicht nur die relativ haufig vorkommenden alten Abdriicke,4) sondern auch
die von Guldenmund und Meldemann um 1530 in Nlirnberg gefertigten
Kopien, bezw. Nachahrnungen. Darin, dafi D. de Necker nur drei
Kiinstler nennt, liegt, wie schon Schmidt bemerkt hat, kein Grund vor,
den Anteil eines vierten bezw. ftinften auszuschliefien. liber den Anteil
Burgkmairs und Breus an der Folge stimmen die Meinungen verschiedener
Forscher ziemlich iiberein. Wenn Schmidt meint, dafi die tibrigen
Nummern keinen so einheitlichen Stil aufweisen, dafi man dem weniger
bekannten Amberger alle zuweisen darf, mufi man dieser Beobachtung nur
beipflichten. Man wtirde freilich gar nicht erwarten, mitten in diesem
sonst ganz Augsburgischen Erzeugnis Arbeiten eines Ntimberger Kiinstlers zu
finden; doch ist ein Anteil Sebald Behams aus stilistischen Grlinden nicht
zu leugnen. Was hindert denn, dafi der wahrend seiner Wanderungen
in Ingolstadt und Mlinchen nachgewiesene Fltichtling auch in Augsburg
einige Zeit zugebracht habe? Pauli beschrankt dessen Anteil wohl mit
Recht auf die Nummern 7 und 10 bis 12; doch machen die andern von
Schmidt Beham zugeschriebenen Holzschnitte, Nr. 6, 23, 34, 36, 38,
unter den echt Augsburgischen Arbeiten einen etwas fremden Eindruck.
Wer sie eigentlich gezeichnet hat, mufi noch dahingestellt bleiben.
Es darf wohl einigen Lesern folgande vergleichende Tabelle der
bis jetzt verorTentlichten Meinungen liber die Autorschaft dieser vielfach
erorterten Blatter willkommen sein.
4) So ini Britischen Museum die Nummern 1, 3, 4, 6, 7, 9, 1 1 — 14, 20, 23, 28,
29> 34> 36' 37) 39 — 45. 47» 50, im ganzen scclisundzwan/ig Hlatt. Bei Nr. 9 steht
rechts untcn 1 cm. iibcr dem klcincn Straucli die Jahrcszahl 1489, welche wohl auf ein
historisches Ereignis anspiclt.
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Zu den Landsknechten David de Neckers.
Iiq
Nr. bei
Breunner-
1 Nr. bei
j Hirth
Schmid
Stiafiny
Schmidt
Dornhoffer
Pauli
Enkevoerth
I
1 447
Amberger5)
Amberger
2
448
Burgkmair
3
444
*
4
«
5
443
n
6
|
Amberger
Beham
nicht Beham, 1459
7
n
Beham, 1255
8
I
Amberger
Amberger
o
Burgkmair
IO
1
Beham
Beham, 1256
ii
r>
1258
12
r?
1257
'3
1
Amberger
Amberger
H
1
m
»
'5
1 436
Burgkmair
16
Amberger
Amberger
17
Burgkmair
18
450
Breu
Breu
Breu
19
441
Amberger 5)
Amberger
20
Burgkmair
21
452
Breu
Breu
Breu
Breu
22
455
J5
T
•n
»
23
Amberger
Beham
nicht Beham, 1458
24
451
Breu
Breu
Breu
Breu
25
Amberger
Amberger
26
Burgkmair
27
Amberger
Amberger
28
453
Breu
Breu
Breu
Breu
29
Amberger
Amberger
30
Breu
Breu
3*
Burgkmair
32
456
Breu
Breu
Breu
Breu
33
435
Burgkmair
34
Beham
nicht Beham, 1455
35
Amberger
Amberger
36
„
Beham
nicht Beham, 1456
37
Burgkmair
38
Amberger
Beham
nicht Beham, 1457
39
-
Amberger
40
T
V
4*
r
V
42
-
m
43
Breu
Breu
44
Amberger
Amberger
45
»
~
46
449
Breu
Breu
Breu
Breu
47
n
-
48
Amberger
..
49
454
Breu
Breu
„
Breu
50
Amberger
Amberger
*) In der Zeitschr. f. bild. Kunst hcificn diesc beiden Nrn. Breu; in der Kun>t-
chronik sind sie dagcgen, wie schon Stiafiny bemerkt hat, auf Amberger getauft.
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Appunti e documenti
Per l'Arte del pinger su vetro in Perugia nel sec. XV.
Di Conte Luigi Manzoni.
I.
Fra Bartolomeo di Pietro Accomandati da Perugia
de' PP. Predicatori.
Piu volte nell' osservare il finestrone di S. Domenico in Perugia
mi sono domandato come mai nel 141 1 si poteva colorire in tal guisa
in una piccola citta d'ltalia senza l'aiuto di artisti specialmente stranieri,
che l'ardito inventore avessero soccorso nella gravissima ed ardua impresa,
perche era sempre stato detto che quest' arte del colorir su vetro avevano
porta to nei nostri paesi i fiamminghi, che in essa si mostravano valentissimi.
Da un documento pubblicato dal Baldinucci si apprende che gli
operai di S. Maria del Fiore nella prima meta del secolo XV stabiliscono
di ornare di vetri colorati le finestre della chiesa loro, e nella delibera,
che e delli 15 ott. del 1436, si dice che vogliono vdecorare variis vitreis
variis historiis picturarum ut decet tarn indite Matrici Ecc/esiae«t e
percid stabiliscono iscripsisse in partibus Alemaniae Bassae in civitate
nomine Lubichi cuidam famosissimo viro nomine Francisco Dominic i
Livi de Gambasso comitates Florentiae magistro in omni et quorumque
genere vitreorum de mosaico.* (Tom. III. p. 12.)
Nel mentre che a Firenze si studia di ottenere cid, anche procu-
rando la venuta dell' artista in patria, a Perugia gia da piu anni, sino
dal 141 1, stando alia iscrizione posta sotto il detto finestrone della chiesa
di S. Domenico, un modesto frate termina un' opera, che addimostra un
ardire fortissimo nel solo immaginarne la concezione.
II finestrone di S. Domenico e un ampio vuoto ad arco acuto, in cui
sono dipinte 24 figure in piedi dell' altezza di oltre un metro e mezzo
e 41 altri quadri piu piccoli facendo un insieme di un' opera che misura
m. 21 circa di altezza e m. 8,50 di larghezza. Questa finestra, bifora, di forma
ogivale sorprende per la sua ampiczza, e fa meravigliare che essa sia
tutta ornata di mirabili figure dipinte su vetro, formanti un complesso di
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Luigi Manzoni: L'artc di pinger su vetro. 12 1
65 rappresentazioni. Detto finestrone £ diviso in due parti da una lunga
colonna di travertino, formando cosi una finestra detta bifora, quasi come
due nnestre unite in una sola. Ognuno di detti specchi pare faccia da
se avendo la sua punta ad arco acuto, ed i due archi sono chiusi dentro
un arco principale, che cosi i piccoli archi racchiude e collega, riunendoli
al sommo con una specie di rosone. Nel centro di esso il pittore
dipinse un Cristo a mezza figura benedicente colla destra, e tenendo
il mondo nella sinistra, con tomato da sei grossi fiori, tre rossi su
fondo bleu, e tre verdi su fondo rosso, che riempiono i sei vuoti formati
dai raggi di eleganti colonnette a spirali dell' ampia stella o rosone. Divise
poi Tartista le punte degli archi in 3 tondi e 3 punte; collocando e le
une gli altri in tre piani per ogni arco di ciascuna finestra. In questi
tre tondi per ogni punta d'arco pose tre angeli suonanti istrumenti.
Le tre punte sottoposte per ogni finestra divise in due piani; nel
piu alto, che vien terzo, contando dalla cima, pose due profeti maggiori
tramezzati da Mose e nell' altro specchio altri due profeti maggiori
tramezzati da David. Nel quarto piano pose due evangelisti tramezzati
dair arcangelo Raffaele e nel piano identico dell' altra parte pose altri
due evangelisti tramezzati dall' arcangelo Michele. Si giunge in tal guisa
al piano dei capitelli, su cui poggiano gli archi ripieni di tanti archetti
c rosoni, in cui sono dipinte le figurazioni sopra descritte. Dai capitelli
in giu cominciano le figure di Santi in piedi disposte come vado a descri-
vere incominciando l'enumerazione da sinistra a destra. In ogni ripiano,
che e alto 3. metri, sono tre figure per bifora, per cui sonvi sei figure,
per ogni ripiano. Nel i° ripiano io veggo S. Paolo, S. Giacomo
apostolo **) ai cui piedi £ un divoto inginocchiato, e non S. Giovanni
Battista come crede il Siepi, l'angelo Gabriele, e poscia la B. V. Annunziata,
S. Giovanni Evangelista e S. Pietro.
Nel 20 ripiano: S. Stefano, S. Pietro Martire, S. Costanzo e poi
S. Ercolano, S. Domenico e S. Lorenzo.
Nel 30 ripiano: S. Tommaso d'Aquino, S. Agostino, mentre altri vi
vuol vedere S. Ambrogio, S. Gregorio oppure un apostolo, e poi nell' altra
parte S. Ambrogio e S. Gregorio Magno, S. Girolamo, S. Alberto Magno o
S. Antonino.1)
») Nota il Siepi nella sua Guida al Tom. II. p. 508 che nel 1821 essendo
ffidata quests, figura in frantumi vi si era supplito con la riproduzione della medesima
*a tela traspaxente. — La ragione per cui questa figura doveva rappresentare s. Giacomo
e Don s. Gioranni si e questa che cioe il pittore voile raffigurare il santo patrono
della faxniglia Graziani che era s. Giacomo, perche detta famiglia aveva tanto coo-
perato per la costruzione di detta vetrata.
*) In questa figura il Siepi vuole nell' opera citata vedervi rappresentato
*. Antonino arcivcscovo di Firenze, mentre altri vi voile vedere il papa Innocenzo V;
ma io preferisco di vedervi Benedetto XI, prima perche tra figure di santi vi poteva
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12 2 Luigi Manzoni :
Sotto questo ripiano, a guisa di sgabello sono 1 2 tondi, sei per ogni
finestra rappresentanti i santi fondatori dei primi ordini religiosi, tra i
quali si riconoscono s. Romualdo, S. Giacomo, S. Agostino, s. Tommaso
d' Aquino, S. Bonaventura, S. Francesco d'Assisi, S. Basilio, S. Benedetto,
S. Bartolomeo, mentre in un r£ ed in altri due vescovi mancano gl' exn-
blexni per fare dei nomi.
Viene poscia un 40 ripiano in cui sono dipinte delle Sante e sono
S. Lucia, S. Elisabetta d' Ungheria, S. Maria Maddalena e poi nell' altra
finestra S. Caterina d' Alessandria, S. Caterina da Siena, S. Agnese.
Sotto quest* ordine, che £ 1'ultimo delle figure in piedi, awi un
rettangolo a modo di predella, diviso in tre quadri per parte. In quelli
ai lati esterni sono le armi della famiglia Graziani e negli altri
quattro specchi sono quattro miracoli operati dall* apostolo S. Giacomo
Maggiore. Sotto questa predella sonvi due iscrizioni, una antica ristaurata
dal prof. Moretti nelle lettere mancanti, a color giallo di forma gotica
arcaica, di cui ecco il tenore:
AD HONOREM DEI ET S. MATRIS | VIRGINIS MARIAE B. IACBOBI |
APOSTOLI ET B. DOMINICI | PATRIS NOSTRI ET TOTIVS CVRIAE CELESTIS |
FR. BARTHOLOMEVS PETRI DE PERVSIA | HVIVS ALMI ORDINIS PREDI-
CATORVM I MINIM VS FRATER AD SVI PERPETV|AM MEMORIAM FECIT
HANC VITRE|AM FENESTRAM ET AD FINEM VSQUE | PERDVXIT DIVINA
GRATIA MEDIAN|TE ANNO AB INCARNAT. DOM | MCCCCXI DE MENSE
AVGVSTI.
Sotto questa iscrizione awene poi altra in volgare in lettere romane
bianche, che dice cosi: GVASTA DAL TEMPO. MANOMESSA DAGLI VOMINI
MONCA SCOMPOSTA RIMESCOLATA. FRANCESCO MORETTI PRESE A
RISTAVRARLA E DOPO XII ANNI DI MOLTEPLICE LAVORO FINI DI
RICOLLOCARE IL 1879 CVRANTE IL MVNICIPIO CVI APPARTIENE.8)
Da questa prima iscrizione si rileva che questo splendido monu-
mento fu ideato e lavorato da un frate domenicano perugino. Chi era
questi?
stare anchc un beato, come fu il sopradetto pontence, a preferenza di Innocenzo, e
poi perche papa Benedetto fu un gran benefattore del' ordine domenicano, e
specialmente di questa chiesa, ove esso riposa nello splendido monumento lavorato
da Giovanni pisano (Vasari T. I. 315). — Va poi esclusa assolutamente l'idea che
l'artista abbia voluto rappresentare s. Antonino arciv. di Firenze, perche questi mori
nel 1459, e fu cannonizzato soltante nel 1523. — E poi notevole che l'Orsini nella
sua diligente Guida di Perugia (Perugia 1784. pel Costantini in 8° Jig,), ed il Pad.
Boarini nella Descrizione is tor k a della chiesa di s. Domenico di Perugia. (Perugia 1798+
stamp, Camerale in 4.) non faccino alcun nome dei santi rappresentati in questo
finestrone. E lo stesso silenzio si verifica nelle guide del Crispolti, del Morelli, del
Gambini e del Rossi Scotti.
3) Se la citta di Perugia e gli amatori della cose d'arte possono ancora aromirare
quest* opera grandiosa ed insigne lo debbono alia grande valentia e alia forte
perse veranza del bravo prof. Francesco Moretti il quale, tolti i pezzi di queste figure
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L'arte di pingcre su vetro. 123
Frate Bartolomeo domenicano fu figlio di un tal Pietro di Giovanni,
0 quale fa della famiglia degli Accomandati, che abitava nel none di S.
Pietro, e di cui il sepolcro scrive il Baglioni a c. 74 rovescio4) che doveva
trovarsi presso la cappella dei S. Apostoli Pietro e Paolo >// le letter e che
dkonoS(ser) PETRI VAnis ACOMANDATI et il segno delfondaco et Farme
de uno delfino*. E il segno o sigla del fondaco che addimostra esser
esso stato mercante e formata da un P e due cc intrecciati e
collegati ad un A.
Cosa facesse da giovinetto frate Bartolomeo noi non sappiamo, ne
c'importa di sapere, e forse avendo inclinazione alia pittura viveva in
qualche studio d'artista.
Si sa solo, come appare dal testamento di suo padre, fatto li
8aprile 1370 che in quell' anno esso era ancora nel secolo, e doveva gia
esercitare l'arte, perche lo troviamo inscritto nella prima matricola dell'
arte dei pittori, di cui gli statu ti furono compilati nel 1366 ed il carattere
con cui sono scritti detti statu ti e identico a quello con cui sono scritti i nomi
nella matricola, per cui essa potra essere anteriore ma non mai posteriore
all' anno, in cui furono scritti gli statuti. II nostro Bartolomeo sotto il
none di S. Pietro si trova scritto per decimo tra i pittori di quel rione in
tal guisa Bartholomeus Petri, per cui esso era pittore quando non erasi
ancora fatto frate.
II P. Marchesi*) sopra un documento fornitogli dal fu Prof. Adamo
Rossi, di cui non posso constatare la esattezza, che sino ad oggi io non
l'ho potuto rin venire, scrive che il 18. novembre del 1382 il nostro
Bartolomeo si trova nominato Sindaco del convento di S. Domenico e
che a rogito del notaio perugino Cola di Michele 1. ott. 1382 viene
autorizzato dal Priore del convento a procedere anche guidizialmente,
ove fosse bisogno, per il ricupero della parte che gli spettava dell' eredita
del padre. Pare che il nostro Bartolomeo fatto frate occupasse anche
Fufficio di Priore, giacche in un elenco dei Priori che si legge a carta
60 della Chronica de obitu fratr. Predicatorunt Conv. Sancti
Dominici de Perusio ab anno 1232 ad 1500 avendo aggiunte dei
scorn poste e collocate in casse, ebbc la mirabile pazienza di ricomporre di nuovo
tutte le figure, rifare i pezzi mancanti, imitando nel colorito e nel disegno l'antico,
e ridare alia lace un opera, che senza il suo sapere di grand* artista sarebbe stata
pcrduta per sempre. La citta, che saluto con ammirazione tanto pregievole lavoro,
ka serbato e serba gratitudine a tanto valoroso suo concittadino, che dodici anni
impiego a condurre a termine si pregievole impresa.
*) Baglioni P. Domenico — Regis tro della chiesa e s cures Ha di s, Domenko di
Perugia mcomhuiato nelV anno del Signore 1548. Manoscritto cartaceo in foglio, che
fa gia del detto convento cd ora trovasi nelle Biblioteca muncipale di Perugia.
*) Marcbesi P. Vincenzo, Memorie dei piu insigni pittori, scultori ed architetti
dcmenkam — 2 a Edizicne. Bologna 1870. Presso Gael. Romagnoli Voll. II. in &°.
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124 Luigi Manzoni:
sec. XV e XVI, e notato: F Crispoltus de Biitoni vixit circa
annum 13 6 p.6)
Fr. Jacobus Angelerius pcrusinus fuit difinitor Capitoli
Urbevetani 13pp.
F Laurentius perusinus magister fuit Prior pcrusinus
14.00.
Tempore quo intcrmissa est haec chronica fratrum, ut
infra dicetur, floruit vir ille summc laudandus frater
Bartholemeus Petri Perusinus qui mirabilem fenestram
vitream nostrae ecclesiae construxit, ut dare patet ex Uteris
in calce fenestra positis.
Nel margine del libro e scritto in carattere antico ^1411 fuit prior
perusinus 1413*. Questa notizia e confermata dal Bottonio7) il quale
nel i° tomo dei suoi annali alia pag. 141 sotto Tanno 14 13 esso scrive:
F. Bartolomeo di Pietro perugino era in quest' anno prior e del
nostro convento.
11 Marchesi sulla fede del citato Rossi lo dice morto nel 1420,
perche in un capitolo dei frati tenuto in quell' anno alii 27 febbraio, il
suo nome non figura. Tale assenza a me pare che non sia prova suffi-
ciente per creder morto chi non v'interveniva. Questo e il poco che
sappiamo che de hoc ingegnioso viro, alia non kabemus. (Chronica
Ms. cit.)
Esso non fu solo a lavorare in tal finestra, ma ebbe degli aiuti
come e presumibile pensare; ed infatti nella guarnizione della veste di
S. Caterina comparisce il nome di un altro artista che non e frate, cioe
Mariottus Nardi Florentinus che io ho trovato segnato nella
matricola dei pittori fiorentini compilata nel 1339 sotto Fanno 1414 che
e stato accomodato con scassature in 1404 ed ivi il suo nome e scritto
in lettere gotiche cosi: Mariotto di Nardo dipintore MCCCCXIV.
Ma fu esso il solo ad aiutare il frate perugino in tal sorprendente
ed immensa opera? Jo non lo credo. Vivevano in quel tempo altri pittori
di vetri come si rileva dai seguenti documenti che io pubblico nella loro
integrita, e furon questi Benedetto Bonfigli, Neri da Monte, Francesco
Barone monaco Benedettino di S. Pietro, ed un Paolo compagno del
citato Neri.
6) Manoscritto in pergamena in ottavo piccolo del sec. XIV. che fu gia del
convento di s. Domenico di Perugia, cd ora nella Biblioteca Comunale, ovc e segnato
n. 1141.
7) Bottonio P. Domenico — Annali del convento di s. Domenico di Perugia tial
1200 al /jo/. Manoscritto cartaceo in foglio in 2 volumi gia del convento di
s. Domenico ed ora nella Biblioteca Comunale.
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L'arte di pingere sa vetro. 125
n.
Di Benedetto Bonfigli e di altri pittori su vetro.
Del primo dei sopradetti artisti nei libri d'entrate e spese del
Monastero di S. Pietro sotto l'anno 1467 nel conto della sacrestia alia
carta 106 del volume, che contiene gli anni 1465 — 68, sotto l'anno
sopradetto si legge:
> Benedetto Bonfigli dipintore di vetri deve avere fino a di iiij aprile
f. 5. a bol. 40 per fior. sono per tanto gli damo per sua faticha della
pittura di una fines tr a di vetro che a dipinto la quale abbiamo fatto
per la nostra sagrestia che fu a misura br. viij a rag. di bol. xxiij il
br actio* e a carte 107.
> Spese facciamo per la nostra sagrestia deono dare fino a di 4
J aprile f 3. sono per tanti abbiamo facti buoni a Benedetto di Bonfiglio
dipintore di vetri posti debbi avere in q ° . . . . c. 106 per la dipintura
di I finestra di vetro che abbiamo fatto alia Sagrestia<i. E nello stesso
libro sotto detto anno alia c. 125 si legge:
•>Nere di Motite e Paulo suo compagno maestri di vetri deono
avere fino a di 1 Giugno 1467 f. xviiii a bol. xl per fiorino sono per
tanti facciamo loro buoni per loro magisterio d*una finestra di vetro
messa afighure color ate che loro feciono per la nostra Sagrestia, et etiam
per piu vetri color a ti et bianchi avemo per la detta finestra, et piu occhi
di finestra avemo da ////.«*)
Questo Neri da Monte dimorava prima del i486 nel rione di porta
S. Angelo, e dopo quell' anno passd ad abitare nel rione di porta Eburnea,
tantoche per ottavo si trova ascritto tra i pittori del rione di quella porta in
una matricola della meta del sec. XV anteriore si crede al 1462, ove
e notato 11486 cassus in die prima settembris quia positus porta Hebi.
Viveva ai primi del sec. XVI. trovandosi notato in un elenco che porta la
data del 1506, apparendo primo iscritto nella matricola di quell' anno tra i
pittori abitanti in quel rione, ed il suo nome non compare piu nella matricola
dello stesso secolo anteriore al 1523 di guisa che e a credere che esso morisse
tra il 1506 e il 1523. Di questo artista il Mariotti9) non fa ricordo e si
\ede che non ne ebbe contezza, perche non avrebbe mancato di fame
cenno nella lettera quarta, dove parla di altri pittori di vetro. Si vede
cbe lo stesso prof. A. Rossi non lo conobbe che pure ne fece ricordo ; e per
•) Alcuni di questi documenti in modo non esatto ed anzi incompleti furono
pubblicati per la prima volta dall' Abate Manari dei PP. Benedettini nel giornale
\Af4logitko nella descrizione che in esso stamp5 della chiesa di s. Pietro, ond' io
stante anche la rarita del periodico, in cui detti documenti furon editi, ho creduto,
merce la cortesia di quei RR. Padri, che si fosse per il meglio riprodurli nella loro
mtegrita. .
*) Letter e PiUoriche Perugine. Perugia 1788. Stamper ia Boduellina in 8°.
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126 Luigi Manzoni:
non aver forse conosciuti i manoscritti del monastero di S. Pietro non ebbe
mai sospetto che detto Neri fosse pittore di vetro, perche nel pubblicare nel
Tom. 6.° del suo Giornale ct Erudizione gli spogli dei pagamenti della
tesoreria Pontificia, laddove parla dei mandati di pagamento fatti a Don
Francesco Barone benedettino per i lavori in vetro, che faceva nel palazzo
vaticano, non da importanza ad un mandato di pagamento staccato il
26 Aprile 1453 a favore di detto frate benedettino per ducati 50, in cui
e detto che 15 ne furon dati a Bartolomeo da Perugia e 35 per %lui
per suo detto a Neri da Monte suo parente* mentre altri tre mandati
di pagamento eran stati rilasciati a favore di lui li 17 Febbraio e 6 li
ed 8 Aprile del 1453. Di lui dird di nuovo al fine di questo scritto.
E pare che questo Neri rimanesse ancora in Roma a lavorare con
frate Francesco, perche negli spogli predetti il Rossi stampava che alii
9 Maggio 1452 si fa mandato di > ducati 65 a boi 4.0 contati a Neri
suo per resto a saldo dachordo di tre finestre di vetro fatte ultima-
mente in san pietro a chapo a penitentieri a due. /. (fo) l*una€.
Chi sia Benedetto Bonfigli non occorre che io lo dimostri avendo
di lui scritto altrove l0) e piu ancora sto scrivendo in un volume che ho
a stampa.
Chi sia Don Francesco Barone e qual parentela avesse con Neri
dird piu sotto, che adesso mi preme rispondere ad una domanda, e cioe
che hanno a che fare queste notizie con l'invetriata di S. Domenico?
fe presto detto. Io ho dei dubbii sulla data, che leggesi nella sotto-
scrizione posta sotto il descritto finestrone, che cioe frate Bartolomeo di
Pietro avesse terminata l'intera finestra nel 141 1. Questo dubbio lo
ebbero il Mariotti !1) ed il Siepi, '*) e che cercd di far sparire il prof. Adamo
Rossi con supposti che non reggono alia critica, quando raccoglieva le
notizie sul frate domenicano, che il Marchesi pubblicd nel secondo volume
dell' opera citata.
Le ragioni di questo dubbio sono le seguenti:
La chiesa di S. Domenico prima che fosse riffata come oggi si
trova, era ad arco acuto come appare dalla volta del coro, dalle finestre
esterne, che son chiuse verso il vicolo del Castellaro, e dagli archi a volta
che soprastanno all* attuale costruzione.
Essa fu cominciata a costrurre nel 1436 e solo nel 1451 fu princi-
piata la volta della chiesa, che non era finita prima del 1458, e fu con-
sacrata da Pio II quando visitd Perugia nel 1459 e propriamente dice il
10) BolUtiino della Regia Deputaziont di Storia Patria per VUmbria. — Perugia*
Unione Tipografica Cooper atwa. In 8°. Tom. VI fascicolo II. P. 16.
") Opera citata pag. 88 e 89.
lT) Siepi Serafino% Descrizione topologica — is tor ic a della cilia di Perugia, — Perugia
1822 pel Garbinesu In 8°. Voll. II.
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L'arte di pingere su vetro. X27
Pellim1*) a dl 10 di Febbraio. Nella qual chiesa vedevasi gia detto
finestrone a vetri ma non era finito, tantoche il Pontefice maravigliato
dalla bellezza sua ordind che il medisimo fosse condotto a termine. U
che ci viene assicurato da testiroone oculare, che seguiva il Pontefice,
doe il Campano, il quale nella vita del medesimo la dove narra della
dimora da lui fatta a Perugia e della consacrazione della chiesa di
S. Domenico, scrive queste parole:
> Dedicavitque phanutn Dominici postulantibus civibus propter
eximiam magnitudinem et Dona primus intulit Fenestram quoque
eximiae magnitudinis pone aratn maxitnatn opere vitreo iussit occludi
artificio et textura texellatai.
Da queste parole non si pud a meno di non supporre che eravi
qualche parte della finestra che mancava di vetrata se il pontefice iussit
occludi.
Non potendovi essere una finestra prima dell' esistenza del fabbricato,
di cui essa era parte, cosi necessita venire a due conclusioni: o che
liscrizione e apocrifa o che la finestra esisteva in precedenza sia pure in
altre dimensioni in altro luogo prima che si facesse la chiesa alia meta
del sec. XV. fe a questa soconda supposizione che io mi tengo, perche
mi pare sciolga tutte le difficolta, che si presentano.
Non vi e dubbio che frate Bartolomeo non fosse gia pittore nel
1366, quando fu fatta la matricola dei pittori e quindi gia in quegli
anni non era piu un ragazzo, ma se non un nomo fatto, al certo un
giovinotto egli doveva essere.
Nel 1370 e ancora secolare quando in quell' anno il padre faceva
fl suo testamento, e stando al Marchesi nel 1384 era anche tale se esso
in quell' anno era sindaco del convento di S. Domenico, ed ayrebbe avuto
in quest' anno circa cinquant' anni se esso fosse stato ricevuto all' arte
avendo ormai raggiunta l'eta di anni 30 circa, per cui nell' anno 141 1
esso avrebbe avuto dai 70 agli 80 anni circa ed in quest' anno 141 1 era
gia da piu tempo frate domenicano.
Ora prima della chiesa di S. Domenico finita nel 1458 ve ne era
un' altra dedicata a questo Santo e piu piccola, o perche non
poteva essere in questa chiesa piccola la finestra di vetro fatta da frate
Bartolomeo? Nulla si oppone a ritenere cid, e allora sta benissimo
liscrizione coll' anno 1411, giacche in detto anno poteva benissimo vivere
&ate Pietro. Ma anzi a creder cid vi sono delle ragioni di tecnicismo
d'aitc che si deducono dall' opera stessa. A modo d'esempio i quattro
miracoli di S. Giacomo che si trovano nello sgabello del finestrone
addimostrano un' arte piu antica delle figure intere superiori dei santi
**) Pellini Pompeo, Dell* isiorit di Perugia — Venezia. 1634, Giov. Giacomo Hertz.
I* 4K Vol!. II. al Tom. II. pag. 650.
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128 Lutgi Manzoni:
e delle sante non solo per il disegno della composizione e per le tinte
delle figure ma per ragioni di pratica nel costrurre le lastre di vetro,
giacche in esse storiette i pezzi dei vetri sono piu piccoli di quelli adoperati
in talune figure grandi. Questo fatto si osserva anche nelle figure grandi
essendovene alcune che oltre al disegno e al grado dei colori addimo-
strano per la piccolezza dei vetri che l'arte di tirare ampie lastre non
era ancora conosciuta. Per cui io suppongo che delle figure del finestrone
una parte sia dei primi anni del sec. XV, una parte della seconda meta
di esso secolo; e quindi il finestrone dell' andca chiesa lavorato da frate
Bartolomeo sarebbe consistito in 12 figure disposte in tre ripiani od
ordini sormontati da analogo arco accuminato con rosoni e relativi
archetti, e quindi la finestra lavorata da frate Bartolomeo avrebbe avuto
in origine piu' piccole dimensioni.
Costrutta la grande chiesa dal 1436 al 1458, e conservata forse la
stessa architettura della piccola, si sono trovati con sole 12 figure da
collocare nel nuovo grandissimo vuoto, che ne conteneva il doppio. Quelle
figure che possedevano misero a posto, e cosl il Pontifice trovd fatta la
finestra, mancante di alcune parti, onde opportuno giunse il suo desiderio
che la medesima fosse condotta a compimento toccludi artificio et
textura tesellata op ere vitreot.
E di tali finestre colorate il Pontefice era amante, giacche dal libro
delle spese della tesoreria pontificia appare che esso non solo aveva
trovato il Vaticano, alia sua elezione al pontificato, ornato con simili
pitture, ma egli stesso teneva artefici che proseguissero in S. Pietro per
suo ordine l'opera dei suoi predecessori.14)
E allora l'iscrizione posta sotto l'ampio finestrone poteva esser
quella che si trovava sotto la finestra della chiesa piu antica e pud con-
venire a quella pittura. Quando cid non si voglia ammettere conviene
dire apocrifa l'iscrizione, giacche assolutamente l'intero finestrone non
e opera dei primi anni del sec. XV.
Mantenendo il mio supposto io credo che i frati di S. Domenico
che nel secolo XV erano ricchissimi abbiano a loro spese continuata
l'opera, aiutati dalla munificenza della famiglie Graziani, per cui nei due
quadrati esterni dello sgabello posero le armi di questa famiglia; ed uno
dei munifici oblatori vollero fosse colorito inginocchiato presso 1'apostolo
S. Giacomo speciale protettore di questa famiglia.
Pertanto se il finestrone fu ultimato nella seconda meta del
secolo XV, molto probabilmente vi avranno lavorato i pittori su vetro
che si trovavano a Perugia e tra questi Benedetto Bonfigli e Neri da
u) Rossi Adamo. Giornak d' Erudition*. Perugia. Tipografia BomowpagnL
18 y 2 — 77. al Tom. VI pag. 220 ecc.
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L'arte di pingcrc su retro. 129
Monte con Paolo suo compagno, che non si sa ancora chi sia, ed altri.
D trovarsi il Bonfigli occupato in colorir vetri spiega il lungo tempo che
esso impieg6 a dipingere la cappella dei Priori e cosl io trovo una
plausibile spiegazione alle sue ripetute interruzioni. Le quali non pote-
vano, come successe, mai essere biasimate dai Priori perch£ lo sapevano
impiegato a lavorare un' opera, di cui il compimento era stato ordinato
da un Pontefice, che Perugia aveva festeggiato in un modo insolito e che
si faceva a spese di un ordine religioso, che in quegli anni era una po-
tenza come altrove andrd a dimostrare.
E che in questa mia supposizione vi sia verita sta il fatto a com-
provarlo e cio£ che quasi tutte le Sante sembrano lavori usciti dalle
mani del Bonfigli. Conviene pensare che questi era tutto dell' ordine di
S. Domenico e se non avesse avuto moglie si sarebbe al certo fatto frate
nelT ordine, perche quando mori lascid tutto il suo patrimonio al con-
?ento e voile essere sepolto presso la porta della chiesa che dava sulla
ro del Castellaro. ! *) Mi mancano documenti precisi che fortinchino questa
mia induzione, ma tutti gli argomenti sopro portati mi sembra che diano
ad essa una base di probability.
Si comprendre che a questa mia idea par che si opponga l'iscrizione
posta sopra due righe, ma essa essendo divisa in tante parti quanto sono
gli specchi, cosi in luogo di due righe poteva in origine esser posta
sopra tre righe.
Ma una terza supposizione si presenta e che cio£ la parte della
chiesa che costituiva la cappella di mezzo e quelle lateral i fosse stata
costrutta come oggi si vede molti anni prima del 141 1, come suppone
il Marchesi1*) che scrisse esser questa parte della chiesa stata costrutta
fino dal 1304. La qual asserzione perd esso non documenta, per cui
non vi si pud prestare fede piena.
Si comprende di leggieri che quanto questo si potesse provare non
ti sarebbero piu dubbii di sorta alcuna.
Non ho eguale certezza che in queste pitture abbiano lavorato il
benedettino Don Francesco Barone e il suo parente Neri da Monte col
compagno Paolo, perche essi dal 1450 al 1463 operavano insieme al
Vaticano ed il secondo di essi in patria lo troviamo occupato per il
Monastero di S. Pietro a depingere finestre. Comunque si spieghi la cosa
sta di fatto che il fmestrone fu dipinto da fr. Bartolomeo, e da la-
voranti del suo studio fu terminate, perche e impossibile che un uomo
solo potesse fare da se solo si dificile e grandiosa impresa.
u) E da vedere il suo testamento da me pubblicato nel citato numero del
Bollettino di Storia Patria. Per l'Umbria.
l€) Marchesi P. Vine, Op. ciU Tom. II. pag. 539.
Rapertoriam Wr Kanstwistenschaft, XXVL 9
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1*0 Luigi Manzoni:
III.
Don Francesco Barone e Neri da Monte.
Fu egli di nascita perugino ed appartenne al Convento o Abbazia
di S. Pietro in Perugia. II p. Galassi disse al Mariotti (pag. 92 op. cit.)
che »fu della famiglia Brunacci e che fece la solenne professione in
quel monastero di S. Pietro il 1 ° Gennaio del 1440 »che« fu abate in
Napoli »e che« mori in S. Paolo di Roma*.
Quando si fece frate in Perugia era gia uomo adulto, e forse e quel
vFranciscus Antonii* che nella matricola del 1366 si trova scritto per
quarto tra gli artisti di porta Sole e che in carattere antico di fronte al
suo nome si trova scritto *cassus quia portatus in porta sancti Petri
in qua habitat et alibratur*.
Nulla posso dire della sua gioventu, ed il primo documento sino
ad oggi rinvenuto e dell' anno 1443 citato dal Mariotti (Op. e. 1. cit.) cioe
il ricordo di un pagamento da farsi al medesimo dalla Societa degli
oltramontanti, ove sotto l'anno 1443 e detto » Don Francesco de Barone
de avere per una fenestra de vetrio la quale fece esso per la chapella
nostra in Sancta Maria de Servi fiorini cinquanta et sej*.
II titolo di don preposto al nome di lui addimostra che non solo
esso in quest' anno era frate, ma di piu sacerdote. Un secondo docu-
mento del 1446 pubblicato dal Com. Luigi Fumi ricorda un pagamento
fatto dalla fabbrica del Duomo di Orvieto al nostro Don Francesco per
una finestra lavorata per quell' edificio IT) e ove pare rimanesse sino
al 1449.
Da Orvieto Don Francesco passd a Roma chiamatovi dal Pontefice
e nel 1450 riceve a di 20 di Febbraio il pagamento di ducati 80 »per
chosto de la quarta fenestra de vetro da la man mancha*, ed il 30 marzo
altri 80 ducati gli sono pagati »/*r V ottava fenestra de vetro che a
fatta in San Pietro* ed ivi sembra che lavorasse a tutto il 1452, giacche
a di 11 novembre di quell' anno riceve per tal titolo un pagamento di
40 ducati.
Negli anni 1453 e 1454 trovasi pure in Roma impegnato in simili
lavori nel palazzo Vaticano ed e in compagnia di Neri da Monte suo
nipote che per conto dello zio riceve alii 9 Maggio del 1454 un bollet-
tino di pagamento di ducati 65. Un terzo documento pure pubblicato
dal Rossi (op. cit. T. II. p. 325) ci assicura che il nostro Don Francesco
si trova va nel 1458 a Perugia figurando qual testimonio ad un paga-
mento fatto dai Frati di S. Francesco ad un maestro Stefano miniatore. I8)
Ed altri molti documenti che io rinovenni nei libri d'amministrazione
,7) Fumi Luigi, // Duomo cT Orvieto e i suoi ristauri. — Roma. 1891. Societh
LaziaU tipografico-editrkc. In 4* fig.
KW) Rossi prof. Adamo — Gfornale d Erudizione Tom. II. pag. 325
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L'arte di pingere su vctro. 13 1
del monastero di S. Pietro in Perugia ci assicurano che egli nel 1460 era
al servizio del Monastero e che dal 1461 al 1463 fu cappellano della chiesa
di S. Costanzo e che tenne quell' incarico a tutto li 12 Novembre, tro-
vandosi a carte 164 di quel libro il saldo del conteggio di dare e di
avere di lui col Monastero che si compie dal suo nipote Neri da Monte.
E che esso Don Francesco abbandonasse in quell' anno il convento di
Perugia lo prova un altro fatto, e cioe che in detti libri d'amministrazione
sotto il gennaio 1464 e notato che si fa un pagamento al nuovo capel-
lano di S. Costanzo che e un tale Don Antonio. »E a di detto (2 gennaio
1464) soldi 20 a conto de d. Antonio cape llano di san Costanzo in quad,
c. 182 per c (corba) / di grano. e alia carta 182 leggesi Don Antonio nostro
capellano a San Costanzo de avere fior. iiij, lib. 2. s. 11 per suo salario
de mezzo anno ave servito siendo Capellano in debito salariif iiij lib. 2.
s. 11 d. Uy.*. Onde se il 24 gennaio questo Don Antonio aveva gia
servito da mezzo anno, questo prova che Don Francesco aveva lasciata
la cappellania di S. Costanzo sino da sei roesi prima.
Debbo per ultimo dire alcunche di un pittore, ignoto come tale, e non
conosciuto affatto come lavoratore di vetri colorati, cioe di Neri da Monte.
Che esso fosse pittore e provato dal vederlo ascritto nella matricola
di quell' arte e in due elenchi, in uno della meta del sec. XV ed in un
altro dei primi anni del sec. XVI. Esso era nipote di Don Francesco
di Barone, figlio di una sua sorella, e suo padre si chiamava Niccold
trovandosi ascritto fra i pittori del rione di Porta S. Angelo nella piu
antica di dette matricole, con tal patronimico, da dove nel i486 fu
tolto per essersi stato portato ad abitare nel rione di Porta Eburnea
ove dimorava ancora nel 1506.
U documento che prova la sua parentela con il sopra ricordato Don
Francesco dei PP. Benedettini si trova a c. 23 del giornale di spesa
del Monastero di s Pietro dell' anno 1461 ove e detto: Neri da Monte
nipote didon Franzesco dee dare a di xxx di settembre lib. 1. b. x. sono per
canne cccc*. avutc da noi a bol. iij. il cento levb lui con un charzonetto posto
spese fatU ne* nostri luoghi debbono avere in questo c. 4 — lib. 1 b. x.1*)
Perd la prima memoria di lui si trova per ora in un documento del
1453 che e uno spoglio della tesoreria pontificia riportato dal prof.
Adamo Rossi a pag. 217 del Tom. VI del suo Giornale di Erudizione
in cui e detto che a 17 Febbraio gli sono dati ducati 20 per conto di
don Francesco.
Pare che esso Neri seguisse sempre lo zio Don Francesco, giacche
dopo Roma lo troviamo a Perugia nell' anno 1461 ed ivi nel 1463 salda i
conti a nome dello zio col predetto Monastero di S. Pietro di Perugia.
") Ho trascritto il conteggio come leggesi nel manosoritto, ma appare evi-
deatemente errato.
9*
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I x2 Luigi Manzoni: L'arte di pingere su vctro.
Partito lo zio da questa citta per Napoli Neri e a credere rimanesse a
Perugia, si fosse perch£ lo zio non avesse piu bisogno del nipote avendo
abbandonato l'arte ritenendola non piu confacente colla carica di abate,
o si fosse per ragione dell' eta che quell' arte non gli consentiva di seguitare,
sta di fatto che il nostro Neri lo vediamo a Perugia nel 1487 in nuovi
rapporti col monastero di S. Pietro, giacch£ dal seguente documento che
qui si pubblica per la prima volta nella sua integrita (mastro 1487 — 90
c 37) appare che: Nere da Monte da Perosia de haver e a de v.de magio
ifSp f trentanove che tante It sono facti boni per saldo facto come
s'era (Taccordo de questo lavoro ha facto al monasterio Zoe braza
quarantuno et mezo ha facto nel monasterio per lo refectorio et la
cucina et per la fenestra fece a don Fiorenzo et quella de lectorili et
de la sacrestia et molte altre opere ha dato a raconzare le fenestre
con quella fece a san Iacomo et fnalmente de omni altra cosa ha
fato al monasterio d'accordo. In q. spese di fabricha de averef xxx.
viiij lib. — b — d —
Le nuove ricerche compiute mi permettono di aggiungere sul nostro
Neri che partito lo zio da Perugia e destinato ad altro convento, esso
non lo segui alia sua nuova dimora ma rimase in patria qualche anno e
lo troviamo poi dal 147 1 al 1473 in Orvieto, ove lavora finestre per quel
Duomo, ed il Com. Fumi riporta nella storia di quel sacro edifizio che li
31 Luglio si danno a Nerio de Perusia magistro vitreif qui fecit fenestr am
vetriatam cappellae Corporalis S. Marie Lib. centum viginti den.
Nell' anno susseguente a 22 Feb. riceve un pagamento per la finestra
della cappella Nova dello stesso Duomo, dove deve figurare un' Assunta,
per il qual lavoro all' ultimo di Novembre riceve un acconto di »baiochos i2«.
mentre ad esso intendeva ancora nel 1477, perche alii 31 ottobre dello
stesso anno ne riceve il prezzo fissato dal rogito in »ducatos triginta duos
larghos « .
Non mi risulta dove il nostro Neri lavorasse dal 1474 al 1487. Perd in
quest' anno lo si trova a Perugia a liquidare i conti che lo zio Francesco
aveva rimasto col convento di S. Pietro. Esso Neri deve avere ancora lavorato
negli anni susseguenti al 1487 perche nella matricola dei pittori perugini
compilata nell' anno 1506 si trova segnato per primo tra i pittori abitanti
nel rione di Porta Eburnea. Ed infatti nel 1490 si trova ancora a servigio
del monastero di S. Pietro, giacch& nel libro di spese della sacrestia di
detto monastero in tale anno si legge 1490 a. c. 363. » Nere da Monte
de dare mine tre de grano date per lui a m. Bartolomeo pittorre. «
Di piu oggi di questo artista non so dire, ma spero che nuove ricerche
vorranno essere fruttifere di qualche altra notizia sugli ultimi anni della
sua vita.
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Notizen.
Zu J6rg Breu. Im Repertorium f. K. 1896, S. 286, habe ich tiber
Holzschnitte des J6rg Breu gehandelt. Von der gleichen Hand sind
meiner Ansicht nach die zahlreichen Dlustrationen zu dem Werke »Das
Concilium. So zu Constantz gehalten ist worden. Augspurg durch
Heinrich Steyner im Monat Decembris Anno MDXXXVI« (Muther,
Biicherillustration 11 09). Dieselben sind den Holzschnitten der Ausgabe
des Richentalschen Konziliumbuches von Anton Sorg, Augsburg 1483,
nachgebildet, und zwar vollkommen in den Stil des Breu (ibertragen. Ein
Teil der hierin befindlichen Wappen entstammt den Holzstocken der
Sorgschen Ausgabe, der gTdBere Teil der Wappen zeigt jedoch den
Charakter der figiirlichen Darstellungen , ist also gleichfalls dem Breu
zuzuschreiben. Der Titelholzschnitt ist vom Petrarcameister gezeichnet,
als Schlufiblatt dient eine Darstellung, wie der Papst Urban II. auf dem
Konzil zu Clermont den Keuzzug predigt. Dieser Holzschnitt war
ursprunglich als Titelblatt in der Histori von der Kreuzfahrt nach dem
Heiligen Land (Augsburg bei Hans Bamler 1482) erschienen.
W. Schmidt.
Zu Gaspar de Crayer. In der Mtinchener Pinakothek wird be-
kanntlich dem Frans Hals eine grofie Familiengruppe (Nr. 359 des Kata-
k)gs) zugeschrieben. Obwohl diese Bezeichnung schon in J. van Gools
Nieuwe Schouburgh, 1750, vorkommt, kann sie doch nicht anerkannt
verden. Otto Mundler war der erste, der dem Gemalde seinen hollandi-
schen Ursprung absprach und es dem Antwerpener Marten Pepyn zu-
schrieb. Jedoch, soweit ich Pepyn kenne, war er trotz aller Schul-
venrandtschaft altertiimlicher, als es sich in diesem Werke ausspricht.
Dasselbe hing damals (1865) hochst ungtinstig im van Dycksaale oben in
einer Ecke der Sudwand, und es ist wohl zu vermuten, dafi MUndler es
in besserm Lichte dem Pepyn nicht zugeteilt hatte. Nach einigen
r
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1^4 Notixcn.
Meinungsschwankungen hat sich schliefilich die Mehrzahl der Kenner ftir
Cornells de Vos entschieden, so namentlich Bredius und Hofstede de
Groot (Repertorium 1893, S. 303). Dennoch kann ich nicht ftir Cor-
nelis stimmen. Es ist ja rich tig, dafi dieser Maler nicht ohne weiteres
nach dem Pinakothekbilde Nr. 812 beurteilt werden darf; er hat ja
manches geliefert, was einer breiteren Auffassung entspricht. Trotzdem
wtifite ich nicht, dafi er sich jemals der »flotten Technik« unserer Bildes
befleifligt habe. Dasselbe setzt vielmehr einen Historienmaler in grofierm
Stile voraus. In der Tat ist (von den Frtichten des Frans Snyders ab-
gesehen) in dem Gemalde die Hand des Gaspar de Crayer zu erkennen.
Gaspar war ein hervorragender Portratmaler und sehr wohl imstande, ein
solches Meisterwerk zu schaffen. Dasselbe gilt nattirlich auch von den
beiden Kinderbildnissen der Casseler Galerie. Die Darstellung der hi.
Agnes und Dorothea in Halbfiguren, Nr. 599 in Antwerpen, als »un-
bekannter Meister der vlamischen Schule des 17. Jahrh.« bezeichnet,
scheint mir ebenfalls von Crayer herzurlihren. Nicht mit der gleichen
Sicherheit mochte ich das in der Galerie zu Augsburg dem M. Sweerts
zugeteilte Konzert (Nr. 593) fur Crayer in Anspruch nehmen. Sweerts
scheint mir zwar vollkommen ausgeschlossen , und auf den vlamischen
Meister deutet vieles hin. Immerhin ist zuzugeben, dafi die Sache hier
nicht so einfach Hegt, und ich einen Irrtum meinerseits als leicht moglich
anerkennen mufi. (Vgl. auch Zeitschrift ftir bildende Kunst, N. F. XII,
269.) Crayer verdiente ein Separatstudium. W. Schmidt.
Zu Franciabigio. Emil Jacobsen bespricht in dem Repertorium XXV,
S. 293, das mannliche Portrat des Louvre, Nr. 523. Dies Gemalde zeigt
in der Feinheit der Auffassung die grofie Bildniskunst des beginnenden
Cinquecento in schonster Auspragung. Jacobsens Charakteristik ist sehr
treffend. Wer ist nun aber der Klinstler? Verschiedene Namen sind
schon genannt worden. Ich ftir meinen Teil habe das Bild jedoch, so
oft ich cs gcsehen, nie anders denn als Werk des Franciabigio betrachtet,
auch nie in dieser Bestimmung geschwankt und finde die Malerei so
charakteristisch, dafi mir ein jeder andere genannte Ktinstler ausgeschlossen
erscheint. Es stimmt alles darin mit Franciabigio. Nattirlich lassen sich
derartige Dinge schwer oder gar nicht beschreiben. Dafi das Bild auch
ftir die Bestimmung des Goldschmiedes im Palazzo Pitti, der jetzt nach
Morelli dem Ridolfo Ghirlandaio zugeschrieben wird, entscheidend ist,
scheint mir aufier Frage. Bereits in der Zeitschrift ftir bildende Kunst,
1893, S. 134, habe ich bei dem Pittigemalde auf Franciabigio hingewiesen.
W. Schmidt
^L
Notizen. j**
Zwei gro&e Gem&lde von Hans Bol in Stockholm. Im National-
museum zu Stockholm befinden sich zwei alte niederl&ndische Tempera-
bilder auf Eichenholz von dem ziemlich grofien Fonnate 1,54 X x>73»
Gegenstiicke mit mythologisch stafnerten Landschaften. Das eine fiihrt uns
die Historie von Daedalus und Ikarus, in einer Gegend mit rheinischen
Anklangen vor, das andere schildert mit grofiem olympischen Aufwand
den Untergang der griechischen Flotte nach der Zerstorung Trojas. Der
Galeriekatalog hat fiir diese GemaMde keine Meisternamen finden ktfnnen.
Sie sind aus der kaiserlichen Kunstkammer zu Prag nach Stockholm ge-
kommen, und das Prager Inventar von 1621 gibt als Verfasser des
Daedalusbildes »den alten Bruegel« an und Jost de Momper als Meister
des Gegenstuckes. Da wir indessen dem Stockholmer Kataloge in der
Behauptung Recht geben mtissen, dafi die beiden Bilder aus derselben
Werkstatt hervorgegangen sind, und kaum jemand die Meisterhand Pieter
Brueghels d. a. in diesem »Daedalus «wiedererkennen mochte, miissen wir
diese Attributionen des auch anderswo unzuverlassigen Inventares ver-
werfen.
Besser unterrichtet uns da van Mander. In seiner Biographie des
Hans Bol erwahnt er ein grofies Daedalusgemalde, das er in Gent und
zwar bei seinem Vetter Jan v. M. gesehen hatte. Die Beschreibung
stimmt bis ins Nebensachlichste mit dem Stockholmer Bilde (iberein, und
es liegt also nahe, die beiden Bilder zu identifizieren, besonders da auch
ein Stich von Adrian Collaert nach Hans Bol eine im wesentlichen dem
Gemalde im Nationalmuseum ahnliche Komposition im Gegensinn wieder-
gibt (Hymans in seiner Ausgabe des Malerbuches erwahnt auch eine
mit der v. Manderschen Beschreibung tibereinstimmende Miniatur von
Bol in Privatbesitz zu Mecheln). Wir dtirfen also Hans Bol als Meister
des Daedalusbildes in Stockholm und folglich wohl auch seines Gegen-
stuckes ansehen, und die Ausflihrung der Gemalde spricht ebenso fur
diese Attribution. Sie sind interessant als Riesenstlicke eines sonst fast
mr als Miniaturisten bekannten Ktinstlers, von dem doch v. Mander uns
berichtet, daO er von der grofien Malerei erst spater zu den tiberzierlichen,
schwer nachahmlichen kleinen Gouachen tiberging. In Stockholm sind
seine Miniaturen von Hans Bol, wohl aber vier Jahreszeiten von seinem
Stiefsohne Franz Boels. Axel L. RomdahL
Anm. Nachdem ich zuerst diese Bestimmung in einer Stockholmer
Zeitung verofTentlicht hatte, wurde von dem bekannten Kunstforscher
Dr. 0. Granberg mitgeteilt, dafi er auch schon im stillen zu demselben
Ergebnis gekommen war
y
Literaturbericht.
Kunstgeschichte.
Bernhard Berenson: The Study and Criticism of Italian Art.
Second* Series. London, George Bell and Sons. 1902. (M. Abb.)
XII und 152 S. 8°.
Diese zweite Sammlung (die erste besprach ich S. 127 des Bandes
XXV) ist reicher an kunstkritischen Arbeiten als die erste. In einem
Artikel tiber Masolino schreibt B. diesem aufier der Erweckung der Ta-
bitha im Carmine, den Fresken in S. Clemente zu Rom und den beiden
Bildern in Neapel eine Verklindigung bei Lord Wemyss in Gosford House,
die Madonna in Bremen von 1423, Reste von landschaftlichen Fresken
im Palaste von Castiglione d'Olona und eine Madonna in MUnchen zu.
Die Madonna zwischen Engeln in S. Stefano zu Empoli sowie die Pieta
im Baptisterium daselbst werden wir dagegen eher mit der VII. Publi-
kation der Kunsthistorischen Gesellschaft (Leipzig) Masaccio als Masolino
zuschreiben, wie B. es will.
Die Zusammenstellung der verschiedenen Madonnen von Baldo-
vinetti zeigt deutlich, dafi die klirzlich unter dem Namen Piero della
Francescas flir den Louvre erworbene schone Tafel audi dem erst-
genannten Ktinstler gehort. Zu dem Artikel liber Mantegnas Zeichnungen
wird die tanzende Muse in MUnchen abgebildet, eine Studie fur den
Parnass im Louvre. Ein Christus mit vier Heiligen, von 1472, im Dom
von Viterbo, wird auf Grund von Sieneser Miniaturen als ein Werk des
Girolamo da Cremona nachgewiesen.
In das Ende des Jahrhunderts ftihrt uns Filippinos Tondo im Besitz
der Mrs. Warren in Boston. Mit dem Sposalizio in Caen beschaftigt
sich ein Artikel, der seinerzeit in der Gazette des Beaux -Arts ab-
gedruckt war. Darin wird ausgeftihrt, dieses Bild konne nicht das Vor-
bild flir Raphaels Sposalizio gebildet haben, auch gehore es nicht
Perugino. Sondern Raphael habe seine Komposition selbstandig ent-
worfen und ein anderer, mehr von Pinturicchio als von Perugino ab-
\\
Literaturbericht.
137
hangiger Umbrcr — nach B. Spagna — , habe sie nun in starker An-
lehnung wenn auch mit wesentlichen Anderungen wiederholt. Dafi der
grofie Karton zu einer Madonna, der im Print -Room des Britischen
Museums als Raphael ausgestellt ist, diesem Ktinstler nicht gehort, dar-
iiber werden wohl ziemlich alle einig sein. Aber den Sienesen Brescia-
nino als dessen Urheber glaubhaft zu machen, ist B. doch nicht gegltickt.
Dazu weichen Form und Ausdruck der Gesichter sowie die Bildung der
Hande zu stark von ihm ab. Wie die Zeichnung Granacci am nachsten
stent, so wiirde auch fur das llbereinstimmende Gemalde bei Miss Mackintosh
in London ein Flore ntiner in Frage zu kommen haben; ob Grannacci, wage
ich nicht zu entscheiden.
Den Beschlufi macht ein langeres Fragment, Rudiments of connois-
seurship, dessen Ausfiihrungen liber die Bedeutung einzelner Korperteile,
wie der Ohren und Hande, ferner der Faltengebung und der Landschaft,
fur die Stilkritik logisch gut uberzeugen, wenn auch das Schlufiergebnis
stets, wie B. selbst hervorhebt, der sense of quality bleiben mufi. Was
bei B. selbst die Starke ausmacht, ist aber nicht — so sehr er sich auch
den Anschein zu geben sucht — die Anwendung dieser Methode, sondern
ein kunstlerisch-poetischer Sinn, der ihn die Individuality der Kiinstler
lebhaft erfassen laflt. Angesichts des immerhin problematischen Er-
gebnisses solcher Untersuchungen tate er gut, seine Behauptungen mit
mehr Vorsicht und weniger Emphase in die Welt hinauszusenden.
W. v. Seidlitz.
Architektur.
Die Handzeichnungen Giulianos da Sangallo. Kritisches Ver-
zeichnis von Cornelius von Fabriczy. Stuttgart. Kommission-Verlag
von Oskar Gerschel. 1902. (Mk. 10.)
Nach seiner abschliefienden Arbeit liber den Begrlinder der modernen
Architektur scheint der Verfasser einen grofien Teil seiner Tatigkeit den
Nachfolgern Brunelleschis zu widmen. Als erste Leistung auf diesem
Fclde hat er uns ein auf streng urkundlicher Grundlage aufgebautes
Lebensbild von Giuliano da Sangallo entrollt. Er hat dieser Arbeit die
Form eines chronologischen Prospektes gegeben, mit ausflihrlichen Er-
lauterungen und bisher unverdffentlichten Urkunden als Anhang. Gleich-
raJls wie dieser erschien im letzten Band des Jahrbuchs der preufiischen
Kunstsammlungen ein Aufsatz liber Guilianos figtirliche Kompositionen,
beides Schriften, die ihren Ursprung aus den Studien der Handzeichnungen
herleiten. Uns aber durften diese zwei Aufsatze, wovon der eine sachlich-
formell, eher als Gerlist aufgebaut, der andere in der Form eines fein-
J'
138 Literaturbericht.
sinnig-literarischen Essays gedacht ist, am besten zur Einftihrung in das
Studium der Handzeichnungen unter der Leitung ihres Verfassers dienen.
Nicht genug zu empfehlen ist ein solches Studium sowohl dem Kreise
der sich auf andern Gebieten der Kunstforschung bewegenden Fachleute,
als auch besonders unsern schaffenden Architekten. Wie in den Zeich-
nungen keines zweiten Meisters tritt bei Sangallo auch der bildende
Ktinstler im engern Sinne nicht weniger zu Tage; ja gleich dem
deutschen Schinkel beschranken sich seine Interessen nicht auf den
Einzelbau, sondern umfassen das ganze landschaftliche Milieu, in dem
das Gebaude entstehen soil, und legen den gleichen Nachdruck auf die
Entfaltung des ornamentalen Kleides.
Auch insofern pafit der Vergleich mit Schinkel, als Giuliano einen
weitern historischen Gesichtskreis beherrscht als irgend einer der zeit-
genossischen Architekten. Er lebt nicht nur mit der Antike auf ver-
trauterem Fufle als alle andern, sondern fiihrt auch Restaurationen aus,
studiert an den Monumenten des Mittelalters gleicherweise Stil und
Technik, schaut wifibegierig nach den Bauten des Orients und skizziert,
mit sichtlicher Freude an ihren Schonheiten, die bedeutendsten Schopfungen
seiner eignen Zeit (letzteres war Schinkel leider nicht gestattet).
Das (iberaus reiche Material der Sangallozeichnungen wird vom
Verfasser aufgezahlt, durchforscht und erliiutert mit einem Reichtum an
Wissen und mit einer Griindlichkeit der Kenntnis, wie sie nicht leicht eine
zweite derartige Arbeit in der deutschen Kunstwissenschaft aufweisen.
Es geschieht dies in einem auf dem bescheidenen Wege des Selbstverlags,
fast im Versteck mochte ich sagen, erschienenen, 132 Seiten umfassenden
BUchlein.
An erster Stelle steht der beruhmte Barberinikodex, ein Folio-
pergamentband , worin Sangallo seine kiinstlerische Individualist nach
ihren verschiedensten Seiten offenbart. Als Architekt hat er darin nieder-
gelegt seine so gewissenhaften Aufnahmen antiker Bauten im vollen
Luxus ihrer'Pracht; seine wenn auch nicht immer archaologisch einwand-
freien, doch von Schwung der Phantasie zeugenden Restaurationen; die
grandiosen Entwurfe flir die Palaste, womit ihn der Konig von Neapel,
Lorenzo de' Medici, Papst Leo X. und Lodovico il Moro betraut batten
(die Entwurfskizze ftir den letzterwahnten Bau auf Fol. 0/ hat der Ver-
fasser erst nach der Drucklegung seines Buches als solche bestimmt, wie
mir von ihm selbst mitgeteilt worden ist); Projekte ftir herrliche Rund-
bauten sakraler Bestimmung, die leider unausgeftihrt blieben, wie es ja
das Los des Besten war, was die Renaissance erdachte. Ein architektoni-
sches Musterbuch im weitern Sinne, wie der Verfasser es bezeichnet, be-
sitzen wir hier in der Tat; denn nicht nur hat der Kiinstler auf seinen
Reisen durch ganz Italien und Stidfrankreich die noch heute teilweise
Al
Literaturbericht. 1 3 q
bestehenden Denkmaler der Halbinsel, wie audi die von Orange , Aix,
Nimes dargestellt, sondern wie folgende seiner eignen Worte es beglaubigen:
«da uno greco mi dette in Ancona», ihm durch zweite Hand mitgeteilte
PlsLne von Bauten des Orients seinem Buche einverleibt
Als Erfinder figtirlicher Kompositionen bekundet Sangallo sich durch
die reiche Madonnenzeichnung (Fol. 2r), wovon der Verfasser in seinem
schon erwahnten Aufsatz des Jahrbuches eine Abbildung gibt. Diese
Komposition verdient nahere Beachtung. Angesichts einer in den Uffizien
befindlichen Zeichnung von der Hand Giulianos, die genau mit einer der
Figuren in den Fresken aus Villa Lemmi libereinstimmt, weist Verfasser
darauf hin, dafl moglicherweise diese Fresken gar selbst von Giuliano,
und nicht von Botticelli gemalt sein dtirften. Aus dem chronologischen
Prospekt ersehen wir, dafl gerade i486, dem Jahr der Tornabuoni-Ehe-
schlieflung, Sangallo sich in Florenz befand. Nun scheint auch mir der
stilistischeVergleich der Fresken mit derMadonnenkomposition desBarberini-
kodex tatsachlich fur Giulianos Autorschaft weit mehr, als flir die Botticellis
zu sprechen. Die etwas schwerfallig zusammengestoppelte Komposition, die
gar zu steife Haltung der Braut, der Mangel der botticellesken Grazie in
Gesten und Bewegung, sogar die Eigenart der Haltung der Hande mit
dem prononcierten Heraustreten des Knochels bieten vollauf gentigende
Stutzpunkte zur Begrlindung der obigen Ansicht. Ein Ratsel bleibt noch
jenes Anbetungsbild, das Giuliano fur die Sakristei der Annunziata in
Neapel gemalt hat.1) Sicherlich ist es nicht unter den dem Botticelli
angehbrenden oder zugeschriebenen Anbetungen zu suchen, von denen
keine Giulianos zeichnerische Eigenart aufweist.
Uber die Rolle, die dieses in seiner Art einzige Buch von der Zeit
seiner Entstehung bis auf unsere Tage gespielt hat, weifi der Verfasser
ebenso ausflihrlich wie bedeutungsvoll zu erzahlen. Giuliano war zwanzig
Jahre alt, als er diese Sammlung begann, und sein ganzes Leben lang
hat ihn ihre Bereicherung beschaftigt. Nach seinem Tode fiigte sein
Sohn Francesco auf den leergebliebenen Blattern noch einige Zeichnungen
hinzu. Eine stattliche Reihe Architekten kopierten aus dem Kodex. In
den Zeichnungen von Antonio, Giulianos jtlngerem Bruder, von Giovam-
battista, il Gobbo, einem spateren Mitglied der Familie, schliefilich in
denen Giorgio Vasaris der Jiingeren (1625) wird dessen Vorbild nach-
gewiesen. Serlio zogert nicht, ohne Angabe der Quelle, seinem «Trattato»
(1551) ganze Zeichnungen Giulianos einzuverleiben. Betreffs Palladios
mutmafilicher Benutzung des Kodex spricht sich der Verfasser nicht ent-
schieden aus. Da das Gros der Zeichnungen Palladios sich in England
befindet, ist ihm das Studium derselben noch vorbehalten. Bis auf
Winkelmann herab hat der reiche Vorrat dieser Sangallozeichnungen die
'J VgL Rcpertoriura Bd. XX. S. 98.
^
140
Litermturbericht
Literaten und Gelehrten beschaTtigt. Schliefllich spricht der Verfasser von
der Bedeutung des Kodex ftir die moderne archaologische Forschung.
Das zweite in sich bestehende Monument von Giulianos zeichneri-
scher Tatigkeit ist ein kleines Skizzenbuch, das heute in der Kommunal-
bibliothek von Siena aufbewahrt wird und als Facsimiledruck im Verlage
Leo S. Olschki's in Florenz erschienen ist. Von seiner Lebensgeschichte ist
nicht so Interessantes zu erzahlen, wie von der des Foliobruders. Hier
zeigen die Blatter momentane Aufnahme antiker Bauten, allerlei Details
mit Vorliebe fiir das Ornamentelle. Nur eine kleine Originalskizze ist
hier vorhanden; nichts aber von den pomposen Planen des Barberini-
werkes. Verfasser folgert hieraus, dafi die beiden Bticher sich bis zu
einem gewissen Grade decken, insofern viele der Skizzen des Sieneser-
buches als Grundlage ftir die ausgefuhrten Zeichnungen des groflen Kodex
dienten.
Es folgt noch die Besprechung der zahlreichen Zeichnungen der
Uffizien, einer Skizze ftir S. Lorenzo in der Nationalbibliothek, die erst
in letzter Zeit bekannt wurde, und einiger sehr bedeutenden Blatter
im Besitz von Baron von Geymiiller. Das reiche Wissen, die Grtindlich-
keit seiner Methode, die seltene Hingabe des Verfassers an seinen
Studienstoff, alles dies btirgt fur den Wert seiner Arbeit und die Be-
lehrung, die daraus zu schopfen ist. Charles Loeser.
Malerei.
Federico Hermanin. Gli affreschi di Pietro Cavallini a Santa
Cecilia in Trastevere. Estratto dal Vol. V »Le gallerie nazionali
italiane*. Roma 1902. 59 S. mit 9 Lichtdrucktafeln.
Die Freilegung eines grofieren Freskos vora Ende des 13. Jahrh.
mit der Darstellung des Jtingsten Gerichts in der Nonnenkirche Sa Ce-
cilia in Trastevere -Rom, welche vor etwa zwei Jahren gemeldet wurde,
ist von alien Forschern mit besonderer Freude begrtlfit worden,
welche sich um die Genesis der Trecento -Malerei und den Stand der
romischen Kunst vor dem Avignoneser Exil bemtihen. Dr. Hermanin,
welchem die Leitung der Freilegung vom Ministerium Ubertragen war,
hat bereits mehrfach, auch in der „Arte" liber diese Fresken berichtet und
legt jetzt im fiinften Band der „Gallerie italiane" eine kritische, auch die
auslandische Literatur beriicksichtigende Studie tiber die Bilder und ihren
Schopfer, Pietro Cavallini, vor. Dem Aufsatze sind gute Lichtdrucktafeln
der Cecilia -Fresken beigeftigt; dagegen fehlen leider die Abbildungen
der iibrigen von Hermanin fur Cavallini in Anspruch genommenen
Arbeiten, namentlich des Bildes in S. Giorgio in Velabro und aller sonst
^
Literaturbericht.
141
herangezogenen Fresken. Das rauhe Holzpapier der Textseiten dieser
Pubiikation lafit keine Einschaltbilder zu, ein Ubelstand, der grdfler ist
als die Gefahr, dafi die Veroffentlichung an Monumentalitfit verlieren
konnte.
Die Zuweisung der wieder aufgedeckten Fresken an Pietro Cavallini
ist literarisch (seit Ghiberti) so reichlich gestiitzt, dafi sie als gesichert
gelten darf, zumal das zweite gut erhaltene und gesicherte Werk Cavallinis
in Rom, die Absismosaiken in Sa Maria in Trastevere, auch stilistisch
mit den Fresken so gut zusammen geht, als man es bei einem Vergleich
zwischen Mosaik und Fresko erwarten darf. Das Jahr 1291 steht freilich
fur diese Mosaiken nicht sicher fest; denn Barbet de Jouy las die heute
verschwundene Zahl auf dem Mosaik der Hirtenverktindigung MCCLCI
als 1 25 1 und erst Rossi glaubte, dafi statt des L ein X stehen mttsse,
also 1 291 zu lesen sei. Ftir die Cecilia-Fresken hat Hermanin die Ent-
stehung urn 1293 im Zusammenhang mit Arnolfos Tabernakel in San
Paolo fuori le mura von 1293, wo der inschriftlich erwahnte socius
Petrus wohl mit Cavallini zu identifizieren ist, nachgewiesen.
Von den anderen, Cavallini durch Ghiberti zugeschriebenen romi-
schen Werken sind die vier Evangelisten und zwei grofie Figuren des
Petrus und Paulus in Alt-S. Peter, die Fresken in San Crisogono und in
San Francesco verloren gegangen; auch die grofien Cyklen in San Paolo
fuori le mura (1285 die Fresken der Langhauswande, die Mosaiken der
Fassade nach 13 16) sind bis auf geringe Reste durch den Brand von
1823 zerstort worden. Dagegen glaubt der Verf. nach dem Vorgang
Crowe -Cavalcaselles Cavallini das freilich sehr tibermalte Fresko in S.
Giorgio in Velabro (um 1299) zuschreiben zu sollen. Vasari, dessen Ca-
Tallini-Notizen sich als ganz besonders schlimm herausstellen, hat dem Romer
noch weitere Fresken in Florenz, Orvieto und Assisi zugewiesen. Fest
steht nur noch seine Tatigkeit in Neapel um 1308 unter Karl II., auf
Grand eines von Schulz Band IV S. 127 publizierten Dokumentes.
Die Cavallini betreffenden Fragen erheben sich liber das rein bio-
graphische Interesse durch den Umstand, dafi Vasari ihn einen Schiller
Giottos nennt. Ebenso hat auch neuerdings wieder Zimmermann die
Mosaiken in Trastevere als nach Giottos Kartons ausgeftihrte Arbeiten
charakterisieren wollen. Hermanin tritt dieser Aufstellung entgegen, indem
er Cavallini als den bedeutendsten Vertreter einer im tibrigen durch Russuti,
Jac. Torriti, Conxolus und Giovanni di Cosma reprasentierten romischen
Lokalschule hinstellt, in welcher Giotto zwar nicht als Novize gelernt,
aber doch als schon Entwickelter umgelernt habe. Der Verf. glaubt Ca-
vallini auch einen Teil der alt- und neutestamentlichen Fresken in der
Oberkirche S. Francesco zu Assisi zuweisen zu sollen, und sieht tiber-
haupt den grdflten Teil dieser Fresken als eine Leistung der romischen
^
142
Literaturbericht.
und nicht der Cimabueschule an; in der letzteren These findet er sich
mit Zimmermann wieder zusammen, ohne es librigens einzugestehen.
Ich glaube, man ist sich heute darin einig, dafi der Aufenthalt
Giottos in Rom um 1300 eine stark e Veranderung in seiner Kunst be-
wirkt hat, dafi m. a. W. zwischen der Franzlegende in Assisi und den
Arena-Fresken in Padua eine so grofie Verschiedenheit besteht, dafi wir
die dazwischen liegende romische Reise als einen ausschlaggebenden
Faktor anzusehen haben, zumal die Reste des Tabernakels in der Sakristei
von St. Peter, obwohl Tafelmalerei, bereits den grofifigurigen, monumen-
taleren Stil der paduaner Zeit verraten, dem gegenliber selbst die hoch-
gepriesene Franzlegende abfallt. Damals (1300) war Giotto aber bereits
34 Jahre alt; von einer Schtilerschaft Cavallinis gegeniiber kann also keine
Rede mehr sein. Aufierdem hatte, ware Cavallini »der Meister« gewesen,
doch wohl er und nicht »der Schtiler« den stolzen Auftrag des Tabernakels
ftir St. Peter vom Kardinal Jac. Stefaneschi bekommen., Andrerseits ist
aber ebenso unbedingt Vasaris gedankenlose Behauptung, Cavallini sei
der Schttler Giottos gewesen, zu streichen. Man weifi doch, wie allgemein
solche Trecento -Behauptungen bei dem Aretiner gehalten sind, der ab-
gesehen von allem Nichtwissen in diesem Jahrhundert seine alte Vorliebe,
alles Heil aus Florenz abzuleiten, nie ganz unterdrticken kann. Am
richtigsten werden wir das Verhaltnis von Cavallini und Giotto so be-
schreiben, dafi beide als entwickelte Ktinstler sich gegenlibertraten und
dafi Giotto wie liberhaupt von Rom, so u. a. auch von Cavallini eine Beein-
flussung nach der monumentalen Auffassung hin erfahren hat. Freilich
mochte ich Cavallinis persdnlichen Einflufi dabei viel weniger hervorheben,
als es H. tut. Giotto scheint ein Mensch gewesen zu sein, der sich sehr
spat und langsam entwickelt hat; das schliefie ist nicht aus dem Mangel
an Nachrichten aus seinen 30 ersten Lebensjahren , sondern aus den
psychologisch und dramatisch so hochstehenden, formell aber noch recht
unsicheren Franz-Fresken in Assisi. Als der Florentiner nach Rom kam
— das erste Mai wohl vor dem Jubilaum, aber die grofie Ftfrderung
scheint erst 1300 tiber ihn gekommen zu sein — , mufi ihn der grofi-
zligige Lebenshaushalt der romischen Gegenwart und Vergangenheit stark
ergriffen haben. Unter anderm fand er hier auch eine Malerei vor, die,
sehr verschieden von der seinen, grade das enthielt, was ihm fehlte: die
Grofie der ruhigen Form.
Ein Vergleich wird am besten zeigen, was ftir Giotto das Besturzende
gewesen sein mufi. Die romische Malerei des endenden Duecento gleicht
in vielen Punkten der Kunst Niccold Pisanos. Hier wie dort stehen wir
am Ende einer pathetischen Kunsttradition ; Niccol6 und Cavallini sind spate,
letzte Enkel einer grofien Vergangenheit. Wie jener seiner apulischen.
Heimat und ihrer unter Friedrich II. antikisierenden Kunst die mtide
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Literaturbericht. 143
Grdfie seiner junonischen Gestaltenwelt verdankt, so ist Cavallini der
letzte Sprofi der romischen mittelalterlichen Kunst, die gewifi ohne das
Exil der Papste ebensogut wie in Toskana (Pisa und Florenz) neue Bliiten
getrieben hatte. Wie Giovanni Pisano seinem Vater, so stellte sich Giotto
Cavallini gegeniiber. Die schwere Gebundenheit der romischen Faulheit,
wie sie Cavallinis Gestalten charakterisiert, wird von Giottos Feuergeist
mit neuem Drang erfullt; nicht gesprengt, aber gelockert zu starkerem
Sichregen. Cavallini ist eine der Staffeln, an denen Giotto hochsteigt;
und er ist vielleicht ebenso wichtig flir ihn gewesen wie Cimabue. Die
Worte Meister und Schuler aber werden am besten vermieden.
Cavallinis Kunst richtig zu beurteilen, ist ebenso schwer wie die
Niccold Pisanos. Die schone Gelassenheit seiner Rhetorengestalten, das
gnadige Lagern seiner Madonnen erscheint in Rom wie selbstverstandlich.
Grade weil dem Fresko in Assisi mit dem Judaskufi diese gelassene Art
fehlt, glaube ich nicht, wie Hermanin, dafi man hier Cavallinis Pinsel
vcrmuten darf. Ob Hermanin nicht, seinem Helden zu Hebe, Leute wie
Jacopo Torrid zu tief einschatzt? Die technische Beihiilfe Cavallinis bei
Giottos Navicella-Mosaik scheint mir, ebenso auch Zimmermann, recht
wahrscheinlich.
Bei der Besprechung des Jtingsten Gerichts in Sa Cecilia werden
S. Angelo in Formis und Torcello herangezogen ; leider ist dagegen der
sehr interessante Vergleich mit Giottos Giudizio in der Arena, das doch
nur zehn Jahre spater und im offenbarem Anschlufi an Cavallini entstand,
nicht versucht worden. Der Vergleich beider Apostelreihen ergibt grofie
Ahnlichkeit; so wird wohl auch der untere zerstorte Teil des Cecilia-
Gerichtes dem paduaner ahnlich gedacht werden dtirfen. Auch der
Softer wird hier ebensowenig wie in Padua und in Cavallinis Mosaik
Ton Sa Maria in Trastevere gefehlt haben. Der Verlust der alt- und
neotestamentlichen Fresken des romischen Ktinstlers an den Langwanden
von Sa Cecilia ist um so mehr zu beklagen, als hier Vergleiche mit der
Arena sehr willkominen gewesen waren.
Schon oft ist Giovanni Pisano mit Giotto zusammengestellt worden
als Bahnbrecher einer neuen Gestalten- und vor allem Empfindungs-
weit Cavallini ist ein neuer Merkstein ftir die Grenze der alten Zeit.
Und damit wird die alte Streitfrage wieder lebendig, ob wir den grofien
Schnitt zwischen Mittelalter und Neuzeit hier oder hundert Jahre spater zu
machen haben. Je mehr die Erkenntnis durchbricht, dafi Trecento und
Chiquecento eng zusammengehoren und dafi das Quattrocento eine Zeit
des Waffenstillstandes und der vorbereitenden Rtistungen ist, desto mehr
wird man sich ftir den frtihen Schnitt entscheiden. Zwischen Cavallini
und Giotto Iiegt eine Kluft, iiber die man ebensowenig heriiber kann,
wie aber die zwischen Niccold und Giovanni Pisano.
V^
144
Literaturbericht.
Im einzelnen ist noch folgendes zu bemerken : Hermanins Versuch,
Ghiberti vor 1400 in Rom anwesend zu denken, steht nicht nur im
Widerspruch mit seiner Selbstbiographie, wo vor seiner Wanderung nach
Pesaro (1400) davon die Rede sein mufite, sondern lafit sich ziffernmafiig
auf das Jahr 1450, also 50 Jahre spater festlegen. Ghiberti spricht
namlich von der 440. Olympiade, damals sei er in Rom gewesen
(III. Kommentar; Frey S. 56). Andrea Pisanos Bronzettir wird (Frey S.44)
in die 410. Olympiade verlegt; als runde Zahl steht ftir diese Arbeit
1330 fest. Rechnen wir von da 30 Olympiaden a 4 Jahre weiter, so
kommen wir in das Jahr 1450, als die 2. Tiir Ghibertis fertig war, und
das grofie romische Ablafijahr ihm Anlafi zur Pilgerfahrt gegeben
haben mag.
Die Fabeleien von Walpole, dafi Cavallini moglicherweise der Meister
des Grabes Eduard des Bekenners in der Westminster Abbey in London
gewesen sei, durfte Hermanin nicht als Moglichkeit stehen lassen. Wohin
soil en wir kommen, wenn wir einen Bildhauer Petrus civis romanus, der
1267 nach London mit dem Bischof Richard of Ware ging, ohne weiteres
mit dem romischen Maler und Mosaicisten Pietro Cavallini identifizieren,
nur weil beide Leute Petrus mit Vornamen heifien!
Uber die Neapler Malerei am Anfang der Trecento konnte Zu-
treffenderes gesagt werden. Bertaux' Publikation Uber die Fresken der
Donna regina hat das sichere Resultat ergeben, dafi diese Malereien
sienesisch sind. Cavallinis Berufung nach Neapel 1308 ist ftir die neapler
Lokalschule ebensowenig fortbildend geworden wie die Giottos 20 Jahre
spater; nur die Sienesen haben hier festen Fufi gefafit und beherrschen
das Feld bis nach der Mitte des Jahrhunderts.
Uber die Zuweisung der Assisi-Fresken an Cavallini (H. nimmt fttr
Cav. in Anspruch: Weltschopfung, Erschaffung Adams, Siindenfall, Ver-
treibung, Noah, Abraham und die Engel, Isaaks Opferung, Geburt Christi
und Judaskufi) habe ich schon meine Bedenken ausgesprochen. Sie sind
noch gestiegen, seit ich wieder in Assisi war. Zimmermann hat hier
J. Torriti vorgeschlagen. Im allgemeinen wird dessen Ansicht, dafi wir
hier Arbeiten der romischen Lokalschule vor uns haben, durch H.s These
untersttitzt.
Wir danken es H.s Untersuchung, dafi der Name Pietro Cavallini
jetzt Farbe und Klang bekommen hat. Hoffentlich offnen die Nonnen
von Sa Cecilia nicht nur wahrend des Historikerkongresses die porta
clausa, um das grofie Fresko Pietro Cavallinis der Offentlichkeit nicht
langer vorzuenthalten. Paul Schubring.
Heinrich Modern. Giovanni Battista Tiepolo. Eine Studie.
Wien. Artaria & Co. 1902.
Beim Neubau des alten Geschaftshauses der Firma Artaria am
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Litferaturbericht. ! ac
Kohlmarkt in Wien wurde ein Gemaldezyklus von Giovan Battista Tiepolo
aufgefunden, dessen literarische Einfiihrung Heinrich Modern in einer ftir
den Zweck etwas umstandlichen Schrift ubernommen hat. Der Zyklus
besteht aus einem grofien Breitbild (188 X 442), das den Triumph der
Amphitrite darstellt, und zwei kleineren, fast quadratisehen (213 X 231),
deren eines Hera und Selene, deren anderes Bacchus und Ariadne zum
Gegenstand hat. Laut einer alten Inventarnotiz stammen die Gemalde
aus der 1798 von Francesco Artaria envorbenen Villa Girola am Comersee,
wurden von dort vor etwa dreifiig Jahren nach Wien gebracht und ver-
blieben aufgerollt und ungewiirdigt in dem Depot des Geschaftshauses,
bis dieses bei seiner Demolierung den versteckten Schatz ans Tageslicht
forderte.
Die drei Bilder treten dem Vollendetsten zur Seite, das wir der
in mtiheloser Anmut schaffenden Phantasie des grofien Meisters ver-
danken. Sie zeigen den Reichtum und alle Reize seiner Palette, die Be-
weglichkeit seiner Erfindungsgabe, die Leichtigkeit seiner Hand und die
Sicherheit seines Auges. Der grundlegende Gedanke dieser malerischen
Trilogie ist der von den Elementen. Nur Wasser, Erd' und Luft finden
wir dargestellt; das Feuer, dem Brauch der Zeit entsprechend, wahr-
scheinlich unter der Schmiede des Vulkan symbolisiert, ist verschollen.
Rheingoldklange, doch zuriick tibersetzt in die grazios-melodische, durch-
sichtig instrumentierte Musik des 18. Jahrhunderts, steigen herauf: »in
Wasser, Erd' und Luft lassen will nichts von Lieb' und Weib«. Auf
dem filhrenden Bild erscheint Amphitrite als das lieblichste aller Meer-
wunder, auf schimmerndem Muschelwagen unter dem Gejauchz der
Tritonen und der Seeputten im Triumph tiber die krauselnde Flut ein-
herfahrend; die Erde wird allegorisiert in dem heiter sorglosen Bei-
saramenwohnen von Bacchus und Ajiadne, die Luft in der Flucht der
roondumstrahlten Selene vor der lichtprangenden Hera.
Die vorziiglichen Abbildungen batten dem Verf. manch schleppendes
Wort seiner Beschreibungen ersparen konnen (wie denn tiberhaupt die
Beschreibung der Kunstwerke noch immer eine der schwachsten Seiten
modemer Kunstschriftstellerei ist!). Seine in diesem Fall storende Pe-
danterie gereicht ihm indessen zum Vorteil bei der Ltfsung der kunst-
geschichtlichen Probleme, die der Cyklus aufgibt. Mit der Entstehungs-
geschichte weist M. zugleich die ursprtingliche Skizze (im Privatbesitz zu
Triest) und die Studien zum Hauptbilde nach, z. B. im museo civico
zu Venedig die Zeichnung flir den in wundervoller Lassigkeit ausge-
streckten rechten Arm der Amphitrite. In der Meeresgottin erkennt er
die Ztige Christinens, der Geliebten Tiepolos, die ihm tiber ftinf-
undzwanzig Jahre als Modell gedient hat. Dieser Nachweis gibt ihm
einen Anhalt fur die Chronologie des Zyklus. Die zunehmende Reife
Eepertorinni fflr Knnstwlssenschaft, XXVI. 10
'yS
146 Literaturbericht.
ihrer Korperformen kann allerdings ein Kriterium ftir die Entstehungszeit
Tiepoloscher Arbeiten abgeben. In unserm Falle werden wir auf die
frtihe Zeit zwischen 1738 und 1740 geftihrt, eine Datierung, ftir die auch
die nahen stilistischen Beztige zu der 1740 vollendeten groflen Decke
des Palazzo Clerici mafigebend sind.
Ein Abschnitt, der Tiepolos Leben und Werke unter Benutzung der
zuverlassigsten literarischen Quellen behandelt, springt nicht zum Vorteil
des Buches aus dem Plan der Abhandlung heraus. Dafiir entschadigt
er durch eine Reihe auch chronologisch wertvoller Notizen, die einem
kiinftigen, lange schon erwarteten Tiepolo-Biographen die Pfade zu ebenen
geeignet sind. Wer das letzte Kapitel » Werke Tiepolos in Wien« durch-
mustert, wird mit Verwunderung feststellen, dafi im Wiener Hofmuseum
sich nur ein einziges Werk des bedeutenden Meisters befindet: das Brust-
bild der hi. Katharina von Siena, eine Vprarbeit zu dem Altarbilde der
Kirche S. Maria del Rosario in Venedig. Das ist ftir die Sammlung und
ftir den Meister keine Reprasentation. Was der Verf., der die Publikation
pro domo herausgegeben hat, in taktvoller Weise unerortert liefi, mufi
hier von unbeteiligter Stelle aus, die nur dem ktinstlerischen Interesse
dient, laut und deutlich zur Sprache kommen. Was halt die Verwaltung
der k. k. Hofmuseen zurtick, mit der Erwerbung dieses ausgezeichnet
schSnen Werkes eine empfindliche Lticke der Sammlung auszuftillen? Will
sie warten und zaudern, bis der Fund ihren Handen entgeht? Schwerlich
wird sie spater einen Ersatz finden konnen! Hans Mackowsky.
.N-
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Ausstellungen.
Die Briigger Leihausstellung von 1902.
Von Max J. Friedlander.
(Schlufi.)
Indem ich die Entwicklung der Briigger Malerei, die sich natur-
gemafi besonders reich auf der Ausstellung entfaltete, weiter verfolge,
achte ich zuerst auf Nachwirkungen der Kunst Gerard Davids. Der
oft mit dem Pseudo-Mostaert und manchmal auch mit dem Halbfiguren-
Meister verwechselte tlichtige Maler, von dem die »Deipara Virgo*
in Antwerpen herriihrt, der eine heilige Familie in Ntirnberg und einen
Altar in Madrid mit »AB« signiert hat, war nicht recht auf der Aus-
stellung vertreten, da die von Frau Hainauer ausgestellte Halbfigur (220)
nur eine der vielen Kopien nach der einen Sibylle des Antwerpener
Gemaldes ist. Stilverwandtschaft mit den Werken des Meisters AB, der
in Segovia, im Prado und sonst vielfach vertreten ist, zeigen die Altar-
flugel mit der Verkiindigung und Heimsuchung aus dem Besitz des Grafen
Harrach in Wien (267).
In der Auffassung und Formensprache mit Gerard David verwandt
ist ein um 1525 tatiger Meister, von dem ich bis jetzt vier Portrats
kenne. Zwei dieser Portrats, n&mlich das eines jugendlichen Geistlichen,
von Herrn J. Simon aus dem Londoner Kunsthandel vor einigen Jahren
erworben (217) und das als »Petrus Christus« von L. Nardus (146) aus-
gestellte eines jtingeren Mannes, waren auf der Ausstellung. Das dritte
Portrat gehort dem Sir Farrer und war nicht auf der Ausstellung, das
vierte ist zur Zeit im Londoner Handel. Glasige Behandlung, leere
Formen, steife Haltung sind diesen Portrats eigenttimlich.
Von einem tiichtigen Briigger Maler, dessen Art wesentlich durch
das Vorbild Davids gepragt erscheint, stammen zwei beiderseitig bemalte
Altarflugel im st&dt. Museum zu Briigge, die Anbetungen der Kdnige
und der Hirten, zwei Szenen aus der Geschichte des Propheten Elias (227).
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148 M. J. Friedl&nder:
Die Gestalt des um 1520 zu BrUgge tatigen Albert Cornells
ist einigermafien deutlich geworden, seitdem Weale die figurenreiche
Kronung Maria zu S. Jacques in Brugge als seine Schopfung nachge-
wiesen hat (170). Danach mit Sicherheit andere Arbeiten dieses Malers
zu erkennen, ist bisher nicht gelungen. Verwandtschaft mit seiner Art
finde ich in dem Bilde mit der auf Wolken stehenden Madonna (208;
Willett, Brighton).
Weit deutlicher wurde auf der Ausstellung die hochst interessante
Erscheinung des Jan Provost, der gegen liber dem Pseudo-Mostaert die
neue Kunst um 1520 in BrUgge vertritt und namentlich von Gossaert
und Metsys angeregt erscheint Sein einziges beglaubigtes Werk, das
„ JUngste Gerichttt im stiidt. Museum zu Brugge (167), 1525 ausgeftihrt,
bietet den Ausgangspunkt. Die Madonna in der Glorie zu St. Peters-
burg, wohl sein schonstes Bild, das Jtingste Gericht in der Galerie
Weber (168) und mehrere andere Stticke hatte ich danach zusammen-
gestellt, ehe ich die erfolgreichen Bemtihungen Hulins kennen lernte,
der dem Meister mit Recht noch mehrere andere Gemalde zugeschrieben
und eine ausgezeichnete monographische Darstellung (Extrait de Kunst
& Leven, Gand, Ad. Hoste, 1902) verfafit hat Auf der Ausstellung
waren die folgenden Werke von der Hand des Jan Provost:
167 (BrUgge, stadt Museum) Das jUngste Gericht. Authentisch, von 1525.
169 (Vicomte RufTo, BrUssel) Das JUngste Gericht.
168 (Weber, Hamburg) Das JUngste Gericht.
109. 157 (BrUgge, stadt. Museum) Stifter mit einem Heiligen, Stifterin
mit der hi. Godelive; allegorische Darstellung, der Geizige und der
Tod. Die vier Tafeln sind Vorder- und RUckseiten zweier Altar-
flUgel, wie Hulin zuerst erkannt hat.
189 (BrUgge, Hospitalmuseum) Christus, das Kreuz tragend, und der
Stifter, Brustbilder.
342 (Strafiburg, stadt Museum) Madonna in Halbfigur. Die italienische
Inschrift, die 1488 als das Jahr angibt, in dem die Tafel »presen-
tato al . . .« kann nicht rich tig sein, da der Charakter der Malerei
diesem terminus ante quern widerspricht
In vollkommener Ubereinstimmung mit Hulin beurteile ich die
tief empfundene, leider schlecht erhaltene Darstellung aus der Legende
des hi. Franciscus (150, Sutton -Nelthorpe). Ungemein eindringlich ist
geschildert, wie der jugendliche Heilige das weltliche Gewand abstreift
und in Btifierkleidung seine Wanderung antritt Ich mochte die um
1 5 10 entstandene Komposition niemandem eher als dem Jan Provost zu-
trauen. Mit halber Sicherheit, ohne in diesem Falle die Zustimrrrung
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. 140
Hulins zu besitzen, halte ich die ernste, stellenweise etwas verputzte
Madonna, die Madmc Andre* als »v. Eyck« nach Brligge geschickt hatte
(99\ fiir eine Jugendarbeit des Jan Provost, um 1500 entstanden und
im Geiste der kirchlichen Kunst Gerard Davids gestaltet
Das „\Verk" dieses Meisters wird sich nicht wesentlich vergroflern
lassen. Im Prado darf ihm wohl noch die Gestalt eines knieenden
Mannes (No. 1443) zugeschrieben werden und die lesende Frau, die als
,Mostaertu auf der vente Lelong fiir den Louvre erworben wurde, ge-
hort zu demselben Altarwerk wie diese Tafel. Auf der vente Nieuwenhuys
war ein »Jiingstes Gericht« von ihm; in Cremona ist eine Madonnen-
darstellung.
Der Versuch, die Personlichkeit des Brtigger Malers Jan von
Eeckele, der nach Urkunden gegen 1550 tatig war, mit erhaltenen
Gemalden in Verbindung zu bringen, scheint mir nicht gelungen. Zwei
Bilder auf der Ausstellung zeigten eine aus den Buchstaben »J V E«
zusammengesetzte Signatur, namlich die Madonna mit dem hi. Bernhard
aus dem Museum von Tournay (106) und die schwache, schlecht er-
haltene, wie eine Kopie nach Quentin Metsys aussehende Maria in
Schmerzen (105, Brugge, S. Sauveur; s. unten). Ich glaube, beide
Signaturen sind falsch und sollen Jan von Eyck bezeichnen. Die
Tafel aus Tournay ist htibsch aber unbedeutend, etwa von 1520.
Einen fruchtbaren, aber schwachen Brtigger Meister, der um 1520
tatig war, nennen wir nach dem Vorgang des „ catalogue critique" Meister
ron S. Sang, da eines seiner Hauptwerke, freilich eine recht mifilungene
Schopfung, in der Confrdrie du S. Sang von altersher bewahrt wird, die
ganz irrtiimlich » Gerard David « genannte Kreuzabnahme (126). Den
Meister dieser Gemalde, der offenbar auch die fragmentarische Tafel
mit dem Haupt des to ten Christus (127, Mgr. F. Bdthune, Brtigge)
and — weniger offenbar, aber gewifi, wie eine genaue Vergleichung
Idirt — den Fliigelaltar mit der Gottesmutter, Propheten und Sibyllen
[155, Brugge, S. Jacques) geschaffen hat, ist identisch mit dem Madonnen-
maler, der mir als Nachfolger des Quentin Metsys erschien, und dessen
^Werk* ich in der Publikation liber die Berliner Renaissance- Ausstellung
;S. 20) zusammengestellt habe. Das Triptychon aus der Galerie Weber,
das auf der Brtigger Ausstellung war (260), stand bereits auf meiner
alteren Liste, die jetzt, nachdem Hulin von der anderen Seite die
Kunstlerpersonlichkeit erfafit und lokalisiert hat, wesentlich vergrofiert
werden kann. Auf der Ausstellung zeigte den leicht kenntlichen Stil
dieses MaJers das Paar der Brustbilder Christi und Maria aus S. Gilles
zu Brugge (193- 194)- Aus der grofieren Zahl anderer Arbeiten, die
ich von ihn kenne, notiere ich hier nur das im Staedelschen Institut
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I jo M. J. FriedlSnder:
tradionell, aber ganz mit Unrecht, als Arbeit des ^Frankfurter Meisters"
ausgestellte Altarbild mit der hi. Sippe.
Ehe ich in den Schopfungen des Lanceloot Blondel, Pieter Pourbus
und der verschiedenen Glieder der Familie Claeissen das Absterben der
konservativen Brtigger Kunst bis zum Ende verfolge, reihe ich katalog-
artig eine Anzahl schwacherer siidniederlandischer Tafeln auf, deren
zumeist unscharfes Stilgeprage nichts anderes als eine annahrend richtige
Datierung gestattet. Zuerst einige provinziell unbedeutende Kirchen-
bilder aus Flandern:
197 (Nieuport, Stadthaus) Zwei Altarfltigel mit Szenen aus der Legende
des hi. Antonius und des hi. Paul, des Eremiten. Um 1500.
Sehr warm und tief gefarbt, schwach in der Zeichnung. Wohl nicht
ohne Anregung von Gerard David her zu erklaren.
389 (Ypern, S. Martin) Altarfltigel mit dem Slindenfall, der Erschaffung
der Eva, der Austreibung aus dem Paradise. Angeblich von
1525, was dem Stil nach moglich ist. Anspruchsvoll , maniriert
von einem unbedeutenden Meister auf der Stilstufe Gossaerts.
334 (Dixmuiden, S. Nikolaus) Fltigelaltar mit der Geburt Mariae im
Mittelfelde. Von 1520 etwa. Klihl und blafi in der Farbung,
sehr schwach und maniriert in der Zeichnung.
Die im folgenden notierten Tafeln haben das Negative gemein-
sam, dafi eine feste Lokalisierung weder durch die Stilerscheinung noch
durch die Herkunft moglich erscheint
207 (Tournay, Museum) Die Predigt eines Heiligen. Um 1480. Viel-
leicht in Tournay entstanden. Eine Nachwirkung Rogers undeut-
lich wahrnehmbar.
323 (Bristol, Fry) Die Anbetung der Konige. Um 1480. Ttichtige,
gut durchgebildete Arbeit Charakteristisch fur den Meister, der
wohl am ehesten von Dierick Bouts Anregung empfangen hat, sind
die grofien, hangenden Nasen.
102 (Wien, Graf Harrach) Der Kaiser mit den Kurftirsten. Schlecht
erhalten, unbedeutend; interessant vorwiegend der Darstellung wegen.
Um 1500.
381 (Paris, L. Goldschmidt) Brustbild eines betenden Monches. Um 1490.
Das vortrefflich erhaltene, in Ausdruck und Kontur hochst wirk-
same Stlick ist sehr schwer bestimmbar. Vielleicht franzbsisoli.
367 (Hamburg, Weber) Der hi. Christoph. Als „Hendrik Bles" mit
Unrecht im Katalog der Galerie Weber. Mittelgute Arbeit von
15 10 etwa.
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Die Brtlgger Leihausstellung von 1902. 1^1
362 (Brussel, Vicomte Ruffo). Der Kalvarienberg. Feine, gut durch-
geflihrte Arbeit, urn 1500 entstanden.
397 (Brugge, Ryelandt) Die Anbetung der Konige. Um 15 10, wahr-
scheinlich in Brtigge entstanden.
175 (Brussel, de Somzee) Zwei Altarflligel, die Vorder- und Rtlckseiten
nebeneinander, Stifterfamilie, der hi. Andreas, die hi. Katharina.
Sehr feine, wahrscheinlich flandrische Arbeit von 1520 ungefahr.
251 (Brtigge, Speybrouck) Die hi. Katharina in Halbfigur. Schwach,
um 1530.
118 (Antwerpen, Museum) Diptychon mit der Madonna in der Kirche,
nach der Eyckschen Tafel in Berlin, dem Salvator und zwei Abten
als Stifter. Aus der Abtei N. D. des Dunes. Das Datum 1499
bezieht sich nur auf drei der Bilder, die von einem sauber aber
matt und charakterlos arbeitenden Meister herrtihren; nach 1520
liefi Robert le Clercq sein Portrat hinzuftigen auf der vierten Flache.
275 (Brussel, Vicomte Ruffo) Fltlgelaltarchen mit der Madonna, weib-
lichen Heiligen und Stifterfamilie auf den Fltlgeln. Die Arbeit ist
etwa 1490 entstanden; die Stifterportrats zeigen Kostlime von 1530
etwa und sind in dieser Zeit hinzugefligt
Einige Portrats, die zumeist eher der dargestellten Personlichkeiten
wegen als wegen des Kunstwertes Beachtung fanden, schliefle ich hier an:
33 (Graf Limburg-Stirum, Rumbeke) Jean sansPeur. Alte Kopie
nach einem Original vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Ganz
entsprechende Bilder im Antwerpener Museum und (vor einigen
Jahren) bei Ch. Sedelmeyer in Paris.
88 (Brtigge, G. van Severen) Philipp der Ktihne von Burgund.
Gute Kopie, etwas Eyck-artig in der Anlage, zum Teil schlecht
erhalten.
103 (Worlitz, Gotisches Haus) Philipp der Schone. Schwache Kopie
aus der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts.
104 (Brtigge, S. Sauveur) Carl V. (irrtlimlich als Philipp der Schone
bezeichnet) Etwas bessere Wiederholungen des wahrscheinlich
von Orley geschaffenen Originals im Louvre und im Museum zu
Neapel (vergl. das etwas abweichende Original von Orleys Hand
in Budapest).
143 (Worlitz) Bildnis eines jtingeren Mannes. Mittelgut, siidniederlan-
disch, um 1480.
273 (Graf Limburg-Stirum, Rumbeke) Familienportrat. Um 1530 ent-
standen. Sehr fein und eigenartig in genrehafter Auffassung, mit
vortrefTlicher Ansicht des Schlosses Rumbeke.
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!j2 M. J. Friedlander:
Lancelot Blond eel war in Brtigge zwischen 1520 und 1560
erfolgreich tatig. Zu seiner Zeit hoch geschatzt, da er italienische Re-
naissanceornamentik und klassische Figurenmotive in seine leeren, rein
dekorativen Malereien einfiihrte, ist er heute nur noch eine Lokalgrofle.
Auf der Ausstellung stand sein ganzes erhaltenes „Werk" so ziemlich
zur Schau.
291 (Brtigge, S. Jacques) Der Altar der Chirurgen, mit Cosmas und
Damian, datiert 1523. Mit dem, dem Meister eigenttimlichen,
Goldgrund und eingezeichnetcr iippiger Ornamentik.
292 (Brugge, stadt. Museum) Der Altar der Maler, mit dem hi. Lucas,
der die Madonna malt, datiert 1545, signiert mit den bekannten
Initialzeichen des Meisters, dem die Mauerkelle beigeftigt ist
293 (Brtigge/ S. Sauveur) Der Altar der Maler mit der Madonna, dem
hi. Lukas und dem hi. Eligius, datiert 1545 und signiert.
308 (Brtigge, stadt. Museum) Die Legende des hi. Georg.
384 (Tournay, Museum) Szenen aus dem Marienleben. Aus der spateren
Zeit des Meisters, charakteristisch im Stil der Figurenzeichnung,
der iiblichen goldenen Dekoration entbehrend.
290 (Brtigge, Coppieters 't Wallant) Kleiner Altarfltigel mit der hi.
Margarete und einer Stifterin. In diesem htibschen, um 1530 ent-
standenen Tafelchen kann ich den Stil des Blondeel nicht finden.
Der aus Gouda stammende Pieter Pourbus war zwischen 1543
und 1584, seinem Todesjahr, in Brugge tatig. Ein ausgezeichneter
Portratist, mit scharfem Blick Itir physiognomische Eigenart und einer
alterttimlich glatten, hochst soliden Maltechnik (merkwtirdigerweise
zeigen seine Tafeln zumeist gar keine Sprungbildung in der Farbflache),
ist er leer und unleidlich in den Idealfiguren seiner Altarbilder.
Von ihrri war ausgestellt:
299. 300 (Brtigge, stadt. Museum) Das Bildnispaar Jan Fernagant und
Adriaene de Buuck. Signiert und datiert 1 5 5 1. Aus diesem Jahre
stammen die altesten uns bekannten beglaubigten Arbeiten des
Meisters.
301 (Brtigge, S. Jacques) Fltigelaltar mit der Mater dolorosa in der Mitte.
Signiert und datiert 1556.
302 (Brugge, Brtiderschaft von S. Sang) Altarfltigel mit 31 Portrats von
Mitgliedern der Brtiderschaft auf der Vorderseite. Signiert und
datiert 1556. Der Firnifi ist zum Teil verdorben, sonst ist dieses
Meisterwerk wie fast alle Schopfungen des Pieter Pourbus tadellos
erhalten.
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Die Brllgger Leihausstellung von 1902. 153
30$ (Briigge, S. Sauveur) Flligelaltar mit dem Abendmahl Christi im
Mittelbilde. Signiert und datiert 1559.
304 (Briigge, Coppierters 't Wallant) Portrat der Pierine Hellinc. Signiert
und datiert 1 5 7 1.
306 (Briissel, Peyralbe) Portrat eines jungen Marines. Signiert und
datiert 1574.
Die verschiedenen Glieder der Malerfamilie Claeis, deren Betrieb-
samkeit bisher wenig Tnteresse erregt hat, sind sehr schwer auseinander-
zuhalten. Die Personlichkeiten sind zu unbedeutend und unselbstandig,
als dafl eine deutliche Erkenntnis mbglich, als dafi ein tief eindringendes
Studium lohnend ware. Von dem alteren Pieter Claeis, der 1576 starb,
besitzen wir, soweit ich sehe, kein beglaubigtes Werk. Von dem zweiten
Pieter Claeis, der 1570 Meister wurde, ist eine (signierte) Arbeit im
stadt Museum zu Briigge, war aber nicht auf der Ausstellung. Von
Anton Claeis, dem Bruder des zweiten Pieter, waren zwei angeblich
signierte Stiicke ausgestellt, wahrend die Zuschreibung einer Tafel an
Gillis, den dritten Bruder, willktirlich zu sein scheint. Den Stilcharakter
dieser Malerfamilie, die die Brtigger Tradition ins 17. Jahrhundert hin-
uberfuhrte, zeigten folgende Bilder:
305. (Brugge, de Buyst) Der hi. Antonius mit Antonius Wydoot dem Abt
von N. D. des Dunes, der 1557 bis 1566 regierte. Zwei Altar-
fliigel. Vielleicht von der Hand des altesten Pieter Claeis.
309 (Briigge, Seminar) Portrat des Robert Holmann, Abtes von N. D.
des Dunes, datiert 157 1. Im offiziellen Katalog dem Anton, von
Hulin mit besserem Recht dem altesten Pieter Claeis zu-
geschrieben.
3ro (Lockinge, Lady Wantage) Gottvater mit dem anbetenden Robert
Holmann, der 1579 starb. Sorgsame Arbeit in kleinem Mafistab,
in der Art des M. Coffermans. Ohne rechten Grund dem Gilles
Claeis zugeschrieben.
361 (Briigge, Ryelandt) Zwei Altarflugel mit Jan Pardo und seinen
beiden Gattinnen, datiert 1580 und 1589. Vielleicht mit Recht
dem Anton Claeis zugeschrieben.
J 1 1 (Brugge, S. Sauveur) Die Madonna pit dem hi. Bernhard. Signiert:
A C, danach dem Anton Claeis zugeschrieben.
360 (Briigge, S. Sauveur) Triptychon mit der Kreuzabnahme. Angeblich
bezeichnet: Antonius Claeissen F. und 1609 datiert.
Mehrere flandrische Andachtsbilder aus der Zeit nach 1540, die
auf der Ausstellung waren, teilen mit den Arbeiten der Familie Claeis
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154 M. J. Friedlftnder:
die trlibe Farbe, die schwache Zeichnung und die Mtidigkeit der Auf-
fassung, namlich:
349 (Beernem, P. Carpentier) Altarchen mit der Kreuzabnahme. Um 1540.
228 (Briissel, Graf d'Oultremont) Die hi. Familie. Um 1550.
346 (Ypres, Hospital) Die Madonna in der Landschaft Um 1560.
166 (Paris, G. Dreyfus) Die Madonna in der Landschaft Um 1550,
mit Anklangen an die Kunst des Pseudo-Mostaert
400 ( — , Servais) Die Madonna. Um 1560.
230 (London, M. Colnaghi) Der hi. Johannes. Um 1540.
Eine Anzahl nach 1540 entstandener, zumeist schwacher und in
Brligge gemalter Bildnisse liefien sich nicht bestimmten Meistern zu-
teilen, namlich:
386 (Wien, Graf Harrach) Portrat eines graubartigen Mannes, datiert
1 541. Ruiniert (Die Nr. 386 im offiziellen Katalog ist irrtiim-
lich dem unter Nr. 93 schon notierten Altarfliigel gegeben).
297 (Brtigge, Coppieters 't Wallant) Portrat des Otho Stochoven, da-
tiert 1542.
401 (Briissel, P. Errera) Portrat eines jungen Mannes. Um 1560.
387 (Paris, J. Porges) Portrat eines Mannes. Hervorragende Arbeit,
von 1560 etwa, sicher nicht in Brtigge entstanden, wahrscheinlich
von der Hand des Adriaen Key, von dem die Brtisseler Galerie
im vorigen Jahre ein anscheinend signiertes Bildnis erworben hat,
298 (Brtigge, S. Sauveur) Portrat des Pierre Lootyns, datiert 1557.
250 (Brtigge, soeurs noires) Portrat des Roger de Jonghe, Altarfliigel,
mit dem hi. Nikolaus auf der anderen Seite. Um 1560.
313 (Meirelbeke, Verhaegen) Portrat dreier Manner. Schwache, mit
Unrecht Frans Pourbus zugeschriebene Arbeit, von 1570 etwa.
336 (Brugge, S. Sauveur) Portrat des Pierre de Cuenync, Sehr schwache
Arbeit, datiert 1609.
337 (Brugge, S. Sauveur) Portrat des Leonard Neyts. Um 1590.
Unter den Meistern, die der siidniederlandischen Malerei des
16. Jahrhunderts das Geprage geben, ist Quentin Metsys der am
hochsten begabte und der al teste. Seine Anfange liegen im Dunkel.
Die Vorstellung von seiner Kunst stammt aus der Betrachtung jener beiden
reifen Meisterwerke, die um 1508 in Antwerpen entstanden sind. Zu Lowen,
1466 scheint Metsys geboren zu sein. Die Kunstkritik war in Hinsicht avif
das Eigentum dieses Meisters konservativ und angstlich zuriickhaltend,
auf der Briigger Ausstellung wurde sein Werk, namentlich dank dem
Scharfblick Georges Hulins, gliicklich bereichert Man hat merk-
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Die Brtlgger Leihausstellung von 1902. 155
wiirdigerweise ofter Joachim Patinir mit Metsys verwechselt, obwohl
die beglaubigten Arbeiten des Meisters von Dinant nach Art und Fein-
heit der Durchfuhrung weit ab von den Schopfungen des Metsys stehen.
Das stattliche Bild der thronenden Madonna im Brtisseler Museum
(21) wurde endlich als Schdpfung des Quentin Metsys anerkannt, nach-
dem deutsche Kunstforscher seit Waagens Zeit haufig diese durchaus
einleuchtende Bestimmung beftirwortet hatten. Ein Werk aus der Jugend-
zeit des Meisters ist die vergleichsweise schwer und warm geiarbte Tafel nicht
eigentlich, sie scheint eher nach als vor 1500 entstanden zu sein. Der un-
bedeutende Fliigelaltar aus der Jerusalemskirche von Brugge (122) ent-
halt im Mittelfelde eine Kopie der feierlichen Madonnenfigur.
Die leider ganz und gar ruinierte Tafel mit der sitzenden Madonna
in ganzer Figur (350, Baron G. Snoy, Brtissel) stammt, falls sie ein
Originalwerk des Meisters ist, aus nicht viel spaterer Zeit als die
Brtisseler Tafel.
Ohne jeden Widerspruch, soweit ich sehe, als Schopfung des
Meisters anerkannt, mit Recht viel bewundert und tadellos erhalten,
stand das auf der Auktion Secretan vom Flirsten Liechtenstein erworbene
Bildnis eines Chorherm auf der Ausstellung (190). Kaum weniger sicher
als Arbeit des Quentin Metsys, wenn auch in der technischen Er-
scheinung ein wenig fremdartig (auf ein Papierblatt gemalt!) ist der
Charakterkopf in strenger Seitenansicht auf weifiem Grunde, der gewifi
nicht Cosimo de Medici darstellt, im Besitz von Madmc Andre* in Paris
(351), in Zeichnung und Modellierung ein unnachahmliches
Bravourstlick. Das voll bezeichnete und 15 13 datierte Bild stammt
aus der Sammlung des Grafen d'Oultremont.
Von den wenigen Genredarstellungen des Metsys, die uns erhalten
sind, steht die unerquickliche Schilderung des ungleichen Liebespaares
im Besitze der Grafin Pourtales zu Paris (359) nicht ganz auf der Hbhe
des Wechslerpaares im Louvre. Der ltisterne Alte ist wohl nach dem-
sclben Modell gemalt wie der sogenannte Cosimo de Medici. Der ganz
von vorn gesehene segnende Christus (353, Baron Schickler, Paris), eine
Wiederholung im Wesentlichen der entsprechenden Darstellung im
Antwerpener Museum, ist, obwohl vortrefflich durchgebildet, wohl nur
eine Arbeit der Werkstatt, wie das ganz genau entsprechende Brustbild,
das Herr Dr. Weber auf der Berliner Leihausstellung 1883 zeigte.
Es ist nicht ganz leicht, den Stil des Metsys in Figuren von
kleinen Verhaltnissen wiederzuerkennen. Doch hat man gelernt, in den
beiden kostlichen Altarfliigeln mit dem Evangelisten Johannes und der
hi Agnes, die Herr v. Carstanjen auf der Auktion Nelles zu Koln 1895
erwarb (die Bilder gehorten nicht zur Sammlung Nelles, sondern kamen
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1 56 M. J. Friedl&nder:
aus England), die Hand des Meisters zu finden, nachdem Ludwig
Scheibler den Namen mit Sicherheit ausgesprochen hatte (371). Dafl
die Hintergrundlandschaften dieser Tafeln, deren Rtickseiten (ibrigens
grobe kolnische Malerei zeigen, an Patinir erinnern, habe ich schon
bei Gelegenheit der Berliner Renaissance-Austellung bemerkt. In alien
Teilen ein besonders feines Werk des Metsys ist der Christus am Kreuz
mit Johannes, Maria und Magdalena aus der Gal erie Liechtenstein (198).
Man hat dem Joachim Patinir zu viel Ehre getan, als man ihm dieses
Meisterwerk zutraute. Eine langere fest geschlossene Kette nahver-
wandter Werke gliedert sich hier an, dabei auch eine schlecht erhaltene
Beweinung Christi, die der Louvre vor einigen Jahren erworben hat.
Zwei reizende Tafelchen mit nackten Biifierinnen, ausgestellt von
P. u. D. Colnaghi (165) wurden auf der Ausstellung fast garnicht be-
ach tet, obwohl sie in der Empfindung und Formenbehandlung durch-
aus die Hand des Quentin Metsys zeigen. Der Zustand dieser Bilder
ist, abgesehen von einigen Partien in der Landschaft, die ein Restaurator
hinzugefiigt zu haben scheint, einwandsfrei.
Ich komme jetzt zu den Arbeiten der Nachfolger und Nach-
ahmer des Antwerpener Meisters,. die ebenso wie das kuriose Laden-
schild, das der LoWener Archivar E. van Even seit Jahrzehnten mit
scheinbar gutbegriindeter im Angesicht des Werkes selbst aber ver-
sagender Argumentation als ein Werk des Meisters einzufiihren sich
bemtiht (284), unter dem grofien Namen ausgestellt waren, wahrend eine
moderne Falschung im Stile dieses Meisters, das Brustbild einer weib-
lichen Heiligen (348), bescheiden als »inconnu« katalogisiert war (eine
ganz ahnliche Falschung befindet sich im Privatbesitz zu Budapest).
Ein weit vorgeschrittener, sehr bedeutender Nachfolger des Metsys
hat die annahernd lebensgrofie Halbfigur der Madonna gemalt, die
reiche, wirkungsvolle, aus Spanien stammende Tafel in der Sammlung
des Barons Oppenheim in Koln (278). Eine stilistisch nah verwandte
Madonnentafel, die ebenfalls aus Spanien stammt, kam in Paris auf
der Auktion Despuig vor und ist jetzt im Pariser Privatbesitz. In der
Behandlung des Laubwerks, des Himmels, der ungewohnlich schwer be-
wolkt ist, und in den grofiztigigen, fast michelangelesken Bewegungs-
motiven der Mutter und des Kindes haben die beiden Bilder viel Ge-
meinsames.
Die weit kleinere, bescheidenere und mehr altertiimliche Madonna,
die auf der Versteigerung Huybrechts einen betrachtlichen Preis erzielt
hat und in Brugge von Herriman (Rom) ausgestellt war (372), ist von
einem bedeutenden Nachfolger in engem Anschlufi an Schopfungen des
Meisters, im besonderen, wie es scheint, an die Berliner Madonna ge-
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. 1*7
staltet. Mit selbstandiger Kunst ist die stimmungsvolle dunkle Land-
schaft mit dem leuchtenden Streifen des Flusses, auflfallig geschmacklos
dagegen sind die Gebirgsformen hinter dem Madonnenkopf aufgebaut.
Ziemlich flau und schwach, hell und bunt in der Farbung, stammt die
Darstellung Christi, der die Wechsler aus dem Tempel treibt (394,
Vicomte Ruflfo) offenbar von einem Schtiler des Quentin Metsys. Als
schlechte Nachahmungen im Metsys-Stil erscheinen die Tafeln mit den
beiden betenden Mannern, iiberdies stark verputzt, aus Rom gesandt
vom Ftirsten Doria (382; ein weit scharferes Exemplar dieser Komposition
im Privatbesitz zu Columbia, mit der Aufschrift: »Bonum est prestolari
cum silentio salutare dei«) wie auch die bertihmte, sehr schlecht er-
haltene Halbfigur der mater dolorosa in S. Sauveur zu Briigge (105),
deren Signatur »J V E« gefalscht ist und nicht Jan van Eeckele,
sondern Jan van Eyck bedeuten soil. Eine nah verwandte Komposition,
offenbar im Anschlufi an Metsys gestaltet, befindet sich in der Munchner
Pinakothek.
Bestimmte Beziehungen zu der Kunst des Quentin Metsys zeigte
die stattliche Anbetung der Konige aus dem Besitze des Herrn van den
Corput in Brtissel (326), minder deutliche die weit schwachere Dar-
stellung desselben Inhalts, die Heir Snyers (Briissel) geliehen hatte (369).
Von Jan dem Sohne des Quentin Metsys, der erst 1509 geboren,
mit seiner fruchtbaren Tatigkeit einer verhaltnismafiig spaten Zeit an-
gehort, waren zwei bedeutende und ziemlich unbekannte Arbeiten auf
der Ausstellung, beide voll bezeichnet, namlich eine Halbfigur der
Judith aus dem Besitz des Malers Dannat, der in Paris lebt (241;
-Opus Johannis Matsiis«), und die heilige Familie, die dem Vicomte
RufTo gehbrt (243; »i563 Joannes Massiis PingebaU). Ganz ohne
Berechtigung unter dem Namen dieses Meisters stand auf der Aus-
stellung ein charakterloses Exemplar (nur eines merkwlirdigerweise)
jener Komposition des hi. Hieronymus, die auf Dtirers Tafel zurtlck-
geht, und die in vielen Ausftihrungen, besonders oft im Stil des Meisters
vom Tode Mariae, vorkommt (240; Cels, Briissel).
Von dem anderen Sohne Quentins, von Cornelis Metsys
stammt die sehr htibsche, in Nachahmung des Vaters mehr als Patinirs,
gemalte Gebirgslandschaft mit der StafTagefigur des hi. Hieronymus
(205; E. de Brabandere, Thourout). Zum mindesten ist diese Tafel
ahnlich signiert wie das Bildchen dieses wandlungsfahigen Malers in der
Berliner Galerie, mit einem Zeichen, das aus C, M (nicht N) und A
zusammengesetzt. Das Datum ist 1547.
Jan van Hemessen war merkwlirdigerweise nicht vertreten.
Das einzige unter seinen Namen ausgestellte Bild, Christus mit den
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158 M. J. Friedlander:
JUngern zu Emaus (196; C. Davis, London) eine kleine, nicht be-
deutende Tafel, war ganz verstandig katalogisiert, da es den Werken
des Braunschweiger Monogrammisten, der wahrscheinlich mit
Hemessen identisch ist, wenigstens nahe stent.
Der Antwerpener Landschaftsmaler Joachim Patinir, den man
auf Grund mehrerer bezeichneter Werke, namentlich der Taufe Christi
in Wien, dann aber im Prado studieren sollte mit dem Ergebnis,
dafi er sich in den Formen der Landschaft und auch der Figuren
deutlich von Quentin Metsys unterscheidet, war durch den reichen
Beitrag aus der Sammlung v. Kaufmann sehr gut in Brugge vertreten.
Zu dem oft geriihmten Flugelaltar mit der heiligen Familie auf der
Flucht im Mittelbilde (199) hat Herr v. Kaufmann im vorigen Jahre
eine reizende kleinere Tafel im Originalrahmen (200) erworben, die in
bescheidener Aufierung die Kunst des Patinir auf derselben Hohe
zeigt wie das stattliche Triptychon. In einer sich breit dehnenden
Landschaft, die einfach und naturgemafi disponiert ist, sitzt Maria mit
dem Kinde, sehr klein und der Landschaft untergeordnet Fast noch
wichtiger und belehrender als diese landschaftliche Komposition ist die
Halbfigur der Madonna, die der Besitzer J. P. Heseltine in London
(211) ganz mit Recht fiir ein Werk des Patinir halt, und die auf der
Ausstellung durchaus nicht gemigend beachtet wurde. Die vornehme
Ruhe, der feinftihlige Geschmack der Anordnung, Eigenschaften, die
der liebenswiirdige Meister stets bewahrt, treten hier deutlich hervor.
Seine Faltenlinien sind stets sachlich und prosaisch, verglichen mit den
melodiosen Schwingungen, mit denen Metsys fast berauschende Wirkung
erzielt.
Recht gute Arbeiten in der Art des Patinir, aber nicht von
seiner Hand sind die beiden Landschaften mit dem hi. Hieronymus
aus dem Besitz des Herrn J. Helbig in Ltittich (204) und des Herrn
A. de Meester in Brtigge (203). Eine ziemlich unbeholfene Nach-
ahmung im Stile dieses Meisters ist die Taufe Christi aus dem Museum
von Tournay (333).
Schwarzlich und ganz unselbstandig von einem wesentlich
kopierenden Nachfolger Patinirs stammt die Tafel mit dem
liber das Wasser schreitenden Petrus her, die Sir Kenneth Muir Mackenzie
ausgestellt hatte (201) und die nach einer Vermutung Gliicks von
Hans van der Elburcht gemalt ist. Die Hypothese beruht aus-
schliefilich auf der Identitat der Darstellungen hier und in Descamps
Beschreibung und scheint mir nicht zwingend. Streng genommen, ist
in unserer Tafel nicht »St. Pierre aux pieds de Notre-Seigneur sur les
bords de la mer« dargestellt; Petrus schreitet vielmehr auf dem Wasser
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Die Brflgger Leihausstellung von 1902. I en
in betrachtlichem Abstand von Christus. Ubrigens ist mit der Hypothese
nicht viel gewonnen, da die Personlichkeit des Hans van der Elburcht
dadurcb kein Profil erhalt
Ganz fremdartig unter den Schopfungen Patinirs stand die
Olbergdarstellung aus der Sammlung Rohrer in Munchen (324), die ich
nur deshaJb hier erwahne, weil die Bestimmung von Bayersdorfer her-
riihrt und das, Ubrigens stark beschadigte, Bild unter diesem Namen
auch auf der Miinchener Leihausstellung 1901 zu sehen war und irn
>Klassischen Bilderschatz« publiziert ist Soweit der Zustand der
Malerei ein Urteil noch zulafit, steht das Werk den friiheren Arbeiten
der B. von Orley am nachsten. Die Ahnlichkeit mit der entsprechenden
Darstellung von Gossaert in Berlin ist ganz gering.
Eine hiibscbe landschaftliche Komposition mit Christus, der die
Kranken heilt, von der Hand des Lukas Gassel, signiert, wie ge-
wohnlich und mit dem frtihen Datum 1538 versehen, war aus der
Sammlung Weber geliehen (294).
Marin us van Reymerswaele steht zu Metsys in einem ahn-
lichen Verhaltnis wie Jan Sanders, mit dem er auch annahernd gleich-
altrig zu sein scheint Die laute Aufdringlichkeit der grofien Figuren
in den gut durchgebildeten Tafeln dieser Meister gemahnt schon an
jene Seite des sudniederlandischen Geschmacks, die im 17. Jahrhundert
Jordaens vertrat. Hemessen ist gewbhnlich plump in der Form, dumpf
in der Farbung, Marinus bevorzugt stechend spitze Formen und eine
klare, braune, sehr stark geglattete Malerei. Den hi. Hieronymus im
Studierzimmer hat Marinus haufig gem alt. Das Bild dieser Gruppe auf
der Ausstellung (296; signiert: „Marihus me fecit 1541"; E. de Becker,
Lowen) ist echt und von mittlerer Qualitat. Ein besseres Werk seiner
Hand ist offenbar die Berufung des hi. Matthaus aus dem Besitze des
Earl of Northbrook (295), das von einem Nachahmer ofters kopiert
worden ist In der besonders schlechten Kopie des Antwerpener
Museums hat man die Inschrift »Jan von Hemess . . .« zu finden ge-
glaubt und danach ist auch das schdne Original dem Hemessen zu-
geschrieben worden. Weder das Original noch die Kopie hat irgendwas
mit diesem Meister zu tun.
Das sehr wirkungsvolle Portrat eines jungen Kaufmanns, das Herr
JuJes Porges aus Paris als »Marinus< geliehen hatte (242), kann nicht
mit Sicherheit als Werk dieses Meisters betrachtet werden. Wir besitzen
leider kein beglaubigtes Bildnis von der Hand des Meisters, das wir
daneben stellen konnten. Ich halte aber die Bestimmung ftir einen
sehr kJugen Ein fall, ftir einen Vorschlag, der kaum durch einen besseren
ersetzt werden kann. Die Beleuchtungsart, die Freude an Schlagschatten,
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ifio M. J. Friedlander:
die Uberftille des Schreibgerats und des Papieres, dessen krause Formen
mit schrullenhafter Gewissenhaftigkeit verfolgt sind: dies und anderes
pafit sehr gut zu der bekannten Art des Marinus.
Der Meister des Todes Mariae, den ich hier anreihe, weil
er, ob mit Joos van Cleve identisch oder nicht, gewifi mit den Ant-
werpenern in enger Beziehung steht, war auf der Ausstellung nicht
seiner Bedeutung und der Haufigkeit seines Erscheinens entsprechend
reprasentiert. Abgesehen von dem wohlbekannten Selbstportrat aus der
Sammlung v. Kaufmann (259) ist nur die Verktindigung (276, Porges,
Paris) ein sicheres Original von seiner Hand, aus der spateren Zeit,
gut erhalten bis auf eine grobe Retusche, besonders interessant, weil
verwandte Kompositionen von dem Meister sonst nicht bekannt sind, und
sehr anziehend durch das reiche Inventar des Innenramms. Die von
Kleinberger (Paris; 347) ausgestellte Kreuzigung scheint nur eine
gute Nachahmung aus der Zeit des Meisters zu sein und kann bei
einer Vergleichung mit den entsprechenden Darstellungen in Neapcl,
bei Herrn Konsul Weber in Hamburg und einem Triptychon, das im
italienischen Kunsthandel vor einigen Jahren aufgetaucht ist, nicht be-
stehen. Namentlich scheint die Farbung des Pariser Bildes allzu
schwarzlich. Eine weit schlechtere Kopie, nach der schonen heiligen
Familie, die Kapt Hoi ford von der Hand des Meisters besitzt, hattc
Ch. Sedelmeyer geliehen (376), wahrend das von Simkens (Antwerpen;
216) ausgestellte Madonnenbild eine Falschung im Stil des Meisters
vom Tode Mariae ist.
Herri met de Bles ist der Titel liber einem schwierigen und
wirren Kapitel. Wir haben als Ausgangspunkt van Manders Bench t
und das Bild in Mtlnchen mit der Inschrift »Henricus Blesius*..
Van Mander rtihmt den Meister als einen Landschaftsmaler und Nach-
folger Patinirs; seine Bilder seien an dem Kauzchen kenntlich. Mit
dem Kauzchen signierte Landschaftsdarstellungen gibts in grofierer Zahl ;
von ihnen aber scheint keine Brticke zu dem signierten Gemalde mit
der Anbetung der K6nige in Munchen zu fiihren, zu dem van Manders
Bericht liberhaupt nicht recht pafit. Die Tafel in Mtinchen ist auflerst
maniriert, zeigt einen in niederlandischen Bildern und Zeichnungen nicht
eben selten vorkommenden Stil in ganz besonders spitzer, harter Aus-
fiihrung und ist offenbar zum Kristallisationspunkt nicht recht geeignet.
Gehen wir nichtsdestowiger — und es bleibt kein anderer Weg
— von der MUnchener Tafel aus, so finden wir als das nachst ver-
wandte Bild ein kleines Triptychon mit der Anbetung der Konige im
Prado, ferner die Enthauptung des Johannes bei Frau Hainauer unci
endlich das Doppelbild im Besitze der Grafin Pourtales in Paris (277).
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Die Brttgger Leihausstellung von 1902. 16 1
Dieses Doppelbild besteht aus zwei Fliigelbildem, die zu einer verlorenen
Anbetung der Konige gehorten. Die Fltigel des Madrider Altars haben
dieselben Darstellungen : Salomon, die Konigin von Saba empfangend;
David, den Boten mit dem Wasser von Bethleem empfangend (?). Das
Doppelbild aus Paris ist nicht tadellos erhalten; namentlich im Fltigel
rechts ist viel restauriert und entstellt Vorausgesetzt, dafi die Mtinchener
Tafel echt signiert ist, haben wir mit diesen vier Werken den innersten
Kjreis der Bles-Bilder umschrieben.
Was sich im weiteren Kreise anschliefit, ist etwas abweichend im
Stil, minder maniriert, weniger spitzig und scharf, mehr elegant ge-
schwungen, mit eher nattirlichen Proportionen. Von den drei besten
Stucken dieses weiteren Kreises dem Fltigelaltar in Longford Castle,
der Anbetung der Konige in der Brera, und der beiderseitig bemalten
Tafel mit der Geburt Christi und Joseph im Tempel unter den Freiern
Mariae, war das zuletzt genannte, in der Sammlung Cook zu Richmond
bewahrte Bild unter No. 233 auf der Ausstellung, gut erhalten, unter
einem sehr schmutzigen Firnis. Von demselben Meister stammt die
geistreiche, wenn auch wortgetreue Ubersetzung des figurenreichen
Diirerschen Kalvarienbergs (354; R. Hughes of Kimmel). Das wahr-
scheinlich ehemals in Antwerpen befindliche Original von der Hand
Durers, das jetzt in den Uffizien ist, wurde von Matham gestochen und
tod Jan Breughel kopiert. Offenbar imponierte der Reichtum an Er-
imdung den Niederlandern gewaltig. Die Ausfiihrung erinnert nament-
lich an das Triptychon der Brera. An diese Gruppe schliefit sich
aufier vielen minderwertigen Dingen, der prachtige Karton zu einem
Glasfenster an, der vor einigen Jahren im Handel war und von Herrn
v. Lanna fur das Prager Museum erworben worden ist, ferner das kleine
Flugelbild mit der Geburt Christi im Mittelbilde, das mit der Sammlung
Dormagen ins Kolner Museum gekommen ist, und mehrere nah ver-
wandte Kreuzigungsdarstellungen. Auf der Austellung war dieser tiber-
maflig schwungvolle Stil durch ein ziemlich unbedeutendes dunkeles
Triptychon aus dem Besitz des Sir Ch. Turner (375) vertreten, mit der
Beweinung Christi im Mittelbilde.
Was sonst in den Galerien im Bles-Stil vorkommt, ist zumeist
schwach und rtihrt von Nachahmern her, die sich deutlich von einander
onterscheiden. Ich will hier das umfangreiche Material nicht ausbreiten,
Auf der Ausstellung war relativ wenig von dieser Kunst, die Antwerpen
nicht zur Ehre gereicht Das Triptychon von S. Sang zu Brtlgge
(274; Kreuzigung, Kreuztragung und Auferstehung Christi) rtihrt von
einem Meister her, von dem ganz ahnliche Stticke im Berliner Privat-
besitz (Heir Magnussen) und in Hampton Court sich befinden.
Repertoriam fftr Kunstwissenschaft, XXVI. 1 1
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t62 M. J. Friedlftnder:
Die Tafel mit Anna Selbdritt aus Worlitz (383) schlieflt sich an
den vielfach liberschatzten Magdalenen-Altar in der Brlisseler Galerie an.
Die von Thibaut Sisson ausgestellte kleine hi. Familie (3163) ist
ein ganz besonders schwaches Produkt der betriebsamen Antwerpener
Produktion dieser Richtung.
Landschaftliche Darstellungen, die dem Herri met de Bles auf Grund
des Kauzchens oder dem Stil nach zugeschrieben werden konnten, gab
es nicht auf der Ausstellung. Am ehesten kam in Betracht die schwache
von J. Helbig (396) ausgestellte Landschaft mit Christus auf dem Wege
nach Emaus.
Ein hervorragendes Werk der Antwerpener Kunst aus der Zeit
um 15 10, das mehrere Ziige mit der Mtinchener Epiphanie gemein hat,
aber weit ruhiger altertumlicher erscheint, ist der Katharinen-Altar aus
der Sammlung Cook, der oft als »Gossaert« ausgestellt worden ist (192).
Es ist nicht schwer, nah verwandte Gemalde, von denen lib ri gens
keines auf der Hohe des merkwUrdig edelen und einfachen Fliigel-
altars stent, namhaft zu machen, sehr schwer aber die neu ge-
wonnene Gruppe mit den oben aufgestellten Gruppen zu verbinden.
Von dem Meister des Katharinen-Altars stammt der bedeutende Altar
zu S. Gommaire in Lierre, ferner die Madonna mit zwei weiblichen
Heiligen, die aus der Sammlung Somz£e in den Pariser Kunsthandel
gekommen ist (jetzt wohl in Amerika), dann die Verktindigung in
MUnchen (hiermit nahern wir uns derersten Bles-Gruppe), endlich das
schlecht erhaltene, oft falsch beurteilte Sibyllenbild der Wiener Akademie.
Als den letzten Vertreter des strengeren Stils in Antwerpen schliefle
ich hier den neuerdings entdeckten Marcel lus K offer mans an, dessen
»Werk« weit grfcfler ist, als die Notiz, die v. Tschudi diesem armlichen
Meister gewidmet hat, andeutet. Ein besonders hlibsches Bild von seiner
Hand ist im archaologischen Museum zu Madrid. Auf der Ausstellung
war das am klarsten signierte Bild dieses Malers, der um 1570 in Ant-
werpen gewifi recht altmodisch erschien, die heilige Familie mit Engeln
in der Landschaft aus dem Besitz des Herrn Schlofi in Paris (235 ;
signiert: Marcellus Koffermans fecit), eine Komposition, deren Motive
von Martin Schongauer zu stammen scheinen. Von Koffermans ist aucH
das kleine FKigelaltarchen, das Alfred Stowe geliehen hatte (236).
Jan Gossaert war recht schwach vertreten. Man darf diesem
Meister nur das Allerbeste zutrauen, namentlich in Hinsicht auf Gediegen-
heit der Ausftihrung. Er ist mehr als irgend ein anderer Meister zxx
Anfang des 16. Jahrhunderts nachgeahmt worden, wie denn van Mander
in seinem Bericht liber den jlingeren Coek erwahnt, dafl dieser Maler
vortrefflich die Werke Gossaerts kopiert habe. Jans Gosaert hatte mit
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Die Briigger LeihAUSftellung von 1902. 163
grofiem Eifer die Tradition des 15. Jahrhunderts in sich aufgenommen
und die Kunst der van Eyck mit tieferem Verstandnis als irgend ein
Meister seiner Generation betrachtet, ehe er nach Italien zog. Nach
dem Genter Altar hat er jene jetzt im Prado bewahrte Tafel mit
Gottvater, Maria und Johannes gemalt und friiher, gewissenhafter
die Berliner Madonna in der Kirche kopiert Seine Kopie der
Madonna in der Kirche ist die Halfte des kostlichen Diptychons, das
m der Doria-Galerie zu Rom bewahrt wird. Der Prinzipe Doria hatte
nach Brtigge zur Ausstellung sonderbarerweise nur die andere Halfte
dieser Doppel tafel (160) gesandt, den Stifter mit dem hi. Antonius. Die
mit aufierordentlichem Farbengeschmack und einer unvergleichlich
zarten Maltechnik ausgefiihrte Diptychon mag etwa gleichzeitig mit
einem Palermitaner Fltigelbild und wenig spater als die Anbetung der
Konige beim Earl of Carlisle entstanden sein. Das Bild in England
mufi stets als Ausgangspunkt beim Studium dieses Meisters betrachtet
werden. Abgesehen von dem romischen Stuck war nur noch die Halb-
figur des hi. Donatian, gemalt fur Jan Carandolet, wie das Wappen auf
der Riickseite der Tafel sagt, aus dem Museum von Tournay (370) als
ein Orginal des Meisters anzusehen, von 1520 etwa. Fur denselben
Auftraggeber malte Gossaert im Jahre 15 17 das schone Diptychon im
Louvre. Eine grobe Kopie nach Gossaert ist der Kampf des Herkules
mit Antaus, ausgestellt von Miethke in Wien (225, bezeichnet und
datiert 1523), eine Kopie auch, nach dem Mittelbilde des Palermitaner
Flugelaltars, die bekannte, vom Earl of Northbrook ausgestellte Tafel
(328) in den Figuren ziemlich getreu, in der Architektur stark ab-
weichend, im Stil und in der Qualitat weit entfernt von Gossaert
Das Portrat des Grafen Floris d'Egmont (?), geliehen von Percy.
Macquoid (161) stellt offenbar dieselbe Person dar wie das Portrat
von Gossaerts Hand im Amsterdamer Rijksmuseum, ist aber nicht eigentlich
eine Kopie nach diesem Bilde und andrerseits "auch kein zweites Orginal
sondern eine Nachahmung in ziemlich charakterlosem Stil.
Wohl von Gossaert stammt die etwas slifiliche Magdalena, die
Ch. L. Cardon ausgestellt hatte (221). Portratartig ist diese htibsche
Halbfigur gewifi, und das »Y« mit einer Krone im Grunde lafit das
Bildnis einer fttrstlichen Dame vermuten; dafl aber Isabella von Oster-
reich als Magdalena dargestellt worden sei, ist nicht gerade wahr-
scheinlich.
Von einem ttichtigen Zeitgenossen des Meisters, der sich an
Gossaert (zweite Periode, vgl. das kleine Prager Dombild) und an Bles
halt, rtihrt das kleine Triptychon mit der Anbetung der Konige her
(Sir Fr. Cook, 191).
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164 M- J- Friedlftnder:
Bernaert von Orley ist ein weit geringerer Meister als Gossaert.
Er ist hochst ungleichartig, beginnt mit muhsamen Kopositionen, die
eine besondere Neigung zu hafilichen Typen bekunden, kommt dann
unter den Bann des Mabuse und geht endlich mit einem fltichtigen
ausgedehnten Betriebe, fur Glasfenster und Webereien Entwurfe liefernd,
mehr auf extensive denn auf intensive Wirkung aus. Schliefilich bleibt
ihm nur die Schlagfertigkeit des Komponierens, wahrend die Ausftihrung
immer grober wird. Auf der Ausstellung war ein Portrat seiner Gonnerin,
der Statthalterin Margarethe, von seiner Hand (224; Kleinberger, Paris).
Bisher war nur eine wenig abweichende, aber weit geringere Kopie dieses
Portrats bekannt, in der Antwerpener Galerie. Das Pariser Portrat kann
allenfalls als Original gel ten, obwohl es keineswegs gut gezeichnet ist.
Ahnliche und schwerere Verfehlungen in der Zeichnung der Portrat-
kopfe zeigt das gewifi von Orley herriihrende Triptychon mit der Be-
weinung Christi in der Brtlsseler Galerie. Eine Arbeit des Meisters, der
im besonderen kein guter Portratist war, von grofierer Sorgfalt der
Durchbildung, aus der Zeit von 15 15 etwa, ist die Halbfigur der Ma-
donna, die der Earl of Northbrook vor einigen Jahren im Londoner
Kunsthandel erworben hat (330). Der etwas mohrenartige Typus und
das elegante silbrige Email der Ausfiihrung ist fur die mittlere Periode
dieses Meisters (iberaus charakteristisch, ebenso wie die Form der Hand,
die mit der Hand im Portrat der Statthalterin durchaus tibereinstimmt.
Das einfach und zielbewufit gezeichnete Portrat einer jiingeren Frau,
aus dem Besitze des Herrn Simon in Berlin (131) halte ich flir eine
Schopfung Orleys. Ein ungleichmafiige und in k einem Teile sehr hoch-
stehende Arbeit aus der Werkstatt des Meisters ist der bekannte viel-
gliedrige Altar mit dem Marientod im Mittelfelde aus dem stadtischen
Hospital von Brtissel, datiert 1520 (163). Scheibler hat diesen Altar,
vielleicht mit halbem Recht, dem alteren Jan von Coninxloo zuge-
schrieben, der wahrscheinlich aus der Werkstatt Orleys hervorging.
Grobe Arbeiten in dem Stile, den Orley in seiner spateren Zeit aus-
bildete, sind die beiden schwer gefarbten trtiben Tafeln mit der Dornen-
kronung und der Kreuztragung Christi (279, 280; Stowe, Buckingham),
schwerlich von dem Meister selbst, und die grofie Dornenkronung aus
der Kathedrale von Tournay, die trotz ihrer Roheit, wie ich glaube,
von Orley gemalt ist (390).
Von unbedeutenden Nachahmern Orleys stammen die Grablegung
Christi (271; Novak, Prag) und zwei kleine Tafeln mit der hi. Familie,
die eine, bessere, ausgestellt von M. Colnaghi (London, 202) von einem
bestimmten Meister, von dem in der Briisseler Galerie eine Anbetung
der Kbnige bewahrt wird, die andere, fast wertlos (398; Novak, Prag),
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Die Brtigger Leihausstellung von 1902. 165
in Komposition und Art einem Bildchen entsprechend, das in Koln in
den Versteigerungen Clave* und Haberthlir vorkam. Von dem erfindungs-
armen. aber mit feinem Schtinheitssinn begabten Jan v. Coninxloo
dem alteren, rtihrt vielleicht die Madonna am Brunnen her, die aus Glasgow
nach Brtigge geliehen war, die genaue, nicht ganz so gut erhaltene Wieder-
holung des scbonen Bildes in der Ambrosiana (154). Scheibler hat
diesem Meister das Triptych on in Cassel mit einer Reihe wiirdiger
Heiligen zugeschrieben und von ihm ist auch, wenn ich nicht nicht
irre, die hochst geschmackvolle Verkiindigung in der Galerie von Cam-
bridge. Auszugehen ist von dem signierten Bilde in Rouen.
Im Kataloge der Ausstellung kam der Name Coninxloo nur
einmal vor; das ziemlich fade Altarchen aus der Sammlung Somzde
(366), im Charakter der Briisseler Kunst von 1530, mit der thronenden
Madonna in der Mitte, war dem Gilles v. Coninxloo zugeschrieben.
Diese Bestimmung ist natiirlich irrtumlich. Von den Gliedern der
Malerfamilie kommt der in der 2. Halfte des 16. Jahrhunderts als
Landschaftsmaler tatige Gilles hier am allerwenigsten in Betracht, weit
eher jener Comelis, von dem die Briisseler Galerie ein signiertes und
1526 datiertes Tafelchen besitzt. Naher aber als dieser Arbeit steht
Baser Triptychon dem bekannten Abendmal in Ltittich von 1530
iWiederholungen in Briissel von 1531 und Belvoir-Castle), das neuer-
dings mit schwachen Griinden (nach der handschriftlichen Notiz auf
einem Kupferstich) dem Cook van Alost zugeschrieben wird.
Fur eine tiichtige Briisseler Arbeit von 1525 etwa, die in mancher
Beziehung an Comelis v. Coninxloo erinnert, halte ich die Tafel,
die Sedelmeyer ausgestellt hatte und die frtiher als „Bartel Bruyn" —
ganz mit Unrecht — im Handel war (262). Dargestellt ist Maria mit
dem toten Christus, Magdalena, andere Heilige und eine Stifterfamilie.
Eme etwas schwachere Kreuzigung, die diesem Bilde nahe steht, wird
im konigl. Schlosse zu Berlin bewahrt.
Von Orley besonders stark angeregt, um 1525 tatig ist jener
Meister der Magdalenen-Legende, dessen „Werku ich im Re-
pertorium (1900, S. 256) angefangen habe zusammenzustellen, eine relativ
geringe Kraft, leicht kenntlich in der Typik und im Besitz einer ge-
sunden, etwas derben Technik. Zwei von den Szenen aus der Legende
der hi. Magdalena, nach denen der Maler getauft ist, waren auf der
Ausstellung (282. 283; frtiher in der Sammlung Meazza, jetzt bei P. und
D. Colnaghi). Offenbar von demselben Meister stammt das Triptychon,
mit der Madonna in der Mitte, aus dem Besitz des friih verstorbenen
Antwerpener Sammlers Chevalier Mayer van den Bergh (174). Ahn-
bche Madonnenbilder gibt es in grofierer Zahl, so in beiden Bonner
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I>66 M. J. FriedlBnder:
Sammlungen und sonst Das recht ' unbedeutende Diptychon, das
der Grafin de Liedekerke gehort (162), zeigt mindestens im Madonnen-
bilde Verwandtschaft mit den Arbeiten unseres Meisters, dessen Stil in
scharfer, etwas karikierter Pragung in der nicht uninteressanten Dar-
stellung der Madonna mit dem hi. Bernhard (329; von Dr. Sarre,
Berlin, geliehen) zu finden ist Die beiden Tafeln mit dem hi. Christoph,
das Triptychon aus der Sammlung des Chev. Mayer (374) und die nicht
besonders gut erhaltene einzelne Tafel aus der Prager Galerie Novak
(234) haben in einigen Ztigen Verwandtschaft mit der hier zusammen-
gestellten Bildergruppe.
Das Altarwerk aus der Kirche von Beyghem, vier Fliigel mit
Passionsdarstellungen (314 — 317), ist um 1520 in grobem karikierendem
Stil geschaffen. Zwei Hande mindestens sind in der Arbeit zu unter-
scheiden. In der Brtisseler Galerie wird ein anscheinend aus derselben
Werkstatt stammender Fltigelaltar mit der Kreuzabnahme im Mittelbilde
bewahrt (No. 580 des Kataloges von Wauters).
Der Meister der weiblichen Halbfiguren ist neuerdings durch
die geistvoll begrtindete Hypothese Wickhoffs scharf beleuchtet worden.
Wickhoff hat sich bemtiht, nachzuweisen, dafi dieser Maler in Frankreich
am Hofe tatig gewesen sei und hat ihn mit Janet Clouet identifiziert.
Ich bin nicht imstande, iiber den Wert dieser Aufstellung eine
Meinung zu aufiern und begniige mich hier damit, der Befriedigung
Ausdruck zu geben, dafi der Umrifi der Personlichkeit durch Wickhoffs
Arbeit deutlicher geworden ist. Nur dem Stil nach zu urteilen, wtirde ich
diesen Meister ftir etwas j linger als Janet halten und glauben, dafi er um
1540 in Antwerpen tatig gewesen sei. In Brtigge war das Hauptwerk zu
sehen, von dem die Vorstellung von seiner Kunst den Ausgang ge-
nommen hat, die Gruppe der drei musizierenden Damen aus der Galerie
des Grafen Harrach (263). Das auf alien Seiten angesttickte, sonst
aber gut erhaltene Bild zeigt den Meister mit alien seinen Schwachen
und Vorziigen, der Unsicherheit der Zeichnung, die an jeder Verkiirzung
scheitert, der geringen Individualisierung, der sauberen emailartigen
Ausftihrung. Auch die anderen drei Stticke von der Hand dieses
Meisters auf der Ausstellung boten keinerlei Schwierigkeiten, weder die
Halbfigur einer schreibenden Dame (265; Pacully, Paris), noch die
schone heilige Familie aus der Sammlung Rath (264; P. und D. Colnaghi),
noch endlich die Madonna in der Landschaft, ein bisher nirgends er-
wahntes, leider durch einen Bruch der Tafel entstelltes Bild, mit einer
Uberraschend disponierten Landschaft (266, Graf Charles d'Ursel, Brugge).
Der Lowener Maler Jan van Rillaer, der fiir seine Vaterstadt
etwa das ist, was Orley fur Briissel, war durch die zwei grofien Fliigel
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Die Brtigger Lcihaosstellung von 1902. ifij
aus dem Lowener Bathause, sein mit der Signatur versehenes Haupt-
werk, in Briigge vertreten (395). Vielleicht von seiner Hand ist das
unbedeutende Madonnenbild aus Worlitz (210), eigentumlich rosig und
weifilich im Fleischton und ungeschickt in der Haltung.
Von einem etwas alteren Lowener Maler Jan Rombauts zeigte
Ed. v. Even das von ihm entdeckte, in seinem Besitz befindliche Stttck
eines Altarwerks mit der Darstellung des wunderbaren Fischzugs auf
der Vorderseite (254). Die Verantwortung ftir die Bestimmung dieses
zienilich charakterlosen Bildes mttssen wir dem verdienstvollen I^owener
Gelehrten tiberlassen.
Jan Bellegambe, der einen Stil ftir sich an der Grenze von
Frankreich und den Niederlanden mit beachtenswerter Sicherheit pflegte,
einen eleganten Stil, ist trotz der sorgialtigen Arbeit, die Deshaines
ihm gewidmet hat, sehr wenig bekannt. Selbst der Louvre besitzt ein
hubsches Tafelchen von seiner Hand (unter den „deutschenu Bildern),
das noch nicht richtig bestimmt worden ist. In Brugge war eine sehr
interessante Darstellung der Bekehrung Pauli (332; A. Verhaegen,
Meirelbeke), ganz ohne Grund dem Jakob Cornelisz zugeschrieben, die
mciner Ansicht nach eine charakteristische Arbeit des Bellegambe ist.
Die sehr mageren Figuren, die wunderliche Neigung des offenbar sanft-
mutigen Meisters, dramatische Energie in weit aufgerissenen Augen und
heftigen Bewegungen zu entfaiten, der rotbraunliche Fleischton, die
Form der Hande und vieles andre scheint mir beweiskraftig fiir die
Bestimmung. Das Triptychon mit der Kreuzigung Christi aus dem
Museum in Tournay (353), das Hulin mit der Bekehrung Pauli in Zu-
sammenhang gebracht hat, scheint mir nicht von derselben Hand,
wenn auch ein Schulzusammenhang besteht.
Hollandische Bilder waren bei weitem nicht so eifrig erbeten
worden wie siidniederlandische. Der Zufall mehr als eine systematische
Auswahl hatte immerhin eine stattliche Gruppe von althollandischen
Taieln zusammengebracht Geertgen tot S. Jans, der al teste Meister
der nordlichen Provinzen, von dem wir dank van Manders Bericht und
dank den in Wien bewahrten Tafeln eine Vorstellung besitzen — Albert
ran Ouwater offenbart sich in dem einzigen erhaltenen Bilde recht ein-
seitig — , war durch die kleine Tafel mit Johannes dem Taufer gliick-
lich vertreten. Das besonders gut erhaltene Bild, das Percy Macquoid
ausgestellt hatte (34), ist in den Besitz des Berliner Museums iiber-
gegangen (vergl. meine Wiirdigung des Werkes im Jahrbuch d. kgl. preufi.
Ksts. 1903 S. 62 ff.).
Das merkwiirdige, von Sir Charles Turner ausgestellte »Rosenkranz-
bildc (256) zeigt Kostiime von 1490 etwa — , in scharfem Kontrast zu
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X68 M. J. Friedlftnder:
der Malweise, die fltichtig, unscharf und lieblos, offenbar der 2. Halfte
des 16. Jahrhunderts angehort Sieht man von der Malweise und
dem Kolorit ab und halt sich an die Komposition, die Typen, die
Faltenlinien, so kommt man, namentlich nach einem vergleichenden Blick
auf das Triptychon mit der Anbetung der Konige in Prag, dazu, ein
Original Geertgens als Vorbild dieser Malerei anzunehmen.
Die kleine ziemlich charakterlose » Madonna vor einer Blumen-
hecke« aus Worlitz (98), hell und rosig gefarbt, etwas steif und pe-
dantisch gezeichnet, nenne ich deshalb in diesem Zusammenhang, weil
das Bildchen in der Zeitschrift f. bild. Kst 1899 S. 273*!. als Arbeit
eines hollandischen Meisters publiziert ist Im » catalogue critique «
ist es mit dem zweifelhaften Jan van Eeckele in Zusammenhang gebracht
Den hollandischen Charakter viel deutlicher ausgepragt zeigt die von
Herrn Martin Le Roy ausgestellte »Beweinung Christi« (245), die, um
1500 entstanden, offenbar von derselben Hand ist, wie die ahnliche
Komposition, die Herr Dr. Thieme besitzt und die von der kunsthisto-
rischen Gesellschaft fur photographische Publikationen veroffentlicht worden
ist. Der Meister dieser beiden »Beweinungen« hat audi eine Grab-
legung Christi (in Liverpool Nr. 37) gemalt. Die »virgo inter virgines«
im Rijksmuseum ist schon ofters hier angefiigt worden, noch nicht aber
die »Anna selbdritt« in Halbfigur, die auf der vente Charles Stein (Nr. 339)
vorkam. Stilistisch nah verwandt mit dieser Gruppe ist die interessante
Darstellung der Kreuzigung Christi aus der Sammlung Glitza in Hamburg
(255, auf der Ausstellung). Die Komposition ist originell, die Beleuch-
tung effektvoll. Der Meister, der auch eine ruhigere Kreuzigung (in den
Uffizien; danach eine alte Wiederholung im Berliner Privatbesitz) ge-
schaffen hat, steht etwa in der Mitte zwischen Geertgen und Engelbrechtsen.
Ein kleiner recht schwacher, um 1500 entstandener Flligelaltar aus
der Sammlung Glitza (380) mit der Anbetung der Konige im Mittelfelde
wird ftir hollandisch gehalten, weil der Turm von Utrecht im landschaft-
lichen Grunde, auf der Aufienseite, entdeckt worden ist
Hieronymus Bosch ist doch wohl 1450 etwa geboren und ge.
hort somit zu den altesten Hollandern, wenn anders er zu den Hollandern
gerechnet werden darf. Er fligt sich nicht in die historischeReihe und nimmt
mit seiner aufierordentlichen Originalitat cine Stellung ftir sich ein. Wie
fast allenthalben nur Kopien seiner tiefsinnigen und launenhaften Ge-
staltungen zu sehen sind, warcn auch auf der Briigger Ausstellung neben
sechs Nachahmungen und Kopien nur zwei Originate, namlich:
137 (Maeterlinck, Gent; jetzt R. v. Kaufmann, Berlin) Die Ausstellung
Christi. Offenbar ein Original werk des Meisters, in einigen Teilen
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Die Briigger Leihausstellung von 1902. i6p
etwas grob, in anderen von grofler Feinheit Besonders hiibsch und
charakteristisch ist der landschaftliche Grand mit einer duftigen
Strafienansicht
285 (Gent, Museum) Kreuztragung Christi. Gewifi Original, wenn auch
auflerst fratzenhaft, stilistisch besonders nah verwandt der »Hand-
waschung Pilati« im Princeton -Museum (publ. von A. Marquand).
286 (Graf Harrach, Wien) Christus in der Vorholle. Schwache Bosch-
Nachahmung. Schwerlich von Mandyn, dessen geringe Kunst durch
die Bemiihungen Dollmayrs und Gliicks deutlich geworden ist.
287 (Cels, Briissel) Die Versuchung des hi. Antonius. Schwache
Bosch-Nachahmung.
288 (Pacully, Paris) Das jiingste Gericht. Signiert in der iiblichen
Art: Iheronymus Bosch. Sehr gute alte Kopie. Aus der Galerie
des Don Sebastian de Bourbon.
289 (Ch. L. Cardon, Briissel) Die Welti us t. Alte gute Kopie nach dem
Bilde im Escurial, dem Mittelstiick des von Justi anerkannten, von
Dollmayr bezweifelten Flligelaltars.
355 (Claude Phillips, London) Christus treibt die Wechsler aus
dem Temp el. Gute Nachahmung oder alte Kopie. Die Kom-
position ist mir sonst nicht bekannt.
368 (Worlitz, gotisches Haus) Die Versuchung des hi. Antonius.
Schwache kleine Kopie der beriihmten Komposition, deren Original
im Palais Ayuda in Lissabon bewahrt wird.
Der hollandische Meister, den Scheibler »Meister mit den kleinen
Figuren« nannte, den eine von mehreren Seiten aufgestellte Hypothese
mit Jan Mostaert identifiziert, war durch sein Hauptwerk, den Oult-
remont-Altar (270) und durch mehrere andere Arbeiten in Brugge gut
vertreten. Den Versuch, den Hulin im » catalogue critique« macht, mit
Hulfe von Initialen (E V), die im Oultremont-Altar sichtbar sind, den
Meisternamen zu suchen, mochte ich nicht mitmachen und keinesfalls
die in den letzten Jahren zusammengestellte Bildergruppe wieder spalten.
Im Gegenteil: das »Werk« dieses Meisters ist grofier, als es selbst in
den Gruppierungen Gliicks und C. Benoits erscheint. Ich notiere hier
noch einige Bilder.
1. Kalvarienberg. Aus der Sammlung des Lord Northwick, vor
einigen Jahren im Londoner Handel.
2. Portrait eines jungen Mannes. Als »Holbein« bei Lepke in
Berlin am 12. Dezember 1888 versteigert.
3. Christus als Schmerzensmann. Brustbild. Auktion Lanfranconi
(Xr. 46) Koln, 1895.
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iyo M- !• Friedlftnder:
4. Das Haupt Johannis mit Engeln. London, National Gallery.
5. Portrateines Mannes. Brustbild. Auktion bei Muller, Amsterdam
(Nr. 42) 9. Dezember 1902. Wohl nur Kopie.
6. Portrat eines Mannes. Madrid, Prado. Photogr. von Lauren^
unter Nr. 205 als »Don Felipo el Hermoso«. Vielleicht nur Kopie.
Auf der Ausstellung offenbarte sich das Brustbild des dornen-
gekronten Christus (338; aus Willetts Besitz) ohne weiteres als eine
Arbeit dieses Meisters, wahrend die beiden schftnen Portrats aus der
Sammlung Hainauer (223) und aus dem Briisseler Museum (340) ihre
Zusammengehorigkeit mit dem Oultremont-Altar, wie mir schien, eben-
falls mit geniigender Deutlichkeit zeigten.
Von Cornelis Engelbrechtsen waren zwei Tafeln in Brugge,
das oft mit der sonderbaren Bezeichnung »Carl V. von Bernaert van
Orley« (164) ausgestellte Bildchen aus der Northbrook-Galerie (164), das ich
schon frliher in dieser Zeitschrift dem Meister zugeschrieben habe (XXII,
S. 332) und eine Beweinung Christi aus dem Besitz des Duke of Norfolk
(244). Das gute erhaltene Gemalde aus dem Besitz des Lord Northbrook,
in kUhler Tonung leicht und derb gemalt, ist kein Portrat des Kaisers,
berhaupt kein Portrat, stellt vielmehr einen Heiligen dar oder einen
Glaubenshelden zu Pferde. Die ebenfalls gut erhaltene, nur etwas ver-
sunkene » Beweinung Christi «, eine Komposition, die den beglaubigten
Kompositionen des Engelbrechtsen in Leiden nah verwandt ist, ward
wie die beiden Hauptaltare fur das Nonnenkloster Marienpoel gemalt.
Ganz ahnlich wie in mehreren anderen Bildern des Meisters ist als
Stifterin eine Nonne mit dem hi. Augustinus dargestellt (vergl. die
Bildchen in Antwerpen und Berlin). Augustinus war der Schutzheilige
des Klosters Marienpoel.
Der grofie Schiller des Engelbrechtsen Lucas van Leyden ist
als Maler wenig bekannt, sodafl auch auf der Briigger Ausstellung die
beiden Werke, die von ihm zu sehen waren, wenig beach tet oder mit
Mifitrauen betrachtet wurden. Das »Martyrium Johannis des Taufers* aus
der Somze'e-Sammlung (272) ist eine etwas unbeholfene Komposition,
von mtihseligem Vortrag, aber hbchst charakteristisch als eine Arbeit
aus der fruheren Zeit des Meisters, von 1512 etwa. Das von Herm
Zeifi aus Berlin gesandte kleine Mannerportrat ist signiert und datiert
1 5 1 7 (r). Die Bezeichnung und der Fond nicht einwandfrei im Zu-
stand, das Haar verrieben. Der Kopf, sehr fein in Helldunkel, zeigt
die besondere Formensprache des Leidener Meisters in deutlicher Aus-
pragung, fahlen Fleischton, das verzeichnete Ohr und starken Effekt in
Ausdruck und Lichtkontrasten. Der Stil widerspricht dem Datum nicht.
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Die Brtgger LeihauBstellunjr von 1902. 171
Aus der grofien Zahl von Kopien nach Kupferstichen des Meisters
hatte Herr Schlofi aus Paris zwei Tafelchen geliehen (391, 392), die
»Verspottung Christi« und die »Kreuztragung« nach den Blattern der
Passion von 152 1. Die niichtern, hell und bunt gemalten Bildchen
aus der Zeit um 1600 sind anscheinend aus derselben Werkstatt, der
die von Ch. L. Cardon geliehenen 12 Passionsbildchen nach den be-
kannten Stichen des Hendrick Goltzius (1 Tafel tragt das Monogramm
dieses Meisters) entstammen (393).
Jakob van Amsterdam war mit drei Werken nicht besonders
gliicklich vertreten, dem Flugelaltar mit der Madonna und musizierenden
Engeln im Mittelfelde (281, Miethke, Wien), von 15 15 ungefahr (eine
Kopie nach dem Mittelbilde ist in Schleifiheim (Nr. 92) wunderlich als
soberdeutsch unter paduanischem Einflufi« katalogisiert), einer Kreu-
zigung aus dem Besitz des Vicomte Ruffo (379) und einem Manner-
portrat aus der Wiener Harrach-Galerie (232). Auf die Initialen »J A«,
die auf dem nicht tadellos erhaltenen Kreuzigungsbilde zu lesen sind,
ist nicht viel Wert zu legen. Da das Bild keineswegs eine besonders
fruhe Arbeit des Meisters ist, ware, wenn iiberhaupt eine Signatur, wohl
die gewohnliche zu finden. In dem Portrat, das ursprtinglich oben rund
geschlossen war, ist namentlich die Form der breiten Hand mit den
starken Zwischenraumen zwischen den Fingern charakteristisch.
Von der Kunst Jan Scorels gab das restaurierte Frauenportrat
(de Steurs, Paris; 258), das librigens keine schlagende Portratahnlichkeit
mit Agatha van Schoonhoven zeigt (vergl. das Bildnis in Rom), einen
unvollkommenen Begriff. Im Stil der Spatzeit Scorels, trocken und
fluchrig gemalt, ist die Historie mit vielen Figuren (406, Scheen), die
Begegnung Jakobs und Esaus.
Den alteren Pieter Bruegel stelle ich ans Ende. Eigentlich ge-
hort er eher an den Anfang der neuen Zeit. Die Kunst keines anderen
niederlandischen Meisters des 16. Jahrhunderts schliefit so viele frucht-
bare Keime ein. Frei von jeder Konvention, hat dieser volkstiimliche
Zeichner mit scharfem BHck und mit Humor die Menschen und die
Landschaft beobachtet und unendlich Vieles dargestellt, was vor ihm
nicht dargestellt worden war. Aufierhalb Wiens sind zumeist nur Kopien
nach Werken Bruegels zu sehen. Umso willkommener waren auf der
Briigger Ausstellung drei wenig bekannte Originale.
Herr Georg Roth in Wien hatte seine »Anbetung der K6nige«
ausgestellt (356, als Besitzer ist im Kataloge Weales Graf Harrach, im
j catalogue critique* Rott genannt). Das Bild ist in der Orthographie, die
alien echten Signaturen des alteren Bruegel eigentUmlich ist, bezeichnet
*Bruegel« und 1563 datiert Die Angabe Dollmayrs — im 19. Bande
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172 M- J- Friediander:
des Jahrbuchs d. Allerh. Kaiserhauses, S. 8, in dem inhaltreichen Aufsatz
tiber Bosch — , der Mohrenkonig sei Boschs beriihmter »Anbetung der
K6nige« entnommen, ist nicht zutreffend. Ganz unbekannt in der Literatur
war vor der Ausstellung das »SchlararTenland«, das vor kurzer Zeit aus
franzosischem Privatbesitz in den Besitz Herrn v. Kaufmanns nach Berlin
gekommen ist (357; signiert und datiert 1567). Das Volkstiimliche und
Kindliche der Marchenvorstellung stand dem Meister wohl an. Es gibt
einen Kupferstich dieser sonst nicht bekannten Darstellung (vergl. L.
Maeterlinck, le genre satirique dans la peinture flamande, Gand, 1903).
Als drittes echtes Bild Bruegels war die figurenreiche »Volkszahlung in
Bethlehem« auf der Ausstellung (358), jene Komposition, die hauptsach-
lich durch Kopien in den Museen von Antwerpen und Briissel bekannt
war, bis auf der vente Huybrechts das Original fur das Brlisseler Museum
erworben wurde. Nach den Mafien und der Kompositionsweise scheint
das Bild zu der Wiener Serie zu gehoren, als Gegensttick etwa des
»Kindermords«. Wie dort eine Dorfstrafie im Schnee mit den iiber-
raschenden Silhouetten vieler stark bewegter Figiirchen auf der hellen
Flache. Die Tafel ist signiert und 1564 datiert. Die Jahreszahl ist
aber .nicht ganz deutlich. Im Brlisseler Museum hat man jetzt neben-
einander das Bild des Vaters und die von 16 10 datierte Kopie des
Sohnes, was lehrreich ist.
Von der franzosischen Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts ist
wenig erhalten, und das Wenige ist bis vor kurzem nicht beachtet
worden. Zwischen der Kunst Frankreichs und der niederlandischen gab
es in jener Zeit gewifi keine festen Grenzen. Niederlandische Meister
waren in Frankreich tatig. Neuerdings hat man sich mit einigem Er-
folge bemliht, das spezifisch Franzosische abzugrenzen. Das wichtigste
Ergebnis ist, dafi es in Frankreich gegen Ende des 15. Jahrhunderts
einen Meister gab, der so grofi ist, dafi er mit Hugo van der Goes ver-
wechselt werden konnte. Es nimmt nicht Wunder, dafi auf einer Aus-
stellung altniederlandischer Malerei franzosische Bilder zu finden waren,
und in Brugge standen Werke franzosischer Herkunft, die die Aufmerk-
samkeit stark auf sich zogen. Die HofTnung regte sich, dafi dieses Ge-
biet doch nicht ganz so leer und unfruchtbar ware, wie die Literatur
es gemeinhin schildert.
Die altesten Werke auf der Ausstellung, die mit Recht fiir fran-
zosisch erklart wurden, waren vier Tafel n mit Scenen aus der Georgs-
legende (321, The'ophil Belin, Paris), den Trachten und dem allgemeinen
Stilcharakter nach um 1420 entstanden, in der Technik durchaus ita-
lienisch, mit drastischen Motiven tiberladen, phantastisch und mit ita—
lienischen Schopfungen verglichen barbarisch. Im Londoner Kunsthandel
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Die BrOgger Leihausstellungf von 1902. 173
(Rurlacher broth.) befindet sich zur Zeit eine »Geburt Christi*, die
diesen Georgsbildern stilistisch nahe steht. Wie diese Arbeiten mit dem
itaJienischen Trecento zusammenhangen, erschien eine »BeweinungChristi«,
aus Montpellier, von Baron d'Albenas geliehen (32), eine mit reifer selbst-
bewufiter Kunst gestaltete eigenartige Komposition, verkniipft mit dem
itaJienischen Quattrocento. Als »Antonello da Messina « ausgestellt,
zeigt die Tafel eine Stilmischung, die in Frankreich am ehesten denkbar
bt Die gotischen Baulichkeiten haben gewifi zisalpinen Charakter. Das
Bild ist nicht tadellos erhalten und in der Zeichnung der Figuren un-
sicher, aufierordentlich aber im koloristischen Eflfekt, in dem grofien Stil
und in der Empfindung. Zu datieren ware es etwa 1470, soweit ein
Werk so wenig aufgehellter Herkunft datiert werden kann.
Den Grenzen der Niederlande nahern wir uns bei der Prufung des
aus Abbeville geliehenen Altarfliigels (E. de Lignieres, 319, 320), auf dem
das Abendmahl Christi und riickseits der hi. Hugo dargestellt ist Der
Stil der ziemlich schwachen Malerei, die um 1480 entstanden sein mag,
erscheint in undeutlichem Zusammenhang mit dem Stil des Nicolas
Froment. Abbeville ist nicht weit von Amiens entfernt, das im 15. Jahr-
hundert ein Zentrum der franzosischen Kunstiibung war.
Allgemein anerkannt als eine Schopfung franzosischer Kunst wurde
auf der Ausstellung der stolze Altarflligel aus Glasgow mit dem Donator
und dem hi. Mauritius (Victor?, Ludwig?), jenes Bild, das 1892 auf der
L«ihausstellung des Burlington Clubs zu London Aufsehen erregte.
Die Beurteilung dieser Tafel hat eine merkwiirdige Geschichte, die sich
in dieser Zeitschrift verfolgen lafit Die grofiten Namen der nieder-
landischen Kunst (Jan van Eyck, Memling, David, Goes) wurden genannt.
Mir wurde 1900 auf der Ausstellung der New Gallery die Nationalist
klar, nachdem ich vorher mit Scheibler die Bestimmung »van der Goes«
vertreten hatte. Scheibler, der auch in seinen Irrttimern folgerichtig ist,
ist zu dem entscheidenden Fehler nicht vor der Glasgower Tafel ge-
kommen, sondern vor dem Kardinalsportrat in Ntlrnberg. Die beiden
Portrats sind wirklich von derselben Hand (eine Beobachtung, die G.
Hulin vor mir gemacht hat), und Scheibler nannte das Glasgower Bild
Goes, nachdem und weil er frtiher das Niirnberger Bild dem grofien
Center zugeschrieben hatte. Ein franzosischer Hofmaler, der auf nieder-
landischer Tradition fufit, ein Zeitgenosse Gerard Davids, viellefcht ein
Schulex des Hugo van der Goes, hat das Bild in Glasgow geschaffen, wie
den Altar von Moulins, die beiden schwacheren Altarflugel im Louvre,
das Madonnenbild der vente Huybrechts (jetzt in Briissel) und mehrere
andere Bilder. Hulin hat mit sorgfaltiger und gewinnender Argumen-
tation die Hypothese aufgestellt, Jean Perre'al (Jan de Paris) ware der
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1 74 M. J. Friedlander:
Meister dieser Bildergruppe. Das Glasgower Bild ist das hochste, was
wir von diesem Meister kennen. Freier Schwung, mit Sicherheit fest-
gehaltener Stil, Formenschonheit und Farbenpracht, die blumig und zu-
weilen selbst bunt ist, bleibt dem Meister in alien Werken eigen, das
Glasgower Bild wetteifert aber mit den besten altniederlandischen Bildern
in der liebevollen Zartheit der Durchbildung, und die stets elegante und
wiirdige Auffassung steigert sich in der Gestalt des heiligen Kriegers zu
edler Erhabenheit. Ob der Meister in Italien Anregungen empfangen
hat oder nicht, lateinisches Wesen ist in seiner Kunst nicht zu ver-
kennen, wenn er auch der technischen Ausbildung nach mit den Nieder-
landern zusammenhangt. Die in Brugge vielfach diskutierte Frage, ob
das schone Gemalde aus der Somze'e-Sammlung (181, Magdalena mit
einer alteren Stifterin, die iibrigens auch in einem Portrat im Louvre
dargestellt ist) von derselben Hand sei wie die Glasgower Tafel, glaube
ich mit ja beantworten zu miissen.
Zwei weniger bedeutende Gemalde, ebenfalls aus der Somze'e-Samm-
lung, das Portrat einer Frau (231), von 1480 etwa, mit auffallend schlecht
gezeichneten Handen, und eine Tafel mit dem hi. Klemens und einem Stifter
(148), von 1490 ungefahr, wurden wahrscheinlich mit Recht fur Arbeiten
der so wenig bekannten franzosischen Schule gehalten. Das Frauen-
portrat, das Herr Pacully aus Paris gesandt hatte (222), ist eine gute
franzosische Arbeit von 1540 etwa,
Mehrere Schopfungen deutscher Maler hatten sich nach Brtigge
verirrt. Namentlich Niederdeutsches wird ja leicht mit Vlamischem und
Hollandischem verwechselt. Von den bekannten kdlnischen Meistern
war der »Meister der Sippe-Mariae« mit einem kleinen Olberg ver-
treten, einem wegen seines Datums (1489) wichtigen Bildes, das in der
Literatur bisher keinen Platz gefunden hat (377, Vicomte Ruffo). Die
Tafel mit Anna selbdritt, den hi. Augustinus und Hieronymus zeigt in
derber Ausftihrung den Stil des Bartholomaus-Meisters, kann als
eigenhandige Arbeit dieses stets sehr sorgsamen Malers aber nicht gel ten.
Ein sehr charakteristisches und gutes Bild des Meisters von
Frankfurt ist die aus Worlitz geliehene Darstellung der Madonna mit
vier Heiligen und einem Stifter (158).
Zwei ausgezeichnete Altartafeln von der Hand des Heinrich
Dtinwegge hatte Vicomte Ruffo ausgestellt, »Christus vor Pilatus^
(339) und »Sechs Apostel nebeneinander« (378). Diesen Meister hatte
man in Belgien schon deshalb erkennen sollen, weil im Antwerp ener
Museum ein gutes Werk von ihm bewahrt wird.
Eine wunderliche Figur machte auf der Ausstellung das einzige
oberdeutsche Bild, eine weibliche Heilige, eine Arbeit im Stile Zeit-
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Die Biligger Leihausstellung von 1902. iyc
bloms (247, A. Bequet). Vielleicht deutsch, aber mir nicht naher und
nicht sicher bestimmbar ist das etwa auf der Stilstufe Stephan Lochners
stehende »Martyrium des hi. Matthaus« (261; Osterrieth).
Ein englisches, zwei italienische und ein spanisches Bild
fielen als Kuriositaten auf. Das Portrat des englischen Konigs Richard III.
kommt ahnlich auch in englischen Sammlungen vor (Ch. L. Cardon, 226).
Das tiichtige, aus demselben Besitz geliehene Portrat eines Mannes in
scharfem Profil, als » Lucas van Leyden« ausgestellt (322), zeigt den
bekannten Stil des Mailanders Conti; die schlecht erhaltene Halbfigur
einer Frau ist venezianisch, in der Art des alteren Palma (407, Sedel-
meyer). Mittelgute spanische Arbeit ist endlich die Tafel mit Christus
in der Vorholle, die Herr Thibaut-Sisson aus Paris gesandt hatte (352).
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Mitteilungen tiber neue Forschungen.
Fresken der Capp. Grifo in S. Pietro in Gessate zu Mailand.
Uber die Fresken, deren Aufdeckung auf den Antrieb Luca Beltramis (vgl.
Repertorium XXIV, 487) sich im Gang befindet, berichtet dieser in
einem Artikel der Perseveranza vom 26. Mai 1902. Seither hatte man
nur das vor zehn Jahren aufgedeckte Fresko der rechten Wand mit der
Bezeichnung seiner beiden Schopfer Buttinone und Zenale gekannt; die
iibrigen Wande, wie auch die Decke waren tlbertiincht geblieben. Nun-
mehr ist die letztere vollig befreit. Sie zeigt in den sechs Feldern ihres
Kreuzgewolbes von oben nach unten drei konzentrische Dekorations-
zonen, deren Mittelpunkt das dornengekronte Haupt des Erlosers im Ge-
wblbschlusse bildet Die oberste Zone fiillen mehrere in verschiedener
Farbung behandelte Kreise von Seraphskopfen; die mittlere sechs
schwebende Engel, in betender Stellung gegen den Heiland gewandt;
die untere sechs Engelpaare, die auf einem gemalten Gesimse stehend,
das die Wand gegen die Gewolbflachen abschliefit, auf verschiedenen In-
strumenten, als da sind Harfen, Mandolinen, Lauten, Trompeten, Tamburine,
ihre musikalische Huldigung darbringen. Das Ganze macht den Eindruck
einer Dekoration von anspruchsloser, einfacher Faktur, wie sie fiir die
lombardischen alten Meister, die der Lokal tradition getreu geblieben waren,
auch noch zu Ende des Quattrocento charakteristisch ist Der Vergleich
mit authentischen Werken Buttinones lafit keinen Zweifel daran, dafi
wir in ihm den Schopfer der Gewolbdekoration zu erblicken haben.
Seinem Genossen dtirfte die Malerei der Wande zugefallen sein.
Hiervon ist bis jetzt blofi die Apsiswand von ihrer Ttlnche befreit
worden. In ihrer Lunette wurde die Gestalt des h. Ambrosius mit dem
Steigriemen, wie er auf machtigem Rosse Uber Wolken dahersprengt, auf-
gedeckt. Es ist somit zweifellos, dafi der Maler auf der darunter be-
findlichen Wand, die gleichsam den Ehrenplatz der Kapelle einnahm, die
Episode dargestellt hatte, wie der Stadtheilige den Mailandern in der
Schlacht von Parabiago zu Hulfe eilt Leider ist der untere Teil der
Komposition, der eben die Schlacht darstellte, zu Grunde gegangen, als
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Mitteilungen ttber ncuc Forschungen. 177
im 1 8. Jahrhundert an die Wand der barocke Marmoraltar angebaut wurde.
Nur zwei Fragmente blieben dazumal verschont und wurden jetzt aufge-
deckt, die indes gentigen, um die einstige Existenz jener Komposition
zu bezeugen. Auf ihnen sieht man Lanzen, Standarten und einen Waffen-
trager, sowie im Hintergrunde TUrme dargestellt. Wahrscheinlich
gehorten sie zu einer architektonischen Reminiszenz an Mailand ; vielleicht
enthielt diese als Hauptstilck ein Bild des Kastells von Porta Giovia,
wie man es auch bei der Darstellung der in Rede stehenden Schlacht
auf der in der Akademie zu Venedig aufbewahrten Zeichnung sieht.
Leider ist keine Hoffnung vorhanden, dafi es gelingen werde, diesen ohne
Zweifel interessantesten Teil der Fresken der Capp. Grifo wieder der
Kunst zu schenken; er ist durch die Errichtung des erwahnten Altars
unwiederbringlich verloren gegangen. £ v. F.
Ober ein friih-venezianisches Bild hat im Juli-Heft 1901 l) der
Monthly Review Roger E. Fry berichtet. Das Bild, damals im Besitz
von Messrs. Dowdeswell, ist jetzt in die Sammlung Wernher in London
ubergegangen. Es stellt die Verklindigung dar. Maria steht unter dem
Torbogen einer Halle, in der auf hohem Postament, das seltsam genug
zugleich den Bogen tragt, eine kleine nackte Marmorfigur aufgestellt ist.
Der Engel kniet draufien auf marmorinkrustierter Terrasse, von der man
weit ins Land (darin eine von Mauern umschlossene Stadt) und aufs
Meer schaut. Am Himmel erscheint in Engelglorie Gottvater. Wie der
Verf. mitteilt, sind in dieser Landschaft verschiedene Szenen zu sehen
— die ubrigens wohlgelungene Reproduktion des Bildes gestattet nicht
diese zu erkennen — : wie Joachims Opfer verworfen wird, wie er die
Hirten trifft, die Verkiindigung empfangt, wie er seinem Weib be-
gegnet und endlich die Geburt Mariens. Also eine ganz vlamische Art
zu komponieren. Mit Recht verweist der Verf. auf die Beziehungen zu
Gentile da Fabrianos Weise, die sich in dem Bild offenbart, wie zugleich
Beziehungen zum Stil Pisanellos zu beobachten sind, an den besonders
auch das Kolorit erinnert; er schliefit daher auf einen Klinstler, der beiden
sehr nahe stand und schlagt Jacopo Bellini als Autor vor. Die erhaltenen
Bilder dieses Meisters widersprechen nicht; aus den Skizzenbiichern ergeben
sich mannichfache Verwandtschaften fUr Einzelheiten. Das Datum des
Bildes wurde um 1426 anzunehmen sein. G. Gr.
Tizians himmlische und Irdische Liebe erfahrt eine neue Deutung
durch J. M. Palmarini (Nuova Antologia vom 1. August 1902). Danach
') Da dieser Aufsatz ganz unbeachtet gcblieben ist, so mag ein Hinweis auch
jetzt noch nicht Uberfliissig sein.
Repertoriam fflr Kunstwiwenschaft, XXVI. 12
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xyg Mitteilungen Uber neue Forschungen.
ware das Bild zu benennen »der Bronnen im Ardennerwald« — jencr
kunstreiche (tutta lavorata) Alabasterbronnen, inmitten eines Haines ge-
legen, von welchem Bojardo in seinem »Orlando innamorato« zu wieder-
holten Malen spricht. Die zwei Frauengestalten sind Verkorperung einer
und derselben Dame, der Laura Dianti: denn sie gleichen der Gestalt
auf dem Bild im Louvre, das diesen Namen tragt. Das Bild ware ftir
Alfonso d' Este gemalt, die Kenntnis des Stoffes Tizian durch Ariosto, der
auch von dem Liebesbronnen spricht, libermittelt. Man kann es mit
einem jener Bilder des Herzogsschlosses von Ferrara identifizieren , von
denen in der durch Campori publizierten Korrespondenz die Rede ist.
Danach mufi die Entstehungszeit 1518— 1520 sein. Da ein Kardinal
Borghese nach dem Aussterben der Este Ferrara im Auftrag des Papstes
regierte, so wtirde die Provenienz keine Schwierigkeiten machen. —
Leider kann man auch gegen diese Deutung, wie gegen alle bisher ver-
suchten, vielerlei geltend machen. Richtig mag der Hinweis auf Bojardo
insofern sein, als damit der Kreis bezeichnet ist, aus dem Tizian leicht
die Anregung geschopft haben kann. Im ktinstlerischen Geist ist das
Bild den berlihmten Ritter-Epen Italiens gewifi verwandt. Damit hat die
Beziehung aber schon ein Ende. Bojardos Brunnen hat gerade die ent-
gegengesetzte Wirkung, als der Interpret hineinlegt: nicht dafi eine Frau,
die der Liebe sich sprbde erweist, nun zur Liebe entflammt wird und,
alien Gewandes entkleidet, Venus huldigend »das Feuer der Wollust«
darbringt; gerade im Gegenteil: wer aus dem Bronnen »tief im Ardenner-
walde« trank, »der vertrieb, so heifit es bei Bojardo, die Liebe aus seinem
Herzen und begann den geliebten Gegenstand zu hassen«. Aufierhalb
des Waldes freilich flofi ein Wasser, der Bach der Liebe; der Ritter
der daraus ahnungslos trank, verfiel wieder der Liebesmacht. Alsot
ganz ohne Zwang geht es nicht ab, wollen wir Bojardos Worte und
Tizians Bild in Einklang bringen. Und im iibrigen irrt der Verfasser in
seinen Aufstellungen ganz gewifi. Das Louvre-Bild tragt erst seit relativ
neuer Zeit und zu Unrecht den Namen der Laura Dianti. Die Bilder,
die Tizian fur Herzog Alfonso malte, kennen wir alle; das »Venus-
fest«, das »Bacchanal« (beide in Madrid) und »Bacchus und Ariadne*
(London). Kardinal Aldobrandini, Statthalter von Ferrara, entfiihrte sie
widerrechtlich 1598; soil er, der feine Kenner, sich ein Bild, wie
die »Himmlische und irdische Liebe«, haben entgehen lassen? Vasari,
die alten estensischen Papiere nennen das Bild nicht. Und weiter: soil
dieses rein giorgioneske Bild wirklich 1518 — 1520, wie Verfasser an-
nimmt, also spater wie die »Assunta«, angesetzt werden? Gewifi nicht.
Bleibt als letztes Argument das vielumstrittene Wappen. Ich weifi
wohl, wessen Wappen es ist; da aber der gltickliche Entdecker seinen
schonen Fund seit Jahren vorenthalt, gebietet die Pflicht der Diskretion
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Mitteitangen fiber neue ForschtiDgen. 170
m schwcigcn. So viel aber sei gesagt, dafi es mit Ferraras Herzog nichts
zu tun bat. G Gr.
Dem obigen sei als Nachschrift hinzugefligt, dafi unter manchen
Entgegnungen, die Palmarinis Artikel gefunden hat, diejenige von Um-
berto Gnoli in der Rassegna d' arte II (1902) p. 177 deshalb besonders
Beachtung verdient, weil er das Wappen richtig bestimmt hat: das der
Venezianer Familie Aurelio. Er macht gegen die neue Interpretation
vielerlei geltend und erklart sich seinerseits fiir die s. Z. von WickhofT
gegebene Deutung auf » Venus und Medea«. Auf diesen Artikel hat
Palmarini wiederum in der Rassegna d'arte (III p. 40) geantwortet und
im einzelnen ausgefuhrt, wie wenig das Bild im Grunde rait der poetischen
Schilderung bei Valerius Flaccus — nach Wickhoffs Annahme Tizians
Quelle — ubereinstimmt.
Beitrage zu Werken Leonardos bringt Herbert P. Home in der
Architectural Review vom Juli 1902 (Vol. XII Nr. 68 S. 3 iff.). Wichtig
ist fiir die Geschichte der Entstehung des St. Anna Kartons ein Fund in
dem Archiv der Annunziata. In einem Memorienbuch des Klosters von
1587, das auf altere Urkunden zurtickgeht, ist unter dem Datum des
15. September 1500 der Kontrakt mitgeteilt, den Fra Zaccaria di Lorenzo
mit dem Holzschnitzer Bartolommeo d'Agnolo abschlofi, wonach sich
dieser verpflichtete, bis Ende Juni 1502 einen kostbar geschnitzten Rahmen
fiir den Hochaltar der Kirche, der noch wiirdigen Schmuckes entbehrte,
zu liefern. Dies war die Fassung, bestimmt, ein Kleinod der Malerei auf-
zunehmen. Man weifi aus friiher publizierten Briefen, dafi bereits im April
1 50 1 Leonardo seinen Karton fiir das St. Anna-Bild gemacht hatte. Als
Leonardo dann nach einer Weile das bestellte Bild nicht ablieferte, tiber-
trug derselbe Fra Zaccaria den Auftrag 1503 an Filippino. Dafi das
Louvrebild mit der St. Anna liberhaupt nicht fiir den Hochaltar bestimmt
gewesen sein kann, geht daraus hervor, dafi es in der Hohe um mehr
als i1/,, in der Breite nahezu 1 Meter kleiner ist als Filippinos »Kreuz-
abnahme*. — Des weiteren wird die Komposition »der Schlacht bei
Anghiari* behandelt. Der Verfasser kommt zu dem Schlufi, dafi der
3Kampf um die Standarte«, das einzige von Leonardo im Palazzo vecchio
ausgefuhrte Stiick, erst zu Grunde ging, als Vasari seine Dekoration des
grofien Saales begann. Eine Zeichnung nach einer der Reiterfiguren dieser
Gruppe, aus der Malcolm-Sammlung des Britischen Museums, Kopie des
16. Jahrh., ist hier erstmalig reproduziert. Der Verfasser des Artikels be-
s/tzt iibrigens selbst eine grofie alte Kopie jenes ausgefuhrten Stticks, die
ais farbige Wiedergabe besondere Beachtung verdient. G. Gr.
12*
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?8o Mitteilangen Uber neue Fotschungtiit
Piero di Cosimos Kampf der Centauren «nd Lapithen bchandelt
derselbe Autor im August-Heft der gleichen Zeitschrift. Das Bild ist
relativ wenig bekannt und wird hier zuerst einem grtifieren Publikum
zur Anschauung gebracht (Abbildung der ganzen Komposition und, im
grofieren Mafistab, der linken Halfte). Im einzelnen wird ausgeftihrt,
wie sich der Florentiner genau an die Darstellung der Szene in Ovids
Metamorphosen hielt. In diesem Bild, das stellenweis abschreckend
realistisch ist — doch mildern einzelne Gruppen diesen Eindruck — , tritt
der Einflufi Antonio Pollaiuolos auf Piero di Cosimo greifbar deutlich
zu Tage. Daher glaubt Verf. es kaum spater als 1485 datieren zu durfen,
daPollaiuolo um dieseZeitFlorenzdauernd verliefi. Unter denFrtthbildern des
Meisters hat Ubrigens auch Knapp (in seiner Monographic S. 39), der das
Bild in der Sammlung J. Burke sah, es aufgefiihrt. Die Hoffnung, der
Verf. am Schlufi Ausdruck verleiht, dafi die National Gallery das Werk
erwerben moge, ist trotz des besonders gtinstigen Angebots nicht in
Erfiillung gegangen. G. Gr.
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Die Gotteshauser von Meran, der alten Hauptstadt
des Landes Tirol.
Von Architekt Franz Jacob Schmitt in Mtinchen.
Wenn die ehemaligen Romerstiidte Koln, Worms und Regensburg
dem Apostelfiirsten Sankt Petms ihre Kathedralen weihten, so hat auch
die romische Ansiedlung von Meran ihre Mutterkirche im nahen Sankt
Peter unterhalb des Schlosses Tirol gefunden. Das Dorf Tirol nahm das
Baptisteriuin auf nnd noch bis zum heutigen Tage hat seine Pfarrkirche
Sankt Johannes den Taufer als Schutzpatron. An den ersten Apostel der
beiden romischen Provinzen Rhatien, Sankt Valentinus, welchen der von
440 — 461 regierende Papst Leo I. zum Bischofe von Passau weihte, er-
innert am linken Naifufer die Valentinus-Kirche. Ebenso mahnt die Pfarr-
kirche in Unter-Mais an den Hauptpatron der Diozese Trient, Sankt
VigiJius, welcher ihr von 383 bis etwa zum Jahre 400 als Bischof vor-
gestanden hat Sankt Zeno, den achten von 362 — 380 regierenden
Bischof von Verona, finden wir in der Zenoburg am rechten Passerufer,
stolz auf dem Felsen thronend; noch tragt die eine der beiden Schlofi-
bpellen den Namen des bekannten Wasserheiligen. Auch den ersten
Bischof Salzburgs, Sankt Rupertus, verehrt man, wie die ihm geweihte
Kirche am Nordende des Dorfes Tirol beweist. Im nahen Algund er-
nrheint neben Sankt Hippolytus des 3. Jahrhunderts der heilige Bischof
Erhard von Regensburg als Kompatron der Pfarrkirche. Endlich fand
Verehrung der weitere Heilige in Wassernoten, Bischof Nikolaus von Myra,
seinen Namen tragt die Meraner Stadtpfarrkirche. Wohl hat Sankt
Korbinian, der erste Bischof von Freising, als Glaubensprediger hier ge-
virkt und -ward im Jahre 730 neben Sankt Valentin in Mais bestattet,
nachmals sind aber seine Gebeine nach Freising liberfUhrt worden, wo
sie seitdem in der gewolbten Saulenkrypta des Sankt Mariendomes ruhen;
jetzt tragt in und nachst Meran kein Gotteshaus Korbinians Namen, daflir
haberi aber die Sonne des heiligen Benediktus in ihrer Klosterkirche zu
iUpertoriam far Kunstwisaenschaft, XXVI. 13
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1 82 Franz Jacob Schraitt:
Innichen iin Pustertale die apostolische Wirksamkeit des Freisinger Ober-
hirten anerkannt, indem sie ihn neben Sankt Petrus und Candidus zum
weiteren Schutzpatrone erkoren.
Die Pfarrkirche Sankt Petrus nachst Schlofl Tirol hat sich ihre ur-
spriingliche kreuzformige Anlage mit dem Vierungsturuie gliicklich gerettet,
es gemahnt dieselbe an altchristliche Monumente, wie zu Ravenna das
425 errichtete Mausoleum der Galla Placidia, jetzt San Nazario e Celso
genannt, an die leider zerstorte Sankt Maternus-Kirche von 978 beim
Benediktiner-Kloster Sankt Matthias in Trier, an die Sankt Theodulfs-
Kirche zu Germigny-les-Pre's in der Diozese Orleans aus dem 9. Jahr-
hunderte, an die 1832 zerstorte Kreuzkirche Sankt Adalbert der Insel
Reichenau im Bodensee in der Diozese Konstanz, sowie an die kreuz-
formige Sankt Martinus-Kirche des Dorfes Niederkirchen in der Diozese
Speyer, welche mit ihrem vierseitigen Zentralturme schon vor dem Jahre 1000
soil erbaut worden sein. Bei Sankt Peter erscheint der Urbau als ein-
schiffiges lateinisches Kreuz, dessen Westarm 3 m 80 cm Lichtweite hat
und dessen Querarme 2V2 m im Lichten haben ; Tonnengewolbe bilden
die feuersicheren Steindecken, die gewolbte Apsis im Osten ist innen
halbrund geschlossen, aufien aber mit sieben Seiten des Zehneckes; der
Vierungsturm bildet ein Oblongum und hat in der Tonnen-Kampferhohe
ein Kreuzgewolbe; dessen Grate laufen gegen die Mitte in eine Kuppel-
wolbung aus, dariiber erhebt sich der Turm von 3 m 80 cm iiufierer
Breite bei 5V2 m Lange, demgemafl besteht das Glockenhaus aus je zwei
und je drei Klangarkaden nebst Bogenfriesen. Da diese Arkaden und
Friese bereits Spitzbogen haben, so ist eine Rekonstruktion des Glocken-
hauses im 13. Jahrhunderte anzunehmen, damals mag auch die 2 111
Lichtweite habende Concha des Nebenaltares an der Ostseite des Nord-
Querarmes hinzugefilgt worden sein.1) Die Zenoburg oberhalb der Stadt
Meran bewahrt noch ein Gotteshaus von 6 m Breite bei i83,4 m lichter
Lange mit zwei nach Osten gerichteten halbrunden Apsiden; die groftere
Sankt Zeno geweihte von 6 m Durchmesser hat je drei schmale Rundbogen-
Fenster tibereinander und war nie gewolbt, die kleinere, Sankt Gertrudis
geweiht, von 31;/-2 m Durchmesser, hat zwei Rundbogen-Fenster und ist
massiv mit einer Viertelkugel liberwolbt. Nebenan befindet sich eine
rechteckige, tonnengewolbte Sakristei, welche im Hochbaue ehedem die
Glocken trug, denn ein im Lokal des Magistrates der Stadt Meran t>e-
findliches Olgemalde aus dem 18. Jahrhunderte gibt einen hochragenclen
viereckigen Turm an. Heutzutage besteht das Aufiere von Sankt Zeno
und Gertrudis aus unverputztem Bruchstein-Mauerwerk, nur die Sakristei
*) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol und Vorarlberg, Dozen 1885, gibt auf
Seite 172 den GrundriO uud auf Seite 101 den Querschnitt der Pfarrkirche zu Sankt Peter,
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Die Gotteshauser von Meran, der altcn Hauptstadt des Landes Tirol. ig<*
tragt einen Anstrich von weifler Kalkmilchfarbe,. ein Zeltdach mit form-
loser vierseitiger Laterne schlieflt sie nach oben, wahrend das Gottes-
haus selbst derzeit nur ein flaches Notdach deckt. Im Jahre 1759 er-
folgte die letzte innere Renovation im Sinne des damals herrschenden
Barockstiles durch weifien Anstrich, unter ihm dtirften aber Wandfresken
des Mittelalters wohl noch vorhanden sein. Zum unbertihrten Teile des
Denkmales gehort das Nordportal aus wechselnden roten und weifien
Quadern, zwei spiitromanischen Marmorsaulen mit Knospenkapitellen und
jetzt venvitterten Eckblattern an den Basen, sowie merkwiirdigen Gewande-
Steinreliefs von wirklichen und fabelhaften Tieren.2) Die Burg Tirol hat
aus derselben Schlufiepoche des romanischen Stiles zwei Portale, das erste
fuhrt zur Vorhalle und das zweite zum Innern der Schlofikapelle Sankt
Pankratius3) mit ihrer gewolbten Ostconcha; auf Grund religioser Sym-
bolik gab ein dichterisches Phantasiespiel diesen Portalreliefs ihr Dasein,
doch es erscheint weder zur Ruhe des Gedankens noch zum Wohllaute
formaler Organisation abgeklart.
Weiter ist der romanische Baustil noch vertreten beim Glocken-
turme von Sankt Valentinus am linken Naifufer, beim Turme von Sankt
Maria Trost in Unter-Mais, sowie an den Glockentiirmen von Sankt
Johannes dem Tiiufer in Dorf Tirol und der Pfarrkirche Sankt Maria-
Himmelfahrt zu Marling am rechten Etschufer. Hier erscheint der Stein-
tunn an der Westfront-Mitte auf drei Seiten freistehend, also in der Weise,
vie es am Rheinstrome iiblich ist, im Lande Tirol aber zur Ausnahme
gehort Bei Sankt Valentinus erhebt sich der 3s 4 m im Quadrat messende
Glockenturm in der Triumphbogen-Flucht an der Nordseite, bei Sankt
Maria Trost mit 3 m 90 cm im Quadrat ebenda an der Stidseite und
das Gleiche findet bei der Pfarrkirche Sankt Vigilius zu Unter-Mais statt
[>ie Pfarrkirche Sankt Johannes der Taufer zu Dorf Tirol hat ihren Glocken-
turm von 4s 4 m Breite auf der Evangelienseite, hier steht er auch bei
Sankt Georg in Ober-Mais, sowie in Algund an Sankt Hippolytus und
Erhard, alle drei Gotteshauser sind in der heiligen Linie von West nach
Ost erbaut Sankt Nikolaus zu Meran besitzt in seinem 88/4 m breiten
Glockenturme an der Chorstidseite eine Durchfahrt4) von West nach Ost,
2) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, gibt auf Seite 113 die perspektivischc
An*icht des Porta] es der Kapellen von Zenoburg.
3) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, gibt auf Seite no und ill die per-
spektivischen Ansichten der beiden Portale von der Burg Tirol.
*) Dr. Heinrich Otte, Handbuch der kirchlichen Archiiologie des deutschen Mittel-
alters, 5. Auflage, Leipzig 1885, liiOt auf Seite 356 des 2. Bandes den Meraner Nikolaus-
Hanturm neben der Slidseite nach alien vier Seiten offen sein, wahrend er in Wirk-
Iktkdt 5tet< nur nach zwei Seiten offen und nie ein Eingang in das Kircheninnere vor-
t*Jden war.
13*
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184 Franz Jacob Schmitt:
welch interessantes Baumotiv sich vielleicht durch lokale Riicksichten
erklaren lafit, in Tirol aber auch andersvarts vorkornmt, so beim West-
front-Turui von Sankt Nikolaus zu Kaltern, Diozese Trient, wo die Vor-
halle nach Norden und Stiden oflfen ist, so bei der Sankt Marien-Pfarr-
kirche zu Vill 5) niichst Neumarkt, Diozese Trient, wo der Westturm eine
nach drei Seiten oflfene Vorhalle besitzt. Die zwei Osttiirme des Kaiserdomes
Sankt Maria-Himmelfahrt zu Speyer am Rheine haben bis zur Hohe ihrer
Steinpyramiden keine profilierten Gurtgesimse, nur die vier oberen Geschosse
besitzen Lisenen nebst auf Konsolen ruhenden Rundbogenfriesen, gleiches
findet auch beim Glockenturme von Sankt Maria zu Marling, beim Turme
von Sankt Maria Trost in Unter-Mais und bei dem von Sankt Johannes
dem Taufer in Dorf Tirol statt. Den die Rundbogenfriese des Speyerer
Domes begleitenden Schmuck des deutschen Bandes entbehren die Ttirme
vom Meraner Bezirke, wohl aber erscheinen doppelte Klangarkaden im
Turme von Sankt Valentin und dem zu Dorf Tirol ; bei Sankt Maria
Trost ist darliber auch noch ein weiteres Geschofi mit dreifachen Klang-
arkaden zu sehen. Der Glockenturm der ehemaligen Benediktiner-Abtei-
kirche Sankt Magnus zu Fiifien am Lech6) in der Diozese Augsburg
endigt mit zwei Steingiebeln und einem Satteldach, welchen Abschlufl man
beim Marlinger Turme sieht und den vordem auch der von Sankt Vigilius
zu Unter-Mais hatte. Es. ist nicht zu billigen, wenn der in den Jahren
1892 und 1893 vollfuhrte Erweiterungsbau dieser Pfarrkirche den Anlafi
zur gleichzeitigen Veranderung des Turm-Oberteiles gab; die altgewohnte
charakteristische Gcstalt der nicht ohne Grund » Finger Gottes« genannten
Tiirme unserer Gotteshauser sollte man als ehrwtirdige Wahrzeichen stets
erhalten. Auch der Sankt Maria Trost-Turm mufite sich vor einigen
Jahren ein oberes Achtort mit glasiertem Ziegeldache gefallen lassen, es
ist dies fiir den alten Unterbau romanischen Stiles eine fremdartige Zutat.
Die romanischen Tiirme der (legend von Meran kennen aufier dem an-
geflihrten Sattelcjache zwischen zwei Steingiebeln noch zwei weitere Ab-
schllisse, namlich die mafiig steile, vierseitige Pyramide, welche am Rheine
die zwei Osttiirme der Benediktiner-Abteikirche Sankt Leodegar zu MurbacH
in der Diozese Basel, die zwei Osttiirme der Pfarrkirche Sankt Maria und
Genovefa zu Andernach, sowie der Benediktiner-Klosterkirche Sankt Maria
und Nikolaus zu Laach, beide in der Erzdiozese Trier, haben, und als
5) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, gibt auf Seite 264 den Grundrifl und a\if
Seite 268 den Langenschnitt, sowie auf Seite 291 die Westansicht der Pfarrkirche Unserer
Lieben Frau zu Vill.
6) Repertorium fiir Kunstwissenschaft, Bd. XXII, 1899, brachte auf Seite 300 — 305 r
»Die Sankt Magnuskirehe der Benediktiner-Abtei Fiifien im Allgiiu« von Architekt Kraivac
Jacob Schmitt.
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Die Gotteshauser von Meran, der alten Hauptstadt des Landes Tirol. 185
dritten Abschlufl die vier Steingiebel, welchen ein achtsei tiger Helm ent-
steigt, das Baumotiv der zvvei quadratischen Tiirme des Sankt Mariendomos
zu Augsburg. Die vierseitige Steinpyramide erscheint bei Sankt Johannes
in Zwolfmalgreien , sowie der Dominikaner-Klosterkirche Sankt Salvator
zu Bozen, am Nordostturme der Pfarrkirche zu Unserer Lieben Frauen
in Terlan an der Etsch, bei Sankt Peter nachst der Burg Tirol und bei
Sankt Valentin an der Naif. Das Augsburger Domtunn-Motiv ist wahr-
zunehmen bei Sankt Georg zu Ober-Mais, sowie bei Sankt Hippolytus
und Erhard in Algund an der Etsch.
Am Rhein, der Mosel, sowie in Bayems Diozesen Augsburg und
Munchen-Freising sind zweischiffige Kirchen haufig, in Tirol und Vorarl-
berg sind mir bis jetzt nur sieben solcher Gotteshauser bekannt. In Feld-
kirch ist seit 1473 Unserer Lieben Frauenkirche ^ symmetrisch zwei-
schiffig nebst einer weiteren nordlichen Abseite; die Sankt Marienkirche
des 1020 gegriindeten Benediktiner-Nonnenklosters Sonnenburg im Puster-
tale6) hat ein MittelschifT und ein siidliches Seitenschiff, die Sankt Martins-
kirche zu Schonna9) ist symmetrisch zweischiffig, die Pfarrkirche Sankt
Vigil ius zu Unter-Mais hat ein auf Quaderstein-Rippen gewolbtes Haupt-
schiflf nebst einer sudlichen Abseite, in Marling10) am rechten Etschufer
ist Sankt Mariae Himmelfahrt bis auf unsere Tage eine symmetrisch zwei-
schiffige Saulen-Hallenanlage u) gewesen und die Pfarrkirche Unserer
Lieben Frauen zu Terlan12) besitzt ein gewolbtes HauptschirT nebst einem
niedrigen nordlichen Seitenschiff, zeigt also basilikale Gestalt. Ebenso
mar die urspriingliche Erscheinung von Sankt Nikolaus in Meran13); an-
•) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, gibt auf Seite 247 den Grundrifl der
Frauenkirche zu Feldkirch, welche im plattgeschlosscnen Chore dreischiffig ist
*) Karl Atz, Kunstgcschichte von Tirol, gibt auf Scitc 129 den Grundrifl der
Bencdiktinerinnen-Abteikirche Sankt Maria zu Sonnenburg in der Diiizcse Brixen.
^) Karl Atz, Kunstgcschichte von Tirol, gibt auf Seitc 127 den Grundrifl der
Sankt Martinskirche zu Schonna in der Diozese Trient.
10) Karl Atz, Kunstgcschichte von Tirol, gibt auf Seite 257 den Grundrifl der
Pfarrkirche Sankt Maria Himmelfahrt zu Marling 111 it der gewblbten, ofTenen Saulen-Yor-
fcalle beim Eingangsportale an der Siidwestccke, welche leider 1900 und 1901 beim Er-
werterungs-Neubaue zerstort worden ist.
n) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, gibt auf Seitc 258 den Grundrifl der
Sankt Maria und den zwiilf Aposteln geweihten Hallenkirche zu Schwaz am Inn, dieselbc
ist im Chore symmetrisch zweischiffig und im Langhause symmetrisch vierschiffig crbaut.
&) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, gibt auf Seite 247 den Grundrifl und
auf Seite 119 die photographisch aufgenommene Nordseite mit dem romanischen Turme
^on I'nser Lieben Frauenkirche zu Terlan in der Diozese Trient.
**) In kirchlicher Beziehung gehiirte Meran in der iilteren Zeit zur Pfarre Tirol,
der Tiroler P/arrer stellte bis zur Mitte des 17. Jahrhundcrts einen Pfarrverweser filr
Mcian? wie jetzt der Meraner Pfarrer im Dorf Tirol einen Pfarrver waiter setzt. Die Pfarre
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1 86 Franz Jacob Schmitt:
fanglich nur eine Sankt Nikolaus-Kapelle, welcher iin Jahre 1299 der
Diozesanbischof Sifried von Chur verschiedene Abliisse verlieh, wurde
durch die Bevolkerungszunahme ein grofierer Neubau erforderlich, welcher
1302 in Angriflf genommen worden ist. Schon drei Jahre spater weihte
der Bischof Sifried im neuen Gotteshause einen Altar zu Ehren des
heiligen Kreuzes, sowie der heiligen Martyrer Oswald und Katharina.
1367 weihte der Episcopus Lesoriensis Burchard mit Vollmacht des
Bischofs Peter von Chur zwei Altare, den einen in der Front des linken
SeitenschifTes zu Ehren aller Engel und den andern in der Mitte des
linken SeitenschifTes dem Erzengel Michael; im nachsten Jahre kon-
sekrierte der namliche Wanderbischof den Chor samt dcssen Altaren sowie
den Gottesacker. Sehr bezeichnend ist das Fehlen einer Altarweihe im
rechten oder siidlichen SeitenschirTe; es konnte keine solche stattfmdcn,
w?eil diese Abseite nicht vorhanden war, das Gotteshaus hatte im Lang-
hause eben nur zwei Schiffe, wie dies die Terlaner Pfarrkirche bis heute
zeigt Der an der Epistelseite stehende Glockenturm mit seiner nach
zwei Seiten offenen, gewolbten Vorhalle verhindertc die Konstruktion der
siidlichen Abseite und wenn man zur Zeit der Spatgotik dennoch eine
solche ausftilirte, so gcschah dies durch Brechung der Langenachse,
durch unschonen ostlichen Abschlufi, endlich durch Herstellung eines
schmaleren siidlichen SeitenschifTes, somit durch gewaltsam klinstliche
Weise auf Kosten der Symmetric Das Brechen der heiligen Linie vom
heutigen Gotteshause findet beim Triumphbogen des cinschiffigen Chores
statt, gegen Norden betragt am Westportale die Abweichung voile 3 m;
sechs Joche besitzt das Langhaus und das letzte im Osten hat beiderseits
nur die Trapezform, um so mit Hiilfe der diagonal geftihrten Aufienmauer
die Turmdurchfahrt nicht aufzuheben. Das ganze hcutige droischiffige
I^anghaus mit seinen zehn freistehenden Sandsteinquader-Saulen enveist sich
als Konstruktion der Spatgotik, die Hallenform dtirfte das ehemalige
zweischiffige Langhaus nicht besessen haben, vielmehr besteht gegriindete
Ursache, anzunehmen, dafi urspriinglich das Hochschiff von West nach
Ost mit gleichem Kiimpfer und Kreuzgewolben auf Sandsteinrippen durch-
lief und den beztiglichen Jochen des HauptschifTes ebensoviele in der
niedrigen Nordabseite entsprachen. Xoch heute existiert die zweijochigc
Sakristei auf der Evangelienseite des Chores, auch sie hat einfache, sich
etwa 5 m erhebende Krcuzgewolbe auf Sandsteinrippen und zwar mit
dem namlichen Birnstabprofile, wie die "'. 10 gcschlossene Apside des
Chores. Dieser Schlufi mit ftinf Seiten des regelmafiigen Zehneckes, an das
Tirol ist sicher viel alter, als sich urkundlich nachweisen lafit ; erstmals im Jahre 1226
in einem Yertrage angefUhrt, welchen der Bischof Rudolf von Chur mit dem Domkapitel
von Tricnt abgcschlosscn hat.
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Die Gotte^hauser von Meran, der alten Hauptstadt des Landes Tirol. i8y
sich ein weiteres schmales Joch von 3V2 m Weite reiht, steht einzig in
ganz Tirol da, wahrend er an den Monumentalbauten der Fruhgotik,
wie Liebfrauen zu Trier, Sankt Elisabeth zu Marburg an der Lahn, Erz-
diozese Mainz und der 1260 geweihten Minoriten-Klosterkirche Sankt
Maria zu Koln bei 10 m 67 cm Lichtweite auftritt. Nachmals sind die
Chore des Sankt Veitsdomes zu Prag, so wie des Miinsters Sankt Maria
zu Ulm an der Donau, Diozese Konstanz, auch mit flinf Seiten des regel-
mafiigen Zehneckes geschlbssen worden. Sieben zweiteilige Stab- und Mafi-
werks-Fenster spenden der 10 m breiten Apside reichliches Tageslicht;
die acht aufieren Strebepfeiler von 70 cm Breite und Tiefe haben obere
Abschliisse durch Satteldacher und vordere Kreuzblumen als Giebel-
kronung. Merkwiirdig ist in der Kampferhohe des Chorgewolbes ein aufien
ringsum laufendes profiliertes Gesimse, solche sind wohl der Gotik
Italiens eigentiimlich, diirften aber an gotischen Kirchenbauten Deutsch-
lancls iiberaus seiten vorkommen. Das in Rede stehende mit oberer
Wasserschrage versehene Horizontal-Gesimse vermittelt gleichzeitig die
Yerjiingung des dritten Strebepfeiler-Geschosses und lauft sich jeweils in
den hohlpronlierten Fensterschmiegen tot. Im einschiffigen Chore ent-
steigen dem doppelten, zierlich profilierten Sockel die Quaderstein-Ge-
wolberippen fur Ortbogen, Quer- und Diagonalbogen, alle gehen ohne
Kapitelle direkt in die Region der Kreuzgewblbe tiber und zwar sind
die Profile in der polygonalen Apside mit Bimstiiben und in den oblongen
Jochen der Chorvorlage mit Hohlungen der spateren Gotik gebildet.
Die Dienstbiindel-Konstruktion im Profile der Gewolberippen und ohne
Kapitell unmittelbar in diese tibergehend dtirfte erstmals bei der im
Jahre 1317 errichteten Allerheiligen-Kapelle des Sankt Martinus-Domes
m Mainz auf deutschem Boden getroffen werden, diesem Prinzipe folgen
:n den nachsten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts alle weiteren Kapellen
der Dom-Sudseite.14) Von Mainz am Rheine diirfte das Baumotiv nach
Meran gekommen sein, gehorte doch die alte Hauptstadt des Landes
Tirol zur Diozese Chur und diese seit der Mitte des 8. Jahrhunderts
rcr Kirchenprovinz vom Mainzer Erzbischofe.
In den Felsen des Kiichelberges ward urn 1450 die Friedhof-
T)o])pelkapelle der heiligen Barbara im Nordosten der Sankt Nikolaus-
Plarrkirche gesprengt. Ein regelmafiiges Achteck von 12 m geradem
Durchmesser, liegt die untere Gruft um etliche Treppenstufen unter dem
teutigen Terrain des ehemaligen Friedhofes der Nikolaus-Pfarrgemeinde;
w) Die an der Dom-Nordseite bcfindlichen Kapellen Sankt Victor von 1279 — 1284,
^inkt Nazarius, Sankt Magnus, Sankt Lambertus von 1291, sowie Sankt Bonifatius, Sankt
Petne und Paulus haben reich gruppierte, runde Dienste mit Laubwerkkapitellen in der
4i«wdUjc-Kampferhohc.
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1 88 Franz Jacob Sclimitt:
4 Granitsaulen ohne Basis von iV'2 m Monolith-Schafthohe mit schlichter,
runder Kampferplatte entsteigen die gratigen Steingewolbe auf rund
31/a m Scheitelhohe. Das obere Oktogon15) hat keine aufleren Strebe-
pfeiler und nur Mauern von 78 cm Starke, an den acht inneren Ecken sind
52 cm tiefe Mauerpfeiler als Stiitzen der spitzbogigen Umfassungs-Gurt-
bogen hergestellt, ans acht kapitelllosen Eckdiensten von je 19 cm Durch-
messer erheben sich die mit Birnstaben und zwei Hohlkehlen profilierten
Quaderstein-Rippen eines schonen Sterngewolbes, welches im Schlufisteine
das Reliefbild der heiligen Barbara tragt, Zwei tympanonlosc Spitzbogen-
Portale von je 1 m 72 cm Lichtweite mit reich profilierten schragen
Laibungen, bilden die Zugiinge, zwei doppelteilige Spitzbogen-Fcnster und
eine mit Mafiwerk geschmiickte Rose ftihren dem Oktogoninnern das Tages-
licht zu; das an der Nordwestecke angebrachte viereckige Treppen-
tiirmchen von je 2 m Seite vermittelt den Zutritt zum Dachbodenraume,
der ein steiles, achtseitiges Zeltdach von Holzkonstruktion mit Ziegel-
deckung besitzt, wahrend an der Siidostecke liber dem Dachkranze ein
quadratisches Glockentlirmchen auf Kragsteinen sich zu mafiiger Hohe
mit seinem vierseitigen Helme hinter ebensovielen Giebeln entwickelt,
Wahrend in der Mainzer Erzdiozese im Stile der Eruhgotik die drei-
schiffigen Hallenkirchen, so Sankt Maria zu Wetzlar an der Lahn seit
1225, die Cisterzienser Abteikirche Sankt Maria zu Haina im vormaligcn
Kurhessen seit 1228, die Pfarrkirchc zu Wetter in Oberhessen seit 1230,
Sankt Elisabeth zu Marburg an der Lahn seit 1235, die Dominikaner-
Klosterkirche Sankt Maria zu Frankfurt am Main seit 1238, ebenda das
Langhaus der Pfarrkirche Sankt Bartholomaus, Dom genannt, seit 1250
und die leider 1 8 1 5 abgetragene Stiftskirche Unserer Lieben Frauen in
Mainz seit 1285 zur Ausftihrung gelangten, findet sich im Lande Tirol
als erste Hallenkirche die Pfarr- und heutige Kollegiat-Stiftskirche Sankt
Maria zu Bozen in der Didzese Trient. Mehrere auf dieses schone Bau-
denkmal beziigliche Chroniken10) besagen, daii das erste Steingewolbe
des dreischiffigen Pfeiler-Langhauses im Jahre 1340 geschlossen worden
ist. Die Bozener Sankt Marien-Hallenkirche17) hat im Langhause nur
Pfeiler und Eckdienste, denen tiber Knospen-Kapitellen nach der Langen-
15) Karl Atz, Kunstgesckichtc von Tirol, bringt auf Seite 254 den GrundriO der
Oberkapelle von Sankt Barbara in Meran, wobei man aber die schone Sternform der
Quaderstein-Rippen wblbung und das steinerne TreppentUnnchen niichst dem Westportalc
ganz vermifit.
16) Der dcutsche Anteil des Bistums Trient von Karl Atz und Benediktiner-Patcr
Adelgott Schatz, Bozen 1902, III. Band, Seite 23.
17) Karl Atz, Kunstgeschichtc von Tirol, gibt von der Sankt Marien-Pfarrkirchc
zu Bozen auf Seite S3 den Grundrifl und auf Seite 299 die perspektivische auOere
Nordost-Ansicht.
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Die Gotteshauser von Meran, der- alten Hauptstadt des Landes Tirol. i8o
und Breitenrichtung aus Sandsteinquadern hergestellte Gurtbogen, sowie
Rippen nach den Diagonalen entsteigen, also ein der Friihgotik ent-
sprechendes streng logisches Bausystem von Kreuzgewftlben. Auch die
Sankt Nikolaus-Pfarrkirche zu Hall im Inntale18) hat noch derbe Sttitz-
pfeiler, in der Folge erscheinen aber nur noch Rundsaulen, so zehn aus
Marmor bei der 1497 begonnenen Pfarrkirche Sankt Maria vom Troste
zu Sterzing in der Diozese Brixen, so 18 aus Quadersteinen bei den vier
SchiflFen der Hallenkirche Sankt Maria zu Schwaz am Inn von 1475 und
ebenda acht Marmorsaulen von nur 65 Zentimeter Durchmesser bei der
15 1 5 konsekrierten Klosterkirche Sankt Franziskus, so bei der Sankt
Oswalds-Pfarrkirche zu Seefeld von 1474 und so bei der Sankt Marien-
Pfatrkirche zu Vill in der Diozese Trient. — Die Meraner Sankt Nikolaus-
Kirche hat zehn und die Hospitalskirche zum heiligen Geiste hat neun
freistehende, aus Sands teintrommeln aufgefiihrte Rundsaulen und durch das
Xichtvorhandensein der Langs-Gurtbbgen ktindet sich die Spatgotik an.
I>iese mangelnden Gurtbogen haben grofie konstruktive Bedenken im Gefolge,
wie die Mitte des 1 6. Jahrhunderts ausgefiihrte Innsbrucker Hofkirche der
Franziskaner zum heiligen Kreuze, Diozese Brixen, deutlich beweist, wo
die zehn freistehenden Marmorsaulen, trotz der quer durchzogenen schmiede-
eisernen Anker in Kampferhohe ganz bedeutend aus der Lotrechten
gewichen sind. Laut dem Stadtbuche 19) wurde der Steinmetz Stephan
Tobler 1496 als Burger aufgenommen und dazu geschrieben: ^Hat die
Kirchen zu Sannt Niklaus hir an Meran gewelbt.« — Das MittelschifT
hat bei einer Achsen-Jochweite von 6 Meter eine Saulen-Achsenweite
Ton 1 1 Meter und dabei geht der Gewolbekampfer vom Westeingange
fas Chorschlufi in gleicher Hohe durch, wahrend die Kampfer der
fceiden SeitenschirTe nahezu drei Meter hoher sitzen, da wie dort befindet
sch auf der halben Siiulenrundung ein vorgekragtes Kaniiesgesimse als
'<hhch teste Kapitellform angebracht; oberhalb entsteigen den Zylindern
ie doppelt hohl profilierten Sandsteinrippen der Netzgewolbe. An den
^fienmauexn des Langhauses sind in rund 3 m Hohe iiberm Platten-
todcn den Saulenachsen entsprechende Dienste von 58 cm Breite
sat 27 cm Ausladung vorhanden, welche Dienste der altere Werk-
ceister von Sankt Nikolaus zur Aufnahme der Ortbogen, Quer- und
Diagonalrippen seiner Kreuzgewolbe bestimmte, der nachfolgende Stephan
Tobicr liefi aber auf die Mauerdienste seine Steinrippen der Netzgewolbe
te) Kari Atz, Kunstge>chichte yon Tirol, gibt auf Seite 353 den Grundrifi der
^aeix Nicotaos-Pfarrkirche zu Hall in der Diozese Brixen.
**) Scite 34 der Geschichte von Meran vom Professor am Meraner K. K. Ober-
f*rmau±zain~, Pater Colestin Stampfer, aus derBenediktiner-AbteiMarienberg, Innsbruck 18S9.
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I go Franz Jacob Schmitt:
unbekiimmert einschneiden, was ebenso unkonstruktiv wie hafilich ist.
Abgesehen von dieser Regelwidrigkcit der Spatgotik dlirfte im ganzen
Lande Tirol von alien Hallenkirchen die Meraner des heiligen Bischofs
Nikolaus wohl den schonsten Rhythmus des Rauminnern besitzen. —
Von den 14 iiufieren Strebepfeilern des Langhauses sind 7 nach Norden
und Nordwesten nur durch Gesimsabsatze abgestuft, wahrend die 7 nach
Stiden und Sudwesten sich im dritten Geschosse rnit Leisten-Maflwerk
geziert fiinden, worliber im Sinne dcr Ulmer Bauhutte ein weiteres von
Doppelfialen folgt, dem zur Kronung eine tibereck stehende Fiale ent-
steigt Das Hauptsiidportal hat einen Kielbogen-Wimperg und ist gleirh
der bekannten Nurnberger Brauttlir von Sankt Sebaldus hallenartig ver-
tieft und mit herabhiingcnden Dreipassen geschmiickt, leider sind aber
die gleichzeitigen Sandstein-Apostel nebst Madonna in der Spitzbogen-
laibung viel zu klein im Mafistabe ausgefallen. Samtliche Langhaus-
fenster20) haben je zwei Steinstiibe, sind also dreiteilig und mit oberem
spatgotischem Mafiwerke geziert; alle Strebepfeiler, Gesimse und Fenster-
schmiegen bestehen aus Sandstcinen, nur die aus Bruchsteinen her-
gestcllten Mauerfliichen besitzen Speisverputz, welcher an einzelnen
Stellen Freskomalereien empfing, so einen kolossalen Sankt Christophorus
am Platze eines der Siidfrontfenster. An der Stidwestecke erhebt sich
flir die Orgelcmpore und Dachregion ein Treppentiirmchen; im oberen
Geschosse mit bogenformigen Giebeln, geht es nicht in einer Sandstein-
spitze aus, sondern wolbt sich mit Kantenblumen und Kreuzrose kuppel-
artig zu. In iihnlicher Weise sollte der (rlockenturm von Sankt Nikolaus
wohl auch im Achtorte durch eine Quaderkonstruktion gekront werden,
doch fehltcn der Spatzeit die Cieldmittel und so erfolgte die armliche
Ausfiihrung der geschweiften Kupj)elform nur in Holzbohlen mit einer
Bedachung von Kupferblech, wie dies gleichzeitig auch bei den Doppel-
tiirmen der Frauenkirche zu Mlinchen geschehen ist. Das steile Ziegel-
satteldach iiber den drei SchirTen des Langhauses hat Sankt Nikolaus
ebenfalls mit der heutigen Munchener Kathedrale, sowie alien Hallen-
kirchen des Landes Tirol gemein. Die schweren Massen der Dachungert
erdriicken nicht nur die Architektur der Fronten, sondern namentlich der
Glockenttirme, welche ungliickliche Wirkung sich ganz besonders bei der
vierschiffigen Stadtpfarrkirche Sankt Maria und den zwolf Aposteln zvi
Schwaz am Inn zeigt. Dagegen haben die rheinischen Hallenkirchen
stets flir jedes der drei SchifTe ein eigenes Dach beziehungsweise eir\
2°) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, gibt auf Seitc 283 die geometrisoHo
Ansicht der aus Mafiwerk von Yierpiissen und klcincn Fischblascn bestchendcn West-
ffont-Kosc von Sankt Nikolaus zu Mcran.
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Die Gotteshauser von Meran, der alten Hatiptstadt des Landes Tirol. 191
Querdach, was immer eine gute Wirkung verbiirgt, wie die ehemalige
Kollegiat-Stiftskirche Sankt Stephanus in Mainz und die Liebfrauenkirche
zu Friedberg in der hessischen Wetterau beweisen.
Merans Hospital nebst Kirche war im Jahre 1271 durch den
Grafen Meinhard II. von Tirol gegrlindet und gebaut worden, ward aber
14 19 beim Ausbruche der Passer weggeschwemmt, der Neubau dann
weiter ab warts wiederum auf dem linken Passerufer wiihrend der Regierung
des Landesfursten Sigismund in Angriflf genommen und 1483 vollendet
Mit den Hauptstadten von Ober- und Niederbayern, Mtinchen und
I^andshut, hat die Meraner Spitalkirche nicht nur den Titel »zum heiligen
Geiste* gemein, sondern auch den Plangedanken. Der Miinchener Stadt-
brand von 1327 gab Kaiser Ludwig dem Bayer Anlafl, eine neue Spital-
kirche errichten zu lassen und dtirfte die heute noch vorhandene drei-
schiffige Hallenanlage mit Choruragang vielleicht in noch mehr als blofl
den Fundamentmauern auf das 14. Jahrhundert zurtickgehen. Der innere
Chor ist mit ftinf Seiten des Achteckes und der Umgang mit neun Seiten
des Sechzehneckes, ganz wie der Ntirnberger Sankt Sebaldas-Ostchor von
1 36 1 — 1377 geschlossen, er wirkte vorbildlich in Niederbayerns Residenz-
stadt I^ndshut, denn die von 1407 — 1461 erbaute Heiliggeist-Spital-
kiiche ist eine dreischiffige Hallenanlage, deren Chor mit vier Seiten des
Sechseckes und deren Umgang mit sieben Seiten des Zwolfeckes schlieflt;
15 kapitelllose Quaderstein-Rundsaulen von je 85 cm Durchmesser
bilden die Stiitzen der Sterngewolbe auf Hausteinrippen, welche an den
Aefienmauern Diensten mit Laubkapitalen entsteigen; die Strebepfeiler
*hA zur Halfte nach innen gezogen und wie alles Mauerwerk aus hart-
gtbrannten Backsteinen hergestellt. Diese schone Landshuter Heiliggeist-
Kirche diente der Meraner zum Muster, nur von geringerer Langen-
aisdehnung hat sie blofl neun kapitelllose Quaderstein-Rundsaulen, also
4-ei Joche weniger als das Landshuter Gotteshaus, welches aufierdem noch
m der MittelschirTbreite eine nach Norden, Westen und Suden offene
Voflialle mit dem West-Hauptportale sowie einen quadratischen Glocken-
csrm an der Nordostseite besitzt. Die Landshuter Heiliggeist-Kirche
&zhi ringsum frei, so konnten auch allseitig hochragende vierspaltige
%»itzbogen-Fenster angebracht werden, wahrend in Meran auf der Sud-
3«ne Sakristei und Spitalbauten sich direkt anlehnen, wodurch vier Fenster
«delen; aber auch die Nord- und Westseite konnten zusammen vier
*eitere Fenster besitzen, damit wiirde dem Kircheninnern die erforder-
Hcbe jetzt aber mangelnde Lichtmenge leicht zugefiihrt werden. Nur
5iel>en dreispaltige Stab- und Mafiwerks-Spitzbogenfenster sind dermalen
Torbanden, hierin befanden sich, laut Inschrift voirt Jahre 1493, ehedem
Glasinaiereien von Hanns Grienhofer, deren wenige Reste man jetzt in
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IQ2 Franz Jacob Schmitt:
den Sudwest-Fenstern der Sankt Nikolaus-Pfarrkirche sieht21); diese
mittelalterlichen Glasmalereien passen trefflich in die schmalen Fenster-
felder, was bei den neuen 1887 aus der Innsbrucker Anstalt bezogenen
durchaus nicht der Fall ist. Dargestellt findet sich die Madonna mit dem
Kinde22), zur Seite ein stehender und ein knieender Ritter, wohl Erz-
herzog Sigismund von Osterreich als Stifter; ferner Christus am Kreuze,
zu Seiten knieende Donatoren mit ihren Kelche tragenden Nainens-
patronen Sankt Johannes der Evangelist und Sankt Benediktus von Nursia.
Daruber erscheint Christi Verklarung mit den Jiingern und seitliche
Tabernakel-Architektur mit Engeln unter Baldachinen. Die Steindecken
von Heiliggeist sind Sterngewolbe, das iiber dem inneren Chorschlusse
besitzt eine wohl gleichzeitge Malerei der heiligen Dreieinigkeit nebst
den vier Evangelisten; dabei wird Christus mit den fiinf Wundmalen, von
Gottvater und dem heiligen Geiste unterstiitzt, dargestellt. Die West-
front der Spitalkirche hat ein Doppelportal, an dessen Mittelpfosten
tragt das zierliche 3/4Saulchen die 62 cm hohe Sandstein- Statue
der Madonna mit dem Kinde; deren oberer Baldachin nimmt ein
Postament auf mit dem 90 cm hohen sitzenden Gottvater, welchcr
Christus am Kreuze in beiden Hiinden halt Auf Seite 282 gibt Pfarrer
Karl Atz in seiner Kunstgeschichte von Tirol die Abbildung des West-
portales, dem heute alle sechs Statuen der inneren Spitzbogen-Laibung
fehlen; in demselben verdienstvollen Werke findet sich auf Seite 260 der
Grundrifi von Heiliggeist in Meran, leider aber fehlerhaft aufgenommen
und dadurch irrefuhrend; der Chorumgang ist namlich als Segmentbogen
mit ganz verzogenen Gewolbefeldern gezeichnet, wahrend hier in Wirklich-
keit eine vollig regulare gesetzmafiige Losung mit sieben Seiten des Zwolf-
eckes existiert; ferner hat das Langhaus vier Joche, wogegen im Grund-
risse bei Atz nur drei angegeben wurden. Ein steiles Sattel-Ziegeldach
erhebt sich iiber den drei KirchenschirTen und wird im Westen durch einen
ungegliederten Mauergiebel geschlossen; an dessen Spitze ist auf zweimal drei
Kragsteinen ein steinernes Glockentiirmchen mit vier Giebeln nebst Ziegel-
helm, ahnlich dem bei Sankt Barbara beschriebenen, errichtet worden. —
Noch ein drittes Mai besafi das alte Meran dieses Baumotiv und zwar
bei Sankt Klara des Franziskanerinnen-Klosters am Renmvege. Wohl
wird angenommen, dafi die Ordensfrauen schon im Jahre 1290 nacli
Meran gekommen seien, doch reicht die jetzt noch teilweise erkennbare
21) Dr. Wilhclm Lotz, Kunst- Topographic Deutschlands. Casscl 1863, II. Band,
Seite 279.
22) Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol, bringt auf Seite 378 die Abbildung der
gekrbntcn Muttergottes im Flammenglanze, das gekleidete Kind auf dem Arme und den
Halbmond unter den Fiiflen.
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Die Oottcshiluser von Mcran, dcr altcn Hauptstadt des Landes Tirol. iq^
Klosterkirche nicht weiter zurtick, als die 1483 vollendete Spitalkirche
zum heiligen Geiste; unter Kaiser Josephs II. Regierung ward 1782 das
Nonnenkloster aufgehoben und nachmals das einschiflfige Gotteshaus im
Besitze des Freiherrn von Hausmann zu Geschafts- und Wohnzwecken
umgestaltet, wobei die oberen Steingewolbe eingeschlagen wurden. Die
ehemalige Klosterkirche Sankt Klara wurde in der heiligen Linie von
West nach Ost errichtet, sie hatte in sechs Jochen Sterngewolbe auf Quader-
stein-Rippen , welche kapitelllosen Diensten entstiegen; die Widerlager
waren, wie bei Heiliggeist, zuin Teil als Mauerpfeiler ins Innere gezogen
und zum Teil als aufiere 82 cm breite Strebepfeiler23) vorhanden.
Der gleich breite Chor war platt geschlossen und die drei Westjoche ent-
hielten den Einbau einer gewolbten zweischiffigen Hallenanlage mit der
Empore fur den Frauen-Konvent, dessen Kreuzgang und Zellen sich auf
der Nordseite ausbreiteten , wahrend die SUdseite den Kirchen-Eingang
Air die Glaubigen des Laienstandes und daruber die den sechs Jochen ent-
sprechenden jetzt herausgebrochenen Spitzbogen-Fenster besafi. Das der
Abtei Marienberg unterstehende Benediktiner-Kollegium bei K. K. Ober-
Gymnasium in Meran besitzt einen Olgemalde-Stadtprospekt aus dem
1 8. Jahrhunderte, darauf erscheint Sankt Klara mit seinem behelmten
quadratischen West-Giebelturmchen, dessen Unterbau noch heute vor-
handen ist. Auf dem Olgemalde siehi man auch den im Jahre 1605
dutch Meister Stephan Moskardi aus Bormio (Worms) quer tiber den
Rennweg geschlagenen Mauerbogen mit Tonnengewolbe, welcher das
Klarissen-Kloster mit der gegentiberliegenden Sankt Katharinen-Kapelle
verband, bei ihr war das Franziskaner-Hospitium, dessen Patres die
Seelenfuhrer der Nonnen bis zur Aufhebung bildeten; schon 1789 wurde
der seitlich geschlossene und oben bedachte Bogengang abgebrochen
und auch von Sankt Katharina gotischen Stiles existiert heute keine
Spur mehr. — Die alte landesfiirstliche Burg von Meran24) dankt Erz-
heTzog Sigismund zwischen 1446 und 1480 ihre Entstehung, an der
Ostseite des ersten Stockwerkes befindet sich der Kapellen-Erker mit seinen
zwei Spitzbogen-Fenstern, welche einem 5/8Chorlein das Tageslicht zu-
fiihren. Die heiligen Patrone Oswald und Conifrid sind auf der Epistel-
seite als nahezu lebensgrofie stehende Figuren al fresco gemalt, ein
**) An der Stidfront wurde im Monat September 1902 der alte Verputz herab-
^eschiag-en, und da konnte von mir das Bruchstein-Mauerwerk und daran die 82 cm
breite Abbruchstelle des einen der ebemaligen aufieren Strebepfeiler beobacbtet und
festgestellt werden, was wenige Tage spater nicht mehr niiiglich, indem ein neuer
Spei§verputz wieder angebracht worden ist.
**) Dr. David Schttnherr, Geschichte und Beschreibung der alten Landesfttrstlichen
Burg in Meran, Meran 1882.
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IQ4 Franz Jacob Schmitt:
rippenloses Sterngewolbe bildet die Steindecke, wie solche auch die
Gruftkapelle von Sankt Barbara und der gotische 5/MChor von Sankt
Valentin an der Naif besitzen. Diese schlichte spatgotische Konstruktion
irtit scharfen Graten an Stelle der Steinrippen trift't man in Bohinen
beim symmetrisch zweischiffigen Langhause der Dechantei-Kirche zu
Blattna und als rippenloses Netzgewolbe in der Sakristei von Sankt
Bartholoiriaus zu Pilsen; in Preufien ermangeln die SeitenschirTe der
Marienkirche zu Danzig sowie der Kirche Sankt Peter und Paul ebenda
der Gewolberippen. —
Das 17. und 18. Jahrhundert hat in der neuen Tiroler Hauptstadt
Innsbruck Monumentalbauten im Stile der italienischen Renaissance und
des Barock entstehen sehen, dagegen freute man sich in der alten
Landes-Hauptstadt Meran fortwiihrend seiner schonen Gotteshauser im
Stile der nordischen Gotik und hat weder Gypser noch Stuckateure
wie bei der Sankt Michaels-Pfarrkirche zu Brixen, wie bei Sankt Leon-
hard und Wolfgang zu Jenbach oder wie bei der Schwazer Pfarrkirche
Sankt Maria zugelassen, welche willkiirlich den urspriinglichen baulichen
Rhythmus durch Ankleisterung fremder Stilformen zerstorten und gar
oft durch Wegschlagen wichtiger Konstruktionsteile, so der Quaderstein-
Rippen und Gurten, den Bestand der Substanz in Frage stellten. Wiihrend
der Fastenzeit des Jahres 16 10 erschienen die Kapuziner in Meran, man
gab ihnen beim Vintsgauer Tore einen Bauplatz, wo 16 16 der Grund-
stein zum Klostcr gelegt wurde; schon im darauf folgenden Jahre konnte
die Kirche zu Ehren des heiligen Bischofs und Miirtyrers Maximilian
konsekriert werden; nachmals wurde das Gotteshaus erweitert und dann
17 1226) in der heutigen Gestalt durch den Churer Bischof Ulrich von
Federspiel geweiht Die mit 1 m 18 cm starken Umfassungs-Mauern
versehene Saalkirche von 11 m 82 cm Breite bei 24 m innerer Lange
hat einen schmalercn ])latt geschlossenen Chor, welcher im Westen
errichtet wurde, da die Vorhalle mit dem Haupteingange am Renn-
wege sich im Osten befindet Uberdeckt wurde der Kirchenraum ,
mit einem elliptischen Tonnengewolbe, in das fiir die breiten scheit-
rechten Fenster beiderseits je vier Stichkappen einschneidcn. Dem
Bettelorden entspricht der allerschlichteste Bedtirfnisbau und es nimmt
ein niedriger holzerner Sattelreiter die wenigen Kirchenglocken auf.
— Auch die Wallfi\hrtskirche Sankt Maria Trost in Unter-Mais be-
sitzt eine nach drei Seiten oflfene Westvorhalle aus der Barockzeit,
diese hat ebenso das Innere mit Pilastern und Stichkappen in ein
t£>) Joseph Thaler, der deutsche Anted des Bistums Trient, Brixen 1866, H;ind I,
Seite 210.
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Die Oottcshau*er von Meran, der alten Hauptstadt des Landc* Tirol. jqc
flaches Tonnengewolbe versehen, dann den polygonen Chor innen ab-
gerundet und dessen drei Spitzbogen-Fenster zugemauert; West- und Siid-
portal haben noch ihre Spitz bogen, woraus erhellt, dafi hier ehedem eine
gotische Konstruktion, vielleicht gleich der nahen Sankt Vigilius-Pfarr-
kirche gewolbt auf Quaderstein-Rippen, existiert hat. Ahnliches ist auch
von der Sankt Georgskirche in Ober-Mais zu berichten, wo auf alten
Fundament-Mauern nunmehr ein Barockbau vorhanden und Westportal
sowie Nordturm den gotischen Stil der Spatzeit besitzen. —
In Sankt Nikolaus hat der Barockstil die drei Korbbogen der ge-
wolbten Orgelempore im Westjoche an beiden Freisaulen zur Ausfiihrung
gebracht, vermutlich trat diese Konstruktion an Stelle einer urspriing-
lichen der Gotik auf Saulen-Monolithen und Rippengewolben, wie solch
eine zierliche noch jetzt bei Sankt Maria und den zwolf Aposteln zu
Schwaz am Inn dauert Wahrend des 18. Jahrhunderts hat man auch
von den sieben Spitzbogen-Fenstern des Chores drei vermauert, zweifels-
ohne urn dem Barock-Hochaltare26) einen ruhigen Hintergrund zu ver-
scharTen; bei der seit 1887 erfolgten Restauration durch Friedrich Frei-
herm von Schmidt in Wien hat man jene drei Fenster wieder geoffnet
und den Altar bis auf die Quaderstein-Mensa abgebrochen. Wohl stent
heute ein kleiner Sankt Sebastianus-Schreinaltar im nordlichen Seiten-
schifTe, doch war er nicht fiir Meran und Sankt Nikolaus geschaflfen,
vielmehr ist er erst vor einigen Jahren im Vintsgau kauflich erworben
worden. Der von 1765 — 1790 regierende Kaiser Joseph II. erlieli im
Jahre 1787 eine neue Gottesdienst-Ordnung, wonach in den Kirchen nur
drei Altare zum Gebrauche beibehalten werden durften; so kam es, dali
man zu dieser Zeit in Sankt Nikolaus sechs Altare herausgerissen hat,
darunter vielleicht Werke der mittelalterlichen Malerei und Holzschnitzerei.
Die ganz aus Sandsteinen gemeifielte, mit durchbrochenem Mafiwerke ge-
aerte Kanzel von Sankt Nikolaus, sowie die von Heiliggeist hat man
gliicklicherweise geschont und so sind denn beide Steinmetzarbeiten der
Spatgotik auf uns gekommen.
Im Jahre 1889 wurde zu Meran am rechten Passerufer die evan-
gelische Christuskirche nach dem Entwurfe des Architekten Johannes
Vollmer, eines Otzen-Schtilers, als gewolbte einschiffige Anlage mit
schmalerem plattgeschlossenem Chorraume vollendet. Die Strebepfeilcr
*) Joseph Taler, Deutscher Anteil des Bistumes Trient, berichtet auf Seite 241,
dafl die beiden Olbilder auf den Seitenaltiiren »Geburt Christie und »Das letzte Abend-
mahl« sowie das Hochaltarbild »Mariae Himmelfahrt* von Martin Knoller (geb. 1725 zu
Steinacb, gest 1804 zu Mailand) herrtthren. Dies Hochaltarbild hangt jetzt in denkbar
schlechtester Beleuchtung Uber einem der beiden Slidportale im Innern der Stadtpfarr-
knche des heilig^n Nikolaus.
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Iq6 Franz Jacob Schmitt:
sind in vier Jochen teilweise nach dem Innern gezogen und werden die
Quertonnen durch sechs Freisaulen ixiit Knospen-Kapitellen gestUtzt.
Diese vier Quertonnen erheben sich in den Dachraum, und dadurch werden
im Aufieren je vier Querdacher mit Steingiebeln motiviert. Der Architekt
hat die Steinbriiche der Meraner Umgebung sich nutzbar gemacht, und
so erscheinen an dem kleinen Bauwerke die natiirlichen Bruch- und Hau-
steine in nicht weniger als drei verschiedenen Farben. Zu loben ist bei
Kirche und Turmhelm das blauschwarze Schieferdach, denn die Flachen
roter Dachziegeln wlirden das Ganze nur unruhig beeinflufit haben. Wohl
hat der W'imperg des Hauptportales im Westturme ein Steinkreuz, doch
die schlanke Pyramide entbehrt des traditionellen Kreuzes von Schmiede-
eisen, das zwar im Lande Tirol nicht iiblich, daflir aber in Deutschland
stets mit denkbar grofiter Sorgfalt hergestellt worden ist. Dafi Architekt
Vollmer in Berlin seine neun Quaderstein-Giebel nicht mit der gotischen
Kreuzblume kront, sondern mit zinnenartigen Steinaufsatzen, kann nicht
gebilligt werden, denn diese entsprechen einzig der gotischen Backstein-
Architektur Norddeutschlands.
Die Passer bildete im ganzen Mittelalter sowie weiter bis zum
Ausgange des 18. Jahrhunderts die Grenze der deutschen Kirchenprovinz
Mainz und der italienischen Kirchenprovinz Aquileja, zur ersteren gehorte
das Bistum Chur mit der Stadt Meran, wahrend Ober- und Unter-Mais
dem Fiirstbischof von Trient und dieser als Suffragan dem Patriarchen
von Aquileja unterstand. Von hohem Interesse ist nun die Tatsache,
dafi der Kinflufi deutscher Baukunst sich weit nach Siiden verbreitete
und gotischc Gotteshauser mit Stern- und Netzgcwolben noch in Orten
sich linden, welche das Italienische als Muttersprache haben, was von der
Trienter37) wie von der Churer28) Diozcse gilt Das eigentliche
2*) Die Kpiskopalkirche Sankt Vigil ius in Trient wurde nach deutsch-rhcini«ichem
Bauprogramme mit zwei Westfassaden-TUrmen und einer Vierungs-Kuppel, ganz wie der
ehemalige romanische Sankt Stephansdom zu Passau an der Donau erbaut; der drei-
schiffigen Trienter Sankt Peterskirche mit vier achteckigen kapitelllosen Freipfeilern ent-
steigen gotische Netzgewtflbe auf Quaderstein-Rippen, und an ihrem Nordostende be-
findet sich ein quadratischer Glockenturm mit Wasserspeiern am Fufle der vier Stein-
giebel, dahinter erhebt sich ein steiler holzerner Helm mit Ziegelbedachung.
2s) Die Diozese Chur besitzt im Kanton Graubiinden einschiffige Kirch en mit
Stern- und Netzgewolben auf Quaderstein-Rippen: I. Allerheiligen zu Scharans bei
Thus is von 1490; 2. Sankt Maria zu Thusis am Hinter-Rhein von 1506; 3. Sankt Maria
zu Scanfs am Inn von 1493; 4. Sankt Andreas zu Camogask oder Campovasto am Inn
von 1515; 5- Sankt Florinus zu Kemlis am Inn von 1522; 6. Sankt Georg zu Schuls
am Inn von 15 16; 7. Sankt Johannes der T&ufer zu Hohen-Trins am Vorder-Rhein von
1493; 8. Sankt Johannes der Tiiufer zu Schiers im Pnitigau; 9. Sankt Maria zu I*enz
durch Meister Petrus von Bamberg 1505 erbaut; 10. Sankt Maria Magdalena zu Stlirvis
von 1504; 11. Sankt Valentin zu Tenna von 1504; 12. I'jiserc liebe Frau zu Luzein
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Die Gotteshiuiser von Meran, der alten Hauptstadt dcs Landes Tirol. 107
Italien29) kennt diese spatgotischen Gewolbe-Konstruktionen des deutschen
Nordens nicht, wie es auch dessen Erfindung der Hallenkirchen und holz-
geschnitzten gemalten Schreinaltaren kein Verstandnis zugewandt hat
Hocherfreulich ist darum die Wahrnehmung, dafi die Alpenlander Tirol
und Schweiz in ihrer inittelalterlichen Kunst bis zur Periode der Re-
naissance durch und durch deutsch fuhlten und ebensolche Denkmaler
geschaffen haben.
von 1487; 13. Sankt Maria zu Silvaplana von 1491; 14. Papst Sankt Calixtus zu
Brienz von 1 5 19; 15. Sankt Sebastian zu Wiesen bei Davos; 16. Sankt Georg zu
Castel bei Chur.
*•) Vergeblich wird man Stern- und Netzgewolbe suchen in der erzbischttflichen
Metropolitan-Kirche Mariae Nascenti und Sankt Thecla zu Mailand, der fllnfschiftigen
gotischen Prachtbasilika mit Chorumgang und Zentralturm.
Repertorium fttr Kunstwissenschaft, XXVI. 14
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Due strambotti inediti per Antonio Vinciguerra e un
ignoto ritratto di Vettor Carpaccio.
Di Arduino Colasanti
Intorno a Vittore Carpaccio si e spesso esercitata la fantasia dei
poeti, i quali nei loro versi o celebrarono quella fulgida gloria dell' arte
o sfogarono contro il pittore immaginoso e drammatico, che con i Bellini
diede il suggello alia nuova pittura veneziana del secolo deciinoquinto,
il loro malcontento e il loro risentimento.
Non e qui il luogo di parlare a lungo della importanza che possono
avere per la storia dell' arte le fonti poetiche in general e. Nel caso
speciale bastera notare che, nella grande scarsezza di documenti riguar-
danti la vita del Carpaccio, gia lamentata dal Molinenti,1) di due suoi
lavori si aveva memoria unicamente in componimenti poetici e che di
un altro quadro di lui, fin qui ignoto agli storici dell' arte, e conservato
il ricordo in uno dei due strambotti che do ora alle stampe.
Tralascio senz' altro le quartine di Marco Boschini,2) il quale nel
suo gonfio stile descrive mold dipinti del Carpaccio, perche di quei
versi gia ha tratto partito il Molmenti nel suo brillante studio su l'ar-
tista che alia vivacita dell' ingegno veneziano seppe unire i pregi dei
maestri toscani.3)
Assai piu importante e il sonetto di una rimatrice del secolo
decimoquinto pochissimo nota, pubblicato da Vittorio Rossi.4) In quei
*) Domenica letteraria, anno IV, 1885.
2) Af. Boschini, La carta del navager pitoresco, Venetia, MDCLX,
p. 33 sgg. Sul Boschini da buone notizie il Cicogna (Iscrizioni veneziane, Venezia,
MDCCCXXVII, t. Ill, p. 265, n. 39).
3) P. Molmenti, II Carpaccio e il Tiepolo, Torino, Roux e Favale, 1885,
p. 40 e 116 sgg; cfr. anche Jd., Carpaccio, son temps et son oeuvre, Venezia, Ongania,
1889, e Ludwig, Vittorio Carpaccio, in Archivio storico dell' Arte, 1897.
*) V.Rossi, Di una rimatrice e di un rimatore del sec. XV (in Giornal e
Storico della letteratura italiana, vol. XV, 1885, p. 194).
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Arduino Colasanti: Due strambotti inediti per Antonio Vinciguerra ecc. jgg
versi, che la poetessa toscana dedicava Ad imaginein suam, vive
ancora la meuioria della tavola su cui il Carpaccio con lo splendore dei
suoi colon aveva riprodotta e fatta palpitare la biondeggiante bellezza
di lei, e con altisonanti parole & celebrata la gloria del grande pittore
degno di fama e di piu alto impero,
che di tal arte e ben maestro verace.
Dove oggi si trovi il ritratto di Girolama Corsi Ramos non ci 6
dato sapere; ma non per questo £ minore l'importanza del sonetto, il
quale ci conserva Tunico ricordo di un ritratto muliebre eseguito dal
grande veneziano, mentre nessuno ne figura nelle opere superstiti a lui
attribuite, se non si debbono credere ritratte dal vero le due cortigiane
del museo Correr di Venezia.
Di un altro ritratto di Vettor Carpaccio parla in un sonetto Andrea
Michieli detto Squarz61a o Strazz61a* poeta veneziano vissuto nella
seconda meta del secolo decimoquinto, il cui canzoniere, conservato nel
codice estense VIII D. 6 (nel catalogo degli italiani n. CCCLXXXIV),
fu illustrato magistralmente da Vittorio Rossi. L)
Nato di famiglia appartenente all' ordine dei cittadini, cioe a * quel
ceto medio onde la Signoria traeva i segretari e i cancellieri negli uffici
pubblici principali, lo Strazzdla, irretito nei vizi, diguazzava in quel
bmgo, prima forse con un certo disgusto, poi con abbandono disperato.
Amico di beoni, di furfanti, di prostitute, fra il vino, le donne e i dadi
tascind la sua miserabile vita in una laida boheme, che ispira a un
tempo disgusto e pieta. E le abitudini tristi della malvagia societa che
£gH frequentava si rispecchiano nei suoi versi, volgari per il contenuto,
rozzi nella forma e ispirati qua e la del turpiloquio piu inverecondo e
da quel gergo furbesco di cui, insieme con le lettere e le ottave ben
3tfe di Luigi Pulci, il quale compil6 anche un piccolo vocabolario ger-
fale,9) con i pochi sonetti del Pistoia rilevati dal Renier nella Pre-
tzzione a* Sonetti del Cammelli7) con la lettera di Antonio Broccardo
Strata dal Cian8) e col Modo novo de intender la lingua zerga,
&to alia luce nel 1549,9) sono fra i piu antichi documenti italiani.
Molte volte nelle sue rime il Michieli trae argomento di riso dalla'
5) V.Rossi, II canzoniere inedito di Andrea Michieli detto Squarzola
§ Strazzdla (in Giornale storico della Ietteratura italiana, vol. XXVI,
P- l * segg.)-
^) Lettere di Luigi Pulci, ed. Bongi, Lucca, 1886, n. X, L e LI.
?) Torino, 1888, pagg. XXXI— II n.
^) Giornale degli eruditi e dei curiosi, 11,627 — 3°«
*) Tanto la lettera del Broccardo, che e del 1 521, quanto questo curioso docu-
seiito, sono posteriori alle rime dello Strazzola.
14*
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200 Arduino Colasanti:
osservazione di un vizio o di una marachella altrui, o rimbecca qualche
frizzo che lo abbia troppo cdlto sul vivo, ma la sua satira, tutta per-
sonale e ispirata al desiderio della vendetta, e sempre inurbana e pro-
rompe spesso in invettive plateali.
Una delle vittime della volgarita del poeta fu a punto il Carpaccio,
al quale Alvise Contarini10) aveva coinmesso un ritratto dello Squarzdla.
Gia colpito, come sembra, da qualche caricatura di Gentile Bellini,
il Michieli si rivolse a Vittore e gli diede alcuni avvertimenti, raccoman-
dandosi perche non imitasse il collega, ma volesse ritrar lui
in catedra sedente
a guisa di chi a Padua ha una lettura
con le tcmpie
de vircntc
fronde peneida cinte
Dal canto suo egli prometteva di farlo »immortal non che divino«
con i suoi versi.
Ma non intese gli avvertimenti il Carpaccio, che, spinto dalla fama
delle gesta del poeta, voile sbizzarrirsi in uno scherzo e ritrasse lo
Squarz61a sedente in cattedra, cinto le tempie non di lauro, ma di quel
»serto di Bromio ridente« che assai meglio si confaceva alle quality
del suo modello.
Donde recriminazioni dello Strazzola, il quale se ne dolse col
Contarini come di una calunnia (cod. est. cit. a c. 202 r) e con l'artista
si sfogd, biasimando aspramente in uno strambotto e in un sonetto un
ignoto lavoro di lui.
A questo florilegio poetico cresciuto attorno al Carpaccio si ag-
giunge ora lo strambotto inedito conservato nel Codice Marciano Italiano
cl. XI 67, a c. i56v.
I versi dell' anonimo e sconosciuto rimatore sono pessimi, ma, in
compenso, l'importanza del loro contenuto e rilevante, in quanto vi si
rammenta un altro ritratto eseguito dal Carpaccio, ignoto agli storici
dell* arte e oggi, forse, smarrito.
E l'interesse e anche accresciuto dalla qualita e dal nome della
10) Non e facile, in mezzo agli altri Contarini dello stesso nome ricordati dai
genealogist! veneziani, indicare chi sia questo mecenate dello Strazz61a. II Rossi (art.
cit.) inclina a credere che egli fosse quell' Aloise di Francesco, del ramo di San
Cassan, su la cui tomba posero una lapide i figli nel 1528 (Cicogna — Iscrizioni,
1, 318).
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Due strambotti inediti per Antonio Vinciguerra ecc. 201
persona rappresentata, che e quell' Antonio Vinciguerra, il quale e noto
maggionnente sotto il nome di Cronico.11)
Di famiglia originaria di Recanati, il Vinciguerra nel 1468 fu
iscritto come notaio nel la cancelleria ducale e gradatamente ascese fino
al grado di segretario del Consiglio dei Dieci. Per ordine del Senato
nel 1470 distese una carta del Friuli, e nel 1480 andd oratore della
Repubblica presso lungherese Maerblasio, il quale aveva occupata l'isola
di Veglia che dalla dominazione di Giovanni Frangipane era di nuovo
passata a Venezia. Quindi si reed in Francia, donde condusse seco
Renato duca di Lorena, che i Veneziani chiamavano per combattere la
lega conchiusa nel 1483 a Casal Maggiore contro di loro. Piu tardi fu
inviato a Roma per intimare ad Antonio Loredano, ambasciatore presso
il papa, e a Bernardo Teatini di presentarsi entro venti giorni al Con-
siglio dei Dieci, sotto pena di bando, per iscolparsi dell' accusa loro
mossa di delitti commessi durante la loro legazione; e, segretario pure
m Roma nel 1487, insieme con gli ambasciatori Sebastiano Badoaro e
^ Bernardo Bembo si adoperd per conchiudere la lega fra Innocenzo VIII
e la Repubblica. Da Roma passd a Bologna, da dove scriveva nel set-
tembre del 1498.12)
Fra le cure dello stato, il Vinciguerra non neglesse lo studio delle
lettere e fu poeta non ispregevole, anche se non gli spetti il vanto, at-
rribuitogli dal Cicogna, di aver scritto per il primo in lingua italiana
quelle terze rime satiriche che sembra voler dedicare all' amico Bernardo
Bembo con un sonetto morale secentisticamente concettoso, 18) e che si
collegano strettamente alia poesia gnomica del trecento.14) E queste
poesie che furono tutte, all' infuori di una, messe a stampa dopo la
morte dell1 autore, anche prima che fossero pubblicate avevano avuta
una tale fortuna, che in Venezia andavano per le bocche di tutti e il
Sansovino, che le dava alia luce nel 1560, attesta di aver udito da certi
vecchi esser stati a' loro tempi ben pochi i dilettanti di lettere che non
ll) I contemporanei gli diedero spesso cjuesto nome (y. Sanudo, Diarii, IV, 525)
che appariscc anche in una medaglia {Arwaud, Medailleurs, 11,72) e che ebbe
engine dalla sua Cronica dell' isola di Veglia, cdita da Vinccnzo Solitro nel I
vol. dei Doc urn. storici sull' Istria e la Dalmazia, Venezia 1844. ln un' altra
medaglia il Vinciguerra h detto: Reip. Venet. a secretis integerimus {Armand, 1,76).
*2) Traggo queste notizie dal Cicogna (Iscriz. II, 67 — 69, V, 515 sgg.) al quale
rimando per la bibliografia sul Cronico.
**) V. Cian, Per Bernardo Bembo (in Giorn. storico della letteratura
italiana, XXXI, 64).
lf) F. Hamini, Sulle poesie del Tansillo di genere vario, Pisa,
1888, p. 97.
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202 Arduino Colasanti:
le sapessero a mente. 15) Per qual inotivo nella sua vita agitata il
Vinciguerra abbia avuta occasione di incorrere nell' ira clello Squarz61a
non e noto. Ma certo questo volgare poeta dovette bistrattare il Cronico
in sonetti o strambotti che ci sono sconosciuti, se un anonimo rimatore
prese a sua volta le difese del Vinciguerra, assalendo lo scapestrato ver-
seggiatore in due strambotti, di cui uno fu pubblicato dal Rossi nel
citato articolo, l'altro vede oggi la luce. E, quasi la difesa contro il
Michieli fosse piccolo tributo di amicizia, l'ignoto strambottista, morto
il suo difeso, si rallegrd che rimmagine di lui vivesse ancora in una
tela del Carpaccio.
A quale delle opere del grande pittore si alluda nell' ottava che
do alie stampe insieme con l'altro strambotto scritto in difesa del Cronico,
non mi fu dato di determinare. E non so neppure se il Vinciguerra
fu da Vettor Carpaccio ritratto solo, o in una di quelle sacre com-
posizioni, nelle quali figuravano spesso il committente e altri illustri
cittadini. Cosl del pari la piu grande oscurita regna sul nome dello
strambottista dozzinale, il quale fu forse qualche segretario del Vinci-
guerra o qualche poetucolo da lui beneficato. Quanto alia data, lo
strambotto nel quale e memoria del ritrattro eseguito dal Carpaccio £
certo posteriore — e forse di poco — al 9 dicembre del 1502, data
della morte del Cronico, l'altro fu scritto mentre il Vinciguerra era
in vita.
Ed ecco senz' altro le duo ottave:
Marc. Ital. cl. XI 67, a c. 156^
(Adespot. Anepigrafo)
Victor mio charo di tal nome degno
che dato ti ha uirtute: et la natura
judicio uer del tuo sublime ingegno
imitator de l'humana figura.
ben poi uantarti hauer trouato il segno
che tanti chiari ingegni in uan procura
fra gli altri il mostra quel buon uinciguerra
che per te uiuo e anchor sopra la terra
che per te habiamo anchor uiuo qui in terra.16)
Ibidem, a c. 157 v.
(Adespot. Anepigrafo)
Strazuolla tu la straci straniamente
pouer di roba e de ogni buon costume
1&) Lusio-RenUi' , Cultura e relazioni letterarie d'Isabella d'Este ^in
Giornale stor. della lett. ital. XXXVII, 242— 43).
16) Questo verso e scritto con un breve distacco dal precedente, del quale mostra
di esscre una variante.
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Due strambotti inediti per Antonio Vinciguerra ecc. 203
Voi esser cognosciuto da le gentc
senza ceruello: qual ti fa gran lumc
Voler biasmar tjuel Chronico excellcntc
Venerato tra i saggi come un nunie:
Solo di mal oprar non ti contenti
Se non palesi i tuoi maligni accenti.
Replied lo Squarzdla agii attacchi che gli erano rivolti dall' ignoto
rimatore? Certo la sua natura non era tale da sopportare in pace una
ingiuria; ma i documenti, per stabilire come e in qual misura rispose
all' insulto, fanno difetto, e di questa scaramuccia rimane solo il ricordo
nei versi dell' anonimo e pedestre poeta, a cui dobbiamo Tunica notizia
di uno sconoscinto ritratto di Vettor Carpaccio.
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen
Korpers auf Grund von Diirers Proportionslehre.
Von Constantin Winterberg.
(Fortsetzung.)
Dritte Gruppe.
Die Typen dieser Gruppe kennzeichnen sich gegen die der vorigen
bei entsprechender Kopflange durch grofleren Grad der Schlankheit und
lassen zugleich auf hohern Wuchs schliefien. Sie bilden demgemafi, dem
i. Buch analog, auch hier den Ubergang von den mittleren zu den
elanciertesten und schmalsten Typen der Ietzten Gruppe. Mit Typus 4,
als Reprasentant der 3. Gruppe im 1. Buch verglichen, erscheinen die
vorliegenden weniger elanciert, dafiir breiter und roller : ihre Kopflange
entspricht beinahe noch denen von Typus 2 und 3 desselben Buches,
von welchen sie sich jedoch ihrerseits wieder wie vorstehend angegeben
unterscheiden. Wie die Typen der zweiten als Zwischenglieder der
1. und 2. Gruppe des ersten, ebenso mtissen demgemafi die der vor-
liegenden als solche der 2. und 3. Gruppe desselben betrachtet werden.
Das Gemeinsame der drei in Rede stehenden Typen besteht hin-
sichtlich der Langenteile aufier in nahezu gleicher Kopf- und wohl auch
entsprechend anzunehmender Korpergrofle in dem fast gleichen, gegen
die Typen der vorigen Gruppe verminderten anatomischen Teilverhaltnis
(Punkt m1) von Ober- und Unterkorper sowie in der, bei alien uberein-
stimmenden, obgleich weniger charakteristischen Unterschenkellange qz.
— Typus 3 und 4, die beiden schlankeren, sind untereinander weniger
verschieden als der kraftvoller gebildete Typus 7, gegen den sie sich
besonders durch ktirzeren Abstand: Scheitel — Halsgrube (ae) zu Gunsten
der verlangerten Oberschenkelpartie unterscheiden.
Von ihnen ist wiederum Typus 3 gegen 4 als der kraftigere gekenn-
zeichnet.
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Constantin Winterberg : Cber die Proportionsgesetze etc. 205
I. Typus 3.
a) Langen.
Die Verhaltnisse des vorliegenden Typus sind am leichtesten zu ver-
stehen als Modifikarionen des entsprechenden von Typus 3 des 1. Buches,
gegen welchen er sich im allgemeiuen nur etwa in dem Sinne unter-
scheidet wie Typus 1 des 1. und 2. Buches: durch scharfere und pra-
gnantere Charakteristik einzelner Teile. Abgesehen von der Verlangerung
des Kopfes um 3 p. zeigen, aufier dafi Nabel und Kniemitte in beiden
Fallen ganz gleiche Lage haben, auch die ubrigen Hauptpunkte der Ver-
tikalteilung: o, n, tn\ i und e darin nur aufierst geringe Unterschiede
?on 1 — 3 p. Dasselbe gilt noch hinsichtlich der Armlangen indem nur
das Verhaltnis von Unterarm zur Hand im vorliegenden Falle eine geringe
Anderung zu Gunsten letzterer erfahrt: nur die Fufllange erscheint gegen
das Vitruvianische Mafi in diesem Falle wohl mit Recht vermindert. —
Diese im ganzen wie man sieht kaum merklichen Anderungen sind gleich-
wohl schon geniigend, den geometrischen Ausdruck der Relationen wesent-
Iich umzugestalten, wie Tabelle angibt, zu deren Erklarung noch folgendes
hinzuzufiigen ware:
Die Verminderung des Verhaltnisses am' : m'z als charakteristische
Eigenschaft der Typen dieser Gruppe der vorherigen gegeniiber be-
zeichnet, stellt sich im vorliegenden Falle in der nach Tab. zur Bestimmung
von m' dienenden Relation:
am' = vC
dar, die daher als fiir diesen Fall charakteristisch vorangestellt ist. Im
Anschlufi daran verschiebt sich der Rumpf, ohne seine Lange wesentlich
m andern, nach aufwarts, wahrend der Punkt i der Trennungspunkt der
obern und untern Rumpfpartie als auf der Mitte von aq gelegen, die
gleiche Bestimmung wie bei Typus 6 zeigt, also, da der genannte Abstand
in beiden Fallen nahezu der gleiche ist, auch in seiner Lage gegen jenen
beinahe unverandert bleibt. Der Rippenkorb bildet daher hier wieder
den langeren Abschnitt. Demgemafi findet sich auch die Brust gegen
Typus 6 verliingert, wie sich schon aus der nach Tab. zur Korpermitte
symmetralen Lage der Punkte q und g noch mehr durch die der Kopf-
lange gleiche Lange df schlieflen lafit. Weniger von Bedeutung ist die
Lage des mit dem oberen Beckenrand koinzidierenden Nabels, nach Tab.
von d soweit entfernt, wie der Punkt m' von q. t'berdies ist seine Lage
durch i mehr oder weniger vorgezeichnet. — Das Heraufriicken derselben,
wenn auch nur um wenige partes, wiirde die im Vergleich zu Typus 6
vergrofierte Armlange erklaren, wenn sie, obgleich Dlirer a. a. O. dariiber
nichts sagt, der Rechnung zufolge ebenfalls der Kreisbedingung (vgl.
Typus 6) geniigen soil. Demnach mufi bei der grofiern Schmalheit der
Figur die Lange taio der horizontal ausgestreckten Arme hier notwendig
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206 Constantin Winterberg:
eine die Korperlange iibersteigende Grofie darstellen. Die zur Bestimmung
der Arme und ihrer Teile dienenden Relationen der Tabelle beziehen
sich der grofieren Einfachheit ihrer Bestimmungen wegen zum Teil auf
diese letztere Armhaltung. Die Handlange deren nach Tab. 5 auf die
Strecke mfs gehen, stellt sich nach dem gesagten hier nahezu als Maxi-
mum28) dar. Die Punkte b' und o lassen sich hier auf einfache Art erst
mittels der Armpunkte bestimmen, wodurch sich die bereits im all-
gemeinen erwahnte Modifikation in der Reihenfolge der entsprechenden
Relationen der Tabelle erklart. Im Gegensatz zur relativ grofien Lange
wto ist die korrespondierende Basis ojco eine entsprechend kurze, tiberdies
ist schon der Abstand />'/>', dem allgemeinen Charakter der Figur ent-
sprechend nach Tab., als schmal gekennzeichnet.
b) Quermafie.
1. Dicken.
Kopf und Gesichtstiefe sind gegen die entsprechenden Mafle von
Typus 3 des 1 . Buches etwas vermindert, die des Halses erscheint daher
im Verhaltnis zu jenen relativ starker, obgleich in Tab. entsprechende
Bestimmungen aus bekanntem Grunde nicht angegeben sind. — Auch in
den Rumpfmafien insbesondere Brust- und Bauchtiefe findet sich in
beiden Fallen fast voile Ubereinstimmung, nur die im 1. Buchc der
Brusttiefe gleich Gesafidicke und demgemafi auch die Dicke in o ist hier
etwas abgeschwacht. Gegen die durch die Fufilange gegebene Casentiefe
steht iibrigens die der Lange fk gleiche Brusttiefe wieder weit zuriick
und reiht sich darin u. a. den relativ schwachsten Typen unter den Antiken
an. Die letztere, nach Tabelle allein durch Langenmafi ausgedrtickte Dicke
ist demgemafi gegen die ubrigen als Hauptmafi charakterisiert, indem die
Bestimmung der Bauchtiefe durch die Gesichtslange offenbar mehr zu-
falligen Charakter hat. Die Ubrigen Mafie interpolieren sich. In denen
der untern Extremitat fehlen nach Tab. charakteristische Mafie iiberhaupt.
Bei der obern deutet wenigstens die Bestimmung des Maximums und
die der Handdicke auf normale Durchschnittsverhaltnisse auch der
ubrigen Mafie.
2. Breiten.
Fiir die Breiten der Kopfpartie gilt naturgemafi dasselbe wie fiir
die Dicken; wodurch das Gesicht das quadratische Ansehen verliert,
welches die Typen des ersten Buchs von denen des zweiten unterscheidet, ob-
wohl die in Tabelle fiir das Maximum der Kopfbreite gegebene Be-
stimmung als der Gesichtshohe gleich vereinzelt steht. Hinsichtlich der
28) Auch im vorherigen Falle (Typus 6) ist der Abstand durch das Flinffache
der die Handlange noch um 2 p. libertreffenden Gesichtslange darstellbar, gleichwohl
aber klirzer als im vorliegenden Falle, weshalb dort wedcr sie noch die der Hand ihr
Maximum erreicht.
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Cber die Proportionsgesctzc des menschlichen Korpcrs etc. 207
Rumpfbreiten fallt auch hier zunachst wieder die Schmalheit der
Schultern gegen die ubrigen insbesondere die Rippenbreite auf, die sich
nach Tab. nur zu •§■ Rumpflange ergibt, welches einer aus Weibliche
grenzenden Schmalheit entspricht. Die andere noch mogliche Bestimmung
durch das vertikalen Vierfache des Abstandes eb' wiirde ihrerseits als Beweis
fiir die Richtigkeit der diesem hypothetisch gleichgesetzten Oberarmbreite
insofern anzusehen sein, als unter normalen Verhaltnissen bckanntlich das
Vierfache der letzteren flir die Schulterbreite zu rechnen ist (vgl. Schadow
a. a. 0.). Zugleich ist der Brustwarzenabstand unter die Halfte derselben
nach Tab. bis auf £ dfy d. h. auf eine Handlange vermindert. Von den
ubrigen Bestimmungen hinsichtlich des Rumpfs bezeichnet librigens die
der GesaUbreite diese wesentlich als Hauptmafi: als 3. Teil von m'z\
wie die Weichenbreite der, der Rippen proportional, welche letztere sich
jedoch nach Tab. nur interpolatorisch bestimmt.29) Verglichen mit
Typus 3 ersten Buches, zeigen die Verbal tnisse, bis auf die um einige
partes venninderte Schulterbreite, wie schon der blofie Vergleich der
Durerschen Zeichnungen a. a. O. andeutet, auch hier nahezu voile Uber-
einstimmung. Da tiberdies die namliche Bemerkung auch in den tibrigen
Mafien der Extremitaten sich bestatigt findet, so lassen sich liber deren
Proportionierung analoge Schltisse ziehen.
II. Typus 4.
a) Liingen.
Die Kopflange hat sich hier gegen den vorigen Fall um 2 p. ver-
mehrt. Im ubrigen ist Typus 4 offenbar nur eine unwesentliche Modi-
fication desselben. Dies zeigt sich, wie bereits einleitend bemerkt,
zunachst im Teilverhaltnis von Ober- und Unterkorper (Punkt m')> dessen
Lage gegen die des vorherigen nur um 1 p. differiert. Ebenfalls ist der
Unterschied in der von n nur ein minimaler. AuBer der bei beiden un-
veranderten Lage von q stimmt tiberdies auch noch die Halsgrubenhohe
ubeTein, sodafi eigentlich der ganze Unterschied in den Liingenver-
haltnissen der Korperaxe sich auf eine Rumpfverktirzung durch Herauf-
schieben von o reduziert, welches in der Relation:
ow = am*
verglichen mit der korrespondierenden des vorigen Typus charakteristischen
Ausdruck findet. Von den ubrigen haben einige insofern Interesse, als
sie an bekannte auch sonst fiir normale Verhaltnisse bestehende Be-
ziehungen erinnern. So besonders die fiir die Antiken charakteristische
Relation, wonach die Unterschenkellange qz der bis zur untern Bauch-
grenze {m) gezahlten Rumpflange entspricht, hier nur insofern modifiziert
als statt letzterer der Punkt tn\ auftritt, wonach der Unterschenkel gegen
^) Obgleich auch eine direkte Bestimmung in LangenmaO = ^ do moglich
iit, die jedoch weniger nahezuliegen scheint.
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208 Constantin Winterberg:
jene sich etwas kiirzer darstellen wiirde, indem zufolge Tab. der Punkt
q die Mitte des Abstands wtn bildet. Aufierdem ist fur normale Ver-
haltnisse, wie Schadow a. a. O. angibt, die Relation zur Bestimmung
des Nabels auf dem untern Drittel der Strecke do bezeichnend, wie bei
genauerer Prlifung der Schadowschen Typen erhellt. Weniger bedeutsam
ist die mehr oder weniger schon durch k bedingte Lage von /*.
Wahrend dieser Punkt sich heraufschiebt, findet das Entgegengesetzte
hinsichtlich der Brustpunkte statt derart, dafi hier der Abstand df die
Kopf lange stark liberschreitet, wie schon die zur Bestimmung von f
dienende Relation der Tabelie tibersehen lafit, 80) wonach fiir die Unter-
schenkellange qs nur das Doppelte jener gerechnet wird. Bezuglich der
oberen Extremitat findet sich die summarische Armlange ao' als Maximum
charakterisiert, dadurch zu erklaren, dafi sie nach Durers Angaben der
Kreisbedingung (cfr. Typus 6) zu genligen hat, indem, abgesehen von
dem durch Heraufrucken des Nabels reiativ grofien Radius kz9 zugleich
die Breitenmafie sehr schwach erscheinen. Das Maximum wird jedoch,
beilaufig bemerkt, nicht sowohl durch maximale Lange von Oberarm und
Hand, als durch solche des Unterarms erreicht, wobei der letztere sich
der Fufilange bis auf $ p. nahert, sie also wohl aus friiher angegebenem
Grunde — wegen Fehlens des EllbogenubergrifTs — selbst im Maximo
nicht vollig erreicht, wahrend in der Natur der umgekehrte Fall eher
vorzuherrschen scheint. Von den Bestimmungen der Tabelie ist die des
Oberarms durch die Lange ae als Variante des Falles, wo sie der des
Rippenkorbs {ei) entspricht, zu erklaren. Ebenso ist orTenbar die Be-
stimmung der Lange f<f als Hal ft e von ?iz nur eine unwesentliche Mo-
difikation der im allgemeinen auch sonst vorherrschenden Verhaltnisse.
Zur Bestimmung der Punkte a ist, wie die bezligliche Relation ergibt,
die Kreisbedingung benutzt, obgleich auch ohne dieselbe eine einfache
Bestimmung dazu sich leicht angeben liefie.31) Da dem gesagten zufolge
die Fufilange hier keine iibermaflige sein darf, sich vielmehr gegen den
vorigen Fall urn einige partes verkiirzt, so ist demnach auch die Basis
(ow hier noch kiirzer als vorher, wie in der betr. Relation der Tabelie
zum Ausdruck gebracht ist.
b) Quermafie.
i. Dicken.
Fiir die Bestimmung der gegen Typus 3 etwas verminderten Kopf-
30) Die Zahlenangaben Dtirers sind, um die betreffenden Relationeu der Tabelie
zu ergeben, nicht umsonst so penibel, einzelne bis auf J pars angegeben, und sind
ganz besonders geeignet, zum Nachweise des darliber bereits friiher Angedeuteten.
In der Tat fUgt DUrer z. B. der ganzen Zahl bei in (ebenso bei ik) den Drittel-pars
oflfenbar nur deshalb hinzu, um zu verhindern, daB an •= oz resultiere, was ganz
andcre als die beabsichtigten Konsequenzen nach sich ziehen wiirde u. s. f.
3i) 3«« = 5a^.
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Kbrpers etc. 2 09
tiefe ist nach Tab. eine einfache Relation durch die bis zum Adams-
knochen verlangerte Gesichtshohe gegeben. Auf die an derselben Stelle
gemessene Halsdicke bezieht sich auch die fernere Angabe der Tabelle.
Ebenso ist hinsichtlich der Rumpfmatie in Tab. die Dicke in f als der
Kopflange gleich statt des unter Anm. 6 interpolatorisch gegebenen
Maximums der Brusttiefe aufgenommen : charakteristisch insofern dasselbe
Mafl bei der vorigen Gruppe schon von der Gesafitiefe erreicht wurde.
Es ist also nicht notwendigerweise das charakteristische Mafi an das
Maximum gebunden, sondern variiert nach Umstanden. Die tlbrige Rumpf-
dicken interpolieren sich danach mit Hiilfe derer des Kopfes in ver-
standlicber Weise (vgl. Anm. 6 — 9 der Tabelle). Gegen Typus 3 reiativ
am starksten vermindert sich das Minimum der Bauchtiefe (8'), worauf
iibrigens schon die Bestimmung der Tabelle, verglichen mit der friiheren,
einigermafien hinweist. Das namliche Prinzip findet sich auch in den
iibrigen Mafien bei der untern Extremitat besonders hinsichtlich der
Knie- und Wadendicke durchgefuhrt, obgleich Tab. bis auf die Angabe
des reiativ schwachen Fufiknochel-Minimums nichts naheres enthalt.
Ebenso sind daselbst nur hinsichtlich der mittleren Oberarm- und Hand-
dicke bekannte Beziehungen gegeben, nach denen das Fehlende zu pro-
portionieren ware.
2. Breiten.
Fur das Maximum der Kopfbreite, der Dicke proportional, fehlt
nach Tab. eine korrespondierende Bestimmung. Die der Halsbreite, als
der entspr. Dicke gleich, ist, wie letztere, am Adamsknochen gemessen, der
einzige Fall, wo unter den mannlichen Typen des zweiten Buchs, noch
dazu mit angegebener Modifikation, die stereotype Bestimmung des ersten
wiederkehrt. Nach demselben Prinzip wie die Dicken finden sich auch
die Rumpfbreiten gegen die von Typus 3 vermindert, wonach die dort
angebenen Konsequenzen auch hier nahezu Anwendung finden. Die
Schulterbreite erreicht hier nicht einmal mehr das unter den Antiken und
ebenso nach Schadow vorherrschende weibliche Mafi, sondern entspricht
bereits dem der Jungfrau. Sie stellt sich nach Tabelle interpolatorisch
mittels Brustwarzenabstand und Rippenbreite dar, welche letztere sich
unmittelbar im Langenmafi finden, und somit als Hauptmafie figurieren,
wonach sich auch die Gesafi- und Weichenbreite interpolieren. Auflfallend
kurz ist iibrigens der der Brusthohe gleiche Brustwarzenabstand. Die
Rippenbreite tibertrifft die des Gesafies nur um wenige partes. Die Pro-
portionierung der iibrigen Mafie zu jenen des Rumpfes lafit sich hin-
sichdich der untern Extremitat leichter als bei den entsprechenden Dicken
aus den Bestimmungen der Tabelle iibersehen, wonach dann umgekehrt
von jenen auf letztere geschlossen werden kann. Ahnliches gilt fur die
obere Extremitat, indem aufier dem Maximum auch die mittlere Ober-
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210 Constantin Wintcrberg:
arm — sowie die hier zum erstenmale der des Fufies gleiche Hand-
breite auf die bekannten normalen Verhaltnisse hinweisen.
Typus 4 ist auf Grund des vorstehenden als Beweis zu betrachten,
dafi zwei Typcn dasselbe anatomische Teilverhaltnis (im Punkte ;//') haben
konnen, ohne deshalb auch in den ubrigen Verhiiltnissen iibereinstimmen
zu mtissen.
III. Typus 7.
a) Langen.
Der vorliegende Typus ist augenscheinlich eine Charakterfigur jener
Klasse von langhalsigen, hoch und zugleich kraftig gebauten Gestalten,
wie sie u. a. in Schadows Polyklet sich im mannlichen Typus von 71"
dargestellt findet, der ebenda als Maximum der Kbrpergrofle bezeichnet
wird und von den Antiken etwa im Borghesischen Fechter ein Gegensttick
hat. Gegen den Schadowschen Typus als Naturmodell sind die Ver-
haltnisse der Vertikalteilung der Korperaxe in einzelnen Teilen (Lage des
Nabels, obern Penesrandes, Lange der Brustteile) zwar etwas abweichend, in
der Hauptsache jedoch (Kopflange, Halsgrubenhbhe (ae), Rumpflange und
Lange der untern Extremitat insbesondere derllnterschenkellange qz) zeigen
sie nahezuUbereinstimmung. Mit dem vorigen Tyj>us hat der in Rede stehende
die Kopflange sowie den hohen schlanken Wuchs gemein. Das anatomische
Teilverhaltnis im Punkte m' ist von dem des andern kaum verschieden. Die
Ubereinstimmung des Abstandes qz wurde fruher schon hervorgehoben.
Das EigentUmliche von Typus 7 liegt wie gegen Schadows Maximum
audi gegen Typus 4 in der Verschiebung des Nabels k und des mit
ihm hier nicht koinzidierenden obern Beckenrandes k. Beide Punkte
sind namlich so tief herabgerlickt, dafi die des ersteren der von Typus 1
entspricht, der obere Beckenrand sogar um einige partes tiefer zu liegen
kommt als dort, welches durch die Relation der Tabelle:
kz=2kc")
charakterisiert wird. Indem andrerseits der Punkt i wie aus der zu seiner
Bestimmung dienenden Relation schon zu beurteilen, gegen den vorherigen
Fall seine Lage kaum andert, wird natiirlich der Abstand von da bis
zum Nabel und um so mehr bis zum obern Beckenrande ein Maximum.
rProtzdem hiernach die Beckenhohe selber nur eine minimale sein kann,
fallt das Rumpfende 0 doch tiefer als gewohnlich: namlich nach Tabelle
um die Lange &*f unterhalb der Brustwarzenlinie, was insofern einen
relativ grofien Abstand reprasentiert, als wie ebenda ersichtlich, auch
die bezeichnete Linie tiefer als gewohnlich, namlich auf die Mitte
32) Dafi hier £, der Nabel, und nicht I; der obere Beckenrand, bevorzugt wird,
hat seinen natUrlichen Grund in der ihm zukoramenden groflern konstruktiven Bc-
dcutung. Filr letztern Punkt gibt Ubrigens Tab. ebenfalls eine relativ einfache, wenn
auch weniger charakteristischc Bestimmung.
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Uber die Proportionsgesetze dcs menschlichcn Kftrpers etc. 211
derStrecke: oberer Augenhohlenrand — Korpermitte zu liegen kommt.
Daraus folgt sodann naturgemafl um die Rumpflange wie die der Brust-
partie nicht uberlang zu erhalten, aus der Bestimmung der Tabelle, wo-
nach der Abstand io der Lange Scheitel — Halsgrube entspricht, die
Herabschiebung der letzeren und die maximale Verliingerung des Halses.
Die iibrigen Relationen der Tabelle erklaren sich auf Grund resp. als
Folge der vorherigen. Relativ hoch ist nur die Lage der Punkte n, nach
Tab. die Lange b'q halbierend, so dafi der Abstand no hier ein Maxi-
mum erreicht (29 p). Im ganzen riickt somit gegen Typus 4 unter ent-
sprechenden Modifikationen der Rumpf um eine Strecke tiefer, indem er
sich zugleich um weniges verlangert.
Es findet sich auch hier die Lange der ausgebreiteten Arme a> o>,
wie die Bestimmung der Tab. als das Doppelte von nz leicht libersehen
lafit, grofter als die Korperlange, obwohl die Arme sclber gegen den
vorherigen Typus relativ klirzer erscheinen, wie sich, da der Kreisbedingung
geniigt werden mufl, durch Verklirzung des Radius kz bei gleichzeitiger
Erweiterung des Abstandes der Oberarmknorren-Centra von selber erklart.
Durch das Koinzidieren der Halsgrube mit der Linie der letzteren, wird
ubrigens die Konstruktion gegen den vorigen Fall vereinfacht. Die im
ganzen ziemlich naheliegenden Bestimmungen der Tabelle hinsichtlich der
Armteile sind selbstredend so mit Rticksicht auf die Konstruktion ge-
wahlt. 35) Beztiglich der Fufilange erklart es sich im Anschlufi an die im
allgemeinen starkeren Querdimensionen, wenn nicht nur sie, sondern
auch die Basis u> co gegen den vorherigen Fall entsprechend sich ver-
groflert; obgleich auch so die halbe Korperlange nicht erreicht wird.
Die aufFallende Kiirze, welche Schadows Maximum zeigt, diirfte hiernach
wohl als Ausnahme von der Regel zu bezeichnen sein (man vergleiche
auch den Borghesischen Fechter).
b) Querdimensionen.
1. Dicken.
Gegen die vorherigen Typen 3 und 4 sind schon die Kopfmafie ver-
s&rkt: das Maximum als Mittel von Kopf- und Gesichtslange am wenigsten,
*odurch Gesichts- und Halspartie etwas starker erscheinen. Die Hals-
•licke ist nattirlich nur in Fallen wie der vorliegende durch die ent-
sprechende Lange bestimmbar. — Von den Rumpfmafien bleibt trotz
3irer relativen Verstarkung wie vorher die Brusttiefe weit hinter der
**) Dabei ist zu bemerken, daB, nachdem nach Angabe der Tab. die Lange
s» auf der durch e gelegten Horizontale aufgetragen, und ebenso die Punkte o( ot
(Tgl. Fig. 1) auf der durch den Scheitel a gehenden bestimmt sind, die Punkte o
riafach als Durchschnitte der auf der Mitte der Linie otw (in Fig. nicht angegcben)
?mciitcten Senkrechten mit der erstgenannten Horizontalen resultieren.
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212 Constantin Winterberg:
Casentiefe (Fufilange) zuriick. Die ausnahinsweise Bestimmung des Mini-
mums der Bauchtiefe durch die Beckenhohe ko, die bei normalen
mittleren Verhaltnissen die Gesafitiefe zu erreichen pflegt, erklart sich
durch deren minimales Hohenmafi. Brust- und Gesafitiefe unter-
scheiden sich hier librigens viel starker als in fruheren Fallen, indem
trotz der Verstarkung jener die letztere gegen die des vorigen Typus bis
auf i p unverandert bleibt. Die Ubereinstiumiung der beziiglichen Be-
stimmung mit denen von Typus 2 und 6 ist bemerkenswert. Die ubrigen
Mafie proportionieren sich wie gewohnlich, wie die untere Extremitat aus
den Bestimmungen der Wadendicke und auch der Dicke iiber dem Fufi-
knochel ubersehen lafit, wahrend hinsichtlich der obern wegen der meist
interpolatorisch angegebenen Dicken — mit Ausnahme der Handdicke —
nur indirekt aus denen der Breiten auf demgemafi proportionierte Ver-
haltnisse der Dicken geschlossen werden kann.
2. Breiten.
Die Kopfmafie, nach Tab. nur interpolatorisch bestimmbar, lassen
die Zunahme gegen den vorherigen Typus um so starker hervortreten,
als die Halsbreite sich relativ vermindert: ein Verhaltnis, das sich von da
auch auf die Maxima und Minima der Rumpfteile Ubertragt. Von
diesen erhalt die Schulterbreite hier — vom Typus 1 abgesehen —
ihren grofiten Wert: Die Bestimmung derselben zu zwei Kopflangen erklart
sich wohl dadurch, dafi unter normalen Verhaltnissen, wie bereits fruher
erwahnt, Kopflange und Abstand: Kinn — Brustwarzenhohe in der Regel
gleich grofi zu sein pflegen, indem die Schulterbreite in der Regel durch
das Doppelte des letzteren Abstandes sich ausdruckt (vgl. Schadow a. a. O.).
Den Brustwarzenabstand vermindert Diirer wie im vorigen Falle bis auf
die Brustlange. Gegen die der Schultern erscheinen ubrigens auch hier die
Rumpfbreiten wieder sehr stark; nur die der Weichen entspricht durch
ihre, wie bereits angedeutet, relativ grofiere Verminderung dem auch sonst
bei normalen Bildungen vorherrschenden Verhaltnis zur Schulterbreite.
Nach Tab. ist allerdings nur die Rippenbreite der Ruckseite durch
Langenmafi als Halfte von ak einfach darstellbar: die der Vorderseite
findet sich mittels der ebenfalls interpolatorisch gegebenen Weichenbreite.
Als Hauptmafi gekennzeichnet ist wie gelegentlich auch schon im ersten
Buche, die dem Abstand to gleiche Gesafibreite. Durch diese Bestim-
mungen erlangt die Umrifikurve als Ausdruck grofierer Kraft und Elasti-
zitat wie im Profil hier kraftigere Aus- und Einbiegungen als in den
frliheren Fallen. Die Ubrigen Verhaltnisse, demgemafi proportioniert,
lassen dies nach Tab. beztiglich der untern Extremitat allerdings nur aus
der Bestimmung der mittlern Breite des Oberschenkels ersehen. Die
Verhaltnisse der obern Extremitat reihen sich im ganzen den bekannte;i\
Bestimmungen an.
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Uber die Proportionsgesetze des menschlichen Ktfrpers etc. 213
Vierte Gruppe.
Die beiden Typen 5 unci 8 dieser Gruppe reprasentieren jeder in
seiner Art, wie bereits vorausbemerkt, den hochsten Grad der Schlank-
heit, obschon gegen Typus 5 des ersten Buches weit weniger ins Extrem
gegangen wird. Dies nndet sich schon in der beiden gemeinsamen Kopf-
lange von 70 p angedeutet, die demnach noch das Mall von^-Korperlange der
3. Gruppe 1. Buchs ubertrifft. Der genauere Vergleich lafit Ubrigens die
Entstehung des ersteren von beiden als aus Typus 4 des ersten Buches,
durch geringe Abanderungen hervorgegangen, leicht ubersehen. Gegen
Typus 8 unterscheidet sich derselbe dadurch, dafi bei ihm die Vertikal-
verhaltnisse den aufiersten Grenzen elancierten Wuchses entsprechen, die
Quennafie dagegen noch nicht als Minima erscheinen, Bei Typus 8 da-
gegen verhalt es sich im ganzen umgekehrt.
I. Typus 5.
a) Langen.
Das anatomische Teilverhaltnis von Ober- und Unterkorper in m1
ist appr. dasselbe wie bei Typus 4 des 1. Buches. Rechnet man fur den
vorliegenden Fall die Rumpflange anstatt zum Punkte o bis zu dem um
6 p. darunter liegenden, daher fur diesen Typus mehr charakteristischen
Ende des Hodensacks, so wtirde sich gegen letztgenannten Typus die
Rumpflange nur um 1 p. vermindern, wiihrend gleichzeitig der Rumpf um
ra- 3 — 4 partes defer ruckte. Um ebensoviel verlangert sich zugleich
der Kopf, trotzdem derselbe nach Tab. gegen die obigen sehr deutlich
als Minimum gekennzeichnet ist, indem seine Lange, anstatt wie sonst
df% bier nur den Abstand dbf erreicht. Die angegebenen geringen Ande-
rongen geniigen, die Proportionsgesetze einfacher und scharfer prazisier-
bar zn gestalten als bei T. 4 im 1. Buche. Zunachst stimmen beide in
der I -age von i tiberein, da nach der Relation der Tabelle
2ai—iz
aach hier genau auf dem obern Drittel der Korperaxe liegt. Die relativ
hohe Lage des Nabels bekundct sich darin, dafi das Teilverhaltnis der
Koqjeraxe hier im Gegensatz zu den frliheren Fallen einen kleineren Wert
als der goldene Schnitt ergibt. Entsprechendes lafit die Bestimmung des
obern Beckenrandes, als auf der Mitte von fC. gelegen, ersehen. Beide
Punkte bleiben demgemafi, wie /', in ihrer Lage gegen Typus 4 des
1 . Buches ungeandert. Das Heraufriicken von o zeigt im Anschlufi daran
die fernere Bestimmung der Tab., wonach wie in sonstigen normalen
Fallen die Beckenhohe der Kopflange entspricht. Durch dies Herauf-
schieben von o wird der Abstand ao zum Minimum, indem nur hier die
Kdrpermitte unterhalb von o fallt, was in der Natur wohl sonst kaum
vorkommt. Darauf deutet ubrigens auch die Bestimmung der Tabelle,
wonach ao sich nicht grofier als der Vertikalabstand k'z darstellt. Da
Hepertoriam fflr Kunstwi5senschaft; XXVI. 15
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214 Constantin VVinterberg:
andrerseits das obere Rumpfende e, damit der Hals nicht allzu kurz aus-
fallt, weniger als o heraufrilcken darf, so erklart sich dadurch wiederum
die minimale Rumpflange eo. 34) Indem andrerseits, der Lage von ;;/'
entsprechend, auch n sich gegen Typus 4 des 1. Buches kaum verandert,
erklart sich wieder der flir den Geschlechtsteil tibrig bleibende minimale
Raum ?w, weshalb, urn dieses auszugleichen, der Hodensack um das vorher
abgegebene Mali unter das Rumpfende sich verlangert findet.
Der Charakter des Extremen lafit sich weiter in den Verhaltnissen
der untern und obern Extremitat verfolgen. Zuniichst ist die Lange des
Unterschenkels: Abstand qzy ein Maximam, indem nur hier dieselbe das
2^fache der Kopflange35) erreicht, was tiberhaupt nur moglich, solange
die letztere ein Minimum ist. Nahezu als Maximum charakterisiert sich
ferner auch die Armlange ao' \ da die Kreisbedingung hier nicht statt-
findet, konnte sie gegen Typus 4 des 1. Buches etwas abgekiirzt werden.
Ebendies gilt hinsichtlich der Lange tou>. Beztiglich der entsprechenden
Lange a> a> lafit Tab. eine starkere Verktirzung dieser Basis erkennen,
indem sie hier nur die Halfte von dz, also ein gegen die halbe Korper-
lange relativ stark verkiirztes Mali erreicht.
b) Quermafie.
1. Dicken.
Die Verhaltnisse entsprechen denen des Typus 4 1. Buches fast
genau: der Querschnitt des Gesichts bildet wie dort ein voiles Quadrat.
Ebendies gilt auch beztiglich des Halses. In den Rumpfmafien herrscht
zunachst nur insofern ein Unterschied, als die Brusttiefe, um mit der
Natur in Ubereinstimmung zu bleiben, gegen die des Gesafies, welcher
sie im 1. Buche nur gleich kam, etwas verstarkt werden mufite. Als
Hauptmafi stellt sie sich jedoch in Tab. nicht dar, sondern vielmehr die
beiden andern: Bauch- und Gesafitiefe, letztere insbesondere als Halfte
von viq gekennzeichnet, jene als Modifikation des vorherigen Typus
durch die Lange gk staatt ko ausgedruckt. Die ubrigen Mafie zeigen
gegen Typus 4 1. Buches nur minimale Veranderungen. Die Proportio-
nierung der untern Extremitatsteile zu denen des Rumpfes, als gegen die
vorherigen relativ vermindert, werden in Tab. insbesondere durch die
Bestimmung der Kniedicke angedeutet, Analoges ist ebenda in den Dicken
der obern Extremitat zu ersehen, aufier durch die mehrfach wiederholte
Bestimmung des Oberarm-Maximums durch den Abstand a'b', d. h. den
Vertikalabstand der hochsten Armpunkte bis zum Armspalt auch durch
die normale Verhaltnisse charakterisierende Bestimmung der Handdicko
als vierten Teil von deren Lange.
34) Halsgrube und Linic der Oberarmknorrcn-Centra koinzidieren im vorl. Falle.
^ In Tabellc iindet sich dafllr die glcichwertige Angabe ay=$f 'A'.
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Uber die Proportionsgesetze des menschlichen Ktirpers etc. 215
2. Breiten.
Die Bestimmung der Kopfbreite durch die Gesichtstiefe resp. die
ihr gleicbe Gesichtshohe b*d lafit nach Tab. gegen Typus 4 des 1. Buches
eine geringe Verminderung derselben erkennen, demgemafi auch die
Gesichtsbreite, der Hals am wenigsten. Dem entgegengesetzt finden sich
die Rumpfmafle im ganzen etwas vergroflert, wodurch dann umsomehr
der Eindruck grofierer Kraft auch in der Vorderansicht entsteht. Am
meisten ist verhaltnismafiig die Schulterbreite gewachsen, sodann die
Rippenbreite, wahrend die ubrigen nur relativ geringe Zunahmen erkennen
lassen. Gleichwohl bleibt auch hier die Schulterbreite noch so schmal,
dafi die an sich ftir derartige Verhaltnisse keineswegs ubermaflig grofie
Rippenbreite dagegen wie bisher sehr stark erscheint. Gesafi- und Rippen-
breite sind tiberdies starker als sonst unterschieden, so dafi darin die
I'berschreitung der normalen Verhaltnisse gegen die Schulterbreite noch
mehr hervortritt. Die letztere bestimmt sich nach Tabelle auf dieselbe
An wie Typus 3, namlich als vierfaches des Abstandes eb\ woraus dem-
nach dieselben Konsequenzen wie dort zu ziehen waxen. Die Rippen-
breite findet sich nach Tabelle am einfachsten durch Interpolation.
Die scheinbar abnorme Kiirze des Brustwarzenabstandes erkliirt sich da-
durch, dafi wie bereits bemerkt, hier nicht df, sondern db' der Kopf-
lange entspricht. Die der Fufilange gleiche Weichenbreite klingt schon an
das Frauenhafte an. Der Gesafibreite entspricht, im Anschlufi daran die
Oberarmlange, wozu als drittes Analogon der Abstand der Oberschenkel-
tnorren-Centra als dem Unterarme gleich hinzutritt. Am meisten plau-
sibel ist offenbar die zuletzt genannte, sofern sie durch Anlegen des
l/nterarms den mittelbaren Vergleich gestattet. Von den Ubrigen, den
Rumpfverhaltnissen sich anschliefienden Breiten deuten in der untern
Extremitat dies Verhaltnis insbesondere die wie sonst der Kniedicke ent-
sprechende Wadenbreite, in der obern die bereits diskutierte Bestimmung
des Maximums der Oberarmbreite, indirekt auch die des Unterarm-
maximums an, sofern das letztere unter sonst normalen Verhaltnissen von
der Handbreite kaum abzuweichen pflegt.
II. Typus 8.
a) La n gen.
Vor allem die Lage des Endpunktes o und die sie kennzeichnende
Relation der Tabelle:
b*o = os
1st hier von Bedeutung, und charakterisiert den vorliegenden gegen
den vorherigen Typus, wie bereits bemerkt, als einen dem Extrem
sich zwar nahernden, doch dasselbe nicht vollig erreichenden. Mit 0
riickt zugleich e, das obere Rumpfende soweit herab, dafi nach Tab. die
Rumpfliinge selber £ Korperliinge, also nicht viel mehr als im vorigen Falle
15*
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216 Constantin Winterberg:
betragt.86) Mit dem Rumpf selber rlickt zugleich der Teilpunkt i soweit
herunter, dafi nachTabelle dessen Lange darin gerade halbiert wird. Die Ver-
schiebung von Nabel und oberm Beckenrand, welche beide wie vorher
nicht koinzidieren, ist als durch' jene bereits bedingt, hier weniger bedeut-
sam: ihre Bestimmungen tragen nach Tab. mehr zufalligen Charakter.
Auch der anatomische Teilpunkt von Ober- und Unterkorper rlickt, ob-
wohl nur wenig, nach abwarts, indem er nach Tabelle den Abstand eq
halbiert: die Lage der Kniemitte selber erscheint dabei, wie die beztig-
liche Relation der Tabelle andeutet, nur unwesentlich verandert. Eigent-
lich sollte man ineinen, dafi auch die Brustpunkte: Linie der Brustwarzen
(Punkt/) und unterer Kontur (Punkt g), gegen den Scheitel eine tiefere
Lage haben wtirden. Dtirer nimmt dies aber nicht an, sondern lafit beide
auf nahezu gleichem Scheitelabstande, verlangert jedoch, den so ent-
standenen ubermafiigen Zwischenraum gi auszufiillen, das Brustbein unter-
halb von g bis zum Punkte g' um nicht weniger als 15 p., wodurch er
zwar seinen Zweck vollkommen erreicht, aber die natlirlichen Skelett-
verhaltnisse doch wohl etwas zu sehr fur seine Zwecke transformiert.
Durch das Herunterrucken von 0, wahrend n seine Lage nur um ein
Minimum andert, wird der naturgemafie Raum fiir den Geschlechtsteil,
ohne das im vorigen Falle angewandte kUnstliche Mittel, die Hodensack-
verlangerung, wieder gewonnen;17) die Relation der Tabelle, wonach 6'
auf der Mitte von an sich befindet, sagt daher gegen Typus 5 nichts
wesentlich neues, sofern sich b' sowohl wie n gegen jenen kaum andern.
Von der obern Extremitat ist nicht nur die Lange oxo der aus-
gestreckten Arme, sondern auch die Armlange rxo' selber ein Minimum ;
jene reprasentiert zugleich den einzigen Fall, wo das genannte Mafi kiirzer
als die Korperlange ist. Der Oberarm lafit allerdings nach den beziig-
lichen Bestimmungen kein Minimum, eher einen mittelgrofien Wert er-
kennen. Demzufolge mufi daher der Unterarm auf Grund der ferneren
Bestimmung, wonach in vertikaler Haltung die Linie der Handwurzeln mit
der Korpermitte koinzidieren soil, notwendig ein solches reprasentieren,
ebenso die Hand, worauf schon die, dem Abstand di gleichzusetzende
Lange Unterarm plus Hand 38) schliefien lafit. Minima sind aufier Kopf-
und Armteilen auch der dem Unterarm gleiche Fufi, sowie die ganze
nach Tabelle der Armlange gleichzusetzende Basis oj oj. 89)
36) Die Halsgrube koinzidiert, wie vorher, mit der Linie der Oberarmknorren-
Centra.
37) Direkt lafit dies die in Tab. nicht benutzte Beziehung Ubersehen, wonacH
m' und C symmetrisch zu n liegen.
38) Diese Bestimmung hat etwas Plausibles dadurch, dafi sie sich bei ent-
sprechender Armhaltung leicht kontrollieren lafit.
3il) Der Abstand p'p' ist zugleich der Lange in gleich.
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Cber die Proportionsgesetzc des menschlichen Korpcrs etc. 217
b) Quermafie.
1. Dicken.
Der auf Kosten der Gesichtslange relativ stark erhohte Schadel
erklart vielleicht, dafl die Kopfdicke als einziger Fall dieser Art gegen
Typus 5, wenn auch blofi um 1 p. verstiirkt ist, wodurch der Hinterkopf
voller erscheint. Die Gesichtstiefe nach Tab. jedoch hier excl. Nasen-
vorsprung, findet sich wie im vorigen Falle, wahrend die Halsdicke, ob-
gleich derselbe wie vorher, naturgeinafi einc andere Bestimmung als dort
entspricht. Die Rumpfmafle charakterisieren sich dagegen bis auf die
relativ starke "Beckentiefe, die sogar das Maximum der Brust, wie bei
schwachlichen Bildungen, wenn auch nur auflerst wenig tiberschreitet, im
ganzen als Minima. Demgemafi wird umsomehr, wie in den fritheren
Fallen, die Brusttiefe von der der Case (Fufilange) ubertroffen.
Sie stellt sich ubrigens unter den in Tab. gegebencn Rumpfmafien
dieses Typus als dritter Teil der Nabelhohe ok allein als Hauptmaft dar.
Die Dicke in o ist wohl mehr zufallig der Handlange gleich, daher die
interpolatorische Bestimmung naherliegend. Auch die ubrigen Mafie sind
im Anschlufi an die Rumpfdicken relative Minima: obwohl Tabelle bezug-
lich der untern Extremitat dafiir keinc dies andeutende Ausdriicke auf-
weist, da die meisten bis auf das Minimum liber dem Fufiknochel sich
interpolatorisch bestimmen. Auch bei den Armdicken geben die von
den frtiheren etwas abweichenden Bestimmungen hier weniger festen
Anhalt, sodafi man im allgemeinen darauf angewiesen bleibt, von den
Breiten auf jene zu schliefien.
2. Breiten.
Die Kopfbreite bestimmt sich wie vorher. Sie kommt, der Dicke
analog, dem Typus 5 noch gleich, wahrend Gesicht und Hals schon
schmaler erscheinen. Die einfache Bestimmung des letzteren durch die
Lange b*d (vgl. Tab.) erklart sich offenbar durch die minimale Gesichts-
hohe. Den Dicken analog stellen sich auch die Rumpfbreiten im ganzen
als Minima dar: nur der Brustwarzenabstand macht eine Ausnahme, wie
auch die Bestimmung der Tabelle verdeutlicht, demzufolge er der Lange
des ganzen Brustbeins eg\ anstatt wie in fritheren Fallen der Brustliinge eg
entspricht. Dafi die Schulterbreite sich als Minimum findet, zeigt unmittel-
bar der Vergleich der in Tab. gegebenen Bestimmung mit der des vorher-
gehenden Falles. Dieselbe ist namlich wie dort als vierfaches des Ab-
standes ef dargestellt und gestattet somit die gleichen Schliisse, sodafi
aJso auch die Oberarmbreite als Minimum sich charakterisieren witrde.
Bezliglich des Verhaltnisses der ubrigen Rumpfmafie zur Schulterbreite
gelten selbst ftir diesen extremen Fall der Schulterbreite die frtiheren
Bemerkungen. Von den Angaben der Tabelle ist die der Gesafibreite
durch die Lange io als Hauptmafi gekennzeichnet, da die Rippenbreite
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218 Constantin Winterberg: Cber die Proportionsgcsetze etc.
sich interpolatorisch bestimmt; die der Weichenbreite in i durch/# begreift
sich leichter, wenn man beachtet, dafi diese Lange zugleich der von i
bis zur Hohe der Brustwolbung entspricht, da wo das Maximum der
Schulterbreite stattfindet. Auch in den Bestimmungen der iibrigen Breiten
findet sich ihre minimale Grofie mehr oder weniger angedeutet. Ins-
besondere lafit dies bei der unteren Extremitat die der Kniebreite iiber-
sehen, wahrend die der Waden sich wie sonst nach der jener korresj).
Dicke j)roportioniert. Beziiglich der obern war vom Maximum l)ereits die
Rede: auch die mittlere Oberarmbreite proportioniert sich demgemafi,
wie unter sonstigen Verhiiltnissen, worauf auch ferner die Ubereinstimmung
von Hand- und Unterarmbreite schliefien lafit.
Das Resultat des Vergleichs der mannlichen Typen beider Bucher
Iehrt, dafi nur drci, namlich Typen i, 3 und 4, in wenig modifizierter
Form als Typen 1, 3 und 5 vom 1. in das 2. Buch tibergegangen sind,
dagegen an Stelle von Typus 2 dcs 1 . Buc hes zwei davon wesentlich ver-
schiedene Typen niederen oder hochstens mittleren Wuchses und relativ
volleren Formen substituiert oder besser gcsagt, zwischen Typen 1 und 2
des 1. Buches eingeschoben worden sind, dagegen der letztere vielleicht
als gar zu schematisch wegblieb. Desgleichen findet sich 'JVpus 4 des
ersten Buches durch zwei andere ersetzt, welche im zweiten schon als Extrem
auftreten, wovon der eine Typus 5 aus jenem unmittelbar als Modifikation
resultiert, wie nachgewiescn, der andere, Typus 8 als Extrem der Schmal-
heit charakterisiert wird. Dagegen ist Typus 5 des ersten Buches, wie es
scheint, von Dtirer selber als darin zu weitgehend, im zweiten beseitigt, auch
nichts ihm Analoges daflir substituiert worden.
tibrigens spricht Diirer hinsichtlich der Bestimmungen des zweiten
Buches, wie bemerkt, nur von einer »andern« Meinung, ohne dieselbe
als die bessere zu erklaren.
(Fortsctzung folgt.)
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Die Allegorie des Lebens und des Todes in der
Gemaldegalerie des Germanischen Museums.
Von Ludwig Lorenz.
Im Vergleich zur italienischen Malerei bietet uns die nordische
im 15. Jahrhundert nur sehr wenig Beispiele allegorischer Darstellungen.
Eine der merkwiirdigsten Schopfungen dieser Art und zugleich ein Kunst-
werk von hoher Vollendung befindet sich in der Gemaldegalerie des
Germanischen Museums in Nurnberg. (Nr. 135.)
Es ist eine Allegorie des Lebens und des Todes in Form eines
zweiteiligen Tafelbildes. Rechts sehen wir eine lachende Sommerland-
schaft Durch ein fruchtbares Tal, das mit griinen Wiesen und anmutigen
Baumgruppen, mit Luft- und Wasservogeln reich belebt erscheint, schlangelt
sich ein schmaler Flufilauf dem Hintergrunde zu und mtindet hier in
einen See, dessen baumreiche Inseln und Halbinseln den Blick nach
dem Gebirge am Horizonte (iberleiten. Im Mittelgrunde erhebt sich zur
Linken auf steilem Felsen eine trotzige Burg, unter ihr breitet sich im
Tale eine von Mauern umgebene ttirmereiche Stadt aus. Vorn sitzt auf
blumenprangendem Boden ein junges Liebespaar in reicher, hofischer
Tracht, zu dessen Fuflen zwei nackte Kinder miteinander spielen. Die
herrliche Landschaft weckt im Beschauer eine starke Lebensfreude, erfiillt
ganz mit dieser Empfindung die Seelen der beiden Liebenden, die
sorglos, wie die spielenden Kinder vor ihnen, versunken im Gliick
des Momentes, Vergangenheit und Zukunft vergessen, nicht ahnend, wie
nahe den Menschen Tod und Verderben zu jeder Stunde sind.
Auf dem linken Bilde sehen wir eine Darstellung tiefsten Verfalles:
Auch hier ein Felsen, von einer Burg bekront, aber sie ist fast ganz
zerstort, der machtige Bergfried ist halb eingestlirzt, der Hauptbau ohne
Dach, und, wie es scheint, ausgeraubt. Das Tal ist durch einen iiber-
strengen Winter in eine Eislandschaft verwandelt worden. Die Hauser
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220 Ludwig Lorenz:
sind zum Teil zerstort, das Tier- und Pflanzenleben scheint erstorben.
Vorn liegt, grauenvoll zu sehen, ein ganz abgezehrter Leichnam. Der
von Eis umgebene zerknickte Baum nahe dem Rande des Bildes verkorpert
noch einmal den Gedanken des Malers: allem Geschaffenen ist ein
Ziel gesetzt: Vergehn und Sterben.
Das Gemalde ist sicher das Werk eines bedeutenden Meisters.
Das zeigen aufs klarste seine Vorziige: die auflerordentliche Kunst in
der Vertiefung des Raumes, die liebevolle Wahrheit in der Wiedergabe
der durchaus nicht stilisierten Pflanzen, die feinsinnige Darstellung des
nackten Korpers, das Verstandnis fiir organische Bewegung (in den
Handen des Liebespaares) und der hohe Schonheitssinn in den Typen.
Und welche reiche Phantasie entwickelt der Maler in der Kontrastierung
der beiden Landschaften wie auch der menschlichen Gestalten! Die
Farbengebung hat etwas rniniaturhaft Feines, Zartes, in der hellen Stimmung
an Wasserfarben erinnernd. Der Rasenboden zeigt ein stumpfes Moos-
grlin, das Gewand der Dame ist von grlinem Brokatstoflf, der Hintergrund
der Landschaft ist in lichtem Blau gegeben.
Im Katalog tragt das Bild die Bezeichnung: Oberdeutsch um 1480.
In einer Anmerkung liest man, dafl Waagen das Gemalde dem Gerrit
von der Meire zugeschrieben habe. Und in der Tat, wenn auch diese
Benennung eine sehr vage ist, da es beglaubigte Bilder von Gerrit nicht
gibt und die ihm zugeschriebenen, wie das Triptychon im Museum zu
Antwerpen, keine sicheren Vergleichspunkte darbieten, so ist doch die
Moglichkeit eines niederlandischen Ursprungs nicht zu leugnen. Der
Typus der Dame erinnert sehr an flandrische Gemalde, ebenso auch die
burgundische, bei Memling so haufige Flligelhaube. Eine ahnliche Flufi-
landschaft mit steilen Felskegeln und weitem Fernblick findet sich
beim Meister von FltSmalle. Deutsch dagegen mutet der Geist des
Bildes an, deutsch ist vor allem auch das Kolorit weit eher als nieder-
landisch; denn mit der Farbengebung irgend eines van Eyckschiilers hat
es nichts zu tun. Nun gibt es wirklich einen deutsch en Kunstler, zu
dessen Werken das Bild in sehr engen Beziehungen steht: der Meister
des Hausbuches, der im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts am
Mittelrhein heimisch, seine seltenen Stiche schuf.
Vergleichen wir den Jiingling unseres Bildes mit dem auf Blatt 75
der Lehrsschen Ausgabe der Stiche dieses Meisters, so finden wir einen
sehr verwandten Gesichtstypus, das starke Kinn, die breite Wangenlinie,
die energisch gebildete gerade Nase. Vor allem aber ist die ganze
vornehme Art in der Haltung, dem Sitzen des Jtinglings eine ahnliche.
Genaue Ubereinstimmung in der Tracht begegnet uns hier zwar nicht,
wohl aber auf der von Lehrs und Lippmann mit Recht dem Meister
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Die Allcgorie des Lebens und des Todes in dcr Gemaldegalerie etc. 221
zugeschriebenen Zeichnung im Berliner Kupferstichkabinett, ein Liebes-
paar darstellend (Jahrbuch der konigl. preufi. Kunstsammlungen Bd. XX,
1S99. S. 176). Man beach te das Barett mit der Feder, das Warns mit
dem dreieckigen Ausschnitt und Kleinigkeiten wie Dolch und Beutel.
Ganz iiberraschend wirkt dann die Gleicbheit in der Behandlung des
nackten Korpers, wenn man den Stich L. 58 herbeizieht. Der Leicbnam
des Bildes ist in der Zeichnung des Brustkorbes,, deren anatomische
Wahrheit in jener Zeit unvergleichlich ist, vom »Tode« auf dem Stiche
kaum zu unterscheiden. Audi in Armen und Beinen, namentlich der
Bildung der Gelenke, zeigen sich frappante Ahnlichkeiten. Der Kopf des
Todes allerdings weist Verschiedenheiten von dem des Leichnams auf.
Die spielenden nackten Kinder, ein seltener Vorwurf in der nordischen
Kunst jener Zeit, lassen sich in ihren sehr natiirlichen, naiv-drolligen
Bewegungen mit jenen auf den Stichen L. 59 — 61 vergleichen. Nur sind
sie auf dem Bilde stilisiert. Auch im Hausbuche kommen Kinder vor,
die lebhaft an jene auf dem Gemalde erinnern. (Siehe Blatt 16 a.) Fur
den Teich mit Schwan und Fachwerkhaus haben wir ein Analogon auf
Blatt 20a des Hausbuches. Die Beziehungen erstrecken sich ferner auf
die liebevolle Darstellung der Pflanzen, durch welche sich ja der Stecher
besonders auszeichnet. Man vergleiche die Maiblumen auf dem Stiche
L 58 mit denen fainter beiden Kindern auf dem Bilde. Wenn endlich
in der Vertiefung des Raumes der leider immer noch anonyme Stecher
Bedeutendes leistet, so scheint ihn der Schopfer des Gemaldes darin
freilich noch zu ubertreffen. Der See des Hintergrundes mit seinen
baumreichen Inseln und Halbinseln kehrt wieder auf dem Stiche L. 74.
Es bleibt nun noch ubrig, das von Lehrs und anderen mit Recht
ais ein eigenhandiges Gemalde des Meisters bezeichnete Bild, den
Kalvarienberg im Museum zu Freiburg i. B. und die sonst ihm zuer-
kannten Bilder vergleichender Priifung zu unterziehen. Da zeigen sich
freilich nicht unwesentliche Verschiedenheiten im Kolorit und in der
Technik. Ja, die breite, konturierende Malweise scheint zu dem miniatur-
baft Feinen des Ntirnberger Bildes geradezu im Gegensatz zu stehen.
Blofi auf Gnind der Betrachtung der Gemalde wiirde man niemals auf
tlen Gedanken kommen konnen, es handle sich hier um einen und den-
>elben Kunstler. Verglichen mit jenen des Hausbuchmeisters oflfenbart
das Xtimberger Bild eine nahere Beziehung zur flandrischen Kunst. Nun
wurde es sich andererseits aber auch nicht leugnen lassen, dafi weit-
gehende Unterschiede zwischen den Stichen und den Gemalden des
Meisters bestehen, und man konnte es begreiflich finden, dafi er in einem
miniaturhaft feinen Bilde mehr im Stile seiner Stiche und Zeichnungen
gearbeitet habe.
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222 Bcrthold Haendcke:
Immerhin ware es allzti gewagt, das Bild dem Meister selbst zu-
zuschreiben. Dafi starke Beziehungen zwischen dem Maler und dem
Hausbuchmeister festzustellen sind, kann nicht bezweifelt werden; mehr
als dies: wir miissen den Maler als einen von ganz ahnlichem Geiste
erfiillten Kiinsder betrachten. Er teilt mit ihm alle Vorziige seines
Talentes, wie sie oben bei der Charakteristik des Bildes geschildert
worden sind. Ich mochte noch einmal auf das tiefeindringende Studium
des Nackten und die phantasievolle Darstellung der Landschaft hinweisen.
War der Maler ein Sch tiler des Stechers? Dann war er ihm ebenbUrtig,
ja beinahe iiberlegen. Und von diesem bedeutenden Kiinsder anzu-
nehmen, dafi er ein Nachahmer gewesen sei, fallt schwer.1) Oder soil man
eine Abhangigkeit des Hausbuchmeisters von dem Maler des Bildes ver-
muten? Diese Annahme hatte mehr Wahrscheinlichkeit fur sich. Wo
aber war dann die Heimat des Nlirnberger Anonymus, von dem bisher
nur dies eine Werk entdeckt werden konnte, zu suchen? Erfahrenern
Forschern mufi ich es iiberlassen, weitere Vergleiche zu ziehen und die
Frage zu entscheiden, ob in den Werken des Hausbuchmeisters und
dem herrlichen Niirnberger Bilde zwei verschiedene kiinstlerische Person-
lichkeiten von hohem Range und ebenso sehr verknupft durch auflere
Einwirkung, wie durch innere Verwandtschaft sich offenbaren, oder hier
doch ein und derselbe Kiinstler erkannt werden mufi.
J) Auch diirfte das Bild schwcrlich spiiter als die rcifc Scliaffenszcit des mittel-
rheinischen Klinstlers anzusetzen sein.
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Zur Geschichte der Plastik Schlesiens von ca. 1550—1720,
Von Berthold Haendckc.
Da die Geschichte der deutschen Plastik des spaten 16. und des
17. Jahrh under ts noch ein so sehr wenig bearbeitetes Gebiet, der Mangel
an urkundlichen Forschungen ein uberaus grofler ist, so ist es m. E.
berechtigt, auch auf Denkmaler dieser Zeit hinzuweisen, die entweder
zunachst noch als vereinzelt zu betrachten oder deren Verfertiger dem
Namen nach nicht ermittelt sind.
In Schlesien macht sich, wie bekannt, seit dem Beginn des
16. Jahrhunderts voriibergehend ein unmittelbarer und andauernd ein
indirekter kiinstlerischer Einrlufi Italiens geltend. Er wird jedoch, ins-
besondere im Hinblick auf die Bildhauerei, bereits seit ca. 1550^60
durch niederlandische Meister kompensiert bez. erganzt.1)
In monumentaler Weise verschaffen sich italienische Anschauungen
zuerst in den Bischofsgrabern zu Breslau und zu Neisse Geltung. Wir
sehen entweder die liegende Statue des Verstorbenen auf einem Kasten-
sarkophag unter einem Baldachin oder auf seinem Sarge, der an die
architektonisch und bildhauerisch geschmUckte Wand angelehnt ist. Das
aiteste Grabmal, das des Bischofs Turzo2) (i486 — 1520), an den Diirer
1508 ein — verlorenes — Marienbild verkaufte, diirfte nach der grofi-
flachigen Formenbehandlung zu urteilen von einem Italiener gearbeitet
sein, ohne dafi damit dem Werke ein besonders hoher kiinstlerischer
Wert zugesprochen werden soil. Die Meifielftihrung in dem ursprlinglich
weifien, jetzt rotbraun angestrichenen8) Salzburger Marmor ist trotz jener
*) A. Schultz, Die walschen Mauer in Breslau. Zeitschr. d. Ver. f. Gcsch. und
Altertum Schlesiens 9. und derselbe: Schlesisches Kunstleben im 15. — 18. Jahrhundcrt.
a) Dom zu Breslau.
3) Vgl. daiu eine im Museum schlesischer Alterttimer vorhandene Skizze und
Luchs Flirstenbilder V. Schlesiens Kunstdenkmiiler v. Alw. Schultz 24. Vgl. auch hierzu
dai? wahrend der Drucklegung dieses Aufsatzes erschienene grofle Prachtwerk »Bilder-
werk schlesischer Kunstdenkmiiler* mit Text von H. Lutsch. Breslau, 1903. Tfl. 80.
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224
Berthold Haendcke:
grofizugigen Weise derb und die Charakteristik des Verschiedenen ohne
Tiefe. Vorbildlich blieb aber die Lage des Bischofs, der auf der rechten
Seite schlafend daliegt und das Haupt in die Hand des aufgesttitzten
rechten Armes gelegt hat.
Lutsch weist in dem Verzeichnis der Schlesischen Kunstdenkmaler
I 2 1 2 darauf hin, dafl das Denkmal Heinrich Rybischens, des kaiserlichen
Rates, in der Elisabethkirche zu Breslau von desselben Kiinstlers Hand sei
— die Wappen oder das ganze Werk (?) meifielte M. F. 1534, nach Lutsch
»Bilderwerk« S. 162 — . Die Anlage war ursprunglich auch die eines
Baldachingrabes. Jetzt ruht der Verstorbene in Lebensgrofle auf einem
iiber hohem Sockel sich erhebenden, von Pilastern umrahmten und mit sehr
niedriger Kassettendecke abgeschlossenen Aufbau, vor dem eine zweiachsige
Halle mit kraftigem Abschluflgesims und ornamentaler Kronung gesetzt ist
Das Denkmal ist von 1544 datiert. Es ist leider so aufgestellt, dafl ich keinen
ganz befriedigenden Standpunkt gewinnen konnte. Immerhin halte ich
angesichts des jetzt in sorgfaltigerer Weise energisch und in bildhauerischer
Auffassung modellierten Kopfes, in Hinblick auf die sehr ahnlichen
architektonischen Formen die Hypothese Lutschens fur durchaus an-
nehmbar. Wenn derselbe Autor auch das Grabmonument des 1535
verstorbenen Canonicus Saur in der Kreuzkirche demselben Kiinstler
zuweisen will, so machen dies fraglos die zahlreichen und sehr prag-
nanten Erinnerungen an die Architektur, an die Ziermotive der beiden
ersten Denkmaler. Wenn weiterhin derselbe Forscher den Gedanken aus-
spricht, dafi das Haus Junkerstrafle 2, das Seyfried Rybisch 1540 er-
bauen liefl, von dem namlichen Architekten bez. Bildhauer, der jene drei
Grabmaler schuf, errichtet sei, so habe ich dagegen nichts zu erinnern,
da die architektonische Formensprache in der Tat sehr verwandt ist.
Wie bereits bemerkt, wandelt sich etwa um die Mitte des Jahr-
hunderts der Stil. E. v. Czihak4) schreibt zu diesem Punkt: Bald nach
der Mitte des 16. Jahrhunderts sehen wir den Stil mit Elementen ver-
setzt, welche bekunden, dafl er seinen Hohepunkt bereits tiberschritten
hat und sich zum Barock neigt. Es zeigt sich ein UbermaiJ von
Gliederungen, eine allzureiche Verwendung von Konsolen, Medaillons
und Masken, von Kartuschen, Roll- und Flechtwerk nebst sonstigen bild-
hauerischen Zutaten. Auch die Allegorie macht sich bemerkbar. Die
Figuren, abgesehen von dem Verstorbenen und seiner Familie, erscheinen
in antiker Tracht und mit den Symbolen, welche ihnen das Altertum
beilegte, ausgestattet. Das Epitaphium ist zum zierlichen Wandaufbau
geworden, der entweder in Stein, oftmals mit Verwendung verschieden-
4) Schlesiens Yorzeit in Bild und Schrift V S. 189.
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Zur Geschichte der Plastik Schlesiens von ca. 1550 — 1720. 225
farbiger Steinarten oder in Holz ausgeftihrt wird. In letzterem Falle tritt
stets Staffierung, Bemalung und Vergoldung hinzu.tf
Die Omamentik, wie sie hier geschildert wird, ist diejenige, die in
den Niederlanden ausgebildet wurde. Vermittelst derselben ist das sand-
steinerne Nischengrab des Bischofs von Logau (1562 — 1574) zu Neisse
ausgeziert. Auf einer von Konsolen getragenen Platte und unter einem
von zwei korinthischen Saulen getragenen Baldachin liegt im vollen
Schmucke seiner Amtstracht der Pralat Er hat den Korper auf die
rechte Seite herumgedreht und das Haupt in die rechte Hand gestiitzt. Er
scheint »unruhig« zu schlafen. Hinter ihm stehen in drei durch korin-
thische Pilaster eingerahmten flachen Nischen Chris tus — mit seltsam
bosem Blick — , ein finstrer mlirrischer Johannes der Taufer und ein hoch-
begeisterter Johannes Ev.
Das Grabmal ist leider zu hoch angebracht, wodurch die Ztige
des Bischofs ungentigend sichtbar werden. Trotz mancher Schwachen
in der Durcharbeitung der Uberschneidungen, der Drapierung der Stoffe,
trotz des mifigluckten Strebens nach lebhaftem Ausdruck der Empfin-
dungen sind die Bildhauereien zu loben. Sie sind vor allem wirklich
plastisch gedacht Der Linienflufi im Kontur, die Gesten, die Gewandung
und, trotz jener Ausstellungen auch der Gesichtsausdnick — alles zeugt
von einem kiinstlerischen Sinn, der nicht vielen Steinarbeiten dieser Periode
dgentumlich ist
Ob der Urheber der Skulpturen ein Einheimischer oder ein Nieder-
lander war, vermag ich nicht zu entscheiden. Ein Italiener war er nicht.
Weit reicher ist die Ausstattung der Gerstmannschen Kapelle in
der Kirche zu Neisse. Das Portrat des aus Bunzlau gebtirtigen Pralaten
Martin Gerstmann, der 1574/75 Bischof von Breslau wurde und 1585 in
Neisse starb, ist das am wenigsten gelungene Bildwerk. Es ist gedacht,
als ob der Bischof hinter einem offenen Fenster, vor dessen Bank ein
Teppich herabfallt, sitze und den Segen erteile. Das aus braunrotem
Marmor in flachem Relief gearbeitete, keineswegs geschickt auf die Flache
projizierte Bildnis scheint auf den ersten Blick recht frisch und naturwahr
geschaffen zu sein ; bei naherer Untersuchung sieht man, dafi es nur derb
und zufahrend, geistlos modelliert ist. Weit besser ist ohne Frage der
von dem Bischof gestiftete und sicher altere Altar. Die rechteckige
Altartafel ist bemalt, in niederlandisierendem Geschmacke prunkvoll
Terziert und nach Art der alten Triptychen in Mittelbild und Seitenfltigel
abgeteilt.
Auf der Altar-Staffel kniet zur Linken im Profil nach rechts der
.trefflich charakterisierte vornehme Geistliche. Zur Rechten ist sein
Wappen angebracht. In der Mitte die Reliefplatte mit dem Abendmahl.
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226 Berthold Haendcke:
Als Hauptbild wahlte der Ktinstler die Kreuzigung rnit Maria, Maria
Magdalena und Johannes; im Hintergrunde erblickt man in ganz flachem
Relief die Krieger und Jerusalem. Auf den durch je zwei Saulen ab-
getrennten „Flugelntt steht Oder sitzt in kleinen libereinanderges tell ten
Nischen der Heiland als Betender in Gethsehmane, als Gegeifielter, als
Gekronter und Verspotteter. Der Auferstandene und der Pelikan sind
auf dem Simse im bekrftnenden Relief verwendet
Diese Skulpturen sind wertvoll. Das Abendmahl birgt natiirlich
viele Erinnerungen an das Lionardos, ohne zu einer einfachen Kopie zu
werden. Bei genauerem Durchsehen wird man eine erhebliche Anzahl
von selbstiindig gefundenen, zweckentsprechenden Bewegungen finden.
Auffallend sind die nach Sachsen6) die Aufmerksamkeit lenkenden langen
schmalen Kopfe. Die Stoffe fallen in ruhigem schonen Wurf, sind
elegant in feine und weiche Falten gelegt. Hierzu pafit die vornehmie
Haltung der Manner. Alle Einzelheiten sind mit eingehendem Fleifle,
aber nicht hart und peinlich ausgemeifielt. Vorziigiich sind die Einzel-
biider des Heilands, sowohl in Bezug auf die Gebarden, die die Empfindungen
interpretieren sollen, als auch hinsichtlich der Technik. Die grofte
Kreuzigung hingegen stellte etwas zu grofie Anforderungen an den
Meister. Der nackte Korper des schlank aufgebauten Heilandes wirkt
glatt; den Gesten der Trauernden merkt man zu stark das Suchen des
Bildners an. Trotzdem darf die Arbeit nicht gering geschatzt werden.
Eine freie Formensprache und ein trotzalledem lebensvolles Gefiihlsleben
beherrscht derartig das Relief, dafi es tiber dafi Mittelmafi des kiinst-
lerischen Konnens dieser Zeit emporragt
Der Plastiker, der die Kapelle Sitsch in ebenderselben Kirche etwa
25 Jahre spater zugewiesen erhielt, ubertrifft allerdings seinen Vorganger und
Rivalen um ein Betrachtliches. Dieser leider dem Namen nach ganzlich
unbekannte Ktinster schuf sowohl das Grabmal des Bischofs Sitsch als
auch den von diesem gestifteten Altar. Das Material, in dem das Grabmal
hergestellt wurde, ist fein geschlemmter Gips, der steinfarben beinalt
worden ist. Auf einer von Konsolen getragenen Platte liegt ausgestreckt
im vollen Ornat mit dem Vespermantel der Kirchenftirst. Der zuriick-
gelegte Kopf mit dem kraftigen, fast gewohnlichem Gesichte, das ein
voller Bart umrahmt, ruht bequem in der linken Hand. Johannes der
Taufer und Johannes Ev. stehen zu seinen Haupten und zu den Fiiflen,
Auf der RUckwand nehmen wir die Reliefs mit dem Auferstandenen,
5) Cber die Beziehungen Sachsens zu Schlesicn vergl. auch meine Studien arur
Geschichte der sachsischen Plastik der Spatrenaissance und Barock-Zeit. Dresden 1903.
Abschnitt Dresden-Breslau S. 15 — 43.
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Zur Gcschichte der Plastik Schlesiens von ca. 1550 — 1720. 227
dariiber das jungste Gericht, wahr. In flachen Nischen erheben sich links
und rechts von dein Gerichtsbilde die Vollfiguren des St. Laurentius und
der hi. Anna.
Wii finden in unserer Epoche verhaltnisinafiig selten einen Bildner,
der mit so stark ausgesprochenem plastischen Sinn formt, wie dieser
Unbekannte. Das Material verlangte und erlaubte allerdings ein resolutes,
vollkraftiges Arbeiten, das einen minder feinftihligen Kiinstler leicht zum
^Patzen* hatte verleiten konnen. Es lebt in einzelnen Gestalten, z. B. in
der des Bischofs selbst, im Johannes d. T., der hi. Anna, nach Form wie
Jnhalt geradezu ein bedeutender, ein fortreifiender Zug, der in weiterem
Ausblick wiederum von dem begeisterten, leidenschaftlich religiosen Leben
dieser Jahre beredtes Zeugnis ablegt Die Herrschaft der ruhig fliefienden
Linie, im Gesamtumrisse wie in den Gesten, in der Gewandung, ist trotz-
dem aufrecht erhalten geblieben. In den Reliefs hingegen befriedigt der
Kiinstler nicht. Sie werden Werkstattarbeiten sein.
Noch bedeutender als dieses Grabmal ist m. E. in seiner gesamten
Erscheinung der von dem Bischof gestiftete Altar, der in Stein gemeiflelt
und realistisch bemalt ist. Die Detailarbeit wie die Typen beweisen
auch fur dies Werk dieselbe Hand.
In der Altarstaffel hat sich links der Donator auf die Kniee nieder-
gelassen. Auf der rechten Seite ist sein Wappen ausgehauen. Dazwischen
schildern zwei Hochreliefs die Verktindigung und die Anbetung der
Hirten. Dariiber stehen in bez. vor Nischen die Madonna mit dem Kinde,
zu ihren Seiten die hi. Katharina und die hi. Anna; in der Mittelnische
des ersten Aufsatzes Gott Vater, links und rechts die beiden Johannes;
in der obersten StafTel endlich der St. Laurentius. Die Hauptfiguren,
vor alien andern die Madonna und die hi. Anna sind schlechthin Meister-
werke dieser Epoche. Die Madonna tritt so imponierend auf, ohne den
der Mutter Christi angemessenen Charakter zu verlieren, ist so wirkungs-
and geschmackvoll drapiert, hat einen so grofien Ausdruck im Gesichte
in den leuchtenden, grofien Augen, dafi man das Wort genial aussprechen
darf. Die hi. Anna erinnert in ihrer statuarisch-noblen Haltung trotz der
trennenden Jahrhunderte an jene junge Fiirstin zu Naumburg — so adelig
steht sie in ihrem Hermelin da, so warmherzig schaut sie mit eben solchen
stolzen, plastisch-schonen Ziigen in die Welt hinaus. Die andern Figuren
entbehren natiirlich auch nicht des bedeutenden Charakters, wenngleich
sie nicht so hoch einzuschatzen sind. Gott Vater wie der St Laurentius
sind nicht einmal gut in den Raum hineingedacht : die begeisterte Stim-
mung dieses Glaubenszeugen fand nichtsdestoweniger beredte Aussprache.
Die beiden Johannes sind schwache Produkte. Andererseits sind die zwei
Reliefs vortrefflich gegltickt Sie sind klar angeordnet, fein gezeichnet,
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228 Berthold Haendcke:
elegant im Linienflusse — die knieende und bei der Verkundigung sich
umwendende Madonna weist eine geradezu vollendet graziose Bewegung
auf; ist trotz des kleinen Maflstabes frisch auf die grofie Wirkung ent-
worfen. Ebenso energisch und vollhandig ist das saftige Ornament mo-
delliert, das in reicher niederlandischer Art gehalten ist.
Wenn mich nicht alles tauscht, war der Meister dieser Werke
weder ein Italiener noch ein Niederlander, sondern ein Einheimischer.
Wessen Meiflel besafi die Feinheit, die freimodellierende, sichere
Kraft, urn das Relief mit dem Kopfe Bischof Jerins im Dome zu Breslau
zu bilden?
Andreas Jerin, in Reutlingen geboren, wurde 1585 auf den bischof-
lichen Stuhl gerufen und starb zu Neisse am 5. November 1596. Man
rtihmte seinen Glaubenseifer, der sich mit Milde gegen die Protestanten
paarte, nicht minder wie seine Gelehrsamkeit. Er scheint aber audi die
Ktinste reich unterstiitzt zu haben. Wir wissen, dafi er 10 000 Taler
fiir einen silbernen Altaraufsatz hergab, den der Breslauer Goldschmied
Paul Nitsch arbeitete.
Der Epitaph ist ein reicher6) flotter Architekturauf bau , gebildet
durch zwei nach der Weise der Renaissance auf Sockeln stehenden
gegtirteten Saulen aus Syenit und Alabaster, welche ein reiches Gebalk
und einen oberen Aufbau (zwei Greifen als Wappenhalter) tragen. Dieser
in den Verhaltnissen aufierordentlich glticklich entworfene Rahmen steht
auf einem Sockelgesims, unter dem die oberen Saulen durch Konsolen
(mit Lowenkbpfen und Krallen geschmtickt) gestiltzt sind. Sie schliefien
mit dem glatten Fuflgliede eine bereits nach spaterer Weise kurvierte
Inschrifttafel ein. Eine zweite grofiere (mit in Marmor vertieften ver-
goldeten Lettern und ornamentalem Blattwerk) in anmu tiger Weise von
Kartuschen und Putten eingefafit, steht innerhalb des beschriebenen
Rahmens liber dem Sockelgesims. An bevorzugter Stelle ist ein Runci-
bogen als Rahmen ftir die aus rotem Marmor gehauene treffliche Flacri-
biiste des Bischofs angebracht Das Monument, eines der vorziiglichsten
Breslaus, ist jedenfalls bald nach der Inthronisierung des Bischofs .ent>
worfen worden. Das Reliefbild gibt das Portrat eines Mannes in der
Mitte der vierziger Jahre. Es ist ein Meisterwerk an intimer Charakte-
ristik, an eleganter Technik. Jerin hat das von einem Vollbart umrahmte
Gesicht nach links gewandt. Anhaltende geistige Arbeit hat das Antlitz
hager, den Blick ernst und wohl manche Sorge ihn auch etwas duster
6) Lutsch, Kunstdenkmaler der Stadt Breslau. S. 165. 1886; und derselbc >Text-
band« a. a. O. S. 345: »(Jerin) tragt sich wie ein Mann am Ausgange des 19. Jahrhunderts,
nur dafi die aufwarts gerichtete Wendung des Schnurrbartes noch nicht eneicht ist !«
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Zur Geschichte der Plastik Schlesiens von ca. 1550 — 1720. 229
gemacht Aber den zahen Willen hat das Leben diesem Manne nicht rauben
kdnnen. Im Gegen teil, ein wenigTrotz umspielt sogar die vorgeworfenen Lippen.
Miissen wir den Urheber dieses schonen Kunstwerkes unter den
Auslandern suchen? Wir sind keineswegs gezwungen, dies ohne weiteres
zu tun. Deutschlands ktinstlerisches Niveau erlaubt wohl an einen in
Italien oder auch in den Niederlanden gebildeten Deutschen zu denken.
Ich mochte einen Italiener liberhaupt von vornherein ablehnen und gegen
einen Niederlander die Frische der Arbeit anfiihren. Die Skulpturen der
damals in Schlesien arbeitenden Niederlander (H. Gerhard-Amsterdam nicht
ausgenommen) sind in der Form trockener.
Jenem typischen Bischofsgrab dieser Jahre — von dem die Jerinsche
Tafel bereits abweicht — sei in dem vom Meister IK in Greiffenberg 1584
in Kalkstein (?) gemeifielten Grabmal der Familie Schaffgotsch ein Beispiel
des Wand- und Prachtgrabes burgerlicher bez. patrizischer Hauser an-
geschlossen. Der Kiinstler hat die der Kirchenmauer vorgelegte Denk-
malswand in sechs ganz flache rundbogige Nischen geteilt und an die
Ecken je eine korinthische Saule gestellt. In der Mitte springt ein mit
gekuppelten Saulchen, die ein Gebalk mit drei Aufsatzen tragen, ge-
schmiickter Pfeiler vor. In bez. vor den Nischen hat Meister Hv. der
aus sechs Erwachsenen und fiinf Sauglingen bestehenden Familie Schaff-
gotsch ihre Platze angewiesen. Die Aufgabe war nicht ohne ktinstlerisches
Interesse; denn das Alter der vier Manner variierte vom 84. bis zum
21. Jahre und das der zwei Frauen war das 55. und das 34. des Lebens.
Aber FK. war weder ein feiner Beobachter noch ein bedeutender Techniker.
Die scharf umrissenen Formen zeigen unzweifelhaft eine durchgehende
Familienahnlichkeit, d. h. ein ehrliches Bemlihen, das Modell in seiner
aufleren individuellen Eigenart zu studieren, festzuhalten — daruber
hinaus vermag FK aber nichts zu geben. Die kleinen Reliefs, z. B. Christus
am Kreuz sind, offenbar von Gesellenhand, geradezu kindlich. Der
*grofle« italienische Wurf der Gewander ist allerdings nicht aufier acht
gelassen. Einer schnellen Erwahnung ist die leichte Tonung der Rtistungen,
der Staatskleider und der Fleischteile wert; sonst tritt nur Vergoldung
zur Belebung des grau gehaltenen Steines auf.7)
Von ahnlicher Qualitat ist das graflich Redernsche Grabmal in
Friedland8), das aus Pirnaischem Sandstein 1564 bez. 1556 — also vielleicht
in einer sachsischen Werkstatt9) — gemeifielt ist Abermals haben wir einen
*) Abgeb. in d. Silesia.
&) Gillet in »Crato v. Crafftheim«.
•) Vgl. meine Abhandlung deutsche Bildhauer in Bohraen im XVII. Jahrh. in
*deutsche Arbeit* II, p. 446, wo ich die Ansicht, »dafl wir vielleicht einen sachsischen
Kfixtetler anzunehmen haben«, zuerst ausgesprochen habe.
fUrpcrtoriam fur KnnstwiHsenschaft, XXVI. 16
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230
ftcrthold Haendcke:
durch (4) korinthische Saulen, mit niederlandisierendem Ornament ge-
schmackvoll verzierten Nischenbau, vor dem in Lebensgrofie drei Erwach-
sene und ein kleines Madchen in einfacher, guter Haltung und nicht ohne
feineres Leben knien. Die fleifiige Einzelarbeit, die alle derartige Werke
dieser Periode aufweisen, konnen wir auch diesmal anmerken; aber auch
die Trockenheit, die Niichternheit jener braven Meister, die, wie hier in
den Zwickelfiguren, Michelangelos Formengebung anzustreben wagten.
Als Beispiel der pomphaften Familienkapellen-Grabmaler seien die
einer Kllnstlerhand entstammenden Monumente erwahnt, die sich die
Rhedinger in der einem Museum deutscher Plastik der Spatrenaissance
und des Barocks gleichenden Elisabethkirche zu Breslau errichtet haben.
Das iil teste ist das Werk, das Niclas Rhedinger10) (geb. 1554) sich
und seiner zweiten Frau Rosina Herbrottin f 1601 im Jahre 1587
errichten liefi. Auf einer machtigen Platte kniet die aus sieben Personen
bestehende Familie und betet zu Christus, der in einer durch den archi-
tektonischen Aufbau gebildeten Nische hangt. Der Entwurf zahlt zu den
»eigenartigsten und reichsten« der deutschen Renaissance. Dagegen wird,
wie Lutsch mit Recht rligt, im Hochbau die Durchflihrung des Vertikalen
vermifit. Die aus Alabaster geschnittenen Bildnisse sind, wie es dies
Material ja besonders verlangt, sehr sorgsam gemeiflelt und wirken im all-
gemeinen Sinne des Wortes lebenswahr. Der Ausdruck ist aber etwas stumpf,
woran der Alabaster ein wenig die Schuld tragen mag. An der Riickwand
hangt, wie bemerkt, der Auferstandene. Er ist in der Arbeit schwiicher als
der des Adolf Rhedingerschen Grabmals, das ebenfalls die ganze grofle
Wand der Kapelle bedeckt. Adolf Rhedinger auf Schonborn starb 1595.
Er, seine Frau Corona geb. Frenzelin, drei Sdhne und Ttfchter knien in
Lebensgrofie auf einer von starken Konsolen getragenen Platte. In diesem
Faile hat der Ktinstler sich mehr Mtihe gegeben oder hat cine glticklichere
Stunde gehabt — genug, die Charakteristik ist diesmal nicht nur lebens-
wirklich, sondern auch lebensvoll. Der Gekreuzigte, der an der Riick-
wand aufgestellt ist, hat mein Auge auf das Denkmal Pfinzing (ebendort)
von 1575 gelenkt. In der tiefen Nische des in den Mafien ebenfalls
sehr bedeutenden Denkmals steht mit linkem Standbein und rechtem
Spielbein der triumphierende Heiland. Die Fahne halt er in der Rechten,
die linke Hand deutet mit reichlich eleganter Bewegung auf sein Herz.
Der Kopf ist nach rechts gewandt — mit einem freudig-ernsten Blick
sieht er, fast ein wenig traumerisch, uns an. Der Schopfer dieser Arbeit
hat unzweifelhaft italienische Schulung erhalten — ja das Ideal dieser
l0) Abgeb. bei Lutsch a. a. O. und Text-Band p. 197 ff., wo unter »Kirchen und
kirchlichc Ausstattung* liber den Aufbau der Grabdenkraliler dieser Zeit gehandelt wird-
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Zur Geschicbte der Plastik Schlesiens von ca. 1550 -1720. 23 I
nacfren Mannergestalt hat er sich aus Italien direkt oder indirekt geholt.
War der Bildner ein Italiener? Die ubrigen Bildhauereien lassen es mich
nicht denken. Wie gesagt, dieser Kiinstler scheint mir Beziehungen zu
den Rhedingerschcn Grabmonumenten zu haben. Dasjenige, das ihm am
nachsten steht, ist das des Nicolaus Rhedinger von 1595.
Dafi das Grabnial Daniel Rhedingers von 1563 ebenfalls aus dieser
Werkstatte stamme, nehme ich nicht an. Ich bin mit Lutsch der
Ansicht, dafi diese Meiflelarbeit dem Dan. Schilling, einem recht un-
bedeutenden Plastiker, zuzuweisen ist.
ll)er diesen Prunkgrabern ist auch das Epitaphium nicht ohne
Pflege geblieben. Unter den vielen anonymen Meistern sei der Meister
des Uthmannschen Grabmales hervorgehoben. Hieron. Uthmann (f 1580)
errichtete es in der Elisabeth-Kirche sich und seiner Frau Eva geb.
Mohrenberger (t 1583) anno 1580 (restaur. 1859). Von besonderer
Schonheit ist die in Alabaster geschnittene Mitteltafel, die inhaltlich
eine genaue Kopie eines unweit hiingenden Gemaldes gibt »Im Jare
1564 den 23 Martii Ist in Goth seliglich entschlaffen die edle tugend-
same Frau Magdalena geb. Krohmayerin Herrn Bartholome Mettels,
fiirstlichen BischorTlichen alhier zu Breslaw Cantzlers Hausfrawen, alhier
begraben*, so lautet die Inschrift dieser Gedenktafel, die mit ihrer Dar-
ttellung des Gesichtes Hesekiel Kap. 37 das Vorbild fur das Uthmann-
scbe Epitaphium abgab. Wenn nun auch die Erfindung des Motives
— eine Angelegenheit, um die sich die Kunstler jener Tage ja wenig
Gedanken machten — unserem Bildhauer nicht zugewiesen werden kann,
so darf man die Technik hochlichst bewundern, mit der er die Aufgabe
der Ubersetzung gelost hat. Die gut gezeichneten und vortrefflich in
groflen wohlverstandenen Plachen modellierten nackten Menschen atmen
Leben und Kraft. Das Relief ist fein abgestuft.
Derselben kunstfertigen Hand entstammt das schone bereits von
lutsch so hoch eingeschatzte Denkmal des bertihmten Arztes Crato
\. Craftheim (f 1585)11) in derselben Kirche. »Vier Saulen erheben sich auf
dem Sockel und tragen den Oberbau; zwischen ihnen ist rechts Simson, der
dem Lowen den Rachen spaltet, links eine Figur des Glaubens. Mitten
darin ein wunderbares Relief mit einem Jiingsten Gericht. Auf dem
Sockel kniet der Verstorbene mit seinem Sohne rechts, links zwei
Gattinnen mit zwei Tochtern; oben auf dem Sims liegen zwei Engel
mit Totenkopf. Joanni Cratoni a Craftheim III S. S. S ac Mario
Scharflanae a Werth«.
Ob ftir diese Auferstehung des Fleisches wieder ein Gemalde als
") Gillet a. a. O.
i6«
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232
Berthold Haendcke:
Vorlage anzunehmen ist, vermochte ich nicht festzustellen. Jedenfalls
herrscht eine vollig rnalerische Phantasie und eine Feinheit in der
Wiedergabe des Fleisches, eine Gewandtheit in der Zeichnung, eine
Geschicklichkeit in der Relief behandlung, ein Leben und Regen in den
Leibern, das in der Tat Bewunderung verdient. Eine dritte Arbeit
dieses hochbegabten Klinstlers scheint inir in dem kleinen Epitaphiuin
flir Georg Ernst von Bernburg-Zerbst in Ohlau vorzuliegen, das Lutsch
als »eines der ausgezeichnetsten Epitaphien, wenn nicht bestes in
Schlesien« 12) bezeichnet. Es ist ebenfalls das Gesicht Hesekiels, in
einer dem Uthmannschen Denkmale sehr ahnlichen Weise, geschildert
Alle die geriihmten Vorziige der Technik, der lebensprtlhenden Schilde-
rung, deren wir Erwahnung getan haben, finden wir wieder.
Wenn die Mehrzahl der Meister der bisher betrachteten Skulpturen
zu der Eliteschar der Bildhauer Schlesiens gehoren, so lernen wir in Caspar
Berger, der als »Werkmeister« 1588 die Kanzel der evangelischen Ober-
kirche in Liegnitz aus Sandstein meifielte, einen Bildhauer kennen, der den
mittleren bez. geringeren Stand der Plastik reprasentiert
Die Kanzel ist sechsseitig und wird von vier Vollfiguren getragen;
Reliefs schmticken die aufleren Wandungen der Treppe wie der Redner-
biihne. Diese Tafeln enthalten Schilderungen der Geburt Christi, der An-
betung der hi. drei Konige, des Abendmahles, des Gebetes zu Gethsehmane,
der Dornenkronung, der Auferstehung, und der Auswanderung der Jiinger.
Die Szenenanordnung ist durchaus im malerischen Sinne gegeben; aller-
dings begnligt sich Berger gewohnlich mit zwei Griinden. Er bemiiht
sich, die Reliefrlache stets innezuhalten. Da er aber nicht genligend mit
den Verktirzungen vertraut ist, nicht korrekt zu zeichnen versteht, so
sind die Figuren nicht selten etwas geprefit und gewaltsam bewegt. Die
von ihm als aufierst elastisch und dehnbar gedachten Gelenkbander
sollten tibrigens mittelbar dazu dienen, die Empfindungen, von denen
diese Gebilde Bergers ex officio beseelt sein sollen, zu interpretieren ;
denn in den langlichen Gesichtern ist gar wenig davon zu lesen. Die
schweren, in ruhigem vollen Wurfe mit weichen breiten Falten fallenden
Gewander verhelfen iibrigens hin und wieder zu einer besseren Wirkung,
als die ganze Anlage verdient. Jene sehr geringen anatomischen Kenntnisse
Bergers machen sich im Moses und den drei Konigen, die die Kanzel
tragen, in etwas verletzender Scharfe gel tend. Diesmal versagt auch
seine Geschicklichkeit, Mantel zu drapieren. Der grofie Mafistab enthtillt
alle Mangel des fleifiig und mtihsam schaffenden Werkmeisters. Berger
!2) Verzeichnis der Kunstd. Schlesiens »Ohlau«.
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Zur Geschichtc dcr Plastik Schlesiens von ca. 1550 — 1720. 233
ist ein typischer Vertreter der damaligen Steinmetzen, deren Handen
leider mindestens sieben Zehntel aller Skulpturen anvertraut waren.
In den soeben kurz betrachteten Bildhauereien aus der Reriaissance-
zeit Schlesiens, die sowohl nach dieser wie nach jener Seite leicht ver-
mehrt werden konnten, tritt die altere deutsche Schulrichtung, mit der sich
italienische bezw. niederlandische klinstlerische Ansichten verbunden hatten,
auf. Fragen wir danach, wie sich die Plastik hierzulande weiter ent-
wickeh hat, so haben wir auch daftir reiches Material. Die Entwicklung
ist in Schlesien allerdings, leider, im wesentlichen nur an Bildwerken
"^namenloser* Kiinstler zu verfolgen.
Eines der interessantesten ist das Denkmal fur Nicolaus Polius in
der Breslauer Magdalenenkirche von 1633. Auf einer kleinen c. 20 — 25
Zentimeter grofien alabasternen Platte ist in flachem Hochrelief, wenn
ich so sagen darf, Gott Vater mit Christus auf dem Schofie dargestellt.
Der Heiland hat die Rechte an die Weltkugel gelegt und die Linke
in die Seitenwunde. Dem unbekannten Bildner war ersichtlich der
Diirersche Holzschnitt in Erinnerung geblieben, den er in einer sehr
anerkennenswerten Weise in die plastische Anschauung iibersetzt hat
Er hat den Meifiel mit der groflten Zartheit und Geschicklichkeit ge-
fuhrt, ist fleifiig alien Einzelheiten nachgegangen — hat aber auch dem
Antlitze Gottes einen grofien und ernsten, dem des Sohnes einen glitigen
Ausdruck verleihen konnen.
Einem formenschweren und -starken Barockstil, der sich von neuem
an Italien anschliefit und sich auf einzelne wuchtige Accente beschrankt,
lias Vielerlei, die leichteren Bildungen, die heitere Farbe der frtiheren
Zett verschmaht, huldigt der Verfertiger des, soweit der dunkle Standort
ein Urteil erlaubt, ausgezeichneten Grabmals des Bischofs Sebastianus
Rostock 1670 aetatis 64 im Breslauer Dom. Die Hand verrat jedenfalls
romische Schulung. Die Btiste des H. Caspar ab Oberg von 1679 (ebendort)
ist von sehr verwandter Giite. Es ist eine Arbeit, wie sie in diesen Zeiten
nicht zu oft geboten wird. Das Knochengeriist des Kopfes ist sicher durch-
gefonnt; die Flachen sind grofi gesehen; die einzelnen Teile des Ge-
sichtes entsprechend gegeneinander abgesetzt; Haar und Bart weichfliefiend
in der Masse behandelt. Zu alledem ist auch das feste, freundliche und
kiuge Wesen des in der BlUte seiner Jahre hingeschiedenen Mannes her-
vorragend ausgedrtickt worden.
Innerhalb dieses Entwicklungsganges der Plastik, die jetzt vorwiegend
mit plastischen Mitteln wirken will, deshalb auch die bunte Farbe, aber nicht
das Gold verschmaht, steht Michael Klar aus Landeck in Tirol (1693 — 1742),
der im Jahre 1 7 1 7 die Kanzel und das Gesttihl im Dome zu Glat?
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234
Berthold Hacndcke:
schnitzte. Die Kanzel ist mit Vollfiguren und mit vier Reliefs geschmiickt,
die Ereignisse aus dem Leben des Isaias, des Jeremias, des Ezechiel, Daniels
behandeln. Die Szenerie ist stets die denkbar reichste. Klar sucht durch
die Anwendung aller Arten der Relieferhebungen Raumtiefe vorzutauschen.
Es gelingt ihm dies auch bis zu einem gewissen Grade, da er durch
den einfarbigen grauen Anstrich und treffend angeordnete Hohung mit
Gold unterstlitzt wird. Die Tafeln wirken deshalb trotz der Fiille des
Details verhaltnismafiig ruhig. Die schlank gebauten Figuren sind ge-
wandt gezeichnet. Klars Phantasie stehen eine uberraschende Fiille von
bezeichnenden Gesten zur Verfligung. Sie kommen natiirlich dem Tenor
seiner Erzahlung zu gute. Er weifi den Beschauer zu packen, so dafi
man trotz der gewifi nicht zu leugnenden theatralischen Pose aller
Spieler an die Wahrheit der Handlung glaubt. Die Kirchenviiter, die
Klar als Vollfiguren an der Brtistung der Kanzel in tiefer Versunkenheit,
in innerer Erleuchtung, geistiger Erhabenheit darzustellen hatte, ver-
langten allerdings von seinem Kdnnen zu viel. Klar suchte sich durch
einen sehr nuancierten dreidimensionalen Aufbau der Figuren, durch
grofie Barte und »bedeutende<v Gebarden, reiche Bekleid-ung mit uppigem
Faltenwurf zu helfen — aber vergebens, diese Werke seines Schnitz-
messers kdnnen unsere Aufmerksamkeit nicht fesseln. Die moderne
Bemalung mag allerdings storend hinzutreten. Fiir die Darstellung des
St. Paulus, der die Kanzel tragt, reichte Klars ktinstlerisches Vermogen
gleichfalls nicht aus. Der Apostel steht aber wenigstens ruhig und
wlirdig da. Das Antlitz verrat Studium nach einem Modell, blieb jedoch
starr und leblos. Die Verkliirung Christi auf dem Deckel der Kanzel
lost sich bereits in Ekstase auf. Dieselbe Unruhe in der Haltung, die
namliche Geziertheit, die gleiche zerfahrene Gewandung u. dgl. nehmen
wir an dem meisterhaft in braunem Holz geschnitzten Gestiihl wahr.
Nur tritt in den tief dekolletierten Engeln mit ihren entbldfiten Madchen-
beinen noch ein sinnliches Moment hinzu, das sich durch die aus-
gezeichnete Technik doppelt stark aufdrangt. Angcsichts dieser eleganten
Flihrung des Messers miissen wir die Bemalung der hdlzernen Kanzel
doppelt bedaucrn.
Klar meifielte auch 1727 den mir unbekannt gebliebenen Altar
des hi. Nepomuk in (bohmisch) Wilhelmsthal.
Wenn ftir die besprochenen Werke im allgemeinen m. E. ein-
heimische Meister als Urheber anzunehmen sind, so diirfte das prunk-
volle und, wenigstens soweit die Hauptfigur in Frage kommt, auch kiinst-
lerisch wertvolle Grabmonument bezw. Erinnerungsdenkmal, das die
Abtissin Grafin Wrbna Paulowska (1674 — 1699) der hi. Hedwig zu TreY>-
nitz in verschiedenfarbigem Marmor (1680) setzte, sicher von fremder
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Zur Geschichtc dcr Plastik Schlesicns von ca. 1550 — 1720. 235
Kunstlerhand sein. Ich glaube auf einen Niederlander, der in Italien
selbst gebildet worden ist, raten zu dlirfen.
Mit diesen Meifielwerken mochte ich diese Skizze schliefien, da sie
uns bereits einer Zeit unmittelbar nahe bringen, in der wir die drei,
bisher, fur Schlesiens Plastik mafigebenden Faktoren, die einheimische
Schulung, die italienischen und italienisch-niederlandischen klinstlerischen
Gedanken nicht mehr zu scheiden bezw. als allein mafigebend zu be-
trachten vermogen.
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Ein kleiner Beitrag zur Diirerforschung.
Fol. 54 des II. Bandes der Dttrerhandschriften des Britischen Mu-
seums (Sloane 5229) enthalt vier Worter, die bei Lange und Fuhse
(S. 393) nicht ganz richtig gegeben sind:
partallme
den hertzog knyendt.
Die Herausgeber von Dlirers schriftlichem Nachlafi deuten die Worte
als eine Notiz fiir die Komposition des Rosenkranzfestes; 5>partallme«
soil die Kirche San Bartolommeo, der »hertzog<v den Dogen von Venedig
bedeuten. Das Bild enthalt aber keinen knieenden Dogen.
Ich mochte im Anschlufi an die Forschungen Gurlitts tiber die Be-
ziehungen Dlirers zum sachsischen Hof1) eine ganz andere Deutung vor-
schlagen. Der Herzog, der in Verbindung init St. Bartholomaus an erster
Stelle in Betracht kommt, ist nicht der Doge von Venedig, sondern der
Kurftirst Friedrich der Weise, Herzog von Sachsen. Wie oft hat nicht
Lucas Cranach diesen Ftirsten mit seinem Schutzheiligen Bartholomaus
dargestellt! Man denke an den Kupferstich, Lippmann 57, in dem der
Heilige, von Engeln getragen, in der Luft schwebt, wahrend Friedrich
unten rechts in Anbetung kniet, oder an die Gemalde in Worlitz,
Darmstadt und Zwickau2), auf denen der Kurftirst knieend dargestellt
ist, wahrend der Heilige hinter ihm steht. Sowohl die eine wie die
andere Komposition pafit vollkommen zu den Worten Dlirers; oben steht
beziehungsweise schwebt St. Bartholomaus, unten kniet der Herzog. Ich
vermute, dafi Dlirer vom Kurflirsten den Auftrag zu einem ahnlichen
Bilde erhielt, den er sich auf diese kurze Weise notierte, wie er in einem
anderen Falle die viel ausflihrlichere Notiz zu der Komposition des
Christus in der Weinkelter niederschrieb.8)
Campbell Dodgsoti.
*) Repertorium XVIII, 112. Vgl. Singer, Versuch einer DUrer-Bibliographic, S. 43.
^'Flechsig, Tafelbilder I.*. Cranachs d. A. und seiner Werkstatt, Taf. 10, 20,39.
3) Lange und Fuhse, S. 393.
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Literaturbericht.
Kunstgeschichte.
Les Trtfsors d'art en Russie. Publication mensuelle illustre'e de la
Societe Imperiale d' Encouragement des Beaux-Arts en Russie. Directeur:
M. Alexandre Benois. Annies Ire et II c Saint-Pdtersbourg 1901 et 1902.
in- 4 °- (Abonnement annuel: Etranger, port paye* — 10 roubles [27 fr.]
Siege de la redaction: 83, Moika, St. Petersburg). (Chud6shestvennyja
Ssokr6v ischtscha Rossfi.)
Sieht man von der Kaiserlichen Ermitage und einigen wenigen
Petersburger Privatsammlungen ab, so ist der grofie Kunstbesitz Rufilands
dem ubrigen Europa und auch wohl im eigenen Lande so gut wie un-
bekannt Die im vorstehenden genannte Publikation, die nunmehr ihren
dritten Jahrgang beginnen wird, ist berufen, hier Abhilfe zu schaffen.
Sie erscheint in zwolf Lieferungen jahrlich, eine jede zu zwolf Tafeln,
von denen mindestens je eine in Lichtdruck, die ubrigen in Autotypie
susgefiihrt sind. Aufierdem werden bis zu sechs Beilagen in Heliogravure
oder Farbendruck geliefert. Das Format ist ein handliches Quarto. Zu
jeder Tafel erscheint eine Erlauterung in russischer Sprache, die franzosische
Ubersetzung aller Erlauterungen folgt am Schlusse jedes Bandes. Die
Unterschriften der Tafeln und der gelegentlichen Textabbildungen sind
in beiden Sprachen abgefafit. In dieser Form hofft die Redaktion im
Laufe der Zeit ein Corpus der in Rufiland beflndlichen Kunstwerke zu
schaffen, soweit diese mehr als nur »archaologisches« Interesse be-
anspruchen.
Der Gesamtplan konnte sich erst wahrend des Fortschreitens der
Publikation herausbilden. Anfangs erschienen Lieferungen recht bunten
Inhalts, doch schon im zweiten Semester begann ein neues System, das
wohl herrschend bleiben wird: jede Lieferung beschaftigt sich mit einer
offentlichen oder privaten Kunstsammlung oder Kunststiitte, einem Schlosse
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*3»
Literaturbericht.
oder dergl. m. Das neue System hat nicht nur den Vorzug, dafi das
Abbildungsmaterial durch die Textillustrationen vermehrt werden kann,
sondern es gewinnt auch die Physiognomie jeder Lieferung an Geschlossen-
heit. Im folgenden kommen zuerst die Lieferungen des ersten Typus
(I. S. i — 7, ii. 12. U.S. i) sodann die des zweiten (I. S. 8 — io.
II. S. 2 — 12) zur Besprechung.
Der Inhalt der beiden vorliegenden Jahrgange bietet wohl fUr jede
Spezialitat der Kunstgeschichte interessantes Material. Leider sind die
Antiken in der Qualitat der Wiedergaben schlecht weggekommen: die
Masken der Sammlung Botkin (I. 13), die Goldsachen, Bronzen und
Terrakotten der Ermitage (I, 1. 25. 38) sind ganz ungeniigend. Die Frau
mit dem Eroten aus der Sammlung Ssabiirow ware besser durch eine
weniger bekannte Terrakotte ersetzt worden1). Die genannten Tafeln
gehoren allerdings in die allerersten Lieferungen, wo die technischen
Krafte sich erst an die neuen Aufgaben gewbhnen muflten. Erfreulicher
sind die Karyatide, der Dionysos und das Kopfchen einer Romerin in
der Ermitage (I, 49. 61. 73).
Die altrussische Kunst, bis zur Zeit Peters d. Gr., hat den ihr ge-
buhrenden Platz gefunden. Die stilistisch bemerkenswertesten Stuck e
gehoren der Edelschmiedekunst an. Neben ihnen sind hervorzuheben :
ein Heiligenbild der hll. Ftirsten Boris und Gleb im Museum Alexanders III.
in St. Petersburg, einige emaillierte Nimben in der Schatzkammer des
Spasski-Klosters zu Jaroslaw (I, 2) und zwei Wachsleuchter der Maria-
himmelfahrtskirche zu Wladi'mir. Spezifika sind die Truhe mit durch-
brochenen Eisenbeschlagen , auf deren Innendeckel der Sagenvogel
»Alkonost« gemalt ist (II, 3. 4) und ein Kastchen aus geschnitztem Wal-
roflzahn, beide aus dcm 17. Jahrhundert stammend. Mit dem 18. Jahr-
hundert beginnt die intensive Beeinflussung der russischen Volkskunst
durch den Westen, jedoch ohne dafl die Traditionen der alten Zeit
ganzlich verschwinden. Erst mit dem vorigen Jahrhundert sterben die
alten Keime und das gesunde Kunstgewerbe im Volke definitiv at>.
Aus der Ubergangsperiode geben die Tresors d'art verschiedene keramische
und metallene Gefafie (I, 68. 78. 121. 122. 135. 141). Das russische
Kunstgewerbe vom 14. — 18. Jahrhundert ist allseitig vertreten im Russi-
schen Museum des Herrn P. M. Sschtschukin in Moskau (II, Lief. 6).
Die Plastik war eine von der orthodoxen Kirche nur geduldete Kunst
und wurde 1721 durch einen Ukas Peters d. Gr. vollstandig proskribiert.
l) Sowohl diesc, wie die Madchengruppc, die beide bei Woermann, Geschiclite
der Kunst I S. 359 abgebildet sind, befinden sich, wie alle Ssabiirowschcn Terrakotten
in der K. Ermitage, nicht, wie Woermann S. 360 angibt, im Berliner Museum.
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Literaturbericht
239
Die Konsequenzen desselben haben weniges verschont unci daher sind
die beiden Haupter Johannes d. T. des Alexandermuseums (I, 18) und
die beiden mannlichen Heiligenfiguren des Museums der K. Gesellschaft
zur Forderung der KUnste sehr interessant (I, 78). Der erste Jahrgang
brachte auch einige Abbildungen altrussischer Baudenkmaler, doch ist
weder von den Kirchen im Zentrum des Reiches, in Borissoglebsk,
Toltschk6wo, Kol6menskoje, noch von den Holzbautypen der nordlichen
Gouvernements Archdngelsk und Ol6nez nach den Tafeln (I. 3. 4. 14. 28.
39. 40) ein deutliches Bild zu gewinnen; aucb die dekorativen Details
VI, 15. 17. 27. 51), die zum Teil denselben Kircben angehoren, scheinen
mir ungeniigend sein. Uberhaupt scheint mir die Wiedergabe von
Kirchenbauten eine fur die Tresors d'art zu komplizierte Aufgabe
zu sein.
Fur Interessenten ist ja auflerdem durch die Publikationen des
Architekten Akademiker Ssuslow gesorgt. Bedeutend mehr als die alten
Kirchen eignen sich durch ihren stark dekorativen Charakter die Pracht-
bauten des 18. Jahrhunderts zur Abbildung in den Tresors d'art. Wir
lernen hier die Bauten von Antonio Rinaldi (1709 — nach 1790) kennen:
das Chinesische Palais und den »Rutschberg« (Russischer Berg, Katdlnaja
Gorka) in Oranienbaum bei St. Petersburg; an beiden Bauten waren
Stefano Torelli (1712 — 1784) und die beiden Barozzi (oder Barocci,
Giuseppe Gioachino f 1780, Serafino Lodovico f 18 10) als Dekorateure
beschaftigt. In erwiinschter Weise finden wir Rastrelli den Jtingeren
vertreten. Graf Bartolomeo Rastrelli (1700 — 177 1?) ist die bedeutendste
Kapazitat der Architektur, die jemals in St. Petersburg und Umgegend
gewirkt hat. Nicht nur die wichtigsten Schlosser der Umgebung der
Residenz wie Zirskoje SseI6 und Peterhof sind unter seiner wesentlichen
Mirwirkung entstanden, sondern auch in der Stadt selbst treffen wir auf
zahlreiche Spuren seines Stils. Bisher erschienen von seinen Bauten das
Palais Stroganow, dann die Kirche und zahlreiche Innenraume des grofien
Palais in Peterhof (I, 98. 10 1. 136. Text S. 155; 11,74—80.85. Text
S. 155. 165. 174). Seine Bedeutung wird durch die bevorstehende
Publikation des Grofien Palais in Zdrskoje Sseld noch mehr ins Licht
rucken. Es seien in Peterhof noch die feinen Holzschnitzereien von
Nicolas Pineau und das reizende Japanische Kabinet genannt (II, 83. 84.
00). In spaterer Zeit war dort der feine Dekorator Girolamo Guarenghi
v'oder Quarenghi 1744 — 181 7) tatig (II, 83. 84. 90). Bemerkenswert ist
in Peterhof schliefilich noch der grofie Neptunsbrunnen, der von Christoph
Richter (1610 — 76) und Georg Schweiger (1620 — 1690) fiir den Markt-
platz von Nurnberg gearbeitet war, wegen Wassermangel nicht zur Auf-
stellung kam und 1799 vom Ntirnberger Rat fiir 66000 Gulden an den
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240
Literaturbcricht.
Kaiser Paul verkauft wurde (IT, 87). Von den zahlreichen dekorativen
Malereien Hubert Roberts in den Palais sind einstweilen nur drei Bilder
aus dem Palais der Grofiftirsten Sergius wiedergegeben (I, 144). Im
Anschlusse an die Schlosser und ihre Dekoration seien einige Mobel und
Kostbarkeiten, auswartige Arbeiten fiir den russischen Hof, genannt: ein
Empiretisch von P. P. Thomire (1751 — 1843), ein Schrank von David
Rontgen (1743 — 1807) (I, 12. 24), eine franzosische Dose in rosa Email
aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, eine Dose mit Gouacheinalereien
von H. D. van Blarenberghe geschmtickt, die Probestlicke aus der pracht-
vollen englischen Goldtoilette der Kaiserin Anna (f 1740) (I, 59. 83.
84. II, 6).
Wie der gesamte Kunstbedarf der russischen Aristokratie des
18. Jahrhunderts wurden zunachst auch die Portrats von Auslandern
geliefert Diese sind vertreten durch Nattier, Portrat eines Ftirsten
Kurakin (? die Bezeichnung auf der Tafel als Graf Panin ist jedenfalls
falsch II, 38); Stefano Torelli, Triumph Katharinas II. und Portrat des
Ftirsten Gregor Orldw (II, 7. 39); Greuze, Portrat des Grafen Andreas
Schuwalow und seiner Gemahlin. Diesen schliefien sich an Kaiser Paul
im Malteserornat mit der Kaiserkrone von Salvatore Tonci (I, 131), seine
Gemahlin, die Kaiserin Maria von Alexander Roslin (II, 41), die Kaiserin
Elisabeth, Gemahlin Kaiser Alexanders I., von Mme. Vigee-Lebrun und
das Gruppenportrat der Grafin Ssaltykdw und ihrer Familie von Joh. Fr.
Aug. Tischbein (II, 40). Neben den Auslandern treten mit der Mitte des
18. Jahrhunderts einige russische Portratmaler auf. Der alteste von ihnen,
Alexei Antr6pow (17 16 — 1795) ist im Bildnis der Grafin Rumianzew
(II, 37, falschlich Grafin Aprdxin genannt, vgl. franz. Text S. X) kalt und
hart, wie in den meisten seiner Arbeiten; ihm gegentiber nehmen sich
Dmitri Lewizkis Portrats (II, 81 u. Beil. IV) viel vorteilhafter in malerischer
Beziehung aus. Feodor R6koto\v (1730? — 1800) ist durch ein Portrat
Katharinas II. im Schlosse zu Gatschina gut vertreten (II, Beil. II); die
malerisch bedeutendste Leistung dieser alteren Reihe ist das Portrat des
Grafen Alexander Dmitriew-Mamomonow, (I, 71) eins der seltenen Werke
von Alexander Scheb6no\v (geboren 1764). Wladimir Borowikowsky
(1737 — 1830) und Orest Schwalbe-Kiprensky erscheinen vorteilhaft durch
das Portrat der Ftirstin Ssuw6row des ersten (I, 60) und ein Selbstportrat
des zweiten (II, 46). Die spateren Generationen vertreten N. Alexejew-
Syromiatnikow, Alexei Venezianow, Karl Brtillow und Fidelio Bruni, von
denen allenfalls noch Venezianow anziehend wirken kann.
Die freie und angewandte Kunst des Westens nimmt bei der Auf-
zahlung der vereinzelt erschienenen Blatter relativ wenig Raum ein, doch
wircl das Verhaltnis durch die Bestande der Sammlungen, denen ganze
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Literaturbericht.
241
Lieferungen gewidmet sind, ausgeglichen. Unter den Einzelblattem, die
plastische Werke wiedergeben, ist vor allem Michelangelos kauernder
Knabe in der Eruiitage zu nennen (I 32). Neben ihm kornmen die Marmor-
friese, die aus der Sammlung Spitzer in das Museum der Zentralzeichen-
schuk des Baron Stieglitz in St. Petersburg gelangt sind und Antonio
Lombardo zugeschrieben werden (I 65), und Falconnets Badende beim
Fursten Jussiipow (I 44) weniger in Betracht
Die Renaissanceabteilung der K. Ermitage, die bekanntlich aus der
Vereinigung der Sammlung Basilewski und dem K. Arsenal in Zarskoje
Sselo entstanden ist, ist durch ihre prachtvollen St.-Porchaires (I 21), eine
franzosische Kredenz mit bemalter Holzschnitzerei aus dem 15. Jahr-
hundert (I 19) und einem Schilde mit dem genuesischen Wappen (I 7)
yertreten, den der Tradition nach der Grofie Rat von Venedig 1368
.Andrea Contarini als Ehrengabe schenkte. Von den tibrigen kunstgewerb-
lichen Sachen, die zur Abbildung gelangt sind, verdienen besondere
Beachtung ein prachtiger Sekretar Louis XIV. (I 56. 57) im Stieglitz-
Museum, einige Tabaksreiber und ein Rocaillesessel eines Rabbiners
I 35» 47)t die dem Museum der K. Gesellschaft zur Forderung der Kiinste
gehoren.
Unter den Gemalden in der Diaspora stechen die spiiten Franzosen
bervor. Wenn Watteaus »Delassements de la guerre« als interessantes
Fruhwerk hier am Platze sind (I 69), so sind die Griinde fur die Auf-
nahme von Nicolas Poussins Tankred und Erminia nicht recht erfindlich
(I 67). Dem Fursten Jussiipow gehoren zwei heroische Landschaften von
Qaude Lorrain (I 46. 58), eine Geburt der Venus von Boucher (I 36) und
eine Atelierszene von Leopold Boilly (I 48). Ein sehr feines Sttick ist
die Escarpolette von Pater, die dem Moskauer Rumianzew-Museum ge-
hort (I 29). Von Italienern gab es eine allegorische Skizze von Tiepolo
(I 22) und Cimas entzuckende Verkiindigung (I 20). Unter den Nieder-
landern begegnen uns einige gute Bekannte aus der Ermitage: Sir Phillip
Wharton von van Dyck (I 10) und die Dame mit der Magd von Pieter
de Hoogh (I 127); aufier ihnen erschienen eine Landschaft von Rubens
(I 33) und eine mythologische Skizze von Jordaens (I 80), beide ebenfalls
der Ermitage gehorig.
Die Auswahl der Gemalde wird wesentlich erganzt durch die Bilder
der Sammlung en des Grafen Str6ganow und des Wirkl. Geheimrats
P. v. Ssemeonow (I Lief. 8. 9). Aus der Galerie Str6ganow sind Rembrandts
Jeremias (I 108) und Boltraffios hi. Ludwig (I 97) vor alien anderen zu
nennen. Vier Teile eines Altarwerkes gehen als Botticelli (I 102. 103);
eine Madonna wird auf Grund eines Monogramms Petrus Cristus zu-
geschrieben (I 106); es haben ferner noch eine Peruginomadonna und
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242
Literaturbericht.
eine Filippino zugeschriebene Verkiindigung Platz gefunden (I 104 und
Text S. 165). Eine inannliche Biiste (I 105) wird als Donatello ein-
gefiihrt, als Schlufivignette im Texte figuriert der vieluuistrittene Apoll
Str6ganow. Das Palais (und seine Ansichten auf Tafeln und Texte) ist
oben als Werk Rastrellis d. J. genannt worden. Von den Bildern der
Sammlung Sseme6now sind reproduziert worden: Frohliche Gesellschaft
von Jan Steen; Dorfansicht von v. Goyen; Selbstportrait von v. d. Heist;
Reiter und Knabe von Salomon von Ruysdael; eine Frau einen Mann
bewirtend von Qu. Brekelencamp; Landschaft uiit Jagern von Ludolf
de Jonghe; Moses und der Engel von CI. Moeijart; Waldlandschaft mit
Kuhen von Jakob S. van Ruisdael; Stillleben von Frans Hals d. J.; An-
sicht einer italienischen Villa von Emanuel de Witte und ein Damen-
portrat von A. v. d. Tempel (1 85 — 96). Im Texte (I S. 119 ff.) sind
wiedergegeben : Mannerportrat von Simon Kick; Reiter im Walde von
P. Nolpe; Madchenportrat von Hendrik v. d. Vliet; Landschaft mit
Soldaten von Es. v. d. Velde; Landschaft von P. de Bloot; Nachtsttick
von G. Dow; endlich als Vollbild die Stindflut von Jakob Savery. Spiiter
erschien noch das Grimaldibildnis von Joost van Cleefe (I 125).
Die Sammlung des kurzlich verstorbenen Grafen Paul Schuwalow
(nicht der fnihere Botschafter am Berliner Hofe) umfafit neben Gemalden
auch Skulpturen und vor alien Dingen Werke der Kleinkunst Von den
Gemalden ist das interessanteste Stuck unleugbar die frlihniederlandische,
sicher in Spanien entstandene dreiteilige Kreuzigung, welche in der
Sammlung Pedro Campana heifit, mit ihm aber garments zu tun hat
(II 125). Eine Flucht nach Egypten von Jordaens (122) ist sehr an-
genehm; ein kleines Frauenportrait kann wohl sehr berechtigt sein als
Corneille de Lyon zu gelten (124). Neben ihnen finden wir eine hafl-
liche Madonna vom Meister des Todes Maria (126, Kopie?), einen Lauten-
spieler von Caravaggio (128) und eine Zeichnung, die Watteau genannt
wird (130). Ein Hauptsttick der ganzen Sammlung ist das byzantinische
Elfenbeintriptychon (121), das eine eingehende Wurdigung durch unseren
bekannten Byzantinisten J. J. Smirn6w erfahrt. Die tibrigen Tafeln geben
wieder eine feine Terrakottamadonna in der Richtung des Antonio
Rossellino (131), ein Kanonenmodell aus der Zeit Ferdinands II. von
Toskana (129), zwei Prachtgefafle aus Krystall (123) und schliefilich eine
sehr prasentable Bronzebiiste des Ftirsten Platon Subow, die mit ziem-
licher Sicherheit eine Arbeit von Jean -Dominique Rachette genannt
werden kann (127). Der beiden Greuzeportrats ist bereits Erwahnung
geschehen. Von den Textabbildungen sind eine kleine Ansicht des Dorfes
Egmont von Ruisdael, der Amor von Falconnet und ein Portrat von
Willem v. d. Vliet (?) zu nennen. Wichtiger als sie sind aber die Limoger
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Literaturbericht. 243
Emails (S. 282. 284. 286. 288. 293), ein sehr feines St. Porchaire-Salzfafi
(S. 284. 287) und die Palissyarbeiten (S. 300); eine Textabbildung bringt
den fragiichen Wandbrunnen aus der Sammlung Stein (S. 2<)S)2).
Die Sammlung des Akademikers M. P. Botkin in St. Petersburg
II. Lief. 2. 3) umfafit fast ausschliefilich Werke der Plastik und des Kunst-
gewerbes. Aus dem Besitz der Grofifurstin Maria, Herzogin von Leuchten-
berg, sind in die Sammlung drei Terrakottawerke gelangt: eine bemalte
Madonna (friiher erschienen I S)3) und Biisten: ein Jlingling und ein
jugendlicher Taufer, wohl alle drei Florentiner Ursprungs, was bei der
.\fadonna weniger klar sichtbar ist, als an den Biisten (II 20. 34). Eine
Kinderbiiste in Marmor (Text. S. ^^) heifit in der Unterschrift total ver-
kehrt Schule Donatellos; sie wird im russischen und franzosischen Text
(S. 56 und VIII) schon viel rich tiger der Richtung des Antonio Rossellino
zugewiesen, was allerdings vielleicht auch bestritten werden kann. Von
Antiken wird eine Reihe von Terrakottamasken (S. 25. 27 und friiher
I 13) und verschiedene Vasen (27. ^^ und S. 28) gegeben. Von der
reichen Sammlung byzantinischer Emails, die Akademiker Botkin besitzt,
gibt die farbige Beilage III einen Pankrator aus dem 10. — 11. Jahr-
hundert wieder: andere Emails sind im Texte abgebildet (S. 57. 61), wie
auch einige Elfenbeintafeln (S. 56. 58), von denen drei weitere auf Tafel 14
vereinigt sind. Auch russische Alterttimer enthalt die Sammlung, vorzugs-
weise Goldschmiede- und Emailarbeiten (24. 26. 32. 36. S. 55. 59. 68. 66).
Mit besonderer Vorliebe hat sich Herr Botkin dem Kunstgewerbe der
italienischen Renaissance zugewandt: wir finden eine Reihe Majoliken
16. 21. 28. S. 38. 39. 63); geschnitzte Truhen (18. 35. S. 56); Lederarbeiten
22. S. 35 — 37); Bronzen, unter denen die Turklopfer hervorstechen (13. 31.
S. 54). Ein Aquamanile, ein Gefafi in Form eines ratselhaften Tiers un-
bestimmbaren Ursprungs und unbekannter Bestimmung, ein persischer
;oder polnischer?) Teppich komplettieren die Lieferungen (19. 29); schliefl-
Ikh diirfen die verschiedentlichen Entwiirfe des Malers Alexander Iwanow
1806 — 1858) fur sein Lebenswerk, die Erscheinung Christi (oder Predigt
des Taufers) nicht vergessen werden (17. S. 43. 60. 64).
Die beiden Schatzkammern : die »WafTenhalle« des Moskauer Kreml
und die »Galerie der Kostbarkeiten* der Ermitage (II. Lief. 9 — 10; 12)
mogen am Schlusse unseres Uberblicks gestreift werden. Die WafTenhalle
2) Referent, dem der Text zur Lief. 11 libertragen war, hofft in nachster Zeit
«ae kritische Behandlung der Sammlung Schuwiilow vorlegen zu kcinnen. Cbrigens
niufl er die Verantwortung fttr die Unterschriften der Tafeln und Textillustrationen von
sich ablehnen, ebenso fttr die franzosischc Rcdaktion der Erlauterung, die alle von der
Sciirifdeitung herrilhren.
^ In der franz. Beschr. 9.
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244
Literaturbericht.
(Orushanaja Paldta) birgt Schatze, die nicht nur dem Historiker von
Interesse, sondern auch fur die Geschichte des Prunkgerates von Wert
sind. Neben Werken orientalischen (97. 100. 109) und byzantinischen
Ursprungs finden wir vor allem deutsche Arbeiten (no. 112. 113. 114.—
115. S. 221.222.228.243), sodann englische (no. in) und wohl auch
italienische und polnische (104. S. 222). Als Geschenke an die ersten
Zaren aus dem Hause Romdnow (seit 16 13) sind die Sachen nach Rufi-
land gelangt. Arbeiten der russischen Handwerker des Zarenhofes sind
auf Tafel 105 — 107 und im Texte S. 213. 214. 220. 233. 234 zu sehen.
Die auslandische Handwerkerkolonie, die sich im Laufe des 17. Jahr-
hunderts im »auslandischen Viertek (Xemezkaja ssloboda) von Moskau
kraftig entwickelte, erhielt bedeutsame Auftrage fiir den Hof: der Doppel-
thron der Zaren Joanns V. und Peters I. (des spateren Kaiser P. d. Gr.,
der 1682 — 1696 mit seinem Bruder J. gemeinsam regierte; 98) ist von
Deutschen, Krone, Reichsapfel und Zepter des ersten Romdanow, des
Zaren Michael (1613 — 1645; 99* IOI« I02) smd von Italienern gearbeitet.
Sehen wir von einigen Stiicken aus den Zeiten Peters II. 1727 — 1730)
und der Kaiserin Elisabeth I. (1741 — 1761) ab, so tragt die Waffen-
halle ganz das Geprage der vorpetrinischen altrussischen Zeit, wahrend
der Kostbarkeitengalerie der Ermitage das Zeitalter Elisabeth I. und
Katharina II. (1762 — 1796) die Signatur gibt. Aus ihrem ebenso ktinst-
lerisch als materiell wertvollen, mannigfaltigen Bestande sei nur der
Spiegel der historischen englischen Toilette der Kaiserin Anna (1730 — 40;
144) von der einige Stticke schon friiher reproduziert waren (II. 6), unci
der prachtvolle mit Brillanten und Rubinen geschmuckte goldene Hand-
spiegel franzosischen Ursprungs genannt, den Osman III. der Kaiserin
Elisabeth schenkte (136). Dagegen ist die abstofiende Biiste der Konigin
Marie Antoinette weder des Namens Houdon, noch der Reproduktion
wert (137). Die Tresors d'art werden hier noch sehr viel Material finden;
hoffentlich gelangen die herrlichen Pendeloques, die auf Tafel 9 des
I. Band es4) fast unkenntlich sind, zu nochmaliger Abbildung.
Mit der Kostbarkeitengalerie schliefit der zweite Jahrgang der
Trdsors d'art en Russie. Fiir den dritten hat die Redaktion die Schlosser
in Zdrskoje Sseld und Pawlowsk in Aussicht genommen, die durch
Architektur, Dekoration, Gartenanlagen und die grofie Zahl einzelner Kunst-
werke, die sie beherbergen, eine Menge interessanten Materials liefern
werden. Ferner soil anlafilich der bevorstehenden Zweijahrhundertfeier
der Stadt Petersburg eine Lieferung dem Zeitalter Peters d. Gr. gewidmet
sein, wahrend eine andere »St. Petersburg als Kunststadt im Laufe der
4) Franz. Text 8 !
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Literaturbericht.
245
ersten anderthalb Jahrhunderte seiner Existenzc behandeln soil. Der
Bauer in der russischen Vrergangenheit wird von I). J. Ssisow auf Grund
der Denkmaler des Kaiserlichen Historischen Museums in Moskau be-
trachtet werden. Al. Benois, der Redakteur der Tre*sors, wird den Text
zur Gemaldegalerie des Herm D. J. Schtschukin verfassen, wahrend die
Bildersammlung des Herzogs von Leuchtenberg der bewahrten Kraft
Alexander Neustr6jews anvertraut ist.
Beim Uberblick liber die beiden vorliegenden Biinde kann man
nicht umhin, einige Desiderata fiir die Zukunft zu registrieren. Eine
fortlaufende Numerierung der Tafeln durch alle weiteren Biinde ware
zweckmafiig; da dies beim zweiten Bande unterblieben ist, hatte Tafcl 1
des neu beginnenden dritten 289 zu tragen. Fiir die Unterschriften der
umrahmten Tafeln miiflten durchaus deutlichere Charaktere gewahlt
werden an Stelle der schlechterdings unleserlichen archaistischen Majuskeln,
die bisher ublich waren. Bedeutend wichtiger als diese rein auflerlichen
Verbesserungen ist die strikte Vermeidung von Inkongruenzen zwischen
den Unterschriften, den russischen und den franzosischen Erlauterungen,
die sich gelegentlich sehr unliebsam bemerkbar rnachen.5) Sehr sym-
pathisch wird es allerseits beriihren, wenn in Zukunft ein gewisser
paneg>Tischer Ton, den der Text gelegentlich den publizierten Samm-
lungen und abgebildeten Kunstvverken gegentiber vernehmen lafit (z. B.
russ. Text I S. iiQtT. II S. 25 flf. und iooff.; franz. Text S. IX u. X), nicht
mehr horbar wird. Das Erscheinen einer Chronik als Beiblatt erscheint
bei einem Tafelwerk auf kunsthistorischer Basis ziemlich unmotiviert.
Die K. Gesellschaft zur Forderung der Ktinste dtirfte vielleicht auch
andere Wege finden, die Berichte iiber ihre Tatigkeit zu veroffentlichen
als in dieser Chronik; wenn nun dieselbe durch Wiedergabe von Pira-
nesiscben Careen und Dekorations- und Mobelentwiirfen von Percier
end Fontaine illustriert wird, hat dies keinen ersichtlichen Grund.
Im weiteren Gange der Publikation wird sicher vieles gebessert
werden, wie manches besser geworden ist. So sind bei den Tafeln
erfreuliche Fortschritte in technischer Beziehung zu konstatieren ; sie
5) Teppich der Sararalung Botkin (II 29). Unterschrift : »Tapis persan (polonaisr)«.
Beschreibung der Sammlung (S. 41): >polnisch Fabrik Sluck«; russ. Erlauterung (S. 51):
>iaoni Sluck« mit hist. Begrtindung; franz. Erlauterung (S. VII) : » Tapis persan du XVI ou
•XVII sice] e«. Cber die KinderbUste derselben Sammlung vgl.oben S. 13. Kreuzigungs-
tfiptych des Gr. Schuwalow (II 125). Beschreibung der Sammlung: »Kein Grund,
fs Pedro Cam pan a zu nennen« ; russ. Erlauterung: »Pedro Campana?« »in der Samm-
lang falschlich P. C. zugeschrieben« ; franz. Erlauterung: »attribue a P. C.«. Lnterschrift
in beiden Sprachen: >Pedro Gimpana* ohne Fragezeichen. Zu den Inkongruenzen gehort
auch die Verwechselung der 8 u. 9 im franz. Text von I Lief. 1.
Repertorium fUr Kuiwtwissenschaft, XXVI. 17
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jj<6 Literaturhericht.
konnen jetzt durchaus einwandsfrei genannt werden; hier sind die
Leistungen des Photographen Nikolajewski besonders hervorzuheben.
Groflere Schwierigkeiten dtirften der Leitung der Tresors d'art aus ganz
anderer Richtung envachsen. Bis zur Stunde herrscht in Ruflland, von
wenigen Gebieten abgesehen, ein fast absoluter Mangel an fachmannisch
geschulten Kunsthistorikern. Dieser Mangel beherrscht den Text ^incl.
Unterschriften) der Tresors d'art, die sich hier in viel ungiinstigerer Lage
befinden als beispielsweise Spemanns Museum mit seinem glanzenden
Stabe von Mitarbeitern, und denen die Gefahr dilettantischer Behandlung
zu vermeiden schwer sein mufi, was bei gerechter Beurteilung ihrer
Leistungen in Betracht gezogen sein will. Allein die textliche Seite der
Edition ist fur die Wissenschaft nicht von Belang, zurxial der wesentlichste
Teil in russischer Sprache erscheint; ftir sie sind die Tafeln ein erwunschter
Zuwachs an Anschauungsinaterial, der durch Mannigfaltigkeit und Masse
der Beach tung wert ist: unter diesem Gesichtspunkte dtirften die Tresors
dart auch von der Wissenschaft willkomrnen gehefflen werden.
St. Petersburg, den 28./15. Februar 1903.
James v. Schmidt.
S k u 1 p t u r.
Otto Buchner, Die mittelalterliche Grabplastik in Nord-Tliii-
ringen, mit besondcrer Bcriicksichtigung der Erfurter Denk-
maler. (Studien zur Dcutschen Kunstgeschichte Heft 37.) Strafiburg,
Heitz u. Miindel, 1902. 180 S. 8°, mit 18 Abbildungen im Text und
17 Lichtdrucktafeln.
Eine dem Thema nach bescheidene, aber gut gearbeitete und ntitz-
liche Schrift, auf die ich hiermit aufmerksam machen inochte. Die
Grabplastik des Mittelalters wirkt durch ihre ungeheure Massenhaftigkeit
bei meistens nur mittelmafiiger oder noch geringerer Qualitiit der ein-
zelnen Denkmaler naturgemali abschreckend auf die Forschung. Unci
doch ist aus ihr ftir die Stilbewegung wie ftir den Motivenschatz viel zu
Iernen, zumal in den meisten Fallen sichere Datierungen zu Htilfe
kommen. Nur schrittweise wird man ihrer Durcharbeitung Herr werden
konnen und sicher am besten in der Weise, dafi nach und nach einzelne
Landschaften in Angriff genommen, diese aber dann tunlichst eingehend
behandelt werden, wie es Buchner hier versucht hat. Wie weit es ihm
gelungen ist, in den wichtigeren Denkmalern vollstandig zu sein, kann
ich nicht beurteilen. Die einzelnen Analjsen sind sorgfaltig und mit
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Literaturbericht.
247
kiinstlerischem Blick durchgefiihrt; angreifbarer sincl rnanche verall-
gemeinernde Satze, z. B. auf S. 29 die Meinung, dafi die Sitte, die Grab-
steine aufrecht an die Wand oder einen Pfeiler zu stellen, nicht aus
Platzmangel, sondern »aus dem Zwang des der Gotik eigenen Vertikalis-
mus< (wieviel Ratsel hat nicht dieser deus ex machina schon losen
miissen!) zu erklaren sei.
Es ware zu wiinschen, dafi Buchner fur andere deutsche Land-
schaften Nachfolger fande. Dehia.
Paul Vitry, Michel Colombe et la sculpture francaise de son
temps. Paris, Librairie centrale des beaux-arts. 190 1. gr. 8°.
In Frankreich steht das Urteil fest, dafi der Name Michel Colombe
tm des plus grands noms de la sculpture francaise sei (Courajod). Leider
ist die Zahl der von ihm erhaltenen Werke ganz klein: die Medaille auf
Konig Ludwig XII, das Relief aus Gail Ion im Louvre, das Grabmal des
Herzogs Franz von der Bretagne in der Kathedrale von Nantes — das
ist alles; dazu noch die Einschrankung, dafi an dem letztgenannten
Hauprwerk die Erfindung nicht von Colombe herrtihrt und an der Aus-
fiihrung in grofiem Umfange Gehiilfen beteiligt waren. Wer einem so
fragmentarisch uberlieferten Kiinstler einen Band von 531 Seiten in
I^xikonoktav widmet, mufi von der Uberzeugung durchdrungen sein, dafi
>ehr wichtige Probleme mit seinem Namen verkniipft sind.
Die franzosischen Kunstschrifts teller haben bis vor kurzem ihr
tunfzehntes Jahrhundert wenig geliebt. Zwischen den beiden blendenden
Krscheinungen der zeitgenossischen italienischen und niederlandischen
Kunst schien es zu sehr im Schatten zu stehen. Es wurde als etwas
peinliches, einigermaflen als ein Anomalie der Weltgeschichte empfunden,
dafi die Renaissance anderswo als in Frankreich entsprungen ist. Auf
den ersten Blick sieht es in der Tat so aus, als ob mit dem Absterben
der grofien mittelalterlichen Kunst die schopferische Kraft des franzosi-
schen (ienius fiir langere Zeit erloschen sei. Courajod hatte sehr recht
mit seinem leidenschaftlichen Anruf, man solle doch nur die Augen
auftun und werde finden, dafi Frankreich schon voile hundert Jahre vor
dem Einzug der Renaissance von Italien her eine ganz neue und hochst
lebensvolle Kunst besessen hatte; aber auch fiir sie und zumal fiir sie
den Namen Renaissance in Anspruch zu nehmen, war doch ein bedenk-
liches Spiel mit Worten; und vor allem, diese Kunst war nicht fran-
zosisch, sondern niederlandisch ; eingewanderte Niederlander waren in
alien Teilen des Landes die gesuchtesten Kiinstler und die eingeborenen
gerieten in solche Abhangigkeit von jenen, dafi sie oft gar nicht mehr
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^4§ LiterattirbcricKt.
zu unterscheiden sind. Erst uui die Wende zuin neuen Jahrhundert
wurden die Franzosen voiri niederlandischen Joche frei — aber nur, urn
ein neues, das italienische, auf sich zu nehtnen. Was hatte sich zwischen
diesen beiden ubermachtigen Eindringlingen iiberhaupt noch von eigent-
lich franzosischem Wesen behauptet?
Die Frage ist fiir den Gewissenhaften nichts weniger als leicht zu
erledigen. Eine einfach verneinende Antwort hat niemand geben wollen;
ebensowenig sind sichere Kriterien genannt worden, an denen in dem
bunten Gewebe der franzosische Faden zu erkennen ware. Am oftesten
wurde auf Michel Colombe hingewiesen; aber indem man die Ziigc,
in denen seine Kunstvveise von der herkommlichen franco-flandrischen ab-
weicht, auf den neueingetretenen italienischen Einrlufi zuriickfiihrte, zcr-
stortc man sich im Grunde wieder den Beweis. Vitry hat richtig gefiihlt,
dafi man iiber Colombe nicht urteilen kbnne, ohne sich mit der ganzen
zeitgenossischen Kunst aufs breiteste auseinanderzusetzen. So redet denn
kaum ein Drittel des Buches vom Titelhelden unmittelbar, es enveitert
sich zu einer Untersuchung iiber das Problem der franzosischen Re-
naissance tiberhaupt.
Von den drei Teilen des Buches behandelt der erste die Vitalitiit
der franzosischen Kunst im 15. Jahrhundert und die Momente des Wider-
standes gegen den rein flandrischen Stil, der zweite das Eindringen des
italienischen und die Fortdauer des niederlandischen Einflusses vor und
nach 1495. Vitry gibt hier die ausfiihrlichste und besonnenste Par-
stellung, die diese Materie bisher empfangen hat; ich bedaure, auf die
interessanten Einzelheiten nicht eingehen zu konnen. Ftir die Architektur
kommt er zu derselben Auffassung, die Ref. in der »Kirchlichen Bau-
kunsU II 190 — 193 vertreten hat; sie zeige von der Mitte des 15. Jahr-
hunderts ab deutlich eine eiwlution pro/ande, aber dieselbe sei weder
Verfall, noch durch italienischen Einrlufi hervorgerufen ; auch die soge-
nannte erste Renaissance unter Karl VIII., Ludwig XII. und wahrend
eines grofien Teiles der Regierung Franz I. sei nur in dekorativen
Aufierlichkeiten italisiert; e'est pendant longtemps encore la construction
stricuse, le plan logiquc, le principe gotMque qui persistent, e'est le style
francais robuste et tligant, clair et brillant, qui se continue tel quHl est far-
mule' au XV* siecle. In der Plastik und Malerei sei vor 1495 von italieni-
schem Einflufi nichts zu bemerken; nur in der Provence habe es schon
vorher ein kleines franco-italisches Zentrum gegeben; aber die Ktinstler
desselben reprasentierten nicht den reinen italienischen Kunstgeist, viel-
mehr batten sie schon ihrerseits flandrische Elemente in ihren Realismus
aufgenommen; der grofie Stil, die reine Form sei von ihnen nicht zu
lernen gewesen. Zum Schlusse konstatiert Vitry — und das ist einer
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Literaturbericht.
249
der Ecksteine in seinem historischen System — fur die letzte Zeit des
15. Jahrhunderts liberall in der franzosischen Plastik und besonders in
der Schule der Loire ein spontanes Nachlassen der realistischen Strenge
und der Ubertreibungen iin Ausdruck, eine leise Neigung zur Korrektur
des individuellen Modells, zur Verallgemeinerung der Typen, zur Verein-
fachung des Details, etwas wie Flucht vor dem Hafllichen.
Wesentlich als Ergebnis dieser ohne Zutun Italiens eintretenden
Abwandlung (die iibrigens nicht auf Frankreich beschrankt bleibt; man
vergleiche Memling und Gerard David oder Schongauer und Adam KrafTt
mit den alteren Realisten) ist, nach Vitry, der Stil Colombes anzusehen.
Die sorgfaltige Untersuchung seiner Lebensumstande hat nichts neues zu-
tage gefordert; wohl aber werden zur rechten Zeit einige im Entstehen
begriffene Legenden zerstort. Die Streitfrage, ob Colombe in Tours oder
noch weiter westlich, in der Bretagne, geboren sei, hat keine allgemeine
Bedeutung. Durchaus fragwiirdig bleiben die angeblichen Lehrjahre in
Dijon bei den Nachfolgern Claus Sluters und der Aufenthalt in Bourges
in der Nahe Mosselmanns. Vitry will nicht jede Beziehung zur bur-
gundischen Kunst leugnen; er meint nur, dafi sie durch gewisse Zwischen-
instanzen sich vollzogen habe, die er im ersten Teil nachgewiesen hat.
Jedenfalls war Tours der dauernde Sitz seiner Werkstatt, und es ist
methodisch richtig, dafi Vitry fur die genetische Erkliirung seines Stils
auf die im Loiregebiet gegebenen Voraussetzungen sich beschrankt.
Colombes Tatigkeit lafit sich, wenn auch mit Liicken, von 1 473 ab ver-
folgen. In diesem Jahre bestellte Ludwig XL, nach glticklicher Rettung
von einem Jagdunfall, bei ihm ein Votivrelief. Im folgenden Jahre
hatte er ein Modell ftir das ktinftige Grabmal des Konigs zu liefern, das
aber erst 1482 von Conrad von Coin und Lorenz Wrine ausgefiihrt
wurde; ob im Anschlufi an Colombes Entwurf, wissen wir nicht. 1480
Denkmal fur den Bischof Louis de Rohault. 1491 Gutachten ftir den
Abt von Saumur. 1498 Modell zu einem Harnisch ftir den Konig.
1500 Medaille auf Ludwig XII. 1502 — 1507 das Grabmal fiir Franz II.
von Bretagne im Auftrage von dessen Tochter, der Konigin Anna (nach-
dem zuerst ein Italiener dafiir ausersehen gewesen war). 1507 Altar fiir
St. Saturnin in Tours mit einem Marientod und Heiliggrab fiir La Ro-
chelle. 1508 Relief fiir Schlofi Gaiilon. 1508 — 15 11 Bischofsgrab in
Nantes. 151 1 Modell fiir das Grab Philiberts von Savoyen in Brou
jiicht zur Ausfiihrung gekommen). Todesjahr unbekannt, 15 12 noch
am Leben.
Soviel lafit sich iiber Leben und Werke Colombes urkundlich fest-
stellen. Von den letzteren haben sich nur die drei erhalten, die an der
Spitze dieses Berichts genannt wurden (durch die Abgiisse im TrocaderQ
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2 co Literaturbericlit.
allgemcin bekannt) unci von ihncn ist eines, die Medaille, ganz geringfiigig.
Fiir das Grabmal von Nantes hat Jean Perreal die allgeuieine Idee ge-
liefert; das ornamentale Beiwerk rtihrt sicher von einem Italiener her;
die Nischenfiguren an der Tumba sind von Schtilerhand ; so bleiben fiir
Colombe selbst nur die Einzelfiguren des Herzogs und der Herzogin
und die groflen Kckstatuen der Kardinaltugenden. Was sonst noch
Colombe voreilig zugeschrieben worden ist, weist Vitry mit voller Be-
stimmtheit und ganz iiberzeugend zuriick: das hi. Grab in Solesmes (Ab-
gufi irn Trocadero), die Madonna von Olivet (Louvre), das Grabmal des
Louis Poncher und der Roberte Legendre (ebendas.); es sind bedeutende
Arbeiten aus derselben Schule, der Colombe angehorte, aber nicht aus
seiner Werkstatt.
Dies Wenige, was von ihm geblieben ist, enthalt immerhin be-
zeichnende Zlige. Als Mafi fiir seine Personlichkeit geniigt es nicht,
doch zeigt es deutlich, wie eng er mit der allgemeinen Schule zusammen-
hiingt. Anspruch auf Grofie hatte der Meister von Solesmes wohl
ebensoviel. Colombe bietet aber fiir den Gedanken, den Vitry durch-
fiihren will, die meiste Beweiskraft. Und dieser neue Geclanke ist: dafi
Colombe mit der Renaissance, als deren ersten Vorlaufer man ihn bisher
immer betrachtete, nichts zu schaften habe. Nichts beweist, dafi er
Mittelfrankreich jemals verlassen habe. Er wird italienische Formen vor
der Rtickkehr Karls VIII. aus Neapel, also vor 1496 schwerlich zu Gesicht
bekommen haben. Die Mehrzahl der Kiinstler, die der Konig mitbrachte,
waren Kunsthandwerker, Dekorateure. Man hat das Grab von Nantes
inmer als Beweis angesehen, dafi Colombe sich sogleich von der neuen
Mode habe gewinnen lassen. Vitrys genaue Analyse der Geschichte
des Denkmals zeigt das Fehlerhafte dieses Schlusses. Der Meister von
Tours ist allein fiir den statuarischen Teil verantwortlich; das Ubrige hat
Perreal angeordnet; wahrend Colombe an seinen Statuen arbeitete, wird
er sich urn die Pilaster und Friese des Girolamo da Fiesole wenig ge-
kiimmert habe. Ein ahnliches ganz aufierliches Nebeneinander der
Arbeiten und der Stile zeigt sich am heiligen Grab in Solesmes, an der
Tumba der Kinder Karls VIII. in Tours, an den Skulpturen von SchloiJ
Gaillon und in andern Fallen mehr; es war in der Zeit dieser ersten ita-
lienischen Invasion geradezu Regel. Bedeutende Werke italienischer
Figurenplastik hat Colombe vielleicht nicht friiher als 1507 kennen gelernt,
jedenfalls noch nicht 1502, als er fiir das Denkmal von Nantes zu arbeiten
begann. Und er war damals schon 70 Jahre alt! Es ist nicht glaublich,
dafi ein Mann dieses Alters seinen Stil sollte von innen heraus reformieren
wollen oder konnen. Deshalb kann die Milderung und Beruhigung des Re-
alismus bei Colombe nicht aus der Dazwischenkunft Italiens, sie mufi anders
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Literaturbericht.
251
erklart wcrden. Ftir Vitry ist es ein Wiedererwachen des alten franzosischen
Geistes; am andern Knde der zu Coloinbe fuhrenden Kette steht nicht die
Antike, sondeni das 13. Jahrhundert; Colombe ist kein Neuerer, kein Er-
offner, sondeni ein Vol lender; le reprisentant le plus mar quant dc cette forme
fart oit se complete, en s'humanisant, Vart du moyen eige chritien. Freilich ist er
auch der letzte, der der »Verfuhrung^ der Renaissance widerstanden hat.
Schon seine Schiiler begannen, wenn auch nur leise und unbewuflt, nach-
zugeben. Vitry rechnet dahin vornehmlich Guillaume Reynault, den man
seit kurzem als den Meister des Grabmals der Poncher kennt. Die Juste
unter Colombes Nachfolger zu stellen, erklart Vitry aber fur absurd;
ihre Kunst ist vielmehr die Negation der seinigen. Urn 1530 ist diese
andere, die italienische, Stromung vollig Herrin der Lage geworden, hat
eine rein franzosische Kunst zu existieren aufgehort.
Fiir das schwerverstandliche Grenzgebiet zwischen Gotik und
Renaissance liefern Vitrys von unabhangiger Kritik und echt historischem
Sinn getragene Forschungen einen hochst bemerkenswerten Beitrag.
Diese Kunst hat mit der italienischen Renaissance wichtige Grundziige
gemein; was sie von dieser unterscheidet ist aber doch nicht bios das
Fehlen des antiken Einflusses; andererseits halte ich es ftir irrefiihrend,
wenn Vitry diesen Stil noch als »gotisch« bezeichnet. Er ist eine selb-
standige ParaJlelerscheinung zur italienischen Renaissance und beide sind,
ebenso wie der niederlandische und deutsche Realismus, Teile einer um-
fassenden Bewegung, fiir die wir einstweilen keinen andern Namen als
den freilich etwas farblosen »modern« haben. Ref. mochte sich nicht ver-
sagen, noch die folgenden fiir Vitrys Aufassung charakteristischen Satze
der Einleitung wortlich mitzuteilen:
^Sagen wir gleich, dafi wir uns so wenig wie moglich des Wortes
Renaissance bedienen werden, das mit Irrtumern, Verwirrungen und
Miflverstandnissen schwanger geht und auf das heute am besten end-
gultig verzichtet werden sollte, wenigstens was unsere nationale Kunst
betrifit; so sehr hat man demselben schon verschiedenartige und selbst
entgegengesetzte Bedeutungen unterlegt. Die einen wollen in dieser
Renaissance die allgemeine Neugestaltung, man sagte friiher- »den Ur-
sprung*, der ganzen franzosischen Kunst sehen, dank der Befruchtung
durch die italienisch-antike Kunst; andere hatten sie am liebsten als
einfache Wiedererscheinung der Antike im 16. Jahrhundert umschrieben;
noch andere, wie z. B. Courajod, beeigenschafteten als Renaissance den
Trieb zum Neuen, der nach Schlufi der gotischen Epoche, im 15. und
schon im 14. Jahrhundert, durch breites Eingehen auf Natur und Leben
eine moderne Kunst erschuf.«
i Diese verschiedenen Interpretationen schliefien eine Verschiedeiv
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25*
Literaturbericht.
heit nicht nur der Schatzung, sondern auch der Datierung ein. Im all-
gemeinen indessen lafit man die in Rede stehende Bewegung mit dem
Eingreifen der Italiener zusarnmentreffen ; aber auch dafiir gibt es keine
feste Zeitgrenze; man kann um zwanzig, dreiflig, selbst vierzig Jahre
schwanken.«
»Aber was auch die Meinung dariiber sei, noch immer ist es ein
Gemeinplatz, zu versichern, dafi gegen Ende des 15. Jahrhunderts die
franzosische Kunst verbraucht und erschopft war. Da man die Grbfie
der mittelalterlichen Kunst nicht mehr leugnen konnte, benutzte man
die These, um zu beweisen, dafi die sogenannte Renaissance des 16. Jahr-
hunderts eine notwendige und heilsame Erscheinung war. Ob diese
These richtig sei fur andere Gebiete, die Literatur zum Beispiel, wollen
wir hier nicht erortern. Aber, was wir fest glauben und was wir hier
begriinden wollen, ist, dafi die franzosische Kunst am Vorabend der
italienischen Kriege von bewunderungswtirdiger Lebenskraft erfiillt war,
dafi das italienische Geschenk sie wie ein Ungllick betraf, und dafi, was
in der Kunst des 16. Jahrhunderts starkes, gesundes und am meisten
fruchtbares ist, z. B. der Realismus eines Germain Pilon, ihr aus diesern
altcn gotischen und nationalen Grunde kam, den die verfeinerten Reize und
die allzu gelehrte Schulung der italienischen Renaissance wohl alterieren
aber nicht vbllig zerstoren konnte«. Ve/uo.
Zei tschriften.
LArte. Periodico dell' arte medioevale e moderna, e darte
applicata all' indu stria, diretto da Adolfo Venturi. Anno V, 1902.
Roma e Milano, Danesi e Ulrico Hoepli coeditori; 430 S. gr. 4 ° mit
zahlreichen Abbildungen in Licht- und Atzdruck.
Unser Jahrgang beginnt mit einer grtindlichen Studie Franc. Egidis
iiber die Miniaturen von Francescos da Barberino allegorischem Gedicht
»Docuinenti d'Amore«, wie sie in zwei Handschriften der Barberinischen
Bibliothek zu Rom vorliegen. Die eine davon (XLVI, 18) war es bisher
ausschliefilich, die den Gelchrten, welche sich mit dem Gegenstande
beschaftigten, als Grundlage der Forschung gedient hatte. Unser Verfasser
macht nun auf die zweite Handschrift (XLVI, 19) aufmerksam, in der
er das in der Provence vom Autor selbst geschriebene und (wie er selbst
im Kommentar seines Gedichtes sagt) »crosso modo« illustrierte Original
der »Documenti d'amore« erblickt. Nach den Zeichnungen — Barberinos
dcnn nur solche, zum Teil mit Farben ubergangen, nicht eigentliche
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Literaturbericht.
253
Miniaturen, enthalt der Codex XLVI, 19 — hat dann ein Miniaturist von
Profession den zweiten, ebenfalls von des Verfassers Hand geschriebenen
Codex XLVI, 18 in Italien ausgeschmtickt. Einige seiner Zeichnungen
hatte Barberino, wie er selbst berichtet, in die Originalhandschrift der
Document! (XLVI, 18) aus einem Werke herlibergenommen, das zur Zeit,
als er in Padua den Studien oblag (1304 — 1308) vielleicht von ihm
selbst verfaflt und mit Zeichnungen versehen worden war, die dann ein
Kunstler von Profession miniierte; denn das leider verlorene »Offitiolum«,
wovon wir reden, wird als ein Juwel von Eleganz gertihmt. Endlich
erwahnt er auch noch die Fresken der Gerechtigkeit, des Erbarmens und
des Gewissens im bischoflichen Palast zu Treviso, die ebenfalls nach
seinen Zeichnungen ausgefuhrt worden seien. Diese Zeugnisse geben
uns eine Vorstellung von der ktinstlerischen Betatigung Barberinos, auf
Grund deren er eine Stelle in der Geschichte der Kunst des 12. — 13.
Jahrhunderts zu beanspruchen haben wird. In der Tat verraten die
Illustrationen der beiden Codices der Barberiniana eine bedeutsame Selb-
standigkeit und Unabhangigkeit von den ktinstlerischen Motiven, die jener
Epoche sonst eigen waren. Der Miniaturist des Codex XLVI, 18, der
die *rohen« Skizzen Barberinos aus XLVI, 19 in sein Werk ubertrug,
hat ihnen allerdings nicht blofi in der Zeichnung ungewohnliche Eleganz
und Feinheit zu geben gewuflt; er erweist sich namentlich im Malerischen
als seinem Vorbild weitaus Uberlegen, indeni er nach dieser Richtung
bin wahre Meisterwerke schuf, die bei aller Anlehnung im wesentlichen
an das letztere, es als reine Schopfungen der Kunst durchaus ubertreffen.
Der Aufsatz Egidis ist von den Reproduktionen samtlicher Miniaturen
beider Handschriften begleitet, die das eben Gesagte zu verifizieren gestatten.
Der Verfasser gibt, zumeist mit den Worten Fr.'s da Barberino selbst, ihre
Erklarung, indem er den Zusammenhang aufdeckt, in dem sie nach der
Idee des Gedichtes zueinander stehen. Der gegenwartige Aufsatz dient
als Vorlaufer fur die vom Verfasser beabsichtigte Drucklegung der in
Rede stehenden Handschrift.
Gustavo F'rizzoni spricht iiber einige Zeichnungen von Correggio:
die uberlebensgrofle Umrifiskizze zu einem der jugendlichen Genien,
dk im Fresko der Domkuppel zu Parma auf der Balustrade liber den
Gestalten der Apostel teils stehen, teils sitzen, im Besitze des Mailander
Advokaten Albasini; das Blatt mit den drei Putten im Besitz von Dr.
Werner Weisbach, ohne Zweifel auch Studien zu den Kuppelfresken des
Meisters darstellend, obwohl diese sich in den ausgeftihrten Bildern nicht
identifizieren lassen; femer die bekannte Skizze zur Madonna mit dem
h. Georg im Dresdener Kupferstichkabinet. Die herrliche Komposition
einer Anbetung der Hirten bei Lord Pembroke, die in ihrer Evolution
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'54
Literaturbcricht.
zwischen den beiden ausgefiihrten Bildern dieses Gegenstandes steht — der
friihen Anbetung bei Crespi in Maiiand und der weltberiihmten »NachU
der Dresdener (Valerie — und die Kunst Correggios auf dein Hohepunkte
ihrer Entfaltung zeigt, ehe sie auf steilem Abhang gegen den Manierismus
herabzugleiten beginnt; endlich die (bisher unveroffentlichte) Zeichnung
zweier Putten aus der Sammlung Piancastelli zu Rom, deren Stelle im
malerischen Werke des Meisters sich noch nicht hat identifizieren
lassen.
Ein zweiter Artikel des gleichen Verfassers bespricht zwci Kunst-
werke, durch deren Schenkung vor kurzem das stadtische Museum im
Sforzakastell zu Maiiand bereichert ward. Das cine ist ein h. Hieronymus
in ganzer Figur von Ambrogio Borgognone (gestiftct von L. Beltrami),
eine ttichtige Arbeit aus des Meisters spaterer Zeit (erstes Dezennium
des 1 6. Jahrhunderts), wie das warmere Kolorit, die weichere Modellierung,
die weniger charakter voile Auffassung im Gegensatz zu seiner Friihzeit
beweist. Das zweite Kunstwerk, ein Geschenk Crespis, ist ein bemaltes
Terrakottarelief der Madonna mit Kind, die ihre Hand segnend auf das
Haupt eines vor ihr knieenden, ihr durch eine h. Nonne empfohlenen
Certosinermonches legt (ehemals im v. Beckerathschen Besitz). Frizzoni
halt es fiir ein Jugendwerk Omodeos, entstanden noch vor der Lunette
des grofien Kreuzgangs in der Certosa, die der Kiinstler mit 20 Jahren
meifielte (1466). Grofle Analogien zwischen den beiden Arbeiten siml
zweifellos vorhanden; allein das Tonrelief ist in Komposition und
Formgebung noch so befangen und unbeholfen, dafi sich die Attribution
nur aufrecht erhalten laflt, wenn man es als das Erstlingswerk des
Kiinstlers betrachtct. Der Fortschritt, den er in der eben erwahnten Lunette
nach jeder Richtung hin gegen das Relief tut, ist ein ganz ungcwohn-
licher.
Giovanni Poggi verficht in einem Artikel >tiber das Turnier
Giulianos de Medici vom Jahr 1475 und die Pallas Botticellis die
These, das ebengenannte Bild im Palazzo Pitti habe nichts mit dem
Turnier zu schaffen gehabt; die Tallas, welche dabei die Standarte
Giulianos schmiickte, sei jene gewesen, welche Vasari in seiner Vita
Botticellis beschreibt. In der Tat stimmt das, was er sagt, mit der Be-
schreibung iiberein, die ein unbekannter Autor von der genannten (unci
den ubrigen) Standarten des Turniers in einem von Poggi aufgefundenen
Manuskripte der Nazionale gibt. Diese Pallas ist es auch, die im medice-
ischcn Inventare von 1492 angefiihrt wird (Miintz, Collections ecc. pag. 86\
wahrend die Pallas mit dem Kentauren erst in einem spateren Inventare
(15 16) vorkommt. Hiernach ist es wohl zweifellos, dafi Botticelli der*
Gegenstand zweimal fiir die Medici gemalt hat. In einem Nachtrag zvi
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Literaturbericht.
255
seinem Artikel (S. 407) weist Poggi iibrigens ein getreues Nachbild der
Pallas vom Turnier des Jahres 1475 m einer Intarsiafigur auf einer der
Tiiren im Schlofl zu Urbino nach.
Der Artikel Emil Jacobsens iiber die Fresken Bern. Luinis in
S. Maria delle grazie zu Lugano bringt nichts Neues, es sei denn die
fluchtige Anfuhrung des Bruchstiicks eines Wandbildes in Casa Guidi,
Christus am Kreuze mit Maria und Johannes zu dessen Fiiflen darstellend
iworauf schon Pierre Gauthier in der Gazette des beaux-arts 1900 I, 239
aufmerksam gemacht hat), sowie die Erwahnung von Freskenresten in der
ersten Kapelle rechts (Flucht nach Agypten, Anbetung), die den Verfasser
an Gaudenzio Ferrari und Bramantino erinnern. Da man weifi, dafi der
letztere 1522 in Locarno make, ist es nicht ausgeschlossen, dafi er auch
nach Lugano gekommen sein konnte.
E. Gerspach spricht iiber neuaufgedeckte Wandbilder in der Kirche
Madonna dei Ghirli zu Campione am Luganersec, in der Heimat des weit-
verbreiteten Bildhauergeschlechts. Es sind zwolf Szenen aus der Geschichte
der Jungfrau und des Taufers, die die eine Seitenwand bedecken. Der
Verfasser schreibt sie einem Maler zu, der urn die Mitte des 14. Jahr-
hunderts gearbeitet haben mochte und von Giotto beeinflufit war. Die
mitgeteilten, leider wenig befriedigenden Reproduktionen der fraglichen
Fresken scheinen seiner Annahme recht zu geben. Aufierdem befindet
sich im nordlichen Portikus des Heiligtums ein Wandbild des jungsten
(Jerichts, laut Inschrift 1400 von einem Meister Lanfranco und seinem Sohn
Filippo de Veris gemalt, in der Zeichnung inkorrekt, im Kolorit schreiend,
aber von energischer, ja ubertrieben drastischer Konzeption, im ganzen
von unangenehmem Eindruck. Uber einer Tiir, die ins Innere der
Kirche fiihrt, sieht man ferner eine YerkUndigung v. J. 1467, ein vor-
ziigliches, delikates Werk, das der Verfasser einem toskanischen Meister
zuteilen mochte. Endlich ist an der Siidwand am Aufiern ein grofies
Fresko sichtbar, erst seit einigen Jahren aus dem stidlichen Portikus
dahin ubertragen. Es stellt zwei Szenen aus der Geschichte des ersten
Menschenpaars, und im Vordergrunde die in grofierem Mafistab aus-
gefuhrten Gestalten der hh. Jacobus und Johannes vor, tragt das Datum
15 14 und befindet sich leider in schlechtem Zustande. Der Verfasser
erkennt darin die Hand Bramantinos.
Paolo d'Ancona handelt in einer sich iiber vier Hefte unserer
Zeitschrift erstreckenden Studie iiber die allegorischcn Darstellungen
der sieben freien Kiinste im Mittelalter und in der Renaissance. Sie
kommen zuerst (urn zwei, die Medizin und Architektur, vermehrt) in einer
iverlorenen) Schrift des Varro vor; sodann erzahlt der hi. Augustinus, er
habe die Disziplin mehrerer davon in eigenen Schriften behandelt. Aber
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2 c 6 Literaturbericht
erst bald nach Augustin, in der ersten Halfte des 5. Jahrhunderts, faflt
Martianus Cappella in seiner bekannten Aliegorie sie allesamt in ein System
zusammen, und gibt ihni fiir die Wissenschaft des ganzen Mittelalters
Bestand und Bedeutung. Nach einer kursorischen Inhaltsangabe der
Dichtung Capellas zahlt der Verfasser die Nachahmungen auf, die sie
namentlich in Frankreich gefunden (Theodulf von Orleans, Alain de Lille,
Jean le Teinturier, Henri d'Andeli, Baudri de Borgueil), urn soclann die
friihesten Spuren derselben in der italienischen Poesie nachzuweisen
(Pietro di Dante, Andrea de' Carelli, Bern. Bellincioni, Cleofe de' Gabrielli)
und endlich auf den Kampf einzugehen, den dessen Adepten als Ver-
treter der Scholastik mit den Initiatoren der Renaissance und ihrer neuen
Weltanschauung vergebens aufnahmen. — In einem folgenden Abschnitt
geht der Verfasser sodann auf die Inspirationen iiber, die die bildenden
Kiinste der Dichtung Capellas verdanken. Nach Anfiihrung der uns heute
nur noch durch historische Nachrichten bekannten friihesten Darstellungen
der sieben Kiinste (durch Karl d. Gr. im Aachener Palast, ferner in den
Pfalzen von Saint-Denis und St. Gallen, an dem durch Hedwig von
Schwaben den Monchen des letzteren Klosters geschenkten Meflgewande
u. a. m.), sowie derjenigen, die uns erhalten geblieben sind (Teppiche von
Quedlinburg, Miniaturen zu Goltweig, Scheiern, Hortus Deliciarum, sog.
Trivulziokandelaber im Dom zu Mailand), kommt er auf die drei voll-
standigen Verkorperungen derselben in der mittel alter lichen Plastik Italiens
ausfiihrlich zu sprechen, die sich an den Kanzeln von Siena und Pisa
und am Brunnen zu Perugia finden. Wahrend Niccolo Pisano sie am
erstgenannten Monumente — ihre bisherige hieratische Darstellungsart
verlassend — nach den Anschauungen und in den Formen der antiken
Kunst, soweit er sie wiedergeben konnte, zu bilden berlissen war, geht
er am letztgenannten Denkmal iiber diese Auffassung hinaus, indem er
sie handelnd, unterrichtend gleichsam ins reale Leben versetzt und dem
letzteren audi durch Typen, Formengebung und Gewandung Ausdruck zu
geben trachtet, ohne indes seine Ankniipfung an die Antike giinzlich zu
verleugnen. An der Kanzel von Pisa hingegen ist jeder Zusammenhang
mit der Antike zerrissen: Giovanni Pisanos Gestalten der sieben freien
Kiinste am Sockel ihrer Mittelstiitze wurzeln in der leidenschaftlichen
Bewegung und im gespannten Ausdruck durchaus in der Stihveise der
Gotik. An den Kapitellen des Dogenpalastes treten sodann zuerst an
Stelle der Kiinste selbst die Gestalten ihrer altesten und vomehmsten
Reprasentanten, und in den Reliefreihen des Campanile zu Florenz er-
halten beide ihre Stelle: jene in den sehr mittelmafiigen, scheinbar wieder
auf die vorpisanischcn Darstellungen zuriickgreifenden Figuren der obersten
Reihe aus der Schule Andrea Pisanos, diese in den urn ein Jahrhundert
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Lhcraturbericht. 257
spatern herrlichen Reliefs der untersten Reihe von der Hand Lucas della
Robbia. — Im Gegensatz gegen die Figuren am Campanile aus der
Pisanischule zeichnen sich die etwa gleichzeitigen, auch von zwei Floren-
tiner Kiinstlern herriihrenden am Grabmal Konigs Robert in S. Chiara zu
Neapel durch das Bestreben nach Schonheit und Grazie aus: es ist der
erste leise Hauch der Renaissance, der iiber sie hinweht. Die letztere
selbst gibt sodann in zwei bedeutenden bildnerischen Schopfungen dem
in Rede stehenden Darstellungs-Zyklus Verkorperung : in dem Schmuck
ciner der Kapellen des Malatestatempels zu Rimini von Agostino di
Puccio und in Pollaiuolos Grabmal Sixtus IV.
Der niichste Abschnitt der Studie D'Anconas ist den hierher
gehbrigen Monumenten der Malerei gewidmet. Ihre chronologische Reihe
beginnt mit einem Mosaikfragment, wahrscheinlich einem Uberrest des
figurierten Fufibodens der Kathedrale zu Ivrea, dem das Pluviale folgt,
das die Leiche Papst Clemens IV. (f 1271) umhtillt, wie sich bei der vor
einigen Jahren erfolgten Ofthung seines Grabmals zu Viterbo ergab. Voll-
standiger ist die Darstellung des Gegenstandes in der Freske der
spanischen Kapelle in S. Maria Novella, insofern hier auch die Haupt-
reprasentanten der sieben Kunste und die Planetenbilder in die Dar-
stellung mit hineingezogen sind. Grofie Ahnlichkeit mit dieser besafi
auch das Wandbild Giustos in der Capp. Cortelieri in den Eremitani
zu Padua, wie sich aus den jiingst zum Vorschein gekommenen Skizzen
des Meisters zu seinem Wandbild nachweisen laflt (denn das letztere selbst
ist ja leider zu Grunde gegangen). Eine treue Kopie der Fresken Giustos
scheinen wir tibrigens in den Miniaturen der Chronik Leonardos da Bisuccio
zu besitzen, die einst in der Sammlung Morbio war und vor kurzem in
den Besitz von Crespi in Mailand ubergegangen ist. Uber die Miniaturen
cines Kodex zu Chanrilly, in denen der Verfasser die Prototype der Kom-
positionen Giustos sehen mochte, wird uns erst die in Aussicht stehende
Veroffentlichung jener Handschrift Klarheit bringen. Aufierdem bieten uns
noch rwei Handschriften Miniaturdarstellungen der Kunste: eine Abschrift
von Cassiodors » Liber secularum litterarum«, einst im Besitze von Petrarca
und wahrscheinlich fur ihn von einem lombardischen Maler um die Mitte
des 14. Jahrhunderts mit Miniaturen geschmuckt, — und sodann der
beruhmte Kodex der Marziana, das Gedicht Marziano Cappellas ent-
haltend, mit Illustrationen Attavantes. Und zwar sind nicht nur die
betreffenden Stellen des Textes mit grofieren Miniaturen der Kunste
geschmiickt, sondern diese finden sich auch in Medaillons der ara-
beskierten Umrahmung des Titelblattes in kleinerem Mafistabe und ahn-
ticber Auffassung wiederholt Mit Attavantes Miniaturen sind wir in der
Renaissance angel angt. Sie hatte schon einige Dezennien friiher den
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*S8
Literaturbericht.
Gegenstand auch in Schopfungen mehr monumentalem Charakters be-
hanclelt: Justus van Ghent hatte die sieben freien Kiinste in einem Saale
des Schlosses zu Urbino gemalt (vier davon sind in London und Berlin
erhalten) und Antoniazzo Romano sie im Schlosse zu Bracciano al fresco
dargestellt (nur wenige Reste davon sind erhalten geblieben). Dominierte
bei beiden noch die mittelalterliche Auffassung als voneinander unab-
hangiger Einzelgestalten, so bringt Filippino Lippi in seiner Freske in
S. Maria sopra Minerva wenigstens die drei Kiinste des Triviums (und
die Gestalt der Philosophic) in engere Beziehung zueinander, indem er
sie zu beiden Seiten von Thomas von Aquino in zwei Gruppen verteilt
und sie miteinander im Gespriich oder Disput begriffen dargestellt. Aber
zu einer vollig frei, nach rein malerischen Gesichtspunkten komponierten
Gruppe vereinigt die sieben Schwestern erst Botticelli (?) in einer der
Fresken aus Villa Lemmi. Wiiren nicht in den Handen von dreien davon
die gewohnten Attribute sichtbar, — niemandem wtirde es einfallen, in
den sieben Gestalten florentinischer Damen die Vertreterinnen des mittel-
alterlichen Wissenskreises zu erkennen. Nach solchem Vorgang befremdet
es, dafi Pinturicchio in einem der Sale der Borgiagemacher wieder auf
die traditionellen, thronend dasitzenden freien Kiinste zuruckgreift Freilich
war der schnellschaffende Meister auf solche Art mancher Kompositions-
sorge enthoben! Nur um den Preis solcher war es endlich Raffael gegonnt,
in seiner Schule von A then die sublimste Darstellung des Themas zu
schaffen. Auch darin tut er den letzten Schritt, dafi er die ursach-
lichen Personifikationen vollig vor den personifizierten Wirkungen ver-
schwinden lafit.
Gustavo Frizzoni gibt auf Grund des illustriertcn Kataloges der
Sammlung R. v. KaufTmann zu Berlin und ihres eingehenden autoptischen
Studiums eine Ubersicht ihrer Schatze. Von seinen Beobachtungen
ware hervorzuheben der ( — iibrigens schon langst in dieser Zeitschrift
erbrachte (A. d. R.) — ) Nachweis einer teilweisen Kopie des be-
kannten Bramantischen Architekturstiches im British Museum (und bei
Signor Perego zu Mailand) im Hintergrunde der Darstellung im Tempel
vom Meister des h. Agidius; die Umtaufe der Auferweckung des Lazarus
von Nicolas Froment auf Albert van Ouwater; die Zuweisung des mann-
lichen Bildnisses eines »schwabischen Meisters um 1520^ (Kat. Taf. XL)
an Hans Burckmaier (Bestimmung von Eug. Schweizer), sowie der Geburt
Christi aus der Schule Giottos (wie sie der Katalog Nr. 75 tauft) an Lorenzo
Monaco; des Carlo Crivelli (Nr. 106) an Nicol6 d'Alunno (wobei die
Deutung des Gegenstandes als einer Szene aus der Legende des h.
Gualbert unzweifelhaft das Richtige trifift); des h. Hieronymus von Marco
Basaiti (Nr. 1 1 1) an Lorenzo Costa; die Bestimmung der Madonna mit
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Literaturhericht.
250
den hh. Magdalena und Katharina (Nr. 103) als Bernardo Cotignola; end-
lich die entschiedene Qualifikation des Giorgionebildchens (Nr. no) als
spatere Kopie nach einer verlorenen Komposition des Meisters.
Pietro Toesca handelt von dem » Liber Can o mini « der Vallicelliana,
eincr Sammlung von Satzungen des Kirchenrechtes unter Nikolaus 1.
• 858 — 867) verfafit und mit einigen Miniaturen, Initialen, Randleisten etc.
geschmiickt Unter den ersteren nimmt eine iiber zwei Folios sich er-
streckende Darstellung der Versammlung der Apostel zu Pfingsten die
erste Stelle ein. Ihrem Stile nach steht sie den Produkten der Schule
von Rheims nahe (Ebo- u. Hincmarevangeliare), ihr italienischer Ursprung
wurde indes schon durch Ballerini (1757) und neuerdings durch Maassen
^1870^ aufler Zweifel gestellt. Und zwar entstand sie hochst wahrscheiiv
lich in einem der Kloster Oberitaliens, in denen eine ungemein rege
Schreibtatigkeit herrschte; wissen wir doch, dafi die Monche von Novalese
als sie im 10. Jahrhundert ihr Kloster verlieflen, sechstausend Hand-
schriften mit sich nahmen, und dafi der Archidiakon Pacificus der Kirche
von Verona allein 203 Codices schenkte.
Jean Guiffrey bespricht Vitrys Buch liber Michel Colombe und
die franzosische Skulptur im 15. Jahrhundert. Die Bedeutung des grofien
Meisters als eines Abschliefienden vielmehr denn eines Initiators wird
darin deutlich am Charakter und Stil seiner Werke dargetan.
In den unsern Jahrgang abschliefienden »Studien zu Correggio^
spricht Adolfo Venturi die in dem eingangs unseres Berichtes an-
gefiihrten Artikel Frizzonis dem Correggio zugeteilte Skizze zweier Putten
im Besitze Piancastellis dem Meister ab und gibt sie Bernardo de' Gatti,
der ihn oft sehr geschickt nachzuahmen wufite. Demselben Klinstler teilt
er auch die Trophaenskizze zu, die A. Strong unter den Zeichnungen
aus Wiltonhouse reproduziert hat (Nr. 47), und sieht in beiden Skizzen
Entwurfe zu seinen an den Kuppelpilastern der Madonna di Campagna
m Piacenza ausgefiihrten Malereien. Zu vier anderen als Correggios be-
zeichneten Skizzen aus der Sammlung in Wiltonhouse (Nr. 35 — 38) hat
Venturi die Entwurfe der Gestalten erkannt, die in S. Giovanni zu
Parma die rechte Oberwand des Mittelschiflfes zieren. Weder die Zeich-
nungen noch die Fresken sind von Correggio, sondern von einem Nach-
folgeT, der ihm jedoch naher steht als alle iibrigen. — Sodann publiziert
Venturi hier zuerst in guten Aufnahmen die alttestamentarischen Gestalten,
vomit Correggio die Laibungen der Kuppelgurten von S. Giovanni ge-
schmiickt hat, ebenso auch die jugendlichen Idealfiguren an der gleichen
Stelle der Domkuppel, die unter die vollendetsten Schopfungen des
leisters zu ziihlen sind. Endlich gibt er Abbildungen der aus Pal.
Strozzi-Fon tanini in das Museum zu Reggio ubertragenen Reste eines
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2 6 o Literaturbericht.
al fresco ausgefiihrten Wandfrieses mit bacchischen und Triumphszenen,
in deren Motiven sich Endehnungen nach Mantegnas Triumphzug des
Ciisar nachweisen lassen. Venturi teilt die in Rede stehenden Szenen
der Spatzeit Correggios zu. Der schlechte Zustand, in den sie bei der Ab-
losung von der Mauer gerieten, und die nachherige fiirchterliche Uber-
malung lafit allerdings nur scbwer etwas von ihrer urspriinglichen Schon-
heit erkennen.
C. v. Fabrkzy.
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Mitteilungen liber neue Forschungen.
Signorellis Pansbild in der Berliner Galerie erhalt in Bezug auf
die Quelle, aus der sein Gegenstand geschopft sein konnte, durch einen
Artikel von Roger E. Fry in The Monthly Review (l)ez. 1902 S. no — 114)
neue Beleuchtung. Nachdem er auf die Stelle bei Macrobius (Saturnalia
I, 1 9"! hinge wiesen, die Pan blofi allgemein als »non sil varum dominum
sed universae substantiae materialis dominatorem, cuius materiae vis uni-
versorum corporum, seu ilia divina seu terrena sint, coinponit essentiam«
bezeichnet, fiihrt er folgende Charakteristik aus dem Kommentar des
Servius zu Virgil (Buccolica II, 31) an, worin seine Erscheinung ganz so,
wie sie Signorelli gemalt, dargestellt ist: Nam Pan deus est rusticus in
naturae similitudinem formatus. Unde et Pan dictus est i. e. omne; habet
enim cornua in radiorum solis et cornuum lunae similitudinem. Rubet
eius fades ad aetheris imitationem. In putore nebridam habet stellatam,
ad stellarum imaginem. Pars ejus inferior hispida est propter arbores,
virgulta et feras. Caprinos pedes habet . . . nstulam septem calamorum
habet . . . pedum habet, hoc est baculum recurvum .... quia hie
totius naturae deus est, a poetis fingitur cum amore luctatus et ab eo
victus, quia ut legimus: » Omnia vincit amor.« Ergo Pan, secundum
fibulas, amasse Syringam nympham dicitur: quam cum sequeretur, ilia
in calamum conversa est, quern Pan ad solatium amoris incidit et sibi
tistulam fecit. — Gibt uns die Hauptfigur des Signorellischen Gemaldes
ein getreucs Abbild des Serviusschen Pan und lafit sich in der nackten
weiblichen Figur im linken Vordergrunde schon dem Attribute — einem
Rohrstabe — nach, das sie in der Hand tragt, die Nymphe Syrinx, als
Reprasentantin des weiblichen Prinzips in der Natur, wie sie uns Servius
vorfiihrt, erkennen, so finden wir dagegen bei ihm keine Erklarung ftir
die ubrigen vier mannlichen Gestalten, die auf dem Gemalde Pan urn-
geben. Zunachst drangt sich die Deutung als vier Jahreszeiten auf —
allein dafiir sind die vier Figuren zu wenig charakteristisch unterschieden ;
iiberdies ist nicht erfindlich, weshalb der Herbst mit Pan so eifrig dis-
putieren oder hadern sollte, wie er dies seiner Geste nach zu tun scheint
Fry schlagt nun vor, die fraglichen Gestalten als die vier Phasen der
Repcrtorimn far Kunstwissenschaft, XXVI. 18
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262 Mitteilungen iiber neue Forschungen.
Tatigkeit des menschlichen Lebens zu deuten, wie solche sich unter der
Herrschaft Pans als hochsten Gottes gestalten wlirde. Die erste, in dem
zu Fiifien der Syrinx licgenden, entzlickt zu ihr aufblickenden Jiingling
reprasentiert, ist der Liebe geweiht; die zweite der Pflege liindlicher
Kiinste — sie hat der Kiinstler in dem jungen Mamie, der die Flote
blast, dargestellt. Die dritte Phase — die der geistigen Tatigkeit — sehen
wir in dem gereiften Manne vor uns, der sich diskutierend zu Pan
wendet, und die vierte — der Greis zu aufierst rechts — soil das in Kon-
templation und Rtickerinnerung lebende Alter bedeuten. Fiir die beiden
nackten Miidchengestalten im Mittelgrund links bliebe eine Deutung erst
noch zu finden. C. v. F.
Das Marmorrelief der Krttnung eines Kaisers in Museo Nazionalc
zu Florenz, zuerst von \V. Bode (Cicerone 5II, 330) als Arbeit aus der
Nachfolge Andrea Pisanos in die Literatur eingeflihrt, sodann von
Schmarsow fiir Luca dell a Robbia in Anspruch genommen, neuerdings
von dem erstgenannten Kenner (Text zum Toskanawerk (S. 8) der Zeit
und Richtung der florentinischen Kunst aus dem ersten Viertel des
Quattrocento zugeteilt, wird in einem jiingst erschienenen Schriftchen
J. Benv. Supinos (L'incoronazione di Ferdinando d'Aragona. Firenze, Seeber
1903, 8° 14 S.) fiir ein Werk Benedettos da Majano erklart. Wir wissen
aus Vasari, dafi der Kiinstler in seinen letzten Lebensjahren mit einem
grofien Auftrag fiir die bildnerische Ausschmtickung der Porta Capuana
in Neapel beschaftigt war. Darin sollte auch die 1459 zu Barletta durch
den Kardinal Orsini erfolgte Investiturkronung Ferdinands ihre Darstellung
finden (s. E. Bertaux, L'Arco d'Alfonso a Castel Nuovo im Arch. stor.
per le provincie napoletane, Jahrg. 1900 S. 48). Nun finden sich in dem
durch Baroni (La Parocchia di S. Martino a Maiano, Firenze 1875, PaS«
LXVIIrT.) veroffentlichten Inventar des kiinstlerischen Nachlasses Bene-
dettos in der Tat neben »ia figura appartenente alia porta reale« und
y> i» di braccia 3« auch » 1°™ con un vescovo di braccia 21 ,'3« verzeichnet, und
in diesem letzteren Werke erkannte nun Supino das Hochrelief des Museo
Nazionale. Aufier der Ubereinstimmung des angegebenen Mafies wird
Supinos Annahme auch durch den Umstand gestutzt, dafi das fragliche
Bildwerk nicht — wie bisher stets behauptet — vor Porta romana aus-
gegraben wurde, sondern aus der Villa des Bigallo bei S. Caterina all*
Antella stammt, wo es seit jeher an einer Wand eingemauert war. Nun
wissen wir ja aber, dafi Benedetto fiir den Fall des Aussterbens seiner
mannlichen Nachkommenschaft die Compagnia del Bigallo zur Erbin ein-
setzte, und dafi, als dieser Fall 1575 eintrat, die letztere auch in der*
Besitz seines kiinstlerischen Nachlasses gelangte. Wie dazumal zwei Stiicke
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Mitteilungen Uber neue Forschungen. 263
dieses Nachlasses, namlichdie sitzende Madonna und der hi. Sebastian, durch
Geschenk der Krbin an die Compagnia della Misericordia gelangten, wo sie
sichnoch heute befinden (s. Baroni a. a. O. S. 95), so wird bei gleicher Ge-
legenheit auch un3er Relief in die Villa bei S. Caterina gelangt sein.
Indem wir uns dem Gewichte diescr Griinde keineswegs verschlieflen,
haben wir doch zwei Einwande zu machen: Wie erklart es sich, daft auf
dem Relief der Konig nicht als junger Mann von 35 Jahren, der er
bei Gelegenheit der Kronung war, sondern als Greis dargestellt ist,
(lessen Ziige liberdies sehr wenig Ahnlichkeit mit seinen iiberlieferten
Bildnissen zeigen? Und wie ist die archaistisch zu nennende Behand-
lung des Gewandes des Konigs mit den fast anaglyphen Faltenziigen
an dessen unterem Rande, mit der sonstigen Manier Benedettos in Ein-
klang zu bringen? Denn, trotz der Versicherung Supinos, Ahnliches komme
auch an andern Werken des Kunstlers vor, haben wir uns bei ihrer
daraufhin vorgenommenen Durchsicht davon nicht zu uberzeugen vermocht.
C. v. F.
Das Grabmal Kaiser Heinrichs VII., oder richtiger gesagt, dessen
heute im Camposanto zu Pisa aufgestellte Fragmente unjterzieht Emile
Bertaux einer Untersuchung, um daraufhin eine Rekonstruktion desselben
vorzuschlagen (Le Mausoiee de FEmpereur Henri VII in den M&anges Paul
Fabre, Paris 1902). Eine solche hatte fiir das nach wiederholter Urn-
setzung in Dome an seine jetzige Stelle gelangte Monument (s. Repertorium
XVII, 384) schon J. B. Supino unternommen (s. Repert. XIX, 485), in-
dem er die beiden seither als zur Domkanzel Giov. Pisanos gehorig
geltenden Gruppen der »Pisa« und des »Heilands« mit den vier Evan-
gelisten als Stiitzen des Sarkophags in Anspruch nahm, auflerdem noch
einige Einzelfiguren (die Verkundigungsgruppe und zwei Einzelgestalten,
welch letztere schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts den Sarkoi)hag
des Erzbischofs Ricci flankieren) als dazu gehorig nachwies, im iibrigen
aber fur die architektonische Umrahmung das von Tino da Camaino in
seinen Neapler Grabmalern adoptierte Schema annahm. Dem wider-
spricht aber nicht nur die spatere Entstehung der letzteren, sondern die
Tatsadie, dafi der Meister an seinen in Toskana z. T. nach dem Kaiser-
grab zu Pisa ausgeftihrten Denkmalern nirgends dieses Schema anwandte.
Ferner sind die beiden oben erwahnten Gruppen als Stiitzen des Sarko-
phags viel zu hoch (2,40 m, wiihrend analoge Stiitzen an den Neapler
Grabern in der Hohe nicht uber 1,40 m hinausgehen) und bringen in
der Rekonstruktion Supinos die Verhaltnisse des Monuments aufier Rand
und Band (s. Arch. stor. dell'Arte 1895 ^. 185). Endlich — und dies ist
ein Punkt, den Berteaux besonders betont — ist die Idee, den Heiland
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264 Mitteilungen liber neue Forschungen.
als Trager der sterblichen Hiille des Kaisers dienen zu lassen, den
Anschauungen des Mittelalters geradeswegs zuwiderlaufend. Auch ihrem
Stil nach passen die vier Tugenden, die die »Pisa« umgeben, durchaus nicht
211 Tinos ahnlichen Personifikationen an den Neapler Grabmalern ; da-
gegen stimmen sowohl sie als die Heilandsgruppe in Fornien und Aus-
dnick mit Giovanni Pisanos authentischen Arbeiten iiberein.
Zum Ausgangspunkt seines Restaurationsversuchs nun nimmt Ber-
taux eine von Supino nicht beachtete Gruppe von fiinf Statuen im Cam-
posanto, bestehend in einer gekronten sitzenden grofieren und vier zu
ihren Seiten stehenden kleineren Figuren. Die auffallende Ahnlichkeit
der ersteren mit der liegenden Statue Heinrichs Vll., der letzteren (etwa
seine Reichsbarone oder vornehmsten Ratgeber darstellend) mit den
Apostelgestalten, die seinen Sarkophag zieren, lafit diese Arbeiten als
ein Werk Tinos und seiner Gehilfen, ursprunglich fur das Kaisergrab
bestimmt, erscheinen. Fragen wir aber, wie die Gruppe am letzteren
angebracht sein mochte, so gibt dafiir Cellinos Grabmal des Cino da
Pistoja einen Fingerzeig, hier ist der Sarkophag von einer Gruppe des von
seinen Schiilern umringten Lehrers gekront, wiihrend allerdings die
licgende Statue des Toten fehlt. Diese aber, sowie iiberhaupt noch
nahere Analogien fiir die ehemalige Anordnung des Pisaner Kaiser-
grabmals finden sich in zwei Denkmalern Stiditaliens: denen des Grafen
Enrico di Sanseverino (f 1336) zu Teggiano und des Connetables Tomaso
di Sanseverino (f 1358) zu Mercato Sanseverino, beides Arbeiten tos-
kanischer Bildhauer aus der Schule oder Werkstatt der Brtider Bertini,
der Schopfer des Grabmals von Konig Robert in S. Chiara zu Neapel
(f 1343). Bei beiden sehen wir uber dem in dem einen Falle von ein-
fachen Spiralsaulen, im andern von vier Engelsfiguren gesttitzten Sarko-
phag mit den Apostelgestalten, auf dem der Tote ruht, auf einer von
Konsolen getragenen Platte bildnerische Freigruppen angeordnet: am
Grabmal Enricos gruppieren sich inn die grofieren sitzenden Gestalten
der Madonna und des hi. Patrons die knieenden Familienglieder; an dem
Tomasos ist die sitzende grofie Figur desselben von den viel kleineren
stehenden zweier Tochter und vier Sonne begleitet. Eine weitere archi-
tektonische Umrahmung ist bei beiden Monumenten nicht vorhanden. —
Somit ware Tino di Camaino der erste gewesen, der in das mittelalter-
liche Grabmal neben der Statue des Toten auf dem Sarkophage eine
solche des Lebenden eingefiihrt hatte, umringt von andern Personen
seiner Umgebung oder seiner Familie. C. v. F.
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Petrarca und die bildende Kunst.
Von Werner Weisbach.
Es gibt ein Grenzgebiet zwischen der Kunst- und der Literaturge-
schichte, wo sich beide beruhren und gezwungen sind einander die
Hand zu reichen. Die bildende Kunst bemachtigt sich oft der Stoffe,
die ihr durch die Literatur dargeboten werden; sie bemachtigt sich
auch der Erscheinung grofier Trager Hterarischer Narnen, urn sie der
Xachwelt zu tiberliefern. Die Grofien der Literatur stehen ihrerseits
in verschiedenartigen Beziehungen zu den bildenden Kiinsten, als Ge-
niefiende, als Kritiker, als ausiibende Dilettanten, als Sammler. In
solche Betrachtungen sich zu vertiefen, wird flir eine Zeit wie die des
Humanismus und der Renaissance in ltalien besonders fruchtbringend
und ergebnisreich sein, eine Epoche, in der eine so enge Wechsel-
wirkung der Geister stattfand, und die Kunst begann in den Brenn-
punkt des allgemeinen lnteresses zu treten.
Fiir Dante sind nach dieser Richtung hin schon frtiher Forschungen
unternommen worden. Die beiden anderen Heroen des humanistischen
Dreigestirns waren von kunstverstandiger Seite bis vor kurzem nur
wenig oder garnicht in den Kreis solcher wissenschaftlichen Betrachtung
gezogen worden. In Bezug auf Petrarca ist jetzt durch zwei franzo-
sische Gelehrte versucht worden diese Liicke auszufiilien. Der Prince
d'Essling und der leider eben verstorbene Eugene Miintz fanden sich in
dem Gedanken zusammen, Petrarcas Beziehungen zur Kunst zum Gegen-
stand eines umfangreichen Werkes1) zu machen und durch eine Menge
von Abbildungen die Anschauung zu fordern. Eine selten reiche Aus-
wahl von zum grofien Teil vortrefflichen Illustrationen wird geboten.
Die wissenschaftliche Untersuchung baut sich auf einer Fulle von
*) Petrarque. Ses etudes d'art, son influence sur les artistes, ses portraits et
ceu* de Laure, l'illustration de ses ecrits. Ouvrage accompagne de 21 planches tirees
a part et de 191 gravures dans le texte. — Paris, Gazette des Beaux Arts, 1902.
Repertorium fur Kunst wissenschaft, XXVI. 19
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266 Werner Weisbach:
Material auf. Bei der Wichtigkeit des Stoffes scheint es nicht unange-
bracht, ausftihrlicher darauf einzugehen und das von den Vcrfassern
Dargebotene durch die Ergebnisse eigener Forschungen zu ergiinzen.
Das erste Kapitel behandelt Biographisches, so weit es zum Ver-
stiindnis des Verhaltnisses Petrarcas zur bildenden Kunst erforderlich ist.
In Kiirze zieht sein Bildungsgang auf den Universitaten an uns voriiber.
Wir lernen ihn als Gegner der iibertriebenen franzosischen Moden
kennen. Die Antike wird ein Angelpunkt seines Interesses, ohne dafi
er ihr gegeniiber in sklavische Abhilngigkeit gerat. Nach Beendigung
seiner Universitatsstudien treffen wir ihn zunachst in Avignon, der
piipstlichen Residenz, die ihm wie ein rnodernes Babylon erscheint.
Hier kniipft er seine Beziehungen zu dem Sienesen Simone Martini,
dem pftpstlichen Hofmaler, an, der ihm ein Bikinis der Madonna
Laura make. Ein Denkmal gemcinsamen Wirkens beider bildet die
Titelminiatur des Virgil-Kodex der Ambrosiana, die von Simone ausge-
ftihrt, von Petrarcas Hand mit Versen beschrieben ist Seinen bedeutcnd-
sten Zeitgenossen auf dem Gebiete der Malerei, Giotto, hat er jedenfalls
niemals personlich kennen gelernt. Doch ist uns als Zeugnis seiner
Wertschatzung des grofien Toskaners eine rtihmencle Erwahnung seiner
Fresken in der Kapelle des koniglichen Palastes zu Neapel erhalten. Dafi
er sclbst in der Kunst dilettierte, geht aus den Zeichnungen eines
von ihm geschriebenen Kodex der Pariser Nationalbibliothek hervor, die,
wie De Nolhac nachgewiesen hat, gleichfalls von seiner Hand herruhren,
jedoch wenig Geschicklichkeit verraten.
In den stidlichen Bergen Frankreichs war es auch, wo er den ab-
gelegenen Ort stiller Sammlung fand, der in der Erinnerung der
Menschheit mit ihm gleichsam verwachsen ist, das reizend gelegenc,
von ihm viel besungene Vaucluse, wo er so gern, fern vom Getriebe
der Welt, seinen Gedanken nachhing. Hier verwertete, verarbeitcte er
die vielfaltigen Eindriicke, die draufien in der grofien Welt auf
ihn einsttirmten. Hier gab er sich dem Zaubcr landschaftlicher Schon-
heit hin, den er als einer der crsten modernen Menschen zu wiirdigen
wufite.
Sein Interesse ftir die Monumente des klassischen Altertums wurde
besonders in Rom, das er viermal besuchte, geweckt. Daneben wandte
er auch schon den akehrwiirdigen christlichen Baudenkmalen seine Auf-
merksamkeit zu. Dem Studium alter Miinzen schenkte er besondere
Sorgfalt und legte sich sogar eine Sammlung davon an, sodafi ihn die
Verfasser l'ancetre des numismatistes rnodernes nennen.
In Maiiand, wo er in den Jahren 1354 — 61 weilte, kam er in
ein freundschaftliches Verhaltnis zu den Visconti und lieh diesen bei
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Petrarca und die bildendc Kunst. 267
der Griindung ihrer so beriihmt gewordenen Bibliothek im Kastell von
Pavia seine Dienste. Venedig besuchte er ofter. Mit Paduas Herrscher
Francesco Carrara verband ihn innige Freundschaft. F(ir die Wand-
gemalde in einem Saale seines Schlosses, der Sala de' Giganti, die
Szenen aus der romischen Geschichte und romische Kaiser dars tell ten,
verfafite er einen Text, der uns in seinen Epitome virorum illustrium
uberkommen ist (fortgesetzt von Lombardo del la Seta). J. von Schlossers
fnlheren Nachweis, dafi resumierte Nachbildungen der Wandgemalde
die Illustrationen des italienischen Textes der Epitome in der weit
spater geschriebenen Darmstadter Handschrift No. 10 1 wiiren, akzep-
tieren die Verfasser. Eine unmittelbare Einwirkung Petrarcas auf die zu
seiner Zeit und unter seinen Augen ausgefiihrten Illustrationen seiner
Werke weisen sie von der Hand und lassen bei dieser Gelegenheit eine
Anzahl solcher Revue passieren. Kin absoluter Beweis wird sich weder
dafiir noch dagegen erbringen lassen.
Arqua del Monte in den Euganeischen Bergen ist seit 1370 die
Residenz Petrarcas. Hier errichtete er sich ein Haus, das die Zuflucht
seines Alters wurde. An grofien Kunstwerken wird es kaum viel
mehr als die dem Dichter von dem Florentiner Michele Vanni ge-
schenkte Madonna von Giotto enthaiten haben, die er in seinem Testa-
ment dem Freunde Francesco Carrara hinterliefi.
Das zweite Kapitel fuhrt uns in die Ikonographie Petrarcas und
der Madonna Laura. Von den zahlreichen auf uns gekommenen Por-
trats des Dichters werden mit Recht als die einzigen, die Anspruch
auf Authenticitat erheben diirfen, folgende genannt: die von De Nolhac
zuerst verorTentlichte Miniatur, ein Brustbild im Profil nach rechts, in
^er 41 2 Jahre nach dem Tode Petrarcas von seinem Freunde Lombardo
della Seta vollcndeten Handschrift De Viris illustribus, Paris, Bibl. Nat.
Fonds lat. Nr. 6069 F. Von gleichem Typus, el)enfalls Brustbild nach
rechts, die von Cozza-Luzi im Archivio storico dell' Arte 1895 P« 23& —
242 publizierte Miniatur eines im 15. Jahrhundert geschriebenen Kodex
der Vaticana (Nr. 3198). Mit diesen Bildnissen liifit sich auch das
Portrat in dreiviertel Profil in einer lnitiale des Liber rerum memo-
randarum (Paris, Bibl. Nat Fonds lat. Nr. 6069 T) vereinigcn, mit hand-
schriftlichen Notizen Petrarcas. Die Verf. gehen dann noch auf eine
Reihe von Darstellungen ein, die mehr oder weniger als Phantasie-
schopfungen angesehen zu werden verdienen. Von Madonna Laura ist
iiberhaupt kein authentisches Portrat, trotz der zahlreichen Versuche ein
solches nachzuweisen, erhalten.
Bieten die beiden ersten Kapitel mehr Zusammenstellungen, Ver-
arbeitungen und weitere Ausftihrungen frtiherer Forschungen, so betreten
19*
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268 Werner Weisbach:
wir in dem dritten, das mit dcr Schilderung von Illustrationen der
Werke Petrarcas bcginnt, ein vorher nur wcnig durchforschtes Gel)iet
Den Anfang bilden die illustrierten Ausgaben des Canzonicre.
Wenn auch die Verf. anfiihrcn, dafi viele von diesen nur Randleisten,
Arabesken, Drolcrien und dergleichcn von geringerem inhaltlichem
Intercsse enthaltcn, so ist doch das Material ein reicheres und inter-
essanteres, als cs ihnen erschienen ist, so dafi ich ihrem Ausspruch
nicht beistimmen kann: Ce ne sont pas la inventions dignes de fixer
l'attention des iconographes. An sich betrachtet mogen die Dar-
stellungen nicht besonders wichtig erscheinen. Sieht man sie jedoch
als Aufierungen des Zeitgeistes an und bringt sie mit anderen aus
ahnlichen Geftihlen heraus geschaftenen Bildwerken in Verbindung, wie
ich es im zwciten Kapitel meines Buches liber Pesellino'2) (Romantische
Zilge der Frlihrenaissance) zu tun versucht habe, so licfern sie, glaube ich,
manchen wertvollen kunst- und kulturgeschichtlichen Beitrag.
Ein charakteristisches Motiv einer Titelillustration des Canzoniere
ist die Verfolgung Daphnes durch Apollo, wo die Verwandlung in einen
Lorbeer als Symbol und mit Anspielung auf den Namen Laura (laurus)
erscheint. Aufier der schonen, von den Verf. erwahnten und abgebildeten
Miniatur in einer Handschrift bei Mr. Yates Thompson in London findet
sich diese Szene auch in dem prachtvollen, wohl von einem Umbrer fur
einen Rovere illustrierten Cod. Vatic. Ottob. 2998. Hier tritt sie in
Verbindung mit Petrarca und Laura auf. Der Dichter sitzt links im
Mittelgrunde vor einem Orangenhain und schreibt mit der Rechten,
wahrend die Linkc erhoben ist. Aus der Luft schiefit Amor einen Pfeil
auf ihn ab. Rechts steht Laura in prachtiger Gewandung. Zwischen
beiden schliingelt sich ein Flufi durch grtin bewachsenen Felsboden.
Kinc Anspielung auf den Lorbeer enthalt auch das zweite von
den Verf. angefiihrte Bild in der von dem Florentiner Antonio Sinibaldi
1475 — 76 geschriebenen Pariser Hdschr. Bibl. Nat. Fonds ital. Nr. 548:
Petrarca rettet sich von einem scheiternden SchifT an einen am Ufer
stehenden Lorbeerbaum. Sonst wird nur noch in dcr gedruckten
Venczian. Ausg, von 15 13 das Bild: Petrarca unter dem Lorbeer sitzend
und die Inspiration erwartend, und eine spiitcre spanische Ausgabe von
den Verf. ervvahnt. Versuchen wir das Material durch einigc italienische
Handschriften des 15. Jahrhunderts etwas zu erweitcrn.
Petrarca selbst, in Gelehrtentracht am Schreibpult sitzend, aller-
hand Facher mit Biichern hintcr sich, begegnet uns in den Mss. Florenz
2) Francesco Pesellino und die Romanlik der Renaissance von Werner Weisbach.
Berlin, Bruno Cassirer 1901.
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Petrarca und die bildende Kunst. 269
Bibl. Naz. Cod. Pal. 184 fol. 1 v., und Laurenziana Cod. Strozz. 172,
fol. 1 v. Er ist auch ofter in Verbindung mit Frauen, an deren Spitze
Laura zu denken ist, dargestellt, so auf fol. 2 der beiclen eben
erwabnten Hss.: Petrarca sitzt auf einer thronartigen Bank, die Linke
auf ein geschlossenes Buch gestlitzt; die Rechte ist einer Menschen-
gruppe entgegengestreckt, die von einer Frau, die ihin einen Zweig
darbringt (Laura), angefuhrt wird. In dem venezianischen Ms. Brit. Mus.
31843 sehen wir am Anfange der Sonette den Dichter an seinein Pulte
schreiben in Gesellschaft von drei Frauen. Allein, nur von dem
Knaben Amor, der von oben einen Pfeil auf ibn abschiefit, gestort,
erscheint er in dem Pariser Ms. Bibl. Nat. Fonds ital. 549.
Eine Gruppe von Illustrationen zeigt Petrarca in Verbindung mit
Laura allein. Er kniet an einem Lesepulte (in einer lnitiale), am
rechten Blattrande steht Laura; mit der Rechten greift sie nach einer
Baumkrone (Lorbeer), in der Linken bait sie einen Kranz (Brit. Mus.
Knigs 321, geschrieben von Andrea da Badagio 1400). Bei einigen
Bildern wird zwischen beiden durch den Liebesgott eine Beziehung
hergestellL Vor allem ist hier die herrliche, der Mailander Schule
angehorige und in meinem Buch iiber Pesellino abgebildete Miniatur
des Cod. T.aurenz. Asbburnham 1263 zu erwiihnen: In einer Land-
schaft kniet der Dichter. Ein Pfeil steckt in seiner Brust, den er mit
der Linken halt; die Rechte ist vor der Brust Laura entgegengestreckt;
die Augen blicken zu ihr auf; der ganze Korper ist in inniger
Verzuckung. Rechts steht die Geliebte in hochgegiirtetem, weiflem,
mit golclenen Ornamenten gesticktem Prachtgewande und gleich-
farbigem Mantel. Ihr goldenes, im Nacken einmal geknotetes Haar
hangt lang herab. In beiden Petrarca entgegengestreckten Handen halt
sie einen Kranz. Hinter den beiden Figuren rliefit ein dunkelblauer
FluC. In der Mitte steht ein Lorbeerbaum. Rechts oben in der Luft
schwebt Amor. Eben hat er den Pfeil, der das Herz des Dichters
getroffen, vom Bogen abgelassen. Er ist ein nackter Knabe mit gol-
denem Haar und roten P'liigeln, eine Binde urn die Augen. An der
Seite hangt ihm ein grofier, mit Fell besetzter Kocher an rotem Bande.
Eine gleiche DaTstellung, wohl von derselben Hand, finden wir in den
Rime, Rom, Bibl. Barberini XLV, 37* fol. 17. Auf den hohen kunst-
Ierischen Wert dieser aus der Mailander lllustratorenschule hervorge-
gangenen Gruppe von Miniaturen habe ich friiher bereits hingewiescn.3)
Auch in einer Hs. der Pariser Nationalbibliothck (Fonds ital. 1023),
die am Rande des Textanfanges die Impresen Francesco Sforzas und
J) Weisbach a. a. O. p. 15.
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270
Werner Weisbach:
das Mailander Wappen tragt, begegnet uns eine ahnliche Szene. Auf
einer Bank sitzt Petrarca, ein offenes Buch in beiden Handen. Rechts
steht Laura in prachtiger Gewandung, eine Schleierhaube auf dem
Haupte. Hinter der Bank steht ein reiches Zelt (aufien Brokat, rot-gold;
innen Hermelin), das von zwei gerliigelten Putten aufgeschlagen wird.
Dariiber schwebt Amor und schieflt den Pfeil auf den Dichter ab.
Eine einzig dastehende, hochst merkwtirdige, leider sehr be-
schadigte Illustration zeigt die Hs. der Rime, Florenz Bibl. Naz. Cod.
Magliab. CI. VII, 842. Auf einem Kahn im Wasser steht Amor unci
halt ein goldenes Seil, mit dem er wahrscheinlich den Fufi einer am
Lande stehenden Frau gefesselt hat (zerstort). Diese hat eben in leb-
hafter Bewegung mit einem Schwerte das Seil durchschnitten. Links
oben ist ein blauer, blasender Windkopf sichtbar.
Wir haben zum Schlufl noch einige Ulustrationen zu einzelnen
Gedichten ins Auge zu fassen. In dem schon zitierten Cod. Barber.
XLV, 37 liber dem Anfang der weltschmerzlichen Canzone F vo
pensando e nel pensier m'assale, die ahnlich wie die Trionfi den
Grundgedanken hat, dafl alles Irdische, in erster Linie Liebe und Ruhm,
eitel ist, folgende: Der Dichter ringt die gefalteten Hande; vor ihm ein
geknickter Lorbeerbaum und eine gebrochene Siiule; rechts ein Stuck
Wasser; dahinter ein von vier Silulen getragener Sarkophag, auf dem
eine Frau liegt. Dariiber halten zwei Engel die betende Seele auf
einem Tuch. Diese Illustration ist vielleicht auch als Titelbild fur den
zweiten Teil des Canzoniere aufzufassen, der mit jener Canzone beginnt.
Zu derselben Canzone enthalt der im J. 14 14 geschriebene Cod. ital. 81
der Miinchner Hof- und Staatsbibl. eine Zeichnung: in einem hallen-
artigen Gebaude, in das man durch oftenc Arkaden blickt, liegt auf
einer Bahre Laura; zu ihren Fiifien steht Petrarca; im Hintergrund
eine einfache Felslandschaft. Den Tod Lauras in Gegenwart ihrer Frauen
schildert das Bild vor dem zweiten Teil des Canzoniere in dem schon
vorher erwahnten Pariser Codex Fonds ital. 549. Auf der unteren Hal ft e
des Blattes ist der Dichter in Nachdenken versunken mit einem Buch in
beiden Handen dargestellt. An gleicher Stelle steht eine von den
beschriebenen ganzlich verschiedene Darstellung in dem Cod. Palat. 184
fol. 105 Florenz. Bibl. Naz.: Petrarca, durch eine Landschaft schreitend,
blickt auf ein Gerippe, das in einer Grube liegt. In einer Glorie
erscheint oben Christus mit ausgebreiteten Armen. Das wiirde sich,
wie schon Luigi Gentili4) hervorgehoben hat, leicht auf Vers 12 bis
15 der ftinften Strophe der genannten Canzone beziehen lassen.
4) I Codici Palatini della Biblioteca Nazionale, Florenz i88g p. 192.
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Petrarca, und die bildende Kunst. 2 7 1
Zu der Canzone Vergine bella, che di Sol vestita gibt es im
Cod. Laurenz. Strozz. 172 fol. 143 folgende Illustration: Petrarca kniet
in einer Landschaft vor einem Hiigel. Rechts oben erscheint auf Wolken
sitzend die Madonna in einer Mandorla, die von vier Engeln gehalten
wird. —
Von Petrarcas Schrift De viris illustribus sind drei illustrierte
Handschriften bekannt (zwei in Paris, eine in Darmstadt), die uberein-
stimmend als Titelbild den Triumph des Ruhmes tragen. Die Verf. fiihren
das auf einen Einflufl von Petrarcas Trionfo del la Fama (4. Kap. der Trionfi)
zuriick. Das ist jedoch nicht unbedingt anzunehmen; denn die Wieder-
gabe des Triumphes des Ruhmes war auch unabhiingig von Petrarca
und schon vor Petrarcas Gedicht bekannt, wie aus der Beschreibung in
der vor Petrarcas Trionfi entstandenen Amorosa Visione Boccaccios
hervorgeht5). Darstellungen des Trionfo della Fama kamen auf fran-
zosischen Teppichen vor6). Dieselbe Szene wird als Wandgemiilde in
dem 1330 von Azzo Visconti angelegten Kastell von Mailand be-
schrieben 7).
Ich halte es nicht, wie J. von Schlosser annimmt8), fur wahr-
scheinlich, dafi die Darmstadter Miniatur nur >eine ziemlich rohe Ab-
breviature der beiden unter sich iibereinstimmenden Pariser Illustrationen
darstellt Mafigebend scheint mir, dafi die beiden Pariser Bilder ganz
im idealistischen Sinne aufgefaBt sind. Der Ruhm ist eine uhcrirdische,
gefliigelte Frauengestalt, die von (ienien umgeben auf ihrem Wagen in
den Liiften dahinfahrt und der sie untcn auf der Erde erwartenden
Menge Kranze zuwirft. Die Darmstadter Zeichnung dagegen nahert sich
der spateren realistischen Darstellungsweise, der wir bei siimtlichen
Illustrationen zu Petrarcas Trionfo della Fama in den italienischen Hss.
des 15. Jh. begegnen. Hier ist Fama eine Frau in weltlicher Tracht
ohne Fliigel, die in der Rechten ein Schwert, in der Linken eine kleine
Figur (Genius des Sieges) halt. Sie sitzt auf einem Steinthron, der von
den beiden Rossen gezogen wird, und ist zweifellos als auf der Erde
fahrend zu denken, wo sie von einer Anzahl von Reitern begriifit wird.
Ob eins der beiden Schemata und welches unmittelbar von
Petrarca inspiriert worden ist, lafit sich nicht feststellen; doch diirfen
wir wohl die idealistische Auffassungsweise ziemlich sicher als die fruhere
•"') Wcisbach n. a. f). p. 72 u. 79.
r>) J. von Schlosser: Ein Vcronesisches Dilderbuch und die hofisohc Kunst des
XIV. Jh. Jahrb. d. kun^thist. Samnil. des Allerh. Kaiserh. XVI p. 169. Hier auch
zahlreiche Abkild. dcr Darmstadter lis.
•") v. Schlosser, a. a. O. p. 178.
s) A. a. O. p. 191.
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272
Werner Weisbach:
ansehen. Ftir die Pariser Illustrationen ist es schon ihrer zeitlichen Ent-
stehung nach ausgeschlossen, dafi sie mit Benutzung des Illustrations-
zyklus der Trionfi geschaffen sind; ftir die Darmstadter Hs. laflt es sich
nicht nachweisen, da uns eine illustrierte Hs. der Trionfi aus dem
Trecento nicht erhalten ist. Ebenso ist das, was die Verf. (p. 49) ver-
muten, nicht beweisbar, dafl Jacopo Avanzi seine Trionfi im Schlosse
von Verona unter dem Einflusse Petrarcas gemalt haben soil.
Von der Africa des Dichters ist keine illustrierte Ausgabe bekannt.
Auch das Werk De remediis utriusque fortunae scheint in Italien
nicht illustriert worden zu sein. Dagegen ist es in Frankreich und
Deutschland besonders beliebt gewesen. Es ist das Verdienst def Verf.,
die Bilder in den verschiedenen Handschriften und gedruckten Ausgaben
zum erstenmale eingehend geschildert und gewdrdigt zu haben. Die
altesten franzosischen Illustrationen sind um die Wende des 15. und
16. Jh. entstanden, die bedeutendsten und prachtigsten finden sich in
einer Handschrift aus der Zeit Ludwigs XII. Mit 259 Holzschnitten
erschien das Buch unter dem Titel Von der Artzney bayder Gltick, des
guten und widerwertigen mit Kunstlichen Figguren durchauz gantz
lustig und schoen gezierd in Augsburg bei Heynrich Steyner im J. 1532.
Die Bilder, die Hans Burgkmair oder seiner Schule zugeschrieben werden,
sind auflerordentlich geistvoll und flott ausgefiihrt. Sie waren jedenfalls
lange vor Erscheinen des Buches vollendet; die spateste Jahreszahl auf
einem der Schnitte ist 1520. Ftir ihre Beliebtheit sprechen die elfAuf-
lagen des Werkes.
Den grofiten und wichtigsten Teil ihrer Arbeit haben die Verf.
einer Schilderung des Illustrationszyklus der Trionfi gewidmet. Keiner
anderen italienischen Dichtung ist die Jahrhunderte hindurch eine so
reiche Illustrierung von seiten der Miniatoren, Maler, Bildhauer, Kupfer-
stecher, Holzschneider, Teppichwirker zuteil geworden. Der Gegenstand
bietet daher ein besonderes Interesse, und da er von den Verf. keines-
wegs erschopft worden ist, so bleibt die Gelegenheit, ihn noch einmal
von ganz bestimmten Gesichtspunkten aus zu betrachten.
Als Quellen oder als Vorbilder kommen ftir die Dichtung eine Stelle
in Lactanz Institutiones div. I c. 11, der Roman de la Rose, Dante,
Boccaccios Amorosa visione, in gewissem Sinne auch die Psychomachie
des Prudentius in Frage. Einem mystischen oder allegorischen Triumph-
zuge, dem ein Wagen als Mittelpunkt dient, begegnen wir schon bei
Dante (Purg. XXIX, 43 rT.) und in der vor den Trionfi entstandenen
Amorosa Visione Boccaccios. In erster Linie wurde Petrarca zweifellos
durch den antiken romischen Triumph inspiriert. Hatte er doch selbst
schon vor den Trionfi in der Africa einen antiken Triumphzug aus-
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Petrarca und die bildcnde Kunst, 273
flihrlich geschildert. Und in seinen Gedichten finden sich ofter An-
spielungen auf Triumph-Bogen und -Zlige.
Will man der Quelle des Illustrationscyklus, der sich an Petrarcas
Gedicht anschlofl, nachgehen, so darf man die allegorischen Dar-
stellungen, die gewohnlich als Triumphe bezeichnet werden, wie Giottos
Triuihph der Keuschheit, der Armut, des Gehorsams und des hi. Franz
in Assisi, den Triumph des Todes im Camposanto zu Pisa, den Triumph
des Thomas von Aquino in der Cap. degli Spagnuoli, den Triumph
des guten Regimentes im Stadtpalast von Siena aufier acht lassen.
Diese Allegorien sind nicht in dem eigentlichen antiken Sinn als
Triumphe zu verstehen. Sie wurden von der Zeit auch nicht als Trionfi
aufgefafit. Ftir eine der bekanntesten z. B., den Triumph des Todes in
Pisa, ist diese Benennung verhaltnismaflig neu. Vasari I, 596 spricht
von dem Bilde als Prima storia des Giudizio universale, worunter er die
beiden nebenan befindlichen Fresken mit begreift. Und in den alten
Archiven von Pisa soil es als Purgatorio bezeichnet sein9).
Im Gegensatz zu diesen gemeinhin als Triumphen bezeichneten
verschiedenartigen Darstellungen tragt der Illustrationszyklus der Trionfi
Petrarcas ein im grofien und ganzen iibereinstimmendes Geprage. Das
Typische ist, dafi nach Art irdischer Festziige die Allegorien auf Wagen
triumphierend auftreten. Wir kbnnen das von den ersten Illustrationen
des Quattrocento an verfolgen. Eine idealistische Auffassung, wie sie
die triumphierende Gloria in den Pariser Handschriften der Epitome
zeigte, wird ganzlich aufgegeben und nur noch stellenweise filr den
Trionfo della Divinita zugelassen.
Dafi die sechs Allegorien nahezu durchgehends auf Wagen fahrend
dargestellt werden, dazu bietet das Gedicht Petrarcas keinen unmittel-
baren Anlafi, denn er schildert einen solchen Wagenzug nur einmal,
gleich am Anfang, gelegentlich des Trionfo dell' Amore. Weshalb sich
ohne direkte Anlehnung an das Gedicht und teilweise im Gegensatze
zu ihm ein typischer Bilderzyklus (lediglich mit Variationen in Einzel-
heiten), der sich liber ganz Italien erstreckt, ausgebildet hat, bleibt ftir
die Verfasser ein unlosbares Problem. Sie glauben, auf einen Kommen-
tator schliefien zu sollen, der von Anfang an zwischen den Text und
die Illustrationen getreten ware (p. 121). Viel Wahrscheinlichkeit hat
die Hypothese eines solchen unbekannten Kommentars nicht, und die
Verf. wagen sie selbst kaum zu sttitzen. Durchaus nicht zu recht-
fertigen ist es auch, dafi sie die Wiedergabe des Trionfo della
Kama in dem Illustrationszyklus von jencr Darstellung als Titelbild der
S) Hettner Ital. Studien p. 135.
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274 Werner Weisbach:
Epitome herleiten und in ihr das Prototyp der folgenden des 15. Jahr-
hunderts sehen wollen. Wie ich schon angedeutet habe und nock
weiter ausfiihren werde, sind die letzteren von denen des Trecento
prinzipiell verschieden. Gerade in dem, worauf es ankommt, weichen
sie voneinander ab. »Die MiniaUtren irgend eines verlorenen Manu-
skriptes oder monumentale Fresken« aus dem Trecento haben dem Bilder-
zyklus gewifi nicht als Vorbild gedient.
Ich habe in meinem Pesellino-Buche das Problem dadurch
zu losen versucht, dafi ich die Entstehung des Zyklus auf Fest-
ziige, welche die Trionfi Petrarcas zum Gegenstande hatten, zu-
riickleitete und brauche meine Beweisftihrung hier nicht zu wieder-
holen. So erklaren sich Unterschiede in Einzelheiten (Form und
Ausstattung der Wagen, Bespannung, Gefolge etc.) leicht durch ver-
schiedene lokale und zeitliche Gewohnheiten bei den Festziigen. Ich
nehme also an, dafi ein Festdekorateur — und zwar in Florcnz —
zuerst auf den Gedanken gekommen ist, die Trionfi Petrarcas mit
Wagenztigen aufzuftihren, da dies ja die einzige und beste Moglichkeit
war, den Inhalt des (iedichtes in einem bestimmten Rhythmus fur einen
Aufzug zu verwenden, dafi sich daraufhin der Illustrationszyklus in der
bildenden Kunst verbreitet hat und dafi daraus die iibereinstimmende,
durchaus realistisch gchaltene Wiedergabe der auf Wagen triumphierenden
Allegorien bei den Illustratoren zu erklaren ist. Die Verf. vermuten
das Umgekehrte, indem sie p. 131 schreiben: II n'est pas stir (pie les
illustrations du poeme de Pctrarquc n'aient pas dtteint sur bcaucoup
de ces ceremonies.
Ich wiifite sonst keine Erklarung dafiir, dafi kein einziger Kiinstler
auf die Idee gekommen sein sollte, die Allegorien nach dem Vorbilde
des Trecento oder nach irgend einer neuen Erfindung in der Luft
schwebend darzustellen, dafi alle vielmehr konstruierbare Wagenziige
verwenden. Hatte einmal ein Festdekorateur das Gedicht Petrarcas als
Wagenzug zur Schau gestellt und stand das vor aller Augen, gleichsam
als etwas Neues, Selbstandiges neben der Dichtung, so ist es ver-
standlich, dafi die Kiinstler solche leicht in Bilder umzusetzende Vor-
gange, bei der Vorliebe der Zeit fiir einen handgreiflichcn Realismus
und fiir die bildlichc Darstellung solcher festlichen Aufziige, als Aus-
gangspunkt benutzten.
Dafi die Trionfi in der Wiedergabe der Illustratoren durchaus
dem cntsprechen, was uns von den festlichen Aufziigen in der Literatur
der Zeit und auf Cassonebildern erhalten ist, dafi gewisse Ziige sogar
genau mit Einzelheiten, die uns aus Beschreibungen bekannt sind, iiber-
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Petrarca und die bildende Kunst 275
einstimmen, bedarf kaum einer Erwahnung. Ein Blick auf das ein-
schlagige Material genligt das zu konstatieren.
Nachdem also, wie ich glaube, durch FestzUge die erste Anregung
gegeben war, hat sich der Ulustrationszyklus teilweise im Anschlufi an
diese, teilweise selbstiindig, teilweise mit Beeinflussung verschiedener
Darstellungstypen untereinander, ausgebildet. Zur Beurteilung der Aus-
gestaltung des Bilderkreises ist verschiedenes zu beriicksichtigen. Zu-
nachst haben nattirlich antike Vorstellungen darauf eingewirkt. Die
Literatur des Quattrocento beschaftigt sich viel mit den Triumphen.
Fazio degli Ubertis Dittamondo (11. Cap. 3) handelt ausfiihrlich davon
in dem Kapitel: Del modo e dell' ordine del trionfo in Roma. Flavio
Biondo schildert im 10. Kap. seiner i. J. 1459 geschriebenen Roma
triumphans den Triumph des Pompeius (nach Plinius). Ebenso Poggio
in seinem Kommentar zu Petrarcas Trionfo della Fama ,0). Abgesehen
von literarischen Nachrichten standen noch die alten Xeugen antiker
Triumphe, die Triumphbogen mit ihrem reichen kiinstlerischen Schmuck,
an den verschiedensten Stellen vor Augen. Ferner hat man, wie
bekannt, nach dem Vorbilde der Antike Triumphziige romischer Impe-
ratoren als Schaustiicke bei festlichen Gelegenheiten in Florenz und
Rom veranstaltet
Neben den antiken Vorbildern haben sich in seltsamer Weise
in den Ulustrationszyklus Szenen aus der honschen Dichtung und aus
der Volkspoesie eingeschlichen, worauf noch zuriickzukommen sein wird.
Unter den illustrierten Handschriften der Trionfi kann man zwei
Hauptkategorien unterscheiden: solche, die nur die triumphierenden
Allegorien, gleichsam als Titelbilder der einzelnen Abschnitte, enthalten,
und solche, in denen auflerdem einzelne bestimmte Partien der
Dichtung illustriert sind. Die letzteren sind bedcutend in der Minder-
zahl. Mir sind nur drei bekannt geworden: Florenz Laurenz. Cod.
Strozz. 174, Rom Vat 3157, Berlin Kupf. Kab. Ham. 501.
Gerade das iiberaus seltene Vorkommen freier selbsttindiger kiinst-
lerischer Erfindungen in den Trionn-Handschriften sj)richt dafiir, dafi
sich die Illustratoren meist an ein gegebenes, feststehendes Schema
hielteru Hatte ein Illustrator und nicht ein Festdekorateur solch ein
Schema erfundcn, er wtirde sich gewifi an einzelne, fiir die bildliche
Darstellung besonders verlockende Stellen der Dichtung angelehnt haben.
Wo wir wie bei dem wohl ferraresischen Illustrator des Ms. Reserve
4 — 4a der Nationalbibliothek in Madrid (p. 165) einmal eine Ab-
weichung von dem gewohnlichen Schema (dafi das Gefolge der Allegorien
10J Gedruckt P'lorenz 1485.
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276 Werner Weisbach:
die Wagen umgibt) beobachten, konnen wir das auch nur auf eine Be-
einflussung durch die Festdekoration zurtickzufiihren. Derm was in aller
Welt sollte den KUnstler sonst bewogen haben, die Begleiter auf den
Platformen der turmartig gebauten Wagen anzuordnen!
Als die alteste datierbare Darstellung der Trionfi nennen die
Verf., indem sie ohne weiteres eine ganzlich unbegriindete Hypothese
Milanesis acceptieren, die von diesem dem Veronesen Matteo de' Pasti
zugeschriebenen Malereien an einer Art elliptisch geformten Mobels in
den Ufrlzien. Diese Malereien sind jedoch sicherlich nicht die von
Matteo de' Pasti ftir Piero de' Medici ausgefiihrten, auf die sich sein
bekannter Brief an den Prinzen vom Jahre 144 1 bezieht. Bilder, die wir
zuiri Vergleich mit ihnen heranziehen konnten, sind uns von der Hand
Matteos nicht erhalten. Wir wissen, dafi er ftir den Hof von Ferrara
Miniaturen ftir Handschriften geschaften hat, wovon nichts auf uns
gekommen ist11). In seiner Kunstrichtung ist er zweifellos veronesisch
und von Pisanello abhiingig gewesen. Die rohen Malereien der Uffizien
lassen uns jedoch mit Sicherhcit eine florentinische Hand aus der ersten
Halfte des Quattrocento erkennen. Sie gehoren mit einer bestimmten
Gruppe von Malereien auf Cassoni, Deschi da parto und in Hand-
schriften zusammen, die alle urn die Mitte des Jahrhunderts entstanden
sein mtissen. Eine weitere Bestatigung daflir, dafi die Uffizien-Bilder
nicht die im Briefe Matteos ervvahnten sein konnen, ist, was auch
den Verf. aufgefallen ist, dafi dort vor dem Triumph wagen der Fama
vier Elefanten genannt werden, wahrend das Gemalde nur zwei zeigt.
(In Florenz komirten vier Elefanten als Gespann der Fama uberhaupt
nicht vor.)
Die fruheste mir bekannt gewordene illustrierte Handschrift der
Trionfi mit allerdings nur einer Illustration ist die Miinchener vom Jahre
14 1 4 datierte. Das Bild zum Trionfo della Morte weicht von der ge-
wohnlichcn Darstellung im Zyklus vollkommen ab: auf einem von zwei
Rossen gezogenen, mit gotischen Ornamenten verzierten Wagen fahrt
eine Anzahl Manner in Begleitung eines Engels12). Vielleicht ist es
nicht zu gewagt anzunchmen, dafi diese Handschrift vor der Ausbildung
des fest geftigten Illustrationskreises entstanden ist
In seiner ausgepragtesten und stabilsten Form tritt uns dieser
Zyklus in Florenz urn die Mitte des 15. Jahrhunderts entgegen. Bei
den hier entstandenen Werken bemerken wir eine solche Uberein-
1J) Vgl. Hermann Julius Hermann >Zur Gesch. der Miniaturmalerei am Hofe
der Este in Ferrara. « Jahrb. d. Kunsthist. Sign, des Allerb. Kaiserh. XXI, p. 133.
12J Vgl. Weisbach a. a. O. p. 73.
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Petrarca und die bildende Kunst.
277
stimmung in den groflen Ziigen, dafi die Annahme einer gemeinsamen,
durchgehenden Tradition nicht abzuweisen ist. Andererseits treten
hier Eigentiimlichkeiten in der Einrichtung der ZUge und im Beiwerk
auf, die sonst im ubrigen Italien gar nicht oder nur ganz vereinzelt
begegnen. Der florentiner Illustrationszyklus steht also als eine beson-
dere Gruppe da, die sich aus dem uns erhaltenen Bildermaterial heraus-
schalen laflt. Es soil im folgenden der Versuch gemacht werden,
diese Gruppe mit ihren charakteristischen Merkmalen vorzuftihren.
Dabei soil zugleich auf einzelne Abweichungen von dem florentiner
Typus, soweit solche fur die Gestaltung des Zyklus aufierhalb Florenz
von Bedeutung sind, hingewiesen werden. Das Material, auf das sich
die Untersuchung fiir den florentinischen Bilderkreis stlitzt, ist folgendes:
Gemalde.
Florenz, Uffizien. EIHptisches Mobel mit Darstellung der 6 Trionfi
(falschlich Matteo de' Pasti zugeschrieben).
Slg. Landau Cassonetafel mit drei Trionfi.
Fiesole, San Ansano. 4 Tafeln mit Trionfi von Jacopo Sellaio.
Siena, Akademie. 4 Tafeln mit Trionfi. (Sie konnen ihrem Stil nach
keinesfalls von dem 14 14 verstorbenen Andrea Vanni her-
riihren, sondern miissen spater sein.)
Turin, Pinakothek. Desco da parto, Trionfo dell' A more.
Trionfo della Castita.
Bologna, Pinakothek. Nr. 595, Trionfo della Fama (fehlt bei den Verf.).
London, South Kensington Mus. Cassonetafel mit 3 Trionfi.
Desco da parto, Trionfo dell' Amore No. 398 — 1890.
desgl. No. 144 — 1869.
Sig. Henry Wagner. Desco da parto, Trionfo dell' Amore (wie
der Turiner).
Triest, Bibl. Petrarchesca Rossettiana. Cassonebilder, Trionfo
dell' Amore, della Castita, della Fama (nach Attilio Hortis,
Catalogo delle Opere di Franc. Petrarca esistenti nella Petrar-
chesca Rossettiana, Triest, 1874, Tafeln).
Paris, Slg. Martin Le Roy (Ehemal. Slg. Cernuschi). Trionfo dell'
Amore (abgebildet in Les Arts, Nov. 1902, p. 6).
Boston, Mrs. Gardner. Cassonetafeln mit den 6 Trionfi von Fran-
cesco Pesellino.
Handschri ften.
Florenz, Bibl. Nazionale: Cod. Palat. 192 u. 197.
Bibl. Laurenziana: Cod. Amiatensis V, Strozzian. 174.
Bibl. Riccardiana 1129.
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278 Werner Weisbach:
Rom, Bibl. Vaticana: Cod. Urb. 683.
Modena, Bibl. Estense: Cod. a, W 9, 25.
Paris, Bibl. Nationale: Fonds ital. 545 u. 548.
Kupferstiche.
Wien, A 1 be r tin a. Zwei Folgen: 1: B. XIII, p. 116; Passavant V,
p. 1 1, die grofleren Formates und jedenfalls originale, 2: B. XIII
p. 423, Passavant V p. 11. Die 6 Trionfi auf einem Blatt
vereinigt. Freie Kopie der vorigen Folge, mehr in volks-
tlimlichem Sinnc bearbeitet.
Trionfo dell' A more. Der Wagen wird von zwei oder vier
weifien Rossen gezogen. Andere Zugtiere kommen bei diesem Triumph
iiberhaupt nicht vor.
Auf der Wagenplatte steht gewohnlich ein die Figur Amors
tragender Aufsatz, der ganz verschieden und oft sehr phantastisch
gebildet ist, kandelaber- oder fontanenartig. Den oberen Abschlufi
bildet vielfach eine flammende Kugcl. Manchmal finden wir auch
einen Ast, aus dem Flammen schlagen.
Auf dem Wagen, unterhalb Amors, treiben ofter Putten ihr Wesen.
Sie halten Fackeln oder Feuerschalen, schiefien mit Bogen, blasen
Posaunen. Manchmal schweben auch die Putten in der Luft.
Einmal begegnete mir ein nackter Knabe unten an dem Aufsatz
angebunden (Paris, Bibl. Nat. fonds ital. 545). Ein anderes Mai ist es
ein alterer Mann, der gefesselt vorn auf dem Wagen sitzt (Florenz,
Laurenz. Cod. Amiat. V, Paris, fonds ital. 548). Die Verf. (p. 130)
deuten die letztere Figur als Adam.
Das Gefolge, das den Wagen Amors begleitet, ist je nach dem
Geschmack der Kiinstler oder Besteller angeordnet. Meist ist es ein
dichtes Gewuhl von Mannern und Frauen, und zwar gewohnlich ge-
mischt, oder aber die Frauen schreiten voran, die Manner folgen.
Besonders geschmackvolle Kiinstler schufen harmonische Gruppcn zu
Paren. Als Episode sind bin und wieder Jiinglinge, die vom Pfeilschufi
des Gottes gctroffen sind, aufgenommen13).
Charakteristisch ftir den florentiner Zyklus ist es, dafi wir hier
und fast nur hier14) unter dem Gefolge bekannte Liebende oder Liebes-
szenen aus der hofischen und Volkspoesie oder der Bibel antrerTen,
und zwar: Pyramus und Thisbe, Herkules und Omphale, Aristoteles
13) AuBerhalb Florenz werden die Manner auch am Boden liegend, durch den
Pfeilschufl verwundet, dargestellt.
14) Nur ein anderes Beispiel ist mir bekannt, der Cod. Vat. Urb. 681.
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Petrarca und die bildende Kunst.
279
und Campaspe, Caesar und Cleopatra, Leander, Orpheus, Virgil im
Korbe, Sirnson und Delila. (Am hiiufigsten die Szene des Lay d'Aristote.)
Hierin zeigt sich recht eigentlich die Geschlossenheit des florentiner
Kreises. Auf florentiner Boden vollzog sich die Vermischung der
Dichtung Petrarcas niit dem hdfisch-roinantischen StofTgebiet
Trionfo del la Castita. Der Wagen wird von zwei Ein-
hornern gezogen. (Aufierhalb Florenz auch 4 Einhorner oder zwei
weifle Rosse.) Die Attribute der Keuschheit wechseln. Meist sind es
Buch und Palmzweig, seltener Keuschheitsbanner und Palnizweig. Auf
dem Wagen kniet vorn oder hinten der iiberwundene Amor, gefesselt.
Das Gefolge der Castita besteht aus Frauen, parweise oder in Massen,
meist ohne bestimmbare Personlichkeiten. Nur einmal begegnet uns
Diana (Florenz, Cod. Riccard. 1129), ein anderes Mai Lucretia (Paris,
fonds ital. 545). Der Zug wird hier und da angefuhrt durch eine
Frau, die das bei Petrarca erwahnte Keuschheitsbanner mit dem
Hermelin tragt. Es ist bezeichnend, dafi episodische Vorgiinge bei
diesem Triumph in den florentiner Werken vermieden sind. (Ander-
warts kommt einmal Virginius, seine Tochter totend, und Judith mit dem
Haupte des Holofernes vor, Rom, Bibl. Barberini XLV, 37. Die
Berliner Hs. Hamilton 501 enthiilt eine eigene Darstellung mit Scipio
auf einem Wagen.)
Trionfo del la Morte. Der Wagen wird von zwei BtifTeln ge-
zogen15); der Tod als Gerippe mit Hautfetzen und zerfetztem Gewande
dargestellt; er schwingt eine Sense. Einmal hat er wie in dem beriihmten
Fresko des Campo santo in Pisa Fledermausflugel (Paris fonds ital. 548).
Das Gefolge ist meist als Menschenknauel verschiedenen Standes und
Geschlechtes, liber den der Todeswagen hinwegfahrt, wiedergegeben.
Zwei Episoden, die auch sonst in der Ikonographie des Todes vor-
kommen, trerTen wir vereinzelt an: einmal die frohliche Gruppe der
Weltlust vor oder neben dem Wagen (Siena; Uffizien, dem Pasti zu-
geschrieben, siehe oben; Kupferstichfolgcn der Albertina), dann die
Gruppe der Greise, die, dem Tode die Arme entgcgenstreckend, ihr
Ende herbeiwiinschen (Uffizien und Albertina-Folge); [die letztere Gruppe
auch aufierhalb Florenz: Rom Cod. Vat. Urb. 681 u. Barberini XLV, 37].
Eine Begegnung des Todes mit Laura, wie sic in Petrarcas
Gedicht geschildert wird, kommt auf florentinischen Werken nicht vor,
wohl aber in den Mss. Vat 3157, Vat. Ottob. 2978 und Barber. XLV. 37.
15 ) Aufierhalb Florenz einmal 4 Drachen, Berlin, Hamilton 501. — Weshalb
der Wag-en gerade von Stieren gezogen wird, ist noch nicht ergrlindet worden. (In
der antiken Kunst wird einmal der Wagen der Diana Lucifera auf einem Elfenbein
des 3. Jahrh. der Pariser Nationalbibliothek (West wood 24) von zwei Stieren gezogen.)
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280 Werner Weisbach:
(Die drei Parzen ersetzen in Italien im 15. Jahrh. niemals die
Darstellung des Todes, finden sich aber schon einmal in seiner Be-
gleitung Cod. Barber. XLV, 37.)
Trionfo del la Fa ma. Gespann: Gewohnlich zwei weifle Rosse
oder zwei Elefanten16); in der Albertina-Folge zwei drachenartige Un-
geheuer. Die Anwendung von Elefanten geht jedenfalls auf die Kenntnis
von dem Triumphzuge des Pompeius (durch Plinius iiberliefert) zurtick,
der auch von Flavio Biondo (Roma triumphans, Basel 1559 Kap. 10)
ausfiihrlich geschildert wird. Man war sich iiber die Verwendung der
verschiedenen Gespanne vollig klar, wie aus einer Stelle bei Poggio
(Comento sopra el Trionfo della Fama, Florenz 1485, p. av) hervor-
geht: Solo Pompeio magno innanzi alia eta legitima del consolato
due volte triompho: factosi tirare el triomphale carro da elephanti
usato innanzi a quel tempo d'esser tirato da cavallo17).
Der Wagen, auf dem Fama thront, zeigt ein sehr charakteristisches
in Florenz immer wiederkehrendes Motiv. Die Gottin erscheint in
einem Kreisrund, das wie eine Scheibe hinter ihr aufgestellt ist In
dem Kreisrund bemerkt man Baume, Wasser, Hauser. Dieses Motiv ist
von den Verf. ganzlich mifiverstanden worden, die immer von einer
Mandorla, analogue a celles qui entourent la Sainte Vierge, sprechen.
Wie ich schon in meinem Pesellino gezeigt habe, bedeutet es das Welt-
rund, das als ein stiindiges Attribut der Fama auftritt und auch von
Boccaccio bei seiner Schilderung des Trionfo della Fama in der Amorosa
Visione angeftihrt wird:
Un cerchio si moveva alto, e ritondo
Da pie passand' a lei sovra la testa.
Ne credo, che sia cosa in tutto '1 mondo
Villa paese dimestico, o strano,
Che non paresse dentro di quel tondo.
Einigemale sehen wir oben an dem Weltrund geflugelte Posaunen
angebracht
Wo das Weltrund nicht als Scheibe hinter der Fama dargestellt
ist, steht diese auf der Weltkugel, wie in dem Ms. Paris, fonds ital. 548
und den beiden Kupferstichfolgen der Albertina.
16) In der Hs. Berlin Hamilton 501 vicr Lowen.
17) Am Domitiansbogen in Rom kommen auch vier Elefanten vor. cf. Donaldson,
Architectura numismatica N. 57 p. 226. — Auf einem der Gherardesca-Sammlung ent-
stammenden Konsular-Diptychon des British Museum (wahrscheinlich von Romulus,
Sohn des Kaisers Maxentius f 308) wird der Wagen der Apotheose gleichfalls von
vier Elefanten gezogen. — Von der Einrichtung dieses Zuges handelt auch der Brief
des Matteo de' Pasti an Piero de' Medici, der schon frtther erwahnt wurde.
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Petrarca und die bildendc Kunst. 281
Die Attribute, die Fama in den Handen halt, sind meist Schwert
und ein kleiner pfeilschieflender Genius, manchmal Schwert und Buch,
einmal Schwert und Wage, oder Kugel, oder Fanfare und Kugel. (Aufier-
halb Florenz auch geflugelt und Posaune blasend [Cod. Vat. Urb. 681]
oder Flote blasend [Cod. Vat. Ottob. 2978], oder mit einem kleinen
Geige spielenden Genius, wohl miflverstandlich fUr den pfeilschieflenden
[Rom Bibl. Corsini 1081], oder mit einem schlofiartigen Gebaude [Berlin,
Hamilton 501]).
Das Gefolge der Fama besteht entweder aus den Helden des
Geistes und Schwertes unter teilweiser Einfiihrung bestimmter Person-
lichkeiten oder aus einer unbestimmbaren Menge.
Fine Besonderheit, die ausschliefllich dem florentinischen Illustrations-
kreise angehort, sind die beiden Gefesselten, die den Wagen der Fama
begleiten. Sie sind nackt oder mit einem einfachen Schurze bekleidet
und haben die Arme auf den Riicken gebunden. In trauriger, demiitiger
Haltung schreiten sie dem Zuge voran. Das Motiv geht wohl zweifellos
auf die gefesselten Barbaren zuriick, die in den romischen Triumph-
ziigen auftreten.18) Aber haben die beiden Manner hier im Gefolge der
Fama irgend eine spezielle Bedeutung? Oder stehen sie nur da als
Symbole der Uberwindung gegentiber der Fama als dem Symbole des
Sieges und Ruhmes? Aufschlufi dariiber geben weder die Kapitel bei
Petrarca noch die in der Sammlung der Canti Carnascialeschi vor-
kommenden Gedichte, die den Trionfo della Fama behandeln. Auch
Boccaccios Schilderung des Trionfo della Fama in der Amorosa Visione
erwahnt sie nicht
Besonders wertvoll fiir die Losung dieser Frage sind fiir uns die
beiden Kupferstichfolgen der Albertina, die mit Aufschriften versehen
sind19). Auf dem Blatte der grofieren (friiheren und originalen) Folge
steht unter der einen Figur deutlich geschrieben: SPENDIO; unter der
anderen kann man lesen: MAHIO oder MAHTO. Bei der letzteren
Lesart ware anzunehmen, der Stecher hatte die beiden oberenVertikalbalken
an dem T vergessen. Auf der zweiten Albertina-Folge kann man mit
absoluter Sicherheit lesen: SPENDIO und MACHIO. Sicherlich falsch
ist es, wenn die Verf. des Pe"trarque Spendio und Mathio lesen und
den beiden Gefesselten die Namen beilegen: Prodigue et Fou (?). Nimmt
**) Bei dem Einzuge Consalvos, des Keldherm Alexanders VI., nach der Unter-
werfung von Ostia i. J. 1497 zogen die Feinde in Ketten vor ihm her. Cf. Ilg, Ober
den kunsthistor. Wert der Hypnerotoraachia Polifili, Wien 1872 p. 105.
**) Das Resultat der folgenden philologischen Untersuchung verdanke ich der
gutigen f nterstutzung der Herren Professor Dr. Appel in Breslau und Dr. Alfred
Raphael in Berlin.
Repcrtorium fUr Kunst wissenschaft, XXVI. 20
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282 Werner Weisbach:
man an, der Stecher der Original-Folge hatte MAHTO schreiben wollen,
so ware das nach Analogie der auf demselben Stiche vorkommenden
Schreibweise ERHVLES zu erklaren als die erste Person Praes. von
mactare, also macto ich bestrafe, richte zu Grunde. Spendio = dispendio
oder expendio = dispendo oder expendo ich wage ab. Die Ausspriiche
waren also aus dem Munde der Fama kommend zu denken, die hier in
der Tat als Justitia aufgefafit ist, und auf deren Attribute Wage (ich
wage ab) und Schwert (ich bestrafe) zu beziehen. Die Gefesselten sind
dann die Opfer. Dem steht allerdings die deutliche Schreibweise
Machio auf der zweiten Albertina-Folge entgegen. Das lafit sich jedoch
leicht so erklaren, dafi dem volkstiimlichen Kopisten die lateinischen Worte
unbekannt gewesen sind. Spendio konnte er deutlich lesen. Mit dem
undeutlich geschriebenen MAHTO wufite er nichts anzufangen. Er nahm
das T ftir I, was ja auch eigentlich dasteht, loste nach der Analogie von
ERHVLES, das er in ERCVLES verwandelte, das H in C auf, vergafi*
dann, dafi er das H in C aufgelost hatte und setzte das H noch einmal.
So kam die Schreibweise MACHIO zustande. Da er sich bei dem
Worte jedenfalls gar nichts denken konnte, so erscheint dieser Vorgang
nicht ganz unwahrscheinlich 20).
Es sei beilaufig bemerkt, dafi mit den Kupferstichfolgen der
Albertina die Miniaturen in dem Ms. Modena, Bibl. Estense a, W 9, 2 5
und der Trionfo della Fama auf einem Majolikateller des South-
Kensington - Museums Nr. 7438 — 1 86 1 libereinstimmen. Es fehlen
jedoch die Inschriften. Eine Eigentumlichkeit dieser Illustrationsgruppc
bilden die beiden reich gekleideten Manner, die auf dem Wagen der
Fama sitzen. Sie halten in der Rechten ein Szepter, das bei dem
einen in ein Kreuz, bei dem andern in eine Lilie ausliiuft, in der
Linken ein Buch. Beide tragen turbanartige Htite, der des einen ist
von einer Krone umgeben. Vielleicht sind sie als Vertreter der kirch-
lichen und weltlichen Gerechtigkeit gedacht.
Solche spezifischen Eigentumlichkeiten, die mit dem Inhalte des
Gedichtes gar nichts zu tun haben, lassen sich doch nur erklaren,
wenn man, wie ich es tue, als Vorbilder bestimmte oflfentliche Aufziige
*°) Ein anderer Erklarungsversuch ist folgender: Spendio geschrieben fUr spegno
ich Iosche aus und MAHIO (wenn man diese Lesart annimmt) = macchio ich besudelc.
Dann waren die Worte den beiden Gefesselten als Feinden der Fama, die nun von
ihr bezwungen sind, in den Mund gelegt. Diese Lesart hat das gegen sich, daB kaum
anzunehmen ist, ein Stecher hatte ftir spegno oder spegnio, selbst wenn ihm das Wort
diktiert worden ware, spendio schreiben soil en. In den Beischriften des Trionfo della.
Morte schreibt er auch ganz richtig spegnier und spegner. Bei dem ersten Deutung*s-
versuch ergeben sich die Sonderbarkeiten eher aus der Fremdheit der lateinischen
Sprache.
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Petrarca und die bildende Kunst. 283
voraussetzt, bei denen die betreflfenden Personlichkeiten an gleicher
Stelle fungierten. Auch die beiden Gefesselten werden aus den Fest-
zugen in den Bilderzyklus ubernommen worden sein. Das einzige mir
bekannte florentinische Werk, wo sie nicht vorkommen, sind die
Malereien auf dem Mobel der Uffizien. Da diese ihrem Stil nach einen
friihen Eindruck machen, so ist es nicht ausgeschlossen, dafi die Ge-
fesselten erst nach deren Entstehung in Florenz aufgekomnien sind.
Mit dem Ende des Jahrhunderts verschwinden sie. In der ersten ge-
dmckten florentiner Ausgabe v. J. 1499 erscheinen sie nicht mehr,
ebenso wenig in der Kupferstich-Folge des British Museum und auf den
von dieser abhangigen Holzschnitten.
Trionfb del Tempo. Gespann: zwei Hirsche oder Hirsch und
Hindin, als Symbole der Geschwindigkeit, in Florenz immer (sonst auch
einmal vier Hirsche [Cod. Vat. Ottob. 2978] oder vier weifle Rosse
[Barberini XLV, 37] oder zwei Hirsche und zwei Elefanten [Berlin,
Hamilton 50 ij).
Der Zeitgott wird in und aufierhalb Florenz verschiedenfach dar-
gestellt: als gefliigelter oder ungefliigelter Greis auf Kriicken mit dem
Astrolabium oder Attributen der Verganglichkeit, Stundenglas, Sichel,
oder mit dem Zeitrad, oder als Saturn mit seinen Kindern. Einmal
als Sonne, unter deren Bilde das Gedicht Petrarcas die Zeit zur An-
schauung bringt (Barberini XLV, 37).
Das Gefolge wechselt. Es ist entweder eine blofie Menge oder
Greise mit Kriicken und Attributen der Zeit, oder es fehlt Uberhaupt.
Ein bestimmter, feststehender Typus laflt sich fiir Florenz bei diesem
Triumph ebenso wenig wie bei dem Trionfo della Divinita heraussezieren.
Eine Wiedergabe dieses Triumphes gibt uns erneuten AnlaiJ,
die Vorbilder fiir die bildlichen Darstellungen der Trionfi in fcstlichen
Aufzugen zu suchen. Man betrachte die zweitc Kupferstichfolge der
Alberti na (abgebildet bei den Verf. p. 170). Hier ist der Triumph der
Zeit ofTenbar mit einem Karnevalsscherz in Verbindung gebracht. Ein
Narr reitet auf einem Schwein, ein zweiter greift ihn mit einer Lanze
an. Darunter steht geschrieben: O traditor del porco. Den Hinter-
grund nitnrnt eine Giostra und ein musizierendes Paar ein. Es sind
also verschiedene Momente aus dem festlichen Leben zusammengestellt.
Dafi man grobe karnevalistische Scherzc mit ernsten heiligen
und profanen Aufzugen in Verbindung brachte, ist bekannt genug.
Als einziges Beispiel sei ein Cassonebild in der ehemaligen Sammlung
Artaud de Montor21) erwahnt. Hier sehen wir bei einem Triumph-
zuge Caesars einen Narren vorn auf dem Wagen sitzen.
a; Peintres primitifs. Paris 1843 **!• 43*
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284 Werner Weisbach:
Man konnte sich bei der Einfiihrung solcher Spafimacher auch
auf das Altertum berufen. In der Schilderung des antiken Triumph-
zuges bei Poggio (Comento sopra el Trionfo della Fama) folgt dem
Wagen eine gran turba di histrioni e giuoculatori ornati ciaschuno
variamente per dar piacere al populo.
Trionfo della Divinita. Kein anderer Triumph zeigt eine so
abweichende und unregelmaflige Darstellungsweise. Divinitas erscheint
entweder als Gottvater allein oder als Trinitat. Ein Wagen wie bei
den andern Triumphen ist nicht haufig. Tritt er auf, so hat er ent-
weder gar kein Gespann oder wird von den Evangelisten oder deren
Symbolen gezogen. Freiere Erfindungen sind bei diesem Triumphe
allenthalben die Regel.
Nur ein Schema lafit sich neben vielen Abweichungen fiir Florenz
in Anspruch nehmen: die Gottlichkeit liber den Spharenkreisen im
Empyreum thronend (die Verf. sprechen falschlich von einem Regen-
bogen), von Engeln umgeben. Diese Auffassung ist mir aufierhalb
Florenz nicht begegnet. Daneben kommen in Florenz auch Wragen und
andere freiere Darstellungen vor.
Die Betrachtung des Bilderkreises der Trionfi hat uns gezeigt,
dafi sich gewisse Ziige nur in Florenz finden, die anderwarts nicht
vorkommen. Auf florentiner Boden allein tritt uns der Kreis in einer
Geschlossenheit entgegen wie sonst nirgends. Ich glaube daher, dafi
der bildliche Zyklus als solcher in Florenz entstanden ist, und zwar
in Anlehnung an die Festzuge, die die Trionfi zum Gegenstand hatten,
dafi er von da aus seinen Weg nach dem librigen Italicn genommen hat.
Vom Ende des 15. Jahrh. an loste sich das ikonographische
Schema der Triumphzilge immer mehr und wurde in hoherem Mafie
der Willkiir der einzelnen KUnstler iiberlassen. In Italien hat am Ende
des 15. Jahrhunderts namentlich auf die Illustrationen der gedruckten
Bticher die Kupferstichfolge des Brit Mus. (Bartsch XIII p. 277, Passa-
vant Vp. 11, 71 — 72) einen bedeutenden Einflufi ausgetibt. Sie gehort
mit ihren harmonischen, schwungvollen Kompositionen und der feinen,
geistvollen Zeichnung zu den am meisten klinstlerischen Schopfungen
des Trionfi-Zyklus. Zahlreich sind die gedruckten Trionfi-Ausgaben mit
Illustrationen. Die Verf. haben eine Anzahl davon beschrieben unci
abgebildet Mannigfache Variationen gibt es unter ihnen, auf die hier
nicht naher eingegangen zu werden braucht.
Nachdem von dem Bilderzyklus der Trionfi als ganzem ge-
sprochen worden ist, sei noch kurz auf einigc Darstellungen hingewiesen,
die eine bestimmte Stelle des Epos zum Vorwurf haben. Den Kampf
zwischen Laura und Amor, wie ihn der Dichter im Trionfo della Castit^.
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Petrarca und die bildende Kunst.
285
schildert, sehen wir auf einigen Gemalden wiedergegeben, einem Desco
da parto der Kollektion Jarves in New-Haven, einem feinen florentinischen
Bildchen der Londoner National-Gallery und einem Signorelli derselben
Sammlung.
Fiir solche, die sich ftir dieses Gebiet weiter interessieren, mflchte
ich noch einige Trionfi, die den Verf. des Pdtrarque entgangen sind,
kurz anfiihxen-
Gemiilde:
Bologna, Pinakothek. Nr. 595 Trionfo della Fama. Nr. 758 Frag-
ment, Trionfo del Tempo. Nr. 594 u. 596 Trionfo della Fama
und del Tempo.
Cassel, Galerie. Nr. 484 Bacchiacca, Portrat eines alten Mannes mit
einem Totenkopf, im Hintergrunde der Trionfo della Morte22).
Handschriften:
Florenz, Bibl. Riccardiana. 1147 Ftinf Trionfi, Amor fehlt Mit
teilweiser Benutzung von Riccard. 1129 und weit spiiter.
Laurenziana. Cod. Amiatensis V mit Trionfo dell' Amore. — Ashburn-
ham 1058 mit Trionfo della Morte und del Tempo, eingeklebt,
franzosisch, Anf. 16. Jahrh.
Rom, Vaticana. Cod. Vat. 3157 mit den 6 Trionfi.
San Daniele del Friuli. Biblioteca Nr. 139 Divini ingenii Francisci
Petrarche florent versus vulgares (il Canzoniere e i Trionfi)
Membr. in 4 sec. XVI.
Giuseppe Mazzatinti, Inventario dei Mss. della Bibl. di S. Daniele
del Friuli, Forli 1893. Prachtige Illustrationen23).
Der Bilderzyklus fiel im 16. Jahrh. in Italien immer mehr dem
Verfall anheim. Die wenigen bedeutenden illustrierten Handschriften
d/eser Zeit werden von den Verf. eingehend analysiert.
Unter den Gemalden ist nur ein wertvoller Zyklus von der Hand
des Bonifazio Veneziano zu erwahnen.
Auch die italienische Skulptur hat sich im 15. und 16. Jahrh. die
Trionfi nicht entgehen lassen. Eine Reihe von Reliefplatten in Elfenbein
und Bronze, die kunstgewerblich verwandt wurden, sind uns erhalten.
Die des 15. Jahrhunderts gruppieren sich um eine Serie von Elfenbeinen
21) Ich cntsinne mich, auch einmal ein Portrat mit dem Trionfo della Fama im
Hmtergninde gesehen zu haben, kann aber die Notiz nicht wiederfinden.
23) Ich vcrdanke die Notiz liber diese Hs., die ich nicht selbst gesehen habe,
da Gate des Herrn Dr. Arthur HaselofT.
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286 Werner Weisbach:
im Dom von Graz, die mantuanischen Ursprungs ist24). Darstellungen
einzelner Triumphe fanden auch an den Prunkwaflfen des 16. Jahrhunderts
Verwendung.
Das klassische Land fiir den Trionfi-Zyklus wurde im 16. Jahrh.
Frankreich. Der im J. 1475 erschienene Kommentar der Dichtung
Petrarcas von Bernardino Illico wurde hier vor allem ausgebeutet
Das erste sichere Datum flir die Aufnahme des Zyklus in die
franzosische Kunst bieten die interessanten Glasgemalde der Kirche in
Eroy vom Jahre 1503. Seine reichste Ausgestaltung fand er in den
flandrischen Tapisserien, von denen eine ganze Anzahl von Serien
erhalten ist. Es ist ein Hauptverdienst der Verf., die verschiedenen
Arten der Wiedergabe sorgfaltig untersucht und durch vortreffliche
Abbildungen erlautert zu haben. Der Zyklus erfreute sich in hofischen
Kreisen grofier Beliebtheit und wurde in prunkvollster Weise zur Dar-
stellung gebracht, mit Aufbietung eines reichen Apparates von Personen
und grollem Luxus. Manches neue Motiv wurde eingefuhrt, neue Zug-
tiere flir die Wagen, neue Allegorien, neue Attribute. Es werden
die Kampfe der einzelnen Triumph-Allegorien miteinander geschildert.
Aufierdem wird im Norden ein Motiv haurlger, das mir in Italien nur
einmal, im Cod. Vat. Ottob. 2978, begegnet ist, dafl bei den Triumphen
der einzelnen Allegorien die vorhergehendc Triuirtphallegorie als iiber-
wunden mit aufgenommen ist. Femer werden die ZUge zum Tcil von
der Erde fort in die Luft verlegt. fiber all das gibt das Werk der
Verf. Auskunft. Ebenso auch liber die franzosischen Handschriften des
Gcdichtes, die verhaltnismaflig wenig Interessantcs bieten. Toutes ces
representations manquent de sel et de saveur, lautet das Urteil der
Verf. mit Rucksicht auf diese. Kunstlerisch wertvoll sind unter den
Miniaturen nur wenige, wie die des Godefroy de Batave der Bibl. de
l'Arsenal Nr. 6480.
Auch die Holzschnitte in den gedruckten Biichern sind von
geringem Wert. Erst mit der Lyoner Ausgabe vom Jahre 1531 beginnt
ein Aufschwung, der mit der Pariser Ausgabe von 1539 scinen Hohe-
punkt erreicht.
Weiter verfolgen die Verf. den Zyklus noch in der dekorativen
Plastik und anderen Gebieten des Kunstgewerbes. Sie zeigen femer,
welchen Einflufi er auf andere allegorische Darstellungskreise aus-
geiibt hat.
2-1) Dcnselbcn Darstellungstypus vertreten auch vier Tempera-Bildcr im Schlosso
Coloredo bci Udine, die friiher Francesco Mantcgna zugeschriebcn wurden. Nactv
Kristellcr (Mantcgna p. 298) sind es schwache Arbettcn von etncin SchUler Jacopo
Bellinis.
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Petrarca und die bildende Kunst. 287
In Flandern (mit Ausnahme der Tappisserien) und Deutschland
haben sich die Trionfi niemals recht eingebiirgert Am meisten Interesse
bietet noch die Kupferstichfolge von Georg Pencz.
Bis in das 17. Jahrh. geleiten die Verf. die Bilderreihe. Im
Jahre 1663 schuf der franzosische Bildhauer Jacques Sarazin vier
Triumphe fur die Grabkapelle Heinrichs von Bourbon, die sich heute
in der Schlofikapelle von Chantilly befinden.
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Das Stabbrechen auf den Darstellungen des Sposalizio.
Von Dr. jur. Ernst v. Moeller.
Verschiedene germanische Rechte kennen eine Sitte des Stabbrechens.
Sie geht auf frankischen Ursprung zuriick. Sie ist bereits ftir die Zeit
der Volksrechte bezeugt und lebt heute noch in sehr verschiedenen An-
wendungen fort. Auf diese Sitte geht es zuriick, wenn im April 1900
bei einer Hinrichtung in Mannheim oder im Februar 1901 bei dem Be-
grabnis der Konigin Viktoria von England oder im Juli 1901 in dem
Bigamieprozefl gegen den Earl of Russel1) in London der Stab gebrochen
wurde. Ebenso sind dieser Sitte die deutsche Redensart »jemandem den
Stab brechen« und die franzosische Wendung »rompre la paiile« ent-
sprungen.
Dieser Rechtssitte habe ich vor einigen Jahren eine eigene Unter-
suchung2) gewidmet. Und bei dieser Gelegenheit hatte ich mir die
Frage vorzulegen, ob das Stabbrechen auf den Darstellungen des Spo-
salizio in diesen Zusammenhang gehore oder nicht. Im folgenden
stelle ich zusammen, was ich damals liber Vorkommen, Ursprung und
Bedeutung des Stabbrechens auf den Sposalizien gesammelt habe.
1.
Das Stabbrechen begegnet bei der Darstellung der Vermahlung von
Maria und Joseph zuerst in der italienischen Kunst; und zwar zuerst bei
Giotto auf einem Fresko der Arenakapelle in Padua. Seitdem findet es
sich ziemlich haufig bei den italienischen Malern. Das Stabbrechen ist
schliefilich in der Zeit der Renaissance beinahe ein typisches Merkmal
der italienischen Sposalizien geworden. Es findet sich vor allem in der
Malerei, aber auch in der Skulptur und zuletzt iiberall, wo tibcrhaupt
Sposalizien dargestellt werden, z. B. in der Intarsia-Verzierung des Chor-
gesttihls des Pantaleone de Marchis in der Berliner Gemaldegalerie.
1) MUnch. Ncucst. Nachr. 22. Juli 1901. Nr. 335.
2) Zeitschr. d. Savigny-Stiftung Air Rcchtsgeschichtc. German. Abteil. 1900.
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Ernst v. Moeller: Das Stabbrechen auf den Darstellungen etc. 289
Von Italien aus hat sich dann allmahlich das Stabbrechen nach
Frankreich, nach den Niederlanden, nach Deutschland und ohne Zweifel
noch weiter verbreitet Aber in keinem der anderen Lander Iassen sich
so viele Beispiele wie in Italien nachweisen. Wollte man hier eine genaue
Statistik aufstellen, so wiirde man infolgedessen hochstwahrscheinlich von
Sposalizien, die das Stabbrechen aufweisen, summa summarum nur einen
sehr geringen Prozentsatz finden.
Schon vor Jahren hat Alwin Schultz8) eine Reihe solcher Sposa-
lizien zusammengestellt. Ein etwas ausgedehnteres Verzeichnis ist im
Anhang am Schlusse dieses Aufsatzes geliefert
In der italienischen Kunst findet das Stabbrechen regelmafiig in
derm Augenblick statt, in welchem der Hohepriester die Vermahlung voll-
zieht. In franzosischen Darstellungen laflt sich mehrfach eine Abweichung
in dem Sinne beobachten, dafi das Stabbrechen erst eine Weile spater,
nach Beendigung der feierlichen Handlung stattfindet, dann, wenn die
Beteiligten sich entfernen.
In alien Fallen erfolgt das Stabbrechen durch einen oder mehrere
Freier. Haung, z. B. bei Giotto und bei Orcagna bricht nur ein Freier
den Stab. Sehr oft, und so auch bei Raffael, tun es mehrere. Zuweilen
sogar fast alle Freier. In dieser Hinsicht ist namentlich das Sposalizio
von Fra Angelico da Fiesole und ein Antonio Vivarini zugeschriebenes
Bild der Berliner Galerie auffallig.
Ganz entsprechend ist auch die Art und Weise, wie der Stab zer-
farochen wird, von den Ktinstlern jederzeit sehr verschieden behandelt
worden. Die denkbar verschiedensten Modalitaten kommen in dieser
Hinsicht vor. Bald wird der Stab nur mit den Handen, bald iiber dem
Knie, bald mit Hand und Fufi zugleich gebrochen. Und haufig sieht
man einfach die Teile des zerbrochenen Stabes am Boden liegen, nament-
lich auf solchen Darstellungen, wo mehrere Freier ihren Stab zerbrechen.
Der Ursprung des Stabbrechens auf den Sposalizien ist zweifelhaft.
Nicht in der Fachliteratur, aber in weiten Kreisen der Gebildeten
bt heute die Meinung verbreitet, es handle sich hier um einen Hoch-
zritsbrauch, um eine Sitte.
In der Tat gibt es zahlreiche Trauungszeremonien im engeren und
Hochzeitsbrauche im weiteren Sinne, die sich als Zerstoren eines Gegen-
standes darstellen. Dahin gehort z. B. bei den Juden, aber auch ge-
*) Die Legende der Jungfrau Maria und ihre Darstellung in der bildenden Kunst
dss Hittelalters : Beitrage zur Kunstgeschichte, red. v. Lticke I. 1878. p. 49.
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290
Ernst v. Moeller:
legentlich bei den Deutschen das Zerbrechen eines Glases, aus dem
Braut und Brautigam getrunken haben.
Aber das Stabbrechen als Hochzeitsbrauch ist bisher weder fur
die Juden alter oder neuer Zeit noch ftir die Italiener des Mittelalters
nachgewiesen. Und dieser Nachweis ware doch gerade die unerlaflliche
Bedingung ftir die Richtigkeit jener Behauptung.
Die einzige Ubung des Stabbrechens in Verbindung init der Ehe-
schliefiung, die hier angefiihrt werden kann, betrifft das »Brauteschen«
im Kirchspiel Wahrenholz, Amt Gifhorn4), nach einer aus der ersten Halfte
des 19. Jahrhunderts stammenden Beschreibung. Der Brautescher zer-
bricht bei dem dreimaligen Eschen seinen Stab durch dreimaliges
Schlagen an den Pfahl des Tores im Hause der Braut und wirft den
letzten Rest des Stabes auf das Herdfeuer.
Jeder Zusammenhang dieses Brauchs mit dem Stabbrechen auf den
Sposalizien ist ohne Frage ausgeschlossen. Gegen die Herleitung aus einer
Rechtssitte oder tiberhaupt aus einem Brauche spricht von vornherein die
auch von Kunsthistorikern haufig iibersehene Tatsache, dafi der Stab
nicht stets nur von einem, sondern garnicht selten von mehreren Freiern
gebrochen wird. Obenein bleibt hier der Zusammenhang, in dem sich
die Vermahlung von Maria und Joseph abspielt, vollig aufier Betracht.
An sich liefie sich das Brechen eines Stabes sehr wohl als Hoch-
zeitsbrauch denken. Seine Erklarung wtirde gegeniiber den verschiedenen
Anwendungen der germanischen Rechtssitte keine Schwierigkeiten be-
reiten. Bruch der Gemeinschaft, Verzicht und Einwilligung sind Ideen,
denen man nicht nur bei der Trennung der Braut vom Elternhaus,
sondern auch bei dem Rechtssymbol alle Augenblicke begegnet. Aber
wie die Verhiiltnisse hier liegen, scheidet diese Moglichkeit fur uns aus.
Sehr viel naher als der Gedanke an einen Hochzeitsbrauch liegt
mit RUcksicht auf den Zusammenhang die Annahme, dafi der Ursprung
des Stabbrechens auf den Sposalizien auf die Marienlegende zuriickftihrt.
In dieser Hinsicht verdienen zunachst zwei Angaben neuerer
Schriftsteller Beachtung.
Mifi Jameson bemerkt in ihren »Legends of the Madonna5)* fol-
gendes: »I must mention an old tradition cited by St. Jerome, and
which has been used as a text by the painters. « Es folgt die Geschichte
vom Griinen und Bliihen des Stabes Josephs. Dann heifit es weiter:
»The other suitors thereupon broke their wands in rage and despair;
and one among them, a youth of noble lineage, whose name was Aga-
bus, fled to mount Carmel.«
4) Vaterl. Archiv des historibchen Vereins ftir Niedersachsen. Jahrg. 1838. p. 322 AT.
b) 2. cd. 1857 p. 159 f.
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Das Stabbrechen auf den Darstellungen des Sposalizio. 201
Eine ahnliche Uberlieferung gibt Maynard6) wieder. Er erzahlt
von dem eben genannten Agabus: »Frustre dans ses espdrances, froissd
dans son orgueil en se comparant a l'homme de condition si chdtive
que lui avait preferd un sort en apparance aveugle et injuste, il brisa
sur ses genoux sa baguette aride dans un transport de desespoir et cou-
rut s'enfermer dans une des grottes de Carmel avec les disciples
d'Elie.«
Beide Darstellungen geben also das Stabbrechen fiir einen Zug der
alten Tradition aus. Und ganz derselbe Gedanke liegt offenbar der Er-
zahlung bei Muller und Mothes7) zu Grunde, in der ebenfalls das Stab-
brechen der Freier ohne weiteres als Bestandteil der Marienlegende
nguriert.
Diese Angaben wird man nicht einfach bestreiten, man wird
nicht etwa sofort behaupten wollen, dafi Mifi Jameson und Maynard
das Stabbrechen in die Legende hineingeschmuggelt hatten, weil die
mittelalterliche Kunst es bereits kennt. Immerhin ist hier Vorsicht sehr
am Platze. Der heilige Hicronymus namlich, von dem Mifi Jameson
spricht, erzahlt nichts vom Stabbrechen. Die apokryphen Evangelien
aber — und das ist die Hauptsache — , (von denen friiher eins falsch-
!ich dem Hieronymus zugeschrieben wurde), wissen gleichfalls samt und
sonders nichts davon. Es steht vollig fest, dafi die alteste Iegendarische
rberlieferung von den Freiern nur bis zur Vermahlung von Maria und
Joseph, aber nicht langer Notiz nahm.
Diese Tatsache macht die Herleitung des Stabbrechens auf den
Sposalizien aus der Marienlegende hochst zweifelhaft. Gerade bei Giotto
lafit sich Schritt fiir Schritt in dem Bilderzyklus der Arenakapelle in
Padua verfolgen, wie er sich in alien Einzelheiten an die Darstellung
im Protevangelium Jacobi halt.. Es bleibt infolgedessen hochstens die
Frage iibrig, ob die alte Uberlieferung der fruhchristlichen Zeit eine er-
weiternde Umformung erlitten hat, die bereits vor Giotto das Stabbrechen
kannte. Aber eine solche Uberlieferung ist bis jetzt nicht nachgewiesen.
Und wenn de Surigny8) und Venturi9) behauptet haben, das Stabbrechen
der Freier finde sich nicht blofi bei den Lateinern, sondern schon in
der griechischen, in der byzantinischen Kunst, so ist das vorliiufig eine
Behauptung ohne Beweis.
Unter diesen Umstanden lafit sich nur sagen: es ist moglich, dafi
das Stabbrechen auf den Sposalizien auf irgend eine Form der mittel-
*) La sainte Viergc. 2. ed. Par. 1877. p. 133.
T) Arcbaolog. Worterbuch IF. 1878. p. 652.
*) Annales arcbeologiques ed. Didron XXVI. 1869. p. 45 f.
*) La Madonna. 1900. p. 130.
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292
Ernst v. Moeller:
alterlichen Marienlegende zurtickgeht Aber es ist ebenso moglich, dafl
das Stabbrechen der Freier erst infolge der Darstellungen der italienischen
Kunst in die Legende hineingetragen ist.
Bei diesem blofien non liquet brauchen wir nicht stehen zu bleiben.
Giotto hat jedenfalls keinen Hochzeitsbrauch dargestellt Er hat das
Stabbrechen ebensowenig der Quelle entlehnt, der sich im tibrigen sein
Zyklus des Marienlebens aufs genaueste anschlieflt Also dtirfen wir, so-
lange keine neuen Tatsachen bewiesen werden, behaupten : Das Stabbrechen
der Freier ist Giottos eigene Erfindung.
Es lag in der Tat ftir einen Maler von der Bedeutung Giottos
nicht fern, wenn er das ganze Leben der Maria im Anschlufi an die
apokryphen Evangelien malte, die Uberlieferung um diesen Zug zu be-
reichern. Auf den vorangehenden Bildern sehen wir die Freier wieder und
wieder an der fortschreitenden Handlung beteiligt. Wir sehen sie ihre Stabe
dem Hohenpriester libergeben. Wir sehen sie betend um den Altar
knien, auf welchem die Stabe liegen. Nur auf dem Hdhepunkt der
ganzen Handlung, bei der Erwahlung und Vermahlung Josephs soil ten
sie fehlen? und blofi darum fehlen, weil die Uberlieferung sich nicht
weiter um sie klimmerte? Gerade hier bot sich dem Ktinstler (anders
als einem Legendenerfinder) die beste Gelegenheit, den Eindruck der
feierlichen Zeremonie durch das Moment des Kontrastes zu steigern.
Jeder weifi, dafi nicht zuletzt auf diesem Zuge die inalerische Wirkung
vieler Sposalizien beruht, welche wesentliche Rolle das Stabbrechen z. B.
in Raffaels Gemalde spielt Liefi Giotto die Freier bei der Darstellung
der Vermahlung nicht fort, so war es einfach selbstverstandlich und
natlirlich, ihnen ihre dlirr gebliebenen Stabe in die Hand zu geben.
Und von hier bis zum Brechen der Stabe ist nur ein Schritt Weit-
ab liegt diese Idee wahrhaftig nicht, wenn man die Vorteile bedenkt,
die die stumme Sprache des Symbols ftir den Ktinstler hat Ein guter10)
Gedanke war es ohne Zweifel. Wir haben alien Grund, Giotto fiir den
Vater dieses Gedankens zu halten.
3-
Die Frage nach der Bedeutung des Stabbrechens auf den Sposa-
lizien hangt aufs engste mit der Frage nach dem Ursprung zusammen.
Wir haben es nicht mit einer Sitte zu tun, sondern mit ciner ein-
maligen, in der Vergangenheit als geschehen gedachten Handlung. Von
diesem Ergebnis der vorangehenden Erorterung dtirfen wir hier aus-
gehen. Und sofort dtirfen wir weiter hinzufUgen : Wenn das Stabbrechen
1<J) Andcrcr Meinung z. B. Grimouard de Saint-Laurent, Manuel dc Tart Chretien.
1878. p. 346.
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Das Stabbrechen auf den Darstellungen des Spozalizio. 393
der Freier auch nicht Ubung einer Sitte ist, so ist es doch eine sym-
boliscbe Handlung. Denn die Ansicht, die Freier brachen ihre Stabe
aus Neugief, urn nachzusehen, ob sie wirklich auch innen im Holz vollig
diirr geblieben seien, bedarf keiner Widerlegung.
Die Erklamngen des Stabbrechens in der Literatur schliefien sich
meist den Geberden der Freier an. Ist der Ausdruck zornig, so bricht
der Freier seinen Stab aus Zorn. Ist die Geberde milde und sanft, so
bricht er seinen Stab in frommer Ergebung in die gottliche Ftigung des
Schicksals. Dazu kommen dann noch zahlreiche Variationen, wie sie
der langen x Skala zwischen frommer Trauer und trotziger Verzweiflung
entsprechen. Gegen diese Erklarung lafit sich nichts einwenden, solange
sich die Frage nur um ein einzelnes Bild, nur um einen einzelnen Freier
dreht. Und dies Verfahren scheint um so berechtigter, als zahlreiche
Ktinstler mit gutem Grund die Freier offenbar ganz verschiedene Em-
pfindungen ausdriicken lassen.
Anders liegt die Sache dann, wenn es sich um verschiedene Dar-
stellungen des Sposalizio oder gar um die Darstellung des Sposalizio
iiberhaupt handelt. In diesem Falle ist es durchaus verkehrt, das Stab-
brechen eindeutig durch einen bestimmten ArTekt, z. B. Arger oder Schmerz,
erklaren zu wollen. Und doch begegnet man in der kunstgeschichtlichen
Literatur immer aufs neue solchen falschen Verallgemeinerungen.
Soviel steht also fest: Wir durfen bei der Erklarung nicht bei
einem einzelnen ArTekt stehen bleiben. Nicht um die Darstellung eines
bestimmten Gefuhls handelt es sich, sobald wir nicht nur an einen ein-
zelnen Freier denken, sondern um die Auslassung aller moglichen ver-
schiedenen Gefiihle der Freier an dem Gegenstande ihrer HorTnung und
ihres Schmerzes. Ergebung in den Willen Gottes und die Wut der Ver-
zweiflung, die starksten Gegensatze, ordnen sich der gemeinsamen Idee
des Stabbrechens unter.
Und vielleicht dlirfen wir noch einen Schritt weitergehen. Weil
es auf den Ausdruck eines besonderen Geftihls nicht ankommt, sondern
auf die Einwirkung des gottlichen Wunders auf die einzelnen, um die
Erfiillung ihrer Wunsche gebrachten Freier, treten die einzelnen Affekte,
Gefiihle, Stimmungen Iiberhaupt als nebensachlich in den Hintergrund.
Dem Stabbrechen der Freier liegt letzthin nur der Gedanke und das Be-
wufitsein von dem unabwendbaren Geschick zu Grunde, dem der einzelne
unterworfen ist, er mag sich dazu stellen wie er will. Der Wille Gottes
triumphiert iiber die, die anders wollten als er. Auf ihm beruht der
EinkJang zwischen der Vermahlung von Maria und Joseph und den
Freiern, die ihre Stabe brechen.
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294 Ernst v. Moeller:
Anhang.
Verzeichnis von Sposalizien mit einem oder mehreren
stabbrechenden Freiern.
1. Giotto. Padua. Arenakapelle.
2. Taddeo Gaddi. Florenz. S. Croce, Cap. Baroncelli.
3. Agnolo Gaddi. Prato, Picve, Capclla della sacra cintola. Cf. Crowe u. Cav. II.
1869. p. 43.
4. Orcagna. Florenz. Or San Michele. Relief an der Vorderseite des Tabernakels.
5. Pietro aus Florenz. Pistoja. Dom. Linke Seitentafel des silbernen Altarvorsatzes.
Labarte Album I, PI. 56.
6. Giovanni da Milano. Florenz. St. Croce. Cap. Rinuccini. cf. Schnaase VII2.
1876. p. 391.
7. Fra Giovanni Angelico da Fiesole. Florenz. Uffizien.
8. Jean Foucquet. Miniatur. cf. Frantz, Gesch. d. christl. Malerei II, 1. 1894. p. 550 f.
Mlintz, La renaiss. en Italie et en France. 1885. p. 492.
9. Lorenzo da Viterbo. Kapelle in S. Maria della Verita bei Viterbo. cf. Seroux
d'Agincourt, Denkmaler der Malerei. Tav. CXXXVII.
10. Unbekannt. Rom. Vatikanisches Museum. Gem aide. cf. Barbier de Montault,
Oeuvres JI. 1889. p. 224; Traite II. 1890. p. 224.
11. Pantaleone de Marchis (?), ChorgestUhl. Berlin. Gemiildegalerie. cf. W. Bode. 1884.
12. Pietro Perugino, Fano, St. Maria nuova. cf. Crowe u. Cav. IV, 1. 187 1. p. 216
n. 77-
13. Pietro Perugino. Caen, Museum, cf. Gazette des beaux arts 1896. I. p. 273 ft.
14. RafTael. Mailand, Brera.
15. Florent. Schule nach 1500. Berlin, Gemiildegalerie. Nr. 105.
16. Franciabigio. Florenz, Annunziata de' servi. cf. Crowe u. Cav. IV, 2. 1872. p. 511.
17. Domenico Ghirlandajo. Florenz, S. Maria Novella, cf. Maynard, La S. Vierge
2. ed. 1877. p. 134.
18. Vittore Carpaccio. Mailand, Brera. cf. Crowe u. Cav. V, I. 1873. P* 2I7-
19. Girolamo Marchesi da Cotignola. Berlin (Erfurt), cf. Crowe u. Cav. V, 2. 1874.
p. 641 n. 63.
20. Girolamo Romanino. Brescia, S. Giovanni Evang. cf. A. Sala, Quadri scelti di
Brescia; Crowe u. Cav. VI. 1876. p. 446 n. 31.
21. Bern. Luini. Saronno. cf. Ltibke, Gesch. d. ital. Malerei. II. p. 457. Maynard,
Vierge p. 136. Gruyer, Vierges de Raph. II, p. 14.
22. Sansovino, Lorcto, S. Casa. cf. Schonfeld, A. Sansovino 1881. p. 290*". Liit/ows
Zeitschr. f. bild. Kunst. VI. 1871. p. I58f.
23. Unbekannt. Kloster des Hieronymus bei Spello. cf. Crowe u. Cav. IV, 1. p. 291
n. 50. Gruyer, Vierges II. 1869. p. 18 n. 1.
24. Antonio Vivarini (?). Berlin, Gemiildegalerie. Nr. 1058.
25. Gaudenzio Ferrari. Mailand, Ambrosiana. cf. Burckhardt, Beitriige z. Kunstgescti.
v. Italien. 1898. p. 108.
26. Bartolo di Maestro Fredi. Siena, Accademia.
27. Ottaviano Nelli. Foligno, Palazzo de Trinci.
28. Simon Vostre. cf. Grimouard, Guide III. p. 182. IV. p. 100.
29. Unbekannt. Paris, Seminar St. Sulpice. Toile.
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Das Stabbrechen auf den Darstellungen des Sposalizio. 295
30. Unbekannt. Nancy, Basilique Saint Epure, Chappelle des fonts baptismaux.
31. I'nbekannt. Beaune, Notre Dame. Tapisserie.
32. Luca Giordano pinx. Rich, van Orley sculp. Berlin, Kupferstich-Kab. KNA 915-32.
33. Joan. Stradanus inv. Adr. Collaert sculp. Berlin, Kupferstich-Kab. KNA. Collaert
Bd. I. 384-32-
34. Theod. Galle. Berlin, Kupferstich-Kab. KNA. 806—27.
35. Unbekannt. Cf. ^Exposition dc l'industrie francaise«. 1844. 4e partie, zwischen
p. 44 u. 45.
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Ober die Proportionsgesetze des menschlichen Korpers
auf Grund von Dtirers Proportionslehre.
Von Constantin Winterberg.
(Kortsetzung.)
II. Frauen.
Auch bei den Frauen des ersten Buches lassen sich im allgemeinen
ahnliche Verbesserungen wie bei den Mannern denen des ersten Buches
gegeniiber nachweisen. Es finden sich demgemafi auch die Geschlechts-
unterschiede hier mehr oder weniger modifiziert wie folgt:
i. Die grofiere Rumpflange der Frau wird auch hier vorzugsweise
durch Verlangerung des Rippenkorbes erreicht, die Gesafihohe to braucht
sich daher nicht gleichzeitig mit zu verlangern. 40)
2. Dem langern Rumpf entsprechend, braucht zwar nicht notwendiger-
weise der Abstand oz der Frau stets relativ kiirzer zu sein als beim
entsprechenden Manne, weil (vgl. Typus 6) der Abstand Scheitel — Hals-
grube sich bei jener eventl. derart verkiirzen kann, dafi derselbe unbe-
schadet der grofiem Rumpflange den des Mannes dennoch iibertrirTt
3. Dagegen ist der Unterschenkel resp. der Abstand qz der Frau
stets kiirzer als beim Manne, obgleich das anatomische Teilverhaltnis von
Ober- und Unterkorper in mf dies nicht notwendig bedingt, indem der
von m' gezahlte Abstand der Beinlange nicht durchweg kiirzer als beim
Manne sich darstellt, sondern wie im ersten Buche auch das Gegenteil
vorkommen kann.
*°) Hicr kann eine Bcmerkung nicht unterdrilckt werden , welche sich auf die
Barbarei des modernen europiiischen Modezwanges bczicht, der die an sich scroti
grofiere Rippenkorblange der Frau auf kiinstliche Art noch mehr zu verlangern suclxt.
anstatt mit alien Mitteln darauf auszugehen, das daraus leicht hervorgehende Mifiverhaltnis
der Teilung von Ober- und Unterkorper nach Vorbild der Antike nach Miiglichkeit zu
unterdrlicken oder doch dem Auge weniger bemerklich zu machen.
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Constantin Winterberg: Cber die Proportionsgesetze etc. 297
4. Ferner ist, obgleich die Halsgrube der Frau hdher, gleich oder
tiefer als beim Manne liegen kann, die weibliche Schulterhohe, oder
genauer der Abstand Scheitel — Oberarmknorren-Centra r meistens grofler,
mindestens aber gleich der des korresp. Mannes, daher der Abfall der
Schultern im ganzen starker als nach den Prinzipien des ersten Buches.
Davon ist jedoch die Halslange oder der vertikale Abstand Kinn — Hals-
grube unabhangig, und kann nach Umstiinden selbst kiirzer als beim
Manne werden (vgl. Typus 4 und 6).
5. Kopf, Fufl und obere Extremitat zeigen sich zwar auch im
zweiten Buch bei der Frau relativ kiirzer als die korresp. mannlichen
Korperteile, aufierstenfalles ihnen gleich: der Kopf am wenigsten, die obere
Extremitat am starksten unterschieden, doch ist dabei das Teilverhaltnis
der letzteren nicht beschrankt, indem die weibliche Handlange sogar die
mannliche iibertreflfen kann (vgl. Typus 1).
Beziiglich der Querdimensionen ist, abgesehen davon, dafi wie beim
Manne bereits angedeutet, die Verhaltnisse hier weniger ins Extrem gehen,
nichts wesentlich Abweichendes gegen die des ersten Buches zu bemerken.
Erste Gruppe.
Typus 1.
a) Lang en.
Wie der mannliche stellt sich auch der weibliche Typus 1 gegen
den entsprechenden des ersten Buches als Modification im Sinne schiirferer
Charakteristik der relativ weniger schwerfallig behandelten Formen dar:
erzielt durch kleine Veranderungen in den Hauptverhaltnissen, ohne den
wesentlichen Charakter zu alterieren. Der Kopf verkurzt sich zunachst
gegen den des Mannes, und somit gegen die im ersten Buche gleiche
Lange beider Geschlechter um ca. 2 — 3 partes. Der Abstand cw bleibt
ungeandert, ebenso ist das anatomische Teilverhaltnis von Ober- und Unter-
kdrper bis auf Bruchteile eines pars dasselbe geblieben. Gleiches gilt
beziiglich der Abstande qz und oq. Dagegen sind ik kt und n mehr oder
weniger aufwarts, e und a abwarts verschoben, wodurch der Rumpf sich
gegen das erste Buch um einige partes verkurzt.
Das Maximum der Korperfiille wird nach dem vorstehenden in den
Langenmafien des Tab. zunachst im Maximum der Rumpflange Ausdruck
iinden, welches sich seinerseits dadurch bekundet, dafi das Rumpfende o
so tief wie moglich liegt. Demgemafi ist die dies ausdriickende Relation:
5<u>=T0z
in Tab. als charakteristisch vorangestellt. Gegen den korresp. Mann
verkurzt sich dabei nicht blofi der Unterschenkel qz> sondern auch die
Oberschenkelparde oq, sodafi, wahrend sie bei diesem der von i gezahlten
Eepertorium fur Kunstwissenschafl, XXVI. 21
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298 Constantin Winterberg:
Beckenhohe {io) gleichkam, sie hier nach Tab. nur den Abstand ko erreicht
Die relativ tiefe Lage von b\ ebenso wie von e und a lassen unmittelbar
die bezuglichen Relationen iibersehen, wonach dann auch der Punkt i not-
wendig tiefer riickt als im ersten Buche, sodafi nach Tab. hier die Lange
des Rippenkorbes die Halfte von oz betragt. Es verlangert sich also
hier der letztere auf Kosten des untern Rumpf- oder des Gesafiteils io.
Hiermit ist im wesentlichen die Charakteristik der Langenteilung gegeben :
die tibrigen Punkte sind durch die genannten mehr oder weniger bedingt.
Zunachst der, hier wie bei alien Frauentypen nach Diirer mit dem obern
Beckenrand koinzidierende Nabel, dessen Tieflage auf dem untern Viertel
des Abstandes a' C sofort in die Augen springt, indem das Teilverhaltnis
der Korperlange, beim Manne noch auf 2:3 bemessen, sich hier sogar
zu 3:4 ergibt Ebenso iibersieht sich, mit Bezug auf die Lage von a
die des Punktes m\ wenn nach Tab. auf die Strecke ao zwei Langen am1
entfallen sollen, als relativ stark herabgeruckt. Die Lage von n, resp.
die in Tab. angegebene von nr (Ende der Scham) ist, wie daraus zu er-
sehen, durch die von 0 bereits vorgezeichnet.41) Auch die auffallend grofie
Brustlange resp. Lange df ist aus der bezuglichen Relation ohne Kommen-
tar deutlich, noch dazu wenn hinzugefiigt wird, dafi die Kopf lange ad
sich gegen die des ersten Buches sogar um 2 p. verkiirzt hat, sodafi ob-
gleich in Tab. nicht ausdrucklich angegeben, statt auf die ganze Korper-
lange hier bereits auf die Strecke aw deren sieben entfallen. Zu bemerken
bleibt uberdies die relativ starkere Senkung der Schultern gegen Typus 1
des ersten Buches, dadurch zu erklaren, dafi der Punkt c hier nur um
weniges, dagegen a relativ starker herabgeriickt erscheint, wodurch in
Verbindung mit dem etwas klirzeren Kopf und entsprechend langerem
Halse das Unformige dieses Korperteils gegen jenen erheblich gemildert
erscheint.
Die Armlange, als das Dreifache der Brust eg, demgemafi auch die
der ausgestreckten Arme ww, findet sich im Anschlufi an das Vorstehende
naturgemafi klirzer als im ersten Buche, sodafi letzteres Mafi hier hinter
der Korperlange zurtickbleibt, die im andern Falle davon tiberschritten
wurde (wie dies in Tab. schon durch die Bestimmung des Abstandes ff*
durch die Lange m'z Ausdruck findet). Auffallend ist das Verhaltnis von
Unterarm und Hand, indem jener ein Minimum und letztere zugleich ein
Maximum vorstellt, das sogar die mannliche Handlange Typus 1 noch
um 2 p. tibertrifFt Dies erklart, dafi der Oberarm sich nur als das
tt) Diirer unterscheidet wie im ersten Buche n = Spaltung von »' = Ende der
Scham. Im allgemeinen ist der erstere, als dem mannlichen gleiclinamigen Punkte mehr
analog, fttr die Relationen der Tabelle bevorzugt worden, wo solche sich einfach genug
ergaben, welches im vorliegenden Falle weniger zutraf, daher n' adoptiert wurde.
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tJber die Proportionsgesetze des menschlichen Korpers etc. 209
ffache derselben, anstatt als das Doppelte darstellt. Dagegen zeigt der
Fufi beidemal (Buch 1 und 2) fur Typus 1 dasselbe Mafi (= £ Korper-
lange) und dasselbe gilt nahezu auch von der Basis dm der bis in die
Breitenrichtung gedrehten Fufispitzen. Dafl der Abstand /'/' die von /
ab gezahlte Gesafihohe erreicht, kann natiirlich nur bei Frauen vorkommen
b) Querdimensionen.
1. Dicken.
Dieselben werden analog wie beiin Manne gegen Typus 1 des
ersten Buches erheblich vermindert: am auffallendsten in den Rumpf-
teilen. Zunachst ist unter den Kopfmallen das Maximum zu -fa ad als
Hauptmafi gekennzeichnet. Von den Rumpfdicken am starksten ver-
mindert ist die Gesafitiefe, am wenigsten die der Brust und die Dicke
am Rumpfende. Nur die beiden Hauptmafle: Brust- und Gesafitiefe, be-
stimmen sich nach Tabelle unmittelbar durch Langenmafi, die beiden
andern durch Interpolation. Die Brusttiefe ist aufierdem durch ihre Lage
bezeichnend, indem sie anstatt in /, wie im ersten Buche hier in b' statt-
findet. Wichtiger erscheint jedoch fast auch hier die Dicke in /, als
Mittelwert von 8' und /' u, also als Mittelwert des Maximums und Mini-
mums der Rumpfdicken, wenn /' u als Casentiefe fiir jenes angenommen
werden kann. Auffallend ist, mit dem Manne verglichen, die nahezu
ubereinstimmende Summe von 7 r— |— 9' als Bestatigung eines allgemeinen
Naturgesetzes, wonach bei iibrigens analogen Bildungen was in einem
Teil zu viel enthalten ist, am andern verloren geht. Nach denen des
Rumpfes proportionieren sich die ubrigen Dicken, wie in der untern
Extremitat, insbesondere die Bestimmung der Knie- und Fufiknocheldicke,
in der obern die der halben Brusttiefe in f gleiche Armdicke andeutet.
2. Breiten.
Den Dicken analog erscheinen auch die Breiten gegen Typus 1
ersten Buches entsprechend vermindert Das Maximum der Kopftiefe, ent-
weder wie in Tab. durch die fiinffache Schadelhohe oder auch als % der
entspr. Dicke ausdriickbar, vermindert sich unter denen des Kopfes relativ
am wenigsten. Von den Rumpfbreiten am auffallendsten Schulter- und
Weichenbreite, sodafi, wahrend dort Schulter- und Gesafibreite nahezu
ubereinstimmten, sich hier die letztere bedeutend grofier herausstellt. In-
foJge dieser grofiern Schmalheit der oberen Rumpfpartie ergibt sich die
Verminderung der Weichenbreite von selbst: wahrscheinlich auch die a. a. O.
m'cht angegebene Breite ing. — Nur der davon weniger abhangige Brust-
warzenabstand, sowie die Breite in 0 lassen keinen wesentlichen Unter-
schied erkennen. Nach Tab. ist zunachst die Schulterbreite interpolatorisch
gegeben und zwar mittels der Breite in mx (vgl. Tab. Anm. 5) nach deren
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300 Constantin Winterberg :
Elimination mittels der nachstfolgenden Gleichung, da der Brustwarzen-
abstand 6. als bekannt anzusehen ist, zwei einfache Relationen zur Be-
stimmung von Schulter- und Gesaflbreite iibrig bleiben — wenn man sich
nicht damit begnligen will, statt des Maximums der letzteren einfach die
um 2 p. kurzere der Lange go entsprechende Breite in /// zu substituieren.
Aufierdem ist nur die Rippenbreite auf einfache Art in Langenmafi, namlich
durch den halben Abstand b'o dargestellt. Nach ihr bestimmt sich, wie
ebenda zu ersehen, der Brustwarzenabstand, wahrend der Ausdruck fur die
Weichenbreite schon weniger naheliegt. Ebenso dtirfte die Breite des
Oberschenkels in o als der Handlange gleich mehr zufalligen Charakter
tragen, obwohl sich dieselbe Bestimmung auch im folgenden Typus wieder-
findet. — Nach den Rumpfmafien proportionieren sich die iibrigen in der
unteren Extremitat, insbesondere zu ersehen aus Bestimmung der Waden-
und Fuflknochelbreite, wahrend die der Halsbreite gleiche Fufibreite wieder
mehr zufallig erscheint. In der oberen ist dasselbe, abgesehen vom Maxi-
mum, weniger ersichtlich, da hier wesentlich nur die der entsprechenden
Dicke gleiche Handknochelbreite darauf hindeutet: wahrend der Unterarm
nach Tab. auffallend breit erscheinen mtifite, wie sich durch die minimale
Lange desselben erklart.
Resultat
Das Gesagte geniigt, den in Rede stehenden als eine Modification
von Typus i des i. Buches ins Gefiilligere, oder, besser, weniger Ungc-
schlachte und Baurische zu charakterisieren : in den Liingen hauptsachlich
durch Vergroflerung der Abstiinde ae und aa auf Kosten des Rumpfes, in
den Dicken wesentlich durch Verminderung der Gesaflpartie, in den Breiten
hingegen durch Abnahme der Hals- und Schulterbreite, sodafi die Gesafi-
breite, als charakteristisch fiir den Fall der starksten Korpulenz, dieselbe
um ein Betrachtliches UbertrirTt.
Zweite Gruppe.
Wie die Manner sind auch die Frauen der zwei ten Gruppe nicht
sowohl als Modification der entsprechenden des ersten Buches, sondern als
Einschiebungen zwischen Typus i und 2 aufzufassen. — Typus 2 ist
gegen 6 der vollere: im Gegensatz zu den Mannern, wo wenigstens von
vorn gesehen das Umgekehrte stattfand. Ubrigens zeigt sich jener ganz
deutlich als Ubertragung des natiirlichen korresp. Typus ins Weibliche.
Auffallend ist nur, dafl dabei die Kopflange in beiden Fallen sich nicht
wie bei Typus 1 vermindert, sodafi allein durch Verlangerung des Halses
das Verhaltnis bei Typus 2 sich etwas andert. Die Einteilung der Haupt-
axe stellt sich im allgemeinen hier zwischen die von Typus 1 und 6,
welcher letztere bei kiirzerem Rumpf die Beine, teilweise allerdings auf
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t)ber die Proportionsgesetze des menschlichen KSrpers etc. 30 1
Kosten der minimalen Halslange, verlangert hat. Bei den Mannern wiirde
in dieser Hinsicht eher Typus 6 zwischen i und 2 zu rangieren sein.
I. Typus 2.
a) Langen.
Das anatomische Teilverhaltnis in m! ist im Gegensatz zu den korresp.
Mafien der Einheit etwas nriher geriickt als bei Typus 1 : indem der
Abstand am' nur um 1 p. hinter der Korperhalfte zuriicksteht, ohne dafi
jedoch darin allein ein fur diesen Typus charakteristisches Merknial liege,
da ahnliche Verhaltnisse auch sonst noch vorkommen. Vom Typus 1 ist
uberdies das Teilverhaltnis im Nabel — ahnlich wie das in / bei den
Mannern — unmittelbar ubernommen, und auch die Unterschenkellange
resp. der Abstand qz zeigt gegen jenen nur einen ganz geringen Unter-
schied. — Das wesentlich Unterscheidende liegt vielmehr in der Ver-
schiebung der beiden Rumpfenden e und 0, indem jener Punkt um eben-
soviel nach abwarts rlickt, wie letzterer sich heraufschiebt, wonach die
Zunahme von ae der von oq nahezu entspricht. Dafi der erstgenannte
Abstand dabei sein Maximum erreicht, lafit unmitelbar die bezugliche
Bestimmung der Tabelle zu \ Korperlange ersehen, wahrend sich ebenso
die Lage von o durch die den Ausgang bildende charakteristische Relation
at = <nv
kennzeichnet, indem auch der Teilpunkt / der Rumpflange, wie schon die
bezugliche Bestimmung in Tab. anzudeuten scheint, gegen Typus 1 seine
Lage nur ganz unwesentlich andert. Demgemafi ergibt sich die der von o
zunachst abhangigen Punkte, insbesondere n nach Tab. im namlichen
Sinne, wahrend die Bestimmung von k} mit n zu a und w symmetrisch
gelegen dem vorher dazu Bemerkten entspricht. Mit der vorstehenden ver-
glichen verdeutlicht sie zudem das Abhiingigkeitsverhaltnis von ik und no. —
BeztigJich der Brustpunkte findet sich zunachst die Verschiebung der Brust-
warzenlinie mit e unmittelbar durch die beztigliche Relation ausgedrtickt,
wonach dann Analoges auch fur die iibrigen sich schliefien lafit. Betreffs
der Bestimmung von ti ist noch hinzuzufiigen, dafi dieselbe aufier wie in
Tab. auch durch die Relation ao = 2b }n geschehen kann, welche gegen
die von m im vorigen Falle offenbar eine ganz unwesentliche Modifikation
ist, indem nur an die Stelle von a und /// hier b' und n getreten sind,
woraus dann auch die Verkiirzung des Abstandes b'n des vorliegenden
Typus ersichtlich wird. — Die ubrigen Relationen sagen im wesentlichen
nichts neues, sondern dienen zur Bestatigung des bereits Gesagten.
Von weiterem Detail ist aufier der maximalen Kopflange die der
Arme als Minimum hervorzuheben, welches seinerseits durch die, wie im
vorigen Falle minimale Lange des Unterarms (vgl. Tab.) erzielt wird.
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302 Constantin Winterberg:
Aus den Bestimmungen der Tabelle lafit sich die minimale Armlange als
solche allerdings nicht ersehen, dagegen findet sich dies in der dort nicht
gegebenen Relation: aJ = 2cm\ verglichen mit der vorstehend zur Be-
stimmung von b% angegebenen, einigermafien angedeutet Im Anschlufi
daran ist zugleich die Lange toto ein Minimum. Statt ihrer ist in Tab.
allerdings nur die Lange /'/' durch den vertikalen Abstand b* q unmittel-
bar gegeben. Ubrigens ist die Verkiirzung nicht so grofi, dafi bei Er-
hebung bis zur Scheitelhohe die Mittelfingerspitzen otot nicht noch liber
die Peripherie des mit kz von k aus beschriebenen Kreises wie beim
korresp. Manne, hinausfielen, indem sich iiberdies mit dem Tieferriicken
des weiblichen Nabels der Abstand kz gleichzeitig verkiirzt.
Die Verkiirzung des weiblichen Fufies ist, wie auch schon die Re-
lation der Tabelle erkennen lafit, gegen die des Mannes im vorliegenden
Falle sehr gering, sodafi die Basis to to infolge des relativ grofiern weib-
lichen Abstandes der Oberschenkelknorren-Centra /'/' die mannliche urn
ein betrachtliches ubertrifft, wahrend sich im vorigen Falle die Unterschiede
der Geschlechter in dieser Hinsicht gerade kompensierten, sodafi die Basis
beidemal dieselbe blieb.
b) Querdimensionen.
i. Dicken.
Der Charakter des gegen Typus i weniger Vollen kommt schon in
den Kopfmafien sehr deutlich zum Ausdruck, indem trotz grofierer Lange
die Kopfdicke relativ vermindert erscheint, sodafi, wahrend bei diesen der
Profllschnitt nahezu ein Quadrat darstellt, hier schon das Aufrechte scharfer
betont wird. Nach den Bestimmungen der Tabelle sind auf die Dicke
nur 3 Schadelhohen zu rechnen. Auch die Halsdicke ist als 3. Teil von ae
demgemafi proportioniert, schwacher als im anderen Falle. Von den Rumpf-
mafien sind die beiden starkeren: Brust- und Gesafitiefe, nach Tab. nur
interpolatorisch bestimmbar, wenn man nicht vorzieht, fur das Maximum
jener die Dicke in g zu substituieren, welche sich nach Anm. 3 der Tabelle
sehr einfach durch die Brustlange darstellt. Von den beiden andern ist
wiederum die Bauchtiefe 8' durch die Lange iC, die Dicke in o durch
die des Kopfes wiedergegeben, welche letztere Bestimmung schon aus
dem ersten Buche bekannt ist. Als charakteristisch kann somit eigent-
lich nur das vorher Angegebene fur 7' zu substituierende Mafi betrachtet
werden. — Nach dem genannten proportionieren sich zunachst die Dicken
der untern Extremitat, ohne dafi dies jedoch aus den Relationen der
Tabelle in besonders priignanter Weise zum Ausdruck gelangt, da die
meisten Mafic sich wiederum interpolatorisch bestimmen. Auch die der
obern Extremitat zeigen in dieser Hinsicht weniger Bekanntes als bisher:
mit Ausnahme des Maximums, welches wie im ersten Buche der Waden-
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Uber die Proportionsgesetze des menschlichen Korpers etc. 303
dicke entspricht. Da dasselbe Mafi zugleich nach Tab. dem vierten Teile
von ok9 gleichkommt, so liegt darin ein Mittel, urn umgekehrt jene aus
Ietzterer zu bestimmen.
2. Breiten.
Das Maximum der Kopfbreite stellt sich wie in frliheren Fallen der
Gesichtstiefe gleich, von denen des Rumpfes stimmen die beiden Maxima:
Schulter- und Gesafibreite, bis auf 1 pars iiberein, was somit als unter-
scheidendes Merkmal gegentiber Typus 1 der vorigen Gruppe anzusehen
ware. Jedoch nur das letztgenannte Mafi stellt eine einfachere Form durch
kon-esp. Langen dar: aufier der in Tab. angegebenen Bestimmung auch
noch als dritter Teil des Abstands fz} sodafi dasselbe, da auch die Rippen-
breite nur durch Interpolation ermittelt werden kann, hier offenbar als
Hauptmafi zu bezeichnen ist. Die nicht genannten sind dagegen nach
Tab. wieder einfach darstellbar: der Brustwarzenabstand, wie schon ofter
der Brusthohe gleich, die Weichenbreite durch den Abstand act gegeben,
wahrend, wie im vorigen Falle, die Oberschenkelbreite in 0 der Hand lange
entspricht. Demgemafl proportionieren sich im allgemeinen die ubrigen
Mafle: doch zeigt hierin die untere Extremitat gegen frtiher die Modi-
fikation, dafi die Wadenbreite nur die Kniebreite, anstatt wie sonst deren
Dicke erreicht. In der oberen Extremitat weist aufier dem Maximum42)
die Breite des Unterarms in ihrer Bestimmung nach Tab. auf bekannte
Verhaltnisse, nach denen sich das tibrige erganzt.
II. Typus 6.
a) Lange.
Wie bei den Mannern ist auch von den Frauen Typus 6 der
schlankere dieser Gruppe; auch hier ist die Kopf lange gegen die mann-
liche unverandert. Im iibrigen ergeben sich gegen den vorherigen hier
folgende Modifikationen:
Zunachst bekundet schon das anatomische Teilverhaltnis in m9 eine
Abweichung insofern, als im Vergleich zu Typus 2 gerade das Umgekehrte
wie bei den korresp. Mannern sich herausstellt: wahrend namlich dort ;;/'
gegen letztgenannten Typus tiefer lag, das Teilverhaltnis somit der Einheit
sich mehr naherte, so riickt beim vorliegenden weiblichen Typus ///' gegen
T. 2 nach aufwarts derart, dafi nach Tabelle sein Abstand von der Sohle
das Dreifache der Rippenkorblange betragt.
Das Charakteristische liegt jedoch deutlicher in der Anfangsrelation
der Tabelle veranschaulicht:
bo = oz
**) Das Maximum dttrfte im Verhaltnis zu dem der Dicke mit eb9 etwas zu schwach
aagenommen sein, daher das Fragezeichen a. a. O.
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^ 04 Constantin Winterberg:
der zufolge aufier m1 auch das untere, damit zugleich das obere
Rumpfende sich nach aufwarts schiebt, wahrend die Rumpflange selber
sich zugleich verklirzt, sodafi also auch darin das Umgekehrte wie bei
den Mannern ausgesprochen liegt. Das Gesagte bestatigt sich nach Tab.
zunachst durch die Bestiinmung von g, welche offenbar einer hohen
Lage entspricht, derzufolge damit auch die Punkte/ und e heraufrucken,
wahrend andererseits die relativ grofie Kopflange andeutet, dafi dieses
Heraufriicken kein sehr grofies, wenigstens kein so grofies sein kann wie die
Verschiebung von o, daher sich dann naturgemafi die Verklirzung der
Rumpflange ergibt. Die Veranderung der ubrigen Punkte folgt unmittel-
bar aus den vorstehend genannten, insbesondere ist die von i und k aus
den beztiglichen Relationen leicht ersichtlich. Ebenso die Herauf-
schiebung von q daraus, dafi dessen doppelter Abstand von C nach Tab.
der Lange Cb*) entsprechen soil.
Beztiglich der obern Extremitat ist die gesamte Armlange nahezu
der von Typus 2 gleich, erscheint daher im Verhaltnis zum Rumpfe
langer als dort, wo sie nur wenige partes unterhalb von 0 endigte.
Im Ubrigen ist hier nur charakteristisch, dafi, wie beim Manne der
Kreisbedingung gentigt werden mufi, wonach sich wiederum die der
Verlangerung von kz entsprechende Verklirzung von aa motiviert. Gleich-
wohl ist der Abstand /'/' (bei horizontaler seitlicher Armhaltung), wie
auch Tab. ersehen lafit, hier klirzer als im vorigen Falle, und zwar durch
Verklirzung des Oberarms bis zum Minimum, sodafi die Fufilange, anstatt
dem Unterarme hier dem Oberarme gleichgesetzt wird. — Die Basis weS
dagegen ist, wie schon die Relation andeutet, erheblich kurzer als beim
vorigen Typus.
b) Querdimensionen.
1. Dicken,
Kopf- und Gesichtstiefe sind gegen Typus 2 etwas verstarkt, die
Halsdicken dagegen unverandert: die Bestimmung der letzteren zu der
vom obern Augenhohlenrande b gezahlten Gesichtslange schliefit sich
darin den auch unter den Antiken vorherrschenden Verhaltnissen an. —
Unter den Rumpfdicken ist die Bauchtiefe durch die Lange im relativ
am einfachsten dargestellt, wahrend von beiden Maximis: Brust- und Ge-
safitiefe, jene nur als Bruchteil von eg, letztere sogar nur durch die Dicke
in o auf einfache Art darstellbar ist, welche letztere wie bereits in
friiheren Fallen der Gesichtstiefe entspricht. Die ubrigen Mafie propor-
tionieren sich danach in bekannter Weise, wie bei der unteren Extremitat
die Bestimmung der Dicke am Wadenende, sowie tiber dem Fufi-
knochel, ebenso bei der obern die von Handknochel- und Handdicke
deutlich macht.
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Ktirpers etc. 305
2. Breiten.
Das Maximum der Kopfbreite stellt sich nach Tab. der Lange ac
gkkh, sodafi also der obere, von der Nasenwurzel begrenzte Abschnitt
ein Quadrat umschliefit Die Bestimmung der Halsbreite erinnert an die
entsprechende des mannlichen Typus 2, wobei wie hier die Halslange ein
Minimum reprasentierte. Unter den Rumpfmaflen ist das Maximum
nicht mehr wie bisher durch die Gesafi-, sondern durch die Schulterbreite
gegeben, welche in e stattfindet und demgemafi als das Doppelte von
k gefunden wird. Durch sie bestimmt sich die Gesafibreite mittels
Interpolation wie Tab. angibt; die Bestimmungen von Brustwarzenabstand
und Rippenbreite als Bruchteile von ek und do sind allerdings weniger
naheliegend: dagegen steht die der Fufilange gleich Weichenbreite bei
ihrer Einfachheit nicht ganz vereinzelt. Als am meisten charakteristisch
mdchte indessen wie in friiheren Fallen die dem Abstand fmf gleiche
Breite in mf zu bezeichnen sein. Die Proportionierung der iibrigen
Mafie Iafit bei der untern Extremitat am deutlichsten Waden- und Fufi-
knochelbreite: bei der oberen aufier dem Maximum die mittlere Ober-
arm- und Handbreite Ubersehen.
Resultat.
Der weibliche Typus 6 bildet insofern einen Ausnahmefall, als die
VerhaJtnisse der Langenteilung sich nur hier anders als bisher gestalten,
do-art, dafi von einer Ubertragung des mannlichen Typus ins Weibliche
nach Analogie der iibrigen Falle beinahe ganz abstrahiert werden inufi,
sodafi es fast den Anschein gewinnt, als liege eine Vertauschung der
beiden weiblichen Typen 2 und 6 vor, wogegen wiederum die Uberein-
stimmung der Kopflangen mit den korresp. mannlichen spricht.
Dritte Gruppe.
Die Typen dieser Gruppe unterscheiden sich, wie die korresp.
Manner gegen die der vorigen, durch hohern Wuchs, wie in der ent-
sprcchenden Verktirzung des Kopfes sich angedeutet findet, im Anschlufi
daran durch geringere Breiten- und Dickenmafie. Sie nehmen demzu-
foige jenen analog eine Mittelstellung zwischen den Extremen der
vierten und den volleren Formen der zweiten Gruppe in Anspruch. — Die
Unterschiede finden weiter in den Verhaltnissen der Langenteilung Ausdruck
dadurch, dafi, abgesehen von der Verktirzung der Kopflange die nahezu
entgegengesetzten Extreme, welche sich in dieser Beziehung bei den
beiden Typen der vorigen Gruppe reprasentiert finden, von denen der
vorliegenden nicht erreicht werden. Dies bezieht sich zunachst auf das
anatomische Teilverhaltnis im Punkte m\ sodann auch auf die Ver-
langerung des Unterschenkels. Dagegen stellt sich die Rumpf lange im
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306 Constantin Winterberg:
allgemeinen nicht etwa klirzer, wie man daraufhin meinen mochte,
sondern ebenfalls langer dar als in den vorigen Gruppen, indem das Mi-
nimum der letzteren (Typus 6) von Typus 4, dem Minimum der 3. Gruppe,
und ebenso auch das Maximum (Typus 2) von Typus 7 b, dem Maximum
der letzteren, um mehrere partes tibertroffen wird.
Die einzelnen Typen der vorliegenden Gruppe lassen sich im ganzen
durch ahnliche Unterschiede wie die korresp. Manner charakterisieren.
Dadurch wird das Minimum des anatomischen Teilverhaltnisses in m9
auch hier durch Typus 4 reprasentiert. Dagegen kommt bezuglich
Typus 7 a und 7 b das Unterscheidende nicht sowohl in der Herab-
schiebung des Nabels wie beim Manne, als vielmehr durch die Rumpf-
verlangerung zum Ausdrucke. Typus 3 hat z. B. ein nur wenig ver-
mindertes Teilverhaltnis von Ober- und Unterkorper in tn\ nahezu
gleiche Unterschenkel und fast dieselbe Schulterhohe wie 7a, und unter-
scheidet sich trotzdem davon durch starke Rumpfverktirzung und ent-
sprechend langere Oberschenkelpartie.
Ubrigens sind die beiden gleichnamigen Typen 3a und 3b, ebenso
auch 7a und 7b, nur unwesentliche Modifikationen voneinander, indem
bezuglich der beiden ersteren der Unterschied wesentlich nur in der Ver-
anderung des anatomischen Teilverhaltnisses in m\ bezuglich der andern
in dem der Teilung durch 0 zu erkennen ist, wie das Nachstehende naher
ausftihrt.
I. Typus 3a.
a) Langen.
Der vorliegende und ebenso der nachstfolgende Typus 3b konnen
ahnlich wie der korresp. Mann als Modifikationen des gleichnamigen
Typus ersten Buches aufgefafit werden; der Kopf verlangert sich gegen
letzteren nur um 1 resp. 2 p. Der Nabel oder damit koinzidierende
Beckenrand ist um eine Strecke ab warts verschoben, indem nach
Tab. der Abstand gk eine Handlange betragt, wahrend die iibrigen
Rumpfpunkte je nach ihrer wachsenden Entfernung von jenem successiv
abnehmende Verschiebungen erkennen lassen, welche sich bezuglich der
beiden Endpunkte e und 0 nur auf 1 resp. 3 p. reduzieren: Die ge-
samte Rumpfverlangerung betragt demgemafi gegen den gleicharmigen
Typus des ersten Buchs kaum mehr als 2 p. Die den Ausgang bildende
Relation der Tabelle:
bm' = ov
bezieht sich zwar nicht auf den zuerst genannten Punkt, sondern, wie
man sieht, auf die Vergroflerung des anatomischen Teilverhaltnisses der
Kbrperlange durch Herabriicken von ;//', indem es sich nicht aus-
schliefilich um Vergleich mit Typus 3 des ersten Buches, sondern ins-
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t^ber die Proportionsgesetze des raenschJichen Korpers etc. 307
besondere auch mit dem nachstfolgenden ihm ahnlich gebildeten Typus
handelt, welcher hinsichtlich der Lage von k kaum merklich, dagegen in
Bezug auf m* viel starker differiert. Gegen diesen ist namlich der vor-
liegende, wie sich bei Diskussion jenes naher morivieren wird, offenbar
als ein noch unfertiger, madchenhafter aufzufassen, bei welchem die flir
jenen charakteristische Relation (vergl. Tab.) nur erst naherungsweise zu-
trifft, indem statt n und z hier ///' und v zu substituieren sind. Schon
die den ganzen Zahlen vielfach beigegebenen drittel partes scheinen auf
das weniger Abgerundete der Verhaltnisse hinweisen zu sollen. Das beirn
Vergleich mit Typus 3 des 1. Buches oben Angedeutete findet sich zu-
gleich darin bestatigt und erganzt. Aufler der Lagenveranderung der
ftumpfpunkte geht daraus auch noch ein Herabriicken der Kniemitte
hervor, infolge dessen die Oberschenkelpartie sich gegen den vorge-
nannten Typus verlangert. Gleichzeitig mit dem Unterschenkel verkiirzt
sich die Fufl- und ebenso die Handlange, wie die Relation der Tab.
ebenfalls andeutet : auch der Unterarm ist demgemafl eher kurz als lang
zu nennen, sodafi die gesamte Armlange und ebenfalls auch die der aus-
gebreiteten Arme a>a> hinter den entsprechenden des 1. Buches erheblich
zuriickstehen. Die letztere insbesondere, welche dort die Korperlange
ubertraf, erreicht sie hier nicht einmal. Entsprechendes gilt fiir die Basis
»©, wie schon aus der Verkiirzung der Fufilange zu schliefien. Beziiglich
der obem Extremitat ist tibrigens die Bedeutung von Unterarm und Hand
bei der Bestimmung der Rumpfteilung zu beachten.
b) Querdimensionen.
1. Dicken.
In den Quermaflen, zunachst in den Dicken, sind die Veranderungen
gegen Typus 3 des 1. Buches im ganzen unwesentlich : am wenigsten
treten sie natiirlich in den Kopfmafien hervor, obgleich die Bestimmungen
der Tab. hier keinen Anhalt der Beurteilung bieten, indem nur die der
Haisdicke sich an bekannte des 1. Buches anschliefit. Ahnliches gilt von
den Rumpfdicken. Die Bestimmung der Brusttiefe als 4. Teil des Vertikal-
abstandes ak1 scheint insbesondere ziemlich willkiirlich, obgleich, wie der der
ganzen Zahl hinzugefiigte 3tcl pars andeutet, von Diirer so und nicht anders
beabsicbtigt. Nur die der Bauchtiefe stellt sich nach Analogie des vorigen
Falles durch den Abstand im! also relativ einfach und verstandlich dar:
die der Gesafitiefe als das 2^-fache von km1 liegt weniger nahe. Die
Dicke in 0 findet sich durch Interpolierung. Im ganzen bestatigt sich,
wie man sieht, in den Hauptteilen das bei den Langen liber den unent-
wickelten Charakter der Figur Gesagte auch in den iibrigen danach
proportionierten Teilen, bei der untern Extremitat besonders durch die
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308 Constantin Winterberg:
Bestimmung der Dicke am Wadenende, bei der obern nur durch die der
Unterarmdicke angedeutet, wahrend die iibrigen sich interpolieren.
2. Breiten.
Die Kopf breiten verhalten sich den Dicken entgegengesetzt, sodafl,
verglichen mit Typus 3 des 1. Buches der Querschnitt wie auch
beim Manne als neue Bestatigung des bereits erwahnten allgemeinen
Naturgesetzes, tiefer aber gleichzeitig auch schmaler als im andern Falle
sich darstellt. Im Anschlufi daran finden sich von den Rumpfteilen,
der groflerenBrusttiefe entsprechend, dieSchultern verhaltnismaflig schmaler,
dafiir die Gesaflpartie breiter als im 1. Buche. Die Weichenbreite, fast
unverandert, bildet dabei den tJbergang. Obwohl auch hier noch als
Maximum der Breiten gekennzeichnet, stellt sich nach dem gesagten die
Schulterbreite gegen die des Gesafies nur wenig (1 p.) grofier dar,
wahrend sie im 1. Buche stark uberwog. Ihre Darstellung als Halfte von
gq zeigt, wie die Iibrigen Bestimmungen von Kopf und Rumpf im An-
schlufi an das darliber Bemerkte eine gewisse Willklir; in der der Rippen-
breite erkennt man wiederum eine geringe Modification gegen den
vorigen Fall, in dem bereits angedeuteten Sinne, derzufolge sich hier die
Rippenbreite durch dieselbe Relation ergibt wie dort die Breite in den
Weichen. Die Bestimmung der letzteren enthalt dagegen bereits aus
dem 1. Buche Bekanntes, wahrend die der Gesaflbreite als Bruchteil von
dm* wenigstens nichts vbllig Willktirliches aussagt, insofern das Maximum
derselben hier in m1 stattfindet. Eine gewisse Analogie mit der durch
die Fufilange oder Kasentiefe ausgedriickten korrespondierenden Rippen-
breite der Vorderseite liifit tiberdies auf die riickwarts, als der Gesafi-
tiefe entsprechend, schliefien. Diese, die Rippen- und ebenso die
Weichenbreite sind somit offenbar hier mehr charakteristisch als die
iibrigen Rumpfbreiten. Nach ihnen proportionieren sich die noch
fehlenden Mafie, wie gewohnlich, in Tabelle insbesondere angedeutet
durch die Bestimmung der Waden- und Fufiknochelbreite. Auch die der
Fufibreite als fiinften Teil von qz schliefit sich Bekanntem an. Ebenso in
der oberen F^xtremitat aufier dem Maximum die Bestimmung der
Unterarmbreite durch die halbe Handliinge, wonach das tibrige sich
erganzt.
II. Typus 3 b.
a) Langen.
Dieser Typus stellt sich, wie vorher bemerkt, als unwesentliche
Modification von 3 a, oder besser, dieser als solche der in Rede stehen-
den, der wie bereits erwahnt, und wie das Folgende zeigt, gegen jenen
offenbar der entwickeltere und von mehr in sich abgerundeten Verhaltnissen
ist. Diese Vereinfachungen ermOglichen sich, soweit es die Langenmafie
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Ober die Proportionsgesetze dcs menschlichen Kfirpers etc. 309
betrifft, hauptsiichlich durch den Wegfall der 3lcl partes, wodurch nicht
nur die Bestimmungen an sich einfacher werden, sondern auch die Charakte-
ristik der Hauptpunkte scharfer wird. Der einzige augenfallige Unter-
schied gegen Typus 3 a besteht narnlich, abgesehen von der inn 1 p.
kiirzeren Kopflange, in der (urn 6 p.) abwarts verschobenen Lage von m\
wie sich mit Bezug auf die in beiden Fallen beinahe unveranderte Lage
des Punktes q, sowie des Abstands Vq schon aus der bezuglichen Relation
erkennen laflt, wonach der Punkt mr scharf in die Mitte des Ab-
stands b'q fjil It Dies ist jedoch an sich offenbar weit weniger charakte-
ristisch fur die durch beide Typen zugleich vertretene Gattung, als die,
den Ausgang der Tabelle bildenden Relation:
bn = oz
welche, wie bereits antizipiert, auch im vorigen Falle, wenn auch nur
niiherungsweise zutraf. Ebendies gilt im allgemeinen auch ftir die zur
Bestimmung der iibrigen Punkte dienenden Gleichungen der Tabelle,
insbesondere ftir die der untern Brustbegrenzung, indem hier g scharf in
die Mitte der Strecke bo geruckt erscheint,~der er dort nur (bis auf 2 p.)
sich naherte. — Ahnliche Ubereinstimmung zeigt sich in den Teilen
der obern Extrernitat. Die gesamte Armlange ist sogar beidemal die-
selbe. Auch die Lange oxo stimmt bis auf 2 p. uberein. Im ganzen
gestalten sich, wie Tab. leicht ubersehen lafit, auch hierin die Verhaltnisse
einfacher als vorher. In der untern Extrernitat findet sich, dem Ober-
ann proportional, der Fuli urn weniges verlangert, und stellt sich nach
Tab. als Bruchteil des Unterschenkels dar. Die Basis wio ist somit im
Anschlufi an die grofiere Beckenbreite, obgleich in Tab. daftir kein un-
mittelbarer Ausdruck angegeben ist, entsprechend vergrofiert
b) Querdimensionen.
1. Dicken.
Die Mafie von Kopf und Rumpf sind im ganzen nur wenig gegen
den vorherigen Typus verstarkt. Beziiglich des erstgenannten Korperteils
ergibt sich dies danach, dafi die Kopfdicke desselben im vorliegenden
Fall nur die am obern Stirnende jenes erreicht; das Maximum selber
findet sich nach Tab. nur interpolatorisch. Die Halsdicke, als Halfte
ron be, findet sich so auch noch in einem andern Falle (vgl. Typus 7 b).
Brust- und Gesafltiefe, die beiden Maxima drticken sich nach Tab.,
jene durch die Rippenkorblange, diese als dritter Teil von am1 aus;
letztere ist daher offenbar als Hauptmafi zu bezeichen. Die beiden
Maxima interpolieren sich demgemafi nach Angabe der Tabelle. —
Gegen den vorherigen Fall besteht der Unterschied nach Analogie der
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3 i o Constantin Winterberg :
Kopfteile in nur geringer Verstarkung der Brust, wahrend die Gesafipartie
eher urn etwas weniges vermindert wird. Die iibrigen Mafie propor-
tionieren sich nach jenen, obgleich dies bei den Dicken der untern Ex-
tremist weniger ersichtlich ist, indem den friiheren sich anschliefiende
einfache Bestimmungen der beziiglichen Dickenmafie nicht existieren. Bei
den obern ist wenigstens durch die der Oberarm-, Ellbogen- und Hand-
dicke daftir einigermafien der Beurteilung ein Anhalt geboten. Auf-
fallend bleibt uberdies die sonst nicht wiederkehrende Ubereinstimmung
der Maximaldicke des Oberarms und der in b\
2. Breiten.
Den Dicken analog sind auch die Breiten gegen Typus 3 a irn all-
gemeinen etwas starker. Die des Kopfes, welche nach Tab. nahezu die
Lange be erreicht, allerdings nur aufierst wenig. Unter den Rumpfbreiten
ferner ist nicht sowohl die der Schultern als die des Gesafies am starksten
unterschieden, offenbar wohl um den mehr frauenhaften oder matronalen
Charakter gegeniiber dem madchenhaft-unvollendeten zu verdeutlichen.
Infolgedessen ist von beiden Mafien: Schulter und Gesafibreite nicht wie
im vorigen Falle die zuerst genannte sondern die letztere als Breiten-
maximum gekennzeichnet. Im Anschlufi daran modifizieren sich die
tibrigen Rumpfbreiten: die des Rippenkorbes zeigen gegen Typus 3a
noch fast keine Veranderung, die auf der Rtickseite in b1 gemessen zeigt
sogar voile Ubereinstimmung, wahrend vom untern Rippenrande abwarts
die Mafie successive wachsen, um vom Maximum der Gesafibreite bis
zum Knie wieder ebenso abzunehmen. — Nach Tab. findet sich die
Schulterbreite durch dieselbe Bestimmung wie im vorigen Falle, zugleich
der Lange fC gleich, der Brustwarzenabstand durch die halbe Rippenkorb-
lange, mittels desselben die Rippenbreite interpolatorisch zufolge An-
merk. 6 der Tabelle. Einfacher ist die bereits bekannte Bestimmung der
Weichenbreite durch die Fufilange, wahrend die des Gesafies in mr sich
als Bruchteil des Abstands dieses Punktes vom untern Brustende darstellt,
so dafi als Hauptmafi doch die Schulterbreite anzusehen ware. — Nach
jenen sind dann wie gewohnlich die tibrigen Breiten proportioniert, wie
sich in der untern Extremitat insbesondere durch die Bestimmung der
Breite iiber dem Fufiknochel, in der untern durch Ellbogen- und Unter-
armbreite angedeutet findet.
III. Typus 4.
a) Langen.
Der Kopf zeigt unter den Typen dieser Gruppe das relativ ktirzeste
Mafi von 74 p. Im Anschlufi daran charakterisiert sich Typus 4 als der
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Ktfrpers etc. in
schlankste dieser Gruppe und erklart sich am besten als Ubertragung des
gleichnamigen mannlichen ins Weibliche.48)
Wie schon zu Anfang bemerkt, ist das Teil vernal tnis von Ober-
und Unterkorper in m' hier relativ am starksten vermindert, oder m'
dem Scheitel am nachsten geriickt. Dies lafit sich aus der Tabelle aller-
dings nur indirekt ersehen, insofern die Kniemitte danach den Abstand
ni% halbiert, was mit Bezug auf die mittlere Lange des Unterschenkels
auf eine relativ hohe Lage von m' schliefien lafit Als vorzugsweise
charakteristisch ist jedoch in Tab. die Relation
nv = 2b*/
vorangestellt, indem daraus die hohe Lage des Punktes n a priori her-
vorgeht, der hier in der Tat nur urn \ p. unterhalb der Korpermitte fallt
und sich vom Typus 5 der nachsten Gruppe, welcher in dieser Hinsicht
das Maximum unter den weiblichen Typen tiberhaupt reprasentiert, kaum
unterscheidet Der Intention nach bezieht sich die vorstehende Relation
iibrigens auf die Bestimmung von / mittels der unter dem Text der
Tabelle angegebenen Relationen zur Fixierung von n und v: demgemafi
dieser Punkt offenbar eher hoch als tief zu liegen kommt. Dies gilt
dann natiirlich auch flir den Punkt g, dessen Bestimmung die nachste
Relation en thai t, wahrend das Heraufrticken des unteren Rumpfendes o
sich aus der folgenden schliefien lafit, wonach derselbe von v um das
Doppelte von gC entfernt liegt. Ebenso ist durch die nachstfolgende
die entsprechende Verschiebung von a ersichtlich, was dann wiederum
die von k (nach Anm. 2 der Tab.) zur Folge hat. — Nur zwei Punkte,
t und /", lassen sich nach Tab. erst mit Htilfe der Armpunkte bestimmen.
Der letztere ist bereits durch k mehr oder weniger vorgezeichnet, der
andere findet sich wie bei T. 3 a drei Handlangen oberhalb von m\ also
ebenfalls heraufgeriickt44) Trotz der dadurch bewirkten Halsverkiirzung
and jedoch die Schultern stark gesenkt, indem die Linie eta um 10 p.
unterhalb von e liegt
Im Anschlufi daran und an die gleichzeitige Rumpfverkurzung sind
auch die Arme gegen die der zwei vorherigen Typen um einige partes
kurzer, demgemafi auch die Lange coio, wonach die Relation der Tabelle
sie der Lange av gleich ergibt, obgleich im Gegensatz zu jenen der
*3) Wie bei Typus 3 a sind auch hier die Bestimmungen der Tabelle durch die
bei den Langenmaflen den ganze Zahlen mehrfach beigegebenen Drittel-partes nicht
antrheblich erschwert.
**) Im Text und in der Profilfigur Dlirers a. a. O. befindet sich ein Druckfehler,
indem offenbar die zusaramengehorigen Werte ae = 104^, ^=74 sind: jener des-
wegen, am mit den tlbrigen die Summe von 600 zu liefern, dieser mit Rttcksicht auf
die Zeichnung, wonach der Hals kein Minimum sein kann.
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^12 Constantin Winterberg:
Kreisbedingung gentigt werden mufi. — Kbenso charakterisiert die Be-
stiinmung der Tabelle, wonach auf die Strecke en noch iiber 2 Fufllangen
gehen, mit Bezug auf die relative Kiirze jener Strecke offenbar einen
Minimalfufl, wahrend die Basis <oo> als Doppeltes von fm'4b) zwar eben-
falls sehr kurz, doch noch nicht als Minimum sich darstellt
b) Querdimensionen.
a) Dick en.
Im Anschlufl an die Kopfverkiirzung ist auch dessen Dicke gegen
die vorigen Typen entsprechend vermindert. Relativ starker naturlich
die Rumpfmafle, besonders die Gesafltiefe, wahrend sich die der Brust
nur urn ein Minimum vermindert. Nach Tab. findet sie sich als das
-§• fache der Brustwarzenhohe cf\ Gesafl- und Bauchtiefe sind dagegen nur
interpolatorisch bestimmbar. Mehr charakteristisch ist die in Tab. nicht
enthaltene Bestimmung der Dicke in k als der Beckenhohe ko und gleich-
zeitig auch dem Breitenminimum 8r entsprechend, welches in der Natur
selten sein mochte. Als Bruchteil von ko oder der genannten Dicke
wird sodann auch die Dicke 10' gefunden. Die Proportionierung der
iibrigen Mafie nach jenen laflt sich wie im vorigen Falle beziiglich der
untern Extremitat nach Tab. aus analogen Griinden nicht ersehen, bei
der obern deuten wenigstens die gegebenen Bestimmungen der Unter-
armmafle darauf hin.
b) Breiten.
Das Maximum der Kopfbreite erreicht nur die Stirnbreite von
Typus 3a. Die des Halses, ausnahmsweise der Dicke gleich, schliefit
sich dem 1. Buche an. Das wesentlich Unterscheidende gegen die vor-
herigen Typen liegt aber in den Rumpfbreiten, zunachst in der hier als
charakteristisch zu bezeichnenden Schulterbreite, die sich nach Tab. in
nattirlich-normaler, bei Diirer aber sonst nicht wiederholter Weise als das
Doppelte des Brustwarzenabstandes angegeben findet Letzteres Mafl als
Bruchteil der Weichenbreite ist allerdings weniger plausibel. Aufler ihm
zeigen sich die Mafie des Rippenkorbs, vor allem das Maximum auf der
Riickseite, als wie auch sonst (T. 1. 3 a 7 a) der Gesafltiefe entsprechend,
ebenso die Weichenteile relativ stark gegen Typus 3 a vermindert. Erst
das Maximum der Gesiiflbreite stimmt wieder damit uberein, doch ist zu
bemerken, dafi dasselbe in ;/' und nicht in m' stattfindet, sodafl daraus
allein schon auf die groflere Schlankheit des vorliegenden Falles geschlossen
^) Diese scheinbar etwas gesuchte Bestimmung ist wohl so zu verstehen , daO
der Abstand /'/' in der Hohe von m sich befindet. Statt ihn von da auf die Sohle
zu projizieren, konnte man sich wohl auch umgekehrt einmal die Fufilangen auf jei*e
Linie heraufprojiziert denken.
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Ober die Proportionsgesetze dcs menschlichen Kftrpers etc. 313
werden mufl. Von den Bestimmungen der Tabelle ist die der vorderen
Rippenbreite dem Abstand a a gleich, die der Weichenbreite nach dem
Vorberigen bekannt Die Gesafibreite als in n' stattfindend, erscheint im
Anschliifl daran zwar weniger einfach, als Bruchteil des Abstands bii
ausgedriickt. Nach den genannten proportfonieren sich die iibrigen Mafie:
hinsichtlich der unteren Extremitat besonders durch die Bestimmung von
Waden- und Fufibreite ebenso in der obern Extremitat mit Ausnahme
der zweifelhaften Maximalbreite. Fur jene ist speziell der quadratische
Querschnitt der Waden bezeichnend.
Typus 4 und 3 a stehen sich nach dem Gesagten in den Quermafien
offenbar am nachsten. Die Unterschiede zeigen sich jedoch sofern die
Rumpfdicken des vorliegenden sich vorzugsweise in den unteren Teilen,
dem Gesafl, vermindern, dagegen die Breiten in den oberen Teilen,
namlich in dem Maximum der Schulterbreite, sich vergrdflern.
IV. Typus 7 a.
a) Langen.
Dieser Typus reprasentiert im 2. Buche den einzigen Fall, wo die
Ropflange als aliquoter Teil der Korperlange, namlich als \ davon, sich
darstellt Auch er versteht sich wie der vorige am einfachsten als Uber-
tragung des zugehorigen Mafies ins Weibliche. Der Oberkorper ist wie
bei diesem relativ lang, wenigstens gegen den vorherigen Fall, der Teil-
punkt m' demgemafi abwarts verschoben, ebenso der Punkt o, wodurch
der Rumpf sich verlangert. Das letztere deswegen, weil mit Bezug auf
die angegebene Kopfliinge die Hohe at nur ein mittleres Mafi erhalten
kann, urn natiirlich zu bleiben. Dieselbe geht iibrigens schon aus der
Bestimmung des Punktes a hervor. — Die in Tab. den Ausgang bildende
Relation :
bm = oz
besagt zunachst, verglichen mit der von Typus 3 b, nur eine Abwarts-
schiebung von o resp. m. Ebenso zeigt die Bestimmung des Punktes /
der von £* dreimal soweit als von m abliegt, dessen relativ tiefe Lage.
Dagegen fallt der Nabel oder obere Beckenrand nicht gleichzeitig tiefer,
sondern behalt, wie auch die Bestimmung der Tab. andeutet, bis auf
\ p. die gleiche Lage wie im vorigen Falle, wodurch der Abstand von /
zum Minimum wird. Das Herabrticken des untern Brustkontour lafit sich
ebenfalis aus der Relation der Tabelle, wonach Punkt g die Lange dm1
halbiert, leicht folgern, wonach dann ebenfalis Entsprechendes fur f ge-
schlossen werden mufi, dessen Lage sich nach Tab. auf dem untern
Drittel von l*k befindet Ahnliches gilt beztiglich der Bestimmung
von b\ Die Lange des Unterschenkels qz kann mit Bezug auf die
Eepertoriam fur Kanstwissengchaft, XXVI. 22
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314 Constantin Winterberg:
Lange des Rumpfs offenbar nur eine mittlere sein, obwohl die Be-
stiinmungen der Tabelle nur lehren, dafi der Abstand der Kniemitte von
n resp. von 0 ein relativ kurzer sein mufi. Trotz der grofien Schulter-
breite fallen auch hier die Schultern bei der grofiern Halslange zieinlich
steil, nahezu unter demselben Neigungswinkel wie beim vorigen Typus.
Die Oberarmknorren-Centra liegen mit denen des genannten gleich hoch,
ihr Abstand ist dagegen grofier und zwar um soviel, dafi die Lange der
ausgebreiteten Arme, trotz der Verminderung der Armlange, genau die-
selbe bleibt wie bei jenem. Die Kiirze des Arms lafit iibrigens schon die
Bestimmung der Tabelle vermuten, wonach die Handwurzel bei herab-
hangendem Arm mit ///' gleich hoch fallen soil, ebenso ergibt sich die
Kleinheit der Hand daraus, dafi deren zwei auf die Lange gm gehen.
Dafi die Kreisbedingung dennoch stattfinden kann, obwohl der Abstand
ae hier langer ist als bei Typus 4, erklart sich natiirlich durch die Ver-
groflerung von eta.
Was die untere Extremitat betrifft, so ist die Fufilange, obgleich
dieselbe wie bei Typus 3 a, dennoch einfacher ausdriickbar, insofern nach
Tab. deren 4 auf die Strecke kz gehen, welches bei der tiefern Lage
des Nabels im andern Falle nicht moglich war. Die Basis tow ist
natiirlich hier grofler als dort, bleibt aber auch so noch um T^ hinter der
halben Korperlange. Statt ihrer findet sich in Tab. iibrigens einfacher
die Lange p'p* als der von in entsprechend.
b) Quermafle.
1. Dicken.
Die Verstarkung der Kopfdicke gegen den vorherigen Fall gibt sich
nach Tab. dadurch kund, dafi der Profilschnitt iiber der Lange be ein
Quadrat umschlieflt. In den Rumpftcilen tritt die Verstarkung wiederum
am meisten an der Gesaflpartie zu Tagc, die der Brust ist relativ nur
ganz gering. Das Maximum derselben liegt in /, und bestimmt sich
nach Tab. als Bruchteil von df. Einfacher und darum bezeichnender ist
jedoch die nachst tiefere Dicke in g, wie in andern Fallen der Brust-
iange eg gleich. Ebenso einfach ist das Minimum der Bauchtiefe in /
durch den Abstand ft ausgedriickt. Die in m' stattfindende maximale
Gesafltiefe, nach Analogie von Typus 1 als Bruchteil von m'q angegeben,
ist zugleich auch interpolatorisch auf die gleiche Art wie im vorherigen
Falle darstellbar, ohne dafi fur die eine oder andre Bestimmung eine
grofiere Notwendigkeit vorliige. Von ihr stellt sich dann wiederum die
Dicke in o als Bruchteil dar. Die iibrigen danach proportionierten
Dicken lassen dies Verhaltnis bei der untern Extremitat nach Tab. wie
im vorigen Falle nicht verfolgen, auch in der obern finden sich hier
weniger einfache Bestimmungen.
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Obcr die Proportionsgesetze des menschlichen Kttrpers etc. *ic
2. Breiten.
Die Kopfbreiten proportionieren sich nach den Dicken, welches sich
narh Tab. am besten aus der Bestimmung der Gesichtsbreite zu -J der
Kopflange verdeutlicht: Kopf- und Halsbreite werden interpoliert. Unter
den Rumpfmafien ist die Schulterbreite als Maximum gekennzeichnet,
iibertrifft zwar nur wenig die des Gesafies, doch in Verbindung mit den
iibrigen Verhaltnissen genligend, den Eindruck des Kraftvollen wie beim
korresp. Manne zu bestatigen, was als charakteristischer Unterschied gegen
die iibrigen Typen dieser Gruppe anzusehen ist. Nach Tab. findet sich
das in Rede stehende Mafi nur interpolatorisch und noch dazu unter
Benutzung eines Hiilfsmafies, der Breite in k, doch orTenbar wohl so be-
absichtigt, worauf schon der, der ganzen Zahl hinzugesetzte Drittel-pars hin-
deutet. Von den iibrigen Rumpfbreiten ist nach Tab. die der Rippen vorn
nur interpolatorisch angebbar: dagegen die der RUckseite wie im vorigen
Falle der Gesafitiefe gleich. Die Gesafibreite ferner zwar wie jene als
Bruchteil von m'q angegeben, lafit darin gerade keine sehr einfache Be-
ziehung erkennen, so dafi als einfachste und Ausgangsrelation unter
den Rumpfbreiten die bei den Langenmafien bereits angegebene Be-
stimmung afa=pfp' = in sich darstellt: umsomehr bezeichnend, als sie
sich auf das Skelett bezieht. — Die iibrigen nach dem genannten pro-
portionierten Mafie lassen dies Verhiiltnis in der untern Extremitat hier
eher als bei den Dicken, insbesondere durch die Bestimmungen der
Knie- und Fuflknochelbreite, tibersehen; ebenso findet sich in den obern
dafiir einiger Anhalt, wenn auch nur, vom Maximum abgesehen, durch
die Bestimmungen von Handknochel- und Handbreite. Ubrigens fallt die
Vergrofiening der Armbreiten gegen die fruheren Typen zur Verstarkung
des Eindnicks grofierer Korperkraft sofort in die Augen.
Vf. Typus 7 b.
a) Langen.
Die Absicht war, hier einen dem vorigen ahnlichen aber weniger
kra/tvoll gebildeten Typus (jiingere Schwester?) vorzufiihren. Die Modi-
fikationen in den Langenverhaltnissen sind dabei natiirlich weniger augen-
fallig als die der Quermafie. Der Kopf ist nur um i p. gegen jenen
verlangert, also dem von Typus 3 b entsprechend. Der Teilpunkt m
findet sich demnach nur wenig abwarts gertickt, um dasselbe Mafi auch
der Nabel oder obere Beckenrand, wahrend das obere Rumpfende 0 in
entgegengesetzter Richtung sich verschiebt. Mit Bezug darauf sind die
Relationen der Tab. zu verstehen. Zunachst erkennt man die den Aus-
gang bildende Relation:
b*m = nz
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£16 Constantin Winterberg:
als unwesentliche Modifikation der entsprechenden des vorigen Typus,
indein nur b unci o mit ft* und ;/ vertiiuscht worden ist Indeui ferner
der Abstand em hier zu \ Korperliinge bestimint ist, findet sich, da die
Lage des Punktes ;// in beiden Fallen nur wenig variiert, dafi das obere
Rumpfende e relativ stark heraufriicken mufi, was dann auch mehr odcr
weniger yon den zunachst liegenden Punkten gilt. Nur a macht cine
Ausnahme. insofern dieser Punkt hier unterhalb von c seine Maximal-
distanz erreicht, wodurch sich in Verbindung mit der verminderten Lange
aa der stark ere Schulterabfall dieses Typus erkliirt. Von den ubrigen
Punkten ist nur die tiefere Lage der Kniemitte nach Tab. vom Kinn
urn 5 Kopflangen entfernt, von Wichtigkeit, sofern danach die Lage von
0 als auf deiri untern Drittel der Strecke aq gelegen beurteilt werden kann.
Nach dem Gesagten mufi ferner der Abstand mfo relativ kurz, wenigstens
im Vergleich zum vorigen Falle sein, was sich durch die beziigliche An-
gabe der Tabelle auch bestiitigt. Die zur Bestimmung von k dienende
Relation lafit dagegen nur erkennen, dafi gegen friiher der Abstand eb9
etwas grofier geworden ist, indem es sonst nicht moglich wiire, dafi dieser
Punkt jetzt defer als im vorigen Falle zu liegen kommt Noch weniger
von Belang ist die, gegen Typus 7 a nur urn 1 p. veriinderte Lage von /',
wie auch der Vergleich der beziiglichen Relationen andeutet. Auch in
den Armlangen herrscht vollige Ubereinstimmung, obgleich in Tab. nicht
unmittelbar zum Ausdruck gebracht. Man ersieht jedoch, dafi bei herab-
hiingendem Arm die Handwurzeln genau in die Hohe der Koqjermitte
fallen, ferner auch die Ktirze von Unterarm und Hand aus den ftir die
letztere wie ftir die Summe beider angegebenen Beziehungen. Dafi die
Kreisbedingung hier bei der Gleichheit der Armlange und nur um 1 p.
abweichenden Langen aa erfiillt ist, trotzdem der Nabel tiefer fallt, er-
klart sich natiirlich durch Verkiirzung des Abstands ae.
Die Ubereinstimmung der Fufilange ergibt sich aus Tab. auf
Grund des dariiber beim vorherigen Typus Bemerkten. Auch ersieht
man leicht, dafi die Basis tow nur um weniges von der des letzteren
diflferieren kann.
b) Quermafie.
1. Dick en.
Die Kopfdicke, der des vorigen Fallcs beinahe gleich, stellt sich
nach Tab. als das Doppelte der bis zum obern Augenhohlenrand ge-
zahlten Gcsichtslange dar. Gesichts- und Halstiefe proportionieren sich
demgemiifi. — Von den Rumpfdicken finden sich die Maxima: Brust-
und Gesiifitiefe gegen den vorherigen Fall vermindert, die Minima da-
gegen cher um ein weniges starker, wodurch die Unterschiede der Aus-*
und Einbiegungen der Umrifikurve relativ vermindert erscheinen. Nacli
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Ktfrpers etc. 317
Tab. ergibt sich das in b' stattfindende Maximum der Brusttiefe inter-
polatorisch mittels der als ^faches vom a/ darstellbaren Dicke in f.
.Audi die Gesafltiefe in in als doppeltes von km* ist weniger bezeich-
nend. Von den beiden noch fehlenden ist die Bauchtiefe nach Tab.
durch gk, die Dicke in o interpolatorisch mittels der Dicke in k gegeben,
welche dem Abstand kn entspricht Nach diesen proportionieren sich
sodann die iibrigen Dickenmafie. Bei der untern Kxtremitat ergeben sie
sich nach Tab. wesentlich durch Interpolation, daher fell 1 1 wie im vorigen
Falle der Beurteilung auch hier ein einfacher Anhalt. Unter denen der
obem Kxtremitat ist durch das Maximum des Oberarms, Handknochel-
und Handdicke ein solcher wenigstens naherungsweise geboten.-
2. Breiten.
Das Maximum der Kopfbreite ist dem des vorigen Typus gleich,
ohwohl nach Tab. nur interpolatorisch bestimmbar. Von den Rumpf-
breiten reprasentiert auch hier die gegcn Typus 7 a nur wenig verminderte
Schulterbreite das Maximum. In Analogic friiherer Falle ist sie nach
Tab. durch die Lange //// ausdrlickbar, eine gewissc Willktlr ist bei
dieser Bestimmung allerdings nicht zu leugnen. Jedenfalls bleibt der
doppeJte Brustwarzenabstand nach Tab. durch fact dargestellt, dahinter
zuriick und erreicht nicht einmal das Maximum der Gesaflbreite in ///,
sondern nur die in ///'. Da auch die crstgcnannte weniger naheliegcnd
als doppeltes von ////' sich darstellt, so ist die letztere wohl hier als
eigentliches Hauptmafi zu betrachten, umsomehr da die Rippenbreitc in
Z sich nacH Tab. ebenfalls nur durch ein mit ihr nicht unmittelbar zti-
>airimenhangendes Langenmafi b'k darstellen lilfit. — t^brigens vermindern
sich gegen Typus 7 a die Rumpfbreiten mit Ausnahme der Schultcrn in
nahezu proportionalcr Weise, sodafi die Umrifikurve keine wesentliche
Ajulerung exleidet. Hinsichtlich der iibrigen laflt Tab. besonders bei der
untern Kxtremitat die proportionalc Fortsetzung dcutlicher als bei den
/>ickcn erselien, in der obem dagegen fchlt es auch hier an cinfachcn
Bestimmungen, sodafi das Urteil mehr oder weniger darauf angewiesen
hkibt, von den Dicken auf die Breiten resp. umgekehrt zu schlicOen.
Der vorliegende Fall kann auf Grund des (icsagten als ein ncues
Beispiel dafiir angesehen werden, wie selbst grofiere Veranderungen in
den Querdimensionen, und entsprechend in den T.iingen derart be-
messen werden konnen, dafi der allgemcine Charakter als solcher nicht
alteriert wird.
(Schlufl folj?t.)
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Meister Berthold von Niirnberg, ein Glied der Familie
Landauer.
Von Albert Gtimbel -Niirnberg.
In seiner Darstellung der vordiirerischen Kunstbestrebungen inner-
halb der Mauern Nurnbergs hat Thode1) den Versuch gemacht, die bisher
schemenhafte Gestalt des » Meister Berthold «, dessen Name uns in Niirn-
berger Burgerbuchern, Steuerlisten und Stadtrechnungen des ausgehenden
14. und in den ersten drei Dezennien des 15. Jahrhunderts begegnet, mit
Fleisch und Blut zu umkleiden; er schreibt diesem Meister, dessen her-
vorragende Stellung unter seinen Zunftgenossen erbesonders aus der ur-
kundlich beglaubigten Tatigkeit bei der Restaurierung des Nlirnberger
Rathauses im J. 1423 folgert, den sog. Imhofschen Altar in der Lorenz-
kirche — nach Janitscheck2) die hochste Leistung mittelalterlicher Maierei
in Niirnberg — , ferner die Deichslerschen Altartafeln in der Berliner Ge-
maldegalerie, den Bamberger Altar im Nationalmuseum zu Miinchen vom
J. 1429, sowie eine Reihe anderer, teils noch in den Niirnberger Kirchen,
teils im Germanischen Museum und den Miinchener Sammlungen befind-
licher Tafelbilder aus den Jahren von etwa 1400 — 1437 zu» Von diesem
jiingercn Meister Berthold ist er aber geneigt einen gleichnamigen Maler
und Bildschnitzer zu trennen, der schon 1363 und 1378 genannt wird3)
— und ich glaube mit Recht; beziiglich schliefilich des im J. 1396 auf-
tretenden Malers Berthold lafit er es dahingestellt, auf welchen von beiden
sich diese Notiz bezieht
Verfasser mochte in dieser Angabe vom J. 1396, welche besagt, dafi
in dem genannten Jahre ein »Berhtold Moler« gleichzeitig mit einem
»CuntzHerregotMoler« alsNeubiirger in Niirnberg aufgenommen wurde4)unci
1) Die Malcrschule von NUrnhcrg im 14. und 15. Jahrhundcrt. Frankf. a. M. 1891.
2) Gcschichtc der deutschen Maierei. Berlin 1890, pag. 207.
3) Vgl. bei Thode a. a. O. 258 AT.
4) Kgl. Kreisarchiv Niirnberg. M. S. Nr. 233.
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Albert Giimbel : . Meister Berthold von NUrnberg. ^!o
den vorgeschiebenen Biirgereid unci zwar ausdhicklich als »Moler« leistete,6)
die erste Erwahnung des jiingeren Meisters erblicken und erkennt ihn auch
in jenem ^Ber[tolt] Maler«, den die Losungs- oder Steuerregister der
Sebalder Stadtseite vom J. 1397 ®) unter den Biirgern des Hauserviertels
*Domus Hansen Grolants« auffiihren. Zwischen 1397 und 1400 nahm
dieser Meister Berthold sodann einen Wohnungswechsel vor; in der Steuer-
liste des Ietzteren Jahres, Sebalder Stadtseite7), finden wir ihn in deiii mit
?Domus meister Cunr. Apothekers« gekennzeichneten Viertel ansiifiig; seine
Kachbarn sind daselbst Hans StafFelstein und F. Kammermeister. Diesen
Wohnsitz hat er nun unverandert bis zu seinem Tode festgehaltcn; wahr-
scheinlich besafi er schon damals jenes Haus, in dessen Besitz er 142 1
urkundlich erscheint,8) und das spiiter sein Sohn Markus ercrbte. Iin
J. 14089) finden wir weiterhin eine Notiz, welche beweist, dafi er in Zeiten
der Gefahr wohl auch den Pinsel mit dem Schwert zu vertauschen bereit
war: in einem damals angelegten »Harnischbuch«,10) d. h. einer Ubersicht
der in den einzelnen Stadtvierteln und ihren Hauptmannschaften bei den
Burgern vorbandenen Panzer wird beim Viertel am Milchmarkt in der
Hauptmannschaft des Heinrich Kammermeister zwischen den gleichen
Nachbarn wie 1400, auch »Berchtold Moler« als Besitzer eines Panzers
genannt.
Was zu den Jahren 142 1 und 1423 (Arbeiten am Rathaus) in Bezug
auf unseren Meister zu erwiihnen ist, wurde schon oben bemerkt.
Im J. 1427 — und damit kommen wir auf unser eigentliches Be-
5) Ein anderes Handwerk als das bei der Vcreidigung angegebene durfte ohne
spezielle Erlaubnis nicht betrieben werden. Daher erklart es sich auch, daB den Namen
der Neuburger stets die Handwerksbezeichnung beigefugt ist.
6) Kgl. Kreisarchiv NUrnberg. M. S. 768.
*) Kgl. Kreisarchiv NUrnberg. M. S. 770.
**) Paulus Rainen^teiner (Ramensteinerr), genannt VVechsler, kaufte I421 von Hanns
"•taffelstein ein Haus gegenUber dem Predigerkloster azwischen Meister Rerchtold Malers
und Eberhartcn Kotzners Hewsern« gelegen. Von P. Kainensteiner erwarb dieses Haus
ibeute Burgstrassc Nr. 7, alte Nr. S. 531, vgl. Lochner, Topographische Tafeln zur Ge-
<^hichte der Reichsstadt NUrnberg) am 22. Novbr. 1432 Heintz Ortel. Aus dessen Besitz
ging es zehn Jahrc spater in den des Schwicgervaters Markus Landaucrs, des alten Hanns
>chreycrs, liber. Dessen Sohn, der bekannte Kirehcnmeister Sebald Schrcyer, hat tins
die HetrefTendcn Hausbricfe in seinen, im Kgl. Kreisarchive NUrnberg befindlichen Kopial-
bfichern (A, pagf. 16 und 17) Uberliefert. Das Haus Meister Bcrtholds wurde nach den
Lochnerschen Tafeln in den heute gctrennten Hiiusern S. 532 und 533, jetzt Burgstrasse 9
and 11. zu erblicken sein.
a) Hier wurde sich vorher noch die von Thode pag. 40 angemerkte Notiz vom
J. 1406 einfiigen, welche in der Stadtrcchnung wiirtlich so lautet: »Item dedimus XV sh.
kdleT meister Bcrr tolt] Maler von sehiltlethen ze main auf der stat armbrust«.
10) Kgl. Kreisarchiv NUrnberg. M. S. 7S4.
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320 Albert Gtimbel:
wcisthema — wurde eine neue Losungsumlage verktindigt; die Steuer-
listen zeigen uns den Meister am alten Orte ansafiig. Es werden in der
»Losunga Sebaldi feria quinta in die Alexii (= 17. Juli) 1427 n) bei »Vlrich
Gruntherren eck vnd die Cromergassen hinauf etc.« aufgeftlhrt:
. . . Heintz Toppler
Berchtolt Moler
Endres Moler
Paulus [Rainensteiner] von I ng els tat
Eberbart Kotzner
Sebolt Halpwachsen . . .
Die Namen der Nachbarn wurden aus einem gleich ersichtlichen
Grunde beigesetzt.
In den folgenden Jahren bis 1433 wurde eine neue Losung nicht
angesetzt und besitzen wir keine Steuerlisten der bisherigen Art. Dagegen
ist uns aus dem Jahr 1430 ein Niirnberger Btirgerverzeichnis erhalten in
dem sog. »Grabenbuch von i43o«, 12) welches einem besonderen Anlafl
seine Entstehung verdankt. Als namlich 1427 die Hussitengefahr ftir die
Stadt eine dringende wurde, nahm der Rat mit dem groflten Eifer eine
Reihe von Arbeiten in AngrifT, um die Stadt in verteidigungsfahigeren
Zustand zu versetzen.13) Im Oktober dieses Jahres erliefl er einen Befehl,
dafi jeder Niirnberger Haushalt, Mann, Frau und (iber 12 Jahre alte Kinder,
sowie die Knechte und Magde einen Tag an dem Stadtgraben, den man
um die Stadt ftihren wolle, zu arbeiten hatten; wer nicht selbst den
Spaten in die Hand nehmen konnte oder wollte, mufite sich durch ein
»Grabengeld« loskaufen, woflir man andere Arbeiter einstellte. Mit diesem
Ratsbefehl, der zehn Jahre hindurch in Kraft blieb, hangt die uns in dem
»Grabenbuch« von 1430 erhaltene Blirgerliste zusammen.
Suchen wir nun darin das uns schon aus der Losungsliste von 1427
bekannte Hauserquartier des »Hern Vlrich Gruntherrn Egk«, so finden wir
genau an der Stelle, wo wir den Eintrag iiber den Meister erwarten
dtirfen, die Namen:
lifeintz] Toppler
Berchtold Landawer
Pauls Rainstainer
Kberh[art] Kfitzler
Sebald Halbwachs . . .
Nun ware es vielleicht denkbar, dafi an die Stelle des etwa seit
^ n) Kgl. Kreisarchiv NUrnbcrg. M. S. 774.
12) Kgl. Kreisarchiv Ntirnbcrg. M. S. 775: Grabenpuch angefangen Barbare virginis
Anno etc. 30.
13) Vgl. Chron. der deutsch. Stadte, Nlirnberg, Bd. I, pag. 3741!. und Beilage IX.
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Meister Berthold von Ntirnberg, ein Glied der Familie Landauer. ^ 2 1
1427 verstorbenen oder verzogenen Meisters ein Berchtold Landauer als
Besit2nachfolger getreten ware.
Diesen letzten Zweifel aber diirfte der folgende Eintrag in ein Niirn-
berger Ewiggeldbuch, d. h. ein Verzeichnis der vom Rate aus der Losungs-
stube verkauften, bis zu Ablosung f6rtlaufenden Ewigrenten, zerstreuen.
Im J. 1427 verkaufte der Rat dem Meister einen Ewigzins von 20 Gulden
urn 500 Gulden.
Der Eintrag im Ewiggeldbuch lautet nun:
^65 Item dem meister Berchtolt Moler 20 gulden ewigs gelts
landswerung et habet literam.«
Darunter als Xachtrag:
»Item Alheid, Lucas Landawers seligen eliche wittib, mit willen
vnd wort Marx Landawers, ir vnd irer kind vormund, hat von den ob-
geschriben 20 gulden gelts 10 gulden gelts zu kaufen geben Vlrichen
I^angmann. Et rcstituerunt literam. Actum feria 4a post Conversionem
sancti Pauli Anno 570, Langman habet literam. In sola manu. fundel-
k ynden In Anno 7 1 .
Item Alheid Landawerin obgenant mit willen Marx Landawers
hat die vberigen 10 gulden verkauft Hansen Wild von Werd je ein
gulden geltz vmb 281 2 ghl., darumb wir sie auch zu kaufen haben.
Act. feria IIa S. Valentini Anno T,V11°«.
Es diirfte kein Zweifel mehr bestehen, dafi unser Meister
Berchtold vom J. 1427 mit jenem Berchtold Landauer von 1430
ein und dieselbe Perscinlichkeit ist und wir damit einen neuen
Nurnberger Meisternamen gewonnen haben.
Zwischen 1430 und November 1432 mufi Meister Berthold Landauer
veretorben sein, denn in einem Hausbrief vom 22. November 1432, den
uns der Kirchenmeister Sebald Schreyer glcichfalls abschriftlich uberliefert
hat, wird die Lage des schon obcn beim J. 142 1 erwahnten Hauses, das
nunmelir aus dem Besitz des Paul Ramenstaincr, »etwen Wechsler ge-
nanti, in den Heinrich Ortels ubergeht, bezeichnet mit > zwischen
Meister Berchtolds Molers seligen vnd Ebcrhart Kotzners Hewsern
gelegen*.14)
1J) Die lctzte Ruhestattc unsers Meisters haben wir unzwcifclhaft in jener iilteren
Gruft der Familien Landauer und Schreyer am Ostchor der Scbalduskirchc zu sucheii,
tie heute noch die lebensvollen Darstellungen Meister Adam Krafts schmiicken.
Oabci erinnern wir uns, da8 Kraft von den BcstelJern, Sebald Schreyer und Matthaus
Landauer, beauitragt war ein schadhaft gewordenes »alt gemek bci jener Gruft »in Stein-
vak< zu bringen. Die Vcrmutung liegt nahe, dafi es die Hand Meister BerthoJds oder
bs\ncs Sohncs Marcus gewesen sei, welchc die letztc Ruhcstiitte der Kamilie mit Krcskcii
schmacktc. Vgl. auch meinen Aufsatz im Kcp. f. K.-W. Bd. XXV: Kinige neuc Notizen
tber das Adam Kraft' sche Schreyergrab.
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322
Albert Gttmbel:
Demgeiriafi finden wir nun in der Losungsliste vom J. 143315) an
der entsprechenden Stelle aufgeflihrt:
»Anna Berftolt] Landawerin
Marx, ir sun
Seine geschwistreid
Peter Schuler moler
Heinrich Ortel . . .«
Dies fiihrt uns auf die Familienverhaltnisse des Meisters. Uber seine
Ehefrau wird uns, aufier dem soeben mitgeteilten Namen nichts iiber-
liefert; sie mull zwischen 1433 un(J M3& verstorben sein, da in den
Losungregistern vom J. 1438 und 1440 16) »Marcus landawer« allein er-
scheint. Dafi der Meister Sohne gehabt hat, war schon aus der von
Thode angefuhrten Notiz liber die Beteiligung Berthold Landauers an
der Rathausrestaurierung bekannt; es wird dort erwahnt, dafi er dabei
von seinen Sohnen und Gesellen unterstiitzt wurde.
Sein altester Sohn war ofTenbar Markus, in den Quellen auch Mar-
kart und Marx genannt. Uber ihn und seine Familienverhaltnisse waren
wir schon bisher einigermaflen unterrichtet, besonders aus seinem Testa-
ment vom 30. Januar 1468, von welchem sich eine Abschrift im Stadt-
archiv Niirnberg erhalten hat, unbekannt war es jedoch bisher, dafi Markus
Landauer auch aus ii ben der Ktinstler und als solcher unzweifclhaft —
wie auch jener in der Losungliste vom J. 1433 erscheinende Peter Schuler,
moler — ein Schuler seines Vaters war. Der urkundliche Nachweis findet
sich in einem allerlei statistische Aufzeichnungen aus der Hussitenzeit um-
fassenden Aktenfaszikel des Kgl. Kreisarchivs Niirnberg. Derselbe enthalt
u. a. eine Art Stammrolle der waflfenfahigen Niirnberger Mannschaft vom
J. 1429, d. h. ein nach Stadtvierteln und Hauptmannschaften angelegtes
Verzeichnis der uber 18 und unter 60 Jahren alten Burger. Dort finden
wir nun in der Hauptmannschaft des Heinrich Topler zwischen einem
Mertin Reblein und dem uns schon bekannten Paulus Wechsler »Marcus
Moler*, unzweifelhaft unser Marcus Landauer.17)
Vielleicht riicken damit auch die von dem Monch des Agydien-
klosters zu Niirnberg, Conrad us Herdegen, in seiner Chronik von 14 12
15) Kgl. Kreisarchiv Niirnberg. M. S. 777.
16) Kgl. Kreisarchiv Niirnberg. M. S. 779 und 780.
*') Dies gcstattct uns auch einen, wenn gleicb unsicheren Schlufl auf die Geburts-
zeit des Meisters selbst. Da er nicht genannt wird, mufl er das 60. I ,el>cn«jahr 1429
libersclirittcn haben; nehrnen wir flir ihn bei seinem 'lode (ca. 1431) ein nicht zu hohe^
Alter an, so diirften wir vielleicht mit der Vcrmutung, daO er zwischen 1365 und 1370
geboren und so mit ca. 25 — 30 Jahren Burger und Meister in Niirnberg geworden sei,
das Richtige treffen.
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Meister Berthold von NUrnberg, ein- Glied der Faroilie I^andauer. 323
bis 1479 18) mitgeteilten Nachrichten iiber klinstlerische oder vielmehr,
wie man es bisher auffaflte, kunstfreundliche Bestrebungen Mark us Lan-
dauers wahrend seines Aufenthaltes im genannten Kloster, wohin er sich
in den letzten Lebensjahren zuriickgezogen hatte und wo er auch am
14. April 1468 starb, in neue Beleuchtung. Die Chronik Herdegen be-
merkt zum J. 1466:
>A. 1466 ante festum Pentecostes dealbatus est chorus noster
cum magno labore et diligentia et fenestrae reparatae per fratres et
laicos tunc cum multis instrumentis et similiter tunc et deinceps factae
sunt et depictae in lateribus chori imagines sanctorum XII aposto-
lorum diligentia et sumptibus variis et parietes ibidem cum auro et
coloribus multis et variis ornatae et fulcitae artificiosissime per Con-
fratrem, Marcum Landawer dictum, qui disposuit talem
figuram fieri de sumptibus suis et industria et diligentia,
sibi in memoriam perpetuam et fratribus omnibus in recordationem ac
solatium in futurum, similiter et alia plura; scilicet cibus et potus pic-
tori bus dabatur de monasterio propter laborem«.
»A. 1468 feria quinta videlicet in Coena domini post Comple-
torium obiit honestus vir Marcus Landawer in stubella in domo
abbatis post longam infirmitatem et in praesentia fratrum, devote pro-
visus et cum exequiis peractus, qui fieri fecit picturam XII Aposto-
lorum in lateribus chori per totum et picturas in capitulo et infirmaria,
in stubis et apud sepulturam suam et alia quaedam varia hinc inde
et ante ingressum monasterii fecit tabulam magnam in choro
apud summum altare ibidem et caetera plurima pro pretio
et etiam gratis, dedit etiam quinque florenos perpetuos pro caseis
melioribus pro fratribus et pocuhim argenteum.«
Die hervorgehobenen Worte lassen sich ungezwungen wohl kaum
anders auslegen, als dafi Markus Landauer selbst noch den Pinsel zur
Hand genommen habe, zum wenigstens ergeben diese Nachrichten, dafi
er an der Spitze eincr Malerschar die Ausschmuckung des Kirchenchors,
des Kapitel- und Krankensales und des Krcuzganges, wo er sich seine
letzte Ruhestatte schon bereitet hatte, leitete.19)
18) Herausgg. von Wlirfel, Vcrmischte Nachrichten etc. 4 Sttick, NUrnberg 1766.
**) Man vergleiche hierzu auch die Angabcn, welchc sein Schwagcr, Scbald
Schrcyer, in den mehrfach angezogenen Kopialbiichem und Familienaufzeiehmmgcn
macbt: Item Marcus I^andawer obgemclt [cs ist vorher von dem Tode der Margaretha
Landauer, seiner Ehefrau, die Rede f 1457] hat vber etliche zcit darnach erwclt sein Icbcn im
ck»*ter zu S. Kgidien zu furen vnd zu enden, d o c li in w c 1 1 1 i c h c n k 1 c y d e r n r doselbst
er merckJich smcrtzen am steyn vnd an den Harnwindcn etliche jar erlitten hat vnd ist
auch doselbst mit tod abgangen vnd verschiden am Griindonerstag oder am donerstag
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324 Albert Giimbel:
Vielleicht ist es erlaubt in diesem Zusammenhang audi ein anderes
Kunstwerk zu besprechen, den sog. Landauerschen Altar aus der Kathe-
rinenkirche zu Nlirnberg,20) von welchem sich ein Fliigel mit der Ver-
mahlung der hi. Katharina und der Geburt Christi in der Miinchener
alteren Pinakothek, der andere mit der Kreuzigung und Auferstehung in der
Augsburger Gemaldegalerie befindet. Die Wappen auf der »Geburt« und
der »Auferstehung« lassen ihn als Stiftung eines Gliedes der Familie
Landauer erkennen. Fiir die Zeit aber, in welch e die stilkritische Unter-
suchung Thodes dieses Altargemalde verweist — er schreibt sie dein her-
vorragendsten Maler des 5. und 6. Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts, Hans
PleydenwurrT/21) zu — , kann ein andere Personlichkcit wohl nicht in Be-
tracht kommen als eben unser Markus Landauer. Dafi gerade er Be-
ziehungen zuui Katharinenkloster hatte, steht fest. Eine seiner Tochter
Elisabeth war Nonne bei St. Katharina,22) im J. 1465 schenkte er dem
vor ostern vnd was der 26. tag des Monatz Marcii als man zalt nach Cristi gepurt 14°- vnd
in dem 67 jar vnd ligt begraben zu Sant Gilgen im creutzgangk. [DaB Schreyer beztig-
lich des Todestages irrt, habe ich schon in meinem Aufsatz Uber das Schrcyergrab, Rep.
f. K.-VV. XXV, Hft. V bemerkt.]
a)) ^&1« Thode, a. a. O. pag. iogflf.
21) ca. 1457 — 1472 tiitig. Vgl. liber ihn Thode, a. a. O. pag. 105 ft*. und den Exkurs:
Die Pleydenwurflfs, pag. 273 (T. ; Weisbach, Einiges (iber Hanns PleydenwurrT und dessen
Vorgiinger (Zeitschrift ftir bild. Kunst. N. Fig. Heft 10). 1457 wurde er als Rilrger in
Nlirnberg aufgenommen [Hans PleidenwurfT maler dedit II. gulden. Blirgerbucli vom J.
1457 im Kgl. Kreisarehiv Nlirnberg] und zwar in eine der Vorstiidte, wie sich aus dem
gleich anzuflihrenden Ratserlafl ergibt. Er besaO also nicht das zur Erwerbung des
Biirgeirechts in der inneren Stadt notige Vermogen von 200 fl. Die Bestimmung uber
die Aumahme von NeubQrgern lautete namlich dahin, daO nur Blirger, welchc 200 11. oder
mehr Vermogen besaflen, in die innere Stadt aufgenommen wurden, wer in die Vorstadt
als Blirger zugelassen werden wollte, muflte 100 fl. Vermogen nachweisen.
Im gleichen Jahre aber wurde nun PleydenwurrT erlaubt, in der inneren Stadt zu
sitzen [Ilanfi PleidenwurfT ist vergundt in der Innern stat zu sitzen, fcrra IIa post Dionisii
( - 10. Oktober) 1457.] Die Bedeutung dieser Erlaubnis wurde bisher noch nicht voll-
stiindig gewlirdigt. Sie besagt namlich nichts anderes, als dafi der Klinstler im gc-
nannten Jahre in den Besitz eines Hauses von 50 fl. Wert in der inneren Stadt gekommen
ist. Wer namlich das Blirgerrecht mit dem Sitzc in der Vorstadt erhielt, muflte dort
fiinf Jahre lang sitzen, ehe er in die »recbte Stadt« ziehen durfte, es sei denn, er kaufe
ein Haus im Werte von mindestens 50 fl. gegen Barzahlung. Dies scheint P. getan zu
haben, wenn er nicht etwa durch Heirat zu solchem Besitz kam. [Auch der Maler Konrat
Wolff hatte zchn Jahre frllher die gleiche Erlaubnis erhalten.j L iizweifelhaft brachte
eben dieses Haus (Sebalder Seite alt Nr. 496) Pleydenwurffs Wittwe Barbara ihrem zweiten
Manne, dem Michel Wohlgemuth, zu. PleydenwurrT starb am 7. oder 8. Januar 1472, GroB-
totengelautbuch von St. Lorenz: Am Pfincgtag nach obersten [lautete man] dem Hans
Pleydenburffer, ein clafler. Seinen Zeitgenossen erschien also seine Tatigkeit als
Glasmaler die hcrvorragendere. Beispiele ftir diese bei Thode, pag. 282.
22) Gestorben daselbst am 26. Kebruar 1475. Vgl. Toten-Kalender des St. Katharina*
klosters, hrgg. von Andr. Wtirfel, Altdorf 1769: 11 1 J. Kal. Marcii (14)75 ODnt $oror Elyza-
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Meister Berthold von NUrnberg, ein Glied der Familie Landauer. 325
Kloster ein Ewiggeld von zehn Gulden jahrlich, wofiir alle Wochen drei
Fruhmessen gelesen werden sollten,28) auch bedachte er die frommen Frauen
daselbst in seinem Testamente mit an erster Stclle; bei dieser Gelegenheit
aufiert er sich selbst iiber seine Beziehungen zu dem Kloster, indem er
sagt: *so hab ich bey leben do auch gepaut24) vnd in vil liebes
gethan, das ich hoflf sey sullen meyn nit vergessen«. Am 11. Dezember,
am Tage des hi. Damasus, wurde sein Jahrtag daselbst begangen.26)
1st aber Markus Landauer in der Tat der Stifter des sog. Landauer-
altars, so drangt sich uns sogleich die weitere Frage auf: hat er selbst
irgendwelchen personlichen Anteil an der Ausftihrung desselben? Erklaren
sich vielleicht daraus die von Thode bemerkten Verschicdenheiten in der
Behandlung der Aufien- und Innenseiten der Fliigelbilder? Und diese
bctb Landauerin. Ich mochte sie bestimmt in jener Nonne mit dem Landauerwappen
\or sich erkennen, welche sich unten rechts auf dcr »Auferstehung« in der Augsburger
Galerie befindet, ebenso ihren Vatcr Markus in jenem Stifter mit dem gleichen Wappen,
welcher (nach giitiger Mitteilung des Herrn Konservators Voll in Mlinchen) auf der »Ge-
burt Christie ziemlich in der Mitte knieend dargestellt ist, und zwar ohne ein weiteres
Wappen oder Bildnis. Letzteres mufl auffiillig erscheinen, vorausgesetzt, dafl nicht eine
Ubermalung vorliegt, denn Markus war zweimal verheiratet. Jedoch wissen wir, dafl
noch ein zweites Fltigcjpaar des Altars vorhanden war, dessen Aufbewahrungsort erst zu
ermitteln ware und auf welchem sich die Bildnisse der Frauen und auch der ttbrigen
Kinder befunden haben mochten.
23) Irkunde im Stadtarchiv NUrnberg. Geben am Freytag nach S. Jacobs tag des
k. zwelfpoten (= 26. Juli) 1465.
2*) Hieriiber fehlen uns leider alle Nachrichten; solche wlirden uns wohl auch
einen Anhaltspunkt ffir die genauere Datierung des Landauerschen Altars gegeben haben,
da vennutlich jene Bautatigkeit Markus Landauers und die Stiftung der Altarbilder Hand
in Hand gehen. Wir haben zwar handschriftliche Angaben liber eine Erweiterung der
Sikristei der Katharinenkirche im J. 1439 und die Errichtung eines Katharinenaltars
in dieser Sakristei, ferner Uber die Errichtung eines Altars im J. 1465 zu Ehren der 1461
Heilig- gesprochenen Katharina von Siena (Schwarz : Ambergersche Noricasammlung der
Madtbibliothek Ntirnberg, Nr. 259, Fol.), jedoch gestattet die gut beglaubigte Cber-
lieferung (Murr, Denkwllrdigkeiten etc., pag. in), daB die Landauerschen FlUgelbilder
cbemals auf dem der hi. Katharina von Alexandrien geweihten Hauptaltar und zwar
im Chor der Klosterkirche aufgestellt waren, sodann der Gegenstand des einen Gemaldes
>Enthauptung der hi. Katharina* (von Alexandrien), wohl kaum eine Verbindung dieser
haadsclvriftlichen Notizen mit der obigen Bemerkung des Testament es.
Fur die Frage der Entstehung unseres Altars ziehen wir also aus der Konstatierung,
dafi Markus Landauer der Stifter desselben sei, nur den Gewinn, dafl er bestimmt vor
146S (dem Todesjahr) und htichstwahrscheinlich auch vor 1458 — 60 (dem mutmafllichen
Eimritt Landauers in das Agydienkloster (vgl. oben die Notiz Sebald Schreyers) ent-
standen ist. Eine genauere Datierung wlirde voraussichtlich die Auffindung der ver-
schollenen beiden ftufleren FlUgel gestatten.
25) Totenkalender von St. Katharina: 111. Idus Decemb. Damasi pape et confessoris
tDcmorie. Anniversarium Marx Landauer et Agnetis et Margarete uxoris eius et suorum.
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326 Albert Gtimbel:
Frage lost die weitere aus: welchen Anteil nahm unser » Markus moler«
— etwa an der Seite jenes Endres Moler,26) den wir 1427 und jenes Peter
Schuler, den wir 1433 im Hause des Meisters angetroffen haben — an
jenen zahlreichen, die Hand oder doch die Schule Meister Bertholds ver-
ratenden Gemiilden, welche Thode (a. a. O. pag. 27 ft.) beschreibt?
Verfasser dieses kann diese Frage nur streifen und mufi deren Be-
antwortung einer berufeneren Hand (iberlassen.
Ubrigens diirfte Markus Landauer dieser kiinstlerischen Tatigkeit,
wenn wir in der Tat eine solche annehmen wollen, kauni jene reichen
Mittel verdanken, welche er zu einer Reihe von wohltatigen Stiftungen
verwandte, sie mogen vieluiehr jenem » Handel « entstauimen, von welchem
er in seinern Testamente spricht und den er schon zu seinen Lebzeiten
seinem Sohne Matthaus tibergab; wahrscheinlich hat er sich, wie wir dies
von dem Sohne27) bestimmt wissen, mit grofieren Kapitalseinlagen erfolg-
reich an dem Gewinn und Vertrieb von Huttenprodukten beteiligt. Ver-
heiratet war er zweimal, zuerst mit einer Agnes Priicklerin, dann seit
27. August 1438 mit Margareth, Tochter Hanns Schreyers, von welcher
er nach der Angabe seines Schwagers Sebald sieben Sohne und drei Tochter
besafl, von seinen Tochtern war Cacilia mit Hanns Starck, Barbara mit
Anton Schliifielfelder vermahlt, eine dritte Tochter befand sich, wie er-
wahnt, im Katharinenkloster. Das vom Vater ererbte Haus gegentiber
dem Predigerkloster, in welchem wir ihn noch 1442 ansassig finden, mufJ
er spater veraufiert haben, da in seinem Testamente nur von einem Haus
am Weinmarkt28) die Rede ist, das sein Sohn Matthaus erhielt. Sein
Todestag ist schon oben angegeben worden.
Aufier Markus werden uns als Sohne Meister Bertholds noch
genannt Lukas und Matthaus der altere.
iAikas wird in den mir vorliegenden Quellen zum ersten Mai im
J. 1 43 1 erwahnt, und zwar als erwachscn; dafi er mit einer Alheid ver-
mahlt war, ergibt sich aus dem oben angefiihrten Eintrag im Ewiggeld-
registcr von 1427. Im J. 1454 erkaufte er einen Hof zu Frimmersdorf.
Er starb zwischcn Reminisccre (21. Februar) und Walburgis (1. Mai) 1456
und wurde bei St. Sebald in der Landauerschen Familiengruft beigcsetzt.
Von seinen Kindern sind uns zwei Sohne, Lucas und Berthold, und zwei
rl\*)chtcr, Clara und Dorothea, bekannt, von welchen sich erstere mit Heintz
Rosenkranz, lctztere mit einem Hachenberg vermahlte. Lukas wurde
26) Vgl. das Klinstlerverzcichnis bei Thode zu den Jahren 1418, 1427 bis 1430
und 1438.
27) Eine Notiz bei Wlirfel, a. a. O. Bd. II, pag. 718, nennt diesen: Kupferhandler,
Rot- und Bildgiefler.
2^ Alte Nr. S. 77, heute Weinmarkt 33 (Haus der Paradiesapotheke).
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Meister Berthold von Niimberg, ein Glied der Familie Landauer. 327
Monch im Kloster Kastel in der Oberpfalz, dagegen scheint Berthold
Ieichtes Kunstlerblut in den Adern gehabt zu haben, denn der gestrenge
Oheiin Marcus zieht bei dem fur den NefTen ausgeworfenen Legat den
Fall in Betracht: »dafi er vngeratten wolt seyn vnd das sein mit bofier
geselschaft oder mit bofien weibern an wurd« ; er solle nichts erhalten,
»es sey dann, das er mit seyner freunt willen vnd gonst elich sey oder
in einer geselschaft sey, dabei man merken mag, das er das seyn beger
zu meren.« Zunachst solle er auf zwei Jahre in die Handelsgesellschaft
seines Schwagers Rosenkranz eintreten, falls er sich dort bewahre, sollen
ihn Matthaus der j. und seine Gesellschaft zum Kompagnon annehmen.
Weiteres ist von ihm nicht bekannt
Von Matthaus dem alteren endlich ist uns nur die eine Tatsache iiber-
liefert, dafi er zwischen Pfingsten (i.Juni) und Kreuzerhohung (14. September)
1449 starb und zwar wird er im Grofitotengelautbuch von St. Sebald als
*Landawer wirU aufgefiihrt
Jetzt ertibrigt uns noch von den Sohnen Markus Landauers oder
richtiger von dem einen Matthaus zu sprechen, welchen die Kunst-
geschichte schon langst als Macen Adam Krafts und Dttrers kennt. Von
Kraft liefi er 1493 gemeinsam mit seinem Oheim Sebald Schreyer die
beruhmten Darstellungen aus der Leidensgeschichte Christi (Gang nach
Gethsemane, Kreuzigung und Auferstehung) am Ostchor der Sebaldus-
kirche iiber der gemeinsamen Schreyerschen und alteren Landau erschen
Grabstatte, sowie 1501 die Kronung Marias bei der neueren Ruhestiitte
seiner Familie im Kreuzgang des Agydienklosters (heute in der Tetzel-
kapelle der Agydienkirche) ausftihren, Diirer malte in seinem Auftrag
fur die Kapelle des von ihm gestifteten Zwolfbruderhauses das beriihmte
Allerheiligenbild, heute eine Zierde der Wiener Gemaldegalerie.
Ein Enkel des Meisters vom Imhofaltar als Macen Dtirers! Es
uberkommt uns ein Gefiihl harmonischen Zusammcnschlusses: das frtiheste
und das reifste ktinstlerische Schaffen Ntirnbergs reichen sich durch Ver-
mittlung Matthaus Landauers, des Enkels Meister Berthold Landauers,
die Hand.
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Zum Gebetbuche des Kaisers Maximilian,
Scit Carl Giehlow (in Ubereinstimmung mit Friedrich Dornhoflfer)1)
die mit den Initial en M A versehenen Randzeichnungen des in Besancon
befindlichen Bruchstiickes des kaiserlichen Gebetbuches42) als Werke des
Augsburger Meisters J org Breu erwiesen und damit die von vornherein ver-
dachtige Kennerschaft jenes mit Bleistift signierenden Anonymus3) und
seiner Gefolgschaft in die richtige Beleuchtung geriickt hat, ist eine Revision
der Bencnnungen aller nicht original signierten Gruppen, also dcr von
Chmelarz Hans Diirer und Albrecht Altdorfer zugeteilten Zeichnungen des
Gebetbuches unabweisbar geworden.
Wilhelm Schmidt war, als er die Blatter 57 — 88 und 132 — 137 des
Triumphzuges 4) als Arbeiten Albrecht Altdorfers bestimmte und dieses
Meisters Hand in der Mehrzahl jener Teile der Ehrenpforte wiedererkannte,
welche Chmelarz (Jahrb. IV 306), gestiitzt auf ihre auffallenden Beziige
zu den H D-Zeichnungen des Gebetbuches, als Werke Hans Diirers
angesprochen hatte, der Losung der Frage nach dem tatsachlichen Ur-
heber dieser auf einen Schritt nahegekommen.5) Ihn zu tun, erschwerte
Schmidt vielleicht der Umstand, dafi jene Gebetbuchseiten ihm die Behelfe
geliefert hatten, ein scharferes und reichcres Bild der ktlnstlerischen
Personlichkeit Hans Diirers zu entwerfen.6) Gleichwohl dlirfte die Be-
hauptung, dafi derselbe Kunstler, welcher die Vorzeichnungen zu den
1) Jahrbuch der kunsthist. Sammlungen des ah. Kaiserhauses XX 79 ff. und
XVIII 23. — FUr freundliche Forderung habe ich dem Bibliothekar von Besan^on,
Herrn Poete, der mir 1902 die Besichtigung des Gebetbuches wiihrend der Bibliotheks-
ferien ermoglichte, und Herrn Dr. J. Meder in Wien (Albertina) zu danken.
2) Ausgabe von E. Chmelarz, Jahrbuch HI.
3) Er hatte die offenbar von dem Meister M A gezeichneten Blatter 11 und 13
mit dem Monogramme Baldungs versehen. Chmelarz 96 f., Giehlow 80 u. 83fT.
4) Ausgabe von Franz Schestag im Jahrbuche I.
5) Kunstchronik N. F. lVr 347 und Chronik fllr verviclfiiltigende Kunst IV I2f.
°) Allgemeine Zeitung 18S9, Beilage Nr. 249.
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Heinrich Rottinger: Zum O^hetbuchc des Kaisers Maximilian. 329
angezogenen Blattem des Triumphzuges geliefert hatte, also Albrecht
Altdorfer, auch die Rand-Zeichnungen der Blatter 39 bis 61 dev
Gebetbuches entworfen habe, anhaltende Einwande nicht mehr zu !>♦■-
fiirchten haben. Ich hebe in Kiirze die schlagendsten Ubereinstimmungen
hervor. Zunachst halte man den Knecht auf Blatt 37 des Gebetbuches
neben den sich unvwendenden Reiter auf Blatt 134 des Triumphes und
vergleiche beiderseits Nase, Mund, Kinn, Haare, die Hande, die Falten
der Arm el, der Stiefelschafte etc. Der Pferdeleib des Kentauren Gb. 52
mit seinen ftir Altdorfer typischen Verzeichnungen deckt sich, alien
Pferden der Blatter 5 7 ff. des Zuges formal eng verwandt, im besonderen
mit dem vordersten des Blattes 65. Das Bewegungsmotiv des Pferdes
in der Ecke des Gebetbuchblattes 50 entspricht bis ins kleinste dem
des ersten Pferdes Bl. 61 des Zuges. Ftir Rofl und Reiter als Ganzes
bieten dessen Reiter zahlreiche Gegenstiicke; weitere liefern die Ritter
der Munchener Schlacht bei Arbela (Nr. 290). Die Ziege des Gebet-
buches Bl. 55 ist neben die des Zuges Bl. 133 zu stellen. Ftir die Maria
Gb. 43 ziehe man die in Friedlanders Altdorfer (Leipz. 1891) Taf. 3 ab-
gebildete Madonna des Berliner Kabinettes heran. In dem Jesukinde
auf ihrem Schofie wird man unschwer den Typus der vielen Engelchen
der Gebetbuchblatter wiederkennen ; im Notfalle hilft das kleine Volk
auf der Altdorferschen Madonnentafel der Munchener Pinakothek (Nr. 291)
aus. Daran schliefien, von vielen anderen Ubereinstiiumungen zu schweigen,
Deckungen im Detail der Landschaftsbilder: der Busch Gb. 43 — Z. 132;
die Terrainbildung Gb. 59 — Z. 59, 60 etc.; die feinen Zinnen und zier-
lichen Fenster der Burg Gb. 41, deren ganzer Charakter vollstandig dem
cies Felsennestes auf der Schlacht von Arbela entspricht — die Hauser-
gruppe Z. 135.
Sind die H D-Blatter Arbeiten Altdorfers, so konnen nicht auch
die acht mit den Buchstaben A A versehenen Randzeichnnngen von ihm
herruhren. Ihre von so vielen Autoritaten gebilligte Taufe rat gleicher-
weise wie der nicht am wenigsten im Architektonischen alle Merkmale
der Donauschule an sich tragende Stil der Blatter, ihren Urheber in Alt-
dorfers Nahe zu suchen. Ich schlage Wolfgang Huber vor. Zwei
Umstande erschweren den Nachweis: erstens das Fehlen der Landschaft
in den Randzeichnungen, in der allein Huber einen individuellen und
rvar meisterlichen Stil ausgebildet hatte, wahrend er im Figuralen, wie
es scheint, zeitlebens experimentierte, — dann der enge Anschlufl, den
der Randzeichner an die H D-Blatter nicht nur nach Geist und Disposition
nahm, — man vgl. Bl. 36 mit Bl. 43 — sondern der sich auch auf direkte
N'achzeichnungen erstreckte, wie es im Falle der dem Bl. 57 entlehnten
Weinranke Bl. 34 (Giehlow S. 70) oder in dem des Engelkopfchens im
fiepertoriam fiir Kunstwissenschaft, XXVI. 23
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330 Heinrich Rttttinger:
oberen Rande des Blattes 36 geschah, das bis zur Schraffierung und
Fltigelbildung dein Muster Altdorferscher Kopfe, z. B. denen auf Bl. 57
nachgebildet ist. Wie dagegen ein Engel von der eigenen Formensprache
unsercs Zeichners aussieht, zcigt Bl. 37.
Vor allcm scheint mir fiir meine Annahme die vollstandig gleich-
artigc Federfiihrung auf den angezogenen Gebetbuchblattern und den
von Schonbrunner und Meder in den Handzeichnungen alter Meister aus
der Albertina und anderen Sammlungen publizierten Blattem 339, 357,
384, 642, 646 (Budapester Nat.-Cial.) und 395 (Seebarn, Ciraf Wilczek),
sowie den beiden bisher nicht veroffentlichten Blattem der Albertina
J.-N. 3268 und 3269 zu sprechen. Vorsichtig, zogernd und zitterig be-
schreitet die Feder das Papier; nur zuweilen greift sie wie zum Entgelt
fiir den auferlegten Zwang in kuhnen Ziigen wie in den SchrafTenlagen
aus. Diesc sind gerne schief zur Horizontalen oder senkrecht auf sie
gestellt, zeigen die Neigung, nach bestimmten, oft nicht in ihrer Anfangs-
richtung gelegenen Punkten zu convergieren, und werden haufig von einer
zweiten Lage gekreuzt. Zur Besprcchung der menschlichen Figur ziehe
ich den Piramus der Budapester Nat.-Gal. (Schbr.-M. 848) heran. Man
vgl. mit der Bildung seiner Finger und seinem sehnigen Handriicken Finger
und Handriicken des Keulentriigcs Gb. ^8 ; ferner die Fiifle des Heilandes
Gb. 5 mit denen des Piramus und beachte, wie beiderseits die grofie Zehe
ungefahr dieselben Dimensionen hat wie die andern, sowie die kleincn und
schwarzen Nagel. Leider wird in den Gebctbuchbliittern die Form des Ohres,
die fiir Hubers Menschen so charakteristisch ist, nirgends deutlich sichtbar.
Was man aber davon zu sehen bekommt, das Ohr Jesu Gb. 5, das Gott-
vaters 9 und das des Beters 7 entspricht dein Ohre des Piramus ganz,
dem Ohre des Madchens der Albertina (Schbr.-M. 371), des Junglings
des Dresdener Kabinetts7) und jenes beim Grafen Harrach (Schbr.-
M. 716), soweit die Unterschiede der Technik und der Dimensionen es
gestatten. Weiters glaube ich mich nicht zu tiiuschen, wenn ich deut-
liche, in dem knopfformigen Nasenende, dem gekerbten Kinne, dem etwas
wulstigen Munde und den unter schweren Lidern hervorblickendcn ticf-
dunklen Augensternen gelegene Beziige zwischen der »regina misericordiae«
Gb. 36 einerseits und dem citierten Miidchenkopfc der Albertina und der
Magdalena der Feklkircher Altartafel (Photographic von J. Vinzenz, Feld-
kirch) andererseits bemerke. Fiir die Faltengebung, wie sie am besten
der Rock Christi Gb. 5 und der Marias 36 zeigt, und welche der Wechsel
grofiziigiger Partien mit augenbildender Knitterung charakterisiert, bieten
7) Handzeichnungen alter Meister im k. Kupferstich-Kabinett in Dresden hg". v.
K. Woermann II 18.
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Zum Gebetbuche des Kaisers Maximilian.
3$l
neben den Kleidern dcr Marien der Holzschnitte B. 3 und 5 jene des
Madchens der Albertina und der Maria des Munchener Kabinetts Ent-
sprechungen.8) Die Pferde des Blattes 5, so ungleich sie in ihren Ver-
haltnissen untereinander sind, zeigen iibereinstimmend grofie Ahnlichkeit
mit dem Pferde des hi. Hubertus des Grafen Wilczek (Schbr.-M. 375)
und dem des hi. Georg des Holzschnittes B. 7 : in den Kopfen im all-
gemeinen, den spitzen, am Knde geschweiften Ohren, den oftenen Maulern
und der Form des Schwanzes im besonderen. Das Riemenzeug auf den
Hinterteilen der Janitscharenpferde ist wie das des Hubertuspferdes gestaltet.
Ich wende mich endlich den Landschaftsrudimenten der Rand-
zeichnungen zu. Die Andeutung des Grases, die feinere Art Gb. 36 wie
die grobere 5 oder 35, wiederholt nebeneinander die Landschaft der
Albertina J.-N. 3269. Dem Fragmente eines diirren, steil aufwiirts ragenden
Astes am Baumstrunkc des Blattes 37, einer nicht eben gewohnlichen
Form, entsprechen Bildungen auf der Munchener Doppellandschaft Publ. 81.
Speziell den Seitenast der Ranke Gb. 35 mit den schuppigen Auswiichsen
und dem langen Flechtenbehange halte man neben den Baum der
Munchener Maria (Publ. 62) und jenen der Landschaft Publ. 106 daselbst.
Bezeichnender noch scheint mir, dafi dem Randzeichner Hubers dicke
Steinplatten (Miinchener Publ. 106, Schbr.-M. 357, Holzschnitte B. 6
und 7) ebenso gelaufig sind wie die von diesem nicht nur (nach Schmidt)
den Flufiufern, sondern auch, wie der Rand des Erdbelages auf der Brticke
des Hubertusbildes zeigt, hoheren oder niedrigeren Terrainstufen iiber-
taupt verliehene Zungenstruktur. Zeugnis gibt der Stein, auf dem die
Vorderflifie des Nashorns Gb. 37 stehen. Ganz in Hubers Art sind
schliefilich die Nimben, besonders die der Blatter 5 und 35 gehalten.
Man erinnere sich an Hubers prachtige Sonnenauf- und untergange,
deren Strahlen nicht als gerade, sondern als einseitig ausgebogene Striche
gezogen sind (Holzsch. B. 5, 6, 9; Schbr.-M. 642, 646; Munch. Publ.
145 etc.).
Ich betrachte es gewissermafien als Probe fiir die Richtigkeit meiner
Benennungen, wenn die damit zusammenhangenden Verschiebungen sich
innerhalb des von Giehlow (S. 68 rT.) mit neidenswertem Scharfsinne ent-
vorfenen Grundrisses der Entstehungsgeschichte des Gebetbuches glatt
und anstandslos vollziehen lassen. Giehlows Behauptung, Altdorfer habe
sich des Gebetbuches wegen nicht in Niirnberg aufgehalten, behalt auch
nun ihre Bedeutung: er wird die 23 Seiten (es waren ihrcr nach Giehlow
*) Handzcichnungen alter Meister im k. Kupferstich-Kabinet zu MUncben bg. v.
W. Schmidt 62. l>as Blatt ging ehedem unter Altdorfers Namen. Die Zuweisung an
Haber crfolgte durch Schmidt in der Kunstchronik X. F. I 385. Dagegen Friedlander
a. a. i). 1 50.
23*
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33 2 Heinrich Rottinger: Zum Gebetbuche des Kaisers Maximilian.
bedeutend uiehr; die ebenfalls von Altdorfer gearbciteten Lagen 21 — 24
gingen uns verloren) nach dem Muster einiger oder aller fertiggestellten
Lagen Albrecht Diirers in aller Mufie zu Regensburg ausgeschmtickt
haben. Allerdings braucht er nun auch nicht gegen Ende des Jahres
15 15 in Augsburg sich aufgehalten zu haben, urn da die acht (auch deren
waren mehr: der 2. Bogen der 18. Lage fehlt) mit A A bezeichneten
Seiten zu verzieren. Viel geeigneter erscheint zur Ubernahme der Rolle
eines /Postarbeiters« ihr tatsachlicher Urheber Wolfgang Huber, den
der Zufall auf seiner wahrscheinlich seit 15 10 wahrenden Wandersc halt
eben nach Augsburg gefiihrt haben mochte, als Peutinger daselbst fur
einen erprobten Zeichner fiir den Holzschnitt Beschaftigung hatte.9) Dafl
Huber, obschon ihm wahrscheinlich so ziemlich das ganze Gebetbuch
vorlag, gerade an Altdorfers Zeichnungen ankniipfte, ist bei den en gen
Beziehungen, welche schon friiher zwischen den beiden Meistern bestanden
haben miissen, sehr begreiflich.
Die einschneidenste Wirkung miissen die Ergebnisse unserer Unter-
suchung auf die Rolle ausiiben, welche bisher Hans Diirer in der Ge-
schichte der deutschen Kunst spielte. Hat er die 23 Randzeichnungen
des Gebetbuches nicht entworfen, so riihren auch jene nach Schmidts
citierter Darlegung in der Chronik fiir vervielfaltigende Kunst ihm eventuell
noch verbleibenden und auch von Giehlow (S. 77 Anmerk. 1) zu-
gestandenen Teile der Ehrenpforte nicht von ihm her, um welche Alt-
dorfers Mitarbeit daran wachst Der Anteil Hans Diirers an der Aus-
fiihrung kaiserlicher Auftrage ist damit auf Null reduciert, und wohl oder
libel mufi er wieder in das Dunkel tauchen, das ihn bis 1884 deckte.
Die Gemalde, welche man ihm auf Grund der Randzeichnungen zuer-
kennen zu diirfen glaubte, sind kaum geeignet, ihn vor diesem Schicksal
zu bewahren. Am ehesten konnte — soweit ich zu folgen imstande bin
— noch das Krakauer Bild Hans Diirer gehbren; nicht etwa, weil auch nur
ein Zug an Albrechts Arbeiten gemahnte, vielmehr weil so viele an die Art
Springinklees erinnern. Den schlichten HandwerkergrifTen des Alt-
gesellen mag Hans mehr Verstandnis entgegengebracht haben als dem
ihm unbegreiflichen Gebahren seines grofien Bruders.
Heinrich Rottinger.
9) Fiir dasselbc Jahr (1515) ist uns Hubers Seflhaftigkeit in Passau bezeugt.
Seine Anwesenheit in Augsburg kann demnach auch als vorlibergehende Untcrbrechung
jencr aufgcfaflt wcrden. DaO er abcr zu der mit Hast betriebenen Fertigstellung des
Gebetbuches zurecht kam, ist cin Zufall. Bcrufen hat man ihn keinesfalls. Vgl.
\V. Schmidt, Rep. XVI 14S. Doch miissen seine Zeichnungen beifallig aufgenommen
worden sein, da er spater auch zu den Vorarbeiten fiir die Heiligen des Kaisers heran-
gezogen wurde. Vrgl. \V. Schmidt, Rep. XIX 287.
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Literaturbericht.
K u ns tg es c h i c h t e.
Hartmann Grisar. Geschichte Roms und der Piipste im Mittel-
alter. Mit besonderer Berticksichtigung von Kultur und Kunst nach
den Quellen dargestellt Erster Band: Rom beim Ausgang der antiken
Welt Freiburg, Herdersche Verlagshandlung, 1902. XX und 855 S.
gr. 8°. Mit 228 historischen Abbildungen und Planen.
A Is wir den Beginn des Erscheinens dieser grofiangelegten wissen-
schaftlichen Arbeit im Repertorium anzeigten (Bd. XXII S. 81), behielten
wir uns vor, auf den Inhalt der einzelnen Bande, soweit er den Stoflf-
kreis unserer Zeitschrift bertihrt, ausfiihrlicher zurtickzukommen, nachdem
sie vollendet vorliegen werden. Der Moment dazu ist flir den seit langer
als Jahresfrist der Offentlichkeit tibergebenen ersten Band gekommen.
Da ist denn vor allem zu sagen, dafi der gelehrte Verfasser dem
im Prospekt zu seiner Arbeit kundgegebenen Vorsatz: »eine Kulturge-
schichte des Papsttums im Mi ttel alter auf dem Hintergrunde der Ge-
schichte Roms zu bieten. so dafi sich aus der Vereinigung der Stadtge-
schichte mit der des Papsttums ein moglichst einheitiiches Gemalde von
Rom im Mittelalter ergabe*, was den vorliegenden, die Periode vom
vierten bis zum Ende des sechsten Jahrhundert umfassenden Band an-
langt durchaus in gelungenster Weise verwirklicht hat. Die kulturge-
Mrhichtlich wichtigen Momente und Partien, die denn doch in dem In-
teresse des gebildeten Laienpublikums — und an dieses vorzugsweise
wendet sich ja das Werk — stets den Vorrang vor den rein kirchlichen
und theologischen Ereignissen und Vorgangen der durch dogmatische
Streitigkeiten und Kampfe um den hierarchischen Primat vielfach ge-
triibten Friihzeit des christlichen Bekenntnisses behalten werden, treten
in seiner Darstcllung in erwiinschtcr Ausdebnung und in einer Behandlung
hervor, die durch den Reichtum an interessanten, intimen Einzelheiten
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334 Literaturbericht.
eine seltene Vertrautheit selbst mit den entlegensten Quellen fur die Zeit-
geschichte bekundet. Der Leser hat durchaus das wohltuende Gefiihl,
unter der Leitung eines Fiihrers zu stehen, der aus dem Vollen schopft,
dem er iiberall mit Vertrauen folgen darf, wcil sich bei ihm die Weite
wissenschaftlicher Erkenntnis mit der Tiefe echt historischen Empfindens
paart, das sich in den Geist und die Lebensbedingungen der fernsten
Vergangenheit zu versenken weifl.
In der Darlegung der kulturgeschichtlichen Faktoren und Entwick-
lung hat nun der Verfasser, wie es bei der Bedcutung. die die Kunst
schon fiir die frtihste Periode des Christentums besitzt, nicht anders sein
konnte, auch ihrer Schilderung entsprechenden Raum gewiihrt. An seiner
Kompetenz zur Behandlung dieser Seite der Aufgabe, wird niemand
Zweifel hegen, der seine seitherige Betatigung in der fraglichen Richtung
kennt. Grisars Beitrage christlich-archaologischen Inhalts, von ihm seit
Jahren fiir die betreffende Rubrik der »Civilta catoHca« verfafit, sind
wegen ihrer Sachkenntnis alien Forderern und Freunden dieser Studien
bekannt. Wir selbst haben wiederholt Gelegenheit genommen, die Leser
des Repertoriums mit ihren bedeutungsvollen Resultaten bekannt zu
machen (vgl. Bd. XVIII, 387; XIX, 43 und 288; XXII, 167 und XXIV,
241). Nicht sie allein, sondern uberhaupt alles, was die ergebnisreiche
Forschung der zweiten Hiilfte des vergangenen Jahrhunderts unter dem
Vorantritt des unvergefllichen G. B. de Rossi hierin zu Tage gefordert
und klargestellt hat, findet sich nunmehr durch den Verfasser in durch-
aus wissenschaftlicher Darstellung im ersten Bande seiner Geschichte ver-
einigt. So enthalt dieser denn teils in den dem Gegenstande gewidmcten
eigenen Kapiteln, teils auch an einzelnen Stellen in die geschichtliche
Schilderung eingeflochten, einen vollstandigen Kursus der altchristlichen
Kunstgeschichte von ihrem Beginn bis zum Ende des sechsten Jahr-
hunderts. Urkundliche Veroflfentlichungen, mehr noch umfassende Aus-
grabungen und Funde der letzten Jahrzehnte haben auf ihrem Felde viel-
fach zu ganz neuen Ergebnissen gefiihrt In ihrer Darlegung zeigt der
Verfasser ehensoviele topographische und archaologische Kenntnisse, als
Selbstandigkeit der Priifung und Unabhangigkeit des Urteils, so dafl
vieles dadurch in neue Beleuchtung gertlckt wird, vieles wesentlich an
Bedeutung gewinnt. Und dafl er uns seine Belehrungen nicht blofl an
der Hand der Denkmaler bietet, sondern sie in engsten Zusammenhang
bringt mit dem kirchlichen Leben, dem gottesdicnstlichen Ritus wie mit
der ganzen Kulturbewegung, insowcit sie von Rom ausging und dahin
zuriickflofi, verleiht ihnen einen besonderen Wert und enthullt oft —
zum mindesten dem Laienauge — bishcr unbekannte Seiten und Zu-
sammenhange. Zahlreiche belehrende Abbildungen untersttitzen die Aus-
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LitcratUTbcricht
335
fuhrungen des Textes in zweckentsprechendster Weise. Bei ihrer Aus-
wahl wurde der Verfasser von dem Bestreben geleitet, nicht das in un-
zahligen Publikationen schon Vorhandene seinen Lesern nochmals aufzu-
tischen, sondern den Kreis ihrer Anschauungen durch Vorfiihrung von
Minderbekanntem zu erweitern, das geeignet ware, die Ausfiihningen im
Texte zu erlautern und zu verdeutlichen. Es sind somit nicht die wohl-
bekannten Cliches, denen wir hier nochmals begegnen, sondern mit
geringen Ausnahmen Originalproduktionen der bestehenden, zum Teil auch
durch Kiinstlerhand versuchte Restitudonen untergegangener oder in
Ruinen liegender Denkrnaler. Der Verlagshandlung, die nicht gczogert
hat, die betrachtliche materielle Opfer heischenden Mittel aufzuwenden,
urn dem Werke einen derartigen Schmuck zu verleihen, gebuhrt dafiir
voile Anerkennung.
I'm nun im besondern einiges des interessantesten aus den Dar-
Iegungen des Verfassers hervorzuheben, so sei darauf hingewiesen, was
er (S. i68rT.) iiber die Anlage, Einweihung und Ausschmtickung der
Oratorien der hi. Felicitas und Prisca, sowie des 1876 bei den Dio-
cletiansthermen aufgedeckten aus dem 4. Jahrhundert unter Beiftigung
eines Reconstruktionsversuches des ersteren derselben vorbringt In der
Frage nach dem Ursprung der frtihchristlichen Basilika (der Name findet
sich zuerst 311 bei Optatus von Mileve) kommt Grisar (S. 336 flf.) zu dem
Ergebnis seiner Ableitung aus der Anlage des romischen Privathauses
unter Aufnahme gewisser verwendbarer Elemente der antiken, sei es
offentlichen, sei es privaten Basiliken, sowie auch der altchristlichen
Grabanlagen der Martyrer (celiac). Diesen entlehnte man die ausschliefl-
liche Anwendung der halbrunden Apsis und die Form der Confessio,
des Heiligengrabes unter dem Altar, vielleicht auch die bisweilen zu seiten
der Apsis angewendete Verbreiterung zu einer Art von QuerschirT, wozu
die Xebenapsiden (trichorae) der Grabbauten als Vorbild gedient haben
mochten. Als eine seither wenig beachtete Besonderheit einiger Basiliken
wird der Umgang um das Halbrund der Apsis hervorgehoben, der sich
in oflfenen Arkaden gegen die letztere offnet Neuere Forschungen haben
ihn fur S. Maria Maggiore, SS. Cosma e Damiano u. S. Sebastiano auf
der Via Appia in Rom, Itir S. Giovanni Maggiore und die Basilika
Severiana zu Neapel, ftir die zu Prato bei Avellino und die Doppelbasilika
des hi. Paulinus zu Nola nachgewiesen. Ansprechend ist die Vermutung
des Verfassers (S. 358), in den Bildnisreihen der Papste itber den Arkaden
der Petrus-, Paulus- und der Lateransbasilika in Rom, wie jener der ravenna-
tischen Bischofe in S. Apollinare in Classe einen Anklang an die romische
Sitte zu sehen, wonach die Atrien des Privathauses mit den Bildern der Ahnen
geschmiickt wurden. Die getrcue Wiedergabe der betrerTenden Portrats von
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336 Literaturbericht.
Damasus und Siricius, die sich untcr den aus dem Brande der Paulsba-
silika im Jahre 1823 geretteten befinden, bildet eine uberaus wert voile
Beigabe unseres Werkes. Ebenso die hier erstrnals gegebene photographische
Nachbildung einiger Szenen aus dem Mosaikenzyklus des Lebens Mariae
und der Kindheit Christi, den Sixtus III. (432 — 440) in S. Maria Maggiore
ausftihren liefl. Betrefts der Szenenreihe . mit den Geschichten des alten
Testamentes unter den Mittelschififsfenstern der gleichen Kirche stellen
es die vom Verfasser aufgestellten Argumente nunmehr aufier alien
Zweifel, dafi sie — wie liberhaupt auch der ganze Mittelbau der Kirche
mit Ausnahme der Apsis — alter sind und noch aus dem Pontifikat
des Liberius (352 — 366) stammen, von dem es im Papstbuch heifit, er
habe bei dem Macellum Liviae auf dem Esquilin »seinem Namen eine
Basilika erbaut.« In der Tat wurde ja S. Maria Maggiore bis zur Um-
gestaltung und Neuweihe durch Sixtus III. » Basilica Liberii« genannt.
Bei Besprechung der Holztiire von S. Sabina, die der Zeit Sixtus III.
(432 — 440) zuzuweisen ist, betont Grisar, dafi in ihren Reliefs zuerst die
spater in der Kunst so beliebte Gegeniiberstellung von aufeinanderwei-
senden Tatsachen des alten und neuen Buncles (Concordia veteris et novi
Testamenti) weiter als z. B. in den Mosaiken von S. Maria Maggiore aus-
gebildet erscheint. Eine auf dem ebenbetonten Grundsatze beruhende,
obwohl hier nur vereinzelte Darstellung weist der Verfasser auch schon
aus dem 4. Jahrhundert in den beiden Mosaiken der sich gegentiber-
liegenden Halbrundnischen in S. Costanza bei S. Agnese dar. Das
wahre Alter, sowie die gegenseitige Beziehung der beiden vielfach reno-
vierten Szenen, die die Ubergabe des Gesetzes an Moses und Petrus
darstellen, haben erst neuere Studien sicher festgestellt Der Bau selbst
findet sein Vorbild, mit anderen Zentralbauten, in den vielen antiken
Mausoleen von runder Form, welche die Graberstrafien Roms aufwiesen.
Ftir ein solches hiilt nun — laut brieflicher Mitteilung an den Referenten
— der Verfasser (in Ubereinstimmung mit R. Lanciani) auch das heutige
Kirchlein der Madonna della Tosse bei Tivoli; im Texte seines Buches
(S. 381 Anm.) hatte er es noch fiir ein Nymphaum, das im Mittelalter
in ein Oratorium umgewandelt wurde, erklart.
Aus dem Kapitel, das den Beziehungen zwischen Theoderich und
der Stadt Rom gewidmet ist, verdient die Mitteilung der Erlasse des Konigs
(bez. seines erleuchteten Ministers Cassiodor) ftir die Erhaltung der an-
tiken Monumente besondere Beach tung. Sie tiberraschen durch ihre
Sorglichkeit und die Minutiositat ihres Eingehens auf die Bediirfnisse
der Stadt. Die Amter des Comes formarum zur Uberwachung und In-
standhaltung der Wasserleitungen, des Comes und Vicarius portus zur
Aufsicht tiber den Hafendienst in Ostia und Porto leben wieder auf; die
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Literaturbericht.
337
Leitung und Erhaltung der stiidtischen Hauten wird einern eigenen Ar-
chitectus publicorum, der Wachdienst iiber die offentlichen Bildsiiulen
dem Curator statuarum, die Sorge fur die Erhaltung der riesenhaften
Kloaken unter dem Boden Roms einem besonderen Beamten iiber tragen;
ebensolche werden mit der Beaufsichtigung der Kalkbereitung, der Uber-
wachung der Ziegeleien, in denen Backsteine ftir den Bedarf der
Staatsgebaude hergestellt werden, endlich mit der Fiirsorge fur die be-
schadigten und gefahrdeten Stellen der Stadtmauern betraut (S. 463 ft.).
— Uber die auf und unter dem Palatin entstandenen friihchristlichen
Bauten erfahren wir, dafi die im 4. Jahrhundert errichtete Hofkirche
S. Anastasia, urspriinglich der Auferstehung (Anastasis) geweiht, der
Anastasis zu Konstantinopel entsprach, die hinwieder eine Nachbildung
des gleichnamigen Tempels an den hi. Statten zu Jerusalem war. Fiir
S. Teodoro wird aus der Art der Grundmauern gefolgert, dafi dessen
erste Em'chtung noch der klassischen Zeit ziemlich nahe stehen mtisse,
und es wird die Vermutung ausgesprochen, dafi wir hier das Baptisterium,
die Hoftauf kirche vor uns haben konnten, die 403 der Stadtprafekt Lon-
ginianus ftir S. Anastasia unweit dieser Kirche errichtet habe. (S. 607 u.
610). — Ausfiihrlich werden sodann (S. 6i3rT.) die griechischen Griin-
dungen in und bei Rom gewtirdigt (Kloster Tre fontane, Coemeterium
bei der Paulsbasilika, Kirche des hi. Menas vor dem ostiensischen Tore,
S. Saba, S. Maria in Cosmedin mit der Schola graeca, die obengenannte
5. Anastasia, S. Giorgio in Velabro, S. Cesario auf dem Palatin, SS. Cosma
u. Damiano, SS. Sergio e Bacco, S. Adriano auf dem Forum, S. Maria
in Araceli auf dem Kapitol). Die erste Stelle darunter gebiihrt der by-
zantinischen Prunkkirche, die ihren Namen zu Ehren der wahrscheinlich
durch Narses nach Rom ubertragenen Reliquien der Apostel Philippus
und Jakobus erhielt Heute in ganzlich verandertem Zustande zur Basi-
lika SS. Apostoli umgewandelt, nahm sie den Platz einer in den ersten
Jahren nach Konstantin durch Papst Julius (337 — 352) erbauten kleinen
BasiHka ein und ahmte die Kreuzesform des durch Justinian 550 ajs
Grabkirche der kaiserlichen Familie errichteten Apostoleion zu Konstan-
rinopel nach. Ein solcher Bau war unter den Basiliken Roms eine
aJleinstehende Ausnahme, die sich indes bis ins 15. Jahrundert, aller-
dings mit starken Veranderungen, erhielt. Vielleicht war auch er zum
Nfausoleum ausersehen, zunachst fiir seinen Begrtinder und dann ftir des
Kaisers ktin frige Stellvertreter in Italien. Ubrigens hatte schon vorher
der hi. Ambrosius zu Mailand das konstantinische Apostoleion in einer
Kirche nachgeahmt, die er dem Apostelpaar widmete und die noch heute
als S. Xaxaro grande in ursprtinglicher Grundrifiform besteht.
Dem ebenerwahnten Papst Julius wird .auch die Grundung der
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338 Literaturbericht
Basilika des hi. Valentin an der flaminischen Strafie beim Coemeteriura
des Martyrers verdankt (s. S. 656 ff.). Erst 1888 wurden ihre Uberreste etwa
eine Meile vor Porta del popolo durch Marucchi aufgedeckt, nachdem
er schon zehn Jahre friiher die Grabkammer zwischen den sie umgeben-
den Katakombenteilen am Abhang des nahen Hiigels wiedererkannt
hatte. Die Anlage zeigt manche Besonderheiten, die bei anderen analogen
Bauten Roms nicht vorkommen. Die beiden SeitenschifTe endigen das
eine mit runder, das andere mit viereckiger Apsis; vor der Apsis des
Hauptschi fifes zeigten sich Reste des Sangerchors in der Mitte des
Schiflfes auf erhohter Grundmauerung iiber alten Grabern, die mit Mar-
morplatten iiberdeckt waren; hinter dem Sangerchor, defer liegend, kam
ein langerer Gang zum Vorschein, der die drei Schiflfe der Quere nach
durchschnitt und in den man von dessen Enden auf Stufen hinabgelangen
konnte. Er bildete eine Art Krypta — eine der altesten solcher Anlagen
Uberhaupt — in deren Mitte, unter dem Hochaltar, in einem kammer-
artigen Vorbau der hi. Martyrer in seinem Sarkophage ruhte, zu dem
den Glaubigen eben durch den Gang der Zutritt ermoglicht war. Wahr-
scheinlich war der hi. Leichnam in der ersten Halfte des 7. Jahrhunderts,
als Papst Honorius die Kirche umbaute, aus den naheliegenden Kata-
komben hierher iibertragen worden. Die Kirche und das damit ver-
bundene Kloster bildeten lange eine vielbesuchte Kultstatte; erst als im
13. Jahrhundert die I.eiche des hi. Valentin nach S. Prassede Iibertragen
wurde, verfiel die Anlage nach und nach oder wurde zerstort.
Bei Anlafi seiner Erorterungen iiber die apokryphen Evangelien
kommt der Verfasser auch auf die Verwendung ihres Inhalts in der
Kunst zu sprechen (S. 7 12 if.). Die Kirche stand derselben durchaus
nicht feindlich gegentiber, allein wahrend der ersten dritthalb Jahrhunderte
verschmahten sie die Ktinstler selbst. Das ill teste Beispiel der Dar-
stellung einer vollstandigen Szene aus den Apokryphen lieferten erst die
Mosaiken am Triumphbogen von S. Maria Maggiore, unter Sixtus III.
(432 — 440) ausgefUhrt: sie ist dem Pseudoevangelium Matthai entnommen
und schildert den Empfang des Christkindes und seiner Eltern auf der
Flucht nach Agypten durch den Fiirsten des Landes. Derselbe Zyklus
enthalt in Nebenbeztigen seiner Bilder noch zwei andere Entlehnungen
aus den genannten Quellen. Die eine ist die Darstellung der spinnen-
den Jungfrau bei der Verktindigungsszene aus dem sogen. Protoevange-
Hum des Jakobus. die andere jene des hi. Joseph als alten Mannes mit
Bart, wie ihn die gleiche Quelle schildert. Bis dahin war er in jugend-
lichem Alter, unbartig abgebildet worden, allein seither blirgerte sich die
spatere Auffassung allgemein ein. Die gleichen Szenen finden sich so-
dann auch in den Reliefs am Bischofsstuhle des hi. Maximianus zu
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Literaturbericht
339
Ravenna, aus der Mitte des 6. Jahrhunderts stamniend, uberdies aber
noch zwet Bilder, die sich auf die Unschuld Marias bei der Empfang-
nis und ihre Jungfraulichkeit bei der Geburt Christi bezieben: sie stellen
den sogen. >Probetrank« und Salome, deren Hand zur Strafe fiir ibren
Zweifel verdorrt, dar — Szenen, wovon u. a. der Pseudo-Matthaus zu
erzahlen weifi.
Ein Scblufikapitel widmet der Verfasser den »letzten Anstrengungen
der Kunst zu Rom und Ravenna « im ausgehenden 6. Jahrbundert. Ihr
Niedergang geht parallel mit dem der Bildung Uberhaupt (S. 745 ff.). Als
Zeugnisse dafur werden naher betrachtet: der Fries aus antiken Bruch-
stiicken iiber den Saulen der konstantinischen Halfte von S. Lorenzo
fuori; der ornamentale Schmuck des Cassiusgrabes zu Narni und des Vik-
toriusaltars zu Otricoli, bei dem die Skulptur sicb nur nocb zur Dar-
stellung des Kreuzes und kilmmerlicher Lammfiguren aufzuschwingen
vermag; endlich der von 597 datierte Ambon in S. Giovanni e Paolo zu
Ra\enna mit den kriippelhaften Figuren der beiden Heiligen an den
Ecken. Mil ihnen verschwindet die Darstellung der menschlichen Ge-
stalt fur eine lange Periode aus der Skulptur Italiens. Selbst in Rom
erscheint sie den Steinmetzen als zu schwere Aufgabe, — sie kommen
uner einige plumpe Tierformen nicht hinaus. Die gewohnlichen Gegen-
stande, die ihr Meifiel erzeugt, bestehen in Chorschranken (transennae,
piutcf), aber auch in ihren ornamentalen Reliefs tritt der Verfall zu Tage.
Die Formen sind nicht mehr frei herausgearbeitet, die Modellierung ent-
behrt der Feinheit und Nattirlichkeit, das Relief ist matt, kraftlos, lin-
en tschieden.
Vorstehend haben wir nur einiges aus dem Inhalt unseres Bandes
berausgegrifTen, um dem Leser einen Vorgeschmack davon zu bieten,
was ihn bei dessen genauerem Studium erwartet. Er wird die daran ge-
wandte Zeit und Miihe nach keiner Richtung zu bereuen haben.
C. v. Fabriczy.
Ernst von Dobschiitz. Christusbilder. Untersuchungen zur christ-
lichen Legend c. Leipzig 1899. (Texte und Untersuchungen zur
(ieschichte der altchristlichen Literatur, herausgeg. von O. v. Gebhardt
und Adolf Harnack. N. F., III. Band).
Ikonographische Arbeiten grofien Stils, die iiber den engeren Ge-
sichtskreis der Denkmalervergleichung hinaus in die weiten Felder mittel-
alterlichen Geisteslebens vorzudringen suchen, sind selten geworden in
der kunstgeschichtlichen Literatur. Man wird sie heutc vergeblich suchen
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34Q
Literaturbericht.
unter den Bergen der Neuerscheinungen, die die kunstgeschichtliche
Bibliographic aufschwellen machen. Die fortschreitende Spezialisierung
aller wissenschaftlichen Forschung zeigt hier ihre zersetzende Wirkung
wie auf andern Gebieten. Die Zeiten Didrons, Cahiers, Pipers sind vor-
tiber, in denen umfassende theologisch-literarische Bildung die grtindliche
Beherrschung des kunstgeschichtlichen Materials nicht auszuschliefien
schien. Was die letzten Jahrzehnte an ikonographischen Arbeiten gezeitigt
haben, sind zumeist kleinere Einzeluntersuchungen gewesen; es braucht
nicht hervorgehoben zu werden, wie fast jede unter ihnen in die Uber-
kommenen Vorstellungen umwalzend eingegriflfen hat. Wie hatte es
anders sein sollen, da fast jeder Tag neue Fortschritte auf dem Gebiete
der Materialkenntnis uberhaupt und seiner chronologisch-topographischen
Bedeutung im besondern brachte. Erst in neuester Zeit ist die stolze
Reihe der ikonographischen Werke, wie wir sie oben geschildert haben,
urn eines vermehrt worden, das sich ihnen ebenburtig zur Seite stellen
darf. Wir meinen das leider an dieser Stelle unbesprochen gebliebene
Buch von Male »L'Art religieux en France au i3e siecle«. Males Ausgangs-
gangspunkt ist die Kenntnis der mittelalterlichen theologisch-literarischen
Bildung; von diesem Standpunkte aus lafit es einen Lichtkegel auf die
Denkmaler der bildenden Kunst fallen, in dem vieles in neuer Beleuchtung
erscheint und vieles, das bisher in tiefem Dunkel lag, erst wieder klar
und verstandlich wird.
Der Ausgangspunkt, die dadurch bedingte Art der Stellungnahme
den Denkmalern gegeniiber, ist auch dem vorliegenden Buche eigen, das
an dieser Stelle bereits kurz gewiirdigt worden ist. Wenn das Buch
auch nicht im eigentlichen Sinne ein kunstgeschichtliches ist, so lassen
sein hoher innerer Wert und seine grofie indirekte Bedeutung ftir den
Kunsthistoriker es wiinschenswert erscheinen, hier nochmals ausfllhrlicher
auf seinen Inhalt einzugehen. Dobschlitz handelt von »Christusbildern«,
aber es ist ihm nicht urn die Untersuchung vorhandencr Bilder zu tun
— auch wo solche da sind, treten sie ganz zuriick in der Darstellung — ,
sondern urn die Legenden, welche die Geschichte wundcrbar entstandener
Christusbilder melden. Es ist ein sproder, weitschichtiger Stoflf, aber der
Verfasser ist Herr der Situation geblieben und hat es verstanden, die
schier unubersehbare Masse des Materials, mit alien anschliefienden Unter-
suchungen und Abschweifungen, einer einheitlichen, leicht lesbaren Dai
stellung unterzuordnen. 294 Seiten des Buches nimmt sie ein, 336*
Seiten Belege folgen ihnen und abermals 357** Seiten Beilagen!
Die Vorstellung von himmelentstammten Gotterbildern verliert sich
in die Zeit griechischer Sage. Wer kennt nicht das Palladion von Troja?
Seltsam ist die Macht, die die Uberlieferung ihm zuschreibt Erst wenn
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f
LiteraturberichL
34*
es geraubt, kann Troja fallen. Diese schiitzende Zaubermacht bleibt ihm
eigen, wohin es kommt, unci so begreifen wir, dafi man an vielen Orten
zugleich den Anspruch erhob, der gliickliche Besitzer des »echten« Pal-
ladions zu sein. In Rom lebt der Glaube bis in die spate Kaiserzeit
and in Konstantinopel triumphiert man, dafi das Palladion, von Kon-
stantin heimlich iiberftihrt, in der Basis der Konstantinsaule ruhe.
Das Christen turn kntipft keineswegs unmittelbar an die heidnischen
Vberlieferungen an. Jahrhunderte lang liberschtittete man die Heiden mit
Spott und Hohn, wo sich ihr Achiropoiitenglaube zeigte. Aber die Zeiten
anderten sich; wie derBilderkultnachheidnischemVorbildeinder christlichen
Kirche urn sich griff, so mufite auch bald genug der Achiropoiitenglaube
in den christlichen Gedankenkreis tibergehen; im Zeitalter Justinians taucht
er zuerst auf. Es ist gewifi kein Zufall, dafi es dieselben Gegenden sind,
Phrygien-Kappadokien und Syrien, in denen der heidnische Glaube
seine festesten Wurzeln geschlagen hatte, in denen auch der christliche
auftritL An der Spitze steht »die Gruppe des Bildes von Kamuliana«.
Die Legende des Bildes von Kamuliana — wenigstens in ihrer alteren,
von D. zuerst herangezogenen Form (zwischen 560 — 574 entstanden) — ist
zugleich die einzige, welche das Bild nach Art der Diipete des Altertums
gewissermafien fertig vom Himmel fallen lafit. Eine Frau, Hypatia, die
an Christus, ohne ihn zu sehen, nicht glauben will, findet es in einem
Bassin ihres Parkes und wird dadurch bekehrt. Die jiingere Legende
7.— 8. Jh.) sucht bereits die Entstehungsgeschichte des Bildes aufzu-
Uaren: Christus mufi erscheinen, sein Gesicht waschen, wobei auf dem
Handtuch sein Bild verbleibt. 574 wird das Bild, von dem iibrigens
Khon zwei wunderbare Vervielfaltigungen in Kaisareia und Diobulion
crschienen waxen, nach Konstantinopel ubertragen, wo es sich alsbald
zum dritten Male vervielfaltigt; wenigstens findet sich so die Legende
mit einem weiteren aus Melitene — wieder in Kappadokien! — stammen-
den Bilde ab. Das Bild von Kamuliana — oder wenigstens eine Reihe
von Bildern, welche an seine Stelle treten, denn diese Achiropoiiten gehen
veder durch die Gewalt der Elemente zu Grunde, noch durch Uber-
tragung ftir ihren Aufbewahrungsort verloren; immer fiillt ein anderes
sofort die Liicke aus — spiel t dann in den grofien Perserkriegen zu
Knde des 6. und Anfang des 7. Jahrhunderts die Rolle eines Reichs-
pailadions, um bald darauf der Vergessenheit anheimzufallen.
Die hohe Bedeutung der Gruppe des Bildes von Kamuliana liegt
darin, dafi sie den Ubergang vom Diipete- zum Achiropoiitenglauben
veranschaulicht. Ganz anders ist die Entwicklung der Legende einer
der beruhmtesten Achiropoiiten, des Christusbildes von Edessa. In der
ursprung lichen Erzahlung ist hier von einem Bilde uberhaupt nicht die
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342
Literaturbericht.
Rede. Der schwerkranke Ftirst von Edessa, Abgar Ukama, wendet sich
hilfesuchend an Jesus, der ihm schriftlich antwortet und verspricht, nach
seiner Himmelfahrt einen Schtiler zu ihm zu scnden. Dieser Brief Jesu
nimmt fur Edessa die Bedeutung eines Palladions an in den Zeiten, da
die Stadt in den Perserkriegen zahlreichen Belagerungen — bis 609 —
erfolgreich widerstand. Urn dieselbe Zeit tritt aber schon eine Aehi-
ropoiite in den Kreis der edessenischen Legende, 544 wahrend der Be-
lagerung durch Khosrev soil sie aufgefunden sein; vorher wufite die
syrische Sage nur von einem Portrat Christi zu erzahlen, das Abgar sich
hatte malen lassen; von seiner Erhaltung, geschweige denn von seiner
Verehrung, weifi sie nichts. Nach D. ist die edessenische Bildlegende
iiberhaupt nicht national-syrisch, sondern im Kreise der gricchisch-reichs-
kirchlichen Gemeinde in Edessa entstanden. Wir konnen auf die vielen
Formen, in der die Legende die Entstehung des Bildes erzahlt, nicht
eingehen, genug, es handelt sich wieder um einen Abdruck auf einem
Handtuch. An wunderbaren Vermehrungen fehlt es nicht Das Bild hat
die Eigentiimlichkeit, sich wiederholt auf Ziegelsteinen abzudriicken;
solche fanden sich in Hierapolis und Edessa, und jeder von ihnen hatte
die wunderwirkenden Eigenschaften des Originals ererbt. In Edessa
selbst gab es endlich drei Originate, da — einer ansprechenden Ver-
mutung D.s zufolge — doch jede Konfession das richtige besitzen mufite.
Eines von diesen erlangt durch die Uberftihrung nach Konstantinopel
im Jahre 944, als die siegreichen Hecre des byzantinischen Fcldherrn
Johannes Kurkuas bis vor Edessa vorgedrungen waren, erhohte Bedeutung,
wahrend der Brief Christi, der mit ihm uberftihrt zu sein scheint, in
Vergessenheit gerat. Die Translation des Bildes glich einem grofien
Triumphzuge durch das Reich, der endlich in die Palastkapelle ein-
mlindete, wo das Bild in unnahbarer Abgeschlossenheit aufbewahrt
wurde: nur der amtierende Priester sieht es, wenn er die verhullenden
Decken vertauscht. Aus einer Festpredigt anlafllich der Translation —
etwa vom Jahre 945 — erfahren wir, dafi das Leinwandbild auf eine
Holztafel aufgespannt und mit Gold (iberzogen war; ob letzteres nur
einen Uberzug des Grundes mit Freilassung des Gesichtes bcdeutet, bleibt
unklar. Die Art der Aufbcwahrung, die Unnahbarkeit des Bildes erklaren
zur Geniige, dafi wir keine genauen Kopien in Gemalden zu finden
glauben dlirfen. Die Idee, nicht das Vorbild, wirkt kunstgeschichtlich.
Von ungleich groflerer kunstgeschichtlicher Bedeutung als die vor-
genannten Achiropoiiten, die hochstens die Auspragung des einen oder
anderen Votivbilder-Typus zur Folge gehabt haben, ist die Veronika-
Legende. Obwohl auch sie aus dem Osten stammt, ist ihre Weiterent-
wicklung doch erst im Abendlande vor sich gegangen, und hier ist sie
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Literaturbericht. 343
dann ein unentbehrlicher Bestandteil des Bilderschatzes der spatmittel-
alterlichen Kunst geworden. Andererseits kniipft gerade diese Legende
an ein Kunstwerk der romischen Kaiserzeit an, dessen ehemalige Existenz
nicht bezweifelt werden kann. Nach I), ist die verwickelte Entstehungs-
geschichte der Legende ctwa folgende: Sie beginnt mit der aus Eusebios
bekannten Erzahlung von der Erzgruppe in Paneas (Casarea Philippi),
welche die von Christus geheilte blutfltissige Frau dem Heilande gesetzt
haben soli. Seit dem Vorgange Beausobres und Hases im friihen
18. Jahrhundert hat die archaologische Forschung, zuletzt Bienkowski1)
wiederholt den Versuch geinacht, diese Erzgruppe als Kaisers tatue mit
huldigender Provinz zu erklaren. D. tritt dieser Auffassung entgegen und
will in der mannlichen Gestalt einen Heilgott sehen. Entscheidend ware
fur die Ansicht, wenn Eusebios in der Tat, wie es I). »kaum zweifel-
hafu erscheint, das Heilkraut zur Bronzegruppe gehorig erachtete, welches
nach spateren bei der Gruppe wuchs und wfunderbare Krafte besafi:
erst eine mifiverstandene jlingere Lesart des Eusebios ware nach D.
Ursache dieser Legende gewesen. Beachtenswert sind auch die Schicksale
dieser Erzgruppe, namentlich da man von ihr ikonographische Einfltisse
hat ableiten wollen. Sie wurde anscheinend wiederholt zerstort, und
wenn in der Kirche zu Paneas noch im 6. Jahrhundert eine Statue Christi
aus Goldbronze gezeigt wurde, so war sie weder in der Materie noch
in der Form die urspriingliche Gruppe.
Jiingere Formen der Paneas-Legende nennen die Blutfliissige Bere-
nice = Veronika. Unter eben diescm Namen tritt sie in einer Reihe
Legenden auf, die sich mit dem Schicksal Pilati befassen. Wiederum
ist sie Besitzerin eines — auf natiirliche Weise entstandenen — Christus-
hildes, das, nach Rom uberfuhrt, Kaiser Tiberius vom Aussatz heilt. Die
Legende kiimmert sich ursprtinglich nicht um den Verbleib dieses Bildes,
— seit dem Mittelalter gehort es zu den Reliquien der Peterskirche.
Von hier aus verbreitet es sich durch die abendlandische Christenheit,
seit Papst Innocenz III. ftir ein bestimmtes vor einem Veronikabilde
gesprochenes Gebet einen Ablafi versprach, den seine Nachfolger ins
Ungeheure ausdehnten.
Sind seitdem Veronika - Bilder weithin verbreitet, so nahm die
Legende doch erst geraume Zeit spater die Form an, welche zu den
^relaufigen kiinstlerischen Darstellungen fiihrte. Die reiche Fortentwicklung
der Legende seit dem 11. Jahrhundert beschaftigt sich ausfiihrlich mit
der Frage der F^ntstehung des Bildes; die Idee des Wunders tritt in die
Legende ein, und zwar, wie D. in seiner Schlufibetrachtung auszufiihren
l) De simolacris barbaranim gentium apud Romanos. Krakau, 1900. S. 18.
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3^4 Liternturbcricht.
sucht, ist eine literarische Beriihrung der Veronika- unci der Abgar-
Legende die Veranlassung gewesen. Zunachst ist es ein Abdruck des
Gesichtes Christi, der wahrend der Wirkenszeit Christi entsteht; die Ver-
anlassung wircl verschieden erzahlt. Erst spiiter wird der Vorgang in die
Passionszeit verlegt und vollends erst urn 1300 entsteht die allbekannte
Legende, dafi Veronika, dem Heilande bei der Kreuztragung begegnend,
ihm mit diesem Tuchc Blut und Schweifi abgewischt habe.
In eine Kritik der erhaltenen Darstellungen des Veronika-Bildes ist
D. nicht eingetreten ; er verweist auf das von Grimm und Pearson
gesammelte Material. Die Kunstgeschichte wird sich mit Hilfe der von
1). geschaffenen Grundlagc von neuem der Frage zuwenden miissen. Das
Material ist noch bei Pearson fur die iiltere Zeit — d. h. bis in die
zweite Halfte des 14. Jahrhunderts — sehr diirftig. An sich liegt der
Gedanke sehr nahe, dafi der von Papst Innocenz III. geschafTene Ablafi
ftir die vor dem Veronikabilde zu sprechenden Gebete einen weitver-
breiteten Bildtypus geschaffcn habcn miisse. Wir mochten sein Auftreten
zunachst in den Gebetbuchern, deren doch jede hochgestellte Person-
lichkeit des 13. Jahrhunderts eines besafl, erwarten. Eine Parallele hierzu
bietet die Verbreitung der Christophlegende. Wer das Bild des hi.
Christoph gesehen hat, soil am selbigen Tage nicht sterben. Der fromme
Aberglaube brachte es mit sich, dafi vereinzelt im 13. Jahrhundert, spiiter
haufiger Christophbilder an den Anting der Gebetblicher gestellt wurden.
Ahnliches sollte man von den Veronikabildern annehmen diirfen. Die
Beispiele sind aber sehr sparlich. Die alteste Darstellung des Veronika-
bildes ist die bei Matthaus Paris in seiner Historia Angliae im Corpus
Christi College in Cambridge: es ist ein Brustbild des nimbierten, bartigen
Christus. Kunstgeschichtlich ist es nicht anders anzusprechen als eine
Abkiirzung, ein Ausschnitt aus dem Maiestas Domini-Bilde. Entsprechend
den iilteren Formen der Legende fehlt jede Andeutung des Leidens.
Wenn Matthaus Paris auf einem Schlufiblatte derselben Hs. den ohigen
Christustypus neben den Kopf des toten Christus zeichnet, so stellt er
hier — ohne Bezug auf das Veronikabild — den Typus des Crucifix vis
neben den der Maiestas Domini. Dafi letzterer zunachst der des Veronika-
bildes bleibt, wird durch eine lavierte Federzeichnung eines aus cler
Schweiz oder Sudwestdeutschland stammenden Psalteriums in Besancon
(OfTentl. Bibl. Ms. 54) bestatigt. Das Bild, welches im letzten Drittel des-
13. Jahrhunderts entstanden sein diirfte, stellt den Kopf des bartigen Er-
losers mit dem Kreuznimbus in voller Vorderansicht in einem Vierpaii
dar; es ahnclt dem Bilde bei Matthaus Paris sehr, nur sind gotisierencie
Formen an Stelle der byzantinisierenden getretcn. Die beistehenden Cie-
bete bezeichnen es als Veronikabild. Die Umschrift lautet:
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Literaturbcricht. 345
Deus misereatur. Totum psalmum (66) cum gloria patri. — Fac
mecum domine signum in bono ut videant qui me oderunt et con-
fundantur. (Ps. 85, 17). — Signatum est super nos lumen uultus tui
domine, dedisti leticiam in corde meo (Ps. 4, 7). Oremus.
Deus qui nobis signatis lumine uultus tui memoriale tuum ad in-
stantiam ueronice ymaginem tuam sudario impressam relinquere uoluisti,
per crucem et passionem tuam tribue, ut ita nunc in terris per speculum
et in enigmate uenerari, adorare, honorare ipsam ualeamus, ut te tunc
facie ad faciem uenientem super nos iudicem securi uideamus. Dominum
nostrum vidi, dominum facie ad faciem et salua facta est anima mea.
Amen. Amen. Amen.2)
Der Typus des ganzseitigen Brustbildes Christi ist der alteren Buch-
malerei fremd. Das erste Vorkommen finde ich in dem Psalterium der
thiiringisch-siichsischen Schule in Donaueschingen (1. Halfte des 13. Jhs.),
in dem sich auf Fol. 33V und 34r Brustbilder Mariae und Christi gegen-
iiberstehen; doch fehlt hier jede Bezugnahme auf wunderbar entstandene
Vorlagen. Wieder englischen, etwas jlingeren Ursprunges ist das Brust-
bild Christi, welches eine neutestamentliche Bildfolge einer Apokalypse
in der Bibliothek des Lambeth Palace (Nr. 209, Fol. 53b) abschliefit; der
Kopftypus in strengster Vorderansicht hat grofite Ahnlichkeit mit der Dar-
stellung bei Matthaus Paris; abweichend ist die Hinzuftigung des Mantels
und die Blattwerkftillung zwischen Nimbus und Bildrand. Eine Umschrift
fehlt wieder, doch wird die Deutung auf ein Veronikabild dadurch nahe-
gelegt, dafi sich in einer verwandten Handschrift eine ausfiihrliche Illustration
zur Veronikalegende nachweisen laflt. Das betreflfende Bild ist neuerdings
von M. R. James beschrieben und von Henry Yates Thompson veroffentlicht
worden, ohne dafi die Beziehung zur Veronikalegende erkannt worden ware.
Die Handschrift, in der das Bild sich findet, eine illustrierte Apokalypse,
ruht in der Sammlung Henry Yates Thompson;3) das Buch ist englische
Arbeit der 2. Halfte des 13. Jahrhunderts; seine besondere Eigenttim-
lichkeit ist die, dafi es aufier den 76 Illustrationen des Textes der
Apokalypse eine ebensogrofie Bildfolge zu der Exposito des Berengaudus
bringt. Das 24. Bild (Fol. 12b) schildert den Weltuntergang bei der Er-
offhung des sechsten Siegels. Die Expositio deutet die apokalyptische
Schilderung vorbildlich auf den Untergang der Juden und die Berufung
2) Vgl. Dobschtttz S. 294*f.; wo die ganz ahnliche Gebetsanweisung des Matthaus
Paris.
3) A descriptive Catalogue of the second series of fifty manuscripts in the col-
lection of Henry Yates Thompson. Cambridge 1902. Die Beschreibung der Apokalypse
(S. 2ofT.) von Montague Rhodes James. — A Lecture on some english illuminated
manuscripts by Henry Yates Thompson. London 1902. S. 16 ff., Abb. auf Taf. X.
Repertoriom far Kunstwiasensehaft, XXVI. 24
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346 Literaturbericht.
der Heiden. Hierzu gehort die in Frage koirimcnde Darstellung: In der
Mitte thront der roinische Kaiser — das Wappentier, der Adler, bekront
den Thronaufbau. Der Kaiser blickt nach rechts. Ihm naht ein Henker,
der Geld aus einer Borse nimmt, mit drei gefesselten Juden. Ihnen
gegeniibergestellt ist ein feierlich heranschreitender, gekronter, jugendlichcr
Mann, der den rechten Arm erhebt und mit der Hand, die unter clem
Armelende oder einer Decke verborgen ist, das untere Ende eines Tuches
berlihrt, das uber den oberen Bildrand aufgehangt zu sein scheint Dieses
Tuch zeigt den vom Kreuznimbus umgebenen bartigen Kopf Christi nach
Art der vorerwahnten Veronikabilder. Hinter der jugendlichen vornehmen
Gestalt eine Gruppe anbetender Manner. Die Handlung nimmt auf der
andern Seite des bartigen Kaisers ihren Fortgang. Er hat seine Rechte
befehlend ausgestreckt. In einem Flusse steht dort der Henker wieder und
ersticht eine andere (oder ist dieselbe gemeint, wie auf der rechten Seite?)
Gruppe gefesselter, fast nackt dargestellter Juden; klagend steht eine
Frauengruppe dabei. Dariiber thront in einer Mandorla Christus mit einem
goldenen elliptischen Gegenstande in der Hand, er blickt zu dem Kaiser
herab.
Die Szene ist unseres Erachtens so aufzufassen, dafi dem romi-
schen Kaiser ein gekronter Mann das Veronikabild vorfiihrt, und dafi
die Bestrafung der Juden damit in Zusammenhang steht. Gedankenver-
bindungen dieser Art sind den verschiedenen Bearbeitungen der »Cura
Sanitatis Tiberii« und der »Vindicta Salvatoris« eigen: Erzahlungen,
welche mit der Geschichte der Bestrafung Pilati und der Juden die
Heilung des Tiberius durch das Veronikabild verbinden. Dahingestellt
mufi bleiben, wie die Einzelheiten auszudeuten sind: In der Mittelfigur
mochten wir den Kaiser Tiberius erkennen. Dlirfen wir dann die jugend-
liche gekronte Gestalt als Volusian ansprechen, den Tiberius nach Jerusalem
entsandt hat, um das Bild Christi zu holen? Eine Schwierigkeit liegt darin,
dafi die Bestrafung der Juden nach unserer Deutung vor den Augen des
Tiberius vor sich gehen wtirde. Die Hinrichtungsszene bedarf kaum einer
weiteren Erklarung; der Verkauf rechts wurde den Zug der Legende
wiedergeben, dafi die Juden verkauft werden: nicht einer fur dreifiig
Silberlinge, sondern dreifiig fiir einen Silberling! Die Einbeziehung dieser
Szenen, die unter Titus und Vespasian in Jerusalem spielen, ware nur
daraus zu erklaren, dafi hier dargestellt ware, was Volusian dem Kaiser
in seinem Reiseberichte erzahlt. Einzelheiten des Bildes, wie namentlich
die Darstellung des Flusses bei der Hinrichtung und die Erscheinung
Christi, scheinen indessen auf die Einwirkung einer mir unbekannten
Version der Legende hinzuweisen. Darum sei genaueren Kennern der
Legende das letzte Wort uberlassen.
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Literaturbericht. 3 4 7
Um dieselbe Zeit begegnet uns auch in Deutschland eine Illustration
aus diesem Legendenkreise. Die weiteste Rezension der sog. Sachsichen
Weltchronik hat ihm ein Kapitel gewidrnet; die einzige iiiustrirte Hand-
schrift dieser Rezension (in Gotha, Herzogl. Bibl. I. 90), deren Bildschmuck
der »tharingisch-sachsischen« Schule angehort, bringt dazu zwei Dar-
stellungen, deren eine Veronika mit dem Tuche und Volusian, die andere
Tiberius mit dem Bilde, Veronika, Volusian und den gefesselten Pilatus
vorfuhrt Nach den knappen Notizen, die mir zur Verfligung stehen, ist
eine Ahnlichkeit mit dem englischen Bilde nicht abzusehen.
Durch die Heranziehung dieser verschiedenen Darstellungen ist
das Material an Veronikabildern aus der Zeit vor 1300 vervielfacht
worden. Erst dieses vermehrte Material gestattet den Schlufi, dafi
wir es bei Matthaus Paris mit einem allgemein gultigen Typus zu
tun haben; dieser Typus fufit, wie gesagt, auf der Maiestas Domini.
Erst um 1300 bringt die Legende die Entstehung des Veronikabildes
mit der Passion Christi in Verbindung. Die bildende Kunst folgt ihr
langsamer; aber die Anschauung Pearsons, dafi erst im vorgenickten
15. Jahrhundert der triumphierende Christustypus dem leidenden Platz
mache, ist nicht aufrecht zu erhalten. Aldenhoven hat in seiner »Ge-
schichte der Kolner Malerschule4)« dieser Frage eine grtindliche Unter-
suchung gewidrnet Das Ergebnis ist, dafi in der Kolner Malerei des
spaten 14. Jahrhunderts das Veronikabild mit Dornenkrone und Bluts-
tropfen vorkommt und dafi es in dieser Zeit auch auf den Darstellungen
der Passionszeichen bereits typisch ist.
Wenn wir fur die altesten »Nachbildungen« des Veronikabildes
den Anschlufi an die Maiestas-Domini-Darstellungen behaupten, so soil
damit natiirlich keine Vermutung (iber das Aussehen des in Rom be-
vahrten Bildes ausgesagt sein. Betont sei hier nochmals, dafi keines
der Bilder des 13. Jahrhunderts uber die dem Klinstler gelaufige Chri-
stusvorstellung hinausgeht, dafi sich namentlich nirgends Spuren der Be-
nutzung eines orientalischen Vorbildes zeigen. Wir machen uns vollig
D.s Grundgedanken zu eigen: »Das Wunderbild gibt die Anregung zur
kunstlerischen Reproduktion nur indirekt durch das Medium der Legende;
nicht als direkte Vorlage.« Eine sonderbare Bestatigung dieses Gesetzes
bietet die Geschichte des Bildes im Cistercienserinnen-Kloster Monstreuil-^
les-Dames. Die Nonnen erhielten ihre Kopie des Veronikabildes 1249
von Papst Urban IV., damals noch Jacob Pantaleo von Troyes, Erz-
diakon von Laon und papstlicher Hauskaplan. Diese » Kopie « — jetzt
in Laon — erweist sich durch ihre Inschriften als slavische Arbeit. Der-
«) S. 47- 65 ff.
24*
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348 Literaturbericht.
artige byzantinische Vorlagen mussen in spaterer Zeit verschiedentlich die
Ausgestaltung der Veronikabilder beeinflufit haben. Unter diesen Ge-
sichtspunkten darf man die typenbildende Kraft der Wunderbilder keines-
wegs hoch einschatzen. »Dafi Christus abgebildet, wunderbar abgebildet
worden war, darauf kam es ihnen an, nicht, dafi er eben so ausgeschen
habe. Nur so erklart es sich, dafi diese Bilder kunstgeschichtlich so gut
wie bedeutungslos sind; man iibermalte sie; wenn man sie kopierte, so
folgte man vielmehr der eigenen Phantasie als dem Originale, das irgend-
wo in weihevoller Unzuganglichkeit im Verborgenen seiner heiligen
Lade lag.«
Dafi kunstgeschichtlich trotzdem das eine oder andere dieser
Wunderbilder ein wichtiges Denkmal sein mag, wird dadurch nattirlich
nicht berlihrt; aber solange diese Bilder in ihrer weihevollen Unzugang-
lichkeit den kritischen Blicken verschlossen sind, werden dariiber kaum
Mutmafiungen aufgestelit werden konnen. Das Material ist hier ungleich
reicher als man denken mag: wenigstens wenn man die sogen. Lukas-
und Nikodemosbilder mit in den Bereich der Erorterung zieht. D. hat
ihnen den siebenten Abschnitt seiner Beilagen gewidmct (S. 267** bis
292**). Der Glaube an Lukasbilder wurde bis in das 5. Jahrhundert zu-
ruckreichen, wenn eine Erzahlung des Theodoros Anagnostes unanfecht-
bar ware. Eudochia soil auf ihrer Jerusalemfahrt (um 450) der Pulcheria
das von Lukas gemalte Muttergottesbild nach Konstantinopel gesandt
haben. Wahrscheinlich ist aber diese Stelle eine jtingerc Einschiebung,
und auch der Umstand kann keine Bestatigung bieten, dafi man spater
in Konstantinopel das beruhmte und hochgefeiertc Bild der Hodegetria
als dieses Lukasbild der Eudochia ausgab. D. neigt der Ansicht zu,
dafi die Legende von den Lukasbildern abendlandischen Ursprungs sei :
das romische Gegenstlick zum byzantinischen Achiropoiiten-Glauben.
Lukas wird zum Verfertiger dieser Bilder erwahlt, weil er der Biograph
der Jugendgeschichte Christi ist. Ein Gesichtspunkt, den die Legende
freilich vergessen hat, wenn sie spater dem Lukas verschiedene Portrats
aus der neutestamentlichen Geschichte, nicht nur die Mutter Gottes mit
dem Kinde, zuschreibt Sind solche Bilder urspriinglich als menschliche
Kunstwerke gedacht, so nahert sie die Legende spater den Achiroponten
an: Lukas beginnt das Bild, aber uberirdische Kraftc vollenden es ohne
sein Zutun.
Dem Maler Lukas entspricht der Bildhauer Nikodemos, dem Er-
zahler der Jugendgeschichte und Maler der Jungfrau mit dem Kinde der
Zeuge der Passion und erste Schnitzer eines Crucifixus. Von den auf
ihn zuruckgefuhrten Bildwerken steht der Vol to Santo in Lucca im Vor-
dergrunde des Interesses. Leider fiihrt gerade hier die theologische
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Literaturbericht.
349
Kritik zu wenig festen Ergebnissen. D. neigt der Ansicht zu, dafi die
Legende abendlandisch ist und vielleicht von Anfang an mit dem Volto
Santo zusammenhiingt. Letzterer miiflte dann freilich spatestens aus dem
8. Jahrhundert stammen. Hier wiirde eine genaue Priifung des Originals
vielleicht zu Ergebnissen fiihren; liber die kunstgeschichtliche Wichtig-
keit eines monumentalen Kruzifixes aus dem friihen Mittelalter ist kein
Wort zu verlieren. Fiir die Verbreitung des Typus ist auf das bekannte
Kruzifix von Meister Imerward im Dome zu Braunschweig zu verweisen,
das den Volto Santo getreu wiedergibt.
Soviel von dem reichen Inhalte des D.schen Werkes. Diese kurzen
Ausziige haben ihren Zweck erftillt, wenn sie die kunsthistorische
Forschung darauf aufmerksam machen, welch reiches Arbeitsfeld ihr hier
von theologischer Seite neu erschlossen worden ist Ein Blick in die
schier uniibersehbare Masse des StofTes, den D. zusammengetragen und
bewaltigt hat, lehrt, wie notwendig gerade hier ein Zusammenwirken der
Schwesterdisziplinen ist. Die kurze Abschweifung zu den Veronikadar-
stellungen gentigte, urn die voile Unzulanglichkeit der bisherigen ikono-
graphischen Bearbeitungen darzutun. Aufgabe des Kunsthistorikers ist
es, sich nunmehr von neuem des schwierigen und umfangreichen, aber
iiberaus interessanten Stoffes zu bemachtigen und damit aus D.s Buch
die notwendigen Folgerungen fiir die Kunstwissenschaft zu ziehen.
Arthur Haseloff".
Die Schatzverzeichnisse der drei Mainzer Kloster Karthause,
Reichen Klaren und Altenmiinster bei ihrer Aufhebung im
Jahre 1781. Von Dr. Friedrich Schneider. Mainz 1901.
Pralat Friedrich Schneider, dessen Verdienste urn die Kunstgeschichte
seiner Vaterstadt allbekannt sind, lafit uns in diesem Hefte einen Blick
in die Schatzkammern dreier groiler Mainzer Kloster werfen. Es handelt
bich urn die Karthause und um die Kloster der Cisterzienserinnen in
Altenmiinster und der Klarissen, genannt »Reichen-Klaren«. Ihre Auf-
hebung wurde im Jahre 1781 durch Papst Pius VI. verftigt; die Absicht
des die Angelegenheit betreibenden Erzbischofs war die, den reichen Besitz
der Kloster zur Ausstattung der armen Mainzer Universitat zu verwenden.
Um welche Werte es sich dabei handelte, erhellt aus der Schiitzung des
jahrlichen Einkommcns der drei Kloster auf 38,000 Gulden! Begrcif-
neherweise gehorte zu ihrem Besitze eine Menge von Silbergerat und
Pretiosen. Hieriiber geben die amtlichen Schatzungen genaue Auskunft,
die neuerdings wieder zum Vorschein gekommen und von S. genau ab-
gedruckt sind. Dem Zweck der Aufstellung entsprechend ist nattirlich
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250 Literaturbericht.
in den langen Verzeichnissen nicht der ktinstlerische, sondern der
materielle Wert in den Vordergrund gestellt, daher ist der beschreibende
Teil des Verzeichnisses knapp gehalten, das Gewicht und der Feingehalt
urn so genauer angegeben. An rnehr als einer Stelle koirtmt trotzdem
die Bewunderung der ktinstlerischen Qualitat in den Gutachten zum
Durchbruch, und ist von »Liebhaber\vert« die Rede. Was aus alien
diesen Schatzen geworden ist, unter denen sich sicher eine ganze Anzahl
kiinstlerisch hervorragender Stlicke befunden haben, ist ungewifi. S. giebt
(S. 70 ff.) eine (ibersichtliche Zusamirienstellung der Schatze nach ihrem
Inhalte und hebt die Stiicke hervor, deren Beschreibung kunstgeschicht-
liches Interesse bietet. Vermutlich ist das meiste in den Schmelztiegel
gewandert. Ob die Schatzung der Sach vers tan digen auf »Liebhaber-
wert« das beste vor diesem klaglichen Untergange retten sollte? S. hat
nur ein Sttick, ein Kreuzreliquiar, aus Altenmiinster nachweisen konnen,
und von diesem ist es zweifelhaft, ob es in den Verzeichnissen vorkommt
Ks steht zu hoffen, dafi die Veroflfentlichung dazu leiten wird, die
Mainzer Hcrkunft noch des einen oder anderen Sttickes festzustellen.
Darin liegt die allgemeine, iiber das Lokalgeschichtliche hinausweisende
Bedeutung des Buches. Die Geschichte der Kirchenschatze, die Heraus-
gabe der alten Inventare und endlich die Schilderung ihres Unterganges,
der Auflosung und Zerstreuung ist eine nur an wenigen Stellen in An-
grifT genommene Aufgabe, flir die es an einein tiberreichen Material nicht
fehlt. Ihre Beriicksichtigung ist in erster Linie in den Inventaren der
Kunstdenkmaler zu verlangen, die damit eine Handhabe zur Wiederauf-
findung versprengten ktinstlerischen Besitzes bieten sollen. Eine Sammlung
der Schatzverzeichnisse mufi in ahnlicher Wreise der Wissenschaft dienen,
wie die der Bibliothekskataloge des Mittelalters; nur dafi die altesten
Schatzverzeichnisse durch die Knappheit ihrer Angaben kaum mehr als
statistisches Material bieten werden, wahrend gerade die Aufstellungen
aus neuerer und neuester Zcit, aus der Periode der groflen Umwalzung
in den Besitzverhaltnissen genug Anhaltspunkte fiir die Wiedererkennung
der Provenienz der jetzt in oflfentlichen oder privaten Sammlungen ver-
streuten Stiicke bieten.
Arthur Haseloff.
Malerei.
Johannes Guthmann. Die Landschaftsmalerei der toskanischcn
und umbrischen Kunst von Giotto bis Rafael. Leipzig, K. Wr.
Hiersemann 1902. gr. 8°. 456 S.
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Literaturbericht
351
Ein anziehendes, htibsch geschriebenes unci ausgestattetes Buch,
das raanchem Leser reichen Genuil bereiten wircl, kann an dieser Stelle,
wo nach dem wissenschaftlichen Wert gefragt wird, nur unzulangliche
Wiirdigung finden. Der strenge Kritiker inerkt schon an der Fassung
des Titels, dafl dem sprachlichen Wohlklang das Vorrecht vor begriflflicher
Scharfe zufallt Friihere Beitrage verwandter Art, wie noch Ernst Zimmer-
manns gediegenes Btichlein iiber »die Landschaft in der venezianischen
Malerei<*, hatten das Thema richtiget formuliert. Tm Mittelalter vollends
kann nur von einer Rolle der Landschaft in der Malerei oder gar von
landschaftlichen Elementen die Rede sein, auch wenn man die Land-
schaftsmalerei als Kunst nicht erst da anerkennen will, wo sie als selb-
standige Gattung auftritt. Entscheidender jedoch als der vielversprechende
Titel, bei dem zur Not eine ausgiebige Berticksichtigung der Reliefkunst
svgl. S. 36 ff.) mit erwartet werden konnte, bestiitigt das Inhaltsverzeichnis,
dafl logische Klarheit nicht das Hauptanliegen der Disposition gewesen ist
Freilicb, die FUlle des Stoflfes, oft heterogenster Beschaflenheit, war schwer
zu bandigen. Aber die Uberschriften der sechs Kapitel schwanken zwischen
zwei Einteilungsprinzipien, dem historischen und dem asthetischen Ge-
sichtspunkt, statt Einem die Oberherrschaft einzuriiumen. Je nach der
Wahl des einen oder des andern entstehen zwei ganz verschiedene Biicher,
oder doch zwei Behandlungsweisen desselben Gegenstandes, die nur
nacheinander zu ihrem Rechte kommen konnen. Hier wird die kiinstlerische
Seite bevorzugt Dagegen ist gewifl nichts cinzuwenden, solange mit
der geschichtlichen Unterlage nicht willkiirlich umgesprungen wird. Nur
setzen Angaben, wie >die Landschaft als Kompositionsmittel, — die
Erweiterung des landschaftlichen Raumes, — die Ausbildung einer
Stimmungslandschafu, vollends aber die ohne Gegensntz auftretende
Szenerie im Dienste einer dezentralisierenden l)arstellungsweise« —
eine sorgfaltige Vrerstandigung iiber die asthetischen Grundbegriffe voraus.
Ohne solchen Anhalt einer festen Terminologie verschwimmt vor den
Augen des Lesers jedenfalls der Gleichklang »die Entwicklung der Land-
schaftsmalerei auf Grund malerischer Elemente«, und wir fiirchten Uber-
tragung viel modernerer Anspriiche, wenn vom Mittelgrund gesprochen
wird, bevor es einen gegeben hat.1)
Priifen wir die Disposition dagegen auf ihre sachgemafie Berechtigung,
%f) diirfte dem Historiker sofort jenes Bedenken aufsteigen, ob der prag-
l) »Das Wcscntliche cines Landschaftsliildcs ist der Mittelgrund* (S. 69). Und
die >Entdcckung des Mittelgrundes«c wird S. 104 konstaticrt. Spatcr lesen wir von dem
•Ixkannten Motiv zur Vermeidung des Mittelgrundes bei den iiltcren Meistcrn« (228),
\on einer Yerlcgenheit (229, 238), in die sie gar nieht kommen konnten. Erst bei
Botticelli wird eine richtige Erklarung gefunden: »im Kontrast zur Tiefe« (324).
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* c 2 Literaturbericht.
matische Zusammenhang dabei bestehen konne. Wir erhalten grofie
iibersichtliche Aufsatze, die fUr sich gelesen werden mogen; aber mit
der Freiheit eines Essayisten wird die wohlbekannte Reihenfolge der Er-
scheinungen zerrissen. War es nicht ratsamer, die genetische Betrachtung
in rein geschichtlichem Sinne vorangehen zu lassen, und erst auf Grund
dieser Untersuchung der Tatsachen die asthetische Betrachtung im freien
Uberblick fiir sich zu geben? Doch wir wollen nicht vorgreifen. Allein,
die Namen » Giotto und Rafael « zwingen den Historiker dreinzureden :
diese geschichtliche Ausdehnung des Thenias, dies Zusammengreifen der
Gotik und der Hochrenaissance erregt viel ernstere Besorgnis fiir das
Gelingen der kiihnen Fahrt, zurnal wenn fiir solche Verbindung der
allbekannten Grofien gerade die Landschaftsmalerei die Richtschnur
bilden soil.
Vertiefen wir uns mit Liebe, wie das Ringen einer jungen Kraft
sie fordert, in das Streben, diesen Zusammenhang aufzufinden und darzutun,
so erkennen wir bald, dafi auf dem langen Wege, durch die Geschichte
zweier so verschiedener Jahrhunderte hin, eine fortschreitende Entwicklung
des Verfassers selber stattgefunden hat, und freuen uns mit ihm, dafi er
das Zeug dazu besitzt, sich noch zu entwickeln, und Gaben genug, die
des Reifens wert sind. Einige von ihnen sind sogar frtihreif, tibcr-
raschend gediehen, vielleicht die begluckenden und die bequemeren, die
allgemeiner geniefibaren zuerst. Aber andere sind unverkennbar zuriick-
geblieben und heischen der Fiirsorge; denn es sind die ernsteren, die
erst nach geduldiger Dbung befriedigen, aber audi den Charakter des
Mannes fest begrtinclen. Schriftstellerische Talente zu loben, ist hier
nicht der Ort. Dichterische Fahigkeiten, die dem ganzen Kunsthistoriker
unentbehrlich sind, wo es gilt, die Wirkung des Bildwerks in die der
Wortkunst zu (ibertragen, konnen gefahrlich und unerlaubt werden, wo
die strenge Zucht der sinnlichen Anschauung sie nicht bindet. Wissen-
schaftlich gediegcne Untersuchung mit ktinstlerisch wirksamer Darstellung
zu vereinigen, dazu gehort eine Gymnastik des Geistes und eine Energie des
Durchorganisierens, die auf ganz andercm Boden erwachsen als redaktionelle
Geschicklichkeit und gliinzende Unterhaltungsgabe moderner Literaten.
Hier ist es Fflicht des Kritikers, den Abklarungsprozefl zu befordern,
indem er ihn zum Bewufitsein bringt, und die Werte unerbittlich zu
scheiden, wo sie nicht langer ohne Nachteil durcheinander wuchern.
In diesem Sinne kann der Fachmann nur bedauern, dafi der erste
Tcil der Arbeit, der schon zwei Jahre friihcr als Heidelberger Doktor-
dissertation gedruckt war, nicht zu Gunsten des neuen Buches abgestofien
ist, denn der Verfasser ist innerlich dartiber hinausgewachsen. Wenn.
er selbst bcim Drucke schon bekcnnt, dafi der Stand der Forschung sich.
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Literaturbericht.
353
verschoben habe (S. 118, 91), so war nach 1900 eine vollige Umgestaltung
notwendig, oder aber — Verzicht Ein resoluter Schnitt hatte die Selb-
standigkeit des neuen Lebewesens ermoglicht.
Nun aber verrat der erste Teil trotz liebevoller Sorgfalt im einzelncn
doch die Unsicherheit des Anfangers Uberall. Viel zu viel bunte Fiiden
werden zu gleicher Zeit angesponnen, und nur gelegentlich melden ein-
gestreute Bemerkungen den Umschwung in der Auffassung der Sache,
der sich vollziehen mag. Ware das Buch dann entschlossen »von
Masaccio bis Rafael « betitelt, so konnten wir den selbsterrungenen
Standpunkt mit Freuden anerkennen und hatten einen Beitrag zur Genesis
der »klassischen Kunst« erhalten. Nun sehen wir die Entfremdung vom
Alten, sehen die Wirkung ganz andrer Vorbilder und klinstlerischer Ge-
sichtspunkte wie Ad. Hildebrands und H. Wolflflins irnmer mehr Macht
gewinnen; wir wiinschen nichts dringlicher, als den Sieg des ernsten
selbsterzieherischen Strebens bestatigt zu finden. Aber ein Triennium
naturwissenschaftlicher Schulung, das dazu gehort hatte, lafit sich schwer
einbringen. Am Ende kommt gar der Riickfall, dem leidigen Gesaint-
ritel zuliebe (z. B. 423) »von Rafael zu Giotto «, ja noch schlimmer zum
beiligen Franciscus zurilck.
Es war einmal, — erzahlen wir doch den Kindern des zwanzigsten
Jahrhunderts die wahre Geschichte wie es zugegangen, — vor nunmehr
fast 25 Jahren, da verkundete in Rom eine russische Filrstin ihren
Jiingem : der eigentliche Vater der ganzen Renaissance sei niemand anders
gewesen als der heilige Franciscus von Assisi. Das anregende Orakcl
unserer allverehrten Freundin Donna Nadina vom Kapitol hat reichliche
Frucht getragen. Aber es hat wohl immer Andere gegeben, die es auch
gehort und verstanden, doch nicht als glaubige Jiinger verkiindet, ja
ernstlich bezweifelt haben. Sie suchen die Lebcnsbedingungen der
bildenden Kunst nicht in Psalmistenpoesie, wie jene Ijiudes de creaturis
§ie enthalten. (S. 188.) Wer sich auf diese beruft, muii das bischen
Naturgefiihl, das sich darin aussprechen soil, ganz genau charakterisieren.
F^s hat in seiner Eigenart.mit Landschaftsmalerei gar keine Beruhrung.
Und die feinsinnige Beobachtung des Verfassers, kommt nicht auch sie
schon Giotto gegentiber zu der Einsicht, dafi in seiner Kunst von Land-
schaftsmalerei eigentlich gar keine Rede sein diirfe? Wenn »die Linienziigc
seiner Felsen und Biiume in der dargestellten Handlung aktiv eine Rolle
spielen*, so gehort diese Vorstufe hochstens in eine Einleitung zu dem
Thema, und wie viel damit von der ganzen Malerei des Trecento? Das
letzte Wort uber das Wesen dieser Kunst wird nicht gefunden. Dafi
die epische Erzahlung, d. h. die Vermittlung des poetischen Inhalts die
gauze Otonomie bestimmt, genligt noch nicht: damit riickt der Maler
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254 Literaturbericht.
nur in die Kategorie der Dichter; wir verlangen zu wissen, wie er es
macht, mit seinen augenfalligen Mitteln zu erzahlen, ohne Worte zu
dichten, und den Beschauer zum Nacherleben der Vorgange zu bringen.
Die Gebardensprache war die Hauptsache und von da aus die Gebardung
der Felsprofile und der Baumstamme, als Ausstrahlung der Figuren und
ihrer Gegensatze. (Vgl. Masaccio-Studien V, 94.)
So bleibt auch die bessere Erkenntnis iiber die selbstandigen Be-
strebungen der Sienesen auf halbem Wege stehen. Duccios Kunst ist
gemiitvoll und sinnig erfaflt; aber nicht freimiitig nach der doppelten
Verwandtschaft rnit byzantinischen Miniaturen auf der einen Seite und
der grofien mittelalterlichen Wandnialerei auf der andern Seite gewiirdigt
Die Tafeln aus der Passion gehen vielfach auf monumentalen Mafistab
zuriick und gehoren zum Kapitel vor Giottos Franciscuslegende zu Assisi.
Die kulturgeschichtlicbe Einleitung bat den Blick vorher auf das Idylliscbe
und Genrebafte eingestellt: da miissen wir zur Beurtcilung der »eitlen«
Nachbarin von Florenz zurtickkehren, mag nun Dante oder Vasari als
Eideshelfer fiir den alten Auktoritatsglauben dienen. Wir bleiben in
Widerspriichen hangen, ob auch Pietro Lorenzetti kiihnlich gewiirdigt
wcrde, wie die Festschrift zu Ehren des kunsthistorischen Instituts in
Florenz 1897, S. 152 mit der Bestimmung des Altenburger Diptychons
gefordert hatte (dies Citat fehlt S. 74,31 u. 113), ob auch Ambrogio
Lorenzetti als Entdecker des Mittelgrundes gefeiert, ja selbst dem Reiter-
bild des Simone Martini eine Eigensrhaft beigemessen wird, die wir
auch dem Uberblick iiber »das Regiment« im Lande nicht ohne Ein-
schrankung zugestchen mochten.
Ganz gelegentlich wird die richtige Fassung der Gesamtaufgabe
eingestreut, die zur Umgestaltung dieses ersten Teils erforderlich gewesen
ware (S. 80). Wer jedoch ernstlich das Raum problem auf der einen
Seite und das Verhaltnis zum Genre auf der andern, durchverfolgt, mufi
eigentlich eine ganze (ieschichte des Trecento schreiben; denn aus diesen
beiden Quellen stammt aller Fortschritt. Nur so vermag auch die objektive
Forschung den Nachfolgern Giottos gerecht zu werden und lemt gar
bald statt von »Verwilderung alter Formen« vielmehr von »Vorbereitung
neuer Anschauungen<^ reden. Das Raumproblem beschiiftigt die ge-
diegenen Kriifte, wie (riottino und Antonio Veneziano, bis ans Ende des
Jahrhunderts, und »das liebevolle Sich-Versenken ins Detail* ist, wenn nicht
die einzige, doch eine wichtige »Wurzel aller echten T^andschaftsmalerei*.
Beide Bestrebungen batten den Weg durch das Trecento weisen konncn.
Wenn solche Einsicht nicht erst nachtraglich aufgcgangen ware, wie ein
hunter Regcnbogen (S. 299, 341), so Hell sich gar eine feste Briicke zum
Quattrocento schlagen, die nicht allein beide Ufer verbunden, sondern
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Literaturbericht.
355
auch vor Verwechslung beider Lander bewahrt hatte. Wer den Ubergang
sucht, mufi freilich hinter den heiligen Hiigel von Assisi, nach Ostumbrien
hinaufsteigen und vielleicht bis zur Adria hiniiberschauen.
Hinter Gentile da Fabriano zuriick ftihren Marienleben und Taufer-
iegende in Urbino von den Sanseverini, die hier fehlen. Wo nach dem
Ursprung des Fabrianesen gefragt wird, lag dagegen ein Blick auf Assisi
naher: die Frauengestalten des Simone Martini belehren uns besser, als die
gewagte Verkntipfung mit Don Lorenzo Monaco (128, 131), der seinen
spatgotischen Stil in Florenz erst ausbreitet, als Gentile in Oberitalien
beriihmt wird; da dieser 142 1 nach Florenz kommt, ist er vollkommen
fertig. Aber Gentiles Kompositionsweisc ist die eines Goldschmieds (An-
betung der Konige); diese Tatsache bleibt ein gutes Gegenmittel gegen
die Uberschiitzung des Malers: Smalteffekte nachahinen heifit noch keine
Lichtprobleme verfolgen.
Wenden wir uns dann zum Quattrocento in Toscana, so ftihlen
wir von Schritt zu Schritt die wachsende Kraft und Reife des Verfassers.
Aber die ungliickselige Neigung, bellctristischcn Interessen nachzugeben,
verfuhrt ihn nicht nur zu kleinen Kratzfiifien, wie »cler gramliche Theoretiker«
Uccello, oder der »larmoyante Fra Diamante «, die wir ohne griindliche
Motivierung nicht annehmen,2) sondern auch zu Eingriffen in die chrono-
logische Reihenfolge und den pragmatischen Zusairtmenhang, in den
mittlerweile festgewordenen Bestand. Wir konnen die Losreifiung des
Fra Filippo Lippi, blofi weii er unter die »Dichter-Maler« getan werden
soil, oder die nachtraglich vollzogene des Benozzo Gozzoli und des Piero
di Cosimo nicht billigen, zumal wenn ihre Bekanntschaft doch immer
schon vorausgesetzt wird. Und ist Piero di Cosimo nicht ebenso gut ein
romantischer Poet wie Botticelli oder gar Filippino? Wer die Genesis
der Landschaftsmalerei im Quattrocento begreifen will, darf die strengste
chronologische Vorarbeit nicht scheuen,3) so bequem es auch sein mag,
sich dariiber hinwegzusetzen, um schriftstellerische Reize zu entfaltcn.
So pedantisch diese Forderung erscheinen mag, so unerliifilich
wird sie, wenn man zur Erkenntnis kommt, daG die Anfange der Land-
schaftsmalerei auf das Innigste mit den grofien kiinstlerischen Haupt-
problemen verwebt sind, sodafi eine Sonderung der Meister nach Dar-
2) Fflr Fra Filippo und Fra Diamante ist die Breslaucr Dissertation Uhnanns
(1S90) auch neben seinem Sandro Botticelli einzuselien. Vgl. S. 33,3 u. 64; Festschrift
/. E. d. Florentiner Instituts, S. 181.
3) Anachronistische Verbindungcn fallen auf: Baldovinetti hilft Fra Angelica, in
der .Vnnunziati; Benozzo wetteifert mit Fra Fili]>po in Capp. Medici (304); Filippino und
Pier di Cosimo (338), dieser und Botticelli (394). Zuweilen sind es nur novellistische
Einfalle a la Vasari.
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35*
Literaturbericht.
stellungskreisen, nach mehr oder minder poerischem Schwung oder
realistischer Niichternheit keinen Erfol^ verspricht. Die Einschaltung
der Schule von Perugia (IV, 3), wo wir die »Ausbildung eines Typus
landschaftlicher Schonheit« kennen lernen, wirkt ungllicklich, weil wir
dann wieder zur langstverlassenen Generation, wie Fra Filippo und Ge-
nossen4) zuriickspringen mtissen. Das ganze Kapitel uber Umbrien
leidet an allzu empfindlicher Unbestimmtheit der zeitlichen Rechnung,
die hier und da vollig schiefe Beurteilung, wie iiber Fiorenzo di Lorenzo,
verschuldct. Das Datum 1473 au^ dem Schrein des hi. Bernhardin be-
zieht sich gewifi nicht auf die Vollendung der Malereien, sondern hangt
wohl mit der Ubertragung des Leichnams in seine Kirche zusammen.
Uber die Kompositionsweise Peruginos werden dicht hintereinander (269)
zwei Urteile zitiert, die sich genauer betrachtet widersprechen. Es wird
nicht beach tet, dafl sie ftir zwei ganz verschiedene Entwicklungsphasen
des Malers abgegeben sind, und eben deshalb beide zu Recht bestehen.
Meine Charakteristik gilt ftir Werke der ersten Hauptperiode in den
achtziger Jahren (Schliisseliibergabe) und deren Wiederholungen (Sposalizio),
die Wolflflins dagegen bezieht sich auf die Leistungen der neunziger
Jahre (Pieta usw.). Beide Stufen sind schon klar gesondert in m.Pinturicchio
in Rom (S. 98). Indes weder Konrad Langes Aufsatz in der Festschrift
fUr Anton Springer, noch die auch diesem entgangene Abhandlung iiber
das Abendmahl in S. Onofrio (Jahrb. d. K. pr. Kstsmlgen. 1884), noch
die neueste, nach Ausziigen von fremder Hand erfolgte Ausbeutung durch
Abbe* Broussolle (La Jeunesse du Pdrugin, Paris 1901) sind verwertet
worden, wahrend die unglucklichen Taufen Lermolieffs trotz aller triftigen
Gegengriinde wiederholt werden. Bei Pinturicchio hatte5) auch die Be-
ziehung zur Grotteskendekoration noch neue Gesichtspunkte dargeboten;
selbst ohne Ausscheidung von Schuleranteil geht es nicht ab, nachdem
schon Morclli einen Landschafter darunter gekennzeichnet hatte.
Solche Hinweise waren indes ziemlich belanglos ftir die Hauptsache,
wenn sie nicht gegen eine allgemeine Voraussetzung zielten, die liberal!
vorherrscht: Es ist die Annahme, als habe ein und derselbe Kiinstler
auch nur eine und dieselbe Antwort auf das landschaftliche Problem gc-
funden, wahrend eines langen Lebens nur eine Formel seiner Losung zu
bieten. Schon bei einer untergeordneten Kraft wie Benozzo Gozzoli
werden nun aber vom Verf. selbst Unterschiede (z. B. zwisclien Montefalco
und Capp. Medici) bemerkt. So wandelbare Leute wie Botticelli be-
kunden in dem Verhiiltnis zur Landschaft den Anschlufl an verschiedene
4) Wir vermissen die Truhenbilder Pcscllinos aus Pal. Torrigiani.
*r') Wie auch bei Filippino, bei tlem wir das Bild in Neapel mit S. Andreas entbehren.
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Literaturbericht. * c 7
zeitgenossische Bestrebungen oft sehr abweichender Art (an Verrochio in
der Judith, an Fra Filippo in der Primavera usw.) Piero di Cosimo
will in den Fresken der Sistina gewifl unter ganz andern Bedingungen
gesucht werden, als in spateren Tafelbildern, und wetteifert hernach mit
den Anfangen des Cinquecento. Das ist dem Verfasser durchaus klar,
sodafl sein Bestreben nach einheitlicher Charakteristik nur als altere
Denkgewohnheit erscheint, wie man die Kunstgeschichte in Kiinstler-
reihen aufzulosen beliebte.
Wie fruchtbar dagegen erweist sich der genetische Gesichtspunkt
bei Lionardo da Vinci, dessen Anteil am Quattrocento seit seiner Ver-
kiindigung in den UrTizien erst in vollem Werte heraustreten kann, wenn
die Datierung seiner Werke mit voller Konsequenz durchgefuhrt wird.
Das beachtenswerte, wenn auch etwas langgeratene Kapitel iiber den
groflen Naturkiindiger, wiirde seine neuen Ertrage viel wirksamer zur
Geltung bringen, wenn aus der Analyse der kunstlerischen Probleme die
Folgerung fiir die Entstehungszeit z. B. der Anbetung der Konige und
des Hieronymus scharfer gezogen wiirde. Aber, wenn hier die Chronologic
so entscheidend mitsprache, so kiime die Behandlung Fra Bartolommeos
in zu ftihlbares Unrecht gegeniiber Rafael. Und hier spiel t nun einmal
das Studium der »klassischen KunsU an der Hand Wolfflins zu begreiflich
herein, als dafi auf alle tjberschreitungen der Zeitgrenze verzichtet werden
mochte. Dagegen ist es gewifl nicht im Sinne dieses freilich gelesenen,
aber noch nicht geniigend verarbeiteten Buches, wenn bei Rafael die
Anerkennung des »dekorativen Sinnes* den Ausgleich mit der modernen
Geringschiitzung des Meisters vermitteln soil. Die Unterschiede zwischen
Dekoration und monumentaler Raumkunst zerfliefien uberhaupt dem Ver-
fasser noch zu leicht Und gerade das durfte nicht eintreten, wenn man
Giotto und Rafael als Anfang und Ende einer Reihe betrachten soil.
Auch diese Schwache ware sicher iiberwunden, wenn der Arbeit noch
einige Jahre langer zum vollen Ausreifen gegonnt waren; denn an Ver-
standnis fiir die Uberlegenheit der neuen, auch von ihm nun eingeschlagenen
Bahn fehlt es nicht. Ob die Geduld zum vollen Umlernen ausreichte,
bleibt in Frage. Die Aufgabe war zu Gunsten eines abgestandenen
Orakels doch allzu weit gespannt.
Ich bin tiberzeugt, dafi sich alsdann die Scheidung zwischen der
grundlegenden historischen Untersuchung und der zusammenfassenden
asthetischen Charakteristik des Entwicklungsganges mit Notwendigkeit
vollzogen hatte. Dann erst, wenn namlich alles verwirrende Ineinander-
greifen der Beziehungen erledigt war, wenn das ganze Geriist der Hilfs-
konstruktionen wieder beseitigt werden durfte, wiirden auch die Vorztige
rein hervortreten und die Verdienste um das Verstandnis der mannig-
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358 Literaturbericht.
fachen Erscheinungen zur Geltung kommen. Jetzt storen den eifrigsten
Leser die Nebenerorterungen und Seitenwege, vor allem aber die un-
leidlichen Priiludien vor jedem Kapitel, die geradezu eine schriftstellerische
Manier zu werden drohen. Sehen wir von diesen krausen, unreifen oder
mystischen Zutaten ab, so wlirde die freie Gruppierung der Errungenschaften
vielleicht einen gediegenen Essay ergeben, den auch Fachgenossen mit
Vergniigen und Anerkennung lesen mochten, der die Liebhaber und Freunde
italienischer Kunst aber gewifi noch mehr entzuckte, als dies dicke Buch
mit aller Gelehrsainkeit und allem redaktionellen Geschick. Eine solche
Zusaminenfassung des Reinertrages konnte schlagender zum Ausdruck
bringen, was der Verfasser gewollt hat, wahrend es sich in solcher Fiille
der Einzelheiten verzettelt. Schmarsoiv.
Erwiderung.
Die Rezension meines Buches: »Die romanische und die gotische
Baukunst. Der Kirchenbau« im Repertorium fur Kunstwissenschaft,
XXV, S. 454 ff. durch Architekt Schmitt fiihrt den Leser irre, da er mich
Dinge sagen lafit, die ich nicht geschrieben habe, oder mir die Un-
kenntnis bezw. Nichtberiicksichtigung von Bauten vorhalt, die in meinem
Buche sogar mit Abbildungen behandelt sind.
Es ist nicht wahr, dafi ich Seite 8 behaupte: »Das Mittelalter habe
die Rundbauten fast aufier Betracht gestellt und nur die Basilika fur
seine Zwecke umgeformt.« Der Rezensent unterdrtickt zwei Worte, und
lafit mich dadurch einen Unsinn sagen. Ich habe geschrieben: »Die
iiberlieferte Form der Kirchengrundrisse sind die drei und mehrschiffigerv
Basiliken der altchristlichen Zeit und die Rundbauten der Tauf- und
Grabkirchen. Die letzteren lafit das Mittelalter fast aufier Betracht und
formt zur Hauptsache nur die Basiliken fur seine Zwecke um.« Von
den Zentralkirchen, die mir der Rezensent als (ibersehen vorhalt, be-
schreibe ich das Milnster zu Aachen, die Karlshofer-Kirche zu Prag nebst
Abbildungen, die Triercr Liebfrauenkirche nebst Abbildungen und erwahne
die friihere Wimpfencr Kirche. Ja, ich widme den mittelalterlichen Zentral-
bauten ein ganzes Kapitel von Seite 56 — 64, das der Rezensent im Kifer
tibersehen hat!
Ferner behauptet Heir Schmitt: »Der in Figur 10 auf Seite 1 7
gegebene Langenschnitt des Speyerer Mariendomes gibt die wirklich vor.
handenen Mauerarkaden vollig unrichtig; nur das erste Joch nachst dem
Triumphbogen zeigt noch das urspriingliche System, namlich ostwarts je
eine Viertelsaule und westwarts je eine Halbsaule und beide verbunden
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Literaturbericht.
359
durch mit den eingeschlossencn Rundbogenfenstern konzentrische Halb-
kreisbogen. Alle nach Westcn folgenden Mauerbogen sind nachtraglich
bei den behufs der Einwolbung zugelegten Pfeiler- und Saulen-Vor-
lagen verzogen worden. Diese fiir die Baugeschichte des Domes (iberaus
wichtige Tatsache war dem hochverdienten Forscher Ferdinand von Quast
entgangen, als er 1853 mit sechs Tafeln die romanischen Dome des
Mittelrheins herausgegeben hat« Auch dies ist nicht wahr. Das von mir
veroffentlichte Joch des Langenschnittes zeigt die nicht konzentrische
Lage der Fenster, und zwar genau ebenso, wie es die VerorTentlichung
von Meyer-Schwartau Tafel 31 — dargestellt hat. Ja, ich weise besonders
im Text darauf bin und schreibe Seite 16: »Daher sitzen diese Fenster
jetzt unregelmafiig in ihren Schildbogen.«
Ebenso entspricht die Angabe des Rezensenten nicht den Tat-
sachen, wenn er schreibt: Seite 131 wird die Benediktiner Klosterkirche
St Maria und Nikolaus zu Laach in der Erzdiozese Trier als im Jahre
11 12 in ihrem Mittelschiff mit gewblbter Steindecke versehen ange-
geben. Ich schreibe vorsichtig: »Das erste romanische Mittelgewolbe in
Deutschland scheint dasjenige der Klosterkirche von Laach zu sein.
Wahrscheinlich war es schon 11 12 fertig, da um diese Zeit der zweite
Forderer des Kirchbaues, Pfalzgraf Heinrich, in einer Urkunde von der
ferdgen Kirche spricht, und die angelehnten Siiulen, welche die Gewolbe
tragen, von unten auf ursprlinglich vorgesehen zu sein scheinen.« Der
Aufsatz des Rezensenten liber Laach in der osterreichischen Wochen-
schrift versucht wohl einen Beweis, erbringt ihn aber nicht; aufierdem
aber wird dieser Aufsatz durch den Bericht Browers1) liber die Ein-
weihung widerlegt, den der Rezensent ersichtlich nicht kennt.
Ferner behauptet Herr Franz Jakob Schmitt, der auf Seite 147
gegebene Grundrifi von S. Francesco zu Assisi sei falsch, da die Abside
aus funf Seiten des regelmafiigen Achteckes bestehe. Auch das ist irrig.
Jede diesbezligliche Photographie zeigt, dafi der von mir nach Dehio
und von Bezold gegebene Grundrifi richtig ist.
Der Rezensent schreibt ferner: »Der von 1248 niedergelegte ro-
manische St. Petersdom war . . . .« Der alte Kolner Dom stand jedoch
noch 1322 bei der Einweihung des neuen Chores.
Nach dem Rezensenten liegt Braisne in der Erzdiozese Rheims.
Braisne gehort aber zur Diozese Soissons.
Hasak, Reg.- und Baurat.
x) Brower, Antiquitates et Annales Trevirenses XIV. 61.
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Magister Nicholas Pietri de Apulia — aus Pisa.
Von Ernst Polaczek.
Das Problem unci die neueren Losungsversuche.
Die ihrer geschichtlichen Bedeutung nach wesentlich uberschatzte
Frage nach der Herkunft des Niccola Pisano und seines Stils, die schon
einmal — vor mehr als dreifiig Jahren — eine ganze Literatur hervor-
gerufen hat, ist in den letzten Jahren wiederholt zum Gegenstandc ncuer
Erorterung gemacht worden. Crowe und Venturi haben ihr langere Auf-
siitze gewidniet; beide in dem Sinne, dafi die Worte »de Apulia «, die
in der bekannten Sieneser Urkunde vom Jahre 1266 dem Namen des
Kiinstlers — oder dem seines Vaters? — beigcsetzt sind, sich auf die
siiditalische Provinz dieses Namcns, nicht auf einen der so benannten
toskanischen Orte beziehen1). Von der Beantwortung dieser Frage hangt
im letzten Sinne — und nur in diesem Sinne hat die Frage Interesse —
die Rntscheidung ab, ob die nach 1250 in Toskana sich so miichtig
entfaltende plastische Kunst einheimisches Gewachs ist oder ob lediglich
ein aus fremdem und sonst recht unproduktivem Land verwehter Keim
unter der Einwirkung giinstiger Umstande mit so rascher Triebkraft in
Toskana emporgeschossen ist. Mit anderen Worten: Ist die ganze Proto-
renaissance auf den Zufall der Ubersiedlung eines Kiinstlers aus Apulien
nach Pisa zuruckzuftihren? Oder ist Niccola Pisano doch wirklicher Pisaner
und seine Kunst aus toskanischem Boden erwachsen?
Weder Crowe noch Venturi haben ihre »apulische« Antwort auf
neues Material gegrundet; beicler Beweisfuhrung ist im wresentlichen
» quantitative-:. Weil die plastische Produktion Sliditaliens im Mittelalter
reicher gewesen sei, als die Toskanas, miisse, so folgern sie etwa, Niccola
2) Crowe in The XIX«h Century XXXIX S. 697 und Venturi in der Rivista
d' Italia I, S. I.
Repcrtoriura fur Kunst wissenschaft, XX\T. 25
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362 Ernst Polaczek:
dort seine kunstlerische Lehre empfangen haben. Zweierlei wird iiber-
sehen: Wenn Siiditalien heute reicher an mittelalterlichen Bildwerken 1st,
als Toskana (was iibrigens wohl bestritten werden kann), so ist dies zum
Teil darin begriindet, dafi dort die Renaissance weder negativ, noch
positiv, weder zerstorend noch aufbauend, so durchgegrifFen hat, wie im
Norden. Und zweitens: fiir die Herkunft der Kunst Niccolas aus Apulien
konnte doch weder die quantitative, noch die qualitative Uberlegenheit
der suditalischen Bildhauerei, sondern einzig ihre stilistische Uberein-
stimmung mit Niccolas Werken Beweiskraft haben. Nicht dafi hier wie dort
die Antike als beispielgebende und anregende Macht gewirkt hat, ware
zu beweisen, sondern dafi in Apulien die Vorstufen des in der Bap-
tisteriumskanzel fertigen Stils des Niccola Pisano zu linden sind. Ob wohl
jemals ohne die Sieneser Urkunde jemand auf den Gedanken gekommen
ware, die Heimat Niccolas in Siiditalien zu suchen? Gewifi ist es
natiirlicher, die Worte »de Apulia « auf die Provinz dieses Namens zu
beziehen, als auf die gleichbenannten toskanis*chen Dorfer. Aber auch,
wenn wir mehr als das eine in apulischem Sinne verwertbare Dokument
besafien, ja selbst wenn der fragliche Zusatz sich in bestimmtester Weise
auf den Namen des Sohnes und nicht ebenso gut auf den des Vaters be-
ziehen liefie, so ware doch die apulische Herkunft seiner Kunst noch nicht
erwiesen. Nur wenn Niccolas Stil in Toskana plotzlich, durch nichts vor-
bereitet, durch nichts erklarbar auftrate, nur wenn andererseits Apulien die
Vorstufen zu seinem Stil enthielte, nur dann dlirfte und miifite man an-
nehmen, dafi Apulien die Heimat des Menschen und des Ktinstlers war.
Auch Schubring hat sich der Meinung Crowes und Venturis an-
geschlossen und in seinem »Pisa« Nikolaus mit beredten Worten fur
Apulien in Anspruch genommen2). Den Argumenten jener beiden fiigt
er noch den Hinweis auf die kunstlerischen und kaufmannischen Bc-
ziehungen, die zwischen Pisa und Apulien bereits im 12. Jahrhundert
bestanden, hinzu; er macht ferner auf die architektonischen Analogien
zwischen den Hintergriinden der Kanzelreliefs und suditalischen Bauten auf-
merksam. Vielleicht, heifit es schliefilich, sei Niccola in dem Pisa ge-
horigen Orte Bovino bei Foggia geboren und habe Jugend und Lehrjahre
im kaiserlichen Palast in Foggia zugebracht Die ganze Beweisfuhrung
ist, auch abgesehen von den zuletzt angefuhrten, vollig in der Luft
schwebenden Einzelheiten, durchaus nicht zwingend. Was beweist der
Austausch von Handelsprodukten, was beweisen architektonische Be*
ziehungen zwischen Troja und Pisa fiir die Herkunft von Niccolas Stil?
Und das im Hintergrunde der Darbringungstafel rechts angebrachte
2) Paul Schubring, Pisa (BerUhmte Kunststatten Nr. 16) S. 46 u. 5 iff.
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Magister Nicholas Pietri de Apulia — aus Pisa. 363
Rosenfenster, durch das sich Schubring an Troja, Bitonto, Canosa erinnert
ftihlt, konnte Niccola um 1250 ebensogut anderswoher kennen, aus
Toscanella, ja vielleicht sogar aus Pisa selbst.
Erst Emil Bertaux hat in einem Vortrage den Versuch gemacht,
mit neuem Material der Losung des Problems naher zu kommen.3) Ihm
ist die Kanzel der Pisaner Taufkirche zunachst ein Architekturwerk.
Innige Vertrautheit mit siiditalischer Kunst hat ihn tatsachlich zur
Entdeckung einiger verwandtschaftlicher ZUge gefuhrt. An der Kanzel
sind die Brustungsfelder durch Saulenbundel getrennt, die aus drei un-
geschwellten, stark konisch verjiingten Stiimmen gebildet sind. Als Vorbild
dieser ungew6hnlichen Form bezeichnet Bertaux die allerdings im Prinzip
ahnlichen, im einzelnen jedoch stark abweichcnden, auch einer ganz
anderen tektonischen Funktion dienenden Saulenbundel, die im Ober-
geschosse des von Friedrich II. bei Andria erbauten Castel del Monte als
Gewolbe- bezw. Schildbogentrager dienen. Er stellt ihre Basisprofile
nebeneinander, und man wird zugeben, dafi sie einander ahnlich sind;
aber doch wieder nicht ahnlicher, als franzosische Basisprofile der jungen
Gotik zu sein pflegen. Die Kapitelle hingegen weichen nicht nur in
der Dekoration, sondern auch in Bau und Gliederung von den vcrmeint-
Iichen Mustern ab; die pisanischen von 1260 ahneln pistojesischen von
1250, nur sind sie freier, vorgeschrittener im Sinne cler Gotik. Und
ebenso ist auch die Beziehung von Schaft und Kapitcll und Deckplatte
in Pisa und Castel del Monte ganz verschieden.
Bertaux weist indessen noch eine andere, an sich sehr intercssante
Beziehung zwiscben Apulien und Toskana nach. Das Kastell von Prato,
das Friedrich II. etwa 1249 erbaut hat, steht dem ebenfalls von ihm
errichteten Castel del Monte in manchem Punkte sehr nahe; das Portal
hier ist eine freie Kopie des Portals dort. Auf diesen beiden Beob-
achtungen — der vermeintlichen Analogie mit Pisa und der wirklichen
mit Prato — baut nun der franzosische Forscher seine Folgerung auf:
Niccola sei, so meint er, von Friedrich, nachdem er in Castel del Monte
tiitig gewesen, nach Toskana berufen worden, um ihm dort ein seincn
sizilianischen und apulischen Bau ten ebenwertiges Kastell zu errichten,
unci habe sich dann in Toskana niedergelassen.
Chronologische Schwierigkeiten stehen dieser Folgerung nicht ent-
gegeru Waren die Voraussetzungen rich tig, waren die Analogien, auf
•-die Bertaux hinweist, wirklich zwingend, so konnte man auch gegen
seinen Schlufi nichts einwcnden. Aber es fehlt eben an den Pramissen.
*) Er liegt gcdnjckt vor in den Annales Internationales d'histoire. Congres de
Pari* X900. 7e section. Histoire des arts du dessin (Paris 1902) S. 91.
25*
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364 Ernst Polaczek?
Die Analogie von Prato und Castel del Monte ist zwar klar, aber die
Beziehung dieser beiden Baudenkmaler zu der Kanzel ist zu locker, als
dafi sich aus ihr mit Notwendigkeit oder auch nur mit Wahrscbeinlich-
keit folgern liefie, dafi Niccola beide gekannt habe. Die Bundelung
dreier stark verjlingter Siiulchen ist zwar eine Besonderheit, aber doch
keine so grofie, dafi ihr Erscheinen in Pisa nur durch eine personliche
Teilnahme Niccolas am Baue von Castel del Monte erklarlich ware4).
Die Vermutung liegt nahe, dafi, wie die aufierc Gestaltung des Kastells
von Prato der von Castel del Monte folgte, ihr auch die innere ver-
wandt gewescn sei. Wie leicht konnte cin so einfaches Motiv durch
eine Skizze — ohne personliche Identitat der Meister — ubertragen
werden!
So erweisen sich die interessanten Beobachtungen Bertaux' doch als
unzureichend, die Herkunft Niccolas aus Apulien zu beweisen. Freilich,
auch die entgegengesetzte Meinung ist bisher beweisbedtirftig geblieben.
Ich glaube, diese Lticke fiillen zu konnen.
Dej inschriftliche Beweis.
Das mittlere Becken des Brunnens von Perugia, dessen plastischen
Schmuck Niccola und Giovanni Pisano — jener in seinen letzten Lebens-
jahren, dieser in seiner reifen Manneszeit — geschaflfen haben, tragt am
Rande eine lange metrische Inschrift. Die zahlreichcn Abkurzungen und
die starke Verwitterung haben sie schwer lesbar gemacht, zudem ist sie
einmal auseinandergenommen und nicht mehr richtig zusammengesetzt
worden, sodafi in der Versfolge empfindliche Stoning eintrat. Vermiglioli
hat in seiner Publikation des Brunnens ein gestochenes Faksimile der
Inschrift und eine freilich recht unverstandliche, vielfach irrige Lesung
des Textes gegeben.5) Dank der sehr freundlichen Hilfe, die mir mein
altphilologischer Kollege Herr Dr. Plasberg, und in einigen Punkten Herr
Privatdozent Dr. P. v. Winterfeld in Berlin gewahrt haben, bin ich in der
Lage, einen, wenn auch nicht alles, so doch vieles aufklarenden neuen
Text neben den alten verderbten zu stellen. Die Abweichungen von
Vermigliolis Lesung sind durch Kursivschrift bezeichnet.
*) Ganz iihnlichc Blindelungen dreier ungeschwellter, konisch verjUngter Saulen-
stamme finden sich an den polygonalen Kanzeln von Spalato und Trau. Vgl. Rudolf
Eitelberger v. Edelberg, Die mittelalterlichen Kunstdenkraale Dalmatiens (1861) S. 119
und T. XIII.
6) G. B. Vermiglioli, Le sculture di Niccolo e Giovanni da Pisa e di Arnolfo
fiorentino che ornano la fontana maggiore di Perugia. Perugia 1834, Taf. LXXVI
und S. 50.
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Magister Nicholas Pietri de Apulia — aus Pisa.
365
Text des Vermiglioli : Neuer Text:
f Aspice qui trans is iqcundum vive fontes f Aspice qui trans is iocundum viver*
fontes ;
si bene perspicias mira videre potes si bene prospicias, mira videre potes.
erculane pie laurenti state rogantes Erculane pie, Laurenti, state rogantes
consuet latiees qui super astra sedet consuettf(?) latices qui super astra sedet;
5 lacus et iura clusina quorum sint tibi 5 et lacus et iura Clusina^itf sint tibi
cura cura.
f Urbs perusina patria gaude natus sit tibi f Urbs Perusina, pater gaudea/t sit tibi
frater
benvegnate bonus sapientis ad omnia
pronus
hie operis structor fuit iste per omnia
ductor
hie est laudandus benedictus nomine
blandus
10 ordine dotatus hie et fine beatus
frater
Benvegnate bonus, sapientis ad omnia
pronus.
hie operis structor fuit, iste per omnia
ductor.
hie est laudandus Benedictus, nomine
blandus ;
10 ordine dotatuw dedit h««c et fine
beatu///.
f Nomina sculptorum fontis sunt ista bon- j- Nomina sculptorum fontis suht ista
orum
loan. Bath . . . Nicolaus ad officia gratus
est flos sculptorum gratissimus his qui
proborum
septuaginta . . . quatuor atque dabis
bonorum :
batus Nicolaus ad omttiaQ)
gratus
est flos sculptorum gratissimus is que
proborum
est genitor; primus genitus carissimus 15
imus,
'5 est genitor primus genitus carissimus *5 cui si non dampnes nomen die esse %%
imus. Johannes,
natus Pisani sint multo tempore sani nattf Pisani; sint multo tempore sani.
y Ingenio clararum ductore scimus aquarum f Ingenio clar*/« ductor*** scimus aqua-
rum
qui bonensingna vulgant mente benigna
hi . . . opus exegit sc . . ductile quotidian
peregit
*° enetiis natus Perusinis hie primatus
qui Bonensingna vulgat«r mente be-
ni/»gna.
hie opus exegit conduciile (f) . . . pe-
regit,
ao Enetiis natus, Perusinis hie /*r<?matus.
f Fontes complentur super annis mille du- j* Fontes complentur; super annis mille
centis
cui si non dampnes nomen die esse
Ioannes
tertius papa fuit Nicola tempore dicto
m Rodulfus magnus induperator erat
ducentis
septuaginta (duos his (?) ) quater atque 14
dabis.
Ter#us papa fuit Nicolas tempore dicto,
*4 Rodulfus magnus induperator erat.
Metrum und Reiixi haben, wie so oft in mittelalterlichen Gedichten,
auch den Verfasser dieser Verse, meist leoninischer Hexameter, in zwang-
volle Lagen gebracht, und oft genug ist der Reim bei ihni der Vater
des Gedankens gewesen. Auch in dem verbesserten Texte bleiben noch
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3 66 Ernst Polaczek:
mehrere arge Unklarheiten.6) Immerhin, Wesentliches ist bereits ge-
wonnen, als Wichtigstes die 16. Zeile, die Nikolaus und Johannes als ge-
borene Pisaner — natu Pisani — bezeichnet. Wenn bislang natus
Pisani mit Bezug auf Johannes gelesen wurde, so ist dies unrichtig.
Vermigliolis Faksimile zeigt allerdings iiber dem natu einen — iibrigens
sehr schtichternen — Abktirzungsstrich, aber dieser ist offenbar, wie der
Vergleich mit anderen Kurzungsstrichen lehrt, nichts anderes als — ein
Kratzer iin Stein. Selbst wenn es aber wirklich ein Abktirzungsstrich
ware, so konnte man doch niemals den Nominativ natus, sondern
hochstens den Akkusativ natum lesen.7) Was aber hatte dieser hier fiir
einen Sinn? Der Ablativ natu hingegen ftigt sich vollig zwanglos in den
Text, und der Plural Pisani ist durch den nachfolgenden Segens-
wunsch gebieterisch gefordert.
An der Glaubwiirdigkeit der Inschrift wird nicht gezweifelt werden
konnen. Mit den iibrigen an dem grofien Werke der Wasserzuleitung
bcteiligten Mannern rtihmt sie gerechterweise auch die Ktinstler, denen
der plastische Schmuck zu verdanken war. Wie die zweite am obersten
Becken angebrachte Inschrift, die den Namen des Giefiers und das Jahr
1277 nennt, ist auch sie ganz zweifellos unmittelbar nach Vollendung
des Wcrkes angebracht worden. Durch ihre klare unzweideutige Aussage
erhebt sich die Vermutung, zu der mich die genaue Prlifung der Relief-
hintergrtlnde an der Sieneser Domkanzel geftihrt hatte,8) zu volliger
Gewifiheit: Nikolaus ist geborener Pisaner, der Zusatz, »de Apulia*
in der Sieneser Urkunde bezieht sich auf den Namen des Vaters.
6) Vgl. dazu auch Schnaase, Gescliichte der bildenden Ktlnste VII, 271 u. 274.
Die Anfftnge der ftinf Strophen sind durch Kreuze bezeichnet. Die erste Strophe — aus
zwei Distichen und einem tiberhangenden Hexameter bestehend — fordert die VorUber-
gehenden zur Betrachtung auf und wendet sich dann an die Schutzhciligen der Stadt.
Die zweite Strophe, wie die beiden folgenden, nur aus Hexametern gebildet, nennt als
»structor« des Werkes den Fra Benvegnate, und im Zusammenhange mit ihm den Stifter
des Ordens, dem er angehbrte, den hi. Benedikt; dieser ist, wie auch die hh. Hercu-
lanus und Laurentius, in niichster N&he am mittleren Becken auch bildlich dargestellt.
So hcllt die Beziehung des Wortcs »benedictus« auf den Ordensstifter die dunkle Stelle
vbllig auf. Str. 3 nennt die Bildhauer, Str. 4 den »ductor aquarum*, den Venezianer
Bonensigna. Str. 5, aus zwei Distichen bestehend, gibt die Jahreszahl, des Verses
lialbcr als Rechenexempel, dann das Regierungsjahr des Paptes und endlich allgemein
den Kaiser, unter dem das Werk vollendet ward, Rudolf von Habsburg.
7) Man vergleichc dazu vv. 7, 9, 12, 15, 20 des Faksimiles. Cberall ist die
Endung us ausgeschrieben oder durch ein Hiikchen ersetzt.
H) Vgl. Zeitschrift fUr bildende Kunst N. F. XIV S. 143. Im Hintergrunde des
Darbringungsreliefs weist ein in zeitgenossische Tracht geklcideter Mann — offenbar
der KUnstler selbst — auf einen Bau, der dem Pisaner Baptistcrium vor seiner gotischen
Rekonstruktion gleicht. Zweifellos ein monumentaler Hinweis auf des KllnsUers Geburts-
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Magister Nicholas Pietri de Apulia — aus Pisa. 367
Der stilkritische Beweis.
1st aber auch Niccolas Kunst in Pisa geboren? Oder hatte der
Sohn des Pugliesen etwa, durch die Kunde von der unter Fried rich II.
in Suditalien machtig sich regenden architektonischen und plastischen
Tatigkeit gerufen, die vaterliche Heimat' in jungen Jahren aufgesucht,
dort seine erste Unterweisung empfangen und dort auch seine Mannes-
zeit verbracht? Denn nachzuweisen ist Niccola in Toskana, da sich die
Angaben, er habe 1225 in Bologna und 1233 in Lucca gearbeitet, ebenso
wie die weiteren Mitteilungen Vasaris iiber seine architektonische Tatig-
keit teils als unrichtig, teils als unkontrollierbar herausgestellt haben,
erst vom Jahre 1260, beziehungsweise, wenn wir ftir die Pisaner Kanzel
eine zwei- bis dreijahrige Bauzeit annehmen, von etwa 1257 an. So
konnten die Verteidiger der apulischen Herkunft Niccolas iminerhin noch
behaupten: Auch wenn er in Pisa geboren sei, konne doch seine Kunst
aus Apulien stammen. Die grofie Neuerung, die seine Kunst enthielt,
konne eben — wie Schubring sagt — durch Schulung in einer ent-
wickelteren Kunstprovinz bedingt sein.
Auch diese Meinung scheint mir den Tatsachen gegentiber unhalt-
bar zu sein. Es bliebe vor allem noch zu beweisen, dafi Apulien, mit
Toskana verglichen, im 13. Jahrhundert die entwickeltere Kunstprovinz
gewesen ist. Was die Ostktiste Siiditaliens heute noch an plastischen
Werken dieser Zeit besitzt — es sind fast ausschliefilich Kanzeln und
Erztliren — , reicht gewifi nicht aus, den Glauben an die Uberlegenheit
dieser Kunst zu rechtfertigen. Und vollends unmoglich scheint es, in
ihnen die Vorstufen fur Niccola Pisanos Stil zu erkennen. Ahnliches
gilt ftir die Kunst des westlichen Siiditaliens, die gewohnlich — nicht
ganz zulassigerweise freilich — mit zur Stiitzung der apulischen These
herangezogen wird. Gewifi, die Skulpturen von Capua, Sessa, Ravello
sind ohne die »Antike« nicht denkbar, aber ihr Verhiiltnis zur Antike —
die nlichtern realistische, schwunglose Auffassung und Umbiklung der
antiken Vorbilder beispw. in Capua — ist ganz andersartig, und zudem
sind sie beinahe gleichzeitig mit der Kanzel der Pisaner Taufkirche,
z. T. sogar spater entstanden als diese. Der Stil Niccolas, wie er sich
in diesem Hauptwerke klar und noch wenig durch Gehilfenmitwirkung
verdunkelt, ausspricht, wie er sich dann in der Richtung auf die Sienser
Kanzel entwickelt, ist aus der toskanischen Kunst des 13. Jahrhunderts
und Taufstatte. Die Meinung, dafl jcne Gestalt den KUnstler darstelle, hat die er-
wiinschteste Bestatigung erhalten durch ein zwcites Selbstbildnis, das auf dem Relief
mit der wunderbaren Heilung des vom Pferde geschlagenen Knaben an der Area di San
Domenico in Bologna angebracht ist — als einziger individueller Profilkopf unter lauter
typischen Facekopfen.
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<»68 Ernst Polaczek:
sehr wohl zu erklaren, wenn man nur die Machte, welche diesen alten,
aus dem lombardischen Norden irnportierten Stil umbilden — die Gotik,
die Antike und endlich das personliche Ktinstler-Ingenium Niccolas —
nach Geblihr in Rechnung zieht. Gelingt dieser positive Beweis, so
dtirfte der negative Beweis (der nainlich, dafi Apulien die Heimat von
Niccolas Stil nicht sein konne) wohl uberfliissig sein.
Toskana besitzt heute noch eine ziemliche Reihe von Kanzeln aus
dem 12. und 13. Jahrhundert, die von S. Miniato und S. Leonardo in
Arcetri bei Florenz, die von Barga, Brancoli, Groppoli und Vol terra,
Daran schliefit sich als jiingste und dem Werke Niccolas zeitlich am
nachsten stehende die Kanzel von S. Bartolommeo in Pantano zu Pistoja,
das 1250 vollendete Werk des Guido da Como. Auch Pisa selbst hat
in alterer Zeit bereits Kanzeln besessen. Giovanni Pisanos Dom-
kanzel trat zu Anfang des 14. Jahrhunderts an die Stelle einer alteren
Kanzel, die ein Meister Guilelmus nach 1165 errichtet hatte.9) Sind
nun auch jene erhaltenen toskanischen Kanzeln, zum Teil wenigstens,
aus ihrem ursprlinglichen architektonischen Zusammenhang entfernt, von
der Wand in die Mitte, aus der Mitte an die Wand geriickt worden, so
sind ihnen alien doch mehrere Wresenszlige gemeinsam: sie haben rechteckigen
Grundrifi und der eigentliche Predigtstuhl ruht iiber horizontalem Gebiilk
auf Saulen, die von Tier- oder Menschengestalten getragen werden.
Plastische Arbeiten — Reliefs und rund gearbeitete Figuren — haben
den Hauptanteil an der Dekoration, wahrend eingelegte flache Arbeit
nur zur Umrahmung, bisweilen auch zur Fiillung des Reliefgrundes ver-
wendet wird. An den in grofier Zahl erhaltenen Kanzeln Mittel- und
Siiditaliens hingegen tiberwiegt das in musivischer oder erhabener Arbeit
angebrachte geometrische Ornament durchaus: der figtirliche Schmuck
fehlt entweder ganz oder tritt doch sehr zuriick. Von der im Jahre 131 1
— also in einer fiir unsere Frage gleichgultigen Zeit — vollendeten
Kanzel von Benevent abgesehen, zeigte nur der Ambo von Bitonto (vom
Jahre 1229) und einige Kanzeln der Westkiiste, die von Salerno, Sessa
und Ravello, nglirlichen Schmuck in ausgedehnterem Mafie. Der Grund-
rifi ist meist rechteckig oder quadratisch, zuweilen durch halbkreisformige
Ausbuchtungen bereichert. Wie in Toskana, ist auch in Apulien die
Regel, dafi horizontales, direkt auf die Saulenkapitelle gelegtes Gebalk
den Predigtstuhl tragt. Im Westeii hingegen (Salerno, Ravello, Sessa)
vermitteln zwischen den Triigern und dem Getragenen fast tiberall Bogen,
Diese Beobachtung Bertaux' ist an sich richtig; falsch aber oder wenig-
stens ohne Notwendigkeit ist der Schlufi aus ihr: Niccola habe auf dem
**) Vgl. Milanesi, Nuovi documcnti per la :storia dell* arte toscana S. 5.
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Magister Nicholas Pictri dc Apulia — aus Pisa. 369
Wege von Apulien nach Toskana die Westkuste besucht und habe von
hier das neue Motiv des Bogens nach dein Norden mitgenoinmen! Als
ob der Menschengeist so arm und eng ware, dafi die Anwendung des
Bogens in diesem Sinne nur einmal gefunden werden, sich nur von eineirt
Punkte aus iiber die Halbinsel verbreiten konnte! Und zudem: Die
Kanzeln von S, Stefano in Bologna, S. Ambrogio in Mailand, S. Maria
in Toscanella, mehrere Kanzeln der Abruzzen — zum Teil Werke aus
alterer Zeit als die Kanzeln des westlichen Siiditalien — sie alle haben
den Bogen als Trager des Kanzelbodens. Oder sollten auch sie etwa ab-
hangig von stiditalischen Mustern sein?
Die Ftillung der Bogenzwickel mit figiirlichen Reliefs habe, so meint
Bertaux weiter, Niccola glcichfalls aus denri Siiden mitgebracht. Das Motiv
erscheine zum ersten Male in Salerno und sei dann in Sessa und Capua
nachgeahmt worden. Aber auch die Kanzel von S. Ambrogio in Mailand
zeigt — und doch sicher unabhangig von jenen — die gleiche Zwickel-
dekoration! Und wer vermochte uberhaupt zu ahnen, von welchem
antiken Denkmal Niccola die Anregung gekommen ist?
Ganz unverstandlich ist es vollends, dafi Bertaux auch die sechs-
eckige Grundform der Pisaner Kanzel als eine nur durch Nachahmung
eines stiditalischen Musters, der Kanzel von Trani, erklarbare Neucrung
hinstellt. Diese Umwandlung aus dem Viereck ins Sechseck ist keines-
wegs Nachahmung eines bestimmten einzelnen Musters, sie erklart sich
vielmehr als Ergebnis einer sehr allgemeinen Stihvandlung. Die Gotik
ist es, die den Saulenbasen in Castel del Monte wie in Pisa ihr tief
unterhohltes elastisches Profil verleiht, sie gibt den Kapitellen den Kranz
frei abspringender Knospen, sie schliigt den Bogen in der Form des
Kleeblatts, sie wandelt an Sockeln und Deckplatten das Viereck ins Acht-
eck, sie bildet auch den Grundrifi der Kanzel selbst aus dem Rechteck
ins Polygon um.
So erklart sich die Baptisteriumskanzel, als Architekturwerk be-
trachtet, in alien Punkten zwanglos als eine gotische Weiterbildung des
in Toskana ausgebildeten romanischen Typus. Aber auch ihr plastischer
Stil ist, ganz ohne apulische Hilfe, lediglich aus den gleichzeitig und
gegeneinanderwirkenden Einfliissen verstandlich, die Antike und Gotik
auf das Uberkommene ausuben.
Niccola entlehnt, wie oft gesagt worden ist, ganze Figuren aus den
Pisaner Antiken. Seine Madonna ist eine Phadra, seine Sforza ein vollig
nackter Herkules. Er entlehnt mit unerhorter Naivetat, ohne auch nur
den Versuch einer Umbildung aus dem Heidnischen ins Christliche zu
machen. Wie sie sind, werden die antiken Gestalten ubernommen, der
christlichen Szene ein- oder gar blofi angefiigt. Diese bedingungs-
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370
Ernst Polaczek:
lose Huldigung gilt der grofien Form der Antike. Dafi er erkannte,
woran alle die anderen, selbst wo sie Antikes nachahmten, voruber-
gegangen waren, dafi er den Wert des Korpers als Korper, als organisches
Gebilde begrifT, ist der eine seiner beiden grofien Ruhmestitel.
Sein anderer grofier, noch lange nicht geniigend gewerteter Ruhmes-
titel aber ist der, dafi er durch das Medium der Antike und des ihm
aus mittelalterlicher Kunstweise Uberkommenen auf die Natur zurlick-
griff, so das Starrgewordene aus sich heraus belebend. Man vergleiche
nur wieder seine Pisaner Kanzel mit dem um genau ein Jahrzehnt friiher
entstandenen Werke des Guido da Como in Pistoja. In beiden Fallen
sind Lowen als Trager der Siiulen angeordnet. Die Lowen Guidos sind
heraldische Tiere, ihr Umrifi verrat noch die Blockform, durch die er
bedingt war. Die Pisaner Lowen sind naturalistischer gebildet, freier
bewegt, die stoffliche Charakterisierung des Felles ist weiter gefordert,
die Masse des Blocks ist — im Sinne der Gotik — in ihre Teile zer-
legt. Die Kapitelle gehoren dem Typus des Blatterkelch-Kapitells an.
Zwei Blattreihen sind um den Kelch geordnet, und zwar so, dafi die
Blatter der unteren Reihe den Mitten der Sechseckseiten, die oberen
ihren Ecken entsprechen. Kraftig, mit einer dem Naturvorbild nach-
geahmten Elastizitiit springen sie vom Kerne ab, rollen sie sich am Ende
wieder auf. Man darf sie als frei gotisierend bezeichnen. Der ktinst-
lerische tektonische Sinn dieses Bauglicds enthiillt sich hier noch klarer,
als an den getreuer den antiken Mustern nachgebildeten Kapitellen Guidos.
Mit den figurierten Kapitellen der Kanzeln von Salerno, Ravello, Sessa
haben Niccolas Kapitelle keinen Zug gemein.
Toskanisch ist — hieriiber dtirfte Einstimmigkeit herrschen — auch
die Ausbreitung des figtirlichen Schmuckes. Niccola folgte — und doch
wohl gewifi im Sinne seiner Auftraggeber — im Gegenstandlichen ge-
nau der toskanischen Tradition. Neu in seinem Programm ist von den
Brlistungsreliefs die Kreuzigung und das Jtingste Gericht. Neu sind auch
die schwer deutbaren Eckfiguren; fiir sie findet sich ikonographisch so
wenig in Toskana, wie in Stiditalien ein Vorbild. In der Durchbildung
der Einzelfigur ist, wie gesagt, die Antike Niccolas grofies Beispiel. Sie
lehrt ihn, dafi der Korper ein Organismus ist, dessen Teile nicht aufier-
lich aneinandergeftigt, sondern innerlich — durch Gelenke — miteinander
vcrbunden sind. Er empfindet es als klinstlerische Notwendigkeit, dafi
sich das Gewand dem Gesetze fiige, das der Korper schreibt. Niccolas
Gestalten verglichen, sind die des Comasken noch starr: die Eckfiguren
noch ohne den Odem des Lebens, eben erst aus dem Blocke befreit,
Bildsaulen im eigentlichen Sinne des Wortes; die Gestalten der Reliefs
puppenhaft, lediglich mit der Beweglichkeit von Automaten ausgestattet,
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Magister Nicholas Pietri de Apulia — aus Pisa. 37 1
in Gewander gehtillt, deren Flachen nicht plastisch, sondern ornamental
behandelt sind. Dariiber half dem Pisaner die Antike hinaus. Sein Ver-
haltnis zu ihr ist anders, als das des Mcisters der Capuaner Biisten:
nicht schwunglose, niichterne Nachempfindung, sondern leidenschaftliche
begeisterte Hingabe. Zunachst freilich ist er vollig fasziniert; er kopiert
und wird starr und leblos. Dann aber findet er durch die Antike den
Weg zur Natur, zum Naturalismus der Gotik. Wo er, unzufrieden mit
dem Uberlieferten, sein aus der Antike und durch ihre Vermittlung er-
worbenes Konnen frei bentitzend, Neues gestaltet, wird er grofi, wird er
zum frei aus dem Erlebten schaflfenden Kiinstler. Die Maria seiner
Verkiindigungsszene, ganz in seinem feierlichen pathetischen Stil, aber
doch vollig iiberzeugend in dem Widerstreit der auf sie cinstiirmenden
Empfindungen dargestellt, ist — nicht nur an dem Piippchen Guidos
gemessen — eine ganz grofie Leistung. Hier ist nicht ein Vorbild
mechanisch nachgeahmt, hier ist der Gegenstand neu erfafit und durch
eines bedeutenden Bildners Hand zu gewaltiger Erscheinung gebracht.
Dieselbe machtige Triebkraft zu neuer grofier Menschengestaltung zeigt
sich hier, wie in den deutschen Bildnerschulen der gleichen Zeit. Der
Korper kommt zu seinem Rechte als Korper — dank der Antike; er
wird zum Gefafie der Seele, zum Triiger der Empfindung — dank jener
Stromung, die man in der Architektur als Gotik bezeichnet
In Toskana selbst kam also alles zusammen, was den Pisaner
Nikolaus zu einem Menschcnbildner neuen Stils machen konnte. Die
Peniginer Inschrift beweist, dafi er selbst — der Mensch — in Pisa
geboren war. Zur Bildung seines plastischen Stils waren die in Pisa
vorhandenen und die damals mit der nordischen Gotik dort einstromenden
Machte besser imstande, als Apulien. Der Weg seiner Entwicklung geht
von dem Relief der Frauen am heiligen Grabe in S. Croce in Florenz zur
Pisaner Kanzel, von ihr Uber die Luccheser Reliefs zur Kanzel des Doms
von Siena. Er endet in Perugia-
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II Perugino e la Certosa di Pavia
(Nuovi Documenti).
Di Francesco Malaguzzi Valeri.
L' ultimo decennio del quattrocento segna, per la Certosa di Pavia,
un periodo di attivita eccezionale. La fronte della chiesa era stata
studiata con nuovi concetti che, se discordavano sempre piu dall' or-
ganismo dell' interno, permettevano di attuare, nel rivestimento decorativo,
i sogni degli inesauribili maestri dello scalpello che fiorivano allora
in quel grande centro artistico e a capo dei quali stava Gio. Antonio
Amadeo. La smania di ricchezza decorativa invase allora il luogo in
proporzioni tali che, anche senza tener conto di quanto e andato disperso,
cid che rimane e tuttora tan to meravigliosamente fastoso da formare il
centro d'attrazione degli studiosi e degli amatori per tutta l'alta Italia.
La parte inferiore della fronte con cosi ricca profusione di scolture sarebbe
gia di per se sufficente a giustificare la grande popolarita che il luogo
vanta in tutto il mondo se anche all' interno quel periodo non avesse
lasciate tracce elettissime d'arte negli stalli intarsiati e intagliati del coro
dei monaci, nelle pale degli altari, nei monumenti.
La decorazione pittorica era gia a buon punto quando Perugino fu
invitato ad ornare di opere sue una cappella della chiesa. Dopo compiute le
minori ornamentazioni nei chiostri e in diversi locali, sposate intimamente
ai concetti costruttivi introdotti dopo il trionfo delle idee nuove della
Rinascenza, s'erano riccamente coperte di affreschi le vdlte della navate
del tempio per opera di Ambrogio Fossano detto il Bergognone. Questo
genialissimo e dolcissimo pittore, insieme al fratello Bernardino, aveva
rappresentate le figure dei santi e dei profeti nei medaglioni e aveva
coperte di composizioni figurative le pareti della navata trasversale con
1'incoronazione della Vergine, con le figure genuflesse di Francesco Sforza
e di Lodovico il Moro e la presentazione^ del modello della Certosa
alia Vergine da parte di G. Galeazzo e dei figli Gabriele, Filippo Maria
e Giovanni Maria. L'opera del Bergognone a pr6 della Certosa — che
trova riscontro a pena, per la molteplicita e per la grazia intima del
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Franzesco Malaguzzi Valeri: II Perugino e la Certosa di Pavia. 373
sentimento, con quella del Beato Angelico nel convento di S. Marco a
Firenze — si estese alle pale e ai trittici d'altare, alle piccole tavole
per le celle, al refettorio, alia dispensa. E la sua vita artistica si era
talmente immedesimata con la Certosa, come osserva il Beltrami, che la
tradizione vuole oggi rintracciare il suo intervento anche nelle vetrate,
neJle composizioni per gli stalli del coro e nella fronte del tempio.
Nel 1490 Bartolomeo Montagna aveva eseguita la grande composizione
deJIa Beata Vergine fra i santi che si custodisce nella sagrestia nuova
e nel 1496 Macrino d'Alba vi compose la pala d'altare che si vede nella
cappella di S. Ugone; poco dopo vi fu chiamato anche Bernardino Luini.
La storia della cooperazione del Perugino a prd dell' incremento
artistico della Certosa e interessante e dopo la scoperta di nuovi docu-
ment si presenta completa e ci apre un nuovo spiraglio di luce sul
dietroscena, dir6 cosl, della vita artistica del quattrocento non tutta cosparsa
di rose, come molti continuano ancora a supporre.
II primo a richiedere l'opera del soave pittore umbro nel Ducato
era stato, per incarico di Lodovico Sforza detto il Moro, il segretario Calco.
Intorno al 1496 infatti si stavan dipingendo, nel castello di Milano,
i camerini fiancheggianti una loggetta e il pittore si era allontanato, per
uno scandalo di che i documenti non ricordano la natura; il segretario
ducale scriveva in conseguenza all' Arcivescovo di Milano che vi trovava
a Venezia, in questi termini:
^Monsignore. El pinctore quale pingeva li camerini nostri hogi ha
facto certo scandalo per al quale si e absentato, et havendo noi adesso
pensare ad altro pinctore per fornire lopera et satisfare a quello de che
si servivamo cum l'opera de questo che e absentato, intendendo che
magistro Petro Perusino si trova li, ce e parso darvi cura de parlarli et
intendere da lui sel vole venire ad servire cum dirli che venendo li
faremo condicione tale chel si potera bene accontentare. Ma in questo
bisognira advertire chel non si trovasse obbligato a quella Illustrissima
signoria perche in tale caso non intendemo fame parola; anci sel fosse
qui, lo vorriamo remandare li. Et perd risguardareti a questo et par-
lando ad epso magistro, ce avisareti de quello chel ve respondera, et sel
vi parera se possa sperare de haverlo. Mediolani, VIII. Junij 1496.
Ludovicus Maria Sfortia Anglus Dux Mediolani etc.
B. Chalcus.
(Fuori:) »In Cristo patri Domino Guidoantonio Arcimboldo Ducali
Consiliario nostro dilectissimo*1)
*) Archivio di Stato di Milano — Autograft — Perugino. E in doppio esemplare
con leggere varianti. Alia stessa serie appartengono tutti gli altri documenti che pubbli-
chiamo in seguito.
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37 4 Franzeseo Malaguzzi Valcri:
Questa lettera fu creduta dal Marchese Girolamo d'Adda — che
la pubblicd nelle sue Indagini sulla libreria Visconteo Sforzesca nel Castdlo
di Pavta — come riferentesi al castello pavese, ma il Beltrami, colle-
gandola ad altri due documenti del 24 Marzo e 1 Maggio 1495 da lu*
editi, provd che l'opera del Perugino era richiesta pel Castello di Milano.
I camerini in questione eran costrutti di fianco alia loggetta del
ponte, detta, non molto esattamente, di Bramante, che serviva a dare
una comunicazione piu diretta dalle sale della corte ducale al recinto
esterno sia per accedere alia citta che alia campagna o al giardino.
II ponte levatoio antico venne, in seguito, sostituito con uno in laterizio
e scoperto, perche le camere fiancheggianti il ponte stesso e di conse-
guenza il portichetto che vi si appoggia parallelamente si presentano
chiaramente come un aggiunta. Le camerette vennero costruite nel 1495.
Con la lettera del 24 Marzo 1495 l'architetto Ambrogio Ferrario riferiva
al duca come »le gronde de camerini di dreto dela camera de la
Torre se va dreto depingendo, e gia gli e dato el bixo et se fara alia
similitudine de quello di rocha. La parieta de foravia faro, parendo
alia S. V., dcpingere a quadronzini che farano bel vedere. Vederd se
a Milano se atrovono le collone per voltare el transito dela piancheta
e atrovandoli non li manchard de fare che la S. V. lo atrovara alia
venuta sua voltato et coperto. El camarino de la Ilia. Madona duchessa
vostra consorte solicitar6 che sia anche lui fornito presto, e li fard fare
el sollo de quelli quadretini erano nel la sala aperta sopra 1'orto della
casa del s. Cesaro«.<2)
Alia lettera ducale f arcivescovo rispondeva, daVenezia, in questi termini :
»Ulmo et Exmo Signor mio obsmo. Andai heri da la Illma Sa et li si-
gnificai poso le altre cose quello me haveva scripto la S. Vra del desi-
derio haveva la S. V™ de havere Mfo Petro Perusino scontro del pictor
quale se e absentato da Milano. Et havendosi inteso el desiderio de
la S. Vra credo che questa Sa lhaveria concesso alia Ex. V™ et chel
fosse dicto chel haveva tolto ad fare alcuna opera de questa Sa. Ma lo
IHmo Principe dixe chel non era in questa Terra, et per questo non
sapevano como poterlo havere: perche erano sei mesi chel se partite,
ne sapevano dovi el fosse andato.
Ho avuto in questo giorno la liccntia de le artigliaric et munitione
quale questi giorni fu recercata. Et alia Ex. V*a me racommando.
Venetijs die xiiij Junij 1496. Ex. V. S°r Guidoantonius Archiepiscopus.
(Fuori:) Illmo Principi et Exmo Domino meo Obs^o Domino Duci
Mediolani.«
2) Luc a Beltrami * 11 castello di Milano*. Milano, Hocpli 1894. Capitolo XIII.
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II Perugino e la Ccrtosa di Pavia. 37*
A Venezia il pittore non s'era trattenuto a lungo e quando il
duca di Milano lo cercava la egli s'era condotto a Firenze, dove si
trattenne quasi sempre, meno brevi diniore a Fano, a Cantiano, a Sini-
gaglia e altrove finche non fu chiamato a Perugia a decorarvi la sala
del Cambio.
Ad ogni modo il Perugino dovette essere presto informato che si
cercava di lui perche si mise in rapporti o col Duca stesso o coi certosini
di Pavia che, non sappiamo con qual mezzo e a quali condizioni, gli
commisero un quadro per la loro chiesa. Un' altra tavola fu commessa
a un Filippo, che deve essere una persona sola col Filippo dc fra Filipino
di cui parla una lettera di Francesco Malatesta a Isabella Gonzaga del
23 Settembre 1502, pubblicata del Braghirolli:8) e Filippino Lippi. Un
certo Jacopo d' Antonio Lenguzzuoli da Firenze servi d'intermediario fra
i pittori e i monaci. I dipinti dovettero esser commessi al principio dell'
anno 1496 ma sembra che i due maestri non si prendessero molta premura
di accontentare i certosini i quali sollecitarono piu volte l'intermediario
a far premura sui pittori. Ma da una lettera del 10 Ottobre 1496 di
Jacopo d'Antonio — che parrebbe l'intagliatore che s'era assunto di
eseguire Vadarnamento de legtuame cioe la cornice dei quadri — risulta
che il torto stava piuttosto da parte dei monaci che non avevano ancor
mandati i denari promessi, benche l'opera fosse a buon punto. Ecco
la lettera nella sua rozza ma chiara forma:
»I1 nome di Dio adi x. dottobre 1496.
Patres in Chrjsto deo nostro. Voi dite non navere maj autto
risposta da me. Jo vi dico avervi iscritto piu volte non non mai auto
risposta nisuna: molto mi sono inmaravigliato di voj con cid sja cossa
che voj avette isritto antonio de filipp cattolajo e ditte che jo vi dia
avisso come e vostri lavorj vanno e jo vi dicco che se voj avcssi mandatto
e dannarij che voj avevi a mandarre, chelle tavole sarebanno presso
afornitte Inperroche maestro Picrro Perugjno me n'ha ragionatto c maestro
Filippo a ancora e molto si maravigliano che voj non abjattc proveduto
a questa opra sicche comette in quache unno di qua che provega la
data opra. Jo arej fornutto ora ladornamento de legnjame se voj mavessi
provedutto de danari cioe le promesse fatte dacordo e cossj ancora e
dipintorj, non altro per ora. Crjsto de malle che jvardi. (Cristo vi
guardi dal male.) Per lo vostro Jacopo dantonio lenguzzuolo a santamarja
in campo in Firenze.
3) Can. Will el mo Braghirolli »Notizic c documenti inediti intorno a PUtro
Vannucci ditto il Perugino* Perugia, Boncompagni 1874.
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376 . Fraiwesco Malaguzzi Valcri:
(Tuori:) Frattes Jerolamo alia Certosa di Pavja.*4)
Ma le cose andaron per le lunghe, come vedremo. Frattanto il
duca di Milano non aveva rinunciato alia sua idea di avere ai proprii
servizi il Perugino. Benche colpito dalla disgrazia della morte della
consorte Beatrice nel gennaio del 1497 Lodovico il Moro, a pena tre
mesi dopo, riprendeva le pratiche per avere buoni pittori al suo stipendio,
al fine di decorare piu magnificentamente il castello di porta Giovia.
Gia ancor vivcnte la duchessa si era ordinato che le arcate che comuni-
cavano con la sala della Balla fiancheggiata da una galleria corrispondente
sopra il lato del portico terrcno prospettante l'ingresso nella rocchetta
fossero chiuse.
Nel Marzo si scriveva questa lettera diretta, pare, a Perugia:
»Mediolani 28 Martij 1497.
Magnificis Guidoni et Rodulpho de Balionibus.
Per satisfare a ccrte cose quale habiamo designato desideramo
havere qui la persona de Mr<> Petro Perusino: peroche essendo pictore
cxcellente vorriamo valerse de l'opera sua alia satisfactione del desiderio
nostro: C e reparso adunche de questo scriveme alle M. V. et pregarle
che per nostra contenteza vogliano confortare et indure el dicto Mro
Petro a venir qui et farli intendere che venendo havera tal tractamento
da nui chel si accontentara sempre de esser venuto.«
Ma il Perugino o non fu rintracciato o non rispose perche nel
Novembre il segrctario ducale riscriveva in questi termini:
»Mediolani 9. Novembris 1497.
Guidoni et Rodulpho Balionibus.
Desideramo haver el servitio del Perusino pictore, per esscrne
significato che la pcritia sua nel pingere e tale che restariamo ben satis-
facti in alcunc cose quale habiamo in animo: E al adimpletione del
desiderio nostro non ce pare posser usare mezo meliore de le M. V. le
quale se persuademo possino multo de ipso Perusino. E pero nel ritorno
del nuncio quale li porta le altre nostre littere ce riparso pregarle che
le ce vogleno fare questo piacere de operare che habiamo ipso Perusino
o per stare de continuo al servitio nostro o per servirne a tempo limi-
tato: perche lo pigliaremo aquale si vogli partito e li provederemo *lel
modo secondo che le M. V. ordinarano e gli ne faremo le conventione
dovi lui piu se accontentare: e di questo ne expectamo risposta et cum
celerita etiam se le Mtic V. dovesseno mandare littere a posta perche lo
satisfaremo.«
4) Questa lettera e 1'altra del 10 Maggio 1 499 furon pubblicate, con varie ine-
satezzc, dal Magenta nella sua opera sulla Certosa di Pavia. Le uniamo alle altre
inedite, collazionate su gli originali.
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Il Perugino e la Certosa di Pavia. 377
Non possiamo assicurare se e che cosa rispondessero gl' incari-
cati di rintracciare il pittore. Ma par certo che il Perugino non ve-
nisse nemmeno questa volta a Milano, nonostante le belle offerte fattegli.
I documenti raccolti dal Beltrami a illustrazione del castello ricordano le
preoccupazioni del Moro perche, nel breve intervallo di tranquillita fra
la pace di Novara e la calata del Trivulzio agli ordini di Luigi XII
re di Francia, si scolpisse o si dipingesse lo stemma e il noine sforzesco
sulle varie porte del castello e delle corti interne e, in una seletta negra
e in una camera grande dc le assc. Leonardo da Vinci coinpisse le de-
corazioni intraprese, finche, in previsione delle complicazioni politiche
imminenti, si pens6 a limitare tutti i lavori a prd della difesa del
castello. Ma di un intervento diretto o indiretto del Perugino in favore
delle decorazioni del luogo non si ha piu nessun cenno.
Invece, nel maggio del 1499, il Duca, evidentemente pregatone dal
Priore e dai certosini, doveva interporre la propria autorita perche il
pittore mantenesse i patti conchiusi con la Certosa e scriveva al proprio
ambasciatore a Firenze, Taddeo Vimercati, questa lettera che, pel tono
con cui era redatta, ottenne finalmente il risultato voluto:
» Domino Thadeo Vicomercato.
Credemo che sapiate el studio et cura quale havemo misso perche
el Monasterio de la Certosa de Pavia fusse fornito, ne la quale cosa
essendo tanto facto che l'opera sera presto presso el fine, cosi noi
havemo exhortato el venerabile messer lo Priore et frati a che ne le
picture che se havevano fare per devotione et ornamento de la Chicsa,
cercassimo de havere persone electc et prestante ad fade, per la qualcosa
havendoli proposto uno certo Perusino et uno Magistro Philippo, como
pictori prestanti et optimi nel mestero loro quali stano in quella Cita
acio che usassimo de l'opera loro in la pictura de la ancona, cosi de
volunta nostra veneno cum loro ad conventione che li havessino pingere
due ancone et havendoli per questo exbursato bona summa de dinari
perche presto venessino al fine de la pictura depse ancone pare hora
che gia siano passati tri anni che habiano facto la conventione et poco
efTecto si veda de la perfectione de tale pictura, il che e alii frati et a
noi porta molestia et perche hormai la longeza loro e fora del debito,
et non ce poriano esser piu ad core quanto sono le cose depso Monasterio,
per questo volemo che vi retrovati cum quelli Ex1* S" et cum chi altro
sara ad proposito et faciati tale significatione le pregiate ad havere de
loro epsi pictori et prefigerli qualche honesto termino ad finire dicte
ancone et quando poi al prefixo termino non finiscano dicta opera che
li vogliano far costringere ad retrodare li dinari che hano havuto per
fare tale opera da dicti padri et circa questo non mancariti dc studio
Repertoriura fur Kunstwissenachaft, XXVI. 26
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jy8 Francesco Malaguzzi Valcri:
perche leffecto segua. Et de quanto havered operato ce ne dareti aviso
per vostre littere. Mediolani, primo Maij i499.«5)
Pu6 darsi che il ritardo alia consegna del quadro dipendesse sopra
tutto dal pittore: un documento del tempo ci assicura che il Perugino
era »homo lango e quasi mai fwn finisse opera chel comenza, tanta e la
longluzza sua*.6) Ma cid dipendeva forse dal fatto che allora i com-
mittenti erano quasi sempre gran cattivi pagatori, checche se ne crcda
da molti scrittori che che credono troppo fiduirosamente nei cosi detti fasti
di mecenari mostrando di aver poca confidenza coi documenti di quell' epoca
che soli possono darci l'impressione oggettiva dello spirito del tempo. II
buon Perugino,anche dopo che la fama aveva cantate alte le lodi del suo
genio, era obbligato a condurre vita ben modesta e, come ci assicura una
lettera pubblicata dal Braghirolli, il povero maestro non viveva che delle quolidiatie
sue fatiche ed era costretto di servire chi lo pagava di ora in oraf men for-
tunato di tanti altri suoi colleghi che potevano anche attendere degli
anni il loro avere, visto che questo era un mal vezzo dei committenti.
Questa volta il Perugino si decise a finire e a consegnare il
dipinto ai Certosini di Pavia: dell' opera richiesta al pittore Filippo
e, a quanto sembra, anche eseguita almeno in parte, non si hanno altre
notizie oltre le riferite.
La storia delle vicendc della tavola del Perugino pud esscr scguita
fino ad oggi.
II fatto che it pittore segnd col proprio nome il dipinto impedi
che anche in seguito, quando i puri prodotti dell' aurco quattrocento
eran misconosciuti e negletti, l'opera andasse smarrita o passasse sotto
altro nome. Nelle sue memorie della Certosa di Pavia infatti il padre
Matteo Valerio, che vi dimord dal 1604 al 1645 e raccolse notizie preziose
del convento dalle carte del luogo, ricordava, fra i dipinti, anche il
»San Michele di Pietro Perugini^7)
II quadro del Vannucci rimase alia Certosa fino all' epoca turbinosa
delle soppressioni. Fra le opere piu importanti asportate allora dal la
chiesa fu anche quella: assegnata da prima all' Accademia di Brera nel
1784, fu venduta, in parte, alia famiglia Melzi nel 1796: solamente uno
dei sei comparti di cui si componeva si vede tuttora nella chiesa, nella
cappella di S. Michele Arcangelo, la seconda a sinistra. E' il comparto
superiore di mezzo: i tre inferiori vennero sostituiti da copie che eran
state eseguite nel 1586, mentre nei due scomparti superior! si collocarono
6) Archivio di Stato di Milano. Registro delle missive 1498—99 N. 210 c. 158—59.
6) In Braghirolli op. cit.
7) Archivio Storico Lombards A. VI. 1879 pag. 141.
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II Pemgino e la Certosa di Pavia. **n
due frammenti di una pala del da Fossano detto il Bergognone. Dis-
graziatamente nel 1856 le parti spettanti alia famiglia Melzi e precisa-
mente quelle con le figure della Vergine e del Bambino, dell' arcangelo
Michele e dell' arcangelo RarTaele col piccolo Tobia passarono alia
Galleria Nazionale di Londra. Nonostante la disposizione Vicereale del
19 Aprile 1827 che acconsentiva l'esportazione degli oggetti d'arte sol-
tanto »se manchi un pregio particolare nell' opera d'arte « e nonostante
che la Commissione di Pittura dell' accademia di Belle Arti di Milano,
a ci6 interpellata, giudicasse che l'opera era di gran valore storico e
artistico, sia per la notoria provenienza sua, sia per Teccellenza della
esecuzione e del nome che le era legato, e quindi non doveva
essere asportata dallo Stato lombardo-veneto, il prezioso dipinto pote
esulare, a esempio triste ma luminoso che il fare le leggi e ancora ilN
meno quando non si ha 1'animo di farle osservare. II dipinto fu presen-
tato dalla ditta Buffet e Bevuto e fu acquistato per centomila lire da Ottone
Mundler per conto del Museo Britannico del quale era agente.
A scagionare, se pur ve n' ha di bisogno, di ogni responsabilita i
bravi componenti la Commissione che esamin6 il quadro prima del suo
esilio, fra i quali erano artisti e studiosi d'arte come l'Hayez, il Molteni,
il Mongeri, mi piace ricordare qui la loro relazione che tolgo da gli
atti relativi a quell' esportazione che si conservano nell' Archivio di Stato
di Milano.8)
»2i Febbraio 1856.
Esame e giudizio di tre quadri in tavola trasmessi dalla ditta
Buffet e Bevuto con istanza tendente ad ottenere il permesso di spedirli
air estero.
Consiglieri componenti la Commissione: Cav. Hayez, Cav. Molteni,
Prof. Sogni, Prof. Servi, Prof. Bisi Luigi, Prof. Bisi Giuseppe, Prof.
G. Mongeri.
Preso in attenta considerazione il capolavoro presentato dalla noirti-
nata Ditta pel trasporto all' estero, prima d'ogni cosa la Commissione
ha riconosciuto che esso, come venne segnato nell' istanza, si compone
di tre tavole staccate, quantunque costituisca un complesso unico; delle
quali la tavola centrale rappresenta la Vergine col Divino infante sorretto
e circondato da Angeli, quella a destra dell' osservatore l'Arcangelo
RarTaele col fanciullo Tobia, e la sinistra l'Arcangelo S. Michele. Esse
sono trovate d'una rara freschezza e di una bellezza e venusta ancor
piu rare, e devono anzi essere riputate fra le piu celebrate opere di
Pietro Vannucci detto il Perugino, del quale portano il nome segnato,
non senza ragione, dal pittore istesso ai piedi dell' Arcangelo S. Michele.
9) Autograft cit.
26*
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380 Francesco Malaguzzi Valcri:
Si rammenta poi dai presenti Consiglieri che questo egrcgio dipinto
e ben noto come lavoro di detto artefice, siccome quello che esisteva
gia in uno de' nostri piu magnifici templi (la Certosa di Pavia) e per
effetto delle politiche vicende dello scorso secolo, venuto in proprieta
privata della famiglia ducale Melzi, dalla quale sarebbesi ora alienato
per cssere trasportato all' cstero.
Senza discendere a discussioni, la Commissione assicurata sull'
identita dell' oggetto c compresa dell' iinportanza grandissima che esso
tiene nella storia dell' arte e pei meriti intrinseci ammirabili che vi
riscontra, non saprebbe porgere la propria adesionc di vedere spogliato
10 Stato nostro di opera cosi eletta e si limita pertanto a dichiarare
che, se havvi capolavoro, cui siano applicabili le riserve contenutc nclla
disposizione Vicereale comunicata col Governativo Dispaccio 27 Aprile
1827, No. 12559 — 2II4> egli e certamente questo.
Firmato Ge Molteni
„ Francesco Hayez
„ Giuseppe Bisi
„ Gio. Servi
„ Luigi Bisi
„ Gius. Sogni
„ Ge Mongeri.«
Come osservava recentcmente il Williamson, che al Perugino dedicd
uno dei volumi della scric Great Masters in Painting atid Sculpture*) il
quadro della National Gallery e uno dei piu attraenti del maestro. Si
noti poi coni esso accolga tutte le caratteristiche a lui peculiari. I rapporti
con altre opere note del pittore vi sono infatti grandissimi. La figura del
S. Michele, rivestito di armatura, a gambe aperte, la sinistra appoggiata
alia grande targa a testa di cavallo ornata ricorre nel quadro della
Pinacoteca di Bologna — in cui la bella figura si appoggia mollemente
presentando la targa di profilo anzi che di faccia — , nella sala del
Cambio a Perugia piu fantasticamente ideata e piu naturale, nell'
Assunzione della Vergine dell' Accademia di Firenze, identica nella posa
al quadro di Londra ma con diverse varianti nell' acconciatura e altrove.
11 gruppo della Vergine adorante il Bambino in un paesaggio a colli-
nette degradanti dolcemente all' orizzonte presenta una dolcezza intima
che stupise anche se rappresentata da un maestro come il nostro che della
grazia e del raccoglimento s'era fatta una speciality nell' arte. II pittore
ide6 il gentile gruppo piu felicemente che nelle grande Adorazione di
Villa Albani, ove le figure fanno circolo intorno al bambino steso nudo
9) London. George Bell and Sons, 1900, ill.
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II Perugino e la Certosa di Pavia. 38 1
su un drappo, la testa appoggiata a un rotolo a md di ruscino, come
am6 rappresentarlo il Francia, che orTre tanti e naturali punti di contatto
col maestro umbro; e la figura della giovane madre nel quadro di
Londra e condotta a un grado di bellezza ben maggiore della sua
corrispondente del quadro di Roma eseguito nel 1491: ci6 che prova
che il pittore progrediva rapidamente verso la perfezione della bellezza
mistica. II terzo gruppo dell' angelo e del piccolo Tobia presenta un'
attrattiva meravigliosa: frail fanciullo e l'angiolo — maschia figura d'Apollo
cristiano di splendida modellatura sotto le vesti che lo avvolgono — corre
tale corrente di dolci sensi da fare di questo gruppo gentilissimo la cosa
piu attraente di tutta l'opera d'arte del Perugino.
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Die Vision des Ezechiel (cap. 37) auf einer byzantinischen
Elfenbeinplatte.
Von E. von Dobschutz.
Das British Museum besitzt als Schenkung von F. Slade (1856)
unter den fruhchristlichen Altertiimern eine kleine byzantinische Elfen-
beinplatte des 9. Jahrhunderts, auf welcher H. Graeven eine Darstellung
dcr Hadesfahrt Christi erkennen zu sollen glaubte. *) O. M. Dalton hat
in seinem vortrefflichen Katalog jener Sammlung diese Deutung sich an-
geeignet.2)
Ich habe gegen die Richtigkeit dieser Deutung Bedenken. Zu-
nachst schon dies, dafi die Darstellung vollig von dem sonstigen Typus
der Hadesfahrtdarstellungen abweicht; soclann dafi die deutende Inschrift
dabei nicht zu ihrem Rechte kommt. Ich glaube ferner, mit einer an-
deren Deutung die Komposition besser erklaren, die Inschrift nattirlicher
auslegen zu konnen.
Wir sehen auf der Platte scheinbar zwei Bilder. Die rechte Halfte
wird eingenommen von einer Christusszene: Christus, in der Mandorla
mit Kreuznimbus, tront auf der Iris; seine Fufie ruhen auf einem vier-
beinigen Schemel, der seinerseits mit vier kugelformigen Ftifien auf dem
Erdboden steht; Christus halt in der Linken das edelsteinbesetzte Evan-
gelienbuch, wahrend die Rechte in griechischem Segensgestus nach links
hintiberweist; Gesicht und Korper sind merkwUrdigerweise leicht nach
der entgegengesetzten Seite gewendet. Den Hintergrund bilden hier acht
in ganzer Figur liber die Mandorla hervorragende Kngel mit gel ock tern
Haar und glattem Nimbus, sehr geschickt gruppiert, sodafi einer, rechts
von der Mandorla stehend, diese gleichsam halt, die andern links in zwei
*) Jahrb. der kunsthist. Saramlungen des Allcrh. Kaiserhauses XX, 1899. S. n,
vgl. dess. Elfenbeinwerke Ser. I 45, wo die von Gr. selbst in Jahrb. der K. prcuC.
Kunstsammlungen XVIII, 1897, S. 14, A. 1 gegebene Deutung auf die Segnung dcr
Kinder durch Christus zuriickgenommen ist.
2) Catalogue of early christian antiquities in the British Museum, 190 1. S. 56,
no. 299, Tafel XI.
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E. v. Dobschiitz: Die Vision des Ezechiel (cap. 37) etc. 383
aufsteigenden Reihen rangiert sind. Die drei in der vorderen Reihe
halten die gleiche Richtung nach rechts ein wie Gesicht und Korper
Christi; die obersten der hinteren Reihe blicken den Beschauer an, die
beiden am meisten links stehenden aber sehen mehr nach links, wie denn
auch der einzelstehende Engel rechts dem Gestus der Hand Christi mit
den Augen folgt.
Scheinbar unabhangig davon ist die Szene der linken Halfte: dort
steht eine hohe Figur aufrecht, grofier als die Mandorla urn Christus; die
mannliche Gestalt ist gekleidet ganz wie Christus, mit Chiton und Chla-
mys, auch der Kopf mit Bart und Haar gleicht dem Christuskopf und ist
gleich diesem nach rechts zu gewendet; aber der Nimbus ist ein einfacher,
ohne Kreuz. Die Linke, eine Rolle haltend, berlihrt fast die Mandorla,
wahrend die Rechte mit dem gleichen Gestus wie bei Christus nach
links ausgestreckt ist Unter dieser Hand sehen wir drei nackte Ge-
stalten, das Haar ebenso gelockt wie die Engel, sich aus einem umfrie-
deten Raum erheben. Die Beine sind merkwiirdig verzerrt, bei dem
einen wohl abgebrochen; unten liegen Stiicke, die man als einzelne
Knochen deuten kann. Den Hintcrgrund bildet ein Gemauer, auf dem
sich ein Gebaude mit zwei von vier Siiulen getragenen Giebeln erhebt;
eine Ttir und zwfei Fenster sind angedeutet. Uber den Giebeln steht
die Inschrift, auf die wir gleich zuruckkommen.
Die Zweiteilung fallt zwrar sehr in die Augen, aber der Kunstler
hat doch die Beziehung beider Halftcn aufeinander dcutlich genug ge-
macht: wir haben schon die Linkswendung mehrerer Figuren der rechten,
die Rechtswendung der Hauptfigur der linken Halfte erwahnt. Christi
reenter Arm bildet, ohne dafi dies unschon steif ausgefallen ware, eine
Linie, die von dem linken Arm der stehenden Figur tibcrnommen, in deren
rechtem sich waeder fortsetzt. Schliefllich steht auch diese Figur auf
demselben Boden wie der Schemel Christi.
Die Inschrift oberhalb des architektonischen Hintergrundes besagt:
Tots 0 yj; or^ct (so!) too H 7^3 | 3sv Tot 0T:a. Ich vermute, dafi irgendwo
noch die Buchstaben ttj stecken (auf der Photographie kann man im
Schatten rechts von den Engeln und links von dem linken Giebel nichts
erkennen), in r^visTr^sv hatten wir eine doppelaugmentierte Aoristform von
avtVrr^At3), wahrend Graeven und Dal ton r^vssicv als Verschreibung fiir
dvzTrrpzv ansehen. Jedenfalls heifit es: »Dann richtete Christus durch
den # die Gebeine wieder auf.«
Wie ist nun die Ligatur ft aufzulosen? Graeven meint Trpoo^ojioi),
die bekannte zuerst durch den Gnostiker Herakleon eingeftihrte, von
3) analog iptTf/tp-tp vgl. Klihner-Blafi, Gramm. der griech. Sprache § 205.
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384 K- v- DobschUtz:
Clemens und Origenes gutgeheiflene und im kirchlichen Sprachgebrauch
eingebiirgerte Bezeichnung des Taufers Johannes,4) die bei den Griechen
die vorherrschende wurde, wiihrend das Abendland sich an das biblische
Johannes baptista hielt. Graeven denkt daran, dafi man die Vorlaufer-
schaft des Johannes auch auf die Hadespredigt Jesu bezog5), und laflt
hier die Befreiung der Patriarchen aus dem Hades, dessen Tore die
Architektur darstelle, in Jesu Auftrag von Johannes vollzogen sein.
Dieser Gedanke aber ist in der Uberlieferung ganzlich unbelegt: sie halt
sich immer daran, dafi der Vorlaufer nur Jesum ankiindigt So tritt in
dem zweiten Teil des Evangelium Nicodemi nach dem alten Symeon
Johannes im Anachoretenkostiim (quasi he re mi col a) auf und berichtet
den Vatern im Hades von seiner Bufipredigt und der Taufe Jesu, die
ihnen eine Gewahr ftir sein baldiges Erscheinen und ihre Befreiung ist.6)
Diese Hadespredigt des Taufers stellt auch das Paieotto von Monza dar.
Ferner aber ist dem Gedanken der Hadesfahrt ganz fremd die Be-
ziehung auf die Wiedererweckung des Leibes, oder wie es hier in der
Beischrift noch realistischer ausgedriickt ist, die Wiederaufrichtung der
Gebeine. Das erinnert den Bibelkenner sofort an eine beruhmte Pro-
phctenstelle, Ezech. 37, die Vision der verdorrten Gebeine:7)
1 Und Ubcr mich kam die Hand des Herrn;
und der Heir ftthrte mich im Geiste hinaus
und stellte mich mitten auf die Ebene,
und die war voll Menschengebeinen.
2 I'nd er ftthrte mich rund um sie herum,
und siehe, es waren sehr viel auf der Ebene, gar trocken.
3 Und er sprach zu mir: Mcnschenkind, werden diese Gebeine
lebendig werden?
und ich sprach: Hcrr, Herr, du weiflt das.
4 Und er sprach zu mir: Weissage8) liber diese Gebeine und sprich
zu ihnen:
Ihr dlirren Gebeine, hciret des Herrn Wort:
5 »So spricht der Herr zu diescn Gebeinen:
Siehe ich bringc liber cuch den Geist9) des Lebens
4) Origenes in Joh. comm. VI, 23 ; vgl. Brooke, Texts and Studies I 4, S. 63 ;
auch Clemens Alex, protr. I ; Adamantius I 26.
5) Schon Hippolyt, de antichristo 45, p. 29 Achelis.
6) Tischendorf, evangelia apocrypha % 392 f.; vgl. 426 und 324 f., zwei jttngere
Formen; die altere ist benutzt bei Eusebius Alexandrinus (oder Emesenus ?), de adventu
Ioannis in infernum, Migne Patr. gr. 86, 509—526.
7) Ich libersetze nach den LXX, dem ftir den byzantinischen Kttnstler allein in
betracht kommenden Bibeltext.
8) Weissagen (ttoo^te-jeiv) hat hier wie oft nicht die Bedeutung: KUnftiges vor-
ausverkttnden, sondern: in gottgewirktcr Kede, feierlich, machtvoll aussprechen.
°) Geist, Odem, Wind ist durch dasselbe Wort bezeichnet.
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Die Vision des Ezechiel (cap. 37) auf einer byzantinischen Elfenbeinplatte. 385
6 und gebe euch Schnen
und liberziehe euch mit Fleisch
und spannc liber euch Haut
und gebe mcinen Geist in euch — und ihr werdet leben
und ihr werdet erkcnnen, dafl ich der Herr bin.«
7 Und ich weissagte, wie er mir aufgetragen hatte;
und es geschah, da ich noch redete, da kam ein Erdbeben,
und es brachte zusammen die Gebeine zu ihrem Gcfiige,
8 und ich sah, und siehe, Sehnen und Fleisch erwuchs an ihnen
und Haute zogen sich tiber sie;
abcr noch war kein Geist in ihnen.
9 Und cr sprach zu mir: Weissage zu dem Geist hin,
weissage, Menschenkind, und sprich zu dem Geist:
»So spricht der Herr: Von den vier Winden komm
und blase in diese Totengebeine, daO sie leben. «
10 Und ich weissagte, wie er mir aufgetragen hatte,
und Geist kam in sie, und sie wurden lebcndig
und traten auf ihrc FuBe, eine gar grofle Schar.
Gewaltig ist in dieser Vision die nationale Wiederaufrichtung
Israels aus der Niederwerfung im Exil symbolisiert. Begreiflicherweise
aber fand die christliche Exegese darin etwas ganz anderes: die Weis-
sagung der Totenerweckung bei der Wiederkunft Christi. Als ein pro-
phetischer Beleg flir den Glaubenssatz von der allgemeinen Auferstehung
des Fleisches hat Ezech. 37 in der christlichen Glaubenslehre immer eine
grofie Rolle gespielt.10)
Auch in der bildenden Kunst findet sich die Szene einigemal, oflen-
bar um der gleichen Beziehung willen.11) So auf mehreren romischen
Sarkophagen im Lateranmuseum (Garrucci 3121, 3181 [= Bottari 195],
3722 [= B. 134]; 3764; 398a [= B. 38, auch bei Heuser und Kraus]),
in der "Villa. Ludovisi (V. Schultze, Archaologische Studien 99 ff.) und in
Gerona (Garrucci 3743). Der Prophet erscheint hier immer jugendlich
bartlos, sodafi Garrucci nicht mit Unrecht sagt: »Ezechiele, ovvero in sua
vece Cristo«; er halt meist die Schriftrolle in der Linken und in der
Rechtcn den Wunderstab. Fast regelmafiig steht ihm zur Seite, ihn an-
schauend, eine zweite Figur, die bartig aufgefafit ist; sie beriihrt jenen
mit der Rechten an der Schulter, ein Gestus, der sich kaum als segnend
bezeichnen lafit; es ist ein aufmerksam machen, anweisen. Das kann
la) Man vergleiche z. B. schon Justin apol. I 52; Irenaeus adv. haer. V. 15;
TertuUistn. de resurr. carnis 29; Cyprian testim. Ill 58; Ambrosius de fide resurr. II 73;
JyTill. Alex. adv. anthropom. 9; Paulin Nolan, carra. 31, 311 fT.; die Ezechielkommen-
are des Hieronymus, Gvegor. Magnus, Rabanus Maurus, Rupertus abbas, Richard von
>. Victor u. a.
ir) Vgl« Heuser. in Kraus Realencykl. I 473; Kraus Gesch. der christi. Kunst
147; J. Fickers Kataldg des christlichen Museums im Lateran.
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386 E- v. Dobschtitz:
freilich kaum ein Jiinger des Propheten sein. 1st es mehr als eine Fiill-
figur, wie solche ja auf Sarkophagen nicht selten zur Raumausfiillung und
Hervorhebung der Hauptfigur erscheinen — auch bei unserer Szene sind
noch zuweilen ein bis zwei bartlose oder auch biirtige Kopfe iin Hintergrund
angebracht12) — , so inufl man sie als den ewigen Logos oder praexistenten
Christus auffassen, der dem Propheten das Wunder auftragt. Oder aber
Christus und Prophet haben die Rollen getauscht: die jugendliche Ge-
stalt mit dem Wunderstab (und Rolle) ist Christus, der das Wunder voll-
bringt, und neben ihm steht der Prophet, nur darauf hinweisend. Das
Wunder selbst ist angedeutet durch einige nackte Korper, die teils auf
ihren Fiifien stehen, tcils licgen; daneben sind dann meist noch ein oder
zwei Kopfe bezw. Schadel angebracht, das sicherste Unterscheidungs-
zeichen unserer Szene von der Schopfung Adams und Evas, die auf Sar-
kophagen ahnlich dargestellt wird.1JJ)
Ganz anders ist dieselbe Szene auf einer Kolner Goldglasschiissel auf-
gefafit.14) Der erste Herausgeber erklarte diese Darstellung fiir das Felsen-
wunder des Moses. Der Prophet steht hier allein, bartig: mit dem Wunder-
stabe beriihrt er ein einem Felsen allerdings ahnliches Gebilde, auf dem
auch Wasser angedeutet zu sein scheint; nur dafi statt der trinkenden
Israeliten einzelne Gliedmafien, ein Kopf, zwei Hiinde, zwei Beine, ver-
streut erscheinen. Tatsachlich handelt es sich (nach Vopels genauer Be-
schreibung) um eine mit griinen Tupfen iiberdeckte, rechts durch einen
wellenformigen Goldstreifen abgeschlossene Flache, die Ebene, auf der
die diirren Gebeine herumliegen. Biiume umschliefien die Szene. Es ist
eine nicht ohne Kiihnheit ausgcftihrte Komposition, die entschieden
malerisches Verstandnis zeigt.
Dieser nicht eben grofien Zahl von Darstellungen der Vision in
Ezech. 37 15) ist unser Elfenbeinplattchen anzureihen. Denn es erscheint
kaum zweifelhaft, dafi it Trf/O^xr,; aufzulosen und in der stehenden Haupt-
figur der Prophet Ezechiel zu erkennen ist, der im Auftrag des Herrn
12) Garr. 3121, 3722 ein bartloser, 3743 zwei biirtige Kopfe: mit diesen Begleit-
figuren gehort audi der bartlose \fann in ganzcr P'igur bei Garr. 3983 zusammen, nicht
mit der sonst vorkommenden bartigen Gestalt.
13) Vgl. Garrucci 3611, 3652; bei 3 1 81 z. B. kann man schwanken, ob wirklich
die Vision Ezechiels oder die Schopfung gemeint ist.
14) H. Dlintzer, Aus der Antikensammlung des Ilerrn Ed. Hcrstatt in Koln,
Jahrblicher des Vereins der Altertumsfreunde ira Rheinland, XLII 1867, 168 — 182, Taf. V;
Heuscr in de Rossis Bulletino 1866, 3, 52; Garrucci, vetri ornati di figure in ore 169;
Vopel, Die altchristlichen Goldgliiser 66.
15) Nach freundlicher Mitteilung von Dr. A. Haseloff findet sich diese Vision auch
auf mittelalterlichen Miniaturen nur selten, z. B. in einer Erlanfjer Bibel des 12. Jahrh.
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Die Vision des Ezechiel (cap. 37) auf einer byzantinischen Elfenbeinplatte. *gy
die Totengebeine erweckt. Das erklart vollig die Inschrift, aber auch
die Komposition. In der Haltung des Propheten driirkt sich vorzliglich
das sSo spricht der Herr« aus. Die unfertigen Gestalten, die Knochen,
die wir wahrzunehmen glaubten, gehoren wirklich dieser Vision an. Dafi
die Gestalten sich wie aus einer gemauerten Gruft (rectangular tomb,
Dalton) erheben, die an den Hades denken liefi, ist nur Tauschung: dar-
gestellt ist die umfriedete Ebene, urn die herum der Prophet soeben
gefiihrt worden ist (v. 2). Die Architektur des Hintergrundes mag, soweit
ihr liber den rein dekorativen Zweck hinaus eine Bedeutung beigemessen
werden mufl, die Stadt in Babylonien darstellen sollen, in der Ezechiel
lebte und aus der er vom Geist des Herrn auf jene Ebene hinausgefiihrt
worden war (v. 1). Ist es doch dieser ihrem Wesen nach illustrativen,
exegetischen Kunst eigen, dafi sie, dem Schrifttext Vers um Vers, Wort
um Wort nachgehend, moglichst alle darin enthaltenen Einzelmomente
zur Anschauung zu bringen sucht. Von der Ezechielvision aus begreift
sich auch erst ganz die Darstellung Christi. Der vierftifiige Schemel soil
der Cherubwagen sein, wie ihn gerade der Prophet Ezechiel cap. 1 u. 10
schildert. 16) Die ganze Haltung Christi, seine Wendung nach rechts statt
auf das Hauptziel links zu, deutet an, wie er auf diesem Wagen an dem
Propheten voriiberfahrt.
Diese Elfenbeinschnitzerei weicht von den altchristlichen Dar-
stellungen auf den Sarkophagen und auf der Goldglasschiissel betrachtlich
ah: sie ist im Stile der spateren Zeit viel reicher gehalten. Und doch
lassen sich gewisse Beriihrungen nicht verkennen, besonders mit der Form
auf den Sarkophagen. Dort fanden wir den jugendlichen Propheten, der
fast fur einen Christus anzusprechen war: hier fiel uns auf, dafi der
Prophet dem bartigen Christustypus ganz gleichgestaltet ist. Dort stand
dem Propheten gegeniiber die eine biirtige Gestalt, in der wir den Auf-
trag gebenden Herrn erkannten: hier entspricht dem der auf dem Cherub-
wagen voriiberfahrende Christus in der Mandorla. Dort fanden wir
meist zwei fertigaufgerichtete Gestalten und ein oder zwei Schadel: hier
liegen unter den sich eben emporreckenden, noch unfertigen Figuren
etliche Knochen, was dem Texte noch exakter entspricht.
Die kleine Platte kann nicht fur sich gestanden haben. Das be-
zels t schon das tots am An fang der Inschrift. Graeven folgert daraus,
laO die Vorlage eine Buchmalerei war. Es ist moglich, dafi unsere Dar-
16) Ahnliche Schemel finden sich frcilich auch sonst. Aber sic haben dann oft
iehr Fflfle, z. B. auf dem Berliner Elfenbein Bode-Tschudi, LXII n. 442. Auch kann
1 ein sonst gelaufiges Motiv der spezielle Gedanke an den Cherubwagen von dem
unstler eingetragen worden, bezw. jenes um dieses willen gewahlt worden sein.
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388 £• v DobschUtz: Die Vision des Ezechiel (cap. 37) etc.
stellung in einen Zyklus von Illustrationen zu dem ja an Motiven so
reichen, phantastischen Buch des Ezechiel gehort. Man kann sich aber
auch eine mehr dogmatische Behandlung der letzten Dinge in mehreren
Szenen denken. Vielleicht lafit sich aus den liturgischen Gebeten und
Gesangen der griechischen Kirche noch einmal feststellen, in welche Ge-
dankenreihe diese Darstellung von Ezechiel 37 mit der eigenartigen Form
ihrer Inschrift hineingehort
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Reichenauer Malerei und Ornamentik im Cbergang
von der karolingischen zur ottonischen Zeit.
Von Georg Swarzenski.
Die beiden Schulen, deren Bedeutung fur die Anfange deutscher
Malerei hier in einem bestimmten Sinne untersucht werden soil, sind
vielleicht die bekanntesten innerhalb der Friihzeit der deutschen Kunst.
Was Rahn in seiner Publikation des Psalterium aureum1) fiir St. Gallcn
leistete, trugen Beissel,2) Kraus,8) Voge4) und Haseloff5) durch VerofTent-
iichung einzelner Denkmaler und zusammenhangende Studien fiir die
Reichenau zusammen. So ist die Bedeutung beider Schulen fast popular
geworden, und ein Wiederaufgreifen dieses Themas erscheint fast iiber-
flussig. Aber der Character der genannten Arbeiten, die sich iiber einen
Zeitraum von fast 25 Jabren verteilen, erklart es, dafi hier noch man dies
zu sagen bleibt, und ergibt auch die Richtung, in der eine erneute
Untersuchung sich zu bewegen hat. Rahn hatte nur St. Gallcn und die
karolingische Zeit im Auge; die andern haben bewufit oder unbewuflt
fiir die Reichenau und die ottonische Zeit gearbeitet. Aber gerade die
engen Beziehungen, die die beiden Kloster verbinden, sind auf dem
Gebiete, das sich heute am deutlichsten verfolgen lafit, noch nicht ein-
gehend untersucht worden, — trotz der bekannten Nachrichten iiber
entsprechende Zusammenhange auf dem Gebiet der Monumentalmalcrei,
trotz der Ergebnisse baugeschichtlicher Untersuchungen,6) und obwohl
x) Rahn, Das Psalterium Aureum von St. Gallen. St. Gallen 187S.
2) Die Bilder der Hs. des Kaisers Otto im Miinster zu Aachen. Aachen 1886.
*) Die Miniaturen des Kodex Egberti etc. Freiburg 1884. Die Wandgemiilde
der St. Georgskirche zu Oberzell auf der Reichenau. 1884.
*) Eine deutsche Malerschule etc. Westdeutsche Zeitschrift. Trier 1891.
5) Der Psalter Erzbischof Egberts von Trier. Festschrift der Gesellschaft fiir
nfitzliche Forschungen. Trier 1901.
®) Neuwirth, Die Bautatigkeit der alamannischen Kloster St. Gallen, Reichenau
und Petershausen. (SB. der phil.-hist. CI. der k. Akad. CVI, 1.) Wien 1884.
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3<)o Georg Swarzenski:
die literarischen, politischen, wirtschaftlichen und personlichen Beziehungen
zwischen beiden Klostern diese geradezu als Schwesterschulen erscheinen
lassen. Nur die Beachtung der Zusanimenhange zwischen beiden Schulen
wird aber einer kunstgeschichtlichen Betrachtung die Moglichkeit geben,
eine Brlicke zu schlagen zwischen den Meisterwcrken der ottonischen
und der karolingischen Zeit und so die einzelnen Entwicklungsstufen
einer zur groflten Bedeutung bestimmten Malschule aufzudecken, wie sie
gerade in dieser Zeit an keinern zweiten Orte mit gleicher Deutlichkeit
zu verfolgen sind.
Bereits bei der Aufstellung des blofien Begriffes und des Materials
der beiden Schulen ergibt sich eine Schwierigkeit, die die Beurteilung
stark beeinflufit. Die St. Gallische Bibliothek befindet sich noch heute
an Ort und Stelle, und die dortigen Bestande sind reich gcnug, einen
Uberblick (iber die Tatigkeit und Entwicklung der Schule zu geben. Auch
hier ist zwar vieles verloren gegangen, und manches bedeutende Werk
der St Gallener Schule ist nachzuweisen, das an andere Orte gekommen
ist. Aber der heutige Bestand der Bibliothek darf doch als mafigebend
gelten bei der Aufstellung des Werkes der Schule und bei der Bestim-
mung ihres ktinstlerischen Charakters. Dagegen ist die Reichenauer
Bibliothek, abgesehen von den Verheerungen in alter Zeit und dem
klcincn, geschlossenen Komplex in Karlsruhe, vollig zerstreut, und gerade
die kunsthistorisch wichtigen Prachtwerke der Schule waren hier von
vornherein mehr flir den Export bestimmt, als dies in St. Gallen der
Fall war. Daher ist es erst kiirzlich eingchenden Untersuchungen und
scharfsinnigen Beobachtungen gelungen, die durch Voge bckannt ge-
wordene, fruchtbarste Schule der ottonisch-heinricischen Zeit auf Reichenau
zu lokalisieren.
Dies ist das Verdienst HaselofTs, der durch diese Zuweisung es erst
ermoglicht, von einer Reichenauer Schule tatsachlich zu sprechcn, wahrend
vorher auf Grund der Wandmalereien der Georgskirche, der Schriftquellen,
der Miniaturen des Egbcrtkodex, hochstcns der Schlufi auf die Existenz
einer solchen sehr nahe lag. Anschaulicher als HaselofTs komplizierte
Ausfiihrungen beweist die Richtigkeit seiner Behauptung eine Handschrift,
die ihm wie Voge unbekannt geblieben war, und die gleichsam die
Probe aufs Exempel ergibt: Eine Vita sci. Oudalrici, von Berno von
Reichenau verfafit und Fridebold von St Afra gewidmet Das kiinstlerisch
ausgestattcte Exemplar in Wien7) ist als das eigentliche Widmungs-
exernplar anzusehen. So ist einerseits seine Reichenauer Entstehung
7) Hofbihl. Cod. 573. Die Hs. ist zuglcich wertvoll als Belcg filr die Beziehungen
der Aiigs))urger Kunst zu Reichenau, die auch auf Grund anderer Dcnkmaler zu kon-
statieren sind.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik.
391
gesichert, unci andrerseits zeigt ein Blick auf Initialschmuck, Bild und
Schrift, dafi die Handschrift ohne jeden Zweifel ein Werk eben jener
Schule ist, die Voge zuerst behandelt hat und die nun nicht mehr nach
ihrem Bearbeiter als die »V6gesche«, sondern getrost als die Reichenauer
bezeichnet werden darf.
Diese von Voge bearbeitete Gruppe, die Liuthargruppe, bildet das
letzte, jiingste Stadium der Reichenauer Schule unserer Epoche. Ihre
historische Bedeutung liegt auf dekorativem Gebiete in einem energie-
vollen Umgestalten und noch mehr in einem planmafligen Ausscheidcn
alter Motive aus dem erdriickenden Motivenschatz der alamannischen
Ornamentik, in malerischcr Beziehung vor allem in der Aufstcllung eines
klaren, bequemen und unzweideutigen Modus fur die Gestaltung der
{Composition, Figurenbildung und Technik in dem zeitgemafien Sinne.
Daher der Eindruck des Neuen und Bedeutungsvollen in einigen hervor-
ragenden Arbeiten der Fruhzeit, daher aber auch die beispiellose
Trockenheit und Zahigkeit der Tradition in den Durchschnittsarbeiten
dieses Ateliers, das, wie kein anderes, mehrcre Generationen hindurch
imstande war, die erstarkenden Regungen eines kind lichen, aesthetischen
Bcdiirfnisses bei Hof und Kirche zu befriedigen. Wie sehr auch diese
letzte Etappe der Schule auf der Tradition fufit, ist zwar noch nicht
eingehend untersucht, aber doch bereits klar geworden, indem die Aus-
ftihrungen Haseloffs eben als Konsequenz zu der Lokalisierung dieser
Arbeiten auf Reichenau flihrten. Ich will nur das eine betqnen, dafi
selbst in den spjitesten Arbeiten dieser Gruppe und in provinziellen
Ablegern8) derselben wichtige Dinge, die den Habitus dieser Hand-
schriften wesentlich mitbestimmen, sich zurtickverfolgen lassen bis zu den
Prachtwerken der St Gallener Schule, die um die Wende des 9. und 10.
Jahrhunderts — also hundert Jahre frtiher — entstanden sind. Nicht nur
die Schrift erweist sich in jenen Arbeiten abhangig von diesen, sondern
vor allem auch die Art der Verteilung der Schrift im Raume, die Wahl
der Schriftgattungen in den Initien, Rubriken und im Ubergang vom
Initial zur laufenden Schrift des Textes. Spate Handschriften der st.
gallischen Schule zeigen diesen Typus, der mit Sintrams Evangelium
longum und seinen Verwandten zuerst auftritt,9) nicht mehr. Wir dtirfen
also schon jetzt sagen, dafi wichtige Elementc der St. Gallener Schule
in Reichenau eine Art Nachbliite erlebt haben.
Dieser Fall ist typisch fur das Verhaltnis der beiden Schulen zu-
einander wahrend des ganzen 10. Jahrhunderts. Je weiter man, schritt-
8) Z. B. in der Mindencr Handschriftengruppe, die Voge, Repcrt. f. Kw. XVI. 1893,
behandelt hat.
9) Hiertiber s. unten.
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^q 2 Georg Swarzenski:
wcise, zuriickgeht in der Betrachtung, dcsto kraftiger erklingen in den
Reichenauer Arbeiten jene alten st. gallischen Noten, — freilich ohne
darum irgendwie Veranlassung zu geben, jene Arbeiten der Reichenau
streitig zu machen und sie etwa nach St. Gallen zu verlegen. Gerade
die Arbeiten, die der Liutbargruppe zeitlicb zunachst vorausgehen, sind
mehr als alle tibrigen auch durch aufiere Merkmale fur Reicbenau
gesichcrt; andrerseits zeigt sich, dafi gerade die diesen Arbeiten gleich-
zeitigen Erzeugnisse der St. Gallener Schule — also die der mittleren
und spateren Ottonenzeit — ihre alte Eigenart aufgeben, sodafi sie sich
in gleicher Weise von den alten heimischen Vorbildern, wie von den
zeitgenossischen Reichenauer Arbeiten entfernen.10)
Diese Arbeiten, durch die auch der Trierer Egbertkodex erst seine
feste Stellung in der Reichenauer Kunst erhalt, und die in ihrer Gesamt-
heit die der Liuthargruppe zunachst vorausgehende Entwicklungsstufe
auf der Reichenau reprasentieren, sind Prachthandschriften im groflen
10) V'om Ende des 9. Jahrhunderts an und wahrend des ganzen 10. Jahrhunderts
bcobachtet man deutlich, wie beide Schulen, auf einer gemcinsamen Grundlage beruhend
(s. u.), auseinandcrgehen. Es ist deshalb unmoglich, etwa die Liuthargruppe nach
St. Gallen zu verlegen. Die liturgischen Hinwcisc auf St. Gallen, die Beissel zu einer
solchen Annahme geneigt machen, sind durch die engen Beziehungen der Kloster
zueinander genligend zu erklaren. Die einzige der Liuthargruppe verwandte Richtung
in St. Gallen bilden die eng zusammengehorigen Missalien der Stiftsbibl. Codd. 33S,
340, 341, 376, mit denen der Prudentius, Cod. 135, zusammengeht. Diese Gruppe,
die ich nach dem signierten Codex 338, als Gotescalc-Gruppe bezcichne, sleht in
der Komposilionswcise, der Behandlung des Hintcrgrunds, und vor allem im Farbcn-
geschmack dem Codex Egberti und den Frtihwerken der Liuthargruppe nahe. Es
herrscht eine ahnliche, weiche Palette : Violettrosa, Hellblau, Orange, mattes Griin und
Braunlich-Gelb. Aber allcs ist flauer, verwaschener, wie in Reichenau. Innerhalb der
Gruppe stehen sich der Prudentius und Cod. 376 in der Formensprache am nachsten.
Im Cod. 340 sind die Farben kraftiger, stumpfer, dicker, als sonst. In diescr Gotescalc-
gruppe finden wir auch zuerst in St. Gallen cine planmaBige Verwendung der aus-
gebildeten Rankenornamentik. Aber man sieht auch hier den duichgreifenden Unterschied
gegeniiber den Reichenauer Formen. In Cod. 341 wirken altere, karol. Elemente der
Schule nach, die in den Ubrigen Arbeiten der Gruppe fast vollig abgestreift sind. Eine
wichtige Obergangsstufe von dem ornamentalen Stile der Hartmuthandschriften zu dem
der Gotescalcgruppe bildet der Cod. 342, dessen Initialen sich besonders eng an den
Evangelienkodex in Besitz des Dr. Wings in Aachen anschliefien, dessen Zugehorigkeit
zur Schule keinem Zweifel unterliegen kann. Die merkwurdigen Randzeichnungen im
Kanon des Cod. 342 sind erst nachtriiglich zugeftigt und gehoren bereits in den Kreis der
Gotescalcgruppe. — Die spezifische Ornamentik der Liuthargruppe habe ich nur in
2 Iisn. gefunden, die als St. Gallisch bezeichnet werden konnen: Im Cod. 25. a. 14 der
Stiftsbibl. zu St. Paul i. K., der aus liturgischen Grtinden flir St. Gallen in Anspruch zu
nehmen ist, und in dem bekannten Lucan der Stiftsbibl. zu St. Gallen (Cod. 863). Ob
diese Hsn. in Reichenau fiir St. Gallen gcarbeitet sind oder in St. Gallen von einer
reichenauisch geschultcn Hand, ist nicht zu entscheiden.
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Reichenauer Malerei unci Ornamentik. $o3
Stile, deren kiinstlerische Bedeutung vorziiglich im Ornamentalen liegt
Unter diesem Gesichtspunkt wollen wir sie zuerst betrachten ; sie erweisen
sich hierin als das Beste, was die abendlandische Kunst der Zeit geleistet
hat. Urn diese Gruppe von ihren Vorlaufern und Nachfolgern in der
Schule zu unterscheiden, bezeichnen wir sie nach der signierten Arbeit
in Solothurn11) als die »Eburnantgruppe«.
In dem ornamentalen Stile dieser Gruppe stehen sich, trotz des ge-
meinsamen, deutlich erkennbaren Schulcharakters, vor allem zwei Richtungen
einander gegentiber:12) Hier ein »Gewirr schlinggewachsartig sich aus-
ausbrei tender Arme«, die »nach aufien drangend«, von gewissen Punkten
des Initials oder der Flache ausstrahlen; alles in leidenschaftlicher Be-
negung; starke Betonung der vertikalen Richtung, keine Beziehung zu
bestimmten Formen der Natur und der antiken oder karolingisch-anti-
quarischen Ornamentik; Gebilde, die getragen sind von einem starken
organischen Empnnden, deren energischer Flufi das Auge sicher fiihrt,
und die hierin an manche Absichten des modernen Flachendekors erinnern.
Dort dagegen als Grundform die syinmetrisch, ruhig bewegte Ranke, mit
schwacher Neigung zu spiralfbrmigen Einrollungen und ausgesprochener
Voriiebe fur vegetabilische Formen. Die erste Art ist das eigenste der
gesamten ottonischen Kunst, durchaus geistiges Eigentum der Reichenauer
Schule und lebt, utriert oder verknochert, in gewissen Initialen der
Liuthargruppe weiter. Die zweite Art steht auf dem Boden alter Tra-
ditionen und in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu St. Gallen.
Chronologisch erscheint sie als die altere, aber im einzelnen Falle
ist Vorsicht geboten, da beide Typen nebeneinander vorkommen, sodafi
die Altersbestimmung nur symptomatisch zu nehmen ist und mehr ftir
die betreffende Kiinstlergencration, als fiir das ausgeftihrte Werk gilt —
Die schonste und reichste Arbeit, die diese zweite Richtung fast aus-
schliefilich verfolgt und dem Gerhokodex am engsten verwandt ist, ist
der bisherigen Forschung leider unbekannt geblieben: ein Evangelistar
der Stadtbibliothek in Leipzig,18) mit vielen grofien ganzseitigen Zier-
seiten und zahllosen prachtigen Initialen. Gerade diese Handschrift wird
uns aber wichtig, weil sie ein vorgeheftetes, durch die Auszeichnung des
hig. Pelagius fiir Reichenau — oder Konstanz? — gesichertes Sakramentar-
fragment enthalt, das uns in die Lage setzt, die Entwicklung der Schule
nach ruckwarts zu verfolgen.
u) Haseloff, a. a. O. S. 123. Die Verse bei Dlimmler, Neues Archiv X, 344 und
Dclisle, Anciens Sacramentaires S. 191. — Das Sakramentar von St. Blasien im Stifle
St. Paul i. K. steht dem Reichenauer Sakramentar in Florenz am niichsten.
V) Haseloff, S. i2of.
13) Kod. CX.C. Auf dem Einband ein byzantinisches Elfenheinrelief.
Repertoriam fiir Kunst wissonschaft, XXVI. 27
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\(\A Georg Swarzenski:
Die Eburnantgruppe ist bisher durchaus unter dem Gesichtspunkt des
Neuen und Eigenartigen behandelt worden. Es ist daher zur Feststellung
der Vorgeschichte der Schule wichtig, audi auf ihre Beziehungen zu den
alteren Handschriften St Gallens hinzuweisen. 14) Bereits die koloristische
Grundlage dieserDekorationen laflteine solcheBeziehung erkennen; denndic
charakteristische cinseitige Bevorzugung der glanzend polierten Metalltone
des Goldes und Silbers, als der eigentlichen Leittone in dem farbigen
Geprange ist ein Werk der St. Gallener Schule, wie es sich in gleicher
Weise in keiner der grofien westfrankischen Karolingerschulen findet,
wenn auch von diesen, besonders von Tours und Corbie, starke Einfliisse
auf St. Gallen ausgingen. Auch die Wahl der Farben, die zu den Metall-
tonen traten, ist die gleiche, wie in St Gallen: Blau, Griin, Purpur,
seltener ein mattes, trtibes Gelb und Abstufungen von Lila und Violet t
Dagegen ist die Musterung des Purpurgrundes durch selbstandige und
aus der Textilkunst entliehene Motive der Reichenau eigentiimlich und
mir in St Gallen nicht begegnet16) Durchaus an St Gallen erinnert
jedoch wieder die vornehme Wirkung des Goldes und Silbers auf dem
reinen, weiflen, schon bearbeiteten, aber nicht farbig gegebenen Pergament-
grunde.
Beachtet man die Einzelheiten dieser Ornamentik, so folk zunachst
der enge Zusammenhang mit St. Gallen in der Behandlung des Rahmen-
werkes auf. Schon die Art und Weise, wie in diesen ottonischen Pracht-
handschriften der Reichenau die Ecken der Rahmen durch ausladendes
Riemenwerk miteinander verflochten werden, wie dann weiter statt des
viereckigen Rahmens eine Art Arkade gegeben wird, deren Rundbogen
mit den Leisten wiederum durch ein kapitellartiges Riemenwerk veibunden
ist, aus dem »Akroterienranken« herauswachsen, — all das findet man in
alteren st gallischen Gepflogenheiten.16) Auch die ornamentale Form dieses
Riemenwerks mit den kurzen kammartigen Hornern ist aus St Gallen
abzuleiten, und zwar nicht aus der dortigen Rahmen-, sondern aus
der Initialornamentik. Es ist dies das Motiv des Riemenknotens, der als
geschlossenes Gebilde, anfangs etwas zopfartig, in die Mitte der Initial-
flache gesetzt wird: das herrschende Motiv der alten Grimalthandschriften,17)
wahrend bereits in den Arbeiten aus der Wende vom 9. zum 10. Jahr-
u) Vgl. Hascloff, a. a. O. S. 169. S. Rahn, a. a. o. S. 64, Anm. 134. Swarzenski,
Regensburger Buchmalerei, S. 6, 116.
^ Nur einmal, im Folchartpsalter auf S. 337, ist etwas Ahnliches in St. Gallen
zu finden.
16) Die reichsten Beispiele im Berner Prudentius (Cod. 264); im Psalterium
aureum bei Rahn, Taf. 1, 7, 12.
17) Codd. 81, 82, 83 der Stiftsbibl.
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Reichenaiier Malerei unci Ornamentik. *a£
hundert in St Gallen der Knoten aufgelockert wird und sich netzartig
iiber die Flache ausbreitet, 18) wie es in Reichenau niemals liblich wurde.
Auch dieser Fall ist typisch fur das Verhaltnis der beiden Schulen zu-
einander, und es wird darauf noch zuriickzukommen sein.
Die Betrachtung der Ornamente, welche in dieser Gruppe die
laufende Fiillung des Rahmenwerks bilden, ergibt einen Entwicklungsgang,
welcher ein immer zunehmendes Hervortreten der Blattmotive in metal-
lischer Ausfiihrung auf Kosten mehr abstrakter Motive, wie des Maeanders
und Schuppenniusters in buntfarbiger Ausfiihrung erkennen laflt Diese
letztere Art war niemals in St. Gallen eingefuhrt und beruht auf einer
kiinstlerischen Tradition der Reichenau, die den grundlegenden Unterschied
der dortigen Schule gegentiber St. Gallen bildet. Jene anderen Motive
entstammen dagegen ersichtlich der St. Gallener Schule19) und sind aus
dieser auf die Reichenau tibergangen.
Wie stark gerade in dieser Gruppe die eigentliche Initialornamentik
zu einem selbstandigen Ausdruck gelangte, ist bereits betont worden.
Aber doch bietet St Gallen wenigtens fur die alteren, ruhigen rankenhaften
Typen deutliche Parallelen.20) Von den (ibrigen, aiisschlaggebenden
Motiven ist aber nur eins direkt aus St Gallen abzuleiten: das aus der
Rahmenornamentik bereits bekannte, fest verknotete Riemenwerk. Es
tritt hier auch noch in spaten Handschriften — Sakramentare in St Paul i. K.
und in Florenz — in der alten zopfartigen, hangenden Weise der Grimalt-
handschriften auf. In der Regel ist aber seine Verwendung beschrankt
auf die End- und Kreuzungspunkte der Initialstamme und dient so vor
allem zur Verkntipfung des Initials mit dem Rahmen der Seite. Diese
Art der Verwendung des — St Gallischen! — Motivs ist wiederuin
spezifisch reichenauisch.
Eine Beziehung zu St Gallen tritt ferner deutlich zutage in der
Behandlung des eigentlichen Initialstammes. Ein bestimmter Rhythmus in
der Bewegung des Buchstabengeriistes, eine Neigung zu gewissen schwung-
vollen Ausbiegungen und Wendungen in der Fiihrung des Konturs, die
dann auch in der Liuthargruppe weiterlebt, ist ganz und gar St Gallisch.21)
**) Hiertiber s. unten.
ls) Z. B. Maria-Einsiedeln, Stiftsbibl. Cod. 1 7. Wolfenbiittcl, Cod. 1 7. 5. Aug. IV«f
{\"ita sci. Galli et Otthmari). Auch die technische Ausfiihrung (Gold auf Pergamentgrund)
stimint in diesen St. Gallischen Arbeiten mit den Reichenauern Uberein.
2°) Vgl. z. B. die Ranken des Prafationsblattes im Hornbacher Sakramentar mit
dcnen auf S. 281 des Cod. 342 der Stiftsbibliothek.
a) Vgl. z. B. die Fiihrung des Initial stammes beim L im Psalterium aureum (Rahn,
Taf. 5) mit dem im Leipziger Evangelistar zu Maria Geburt (Eburnantgruppe) und ii't der
Mttnchener Cim. 58 (Liuthargruppe, Abb. 14 bei Viigc).
27*
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3q£ Georg Swarzenski:
Fur altere Handschriften der Gruppe ist es dann charakteristisch, den
Initialstamm zu spalten und nach dem Prinzip von Fiillung und Rahmung
zu schmlicken. Auch von den hier verwandten Fiillornamenten sind
viele direkt in St. Gallen zu belegen : z. B. ein nebeneinanderherlaufendes
Paar sich gegenseitig ausweichender Blattranken.22) Dagegen sind die in
Deckfarben gegebenen breiten Blattfriese an dieser Stelle nicht aus St
Gallen, sondern aus einem touronischen Vorbild abzuleiten.23) Zu erwahnen
ist schliefllich, dafi die beliebte schnorkelhafte Ausziehung der Enden des
Initialstarnmes und all die kleinen pflanzlichen Motive, die sich aus den
Enden des Rankenwerks entwickeln oder an dieses sich ansetzen, vollig
gleich in den st gallischen Arbeiten vorkommen, mit der bedeutungs-
vollen Ausnahme des pfeilformigen Spitzblattes24) und eines grofien,
offenen Blattes,25) das an Stelle des Rankenwerks in die Initialflache
gesetzt wird.
Fur die Anschauung von dem treibenden Leben der Schule gerade
auf ornamental-dekorativem Gebiete in dieser Zeit sind von der grofiten
Wichtigkeit einige Arbeiten, welche klinstlerisch ausgestattet sind, aber
ihrem ganzen Wesen nach nicht als Prachthandschriften anzusehen sind.
Es sind bisher nur zwei von derartigen Arbeiten beach tet und in
ihren Beziehungen zu der Eburnantgruppe erkannt worden.26) Dies sind
die beiden Reichenauer Homiliare in Karlsruhe. In dem alteren von
beiden, dem Cod. Aug. 84, herrscht das Riemenwerk in einer durch-
aus St. Gallischen Form noch vor. Nur an den Endpunkten desselben
strahlen die freier bewegten, astartigen Gebilde des ausgesprochenen
Reichenauer Typus bereits aus. Flir die Genesis dieses Stils ist aber
besonders ein S auf*Bl. 125 wichtig, indem es fast genau ein Initial des
St. Gallener Folchartpsalters27) reproduziert. Lehrreicher ist die zweite
22) Vgl. z. B. das I zur dritten Weihnachtsperikope im Gerhokodex mit dem zum
ersten Kapitcl des Othmarlebens in der genannten Hs. in Wolfenbtittel.
23) Diese Behauptung erscheint angesichts der starken Beziehungen von Tours zu
St. Gallen vielleicht gewagt. Aber eine der wenigen Hsn., die diesen Dekor zeigen,
das Leipziger Evangel istar, enthalt vorgeheftete altere Zierblatter (s. u.), die z. T. direkt
aus einem touronischen Original kopiert sind.
**) Dieses ist erst spat in St. Gallen zu belegen ; wohl unter Reichenauer Einflufl,
z. B. im Hartker-Antifonar.
25) Immerhin darf bemerkt werden, dafl wenigstens etwas Analoges sich gerade
in den alten st. gallischen Grimalthsn. findet. Vgl. z. B. das bei Rahn, S. 2, abgeb.
Initial aus Cod. 81 der Stiftsbibl. Haufiger findet man rosettenartige Bildungen in den
Mitten der Initialflachen stehen.
m) S. v. Ochelhauser, Die Miniaturen der Universitatsbibl. zu Heidelberg. I. S. 10
und 53 ff. Haseloff, a. a. O. S. 162 f. — Mchrere Aufnahmen stellte mir Haseloff freund-
lichst zur Verfiigung.
27) Abb. bei Rahn, S. 24.
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Reichenauer Malerei und Ornaraentik.
397
Handschrift, der Cod. Aug. 37. Er bietet eine Musterkarte der Reichenauer
Ornamentik. Die Mehrzahl der Initialen steht dem St. Blasianer Sakra-
mentar in St. Paul i. K. am nachsten. Sie reprasentieren den herrschenden
und spezifischen Geschmack der Schule in dieser Zeit. Aber neben ihnen
finden sich noch anders geartete Gebilde. So ist ein I auf Bl. 137 ganz
in den einfacheren Formen alterer St. Gallener Arbeiten gehalten,28) und
auf Bl. 147 findet man die in Wellenlinien oder Spiralen, absteigend
oder konzentrisch bewegte Ranke in einer Form, die hier zwar unsicher,
ohne rechten Schwung in der Bewegung auftritt, aber noch in bestimmten
Bildungen der Liuthargruppe weiterlebt29) und gleichzeitig eine Reihe
weiterer Handschriften auf Reichenau zu lokalisieren erlaubt So vor
allem eine patristische Handschrift der Wiener Hof bibliothek, ^ an welche
ein Sakramentar in Zurich,81) das in einem eingehefteten Doppelblatt
bereits eine Hand der Liuthargruppe zeigt, direkt anzuschlieflen ist. In
beiden Handschriften finden sich in den Initialen ziemlich primitive
figiirliche Darstellungen. Die Betonung des Rankencharakters flihrt diese
Arbeiten wieder zusammen mit einem schonen Evangel ienkodex in
Stuttgart,82) dessen Reichenauer Entstehung freilich erst nach Betrachtung
einer anderen Gruppe Reichenauer Prachthandschriften deutlich sein wird.
Endlich sind hier zwei wichtige Handschriften zu nennen, welche aus
der Meermannschen Bibliothek nach Berlin gekommen sind, — beide als
Friihwerke oder Vorlaufer der eigentlichen Eburnantgruppe zu betrachten.
In der einen, einer Evangelienhandschrift 83) mit Kanonesseiten und Zier-
blattern, herrscht die riemenartige Verknotung vor. Aber aus diesen
geschlossenen Gebilden losen sich einige weniger bewegte, fast geradlinige
Ziige, ahnlich, wie es sich in der eben genannten Stuttgarter Handschrift
findet. Von den pflanzlichen Motiven fallt besonders eine etwa htilsen-
formige Vergrofierung des Pfeilblattes auf. Diesem Motiv begegnet man
nun ahnlich wieder in dem genannten Wiener Kodex. In der anderen
Berliner Handschrift84) ist das Riemenwerk auf die Verknotungen des
Rahmens und des Initialstammes beschrankt, wahrend die Ornamentik
der eigentlichen Initialflache durch Rankenzweige mit stark pflanzlichem
2*) Weim man diesem Inital isoliert begegnen wiirdc, wlirde man seine Ent-
stehung entschieden nach St. Gallen verlegen! Vgl. das I zum Leben des hlg. Othmar im
Cod. 56* der Stiftsbibl.
29) Z. B. in Voges Hs. II. (Abb. 45.)
30) Cod. 677. Besonders ersichtlich das Initial auf Bl. 10 v.
31) Kantonalbibl. Cod. 75. S. v. Ochelhauser, a. a. O. S. i6f. Hascloff, S. 159.
32) Kon. off. Bibl. Cod. IV. 0 1.
33) K6n. Bibl. Cod. Phill. 1648.
34) Cod. Phill. 168 1.
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398
Georg Swarzenski
Charaktef gcgeben wird. Beiden Arbeiten gemeinsam ist die Spaltung
und Musterung des Initialstammes; in dieser. Hinsicht erschejnen sie als
wichtigste Vorlaufer des Gerhokodex und des Leipziger Evangelistars.
All diese zuletzt genannteh Handschriften sind als einzel'ne Werke
nicht von der Bedeutung der bekannten Prachthandschriften dieses Kreises.
Aber fUr die Erkenntnis der Entwicklung der Schule sind sie von grofiter
Wichtigkeit. , Sie ftihren in das noch garehde Leben der Schule hinein,
zeigen, wie reich und vielseitig gerade auf ornamentaleiii Gebiete die
Bestrebungen waren, und lehren zugleich die Meisterwerke als das Fazit
dieser Bestrebungen begreifen. Sie sagen vor allem recht deutlich, dafi es
doch nicht nur an der Entwicklung unseres Auges und Geschmackes liegt,
wenn wir die Leistungen gerade dieser Gruppe auf dem Gebiete der
figtirlichen Malerei tief unter ihre Leistungen auf ornamental-dekorativem
Gebiete stellen, und dafi es nicht ungerecht ist, wenn wir ihre ornamentale
Formensprache naiv bewundern konnen, an ihren Malereien aber nur
historisch interessiert sind. Aus diesen ornamentalen Gebilden vernimmt
man, je mehr man sich in sie vertieft, ein Ringen nach kiinstlerisehem
Ausdruck von ganz hoher Energie, wahrend flir die figiirlichen Leistungen
der Schule, wenigstens in diesem Stadium, gerade das Gegenteil gilt.
Es ist daher auch nicht als Zufall zu betrachten, wenn in dieser Gruppe
von Prachthandschriften figtirliche Darstellungen verhaltnismafiig sehr
selten sind.
Weiter zuriick als bis zu dieser grofien Familie ottonischer Arbeiten
ist die Geschichte der Reichenauer Schule noch nicht verfolgt worden.
Nur das von Gerbert bereits mit Arbeiten der Iburnantgruppe zusammen-
gestellte Reichenauer Sakramentar in Wien3) hat in diesem Sinne Be-
achtung gefunden. Aber noch bei ihrem letzten Bearbeiter erscheint die
kiinstlerische Stellung der Handschrift als vollig ratselhaft: ihr Stil wird
als »ungewohnlich und eigenartig« bezeichnet. Beides trifft nicht zu,
und auch diese Arbeit ist ein festes Glied in der Kette, die von der
ottonischen Zeit zur karolingischen hintiberfuhrt.
Zunachst ist allerdings der stilistische Abstand des Wiener Sakra-
mentars von den Werken der Eburnantgruppe ein grofier. Jenes repriisentiert
eben deutlich ein wesentlich friiheres Stadium der Schule; aber es ist das
kiinstlerische Erzeugnis einer frliheren Generation von grofiter Bedeutung.
Dieser Zusammenhang mufite verborgen bleiben, da man das Bindc-
glied zwischen diesen beiden Etappen der Schule nicht kannte: Eine
Gruppe von Prachthandschriften, die die Briicke bildet zwischen diesen
scheinbaren Gegensatzen und die zugleich die Moglichkeit gibt, den
ar») Hotbibl. Cod. 1815. v. Ochclhiiuscr S. 12, 53. . Haseloff, S. 123, 169
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Reichenauer Malerei und Ornamentik. ♦ ^OQ
Entwicklungsgang der Schule in Bild und Dekoration zuriickzuverfolgeru
Als Hauptwerke dieser Gruppe kann ich folgende Arbeiten nennen:
i. Evangeliuni Mathaei et Marci in Weimar, groflh. Bibl.
2. Evangelium Lucae et Johannis in Miinchen.36)
3. Evangelistar aus Weingarten in Fulda.37)
4. Sakramentar von St. Alban in Mainz.88)
Diese vier Handschriften sind Schwesterhandschriften in engstem
Sinne; die ersten beiden bilden sogar Bande eines und desselben Kodex.
Gemeinsam ist ihnen alien zunachst schon das grofle, fast quadratische
Format und der eigentiimliche Ton des ziemlich dicken Pergaments mit
seiner sorgfaltig bearbeiteten, aber nicht eigentlich geglatteten Oberflache,
die hierdurch einen mtirben, oft sogar rauhen Charakter erhalt. Dieses
technische Merkmal ist darum wichtig, weil es den Gesamteindruck der
Dekoration stark beeinfluflt. Denn das Eigentiimliche des Dekors liegt
hier in einem konsequenten Ausscheiden der farbigen Elemente, sodafi
aller Schmuck auf die eigentiimliche Wirkung des Goldes und Silbers
auf dem matten, etwas stumpfen Weifi des Pergamentes gestimmt ist.
Nur das Minium der Zeichnung gelangt daneben noch zur Wirkung.
Bei einer Betrachtung der ornamentalen Einzelformen beobachtet man,
dafi die erste Ausbildung der Reichenauer Rankenornamentik sich in diesen
Handschriften vollzogen hat. Aus dem Charakter des alten St. Gallischen
Riemenwerks heraus entstehen rankenartige ZUge, deren verschlungener
Lauf Gebilde ergibt, die die Grundform des St. Gallischen Riemenknotens
immer wieder erkennen lassen. Charakteristisch ist dann weiter, dafi die
Ornamentik der Initialflache noch streng symmetrisch aufgebaut ist und
oft die Form eines staudenartigen Gebildes zeigt. Man erkennt auch
hier mit Leichtigkeit den Zusammenhang mit gewissen St. Gallischen
Typen.89) Dagegen fehlen die dort reich ausgebildeten bliiten- und blatt-
artigen Anhangsel. Die pflanzlichen Bildungen bestehen hier vielmehr
in akanthusartigen, langen, gekerbten Blattern, die sich organisch durch
eine Erweiterung des Konturs aus dem Ranken- und Riemenwerk ent-
wickeln. Die eigentlichen Riemenknoten sind dabei auf den Stamm des
Initials und die Bordiiren beschrankt. — Eine besondere Eigenttimlich-
keit der genannten vier Hauptwerke der Gruppe ist eine sehr wirksame,
voIJig identische Behandlung von Initialstamm und Rahmenbordiire. Hier
^ Clm. 1 1 019, c. p. 32. Swarzenski, a. a. O. S. 17, Anm. 19.
s7) Landesbibl. Cod. A. a. 7.
3*) Seroinarbibl. S. Lamprecht, Initialornamantik, S. 27, Nr. 21.
^ Haufig in den Grimalthsn. (Abb. bei Rahn, S. 3, aus Cod. 81); besonders
reicb dann im Folcbartpsalter. Man beachte hier die Verwandtschaft einer solchen
»Staude« auf pag. 319 mit den »Pilzbaumen« der Liuthargruppe.
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aqq Georg Swarzenski:
herrscht ein gleichmaflig angcwandtes Schema: drei gleichbreite, neben-
einander herlaufende Parallelstreifen; die aufieren glatte, schmucklose
Metallbander, der Mittelstreif aus Ornamentfriesen mit durchlaufendem
Motiv gebildet Das herrschende Ornament ist hier das einfache ge-
flochtene Zopfband in brauner Tinte auf dem Pergamentgrund, seltener
ein Blattkyma oder eine einfache Wellenranke. Diese Ornamentfriese
liegen kastenartig eingebettet zwischen den Riemenknoten, zu denen sich
in bestimmten Interval len die aufieren, rahmenden Metallbander verflechten.
An den Ecken und in der Mitte der Rahmenleisten, sowie an den End-
punkten des Initialstammes ist dieser Knoten reicher und grofier als sonst,
aber noch nicht so umfangreich, wie in den folgenden, ottonischen Pracht-
werken. Gegeniiber der St. Gallischen Form des Riemenknotens ist zu
beach ten, dafi die kurzen » Horner «, die aus diesen verflochtenen Riemen
herauswachsen, hier oft einen ausgesprochen blattartigen Charakter an-
nehmen.40) — Das ganze System bereitet die Verflechtung von Initial
und Rahmen, wie es die spateren Arbeiten lieben, vor.
Uber die Heimat dieser Gruppe in Reichenau kann kein Zweifel
sein, wenn auch keine der eben behandelten Handschriften durch aufiere
Merkmale hierftlr gesichert ist. Bereits ausschliefilich vom Standpunkt
der Dekoration und des Ornaments reihen sie sich so ungezwungen
zwischen die bald zu besprechenden karolingischen und die bekannten
ottonischen Arbeiten der Schule ein, dafi jeder Zweifel ausgeschlossen ist.
Vollige Gewifiheit erlangt man aber, wenn man von den grofien ganzseitigen
Zierstticken, in denen die neuen kiinstlerischen Elemente dieser Gruppe vor-
ziiglich zum Ausdruck kommen, absieht und die vielen kleineren Initialen
betrachtet, die in den laufenden Text fast aller dieser Handschriften in
grofier Menge verstreut sind. Hier erkennt man sofort Typen einer
durchaus anderen Art. Diese zweite, numerisch iiberwiegende Art ist
nun aber vollig identisch mit den Initialen des fur Reichenau gesicherten,
bekannten Sakramentars in Wien, sodafi man von dieser Seite aus einen
hinreichend festen Punkt gewinnt. Man sieht hieraus auch deutlich,
wohin die Bestrebungen dieser Gruppe zielen: Sie stellt einem i. W. aus
Tierformen und Riemenwerk bestehenden Ornamentsystem, wie es noch
ausschiefilich verwandt in der Wiener Handschrift, auf die kleineren Initialen
im Texte beschrankt in den Arbeiten unscrer Gruppe vorliegt, Typen
entgegen, inner^halb dercr sich die neuen Blatt- und Rankenformen ent-
wickeln. Hirer kunstgeschichtlichen Stellung entsprechend bezeichne ich
diese Gruppe als »Ubergangsgruppe«.
W) Die am wcitestcn cntwickcltc Vorstufc hierzu in St. Gallcn bieten die Durch-
flcchtungen der Siiulen, die die Litanei des Folchartpsalters einrahmen.
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Reichenauer Malcrei und Omamentik. 40 1
Ehe wir den Stil dieser Arbeiten nach rtickwarts verfolgen, euipfiehlt
es sich, einige Arbeiten zu betrachten, welche als Bindeglieder zwischen
dieser Ubergangsgruppe und der Eburnantgruppe aufzufassen und zu er-
klaren sind. Als ein solches erweist sich zunachst die genannte Evangelien-
handschrift in Stuttgart (Cod. IV. i.). Auf Grund der ausgebildeten Ranken-
ornamentik konnte ihr bereits eine Stelle in der Entwicklung der Schule
angewiesen werden; aber in der Behandlung des Rahmenwerks und des
Initialstammes steht sie noch ganz auf dem Boden unserer Ubergangs-
gruppe. Das wichtigste Zeugnis dieser Art ist aber der sog. Codex
Wittechindeus in Berlin,41) — vielleicht das reichste und anspruchsvollstc
Erzeugnis dieser Art und Kunstgattung, das somit als Reichenauer Arbeit
in Anspruch zu nehmen ist. Die ornamentale und dekorative Ausstattun^
dieser Handschrift ist allerdings eine eigenartige. Aber alle Eigenttim-
lichkeiten weisen gerade in ihrem ZusammcntrerTen so deutlich auf
Reichenau, dafi unsere Zuweisung als sicher angesehen werden darf.
Was am meisten die Erkenntnis des Zusammenhanges dieser Hand-
schrift mit der oben zusammengestellten Gruppe erschweren mag, ist die
durchgehend farbige Behandlung. Die Handschrift steht in dieser Hin-
sicht nach unserer heutigen Kenntnis der Denkmaler allein. Aber die
Wahl und Zusammenstellung der Farben ist die gleiche, wie in den
spateren ottonischen Arbeiten der Reichenau, und ein ernster Einwand
darf hieraus nicht gemacht werden. Eine weitere Eigentlimlichkeit ist
die ubertriebene Vorliebe fQr kleine, staubfadenartige Anhangsel, die an
den Enden und Kreuzungen der »Ranken« sich ansetzen. Dieses Motiv
findet sich, in gleicher tJbertreibung, regelmafiig in St Gallen, aber, wie
baJd zu zeigen ist, steht diese ganze Gruppe in starkster Abhangkeit von
St Gallen und gerade die farbige Ausfuhrung dieses Motives ist nicht
St. Gallisch, sondern lebt in spateren Reichenauer Motiven weiter. Sieht
man nun von diesem Motive und der durchgehend farbigen Behandlung
ab, so treten uns nun bekannte reichenauer Ztige an vielen Punkten
hervor: es ist vor allem die Behandlung des Initialstammes und der
Rahmen, die besonders in den Zierblattern zu Markus und Johannes
vollig zusammengeht mit den Hauptwerken unserer Ubergangsgruppe.
Dagegen findet man bei Mathaeus und Lukas diese Beziehung auf den
eigentlichen Intialkorper beschrankt Die Blattranken aber, die sich hier
iiber die Initialflache ausbreiten, bedeuten innerhalb der Schule und
jener Gruppe gegeniiber ein Novum, ftir das jedoch bald eine Parallele
nachzuweisen sein wird. Die Auflosung des alten St. Gallischen Motives
des Riemenknotens ist hier beinahe vollzogen; aber die Herkunft dieser
**) K. Bibl. Cod. theol. lat. fol. I. S. Swarzenski, a. a. O. S. 17, Anm. 15.
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402 Georg Swarzenski:
rankenartigen Ziige klingt so cleutlich durch, dafi die Entstehung dieser
wichtigen Arbeit nicht allzuweit von den oben zusammengestellten
Arbeiten der Ubergangsgruppe herabgehickt werden darf. Eine Ver-
legung in die Friihzeit Ottos d. Gr. diirfte das Richtige treffen.
Ein Werk dieser Kichtung von annahernd gleicher Bedeutung ist
mir nicht bekannt. Aber doch steht der Codex nicht allein; er findet
gerade in den entscheidenden, fortschrittlichen Dingen, die ihn von der
Ubergangsgruppe unterscheiden, eine ganz enge Parallele in einem
wiederum in Stuttgart liegenden Evangelienbuche.42) Der Reichenauer
Charakter dieser Handschrift drangt sich dem Auge so fort auf, sodafi sie
ihrerseits unsere Bestimmung des Wittephindeus bestatigen kann; denn
was sie von diesein unterscheidet, ist kaum ctwas anderes als das Fehlen
der kleinen »Anhangsel« und der farbigen Behandlung. Vollig iiberein-
stimmend selbst mit den im Wittechindeus am meisten von der Tradition
entfernten Zierblattern zu Mathaeus und Lukas sind in ihr vor allem
jene dort bemerkten »Blattranken«.
Wir verfolgen nun den Stil der Ubergangsgruppe, aus der die
Stuttgarter Handschriften und der Codex Wittechindeus abzuleiten waren,
nach riickwarts. Hier ist zunachst daran zu erinnern, daii sich zwei ver-
schiedene Typen der Ornamentik in ihr fanden, die sich meist mit einer
fast schroffen Deutlichkeit voneinandcr abheben. In dem einen Typus,
der oben kurz charakterisiert wurde, war eine fortschreitende Entwicklung
zur Rankenornamendk zu erkennen, und Handschriften, wie der Codex
Wittechindeus schlossen sich gerade an diese Richtung an. Der andere
Typus fand sich fast nur in den kleincren Initialen des laufenden Textes;
er bietet einer zuriickblickenden Betrachtung die deutlichsten Hinweise,
sodafi wir mit ihm beginnen. Als charakteristisch fiir diesen zweiten
Typus betone ich eine starke Bewegung des Initialstamms, kaligraphische,
schnorkelhafte Ausftthrung und das Zuriicktreten pflanzlicher Motive.
Auch ist das Prinzip von Fullung und Rahmung nicht konsequent durch-
gefiihrt. Nehmen Initialen dieser Art einen grofieren Raum ein, so wird
auch die Ausfiihrung eine breitere, und eine Vorliebe fur phantastische,
bewegte Tierfbrmcn macht sich gel tend.
Es ist nun bereits zum Zwecke der Lokalisierung der Ubergangs-
gruppe vorweggenommen worden, dafi diese beweglichen Initialen der
zweiten Gattung sich vollig tibereinstimmend finden in dem Reichenauer
Sakramentar in Wien. Was aber diese Handschrift von den eigentlichen
Arbeiten unserer Gruppe unterscheidet, ist das vollige Fehlen von Initialen
der ersten, fortschrittlichen Art. Dieser einzige Unterschied ist aber
.42) K. off. Bibl. Cod. IV<>. 32.
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Reichenauet Malerei und Ornamentik.
403
ausreiehend, um das Verhaltnis der Wiener Handschrift zu den Arbeiten
der Ubergangsgruppe genauer zu bestimmen. Denn wir sahen, dafi gerade
aus diesem neuen, frtiher charakterisierten OrnamenttypUs der Ubergangs-
handschriften sich die spatere, ottonische Ornamentik der Reichenau ent-
wickelt, wahrend die anderen, im Reichenauer Sakramentar in Wien noch
ausschliefilich verwandte Gattung bald vollig abstirbt Dieses Sakramentar
ist demnach zeitlich vor jene Handschriftengruppe zu setzen: in ihm
herrscht eine Richtung noch ausschliefilich, die in den anderen Arbeiten
bereits auf ein geringeres Mafi zuruekgedrangt worden ist. Innerhalb
der Ubergangsgruppe steht dann das Mainzer Sakramentar dem Wiener
Codex am nachsten, da in ihm allein noch Initialen jenes beweglichen
Typus in grofierem Umfange in den Zierseiten vorkommen, wahrend sie
in den iibrigen Arbeiten der Gruppe auf die kleineren Initialen im
lauferiden Text beschrankt sind. Zwischen diese beiden Handschriften
(Wien und Mainz) ist nun weiter ein sehr bedeutendes Sakramentar (aus
Konstanz?) in Donaueschingen48) einzuftigen, welches den engsten Ver-
wandten des Wiener Sakramentars bildet, aber in einigen Initialen bereits
die neuen, der Ubergangsgruppe speziell eigentlimlic hen Typen verwendet.
Nur das Fehlen von Zierseiten mit den charakteristischen Umrahmungen
und die geringere Ausbildung und Verwendung der Blattformen unter-
scheidet sie von dieser.
Die Frage nach der Herkunft jenes zweiten, iilteren, beweglichen
Typus, wie er alleinherrschend in der Wiener Handschrift auftritt, lafit sich
nun mit so bestimmter Klarheit beantworten, dafi es fast verwunderlich
erscheint, dafi die Antwort nicht bereits friiher gefunden wurde. Diese
Ornamentik ist namlich aufs engste verwandt mit einer bestimmten,
grofien Gruppe St. Gallischer Arbeiten. Und zwar handelt es sich hier
nicht um eine Verwandtschaft oder Abhangigkeit im ublichen Sinne,
sondern die Ubereinstimmung ist eine solche, dafi jeder Kenner der
St. Gallischen Kunst eine Handschrift, wie das Wiener Sakramentar, fur
St. Gallen in Anspruch nehmen wurde, wenn es nicht fur Reichenau
gesichert und durch so viele Dinge mit Arbeiten echt Reichenauer Art
verbunden ware. Wir scheinen also in ein Stadium gelangt zu sein, wo
die kunstlerische Scheidung der beiden Schulen versagt und es nur mehr
moglich bleibt, von einem gemeinsamen Werk der beiden Schulen zu
sprechen. Aber noch ist es nicht geboten, einen solchen Punkt an-
zunehmen.
Es ist namlich eine ganz bestimmte Gruppe von St. Gallischen
Arbeiten, deren Ornamentik in dem Wiener Sakramentar und den ihm
°) FUrstl. Bibl. Cod. 191. S. Dtlisle, a. a. O. S. 158.
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404 Geo^g Swarzenski:
hierin folgenden Handschriften auftritt. Diese St. Gallische Gruppe ist
von Rahn deutlich herausgearbeitet worden und durch bezeichnete Werke
auch zeitlich fixiert: es sind die Arbeiten der Grimalt-Epoche.44) Die
St. Gallener Arbeiten dieses Typus sind also noch vor dem Beginn des
letzten Viertels des 9. Jahrhunderts entstanden; das Reichenauer Sakramentar
zeigt aber in der Schrift und in dem dekorativen Geprage einen deudich
vorgehickten Typus und ist nicht vor die Wende vom 9. zum 10. Jahr-
hundert anzusetzen. Gerade in dieser Zwischenzeit hat sich aber in
St. Gallen der folgenschwerste Umschwung vollzogen, der nicht nur die
Meisterwerke der Schule entstehen liefi, sondern uns auch in die Lage
setzt, deutlich zu verfolgen, in welcher Richtung die beiden Schwester-
schulen auseinander gehen. Das ausschlaggebende Element in diesem
Umschwunge ist eine weitgehende Rezeption von Motiven aus den Pracht-
werken, die die Zeit Karls des Kahlen in den drei grofien, westfrankischen
Schulen von Tours, Corbie46) und Metz46) entstehen sah. Die mafl-
gebenden Zeugnisse dieses Einflusses sind der Folchartpsalter und das
Psalterium aureum.47) In diesen Meisterwerken der Schule leben aller-
dings noch viele Motive der Grimaltzeit weiter; aber die Bekanntschaft
mit den westfrankischen Arbeiten entwickelte hier die indigenen und impor-
tierten Bestandteile dieser Ornamentik zu einer ganz anderen Beweglich-
keit und Freiheit. Es ist vor allem ein Merkmal hervorzuheben, das
diese spateren Handschriften St. Gal lens von den fruheren unterscheidet:
die Art der Ausfullung der vom Initialkorper umschriebenen Flache. In
den Grimalthandschriften werden zu diesem Zwecke fast ausschiefilich
zwei Motive verwandt: ein staudenartiges, stilisiertes Gewachs und der
aus Riemenwerk gebildete, langliche, zopfartige Knoten. In den spateren
St. Gallischen Arbeiten tritt das erste Motiv immer mehr zuriick, der
Riemenknoten verliert aber seinen geschlossenen. langlichen, zopfartigen
Charakter; er hort auf als isoliertes Gebilde in der Flache zu stehen
und entwickelt sich zu einem die ganze von Initial umschriebene Flache
44) S. Rahn, S. 3f.
*>) Es sind vor all cm die Initialen der Bibel in S. Paolo fuori le mure zu ver-
glcichcn. Die bestcn Abb. jetzt bei Venturi, Storia dell' arte ital. II. Die Art, wie im
Psalt. aur. von pag. 233 an die Uberschriften in Goldrustika auf einen Purpurstreif gestellt
sind, findet sich vollig identisch z. B. in Paris, Bibl. Nat. Ms. lat. 11 52.
4s) Jahrb. d. k. preufi. Kunstsamml. 1902, XXIII, 96.
4") Beide Handschriften stehen sich stilistisch und paliiographisch naher, als es
nach Rahns Darstcllung schcint. Der Stil der figurl. Malereien des Psalt. aur. ist ent-
schieden abhiingig von Corbie, wie vor allem die Gewandbehandlung zeigt. Innerhalb
der St. Gallener Schule stehen am nachsten dem Psalt. aur. der Arat Cod. 250, dem
Folchartpsalter die Zeichnungen auf pag. 349 f. des Cod. 855 der Stiftsbibl.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik.
40S
gleichmafiig deckenden Netz oder Gitter. Im Folchartpsalter48) bemerkt
man bereits etwas von dieser Tendenz, im Psalterium aureum treten bereits
einige Initialen dieser Richtung auf49) und in den folgenden Hand-
schriften ist dieser »neue« Stil vollig ausgebildet:
Sintrams Evangelium longum,50)
Vita Sci. Galli et Othmari. Cod. St Gall. 562,
IV Evangelia in Maria Einsiedeln. Cod. 17.
Dies ist das mafigebende Bild der St Gallischen Ornamentik urn die
Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert Es ist mir aber nicht gelungen,
eine Handschrift dieses Stils zu finden, die ihrer Provenienz oder Ent-
stehung nach auf Reichenau weist, ebenso wenig, wie eine St. Gallische
Arbeit dieser vorgeriickten Zeit bekannt ist, in der die Ornamentik der
Grimaltzeit noch so ungebrochen weiterlebt wie in dem Reichenauer
Sakramentar oder den entsprechenden Typen der Ubergangsgruppe. Dies
ist also der Punkt, wo die beiden Schulen auseinandergehen.
Wie ist aber diese zeitliche Differenz bei dieser sachlichen Uber-
einstimmung zu erklaren? Am natiirlichsten doch wohl dadurch, dafi wir
das Auftreten dieses St Gallischen Typus der Grimaltzeit auf Reichenau
nicht erst in die Zeit verlegen, wo das Wiener Sakramentar entstand und
in St Gallen dieser Stil bereits uberwunden war, sondern in eine friihere
Zeit, wo eben in St Gallen dieser Stil herrschend und aktuell war. Der
>St Gallische « Stil, wie ihn das Reichenauer Sakramentar in Wien zeigt,
erweist sich als so sicher und kraftig, dafi er nicht als ein plotzliches,
imitierendes Aufgreifen einer alteren fremden Kunstrichtung erscheint,
sondern als das Erzeugnis einer einheimischen und sicheren Gewohnung.
Dies bedeutet aber nichts anderes als die Annahme, dafi vor dem
Ende des 9. Jahrhunderts, wo beide Schulen sich voneinander zu sondern
beginnen, dieser Stil in Reichenau und St. Gallen als ein gemeinsamer
herrschte. Wenn sich also am dritten Ort Handschriften dieser Richtung
finden,51) darf man diese nicht schlechthin als St Gallisch bezeichnen,
sondern die Moglichkeit ihrer Reichenauer Entstehung offen lassen. Es
ist eben stets zu beachten, dafi es doch nur auf einem Zufall beruht,
wenn unser Urteil infolge der glucklichen Erhaltung der dortigen
Bibliothek zugunsten St Gallens beeinflufit ist, und dafi diese Beein-
flussung des Urteils auf Kosten Reichenaus erfolgt und mit den histori-
schen Nachrichten nicht im Einklang steht Nach diesen erscheint es
*) Besonders charakteristisch hierflir pag. 13$.
*S) Z. B. das bei Rahn, Taf. V, abgeb. L.
*°) Stiftsbibl. Cod. 53. Abb. eines Initials Mon. Germ. SS. II. Taf. V.
51) Z. B. Stuttgart, Hofbibl. Cod. Patr. 57. Munchen, Clm. 14386. Karlsruhe,
Cod. A. XVI.
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406 Georgf Swarzehski:
vielmehr, als ob gerade auf kiinstlerischem Gebiete Reichenau der
gebende, St Gallen der nehmende Teil war.52)
Fur eine derartige, schwesterlich verwandte Tatigkeit der beiden
Schulen, die durch allgemeinere Erwagungen als hypothetisch nahegelegt
wird, finden sich aber auch deutlich sprechende Denkmaler. Die wichtigste
Arbeit dieser Art ist ein Psalterium im Stifte Gottweig53) (C)str.), ein
Prachtwerk ersten Ranges, welches berechtigt ist, gleichwertig neben das
Psalterium aureum und den Folchartpsalter gesetzt zu werden. Es ist
diesen Handschriften etwa gleichzeitig zu datieren, aber Elemente der
Grimaltzeit fiihren in ihr ein kraftigeres Dasein, als in jenen. Eine naivere
Betrachtung wiirde die Entstehung der Handschrift gewifi nach St. Gallen
verlegen. Aber die Handschrift enthalt unter reich ornamentierten
Arkaden eine Litanei, die aufs engste iibereinstimrnt mit den Heiligen-
anrufungen spaterer. Reichenauer Litaneien und ganz spezifische, seltene
Lokalheilige der Reichenau so stark betont,54) dafi ihre dortige Ent-
stehung unter den gegebenen Voraussetzungen als sicher anzunehmen ist
Eine weitere Arbeit des »St Gallischen« Prachtstils, die ich fur
Reichenau in Anspruch nehmen mufi, ist eine Evangelienhandschrift in
Munchen,55) — eine der schonsten Arbeiten der Zeit, deren ornamentaler
Stil zwischen deni Psalterium aureum und Sintrams Evangelium longum
und seinen Verwandten steht. Ihre Kanonesseiten sind eng verwandt
dem St Gallischen Evangelienbuch in Maria -Einsiedeln und einigen
Reichenauer Evangelienhandschriften, von denen bisher nur der Weimaraner
Kodex (Ubergangsgruppe) zu erwahnen war. Der malerische Stil der
Bilder macht die Verlegung dieser Mtinchener Handschrift nach Reichenau
notwendig. Hieriiber unten.
Ein drittes Meisterwerk dieser Art liegt in Paris, ein Evangelistar
der Bibliotheque Nationale,56) dem friihen 10. Jahrhundert angehorig.
Auch bei dieser Handschrift konnte man zwischen Reichenau und St
Gallen schwanken, wenn man nur die Ornamentik betrachtet Aber das
62) Vor allem wichtig ist die bekanntc Nachricht liber die Berufung Reichenauer
Maler nach St. Gallen gerade unter Grimalt. S. Ncuwirth, a. a. O. S. 39 f. v. Schlosser,
Schriftquellen S. 140.
53) Cod. 30. S. Swarzenski, a. a. O. S. 17, Anm. 19.
M) Z. B. Vralens, Senesius, Theopontus; dagegen vermiflt man den in St. Gallen
niemals fehlenden Othmar. So eng die Litanei des Codex mit den jtingeren Reichenauer
Litaneien zusammengeht, so vcrschieden ist sie von den St. Gallischen, sowohl von der
etwa gleichzeitigen des Folchartpsalters wie von denen der Gotescalcgruppe.
^) Clm. 22311, c. p. 51. Photographien bei Hofphotograph TeufTel, Miinchen
(St. 2450—2458).
M) Ms. lat 9453.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik. 407
Gesamtbild, das die tiandschrift in palaographischer Hinsicht und in
der dekorativen Anlage der Schriftgattungen ergibt, riickt sie so nahe
an die Arbeiten unserer Ubergangsgruppe heran, dafi wir schon darum
ihre Reichenauer Entstehung annehrnen konnen. Feinere Detailbeobach-
tungen bestatigen dies; z. B. die Sitte, einen leeren Raum innerhalb der
Zeile durch zwei symmetrisch aus einer Vase herauswachsende horizontale
Wellenranken zu fiillen, — ein touronisches Motiv, das mir in dieser
Verwendung nicht in St. Gallen, wohl aber in dem Evangelistar in Fulda,
dem Sakramentar in Donaueschingen und anderen Reichenauer Arbeiten
oft begegnet ist. Auch zeigt sich, dafi unter den Initialen der Hand-
schrift — und es finden sich derer in ihr gegen hundert! — einseitig solche
Typen bevorzugt werden, welche noch in ottonischen Arbeiten der
Reichenau weiterleben. Der Vergleich mit den in den Text verstreuten
Initialen des Leipziger Evangelistars bietet hierfiir die groflte Ausbeute,
wahrend die spezifisch St Gallischen Formen mit der netzartigen Uber-
spannung der Flache fast ganz fehlen.
Als eine vierte Arbeit dieser Richtung kann ich ein Benediktionale
nennen, welches aus der Harniltonbibliothek (Hamilton Sale May 23, 1889)
in das Fitzwilliam-Museum57) gekommen ist. So sehr auch hier der
allgemeine Charakter an St. Gallen erinnert, weisen doch allerhand feinere
Merkmale auf Reichenau; vor allem erscheint hier zum ersten Male die
Vorliebe fur iibermafiig schwere, dichte Verknotungen im Initialstamme
in der charakteristischen, flachigen Weise der Reichenauer Prachtwerke
der ottonischen Zeit. Die Handschrift gehort noch dem ersten Viertel
des 10. Jahrhunderts an und scheint fur Augsburg gearbeitet zu sein.
Von den eben genannten Arbeiten, welche den stitrksten Nieder-
schlag St Gallener Kunst in Reichenau darstellen, sind die drei ersten
vollendete Meisterwerke, die zu dem Besten gehoren, was die Zeit auf
diesem Gebiete geleistet hat. Wir konnen aber auch die ersten Anfange
dieser St. Gallisch beeinflufiten Metallornamentik in Reichenau nachweisen.
Als derartige erste Versuche stellen sich namlich zwei Handschriften dar,
die auf das allerengste zusammengehen, und von denen die eine in
Fulda,58) die andere in Karlsruhe69) liegt. Fur letztere ist die Reichenauer
Provenienz gesichert; die andere stammt aus Weingarten, wo wir jedoch
bereits eine andere Reichenauer Prachthandschrift gefunden haben. Beide
Arbeiten gehoren noch dem 9. Jahrhundert an ; doch erweist sich das in
57) Ms. 27. S. Montague Rhodes James, A descriptive Catalogue of the Manuscripts
in the FitzwiUiam Museum. Cambridge 1895, S. 65 f.
**) Landesbibl. Cod. A. a. 8. (IV Evangelia.)
*•) Hofbibl. Cod. Aug. CCVII.
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^O 8 Georg Swarzenski:
Fulda liegende Exemplar als das altere, da seine Schrift sich einem
bestimmten, alteren karolingischen Typus anschlieflt, der in St Gallen
und Reichenaa eine Zeitlang geherrscht hat. Die Kanonesseiten stellen
in beiden Handschriften eine direkte Vorstufe dar fur diejenigen der
Handschriften in Maria-Einsiedeln, Weimar und Miinchen (Clm. 2231 1).
In ihnen, wie in der Initialornamentik, wird ausschliefilich Metall ohne
Farben verwandt und direkt auf den Pergamentgrund gestellt. Wie die
Farben, sind auch die pflanzlichen Bestandteile aus dem ornamentalen
System ausgeschaltet. Die Motive lassen sich unschwer in den St Gal-
lischen und Reichenauer Arbeiten des Grimalttypus nachweisen, aber das
Ganze ist durchaus eigenartig und dabei so primitiv, unbeholfen und
schwerfallig, dafi in diesen Arbeiten wohl die ersten Anfange der Reichenauer
Metallornamentik gesehen werden dtirfen.
So ist es durch eine lange Kette von Handschriften moglich
geworden, einen bestimmten Ornamenttypus der flir uns ausschlaggebenden
»tlbergangsgruppe«60) bis in die karolingische Zeit zuriickzuverfolgen.
Manches Denkmal ist dabei erwahnt worden, welches zunachst den Schein
des Unwichtigen hat Aber wer hier defer eindringen will, wird bald
ihren Wert erkennen, indem sie bald al teres belegen, bald kommendes
vorbereiten, und stets einige Ztige flir die Charakterzeichnung der Schul-
cntwicklung ergeben. Aber auch jener andere Ornamenttypus, der iiri
Wiener Sakramentar noch fehlt, aber in den Handschriften der eigent-
lichen Ubergangsgruppe als ein in hoherem Mafie entwicklungsfahigcr
Bestandteil dem aus der Grimaltzeit stammenden »St Gallischen« Typus
gegentibertritt, ist seiner kiinstlerischen Herkunft nach noch zeitlich zuriick-
zuverfolgen.
Dieser zweite Typus, der besonders dominierend in den Zierseiten
auftritt, ist charakterisiert durch das ruhige, feste, fast unbewegte Gertist
des Initialstamms, der nach dem gleichen Schema behandelt wird, wie
die abschliefienden Rahmcn der Bild- und Zierseiten und seinerseits eine
feste Umrahmung bietet fiir die vom Initial beschriebene Flache, auf der
sich nun die weitere, fortschreitende Ausbildung der Ornamentik voll-
ziehen konnte. In Rahmen und Initial wird die Stammleiste gespalten
und nimmt ein einfaches, gereihtes Ornament mit fortlaufendem Typ auf,
das kastenartig zwischen die Leisten eingeschoben wird. Diese Behandlung
des Initialstammes lafit sich durch folgende Glieder bis in die karo-
lingische Zeit zunickverfolgen.
f>°) Zuzuweisen sind der Gruppe noch Hsn. in Bamberg (Abb. bei Jack), Stuttgart
(Hofbibl. Cod. Patr. 62), ferner ein Sakramentarfragment in Berlin, dessen Rahmen-
ornamentik ganz mit den oben zusammengestellten vier Hauptwerkcn dieser Gruppe
zusammengeht. S. u.
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Reichenaucr Malerei und Ornamentik.
409
1. Sakramentarfragment, vorgeheftet dem Evangelistar der Stadt-
bibliothek in Leipzig, dessen Zugehorigkeit zur Reichenauer Schule wir
schon kennen (s. o. S. 393). Die reichen Initialligaturen dieses Teils stehen
besonders nahe dem Codex Wittechindeus; nur fehlen noch alle pflanzlichen
Elemente und fast jede Belebung der Initialflache. Wichtig ist, dafi einige
Zierseiten dieses bedeutenden Fragments nach einer touronischen Vorlage
kopiert sind. Bei der Betrachtung der figlirlichen Malerei kommen wir
auf die Handschrift zuriick.
2. Karlsruhe, Cod. Aug. 64. Besonders wertvoll, da auch flir diesen
Kodex die Reichenauer Provenienz feststeht. Die Initialornamentik der
Handschrift reiht sich ungezwungen zwischen die eben genannte und die
folgende ein.
3. Paris, Bibl. Nat. Ms. lat 10437: Eine Evangelienhandschrift, die
noch im 9. Jahrhundert entstanden ist und deren Bildschmuck wegen
seiner Beziehungen zur Adagruppe und zum Gerhocodex bereits in die
kunstgeschichtliche Literatur eingeftihrt ist.61) Fur unsere spateren Aus-
fiihrungen hiertiber ist es wichtig, ausdriicklich zu betonen, dafi der Typus
des Ornaments, ohne Riicksicht auf den bildlichen Schmuck zur Lokali-
sierung der Handschrift auf Reichenau fiihrte.
Diese drei Handschriften erweisen sich in ihrer Ornamentik deutlich
als Glieder einer Entwicklungsreihe. So deutlich sie aber unter sich
zusammenhangen, so bestimmt heben sie sich von jenem anderen Typus
ab, den die Reichenauer Schule mit der St Gallischen teilt. Wir konnten
sie demnach als Vertreter einer spezifisch reichenauischen Richtung be-
zeichnen, um so mehr, als die fortschrittliche Entwicklung der Schule
— in der Ubergangsgruppe — gerade im Anschlufi an diese Richtung
erfolgt Wo liegt aber die klinstlerische Quelle dieses, der »St. Gallischen «
Richtung gegenliberstehenden &i) Typus? Das al teste Glied dieser Reihe
gibt auf diese Frage eine deutliche Antwort. Denn flir die Initialornamentik
dieser Pariser Handschrift gilt das gleiche, wie flir ihren Bildstil: dafi
sie abhangig ist von jener grofien, westfrankischen Schule, aus der die
Adahandschrift hervorging und die als die bevorzugte Hoflieferantin63)
der ganzen Frtihzeit erscheint. Hierbei darf freilich nicnt an die grofien,
vielgestaltigen und mannigfaltigen Initialen gedacht werden, die den
61) S. Haseloff, S. 125 f.
®) Nattirlich findet man auch gelegentlich in St. Gallen Bildungen, die dicsem
Reichenauer Typus verwandt sind: z. B. im Cod. 569 der Stiftsbibl.
®) Den bekannten Arbeiten der Gruppe, die dokumentarisch (Dagulfpsalter) oder
traditionell mit dem Hofe zusammenhangen, sind hinzuzufllgen der Psalter der Bibl.
Nationale, Ms. lat. 13 159 und der Psalter der Angilberga von 827 in der Bibl. Com.
zu Piacenza (aus S. Sisto), die beide in den weiteren Kreis der Schule gehbren.
Repertoriam far Kunstwissenschaft, XXVI. 2g
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410 Georg Swarzenski: Reichenauer Malerei und Ornamentik.
reichsten Schmuck dieser bertihmten karolingischen Arbeiten bilderu
Blickt man aber auf die kleineren, anspruchslosen Gebilde, wie z. B. ein
M auf Bl. 78 im Soissons-Evangeliar, so ist der Zusammenhang offen-
sichtlich. Auch eine Behandlung der Saulen in den Kanonesseiten, in
der Art, wie sie sich z. B. im Harleianus (2788) auf Bl. 7 findet, hat vor-
bildlich auf Initial- und Rahmenornamentik der Schule bis auf die Uber-
gangsgruppe gewirkt.
(Schlufi folgt.)
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ftber die Proportionsgesetze des menschlichen Kdrpers
auf Grund von Dflrers Proportionslehre.
Von Constantin Winterbcrg.
(Schlufl.)
Vierte Gruppe.
Die beiden Typen der 4. Gruppe entsprechen wie die Manner
jede in anderer Weise dem Maximum der Schlankheit — Typus 5 ist
auch hier der vollere, welcher bei groflerer Rumpflange alle Teile mehr
nach aufwarts verlegt als Typus 8, der groflere und schmalere von
beiden, mit dem Minimum von Kopf- und Rumpf- und dem Maximum
der Halslange. — Gegen die vorherige Gruppe unterscbeidet sich die
vorliegende nicht sowohl durch Veranderung des anatomischen Teil-
verhaltnisses in m\ als abgesehen von der Kopfverkiirzung, durch Her-
aufschiebung des oberen Becken- und untern Rippenrandes, sowie durch
langere Unterschenkel (Abstand qz). Die Mafie eo und oz geben da-
gegen kein sicheres Kriterium, insofern als Typus 4 darin zwischen beiden
Typen dieser Gruppe in der Mitte steht
L Typus 5.
a) Langen.
In welchem Sinne sich der weibliche Typus 5 als Extrem darstellt,
ist bereits angedeutet Wie beim Manne lafit sich flir die Frau die Ent-
stehung am Typus 4 des 1. Buches durch geringe Transformation ins
Vollere oder Kraftigere, zunachst in den Quermafien und daraufhin in
den Langen leicht nachweisen. Wie beim Manne ist bei der Frau gegen
das 1. Buch der Kopf um ca. 3 p. verlangert, der anatomische Teil-
punkt tn dagegen kaum verschoben (zwischen 1 — 2 p. defer gelegt),
ebenso wie die Rumpflange eo und der Scheitelabstand ao nur inner-
halb eines" pars sich unterscheiden. Auch die Lage von e und i kann
mit hinreichender Genauigkeit als in beiden Fallen identisch betrachtet
werden. Dagegen schiebt sich der Nabel und obere Beckenrand um ein
28*
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412 Constantin Winterberg:
ziemliches Sttick nach auf warts, zugleich damit auch q, so dafi *der Ab-
stand beider vorn letzteren nahezu unverandert bleibt. Das Charakteristische
liegt jedoch in der Verschiebung von n bis in die Korperinitte, nach
Tab. durch die Relation ausgedrtickt
an = nz
als einziger Fall, wo unter den Frauen die Korpermitte eine anatomische
Bedeutung hat. Charakteristisch aufierdem insofern, als dadurch angedeutet
ist, bis zu welchern Extrern nach Durers Erfahrung bei der Frau in dieser
Hinsicht gegangen werden darf, ohne gegen die Naturgesetze zu verstofien :
nicht weiter also, als unter sonst normalen Umstiinden, bis zum mittleren
Teilverhaltnis der mannlichen Korperaxe durch den entsprechenden Punkt n
(»auf der Scham«), als welches man die Koinzidenz von n und C im
allgemeinen bezeichnen kann, wahrend im extremsten Falle dem ersten
Buche gemafi das untere Rumpfende mit der Korpermitte genau, nach
dem zweiten Buche wenigstens naherungsweise koinzidieren durfte. Auch
in den ubrigen Relationen der Tabelle findet sich das zur Charakteristik
dieses Falles Bemerkte weiter bestatigt. Das Minimum des Abstands ac
ergibt sich unmittelbar aus der zweiten. Ebenso liegt in den beiden
nachstfolgenden die entsprechend hohe Lage der Punkte / und g ange-
deutet, welcher somit auch fur die ubrigen Brustpunkte gilt40) Auf die
hohe Lage von q laflt demgem afi die Bestimmung von fq als Doppeltcs
des Abstandes off schliefien. Entsprechendes findet sich zuniichst be-
ziiglich der Lage von m (Anmerk. i), demgemafi auch von m und somit
von k, dessen Abstand vom Kinn nach Tab. ebenso grofi ist, wie der
von m' und q. Von k ist wiederum auf / zu schliefien, demgemafi die
Bestimmung von o Analoges auch fur diesen Punkt gestattet.
Beztiglich der Arme ergibt der fernere Vergleich die Gesamtlange,
ebenso die Lange mm zwar etwas kiirzer als im ersten Buche, doch
letzteres Mafi auch so noch grofier (i p,) als die Korperlange. Charak-
teristisch ist, dafi die Lange ak* zwar mit en iibereinstimmt, jedoch nicht
beide Enden aufeinanderfallen, sondern die Armpunkte um 8 p. tiefer
rlicken, sodafi, wie bereits unter dem Text bemerkt, &' mit n' gleich
hoch liegt. Aufierdem ist die Relation, welche den Unterarm mit df
&) Cber die Lage von a fehlt allerdings bei Dtirer die beztigliche Angabe.
Dafi die Linie aa wie beim Maane mit c koinzidiere, ist deshalb nicht wohl anzu-
nehmen, weil in der betreffenden Zeichnung die H5he der Handwurzel bei* herab-
hangenden Armen als mit n1 = Ende der Scham gleich hoch dargestellt ist, dem-
gemafi sodann die Htfhe des qu. Punkts a oder der Linie aa um 8 p. oder um den
Abstand «»' unterhalb von e zu liegen kame. Unter dieser Annahme sind die auf
die Armverhiiltnisse beztiglichen Relationen anfgestellt worden, wobei zu bemerken
bleibt, dafi a selber demzufolge erst ermittelt werden kann, nachdem zuvor, wie eben-
dn angegeben, die Lage von k1 bestimmt worden ist. •
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Cber die Proportionsgcsetze des raenschlichen Ktirpers etc. 413
gleichsetzt, von Interesse, sofern die Verhaltnisse den unmittelbaren Ver-
gleich durch Anlegen des Arms gestatten, welches bei den beiden andern
in praxi weniger gut von statten gefhen diirfte. Auffallend ist iiberdies,
dafi trotz der Kleinheit des Kopfs die Handlangc in beiden Typen
dieser Gruppe nicht mehr die des Gesichts erreicht, indem nicht diese
sondern die Schadelhohe bis zu einem Minimum herabsinkt, *
Bezliglich der der UjUerarmJange gleichen Fiifie findet sich die
Basis w<o trotz der Verkiirzung der letzteren dennoch infolge grofieren
Abstandes />'/>' gegen Typus 4 des ersten Buches etwas lftnger, Ihre
Bestimmung stellt sich zu der des nachsten und ebenso zu der des dieser
Gruppe am nachsten verwandten Typus 4 nur als unwesentliche Modi-
fication dar.
b) Quermafle.
1. Dicken.
Die Kopfverhaltnisse unterscheiden sich von denen im ersten Buche
nur wenig, insbesondere ist die Bestimmung des Maximums zu ^ der
Kopflange wohl auch sonst in der Natur vorherrschend. Nur in den
RumpfteiJen sind die Dicken etwas verstarkt, wodurch die Umrifilinie der
Riickseite kraftigeren Schwung erhalt. Von den Bestimmungen der
Tabelle ist am einfachsten die der Brustlange gleiche Brusttiefe, wiihrend
die iibrigen sich nur als Bruchteile korrespondierender Langen ergeben:
nur das Maximum der Gesafitiefe in ///' stellt sich genau wie im vorigen
Falle als Doppeltes von km dar. Von den danach proportionierten
ubrigen Mafien lassen insbesondere die Dicken der untern Extremitiit
dies aus den Bestimmungen der Tabelle hinreichend verfolgen; dabei
fallt die Ubereinstimmung der Dicke am Wadenende mit der des Halses
auf: man mochte sie flir zufallig halten, wenn nicht entsprechendes sich
auch in den Breiten wiederholte. Auch die Bestimmungen der obetn
Extremitiit bieten in diesem Falle hinreichenden Anhalt zur Beurteilung
des proportionalen Verlaufs, obgleich das Maximum sich nur als Bruch-
teil der Brustwarzenhohe auf einfache Art darstellen liifit, indem gegen
Typus 4 des ersten Buches die Oberarmdicken, jedoch nur diese, bedeutend
verstarkt und die UmriOlinien kraftiger geschwungen sind.
2. Breiten.
Kopf und Gesicht sind nur um ein Minimum schmaler als im ersten
Buche Typus 4, die der Hohe des Halses gleiche Breite dagegen starker,
sodafl sich darin schon die Erweiterung der Umrifikurve auch in Vorder-
ansicht angedeutet findet. Von den Rumpfmafien ist die Schukerbreite
gegen Typus 4 des ersten Buches nur um 2 p. vergrofiert, die Rippen-
breite sogar um mehrere partes schmaler, die des Gesafies relativ viel
starker, wodurch sich in der Tat das iiber den Kontur Gesagte bestatigt.
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414 Constantin Winterberg:
Auch ergibt sich danach, dafl nicht mehr wie in den vorherigen Fallen
Typus 7 a und b die Schulter-, sondern die Gesafibreite das Maximum
der Quermafie reprasentiert Ihre geringere Wichtigkeit findet sich tibrigens
in Tab. schon durch die blofi interpolatorische Bestimmung bestatigt,
welches allerdings auch hinsichtlich der Gesafibreite der Fall ist Charak-
teristisch ist offenbar die dem Abstand /'/' ^leiche Rippenbreite,47)
welche zugleich von aa nur um 1 p. differiert, und dadurch den eigen-
artigen Charakter des Umrisses bedingt
Wie bei den Dicken lassen sich die nach den vorstehenden pro-
portionierten tibrigen Breitenverhaltnisse leichter als in den nachstvorher-
gegangenen Fallen tibersehen. Die relative Schmalheit in den Teilen der
unteren Extremitat zeigt besonders die Bestimmung von Knie- und Waden-
breite; auch in der obern finden sich wesentlich bekannte Relationen.
Typus 5 ist nach dem Gesagten eine Umarbeitung von Typus 4
des ersten Buchs ins Schwung- und Kraftvollere, erzeugt insbesondere
durch Verstarkung der Rumpfmaxima und entsprechende Modifizierung
der tibrigen Teile.
II. Typus 8.
a) Langen.
Der Kopf erreicht hier nahezu ^ der Korperlange, also das Minimum
des 2. entspricht darin dem der 3. Gruppe des ersten Buches. Typus 8 ist
wie der korrespondierende mannliche zwar als der schmalste aber nicht
auch der alancierteste charakterisiert, wonach sich die entsprechenden
Modifikationen in den Langenmafien erklaren. Zunachst ist der Teilpunkt
m' gegen den vorherigen um 12 p. defer gertickt, was indessen weniger
charakteristisch ist, als die damit zusammenhangende Verschiebung von n.
Wahrend namlich Typus 5 sich als extremster Fall kennzeichnete, indem
nur hier der bezeichnete Punkt bis zur Korpermitte hinaufrtickte, so liegt
im vorliegenden Falle, zwar als dem jener zunachst stehenden derselbe
doch schon wieder tiefer, welches denn auch in der dafiir charakteristischen
Relation der Tabelle:
fr*n = nz
Ausdruck findet Die bis £* gerechnete Schadelhohe ist nach Tab. wie
die Kopflange selber ein Minimum. Trotzdem ist hier der Abstand
des Punktes c vom Scheitel grofier als im vorigen Falle und stellt sich
nach Tab. der Rippenkorblange gleich, sodafi der Hals dabei eine
Lange erhalt, welche lebhaft an die blonden Tochter Albions erinnert.
47) Eine Unvollstttadigkeit besteht wie beim Manne auch hier durch das Fehlen
der RUckseite.
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Korpers etc. 415
Durch dieses, im Vergleich zu n und 0 relativ starke Herabrdcken von e
erreicht die Rumpf lange eo ein Minimum, welches sogar noch unter das
mittlere mannliche Rumpfmafl sinkt, wahrend sich die Verktirzung der
Brustpartie eben dadurch erklart, da der Scheitelabstand von / und g
sich nur unmerklich andert48) Im Anschlufi an das Herabriicken von tnf
liegt ferner auch der obere Beckenrand resp. Nabel hier defer als im
vorigen Falle, das Teilverhaltnis der Korperlange ist sogar dem Maximum
naher als dem Minimum, indem sich dafiir nahezu 2 : 3 ergibt. Ebenso
ist auch q entsprechend defer gertickt, wenn auch nur um die Halfte
der Verschiebung von m\ Wie man sieht, erstrecken sich die Verande-
rungen mehr oder weniger auf alle Teile, woher es sich dann wohl er-
klart, dafi in Tab. einzelne besonders bezeichnende Relationen aufier der
vorstehenden nicht vorhanden sind, ja sogar einige wie die Kniemitte
sich erst mit Hulfe der Armteile festlegen lassen. — Beziiglich dieser ist
zu bemerken, dafi aufier Kopf und Rumpf auch die Lange a>a>, sodann
auch die Handlange selber Minima sind, ebendies gilt von der Basis coco
sowie der Fufilange selber, obgleich aus den Bestimmungen der Tabelle
nur die Kiirze der Hand, deren drei auf die Strecke b'n gehen sollen,
unmittelbar, die der Basis «>u> indirekt durch Vergleich mit der Bestimmung
des vorherigen Typus hervorgeht
b) Quermafie.
1. Dicken.
Die Veranderungen der Kopfmafie sind gegen den vorherigen Fall
natiirlich sehr gering. Die hier der Gesichtshohe b*d gleiche Gesichts-
tiefe bleibt sogar unverandert, der Hals dagegen nicht nur langer, sondern
auch d tinner als dork — Von den Rumpfmafien sind ebenso Brust- und
Bauchdefe den vorherigen analog: jene als in b' stattfindend durch die
halbe Lange b'm' dargestellt, letztere der Gesichtstiefe anstatt wie in
andern Fallen der Kopftiefe gleich, welche letztere nur der Dicke in 0
entspricht Die Gesafidefe findet sich dagegen interpolatorisch in Tab.
angegeben. Die ubrigen nach den genannten proportionierten Dicken
lassen sich wie im vorigen Falle leicht ubersehen; beziiglich der unteren
Extremitat gibt dabei die Bestimmung der Wadendicke den besten An-
halt, ebenso in der obern, die dem vorigen Falle ahnliche Bestimmung
des Oberarmmaximums und der Handdicke.
*&) Auch hier fehlt a. a. O. die beziigliche Angabe Uber die Lage der Ober-
armknorTen-Centra aa. Es kann aber nach der Zeichnung kein Zweifel dartiber sein,
dafi sie mit c gleich hoch liegen sollen, jedenfalls nicht tiefer, wie schon aus der Hals-
Iangc hervorgeht.
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416 Constantin Winterberg:
2: Breiten.
Wie die Dicke, stimmt auch die Breite des Gesichts mit der korre-
spondierenden von Typus 5 iiberein, was auf relativ geringe Veranderung
von Kopf- und Halsbreite hinweist. Die Bestimniung jener als Halfte
von ac offenbart den minimalen Wert dieser Grofle im vorliegenden Falle.
Der quadratische Querschnitt des Halses kommt hier nur ausnahmsweise
vor. — Von den Rumpfbreiten vermindern sich am starksten natlirlich
die beiden Maxima: Schulter- und Gesafibreite, jene wird auch hier vom
Maximo der Gesafibreite, am unteren Rumpfende, zwar nur urn 1 p. iiber-
troffen. Rippen- und Weichenbreite zeigen gegen Typus 5 nur wenige
partes Abnahme, wahrend der Brustwarzenabstand im Gegensatz dazu
sich sogar urn ein betrachtliches erweitert, und nach Tab. dem Maximum
der Brusttiefe gleichkommt. Von den Bestimmungen der Tabelle zeigen
die der Rippenbreite des vorliegenden und des vorigen Falles voile Uber-
einstimmung, begrtindet in der Ahnlichkeit der allgemeinen Verhaltnisse:
am meisten charakteristisch ist jedoch offenbar die des hier erst am
Rumpfende stattfindenden Maximums der Gesafibreite, welche demgemafl
mit der von da geziihlten Oberschenkellange ein voiles Quadrat um-
schliefien wiirde, wahrend in alien friiheren Fallen stets ein liegendes
Rechteck resultierte. — Die librigen Breiten proportionieren sich nach
den genannten, wie in diesem Falle auch die Bestimmungen der Tabelle
ohne Schwierigkeit, in der unteren Extremitat insbesondere die der Waden-
und Fufikndchelbreite ersichtlich werden, wahrend in der oberen die
meisten Mafie interpolatorisch bestimmt, das gleiche nur aus den korre-
spondierenden Dicken zu schliefien gestatten.
Aus dem Gesagten sind wenigstens in den Hauptverhaltnissen die
Grenzen der Schmalheit deutlich bezeichnet, bis zu denen nach Durer
noch gegangen werden darf, ohne ins tJbertriebene zu geraten. Wie
man sieht, hat er sein Extrem bei beiden Geschlechtern gegen das 1. Buch
erheblich herabgestimmt, sodafi man annehmen mochte, diese letzteren
stammten aus einer spateren, gereifteren Entwicklungsperiode. Diese mini-
malen Quermafie setzen jedoch, was wichtig ist, nicht glcichzeitig Extreme
in den Vertikalverhaltnissen voraus, sondern beschranken sich auf das
Minimum von Kopf-, Rumpf- und die vorgenannten Langenmafie der
Extremitaten.
Resultat.
Diirers Messungen beschranken sich wesentlich auf Erwachsene.
Die noch unfertigen Knabenbildungen und die den verschiedenen Alters-
stufen entsprechenden Wachstumsbedingungen kommen a. a. O. nicht in
Betracht. Im librigen kennzeichnen sich seine Messungen jedoch durch
ihren grofien Umfang: von den Extremen der Natur und sogar noch iiber
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Cber die Proportionsgesetze des menschlichen Korpers etc. 417
sie hinweg werden die am ineisten charakteristischen Formen vom Baurisch-
Schwerfalligen zum Leichtgebauten, vom kurz- untersetzten zum hoch
und schmal aufgeschossenen, schlanken, vom schmachtigen zum kraftvoll-
athletischen Typus in einer Reihe korrespondierender, beide Geschlechter
umfassender Beispiele dargestellt. Zwischen dem Maximum der KorperfUlle
und dem dann folgenden, sich am meisten ihm nahernden, niedern, unter-
setzten Typus 2 des 2. Buches bleibt allerdings ein grofler Sprung; ebenso
wie zwischen den beiden Reprasentanten dieses letzteren und dem nachst-
folgenden jedenfalls hochgebauten Typus: wobei freilich, wie anfangs be-
merkt, das Urteil dadurch erschwert wird, dafi DUrer es unterlassen hat,
die absolute Korpergrofie numerisch anzugeben. Obgleich es nun schon
a priori in der Aufgabe des Malers liegt, mehr auf das Charakteristische
als auf das Schone den Nachdruck zu legen, so dlirfte sich gleichwohl
die auffallende Bevorzugung des Uberschlanken bei Diirer nicht sowohl
durch das Streben nach individueller Charakteristik als vielmehr durch
die damals mangelnden asthetischen GrundbegrifTe erklaren, einer Zeit,
die noch ganz in den mittelalterlichen Anschauungen lebt, deren Eigen-
tiimlichkeiten besonders in den Malereien der Altkolner Schule wieder-
klingen. Von diesen war auch DUrer als echtes Kind seiner Zeit gewifl
noch mehr oder weniger befangen. Wenigstens scheint es fast wie Ab-
sicht, dafi er den Typus 1 als einzigen Reprasentanten der — allerdings
liber triebenen — Korperfulle voranstellt, den andern schmalern gegenliber,
um den Gegensatz von ,Hafllich' und ,Schon' auch dem weniger Fein^
fiihlenden zum Bewufitsein zu bringen.
Wirkliche Naturmodelle liegen, wie aus dem vorherigen gentigend
zu ersehen, den Resultaten Dlirers wohl kaum zugrunde. Die der Wirk-
lichkeit entsprechenden Gesetze werden im Gegenteil durch die mannig-
fachsten Abstraktionen ins Ideale tibertragen. In beiden BUchern herrscht
darin die groflte Verschiedenheit. Im ersten ist der Eindruck eines ge-
wissen Schematismus nicht abzuwTeisen, demgemafi sich die Figuren beinahe
*architektonisch« zu konstruieren scheinen. Dagegen hat man im zweiten
zwar auch die Empfindung eines wohl in alien seinen Teilen streng
durchgefiihrten, jedoch nur indirekt zu tage tretenden »organischen«
Gesetzes. Gleichwohl ist das letztere im Detail strenger und logischer
durchgefiihrt als das des 1. Buches, wo nicht einmal das gleiche Prinzip
in alien Teilen strikte festgehalten wurde. Alles dies, und sogar eben die
weniger fliefienden viel trockener und schematischer behandelten Umrifi-
linien scheinen, wie bemerkt, auf eine frlihere Entwicklungsstufe des
Meisters hinzudeuten.
Obgleich ferner weder a. a. O. noch sonst bei Diirer liber den Modus
seines Verfahrens naheres verlautet, so wird doch liber die befeits ein-
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418 Constantin Winterberg:
leitend angedeutete Auffassung wohl kaum ein Zweifel sein, dafi er
bei seinen Messungen resp. praktischen Beobachtungen und danach ge-
machten Abstraktionen vom Skelett ausgeht und, nachdem die Haupt-
punkte desselben festgelegt, die wichtigen Konturen der Oberflache wahr-
scheinlich nachtraglich mit der Feder frei erganzt wurden, wobei die
Unterschiede in der Behandlung beider Bticher sich in der angegebenen
Art naturgemafi motivieren. Auch wtirde sich der Umstand, dafi aufier
Fig. i die mannlichen Figuren im allgemeinen den Eindruck des allzu
Schmachtigen machen, dadurch in ungesuchter Weise erklaren. Beidemale
zeigen die Figuren unter sich den gleichen, vorher charakteristischen Stil :
im i. Buche, mehr trocken und schematised wahrend sich im 2. jene
schnorkelhafte Behandlung kundgibt, fiir welche nicht sowohl die Natur als
die deutschen Miniaturen des Mittelalters das Vorbild geliefert zu haben
scheinen. Nach dieser Annahme wurde sich denn auch die Iibertriebene
Rigorositat erklaren, womit bis auf Bruchteile eines pars einzelne Punkte
festgelegt werden und zugleich die Wiederkehr gewisser Eigentiimlichkeiten
begreiflich machen, welche diesen Typen bei aller Verschiedenheit doch eine
Art Familienahnlichkeit verleihen. Dazu gehort z. B. aufier der in beiden
Biichern festgehaltenen Dreiteilung der vom obern Stirnrand gezahlten
Gesichtslange, durch oberen Augenrand und Nasenwurzel, das meist zu
hoch heraufgezogene Schulterfleisch, namentlich bei Frauen, wie bei
jemand, der nie andere als bekleidete Frauen gestal ten sah, so dafi von
vorn der Hals oft schildkrotenhaft dazwischen steckt (vgl. weiblichen
Typus 1 ersten Buches.) Bei den Frauen fallt ferner auf der scharfe
Winkel, welchen infolge ubertriebener Breitenmafie am Ubergang vom
Rippen- zum Beckenrande die Konturlinie bildet, welches in der Natur
normaler Bildungen nicht vorkommen kann. Auch dafi von Knie und
Waden letzteren durchgehends die starkeren Querdimensionen gegeben sind,
da es sich in der Natur, bei den weiblichen Bildungen wenigstens, eher
umgekehrt verhalt Alles dies scheint auf eine mehr oder weniger
schematische Behandlung der nicht zum Skelett gehorigen Korperteile
hinzudeuten, welche auch in den folgenden kritischen Bemerkungen ihre
Bestatigung findet.
Vor allem fehlt es beiden Biichern an nach alien Richtungen har-
monisch durchgebildeten Figuren; jede verrat bald mehr bald weniger
nach dieser oder jener Seite ein gewisses Zuviel oder Zuwenig. In dem
Bestreben, scharf zu charakterisieren, geht Dtirer meist zu weit Vielleicht
am besten charakterisiert als Ausdruck des Kraftvoll-Elancierten ist
Typus 7, obgleich auch da wieder einzelnes, z. B. die auffallende Ver-
ktirzung des Beckens, abgesehen von den alien gemeinsamen Eigentiim-
lichkeiten, frappiert Von den Frauen ist bereits einiges darauf Beziigliche
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Cber die Proportionsgesctze des menschlichen Ktirpers etc. 410
angedeutet Relariv am wenigsten unharmonisch ist vielleicht noch
Typus 3 a des 1. Buches, zwar nur von vorn gesehen; das Profil zeigt
in den Verhaltnissen der Rumpfteile dieselben Mangel wie die tibrigen.
Um die Verhaltnisse etwas genauer zu prazisieren, so findet sich von den
Langenmafien schon die des Kopfes in beiden Buchern zu sehr ins Extrem
getrieben: das Maximum geht bei den Mannern bereits ins Knabenhafte,
das Minimum tibertriflft noch im 2. Buche an Kiirze die schlanksten
antiken Ideal gebilde: das des 1. Buches dtirfte sich, wenn iiberhaupt in
der Kunst, wie vorher angedeutet, wohl nur untcr den Malereien
der Altkblner Schule gelegentlich realisiert finden. Dasselbe gilt von den
Frauen, deren Kopfe naturgemafl noch mehr verkleinert sich darstellen.
In beiden Geschlechtern fallt zudem die Abnahme der Intelligenz resp.
der daftir als Mafistab dienenden Schadelhohe mit zunehmender Korper-
lange auf. Im tibrigen bekundet sich im 2. Buche insofern ein Fortschritt,
als das blockartig Schwere der Kdrperumrisse hier weniger sich gel tend
macht — Wie die Kopflange, ist auch die des Halses nicht frei von
Ubertreibung : im ersten Buche mehr in der Richtung des Minimums, welches
beim bereits erwahnten weiblichen Typus 1 nur 23 p. aufweist, und da-
durch den beinahe krotenartigen Eindruck nicht wenig zu verstarken bei-
tragt, im zweiten mehr nach dem Maximum hin, wortiber das beztigliche
beim weiblichen Typus 8 bemerkt worden ist.
Auch hinsichtlich der Schultererhebung verfallt der Meister hier und
da schon ins Extrem, woftir von den Mannern besonders Typus 6 des
zweiten Buches als Beleg dienen kann, bei welchem die Linie der Oberarm-
knorren-Centra die Hohe der Halsgrube ubertrifftv als Beweis, dafi selbst
das Hafiliche der Hochschultrigkeit a. a. O. nicht perhorresziert wird. Selbst
bei dem korrespondierenden Frauentypus riickt die genannte Linie zwar
naturgemafi tiefer, doch nur bis zur Hohe der Halsgrube herab. Haufiger
allerdings findet sich, wie beim weiblichen Typus 7 b, der entgegengesetzte
Fall vertreten, wo dieselbe Linie um 15 p. unterhalb der Halsgrube sich
findet — Von den Teilpunkten der Rumpf- resp. der Korperlange findet
sich das Intervall des anatomischen Teilverhaltnisses in m' nahezu
zwischen ^ bis J der Korperlange, welchem beziiglich des Punktes o das
von \ bis T7? entspricht, die obere Grenze nattirlich von den Mannern, die
untere von den Frauen typen bestimmt Am auffallendsten charakterisieren
sich die Grenzwerte des Teilverhaltnisses von n als ftir die Geschlechts-
unterschiede bezeichnend: beim Manne zwischen ca. T5, bis J, bei der
Fran von ca. \ bis Tftr variierend, also die untere des Mannes mit der
obern Grenze bei der Frau identisch. In alien diesen Fallen sind, wie
man sieht, die Grenzen der Natur schon ziemlich stark iiberschritten. Dies
gilt auch hinsichtlich des Nabels, dessen Teilverhaltnis zwischen ca. ^r
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420 • Constantin Winterberg:
bis ^, also im allgemeinen noch um den goldenen Schnitt, variiert Die
Rumpflange selber endlich bewegt sich in entsprechenden Extremen: in-
dem sie im Minimo noch nicht $, also weniger als die schlanksten Antiken,
im Maximo der weiblichen Korperfiille (Typus i) \ Korperfiille erreicht.
Im zweiten Buche sind zwar die Extreme zugunsten grofierer Naturwahrheit
gemildert, obwohl des Guten eher zu wenig als zu viel geschehen ist Um
so auffal lender bleibt die Verkiirzung der schon im ersten Buche nicht gerade
tiberaiafiig langen Arme des zweiten Buches, welcher Widerspruch sich nur
durch die iibennaflige Schmalheit der Figuren einigermafien erklart, wo-
bei schon die natiirlichen mittleren Verhaltnisse der Arme geradezu als
Disharmonie erscheinen wtirden. Wahrend daher im ersten Buche noch sogar
im Minimo bei Frauen die Liinge <oco die Korperlange immer noch fast
erreicht, fill It die untere Grenze im zweiten Buche ziemlich stark unterhalb
davon. Die starkere Schultersenkung erklart iibrigens, dafi bei Frauen
das Verhiiltnis relativ weniger als bei Mannern augenfallig wird. Um-
gekehrt verhalt es sich mit der Basis mw, welche im zweiten Buche fur
beide Extreme die grofleren Mafie aufweist.
Beziiglich der Quermafie ist einzelnes bereits antizipiert. Schon in
den Hauptmafien der Dicken macht sich Dtirers Eigentiimlichkeit dadurch
bemerklich, dafi die Casentiefe, d. h. die schmale Seite des bei gerader
Stellung die Profilfigur umschliefienden Rechtecks, Typus i als Gegen-
satz nattirlich ausgenommen, bei den Mannern hinter der Fufilange stark
zurtickbleibt, der sie unter normalen Naturverhaltnissen bekanntlich gleich-
zukommen pflegt: nicht sowohl durch Iibermafiige Verlangerung des
Fufies, sondern durch zu starke Verminderung der Brusttiefe. — Bei den
Frauen dagegen kehrt sich der Fehler um, sofern, wie bereits angedeutet,
das Verhiiltnis der Brust- zur Gesiifltiefe hauptsachlich durch iibertriebene
Verstarkung des letztgenannten Korperteils im allgemeinen zu schwach
erscheint. Die Fufilange wird daher hier, das Maximum inbegrifferi, von
der Gesafitiefe durchgiingig tibertroffen: ein Fehler, der schon gegen die
allgemeinen Gesetze verstofit, denen zufolge in den Schopfungen der Natur
nichts iiberfliissiges geduldet wird. Die grofien Meisterwerke des Alter-
tums zeigen sich auch nach dieser Seite tadellos. — Die tibermafiige
(iesafiverstarkung erfordert ubrigens auch eine entsprechend grofiere
Eauchdicke, wodurch denn dieser Korperteil wie bei Satyrn sich meistens
etwas auffallig prasentiert. Die Iibertriebene Schmalheit in den Schultern
fallt naturgemafi bei Mannern am meisten auf, wodurch, da die tibrigen
Rumpfbreiten sich gegen die auch sonst in der Natur vorherrschenden
Verhaltnisse im ganzen relativ wenig modifizieren, es zu erklaren ist, dafi,
wie bereits friiher bemerkt, die Manner durchweg jenen Charakter zeigen,
wie er sich in der Natur vorwiegend nur bei untersetzten, kurzen und
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Cber die Proportionsgesetzc des mcnscblichen Korpers etc. 421
durch besondere Korperkraft ausgezeichneten Bildungen vertreten findet
— Beim schonen Geschlecht verunstaltet wiederum die im Anschlufl an
die Dicke iibermafiige Gesaflbreite die Harmonic des Totaleindrucks von
vorn derart, dafi, wahrend die der Schultern im ganzen der Natur sich nahert,
jene sie in einer Anzahl von Fallen nicht nur erreicht, sondern sogar um
ein ziemliches Stuck tibertriflft Dadurch war denn namentlich beim
Maximum der Korperfiille der Eindruck des Unbeholfenen kaum zu ver-
meiden, indem die Breite in den Weichen das Maximum der Rippen-
breite jetzt derart iiberbietet, dafi dadurch der Rumpf wie eine fafiartige,
ungegliederte Masse erscheint. Notwendig fiir die weibliche SchSnheit
ist ubrigens, beilaufig bemerkt, in keiner Weise, dafi wie bei Mannern die
Rippenbreite stets die in den Weichen iibertreffe; im zweiten Buche findet
sich sogar der Fall (Typus 3 a) vertreten, wonach selbst der madchenhafte
Charakter mit dem Gegenteil nicht kollidiert, indem gen. Typus als solcher
und zugleich als einer der wohlgebildetsten bereits zu Anfang bezeichnet
wurde. Zeigt doch selbst die Aphrodite von Medici, welche man als die
zarteste und idealste Gotterbildung aus dem ganzen Altertum bewundert,
in den in Rede stehenden Mafien kaum eincn Unterschied.49) Anders
bei Mannern, wo die Ubereinstimmung dieses Mafies jederzeit den Ein-
druck des Schwachlichen oder wo dies durch libergrofie Korperfiille aus-
geschlossen ist, den der Schwerfalligkeit hervorruft, indem die Umrifilinie
der Elastizitat ermangelt. Im zweiten Buche hat denn auch Dtirer diesen
Fehler beim Typus 1 nach Moglichkeit zu vermeiden gesucht. Andere
minder wichtige Abweichungen von der Natur wurden bereits gcniigend
hervorgehoben ; die wie die iibrigen beim Studium wohl oder libel mit
in den Kauf genommen werden miissen, und dies auch konnen, ohne dem
Wesen der Sache Eintrag zu tun.
Diirers Proportionen sind keine Normen. Kein Bildhauer wird nach
solchen Vorschriften modellieren. Ist daraum ihr Wert nur ein historischer?
Gewifi nicht. Wenigstens in der Malerei wird der Klinstler, dem es mit
Ernst darum zu tun ist, in seinen Kompositionen etwas von dem Geiste
jener Zeit zu reflektieren, der die Kunst des Nordens ihren grofiten Meister
verdankt, auf Diirers Hinterlassenschaft nicht wohl verzichten konnen.
Auch ohne das wird der Wert solcher Skelettstudien, welche den ana-
tomischeist Zusammenhang vom Knochengeriist und Oberflachenumhullung
in einer so einfachen durchsichtigen Art, durch eine Reihe pragnanter
Beispiele der am meisten charakteristischen Bildungen beider Geschlechter
verdeutlichen, mehr als historisches Interesse beanspruchen diirfen, wie
*) Dies niogen sich insbesondere die modernen Modedamen mit ibrem bar-
baxischen Zusaramenschntiren der »Taille« gesagt sein lassen.
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422
Constantin Winterberg:
schon daraus erhellt, dafi durch das ganze 16. Jahrhundert hindurch die
Bedeutung des Traktats von den vorzliglichsten Meistern aller Nationen
nicht nur hoch geschatzt, sondern auch praktisch nutzbar gemacht
worden ist.
Auch theoretisch stent, wie bemerkt, der Dlirersche Traktat in seiner
tadellosen Methode unter allem, was bis jetzt von Klinstlern auf wissen-
schaftlichem Gebiet in dieser Richtung geleistet worden, als mustergultig
da. Bis ins Detail erstreckt sich die skrupulose Gewissenhaftigkeit, mit
der dieser grofie Bahnbrecher der modernen Kunst aus scheinbarer Willkiir
des Alltaglichen das ewig Bleibende zu erforschen und kommenden Ge-
schlechtern zu bewahren bestrebt war: als ein Verhaltnis, dessen keine
andere Nation sich ruhmen darf, dessen sachlichem Verstandnis aber, wie
leider hinzugefiigt werden mufi, trotz allem, was dariiber geschrieben
und gesagt worden ist, bis auf den heutigen Tag vielleicht auch keine
ferner gestanden hat
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Ober die Proportionsgesetze des menschlichen Kttrpers etc. 423
Definition der Bezeichnungen des Proportions-Schemas.50)
A) VertikalmaOe.
1. Einteilung der Hauptaxe.
a = hochster Kopfpunkt.
b = obererer Augenhohlenrand.
c = Hohe der Nasenwurzel odcr unteren Nasenbegrenzung.
</=unterster vorderster Kinnpunkt oder Kinnspitze.
e = tiefster, d. h. am meisten zuriickliegender Punkt der Halsgrube.
/=H5he der Brustwarzen.
g = Hohe des untern Brustkontur.
i = Hohe des untern Rippenrandes.
£ = oberer Becken (k = Nabel, wo dieser nicht tnit k koinzidiert).
ni = H5he der Drehpunkte der Oberschenkelaxe.
m = tiefster Punkt der untern Bauchbegrenzung.
* = Hohe des obern Penesansatzes resp. der Schamfuge (»' = unteres Schamende).
0 = Hohe der untern Hodensackbegrenzung : bei Mannern im allgemeinen mit der von
o = liickwartigem Rumpfende koinzidicrend.
q = Hohe des starksten Vorsprungs der Kniescheibe (im allgemeinen dem obern
Kniescheibenrande entspr.).
v = H5he des vordern Fufiansatzes am Unterschenkel.
to = Hohe des untern Endes des aufiern Schienbeinknorrens.
s = Fuflpunkt da, wo die Hauptaxe den Boden trifft.
2. Arme.
a' = hochster Punkt des Oberarms bei herabhangender Haltung.
a = Hohe der Oberarmknorren- Centra als Drehpunkte der Armaxe.
V = H5he des vordern Armspalts.
f = H6he des tiefsten Punkts des Oberarms, oder der Drehaxe von Ober- und Uncerarm.
& •= Hcihe der Drehaxe von Unterarm und Hand oder Ansatz der Handwurzel.
<t = Hohe deT Mittelfingerspitze in gestreckter Haltung.
3» Fufl.
p* = Absatzende oder riickspringendster Punkt.
u' = Spitze des grofien Zehens.
B) Quermafie
1. der Hauptaxe.
i,i' = Maximum der Kopfbreite resp. Kopfdicke.
2,2' = Gesichtsbreite und Tiefe im Maximo, meist liber den Jochbttgen resp. an
den Geh5reingangen.
3,3' = Halsbreite und Dicke im Minimo, vorherrschend auf der Mitte der Abstands de.
5 = Maximum der Schulterbreite : bei naturlich herabhangenden Armen meist in
der Hohe des vordern Armspalts.
6,6' = Brustwarzenabstand resp. Rumpftiefe an den Brustwarzen.
5°) Im Prop.-Schema sind nur die Hauptpunkte angegeben, welche in alien
oder doch in der Mehrzahl der DUrerschen Typen von Bedeutung sind. Bezliglich
der sori5t noch gelegentlich im Text vorkommenden im Schema nicht enthaltenen
Bezeichnungen vgl. Proportions-Tabelle.
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424 Constantin Winterberg: Ober die Proportionsgesetze etc.
7,7' = Rippenbreiten- und Rumpfdicken-Maximum : in seiner Hbhenlage variierend
zwischen / und g. Start dieses MaBes findet sich a. a. O. vielmals 7 und
7 r = Rippenbreite am vordern und riickwartigen Armspalt gegeben.
8,8' = Minimum der Rumpf breite in den Weichen, resp. der Bauchtiefe in Nabelhohe.
9,9' = Maximum der Gesaflbreite und Tiefe, beide der Hohe nach variierend im Inter-
vall zwischen Drehaxe des Oberschenkels und der des Hodensackendes.
10,10' — Breite und Dicke am Rumpfende 0 resp. 0.
11,11' — Knicbreite und Dicke: am obern Kniescheibenrande (Hohe von q).
12,12' — Maximum der Wadenbreite und Dicke.
(13,13' = Breite und Dicke des Unterschenkcls am untern Ende des auflern Wadenmuskels.)
14,14' = Minimum der Breite und Dicke oberhalb des FuBknochels.
2. der Arme.
17,17' — Maximalbreitc und Dicke des Oberarms.
27 = FuBbreiten-Maximum.
i8,iS'= Dicke und Breite desselben am Armspalt.
19,19' — Minimum der Breite und Dicke des Oberarms tiber den Ellbogen.
20,20' = Maximum der Breite und Dicke des Unterarms.
21,21' — mittlere Breite und Dicke des Unterarms an den Inflexionspunkten des
Unterarmkonturs.
22,22' = Minimum der Breite und Dicke am Handknochel.
23,23' = Maximum der Breite und Dicke der Hand bei bereits bezeichneter Haltung.
3. des Fufles.
27 = Maximum der Fufibreite, meist im Abstande des Dorns des kleinen Zehens.
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Zu Lukas Cranach.
Nachfolgend bringe ich ein Schreiben Johann Friedrichs des Grofi-
miitigen an Lukas Cranach den A Iter en zum Abdruck, das sich bei
den im Archiv des Germanischen Nationalmuseums deponierten Auto-
graphen der Kirchenbibliothek zu Neustadt a. A. gefunden hat. Es kam
in diese Gesellschaft von Theologenbriefen offenbar zusammen mit
etlichen Schreiben von und an den Magister Mathias Gunderam, der,
.spaterhin Pfarrherr in Crailsheim, ebenfalls ein Kronacher Kind und in
den Jahren 1546 — 1556 Hauslehrer in der Familie Cranachs des Jiingeren
gewesen war. (»In Lucas malers haufi zw anttworten« lese ich auf der
Adresse eines Briefes des J. Milich an Gunderam 1552 und »jn herren
lucas malern behaussung<c auf einem solchen von A. v. Burn 1556.)
Hier der Wortlaut:
»Von gots gnadenn Johans Fridrich Hertzog zu Sachsen der
Eldter, Landgraf jn Duringen vnd Marggraf zu Meissenn.
Lieber getreuer. Nachdeme Romische Key. Maestat vnser aller-
gnedigister herr den Reichstag vff den ersten Septembris alhier zu
Augsburg zu halten ausgeschriben vnd vns sachen furfallenn, Darzu
wir deiner bedurfftig sein
So begeren wir du well est dich furderlich zu vns anher gegen
Augsburg verfugenn vnnd die Tafel, die wir dir zumachen
beuholenn, mit dir bringen. Daran thustu vnsere gefellige mey-
nunge. Datum Augsburg den andern tag des Monats Augusti Anno
Dm.jm xxxxvii den.« (1547.)
Adresse: >Vnnserm libenn getrcuenn Lucafien
Cranach dem Eldtern zu Wittcnbergk.«
[Pap. — Vom aufgedriickten Siegel nur mehr ganz geringe Rcste
vorhanden.]
Dr. Heinr. Hcenvagen, Ntirnberg.
Repertorium fur Kunstwissenschaft, XXVI. 20
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Literaturbericht
Architektur.
Handbuch der Architektur, herausgegeben von Professor Dr. Eduard
Schmitt in Darmstadt. II. Teil, 4. Band: Die romanische und die
gotische Baukunst, 4. Heft: Einzelheiten des Kirchenbaues
von Max Hasak, Reg.- und Baurat in Grunewald bei Berlin. Arnold
Bergstrafier Verlagsbuchhandlung (A. Kroner), Stuttgart 1903.
Das vierte Heft hat 511 in den aus 376 Seiten bestehenden Text
eingedruckte Abbildungen, sowie 12 eingeheftete Tafeln. Iin zweiten
Kapitel werden die Wande und zwar a) Konstruktion nebst Ausfuhrung,
b) Wandsockel, c) Haupt- und d) Gurtgesimse auf 1 1 Seiten behandelt.
Das dritte Kapitel bespricht die Siiulen, Pfeiler und Kragsteine auf
43 Seiten; das vierte Kapitel die Gewolbe auf 15 Seiten; das ftinfte
Kapitel Giebel und Wimperge auf 6 Seiten; das sechste Kapitel den
Backsteinbau auf 32 Seiten; das siebente Kapitel Tiiren, Fenster und
Vergitterungen auf 41 Seiten; das achte Kapitel die Glasmalerei auf
47 Seiten; das neunte Kapitel die Wandmalerei auf 27 Seiten; das
zehnte Kapitel die Fufiboden auf 18 Seiten; das elfte Kapitel die
Oramentik auf 12 Seiten; das zwolfte Kapitel die Bildhauerkunst in
Frankreich, Deutschland und Italien auf 56 Seiten; das dreizehnte Kapitel
die Grabmaler auf 4 Seiten; das vierzehnte Kapitel die Einrichtungs-
gegenstandc und zwar Altare, Chorgestiihl, Lettner und Chorschranken,
Kanzeln, Taufsteine, Emporen und Orgelblihnen auf 32 Seiten und das
fiinfzehnte Kapitel die Schreibschrift, Buchschrift sowie die Inschriften
an Gebauden auf 12 Seiten.
Der Verfasser des viertcn Heftes hat sich der grofien Miihe, cigene
Zeichnungen nach Reiseaufnahme zu bringen, nicht unterzogen, daftir
aber kommen solche von Viollet-le-Duc, August von Essenwein und der
unter Friedrich Freiherrn von Schmidts trefflicher Leitung entstandenen
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Literaturbericht.
427
der Wiener Bauhtitte zum Nachdrucke. Meine auf Seite 454 ff. des
XXV. Bandes vom Repertorium ftlr Kunstwissenschaft 1902 erfolgte Be-
sprechung des den Kirchenbau enthaltenden dritten Heftes hat von
dessen Verfasser eine Erwiderung gefunden, welche mich veranlafit,
darauf zu antworten.
Da Architekt Max Hasak selbst auf Seite 89 seines vierten Heftes
sagt: »Die ersten der Zeit nach bestimmten Ziegelbauten der Mark
sind die Dorfkirche und die Klosterkirche zu Jerichow; die erstere stand
schon vor 11 44; die letztere wurde gegen 11 50 enrich tet«, so kann er
eben bei mir fur Sankt Maria und Nikolaus der Pramonstratenser Chor-
herren das Jahr 1147 auch nicht beanstanden.
Das Handbuch der Architektur ist nicht ftlr Dilettanten, sondern
fur Fachleute bestimmt, die Abbildungen von Baudenkmalern mtissen daher
der Wirklichkeit entsprechen. Der auf Seite 17 des dritten Heftes von
Architekt Max Hasak publizierte Langenschnitt des Speyerer Kaiserdomes
Sankt Maria Himmelfahrt ist irrig, wie ich schon in meiner Besprechung
im Repertorium Seite 454 ff. des XXV. Bandes von 1902 dargelegt habe
und hieran vermogen auch die in der Erwiderung gedruckten Siitze nichts
zu andern. Architekt Hasak hat a) seine Mauerarkaden als Halbkreise
gezeichnet, was sie aber heute nur noch im ersten Joche nachst dem
Triumphbogen sind, wahrend alle weiteren nach Westen folgenden Arkaden
nur reine Viertelkreise Uber den Halbsaulen mit Wiirfelkapitellen besitzen
und die zugehorigen anderen Halften jene bei Ausfiihrung der Ein-
wolbung nachtraglich hergestellten verzogenen Kurvenlinien; b) Hasaks
Zeichnung riickt den Mittelpunkt der Arkadenbogen um XJ3 m zur Seite,
wahrend er im Mittelpunkte der Rundbogen-Fenster liegt und c) Hasak
gibt uber den jetzigen Gurtbogen-Kampfern aufstehende halbkreisfdrmige
Maucrbogen, stattdessen existieren hier aber die verzogenen Kurvenbogen,
welche 38 cm enger als die ehemaligen Halbkreisbogen des Urbaues
vom Mittelschiffe sind.
Architekt Dr. Robert Dohme nennt auf Seite 61 seiner 1887
edierten »Geschichte der Deutschen Baukunst* die Abteikirche Laach
eine Art kunstgeschichtlichen Ratsels und dieses vermeint Architekt Max
Hasak kurzerhand durch eine Urkunde vom Jahre 11 12 losen zu konnen.
Ich habe die in Bonn 1854 erschienene »Geschichte und das Urkundenbuch
des Klosters Laach« von Dr. Julius Wegeler gelesen, sowie bereits 1859
die Benediktiner Abteikirche Sankt Maria und Nikolaus durch cigene
Anschauung kennen gelernt, endlich meine lange vorbereitete Bauanalyse
1892 im 18. Hefte der »()sterreichischen Wochenschrift fur den offentlichen
Baudienst« mit Abbildungen niedergelegt. Wenn ich die im Jahre 1156
durch den Erzbischof Hillinus von Trier erfolgte Konsekration auf eine
29*
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428 Literaturbcricht.
gewolbte Anlage vom Ostchor unci Querschiff, sowie eine im Langhause
flachgedeckte dreischiffige Siiulcnbasilika bezog, deren feuersichere Ein-
wolbung aber erst der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts zuwies, so
glaube ich dafilr in Konstruktion und Formengebung der Substanz den
Nachweis erbracht zu haben.
Architekt Max Hasak hat das hochwichtige Baudenkmal der
italienischen Gotik San Francesco zu Assisi nie gesehen, sonst wiirde er
in der Erwiderung auf seinem unrichtigen T-formigen Grundrisse mit
5/io Chorschlusse unmoglich beharren konnen. Ich habe bereits 1866 und
spater 1879 aus eigener mit Zeichnungen verbundener Anschauung San
Francesco kennen gelernt; es ist in der Oberkirche, gleich der Pramon-
stratenser-Chorfrauen-Stiftskirche zu Altenberg an der Lahn, Erzdiozese
Trier, eine einschiffige Kreuzanlage, da wie dort erfolgt der Chorschlufl
mit funf Seiten des regelmiifiigen Achteckes und zwar aus sehr triftigen
Griinden der Konstruktion. Die Gurtbogen der Vierung sind weit ge-
spannt, bedlirfen daher Widerlager von entsprechenden Mauerkorpern in
Breite, Lange und Hohe. Solche bieten nun wohl die in der Druck-
linie von den Gurtbogen hergestellten parallelen Seiten des Achteckes,
nicht aber die schragen Seiten cincs halben Zehneckes. Das gleiche
Kompositionsgesetz leitetc Architekt Heinrich Strack bci dem von 1846
bis 185 1 ausgefiihrten Neubaue der Petrikirche in Berlin, seine ein-
schiffige Kreuzanlage schlofi er im Chore nicht 5/io, sondern mit funf
Seiten des regelmafiigen Achteckes.
Architekt Franz Jacob Schmttt in Miinchen.
S k u I p t u r.
W. Hiazintow, Die Wicdergeburt der italienischen Skulptur in
den Werken Niccolo Pisanos. Moskau. 1900. 136S. mit6iAbb.
u. 3 Tafeln. (Russisch.)
Immer wicder (ibt dasNiccol6-Problem seinen Reiz auf jiingere Krafte,
die sich der Kunstgeschichte zuwenden. Das ist erfreulich, denn un-
befangcncr Blick ist in dieser verwickelten Kontroverse ein Haupt-
erfordernis. Auch hier ist eine Losung noch nicht gefunden, aber das
TTpeoTOv ^zVjoZj die herrschcnd gewordene allzu einseitige Beurteilung der
Kunstweise Niccol6s, erfahrt eine grtindliche Berichtigung. Als sicheren
Ausgangspunkt sieht der Verfasser — Privatdozent der Moskauer Univcr-
sitat — mit Recht zunachst nur die Kanzel von Pisa an. — Die ver-
gleichende Untersuchung eroffnct ein Riickblick auf die vorhergehende
Entwicklung der Plastik in Toskana. H. folgt hier im wesentlichen
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Literaturbericht. 429
Schmarsow, so vor allem in der Identifizierung von Guido und Guidetto.
In ihm sieht er den Dekorator, dessen Verdienst die ausgleichende Ab-
klaning der Reliefkomposition sei. Dafi gerade der Meister von Como
den friesartigen Stil der Oberitaliener zu einer strengeren Flachenwirkung
fortbildet, scheint sich auch mir am ehesten durch seine friihe Uber-
siedlung nach Toskana zu erklaren. Die Martinsgruppe mochte ich
jedoch etwas abweichend von Schmarsow und H. am engsten mit dem
Regulusportal zusammenbringen. Der Henker im Tympanon erscheint
nach Auffassung von Korper, Gewand und Kopftypus dem Bettler wesens-
gleich (dessen Beine sichtlich restauriert sind). Seine Armbewegung
stimmt wieder in ihrer Gebundenheit mit der des Martin. Die Einzel-
gestalten sind mit derselben Plastik und lebendigen Silhouettenwirkung
erfaflt. Die Reliefkomposition ist freilich dabei recht ungllicklich. Dennoch
konnte der Meister auch mit dem der Martinslegende (und der Monats-
bilder?) identisch sein, da er sich am Architrav in ihr mindestens auf der
gleichen Hohe halt. In den Friesreliefs findet ubrigens eine Anlehnung
an altere Typen statt, wie H. fiir die Besessenenheilung feststellt (Tiir zu
Gnesen). Flir das Tympanon lag die Aufgabe offenbar neu und unge-
wohnlich schwierig. — Von dieser zu schlichtester Naturauffassung hin-
drangenden Kunst fuhrt keine Brlicke zu Niccol6s antikisierendem Stil.
Ebensowenig erkennt H. mit Recht als Vorstufe des letzteren das Relief
aus Ponte alio Spino im Dom von Siena an. Er halt es mit Dobbert
und Schmarsow flir eine verzerrte Nachahmung (Gehilfenarbeit?) Niccolos,
in der der vielmehr antike Einflufi abgeschwacht erscheine. Dann wird
mit dem alten Versuch Kohlers (Kunstblatt, 1826), Niccol6 an B. An-
telami anzukntipfen, abgerechnet. Die antiken Elemente sind bei diesem
in der Tat wieder nur mittelbare Entlehnungen aus der christlichen
Kunsttradition, die wir jetzt noch leichter begreifen, nachdem der pro-
vencalische Einflufi auf Benedettos Kunst erkannt ist. Viel weniger uber-
zeugend wirkt die nachfolgende Widerlegung von Crowes Hypothese iiber
Niccol6s Herkunft aus Apulien. Zuzugeben ist, dafi der einmalige Zu-
satz >de Apulia«, obwohl durchaus als Bezeichnung der Provinz zuliissig
(vgl. Arch. stor. 1894, p. 365), im betr. Dokument (Milanesi, Doc. etc.
p. 146) sich auf Niccolo selbst wegen der widersprechenden tibrigen
Zeugnisse (»de Pisis«, »Pisanus«, »natus Pisani«) kaum beziehen lafit.
Andrerseits fehlt bis heute der Beweis, dafi das Dorf »Puglia« bei Lucca
oder Arezzo ohne Zusatz so genannt werden konnte. So bleiben nur zwei
Wege: ein neuer Vorschlag des Verfassers, »dc Apulia« mit »requisivit«
iscil. »Fra Melano« — »Nicholam Petri «) zu verbinden, oder aber es auf
den Vatersnamen zu beziehen. Ein drittcr ware (s. Crowe u. C), dafi N. als
Pisaner Burger in Apulien geboren und geschult ist. In keinem Falle
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a 30 Literaturbericht.
kommt man um Apulien herum. H. halt freilich den Einflufi der unter
Friedrich II. bliihenden stiditalischen Schule auf N. fiir ausgeschlossen,
da er spatestens 1230 in Pisa geboren, Petnis folglich vor jener Kunst-
bltite eingewandert sei. Er sucht der gegnerischen Anschauung auch den
Stiitzpunkt zu entziehen, den sie in den weiblichen BUsten von Ravello
(Sigilgaita) und Scala (in Berlin) sowie in den zwei mannlichen und dem
der Capua aus dem Kastel am Volturno (in Capua) findet, indem er aus
der subtilen Stilkritik Fabriczys (Zeitschr. f. b. K. 1879, S. 180) die allzu
weit gehende Folgerung zieht, dafi zwischen beiden Gruppen liberhaupt
kein Zusammenhang bestehe. Wahrend er in der ersteren mit Dobbert
schon Einflilsse der Schule Niccol6s erkennt, sei die vorhergehende Kunst
Siiditaliens mit ihrer bis ins zwolfte Jahrhundert (Kanzel von Salerno
u. a. m.) zuriickreichenden, rein aufierlichen Nachahmung der Antike
grundverschieden von Niccolos Verhaltnis zu dieser. Aber schon die
Biistenform verbindet jene gesamte Denkmalerreihe, und neben tech-
nischen und stilistischen Unterschieden sind auch tibereinstimmende Ziige
wie die Augenbehandlung und Drapierung der beiden mannlichen und
der Berliner Frauenbiiste da. Dafi an ihr und der Sigilgaita die antike
Stilisierung abgeschwacht, die Individualisierung hingegen m. E. ent-
schieden gesteigert erscheint, offenbart eine folgerichtige Entwicklung.
Ich verstehe nicht, wie H. die letzteren als individueller und die weib-
lichen Kopfe als allgemeiner bewerten kann. Hiazintows Irrtum entspringt
nur aus einer zu scharfen antithetischen Zuspitzung der Stilvarietaten.
Seine Grundvorstellung iiber Niccol6s kunstlerische Herkunft und sein
Verhaltnis zur Antike aber (s. u.) ist die eigentliche Ursache, weshalb er
dasselbe aus anderen Anregungen zu erklaren sucht, obgleich er selbst die
unmittelbare Nachahmung der Antike als das eigentlich Neue daran
betont und andrerseits die Moglichkeit zugibt, dafi er sogar als Toskaner
Einwirkungen von Apulien (bezw. Siiditalien) her empfangen haben konnte.
Dafi N. nicht nur Sarkophage als Vorlage benutzt, sondern auch so antik
empfundene Freifiguren wie den jugendlichen Herkules (Fortezza) zu ge-
stagen weifi, erklart sich jedoch aus einem anderen Anstofi oder gar aus
spontaner personlicher Initiative ungleich schwerer, als wenn man in ihm
den selbstandigen Fortsetzer jener antikisierenden Schule erkennt, die
schon in Salerno Silene, Kentaurengestalten u. a. m. als dekorative
Figtirchen verwendet. H. bemerkt aber ganz richtig daneben noch
andere Elemente in seiner Kunst, und das hat ihn wie so manchen
der friiheren Forscher zu dem Fehlschlufi gefuhrt, auch die antiken, also
seine gesamte Kunst aus ein und derselben Quelle herzuleiten. Allein N.
ist keine einfache, sondern eine hcichst komplizierte Erscheinung, ein
KUnstler, der inmitten sich kreuzender Richtungen steht und erst in
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Literaturbericht. a* i
seiner Entwicklung selbst den Ausgleich zwischen ihnen herstellt. Das
grofie Verdienst Hiazintows bleibt es, energischen Widerspruch gegen die
heute fast allgemeine Auffassung Niccolds eingelegt zu haben, die in ihm
nur einen klassizistischen Formalisten sieht. Er hebt zunachst solche
Eigenschaften hervor, welche bei N. die plastische Schdnheit beeintrach-
tigen: einmal die Uberfiillung der Reliefs. Diese ist eine bewufit ab-
sichtliche, nicht zufallig aus dem inhaltlichen Reichtum entspringende.
Sie beruht, wie ich es bestimmter fassen mochte, auf der Ubertragung
vorwiegend malerischer, und zwar byzantinischer Vorbilder ins Relief
und auf Vereinigung solcher Szenen nach dem episodischen Konipositions-
prinzip der Sarkophage, woraus Niccol6s und damit der malerische
Reliefstil der italienischen Kunst tiberhaupt entsteht. Sein Ziel aber
war dabei die gleichmafiige Massenwirkung im architektonischen Rahmen.
Denn die Kanzel von Pisa ist schon in ihrem ganzen sechsseitigen Auf-
bau, der offenbar der Anpassung an den zentralen Raum seine Ent-
stehung dankt, eine bis ins letzte durchdachte Neuschopfung. Unantik
sind ferner bei N., wie H. u. a. vor ihm bemerkt haben, die schwercn
romanischen Proportionen, denen auch ein vorherrschender fleischiger
Kopftypus mit niedriger Stirn entspricht, sowie die schwere, eckig
brechende Gewandbehandlung. In dieser nun verrat sich deutlich, dafi
N. bereits in Pisa von der Gotik nicht unbeeinflufit ist. Wegen der
hier aufgezahlten, die antiken Formenschonheiten beeintrachtigenden Ziige
kehrt H. zu Schnaases Urteil zuriick, der das Wesentliche der Ent-
lehnungen von der Antike in der Aufnahme plastischer Bcwegungsmotive
und padietischeren Ausdrucks durch N., also gerade in seinem meist ge-
leugneten Streben nach hoherer Belebung sah, worin Giovanni nur ener-
gischer die Richtung seines Vaters fortsetzt. Verglichen mit den alteren
Denkmalern ist, wie H. mit Recht belont, Niccolos Madonna in der
Geburtsszene lebensvoller, sein Joseph nicht teilnahmlos, sondern in ge-
spanntem Griibeln begriffen, — es ist, nebenbei bemerkt, ein Vorsichhin-
suxrren wie bei Giovanni in Pistoja — sein Kruzifixus nicht der schmerz-
lose der alteren Kunst, sondern der schmerzbewegte (der neuen maniera
greca). Und so findet H. auch fur die den indischen Bachus nach-
ahmende finstere Gestalt und die entsprechende der Kanzel von Siena
eine passende Erklarung als Herodes. Diese Deutung bleibt freilich
zweifelhaft, da bei Giovanni in Pisa an gleicher Stelle sicher der Hohe-
priester (mit Turban statt Krone) erscheint, der feindselige Ausdruck aber
ist zweifellos richtig erkannt. In siimtlichen o. a. und anderen Fallen hat
H. den Ausdruckswert mit feinem Verstiindnis der kiinstlerischen Absicht
erfaOt. Neben solchen Gestalten und einem Zeuskopf wie Simeon bietet
N. aber schon in Pisa auch ganz natural istische Charaktertypen wie die
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432
Literaturbericht
(aus der Amme Phadras entwickelte) Hanna und vor allem die zuschauende
Alte daneben. Einen ebenso entschiedenen Naturalismus verrat die Be-
handlung der Hande (Simeons u. a.). Bei der Kreuzigung erkennt H.
in der Befestigung der Fiifie Christi mit einem Nagel wieder gotischen
Nebeneinflufi. Auch der grimassierende Johannes und das ganze so stark
abweichende figurenreiche Weltgericht, dessen von H. hervorgehobene
starkere Dramatisierung, wie man mit Reymond bestimmt aussprechen
darf, auf der abendlandischen Ikonographie beruht, finden dadurch ihre
Erklarung und brauchen nicht mit Forster und Frothingham (Amer.
Journ. II, p. 4) Niccol6 abgesprochen zu werden. H. hat aber versaumt, aus
alledem einerseits mit voller Klarheit, andrerseits mit der notigen Vor-
sicht den Schlufi zu ziehen, dafi sich schon an der Kanzel zu Pisa eine
fortschreitende Entwicklung Niccolos zu stiirkerer Annaherung an die
Gotik nicht verkennen lafit, — denn nunmehr umgekehrt die Anlehnung an
die Antike flir das Sekundare anzusehen (s. unten), dazti gibt uns das
Denkmal nicht die Berechtigung.
Einen weiteren Schritt in derselben Richtung lafit die nachste datierte
Arbeit, die Area di S. Domenico, erkennen. Ich mbchte ihr sogar weit
mehr entscheidende Bedeutung beimessen als H., der das Zurtick-
treten der antiken und die Zunahme der zeitgenossischen, gotischen
Elemente (z. B. in der Tracht) an diesem Werkc Niccolds betont Zuvor
ist doch die Frage zu stellen, ob nicht gerade darin eine Folge der
Mitarbeiterschaft Fra Guglielmos zu erkennen sei. Sie lag um so
naher, als auch H., wie heute wohl allgemein angenommen wird, diesem
einen hervorragenden Anteil an der Ausflihrung der Area und sogar an
der Komposition einraumt. Doch glaubt er neben dessen charakteristi-
schen jugendlichen Kopftypen mit hoher Stirn und kurzem Untergesicbt
in einem anderen Typus von entgegengesetztem Bau, sowie in den
ersten zwei Kopfen 1. oben im ersten Relief der Vorderseite und schliefi-
lich in der Statuette der Madonna Niccolds Hand zu erkennen, — die
ich nirgends mit Sicherheit herauszufinden vermag. Am ehesten tragen
noch die Reliefs der Rtlckseite in ihrer fltichtigen und doch sicheren
Behandlung deren Stempel. Doch haben auch hier besonders die
Jiinglingskopfe Ahnlichkeit mit den glatten Gesichtern mit eingekniffenen
Nasenrliigeln und halbgeschlossenen Augen der iibrigen Reliefs, die ganz
sicher Fra Guglielmos Mache verraten. So kommt man durchaus zu
Schmarsows Voraussetzung einer viel »inniger verwebten Zusammenarbeit«
beider Klinstler. Und Niccolos Komposition wenigstens gibt sich im
Relief der 1. Schmalseite und bei der Vision des Papstes schon in den
aus dem Hintergrund hervortauchenden Architekturen sowie im Paralle-
lismus der herrlichen Apostelgruppe mit dem knieenden Dominicus deutlich
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Literaturbericht. 433
genug zu erkennen. Seiner Anregung (vgl. die Propheten in den Zwickeln
der Kanzeln) entspringen ferner, wie ich glaube, die mehrfach wiederholte
Figur des vorgebeugten Dominikus und die von H. erwahnten Kopfe.
Im allgemeinen aber hat wohl bei den drei anderen vie! symmetrischer
und friesartiger komponierten Reliefs auch am Entwurf Fra Guglielmo
den Hauptanteil. Die beweglicheren Jiinglingsgestalten der Arianer und
vor allem die Rtickenfiguren der r. Schmalseite, die geradezu in ein
franzosisches Tympanon hineinpassen wtirden, verraten hier einen ganz
aus der Gotik herausgewachsenen Klinstler. Dasselbe bestatigen die z. T.
schon von Schmarsow ihm zugesprochenen freiplastischen Heiligenfiguren
u. m. E. auch gerade die Madonna, die mit ihrer puppenhaften Lieblich-
keit und dem bloden Kinde von der Zug um Zug entsprechenden Eck-
figur an der Sieneser Kanzel durch den ganzlichen Mangel der feineren
(der Antike abgewonnenen) Rhythmisierung doch meilenweit entfernt ist.
Dennoch verdankt Niccold erst dem weniger begabten Fra Guglielmo
den vollen Anschlufi an den plastischen Kanon der Gotik. Zwischen
beiden findet ein Austausch statt, bei dem wiederum jener, wie seine
Kanzel in Pistoja beweist, ganz aufierlich Niccolds Stil annimmt. Da-
gegen berechtigt uns nichts, den Dominikaner Laienbruder, der an keinem
anderen Werke Niccol6s beteiligt erscheint, den » sculptor egregius« der
Chronik von S. Caterina, »sociatus dicto architected «, — (denn unter
diesem kann auch ich nur N. verstehen; vgl. Schmarsow, a. a. O. S. 128)
— fur dessen Schuler zu halten. Fra Guglielmo schliefit sich im Auf-
bau seiner Kanzel eng an die toskanische Tradition an. Der letzteren
sind oflenbar die vorgestellten Figuren zwischen den Reliefs auch an
der area entlehnt, ein Motiv, das dann von Niccold auf die Sieneser
Kanzel ubertragen wird. Die Beruhrung mit dem erfahrenen Gotiker
erklart dessen tiefgehende Stilwandlung an der letzteren, die viel gotischer
ist als die von Pisa und, trotz spaterer Entstehung, doch weniger gotisch
als die area, sondern einen mehr personlich gefarbten und mit dem
antiken verschmolzenen gotischen Typus vertritt. Die freiere Bewegung
und die nattirlichere Erscheinung der Figur hat Niccold dem Mitarbeiter
abgelernt und dadurch den lebendigeron Ausdruck fiir das ihm eigene
Pathos gewonnen. Dennoch bewahrt er seinen malerischen Reliefstil, ja
er steigert ihn sogar, wie H. richtig betont, in der Absicht inhaltlicher
Bereicherung der Darstellungen. Im Gegensatz dazu bleibt an der area,
besonders in den auf Fra Guglielmo zuriickweisenden Kompositionen die
Raumentfaltung in echt gotischem Sinne auf den Vordergrund beschrankt.
— Dafi die Verschiedenheit der beiden Kanzeln Niccol6s ein Ergebnis
seiner eigenen inneren Entwicklung ist, hat H. mit voller Klarheit
erkannt, obgleich auch er den Einflufl des Dominikaners unterschatzt.
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Literaturbericht.
Die Kanzel von Siena, kaum vor 1267 ernstlich in Angriff genommen — das
beweist das o. a. Dokument (s. S. 429) — und bereits im November 1268
vollendet, hat besonders in den untergeordneten Teilen gewifi die
Beihilfe der Schiiler erfordert, der Entwurf stand aber gerade darum gewifi
von Anfang an fest. Sie arbeiteten zweifellos nach Niccolds Zeichnungen.
Die Ausftihrung ist tiberdies namentlich in den ersten Reliefs eine so
gleichmafiige, dafi man diese doch vorwiegend fur eigenhandig zu halten
geneigt sein wird. Einzelne mifigliickte Krieger beim Kindermord ver-
raten eine Gesellenhand, und ein paar Kbpfe neben dem Kruzifixus 1. o.
in der zweiten Reihe kommen, wie mir scheint, Giovannis Art sehr
nahe. Fiir das Ganze aber raumt H. mit Recht weder Giovannis her-
berer noch Arnolfos milderer Atiffassung einen bestimmenden Einflufi
ein. Vielmehr habe Niccold an der Kanzel von Siena selbst die Richtung
eingeschlagen, in der sich Giovanni weiterentwickelt. Am Brunnen von
Perugia fallt diesem dann nach H. in der Tat der Hauptanteil zu. Und
von den Statuen der inneren Schale stehen ja so manche wie Petrus
und Paul us, die Divinitas u. a. unleugbar seinen Propheten und Sibyllen
in Pistoja schon sehr nahe. H. nimmt nur den schwerfalligen Moses
noch fur N. in Anspruch. Arnolfo di C. hat der Verf. so wenig wie
andere vor ihm herausgefunden, da er aber fiir 24 Tagewerke, allerdings
erst nachtraglich, bezahlt worden ist (vgl. Vasari I, p. 308 ed. Milanesi),
ware vielleicht doch mittels Vergleichung mit seinen roinischen Ciborien
die eine oder andere Figur ihm zuzuteilen. Die Reliefs der iiufieren
Schale gibt H. mit Recht zum allergrofiten Teil Giovanni. Die kiihnen
Verkiirzungen (Adams r. Arm u. a. m.) und starken Kontraposte (Astro-
nomie, Divinitas) weisen deutlich auf ihn hin, die schweren Proportionen
aber lassen ihn noch stark von Niccolds Art abhangig erscheinen.
Einzelnes, wie der eine Adler. mag sogar noch diesem selbst gehoren,
wie H. aus der inschriftlichen Bezeichnung > bonus Johannes est sculptor
oper hujus«, (namlich des anderen) iiberzeugend folgert. — Fiir die alleinige
Urheberschaft Niccolos tritt der Verf. bei den Reliefs am 1. Domportal
zu Lucca ein, und ich kann ihm nur beistimmen, wenn er ihre Entstehung
in die Zeit zwischen die Pisaner und Sieneser Kanzel ansetzt. An die
erstere gemahnen hier noch reinere antike Anklange, vor allem der fast
identische (leider recht beschadigtc) Kopf des jugendlichen Konigs am
Architrav (dessen Zugehorigkeit zur Lunette ohne Gegenbeweis a priori
anzunehmen ist und dadurch bestatigt wird), sowie die Pferde. Dafi
der Kunstler aber zu energischerer Belebung, z. B. der anbetenden zwei
Konige und der fein . abgestimmten Figuren der Kreuzabnahme, fort-
geschritten ist, dariiber kann man sich nicht tauschen, und dafi er diesen
Fortschritt der Gotik verdankt, bestatigt das gotische Portal hinter der
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Literaturbericht. 43 c
Verkiindigungsgruppe, das in einem Friihwerk nicht zu erwarten ware,
Auch ware es ganzlich unbegriindet, solche Bestrebungen bei Niccol6 fiir
Jugendstil zu nehmen. Fiir seine Urheberschaft am Architrav spricht
noch, dafi Fra Guglielmo die Kontamination von Geburt und Anbetung
an seiner Kanzel (um 1270) iibernommen hat An den Reliefs zu Lucca
braucht der letztere darum noch keinen Anteil zu habcn, denn die klar
abgewogene Komposition hat N. im Bogenfelde einfach auf der Grund-
lage des schon sehr durchgebildeten und sehr konstanten ikonographischen
Schemas der Kreuzabnahme gewonnen. Trotzdem wahrt er nach H.s
tre Render Beobachtung auch hier in der Anwendung von drei Pliinen
seinen malerischen Reliefstiel. So bekommen wir eine mit der area in
Bologna ungefiihr gleichzeitige Arbeit Niccolos und* fiir die hier an-
gedeutete Auffassung seiner kiinstlerischen Entwicklung ein wichtiges
Mittelglied. Sie wiirde es erklaren, dafi der Kiinstler die Ausfiihrung des
Heiligengrabes nach gemeinsamer Feststcllung des Planes grofitenteils
dem Mitarbeiter uberliefl, vielieicht nachdern er seine drei Reliefs
abozziert oder die der Ruckseite rnoglicherweise sogar fast vollendet
hatte. Schon Schmarsow hat darauf hingewiesen, dafi ein Auftrag aus
Lucca nach Einsetzung einer neuen Kommission i. J. 1261 viei Wahr-
scheinlichkeit hat. Die Area war 1267 vollendet, kann aber sehr viel
friiher begonnen sein. Starke, aber nicht gerade personliche Anregungen
hat N. damals von Fra Guglielmo empfangen. Solche hingegen, und
zwar von dessen Kanzel in Pistoja, sind m. E. an einem spiiteren Werk zu
spiiren, dem Lesepult, das von dort nach Berlin gelangt ist. Auch H.
erkennt es wegen der grofi empfundenen Kontraststellungen Niccolo zu,
fur den die Gestalten ja fast zu anmutig erscheinen, wahrend sie doch
fiir Fra Guglielmo selbst in Form und Ausdruck zu bedeutend sind. So
verflicht sich wiederholt das ScharTen beider Kiinstler unter wechsel-
seitiger Beeinflussung, wobei der Stiirkere der Gewinnende bleibt. Die
Widerspriiche in dem scheinbaren Stilwechsel Niccolos schwinden unter
diesen Voraussetzungen. Und die hier begrundete Auffassung hiilt sich
streng an das Zeugnis der Denkmiiler und festen Daten und lafit es doch
zugleich als vollguitig nur fur jede einzelne dadurch bezeichnete Ent-
wicklungsstufe gelten. Obwohl ich mich in sehr vielen Punkten dem
Urteil des russischen Forschers anschliefie, komme ich daher doch zu
einem abweichenden Gesamtergebnis. — H. zieht namlich in einem
Schlufikapitel Folgerungen, die den Fehler der meisten friiheren Unter-
suchungen wiederholen, sich nach einem Hauptdenkmal oder nach gewissen
besonders auffalligen Stileigentiimlichkeiten eine allgemeine Vorstellung
von dem Wesen des Kunstlers zu bilden, statt nach den Faktoren zu
forschen, die seine Wandlung erklaren konncn. Und wenn das Urteil
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436 LiteraturberichU
seiner Vorganger meist in Widerspruch zu dessen spateren Werken genet,
so ist H. umgekehrt seiner ersten Schopfung nicht vollig gerecht ge-
worden. Die richtig beobachteten wiederholten Beziehungen Niccol6s
zur Gotik, zu denen weitere ikonographische Ubereinstimmungen in der
Anbetung der Konige und Geburt Christi hinzukommen, haben ihn verftihrt,
dessen Kunst geradezu aus ihr abzuleiten, und und er bemuht sich nament-
lich unter Heranziehung des Albums des Villard d'Honnecourt nachzu-
weisen, dafi die Nachahmung der An tike mit ihr keineswegs unvereinbar
war, sondern dafi die Gotik eine Anlehnung an diese ofter gesucht habe.
Allein die Benutzung antiker Motive der Ponderation und dgl. in der
gotischen Plastik zugegeben, so erscheinen doch die antiken Elemente
in ihr noch starker umgearbeitet als in der byzantinischen Kunsttradition,
und einen plotzlichen Ubergang zur unmittelbaren Nachahmung ver-
mogen sie daher ebensowenig zu erklaren. Nur durch die stiditalische
Hypothese, zu der ich mich selbst erst nach eindringender Beschaftigung
mit der Frage habe bekehren mtissen, wird Niccol6 an einen Denkmalerkreis
angeschlossen, mit dem seine Werke wirklich eine fur die Anschauung
fafiliche Stilverwandtschaft haben (vgl. z. B. den Evangelistenengel an der
Kanzel von Salerno und die Tugenden in Pisa.) Fiir sie lallt auch
Niccolos aufierordentliche Vertrautheit mit byzantinischen Vorbildern
malerischer Art, wie sie in den sizilischen Mosaiken gegeben waren, ins
Gewicht. Und wenn irgendwo bereits Ansatze zu einem malerischen
Relief vorhanden waren, so finden sie sich in jener dekorativen Klein-
plastik, wie z. B. in den Ambonenplatten von S. Restituta in Neapel, auf
denen Architekturen und sogar das Wasser zur Darstellung kommen.
Wenn das gotische Hochrelief auch gelegentlich wie z. B. im Weltgericht
zur Verwendung mehrerer Plane und zur grofieren Raumtiefe gelangt, so
bleibt seine Raumdarstellung doch eine abstrakte. Sie beruht auf mog-
lichster Isolierung der einzelnen Figuren. So unzweifelhaft H. in der
Annahme eines tiefgreifenden Einflusses der Gotik auf Niccold Recht
hat, die ursprlingliche Wurzel seiner Kunst bildet sie nicht. Es ist eine
zu gedankenhafte und zu wenig aus der Anschauung der Denkmaler ab-
geleitete Schlufifolgerung, wie H. bei Niccold auch die Nachahmung der
Antike aus ihr zu erklaren sucht. Weil die Gotik den lebendigen Aus-
druck anstrebt und weil Niccolds Entlehnungen antiker Motive dem
gleichen Zwecke dienen, soil er gerade durch die Gotik, verbunden mit
dem grofieren Reichtum Italiens an klassischen Vorbildern, dazu gelangt sein.
In Wahrheit liegt die Sache vielmehr so, dafi N. fiir sein Streben nach
lebendigerem und pathetischerem Ausdruck anfangs vorwiegend der
Antike und dann der gotischen Kunst die ihm geeignet scheinenden
Motive entnimmt. Und dafi neben dem Ausdruckswert auch die antike
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Literaturbericht. 4 3 j
Freude an der Leibesschonheit den Klinstler ergriffen hat, lafit sich doch
schliefllich nicht ganz und gar abstreiten. Darin scheint mir H. viel
zu weit gegangen zu sein, weil er wieder den Fehler beging, seinen Ge-
sichtspunkt zu ausschliefilicher Geltung bringen zu wollen. Gotische
Einfliisse kann N. iiberdies in Unteritalien leicht empfangen haben,
wo die gotische Architektur schon unter Friedrich II. Fufi gefaflt hatte.
lin I^iufe des Ducento erobert sie Italien. Dafi N. in ihren Bann gerat,
verrat die schon von Dobbert bemerkte Umbildung des Akanthuskapitells
an seiner Kanzel. Dafi im Gefolge der Baumeister gotische Bildhauer
nach Italien kamen, kann man mit H. als selbverstandlich ansehen. Der
Dominikaner Fra Guglielmo dlirfte von solchen geschult sein. Niccol6
aber wird erst zum Gotiker. Seine assimilierende Gestaltungskraft halt
seiner Rezeptionsfahigkeit die Wage, und wenn irgend einer, so ist er
ein Vorlaufer der Renaissance. Seine grundlegende Leistung ist die Ver-
schmelzung aller von ihm aufgenommenen Elemente zu einem monu-
mentalen Reliefstil, den Giovanni ubernirnmt, fortbildet und endlich sogar (in
Pisa) zersetzt, der aber dann bei Andrea Pisano u. a. wieder in gelauterter
Form auflebt. Wenn man alles das im Auge behalt, lafit sich zwischen
Vater und Sohn kein Schnitt im Sinne einer kunstgeschichtlichen
Periodeneinteiluug machen. Dafi sie als Vertreter einer verschiedenen
stilistischen Entwicklungsphase erscheinen, wenn man die zeitlich recht weit
auseinanderliegenden Kanzeln Niccolos zu Pisa und Giovannis zu Pistoja
vergleicht, ist unleugbar, aber kein Bruch und keine Abkehr, sondern ein
allmahlicher Umschwung findet dazwischen statt, und zwar schon im
Schaffen des Vaters. Durch Hiazintows verdienstliche Untersuchung ist
uns sein Wesen sehr viel klarer geworden. O. Wulft.
Malerei.
Osvald Siren. Dessins et tableaux de la Renaissance italienne
dans les collections de Suede. Stockholm 1902. Impr. Hasse-
W. Tullberg.
Die Ausbeute an unbeanstandeten und guten Handzeichnungen der
italienischen Renaissance in den Sammlungen Europas ist, namentlich
fur das Quattrocento, noch immer so bescheiden geblieben, dafi alle
Unternehmungen, die unsere Material kenntnis erweitern, von vornherein
freudigen Willkomms sicher sein diirfen. Den prachtvolien englischen
Publikationen, die kurzlich an dieser Stelle gewtirdigt wurden, schliefit
sich eine schwedische, zum Gltick in franzosischer Sprache verfafite an,
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438 Literaturbericht.
die in dankenswerter Weise den abgelegenen Schatz von Handzeich-
nungen des Nationalmuseums in Stockholm zuganglich macht; aufierdem
katalogisiert und kritisiert sie den Bilderbestand aus koniglichem und
privatein Resitz in Schweden, soweit die italienische Renaissance dort
vertretcn ist. Dank der Unterstiitzung zweier ungenannter Kunstfreunde
hat die Publikation, die einem feinsinnigen Kiinstler, dem Prinzen Eugen
von Schweden, gewidmet ist, eine wlirdige Ausstattung erhalten. Zu be-
dauern bleibt nur, dafi fur die Reproduktion der Gemalde nicht das
gleiche Lichtdruckverfahren gewahlt worden ist, wie fiir die Wiedergabe
der Zeichnungen.
Bei der literarischen Herrichtung des Stoffes hat der Verfasser den
undankbaren und, wie mir scheinen will, unpraktischen Weg einge-
schlagen, indern er eine vom Zufall zusamrnengewehte Kolonie von
Kunstwerken hinzustellen versuchte als eine ausgewiihlte Vertretung der
Schiitze im Mutterlande. Er hat, was er vorfand, eingespannt in den
viel zu weiten Rahmen der historischen Kunstentwicklung und iriit Miihe
die Notbriicken geschlagen, die von eineiri Kunstwerk zum andern ftihren.
Seine Absicht war allerdings die beste. Er wollte liber den engen Kreis
der Fachgenossen hinaus wirken, das schongeistige Publikum zum Mit-
genufl einer kiinstlerisdien Fcinschmeckerci herbeilocken. Er hat sich,
um offen meine Meinung zu sagen, damit zwischen zwei Stlihle gesetzt.
Der Erfolg der popularwissenschaftlichen Unternehmungen auf kunst-
geschichtlichem Gebiet zeigte bisher nur, wie sehr das Interesse und
das Kunstbediirfnis des Publikums iiberschatzt worden sind. Wenn fiir
weniger landlaufige grofle Kiinstler wie Picro della Francesca, Yerrocchio,
fiir Giotto oder selbst fiir Tizian keinc tiefere Tcilnahme bisher erregt
werden konnte, wie darf man hoffen, fiir Studienblatter, deren GenuG ein
geschultes kunstlerisches Nachempfinden voraussetzt, Verstiindnis zu
finden und mit ihnen Freude zu erwecken? Den Fachgenossen und den
Ktinstlern, von denen doth auch nur die wenigstcn und ernsthaftestcn
in Betracht kommen, ware mit dem so vielfach bewahrten System des
catalogue raisonnd mehr gedient gewesen. Diese Form hiitte den Ver-
fasser zu einer oft noch schiirferen Priizisierung seiner Ansichten genotigt
und ih 111 manche Trivialitiit seiner kunsthistorischen Erorterungen erspart.
Mit bemerkenswertem Mut ist Siren an die Aufgabe gegangen,
den Wust der klinstlerischen Benamsungen zu entwirren. Die I'ber-
lieferung bot geringen Anhalt. Die Sammlung wurdc zwischen 173Q
und 1 74 1 vom Grafen Karl Gustaf Tessin, der damals schwedischer
Gesandter in Paris war, mit Mariettes Hilfe zusammengestellt, meist
aus dem Besitz Crozats. Sie enthiclt die iiblichen grofien Namen
von Masaccio bis Raphael und dariiber hinaus; einige ihrer Blatter
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Literaturbericht.
439
stammten aus Vasaris »libro«, was man noch heute erkennt Unglinstige
Vermogensumstande notigten 1750 den Besitzer zum Verkauf, und die
Sammlung kam an den Konig Adolf Frcdrik. Nach dessen Tode (1777)
schenkte sie Gustaf III. der Kgl. Bibliothek. Dreimal wurde sie inzwischen
inventarisiert und katalogisiert: 1780 vom Grafen Friedrich Sparre, 1790
vom Bibliothekar Wilde, 1863 vom Oberintendanten Soderberg. Aber
die alten Namen hielten sich unverandert
So weit Siren audi seine Vorganger hinter sich gelassen hat, schliefl-
lich hat auch er sich der Aufgabe nicht ganz gewachsen gezcigt. Die
Kritik der Handzeichnungen setzt nicht nur einen angeborenen Blick ftir
das Individuelle eines Umrisses, einer Schattenlage, einer Formengebung
voraus, nicht nur ein nervenfeines Vibrieren der ktinstlerischen Nachemp»
findung, sondern auch ein unablassig trainiertes Auge, ein nie versagen-
des Formgedachtnis. Zeichnungen, mehr noch als Gemitlde, deren
Originale man nie zu Gesicht bekommen hat, auf einen bestimmten
Meister festlegen wollen, heifit das Schicksal des Ikarus herausfordern.
Exempla docuerunt. Mit aller Vorsicht nur mochte ich daher einige
Korrekturen in Vorschlag bringen, die sich* nach meiner Ansicht auch
ohne Kenntnis der Originale, geradezu aufdriingen.
Die dem Angelico zugeteilten Blatter — ein Seraphimkopf und
die Gestalten eines Monches und einer Nonne — weisen mit Entschieden-
heit auf Gozzoli hin. Der Engelskopf ist ein Geschwisterkind der
lockigen Bubenschar, die auf Gozzolis Fresken ihr anmutiges Wesen
treibt Der Monch und die Nonne zeigen ganz den Gewandstil des
Benozzo.
Ob der junge Farbenreiber in der Haltung des David wirklich vor
Paolo Uccello gestanden hat, mochte ich trotz der bis auf Vasari
zuruckgehenden Tradition nicht ohne ein bedenkliches Fragezeichen lassen.
Der wohl einer Anbetung der Konige entnorrrmene im Profil
kniende »homme de qualite\< scheint mir bei der angstlichen Sorgfalt
der Federfuhrung ohne Zweifel cine Kopie aus dem 16. (nach einem
Umbrerr), nicht Botticelli, wie Siren meint.
Interessant ist die Federzeichnung zweier sitzender, verehrender
Engel und einer kleinen Kronung Maria. Siren erkennt darin Ghirlandaio.
Sie tragt hingegen das deutliche Merkmal der Gestalten Francesco
Botticinis, insonderheit wircl man an das Palmieribild in London
erinnert. Wenn eine Studie des Meisters selbst vorliegt, bietet dies Blatt
einen wichtigen Zuwachs zu dem stattlichcn Malcrwerk des immer be-
kannter werdenden Kiinstlers.
Die Credi zugeschriebene Federskizze zu einer Anbetung des Kindes
wiederholt im besten Fall eine Komposition Lorenzos; derartige Grob-
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aao Litcraturbericht.
heiten und formale Abbreviaturen hatte sich der pedantisch saubere
Mcister selbst nie gestattet. Eher konnte die FilippinoLippi zugewiesene
Rotelstudie einer anbetenden Madonna von seiner Hand sein, worauf
auch die Technik mit ihren in Weifl gehohten Lichtern deutet.
Auf Zustimrnung wird Siren rechnen diirfen bei der Attribution des
nackten David an den sog. Finiguerra (die Zeichnung ist stark iiber-
gangen), der beiden stehenden Jiinglinge an Raffaellino del Garbo,
des prachtigen Sechzehnenders an Vittore Pisa no (die beiden andern
Hirschkopfe auf dem Blatt sind augenscheinlich von spaterer Hand zugefiigt),
der Madonnenstudien (Kopf und Gewand) an Zaganelli. Eine schone,
zart empfundene Silberstiftzeichnung Peruginos gibt Kopf und Hande
cines aufblickenden Jiinglings; man verzeiht Passavant die Verwecbslung
mit Raphael, so voller Empfindung und Schmelz liegt das Leben dieser
Glieder vor uns ausgebreitet.
Den Landschaftsstudien gegeniiber, von denen zwei abgebildet sind, ist
der Verfasser zu keinem festen Resultat gekommen. Mit Recht lehnt er
Raphael ab und tritt fiir einen nie den umbrischen Schultraditionen ent-
wachsenen Kiinstler ein. Allerdings zeigt sich S. geographisch nicht ganz
unterrichtet, wenn er Gubbio, das auf einem dieser Blatter dargestellt
sein soil, als »ville toscane« bezeichnct Am entschiedensten neigt er
zu Perugino. Doch mochte ich den von Siren selbst vorgeschlagenen
und mir einleuchtenderen Namen des Pinturicchio nicht deshalb zuriick-
drangen, weil den Naturausschnitten der durch Zypressen, Palmen,
abschtissige Felsen und Blumenanger sonst hergestellte phantastische
Charakter der Landschaften Pinturricchios abgeht.
Der Schiilerkreis um Raphael ist ansehnlich vertreten. Was aber
fiir den Meister selbst beansprucht wird: zwei Federstudicn der Evange-
listen Matthaus und Johannes will mir keineswegs einleuchten. Wenn
der Verfasser Johannes d. Ev. auf einem Bilde des Berto di Giovanni
in der Pinakothek zu Perugia richtig anerkannt hat, so sehe ich nicht
ein, weshalb er nicht auch die Studie und ihr Gegenstiick mit dem
Matthaus jenem Ktinstler zuschiebt Mit Raphael haben sie nichts zu
tun, im Charakter sind sie den Zeichnungen des Eusebio di S. Giorgio
nah verwandt. Das Blatt mit den vier nackten Jiinglingen gehort jener
Gruppe an, die Fischel als Falschungen Bartolozzis hat nachweisen
wollen. So flieficnd die Ansichten der Raphael forscher tiber dicse
Gruppe von Zeichnungen sein mogcn, ein Ergebnis: nicht von Raphael!
fangt an mehr und mehr sich Geltung zu verschaffen. Damit ist denn
auch das Blatt des Stockholmer Museums gerichtet.
Unter den Fiorentinern des 16. Jahrhunderts erscheinen Andrea del
Sarto mit der Studie einer in anmutiger Liissigkeit sitzenden Frau, wahrend
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Literaturbericht. a a \
der Kopf eines bartlosen Geistlichen oder Gelehxten einen durchaus
unsartesken Eindruck macht Sehr lieblich ist Pontormos Rtickenstudie
zweier sitzender Madchen, augenscheinlich das gleiche Model 1 in ver-
schiedener und doch sehr ahnlicher Stellung, ein Blatt, das den Ktinstler
in der tiefsten Stille der Arbeit zeigt, wo der Geschmack die feinsten
Abwagungen vornimmt
Zu den erstaunlichsten MifirgrifTen der Publikation mufl ich die
dem Titian zugemutete Schlachtenstudie und die mit Tintorettos Namen
beehrte Studie zu einem Deckenbilde (Sieg Venedigs iiber die Tiirken)
rechnen. Vielleicht haben die noch von Crozat herriihrenden Bestimmungen
das kritische Auge des Verfassers so bedenklich getriibt. Auch der auf
Paul Veronese bestimmte Madchenkopf erinnert mich weit eher an
Tiepolo in der eleganten Leichtigkeit seiner Technik. —
Unter den Gem aid en ist ein im Rund gehaltenes gegen den hellen
Grund silhouettiertes Jiinglingsportiit, dessen klinstlerische Qualitat Sirdn
tiberschatzt Das auffallige runde Format iibernahm der Maler von der
gleichzeitigen Plastik, wobei nur an die Teracottaportrate der Robbia
zu erinnern ware. Sir^n verschwarmt sich so in dies » visage a la fois
enfantin et reveur«, dafi man schliefilich nicht erstaunt ist, wenn er es,
von Frimmel ermuntert, fur Botticelli selbst in Anspruch nimmt. Statt
dessen gehort das Bild hochstens in Sandros Umkreis, wo denn, nach-
dem die Forschung die Aushtilfen der amici, compagni, alunni u. s. f.
eingestellt hat, die Auswahl der Namen keine mehr beschrankte ist.
Einen feineren Blick hat S. flir das Madonnenbild gezeigt, das er
mit gutem Grund dem Piero di Cosimo zuerteilt. Er ordnet es auch
richtig ein, indem er es auf eine Stilstufe mit dem Magdalenenkopf beim
Senator Baracco in Rom stellt.
Ftir die Beurteilung der Gemalde aus der venezianischen Schule
bieten die flauen Reproduktionen keine geniigende Unterlage. Siren hat
in einem mitnnlichen Bildnis die Hand des Licinio, in Jupiter und Jo
(im Besitze der Frau Griifin von Rosen) ganz tiberzeugend einen Paris
Sordone erkannt; eine Darstellung im Tempel (wie das zuerst genannte
Bildnis im Besitz des Grafen F. Bonde in der Galerie von Siifstaholm)
belegt er mit Veroneses Namen. Eine Madonna von Tizian bei Herrn
Aspelin wiederholt die Komposition in Mjinchen (Pinakothek Nr. 1113);
die Bedenken, die das MUnchener Exemplar als Original von Tizian
erregt hat, verscharfen sich noch vor dem in Stockholm.
Der letzte Abschnitt des Buches behandelt Tie polos bisher un-
belcannt gebliebene Beziehungen zu Schweden. Hatte man sich damals
zu grofieren Geldopfern entschlossen, so ware Tiepolo fur die Ausmalung
der Decken im Kgl. Schlofi zu Stockholm gewonnen worden. Tessin reiste
Repertorium fur Kunstwissenschaft, XXVI. 30
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4^.2 Literaturbericht.
1735/36 nach Wien und Venedig, urn die notigen Schritte zu tun. Seine
brief lichen Berichte an den Oberleiter der Palastbauten Carl Harleman
enthalten interessantes und wichtiges Material zur Beurteilung der Kunst*
zustande urn diese Zeit. Wie amiisant sind die kurzen Zensuren, die der
kundigc Abgesandte ertcilt: Canalctti fantasque, bourru, vendant un Ta*
bleau de Cabinet jusqu'a 120 sequins, Cimaroli gate par les Anglais*
Palazzo dessine mal et ne peut grouper trois figures, Piazetta grand
dessinateur et peintre tres entendfi, mais sa maniere est fort finie. Und
endlich von Tiepolo »fait expres pour nous, plein d'esprit, accomodant
comme un Taraval, un feu infini, un colorit £clatant et d'une vitesse
surprenante«. Was Tessin damals fur sich aus Venedig mitbrachte, laflt
sich zum Teil noch heute in schwedischem Besife, teils dffentlichem, teils
privatem, nachweisen, darunter die viermal kopierte Danae bei Herrn
Per Swartz in Norrkoping und die Enthauptung des Taufers im National-
museum zu Stockholm (Nr. 198). Hierzu kommen noch das Gastmahl
des Antonius und der Cleopatra in Heleneborg bei Stockholm, ein kleinee
Bild, das mit dem Fresko im Palazzo Labia zu Venedig ubereinstimmt, und
die Grofimut ties Scipio wieder im Stockholmer Museum (Nr. 191), eine
Skizze zum Fresko der Villa Cordellina zu Montecchio bei Vicenza.
Hans Mackowsky.
Corrado Ricci. Pintoricchio. Sa Vie, son CEuvre et son Temps.
Ouvragc illustre de quinzc planches en couleur, de six planches en
taille douce et de 95 gra wires tirdes dans le texte. Paris. Librairie
Hachette et O* MCMIII.
L'edizione francese di questa splendida opera si presenta, come la
inglese, col maggior lusso nella veste tipografica e con tal corredo di
illustrazioni in nero e a colori, da dover essere annoverata fra le piu
attraenti del genere. Nei nove capitoli di cui si compone il libro,
l'attivita del maestro dalla fantasia inesauribile e delineata per la prima
volta in modo esauriente come oggi esigono i rriteri della . moderna
critica; la sua vita e il suo aml)iente vi si animano di luce nuova e
meridiana. t
durante hi prima giovinezza di Bernardino di Bettof sopranomato
Pintt)ricchio, a Perugia sua patria e a Foligno fioriva una valorosa schiera
di pittori: il Bonfigli jirima, Fiorenzo di Lorenzo, Pietro Perugino, Pier
Antonio Messestri, Nicolo di Libera tore poi. L'influsso di questi
maestri e lo studio dell' ambiente umbro forma Targomento del prinao
capitolo nel libro del Rirci. 11 Pintoricchio non aveva ricevuto dalia
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Literaturbericht. 4 4 3
natura una grande intuizione psicologica ma era piuttosto attratto dalle
Mteriorita affascinanti dell' arte che dal sentimento intimo: cid che lo
condusse verso la maniera di Fiorenzo piu che a quella di Perugino
tutta basata sulla bellezza casta e sentimentale. E il Ricci nota subito
i rapporti fra il primo e il nostro pittore anche in interi gruppi di figure
e di animal i e come perd anche gli altri maestri deila regione gli oflfrano
element! preziosi al suo repertorio d'idee. Bernardino nacque nel 1454:
non si hanno notizie della sua infanzia e della sua giovinezza: si sa che
egii era di fisico infelice. Si reed a Roma, accompagnando il Perugino,
nel 1480. I lavori della giovinezza del Pintoricchio sono esaminati e
descrttti con diligenza particolare nel libro di cui scriviamo. Son piccole
Madonne col Bamhfno, piene di famigliare raccoglimento e di grazia:
1 'opera piu notevole £ il tondo della Pinacoteca di Siena con la Vergine,
S.» Giuseppe, il Bambino e il piccolo Giovanni, opera deliziosa per la
sua semplicita, che si riattacca, pel Ricci, alle opere giovanili del
maestro umbro non solamente per la sua esecuzione e pe' suoi dpi, ma
per gli stessi suoi difetti.
Gli affreschi della cappella Sistina son studiati nel secondo capitolo.
La storia di quella grandiosa decorazione e rifatta dal Ricci ampiamente.
Con contratto del 27 Ottobre 1481 i pittori Rosselli, Botticelli, Ghirlandaio
e Perugino si obbligarono a svolgere sulle pareti della cappella, aiutati dai
loro famigliari, dieci soggetti. Fra i famigliari era appunto Pintoricchio.
I critici non si accordarono sulla determinazione della paternita ar-
tistica dei dipinti: ma e ben difficile precisare, in uno stesso dipinto,
cid che spetta al maestro e cid che si deve agli aiutanti e ai continuatori.
Con i'aiuto dei disegni l'autore arriva a sbrogliare Tintricata matassa e
a precisare le parti che spettano al Pintoricchio nelle composizioni del
Viaggio di Most, nel Battesimo di sGesh e in cooperazione col Perugino.
La prima opera fatta dal pittore a Roma da solo o con I'aiuto di
maestri dipendenti da lui e la pittura della cappella Bufalini a S. Maria
dAracoeli. Alia storia e all' illustrazione della ricca cappella e dedicato
il capitolo terzo. II iuogo fu decorato con la piu grande liberta e nello
stesso tempo con la piu grande semplicita, cio che contribuisce a dare
a quest' opera del maestro umbro il primo posto per ragione di tempo
dopo quelle della Sistina, fra quelle fatte a Roma da lui. Egli vi svolse
i fatti della vita di S. Bernardino: la vestizione, i miracoli, il santo nel
deserto, suoi funerali, la sua glorificazione e S. Francesco che riceve le
stimmate; nelia volta i quattro Evangelisti. Una decorazione che ricorda
questa nella volta e l'altra della cappella Ponziani a Santa Cecilia, pure
a Roma ed oggi nella sagrestia, assai guaste da rittocchi: lo Schmarsow
I'attribul al Pintoricchio e il Ricci lo segue in questa attribuzione, facendo
30*
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444
Liteiaturbencht.
tuttavia prudenti .riserve a causa dell© stato di' conservazione del dipinto.
Alle decorazioni di appartamenti a Roma il pittore ebbe modo di de-
dicarsi. dopo ch^ il su» ftorae s'era fatto noto in seguito alle opere che
abbiamo ricordate: i lavori esegujti per ardine di Innocenzo VIII, nel
Belvedere del Vaticano e queili del Palazzo Colonna e dei .Penitenzieri
sono' siudiati nel capitolo IV ^ il Pintoricchio fu il prhno ad usare delle
cosi dette grottesche nelle decorazioni- e che venner tanto di tnoda in
seguito. , Da questa epoca in poi 1'attivita del pittofeand© crescendo:
egli esegu* la Santa . Caterbia della. National Gallery, >>. la: Mcuiotma col
Bambino, circondata dagli angioli ecol donatore Liberate) Barfcelli, della
Cattecjrale di S. Severiho di meravigliosa dolcezza, la Madonna col Bam-
bino e Si Giovannino nel duomb di Cittit di Castello, il grazioso; ritratto
di giovinetto nella Gallena di . Dresda, la Madonna ■ dei Borgia, . una
piccola Madonna da casa Rasponi Spalletti a Roma, la Madonna del
terremoto nel Museo del Campidoglio, la cappella del Prcsepio di
S. Girolamo a Santa rMaria del Popolo, rrteno le lunette, second© il
Ricci, la » cappella. Cybo nella stessa chiesa della quale si trovd un fram-
mento della decorazione del pittore umbro nel Duomo di Massa, parte del
rAssunzione della Vergine a S. Maria del Popolo e, in questa stessa chiesa,
la Madonna col Bambino in trono; in queste pitture di S. Maria del
Popolo egli fu aiutato da scolari e il Ricci ne delinea le varie attivita.
(Cap. V). II maestro dovette lasciar Roma nel giugno del 1492 per
recarsi a Orvieto per eseguirvi due Evangel isti e due Dottori nella tribuna
di quella Cattedrale; ma non ne rimase che un San Marco.
La grandiosa decorazione dell' appartamento Borgia in Vaticano
forma l'oggetto del VI capitolo nel libro che stiamo esaminando. II
pittore l'inizi6 alia fine del 1492 e la finl nel 1494; e le composizioni
svolte dai maestro trovano nel libro stesso una illustrazione ricchissima ed
esauriente sia nel testo che nelle splendide tavole. Tutte le decorazioni
delle cinque sale furon concepite, disegnate e dirette dal Pintoricchio
con uno stuolo di aiutanti e di allievi.
A queste seguirono la Madonna e Innocenzo VIII nella cappella
della Santa Lancia in S. Pietro, oggi perduta e le scene della vita di
Alessandro VI in Castel Sant' Angelo, pur perdute. Le opere del
maestro nell' Umbria e dopo quelle ricordate, forman sogetto del
capitolo VII: sono il grande quadro d'altare di S. Maria delle Fosse a
Perugia (Galleria), il S. Gregorio nell' abside del Duomo d'Orvieto, gli
affreschi della cappella Eroli nella Cattedrale di Spoleto, un tondo e un
crocifisso del marchese Visconti-Venosta a Milano, la Madonna del conte
di Crawford a Vigan, una Madonna col Bambino a Mombello (Como)
del principe Pio di Savoia, e altre Madonne a Cambridge, a Gaiche nel
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Literaturbericht.
445
lUmbria; e ad Assisi, nel palazzo comunale, gli affreschi. Al periodo 1 500-1 501
spettano i lavori di decorazione eseguiti dal Pintoricchio, con l'aiuto
di qualche allievo, nella cappella BagHoni a S. Maria Maggiore a Spello
e un angelo nella nicchia del lavabo per la cappella del Sacramento, ivi;
al 1802 — 1803 spetta il quadro d'altare P Incaronaziane delta Vergtne
della Pinacoteca Vaticana se pure non fu eseguito dal Caporali piuttosto
che dal nostro e al 1505 — 1507 la grandiosa e attraentissima serie di
affreschi nella biblioteca Piccolomini presso il Duomo di Siena, in cui
gli allievi colorirono le vdlte; a Siena numerosi lavori spettano al maestro
che il Ricci descrive ed illustra. All' ultimo periodo dell' attivita dell'
artista vanno assegnate le pitture di una sala nel palazzo del Magnifico
a Siena, in parte perdute, in parte sul luogo, in parte a Londra nella
Galleria Nazionale, gli affreschi di Santa Maria del Popolo a Roma, un
quadro a Napoii nel Museo Reale, un reliquiario nella Galleria di
Berlino, uno nel palazzo comunale di San Gimignano e una piccola
copertura di libro nella collezione Boromeo a Milano.
Fr. Malaguzzi Valeri.
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"Y -«r^- sc
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Cber Durers kiinstlerisches Schaffen.
Von Ludwig Justi.
In Durers Kunst ist vieles unseren heutigen Anschauungen und Be-
strebungen fremd. Der erfrischende oder erhebende Inhalt spricht* frei-
lich' jederzeit zu alien Herzen, das Auge aber der Ktinstler und kiinst-
Ierisch empfindenden Laien findet schwer den Weg zu seiner Kunst im
engeren Sinn. Diirer arbeitet fiir ein Publikum, das durchaus nicht rein-
kiinstlerisch disponiert ist; seine stark handwerkliche Technik verhartet
vielfach die ursprlingliche Frische der Empfindung; sein Denken ist hier
in einen engen alten Ring eingeschlossen, dort laflt es sich von einem
neuen Prinzip voll Vertrauen so weit forttragen, dafi wir nicht folgen
konnen. Aus solchen vielfach verschlungenen Momenten, die gleich einer
Dornenhecke den Zugang zu Durers Kunst erschweren, soil hier eines
herausgelost und betrachtet werden : die Art seines klinstlerischen SchafTens;
und zwar auf Grund von sehr bescheidenen Beobachtungen an seinen
Werken, namentlich an Wiederholungen unter seinen Werken. Eigen-
tlimlich und oft fremdartig ist was wir hier finden, aber wir kornmen
damit vielleicht eher auf einen Weg zu seiner Kunst als bei den mehr
aprioristischen, aus der Phantasie und der Begeisterung genommenen Vor-
stellungen, die uns dariiber geliiufig waren.
Zunachst soil liber die Konzeption, also den Beginn des kiinst-
Jerischen Prozesses, in allgemeinen Ziigen gehandelt werden, ohne freilich
alles durch Beispiele zu belegen und durch Vergleiche zu erlautern —
das \viirde ein ganzes Buch fiillen; der Leser wird sich selbst zurecht-
finden, soweit er nicht schon dieselben Anschauungen gewonnen hat. Im
zweiten Teil soil dann der Verlauf des Prozesses und die dabei wirk-
samen Prinzipien an einzelnen besonders charakteristischen Fallen dargestellt
werden.
I. Beginn des klinstlerischen Prozesses.
Wir haben heute ein starkes Interesse fiir die kiinstlerische Pro-
duktion, fiir die Art wie das Kunstwerk allmahlich seine Gestalt gewinnt;
Repertoriuin fiir Kunstwisscnschaft, XXVI. 31
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448 Ludwig Justi:
wir haben von dein norrnalen Hergang eine ganz bestimmte Vorstellung,
die von Aristoteles bis Delacroix wiederkehrt. Bei Diirer jedoch ist der
Anfang wie der Verlauf oft vollig anders, als wir es uns a priori denken
wtirden, anders als wir es heute beobachten und bei den uns besonders
fesselnden grofien Ktinstlern frliherer Zeit finden.
Nach unserer gewohnlichen Vorstellung ist zuerst das Ganze da,
der herrschende kiinstlerische Gedanke, manchmal vielleicht als Vision
aufgetaucht, haufiger langsam herausgeklart aus unklarer produktiver
Stimmung, oft erarbeitet und erworben, die Steigerung oder Weiterent-
wickiung eines frliher schon gestalteten ktinstlerischen Gedankens. Von
diesem geschauten Zentralen aus wird dann das Werk geformt, ins
Einzelne ausgefiihrt. Daher die innere Einheit und Notwendigkeit,
die das Kunstwerk voin profanen Wirklichen unterscheidet. Natiirlich
kann' bei der Durchftihrung noch inanche Veranderung im einzelnen ein-
treten, ja eine Verschiebung des Zentrurns, was zu besonders interessanten
Erscheinungen fiihrt. Auch ist der Grad der Zentralisierung sehr ver-
schieden; Theoretiker pflegen Werke rxiit strikter Durchftihrung eines zen-
tralen Gedankens zu bevorzugen.
Dieser ursprtingliche und herrschende kiinstlerische Gedanke kann sehr
verschieden sein, je nach dem Kunstwollen, in der Malerei etwa ein
Farbenakkord, ein plastisches Motiv, eine Flachendekoration in Linien-
oder Massenrythmus, eine Fleckenwirkung, eine Lichterscheinung. Der
darzustellende Inhalt, die nachzubildende Natur stehen aufierdem noch
in sehr verschiedener Beziehung, nah und weit, zu jenem urspriinglichen
ktinstlerischen Gedanken und seiner Durchftihrung.
Bei DUrer nun treffen wir oft genug einen Verlauf der Gestaltung,
der diesen unsern iiblichen Vorstellungen vom ktinstlerischen Schaffen
widerspricht. Wir finden nicht immer das Ausgestalten eines urspriing-
lichen ktinstlerischen Vorstellungsbildes, sondern den Beginn oft mehr
in der Empfindung als im Schauen; und so auch haufig genug ein ganz
eigenttimliches Zusammenstellen fertiger Stticke zu einem inhaltlichen,
nicht ktinstlerischen Zusammenhang. Auch wo eine Vorstellung des
Ganzen zuerst da ist, erscheint diese, also der Anfang der Produktion,
zuweilen merkwiirdig unselbstandig.1)
*) Bei der Apokalypse laflt sich der Beginn des ktinstlerischen Prozesses be-
sonders deutlich erkennen. Thode hat ausgefiihrt, wie eine grofle Zahl der Holzschnitte
abhangig ist von der Koburger-Bibel (1483). Man glaubt das nicht gem, man findet
es entwllrdigend, Dtirers gewaltigc V'isionen abzuleiten aus jenen dtirftigen kleinen
Bilderchen. Und doch darf man an dem Zusammenhang nicht zweifeln. Nicht als ob
DUrer bei der Arbeit jene Bibel vor sich gehabt habe: er hatte die Bilder als Knabe
gesehen, sie haben in seiner Phantasie weitergearbeitet, an Empfindung und Reichtura
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tjber Dlirers kilnstlerisches Schaflfen. 440
Warum das so ist, wird man nicht zu fragen haben, man mufi die
Art seiner schopferischen Phantasie als psychologische Tatsache hin-
nehmen. Doch wird man durch Unterscheidung und Klarung richtiger
urteilen. Diirers Phantasie ist keineswegs gering, sondern unerschopflich
wie man weifl; wie erklart sich der Widerspruch?
Poetische Konzeption. Seine Konzeption ist nicht rein formal,
sondern neigt sich dem dichterischen zu. Man konnte unterscheiden
zwischen Kompositionen merir formaler und mehr dichterischer Art. Jene
kommen oft auf befremdende Weise zustande; diese sind in der Regel selb-
standig in der Konzeption — bei derDurchfiihrung kommt dann aber noch oft
Fremdes hinein. Der erste Gedanke ist eben nicht eine rein ktinstlerische
Anschauung, in Linien oder Farben, sondern ein poetisches Motiv und
deshalb bei der Durchfuhrung elastisch im Formalen. Diirer denkt und
fiihlt sich hinein in eine Geschichte, eine Marterszene oder ein Familien-
idyll, und je nach dem Stande seiner kunstlerischen Ausdrucksmittel ge-
lingt es ihm, diese Vorstellung eines Geschehens auf ein Blatt zu bringen,
je nach Zeitaufwand und Stimmung ftihrt er es aus. Gilt es etwa die
hi. Familie darzustellen, so sehen die Florentiner einen schonlinigen
Aufbau, die Venezianer eine Farbenharmonie, Rembrandt einen traulich
helldunklen Raum: Dtirer denkt sich, wie die Madonna begluckt bei
ihrem Kinde sitzt und wie sie die Wiege mit dem Fufi schaukeit, wah-
rend die fleifiigen Hande beschaftigt sind; und wie Engel ihre Dienste
anbieten, und wie Josef daneben arbeitet, und wie lustige Engelknaben
kommen und ihm helfen und sich vergntigen — wie viele Figuren da
sind, und wie sie zueinander stehen und wie sie sich bewegen und gar
wie die Farben sind, das spricht bei der Konzeption nicht mit, das
kommt alles erst bei der Ausfuhrung, und so kann er ruhig ein Motiv
oder eine Figur oder eine Landschaft oder was sonst hineinnehmen
irgendwoher — was er beim Ausgestaiten einer ursprtinglichen zu-
sammenhangenden formalen Vorstellung des Ganzen nicht hatte brauchen
konnen. Lafit sich Tizians Hieronymus der Brera in anderer Bewegung
denken? oder vor einem andern Hintergrund? — wie leicht konnte man
beim friihen Diirer etwas verandern, umstellen oder austauschen! Die
grofiten Reize, namentlich seiner frtiheren Werke liegen daher, was das
gewonnen: als er nun seine eignen Holzschnitte entwarf, da war seine Phantasie nicht
nnabhangig, die ursprtinglich von auflen angeregten Vorstellungsbilder erscheinen jetzt
ausgestaltet, reich und groflartig — daher die Obereinstimmung, im Aufbau wie in
roanchen Einzelheiten, der gewaltige Unterschied in der Ausfuhrung und im GefUhls-
inhalt. — Die Apokalypse ist nicht das einzige Beispiel flir diesen konservativen, aber
auch nicht ganz freien Zug seiner Konzeption. Es braucht nicht gesagt zu werden, dafi
andere geniale Klinstler gerade die altesten Geschichten oft von Grund aus neu auffassen.
31*
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4 go Ludwig Justi:
Ganze betrifft, in dein Dichterischen, in der Einpfindung — leidenschaft-
lich oder innig — die founalen Reize liegen erst in der Durchfuhrung,
namentlich in der wunderbaren Eigenart seiner Linie, ihrer Kraft und
ihrem Reich turn, und dann — fiir viele am wichtigsten — in der erstaun-
lichen Technik.
Formales in der Konzeption. Was wir gesagt haben, ist cum
grano salis zu verstehen, soil das Eigenartige seiner Produktion deutlich
machen: der einzelne Fall ist nattirlich viel komplizierter. Einiges all-
gemeine ist noch korrigierend hinzuzufiigen. Vor allem, dafl die formal en
Momente im Laufe der Entwicklung starker, selbstandiger, stellenweise
beherrschend werden, in der Erfindung einzelner Figuren wie ganzer
Szenen. Namentlich seit etwa 1503 ist deutlich eine Neigung zu formaler
Konzeption zu bemerken, wohl infolge des Verkehrs mit Jacopo de'Barbari.
In einigen Blattern der Griinen Passion sind die wenigen Figuren
zu einem notwendigen linearen Zusammenhang vereinigt, sodafi man
nichts zutun oder wegnehmen, anders stellen oder bewegen konnte;
namentlich in der Geifielung und der Kreuzabnahme. Man halte die
Grofie Passion dagegen, da fehlt die Regie, jeder agiert ftir sich und
fesselt den Beschauer soviel er kann. Wie fremd ihm in der Frlihzeit
solcher Linienzusammenhang war, zeigt besonders deutlich seine Kopie nach
dem mantegnesken Stich des Orpheustodes ; die einzelnen Figuren sind
ungleich besser und kraftiger, aber der Aufbau, in dem sie dort zu-
sammenwirken, ist ohne Grund verloren: den hat er damals noch gar
nicht gesehen.
Jene Art linearer Komposition lag Diirer aber nicht, bald gibt er
sie auf und man merkt spater nicht mehr viel davon, aufier bei grofien
Altartafeln. Lebenskraftiger ist ein anderes formales Moment, das da-
mals bei ihm auftaucht und bis um 15 14, ein voiles Jahrzehnt hin-
durch, seine Konzeption vielfach ausschlaggebend bestimmt und auch
spaterhin noch wichtig bleibt: die perspektivische Raumgestaltung.
Reiche Bauten, zunachst Innenraume oder Hofe, werden an die Figuren-
szene angeschoben, treten dann aber bald in immer engeren Zusammen-
hang mit der Figurenanordnung. Dadurch ergeben sich fiir die Kom-
position ganz neue Moglichkeiten: die Figuren erscheinen in verschiedener
Hohe (durch Stufen) und weit auseinander (durch Quergliederungen), an
Stelle des unbeholfenen Neben- oder Durcheinander in frtihen Werken.
Die Versuche in dieser Richtung beginnen wieder um 1503/4 (Jesus im
Tempel) und ftihren zu besonders Ktihnem und Neuem in der Kleinen
Passion (Christus zum Hohenpriester, zu Pilatus geschleppt).
Der perspektivische Aufbau und die dadurch bedingte regelmafiige
Anordnung der architektonischen Stiicke — rechtwinkliges Aneinander-
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t'ber Diirers kUnstlcrisches Schaffen. 451
stoflen, parallcles Hintereinanderschichten — klart unci systematisiert die
Raumanschauung des Meisters so stark, dafl auch die Hineinstellung der
Figuren in den Raum dadurch beeinfluflt wird.*2) Wahrend friiher die
Figuren regellos auf die Bildflache gebracht, wenn notig auch chaotisch
gehauft wurden, wie es der Rahmen gerade erlaubte und die Auffassung
des Inhaltes forderte, so werden sie jetzt — seit 1503/4 — gleich der
Architektur regelrecht projiziert und geschichtet. Sie erscheinen in
einzelnen, klar erkennbaren, der Bildflache parallelen Schichten, deren
kulissenartige Hintereinanderstellung das Auge in die Tiefe flihrt. (So
kommt er auch vereinzelt zu ungewohnlich tiefer Anordnung der Figuren:
Pnngsten, Kl. Passion.) Dementsprechend sind die Figuren als Teile
soldier idealer Schichten aufgefaflt. Besonders wichtig sind ihm die vorn
abschlieflenden Figuren: eine oder zwei, fiir den Inhalt ineist nebensach-
Iiche Figuren, die ganz vorn zunachst dem Rahmen in breiter, gewohn-
lich heller Flache abschlieflen; sie sind der feste, klare Anhalt fur die
Tiefenbewegung des Auges; nichts kommt nach vorn weiter hervor. (Ein
Kunstgriflf, den die Italiener etwa gleichzeitig entwickeln, der bald zum
Schema erstarrt und jahrhundertelang in aller italienisch beeinflufiten Kunst
wiederkehrt) In frlihen Kompositionen dagegen ist das Auge beunruhigt,
weifi nicht, wo die Tiefenbewegung des Bodens, der Figurengruppe
beginnt — man konnte sozusagen keinen Vorhang herablassen. Zwei
sonst ahnliche Kompositionen moge man hierftir vergleichen, etwa die
Kreuznagelung in der Griinen und in der Kleinen Passion. Natlirlich
beschrankt sich die systematische Raumanschauung nicht auf die Figuren,
sondem erfaflt auch alles Ubrige; man vergleiche z. B. den Boden bei
einer friihen und einer spateren Madonna: dort steigt er, als Rasenflache
etwa, unregelmafiig und geringe Illusion gebend vom Rahmen her an
— hier hebt er sich, als Gestein, dicht am Rahmen ein kleines Stiick senk-
recht empor, um dann wagerecht in die Tiefe zu gehen.
Es ist klar, dafl durch diese systematische Projizierung und Schich-
tung ein starkes formales Moment in Diirers Schaffen hineinkommt, das
auch bleibt, wahrend jener lineare Aufbau der Griinen Passion bald
wieder verschwindet.
In spater Zeit wirken die Verteilung von Helligkeit und Du li-
ke lheit sowie plastische Gedanken bei der Konzeption mit. Immer aber
bleibt noch ein starker Eingufi dichterischer Empfindung, bis zuletzt,
neben diesen emporkommenden formal en Momenten, wenn auch nicht
mehr so beherrschend wie in den friiheren Jahren. (Wir denken hier,
2) In Viators perspektivischem Mustcrbuch, das Dlirer kannte und bcnutztc, wird
demonstriert, wie man Figuren auf zuriickfliehender Ebene zu zeichnen hat.
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452 Ludwig Justi:
wohlverstanden, immer nur an den Beginn des klinstlerischen Prozesses,
keineswegs an die fertigen Werke.)
Zusaminenstucken; Ursprung der einzelnen Stiicke. Nun
gibt es aber auch Werke, bei denen von einer urspriinglichen Konzeption
uberhaupt nicht die Rede sein kann, die vielmehr aus einzelnen fertigen
Stiicken zusammengesetzt sind. Es handelt sich um Werke von vollig
anderem Charakter als die zahlreichen Blatter religiosen Inhalts, an die
wir eben hauptsachlich dachten. Diirer hat dabei auch ein anderes Pub-
likum iin Auge, es sind grofie kostbare Kupferstiche; das Hochste was
seine Kunst zu leisten verrxiag will er darin zeigen: hauptsachlich die
Bewaltigung des nackten Korpers, worin die WTelschen damals den Deutschen
so sehr iiber waren. So entstanden die zahlreichen groflen Kupfer mit
nackten Figuren von 1497 — 1504, von den »Vier Hexen« bis zu »Adam
und Eva«. Die nackten Figuren sind ihm die Hauptsache, nicht der
Zusammenhang der Komposition: mehrfach hat cine ursprtingliche ein-
heitliche Konzeption nicht bestanden, zu den vorhandenen Figuren, die
er auf verschiedenem Weg erworben hat, wird der Inhalt, die Umgebung,
der Zusammenhang nachtraglich hinzugefiigt Also nicht einmal das
dichterische Konzipieren wie in jenen religiosen Werken; daher die Einzel-
heiten in volliger Anarchie, die um so auffallender ist, je vielteiliger die
Stiicke sind. Dtirer strebt da nach etwas was er damals noch nicht be-
herrscht: er ist noch nicht sicher im Mechanismus der menschlichen Gestalt,
kann sie nicht frei hinstellen und bewegen wie es eine zusammen-
hangende Konzeption erfordern wiirde. Wie leicht und elegant setzt
Lionardo ein plastisches Motiv hin, oder einen Zusammenhang plastischer
Motive, wie er es gerade braucht! DUrer mufi Rat halten mit den Vor-
raten seiner Mappe: Kopien, Konstruktionen und Modellzeichnungen; sie
alle mufiten so verwendet werden, wie sie eben waren.
Erst um 1514/15, als er in allem die Hohe seiner Kunst erreicht
hat, da hat er auch die menschliche Figur vollig bemeistert. Einige
Skizzen, (L. 194, 195) geben davon Kenntnis, wie er jetzt nackte Figuren
jeder Proportion, Wendung und Bewegung schnell und leicht hinsetzt;
zur Ausflihrung ist damals nichts mehr gekommen, wohi aber spurt man
in den Gewandfiguren nunmehr diese Beherrschung des Korpers, das Be-
wufitsein ihrer Wichtigkeit, und den Willen sie geltend zu machen: wo
vorher Stoftmassen erschienen, finden wir jetzt klar durchgearbeitete Stand-
und Bewegungsmotive, die Glieder und Gelenke zeigen deutlich ihre
Funktion; die Gewandung in ihrem ganzen Reichtum dient diesen plasti-
schen Gedanken (vgl. unten). Im Besitz soldier Sicherheit kann er dann
auch anders komponieren als einstmals.
Nackte Figuren. In friiher Zeit also ist er unselbstandig in den
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t'ber Dttrers klinstlerischcs Schaffen. ac^
nackten Figuren und daher auch in ihrer Zusammenordnung. Langst be-
kannt ist die eigentiimliche Entstehungsart bei dem Grofien Satyr. Die
einzelnen Figuren sind Kopieen aus drei verschiedenen italienischen
Vorlagen.3) Nicht blofi die allgemeine Anlage der Figuren ist iibernommen,
weil sie ihm vielleicht eleganter bewegt schienen, sondern, wenn moglich,
auch die Innenzeichnung, die Muskulatur, selbst wenn sie flir seinen Zweck
nicht paflte; wovon man sich durch einen genauen Vergleich tiber-
zeugen wird.
Nun hat er das begreifliche Streben, sich auf eigene Fiifle zu stellen,
allein fertig zu bringen, was die Welschen konnten. Daher die Begeiste-
rung mit der er sich auf die Proportionsstudien wirft Ich habe
an anderer Stelle nachzuweisen versucht, wie er in den ersten Jahren
des 1 6. Jahrhunderts eifrig an einem Proportionsschema arbeitet, und
wie er nun bei seinen nackten Figuren sofort davon Gebrauch macht:
so entstanden die Wiener Zeichnung von 1501, die grofie Fortuna,
Adam und Eva und anderes was er nicht ausfuhrte (Aeskulap) oder doch
noch wesentlich veranderte (Apoll und Diana). Diese* Entstehungsart
lost also das Kopieren nach Italienern ab. 4)
Neben diesen Entstehungsarten — Kopieren und Konstruieren —
lauft nun noch eine dritte: Aktzeichnen. Modellstudien, die der impressio-
nistisch gewohnte Moderne tiberall als selbstverstandlich voraussetzt —
bei Dtirer ist's natlirlich seine Frau, so variabel auch die Formen sind, bei
den eleganteren Italienern ist's eine Geliebte, oder auch mehrere — Mo-
dellstudien hat Dtirer keineswegs so systematisch und haufig gemacht
wie es heute unerlafilich ist, vor allem aber hat er nicht bei der Aus-
fiihrung seiner Werke ein Modell vor sich gehabt. Bei Benutzung einer
Modellstudie handelt es sich daher zunachst um Ubernahme der Stellung
und Bewegung, und der wichtigsten Details einer frtiheren Zeichnung.
Zu unterscheiden davon ist die durch Sehen und Zeichnen erworbene
allgemeine Kenntnis des Korpers, die auch jenen in der Hauptsache
anders entstandenen Figuren bei der Ausftihrung zu gute kam; schliefllich
benutzt er in wachsendem Mafie Detailstudien, die er ad hoc macht (fur
den Adam erhalten, L. 234): Bewegung und Proportion halten sich aber an
das fremde Vorbild oder das Konstruktionsschema — also eine hochst
eigentiimliche Mischimg idealistischen und naturalistischen Produzierens.
3) Auf die vorher nicht bekannte oder falsch erklarte Herkunft des Mannes mit
der Keule, n ami ich aus einer Zeichnung nach Pollaiuolo L. 347, hat Zucker hingewiesen,
in dieser Zeitschrift, 1897, S. 41.
4) Die spateren Proportionsstudien, seit der Wiederaufnahme um 15 12, dienen
nicht zu praktischer V'erwendung, sondern zu dera s) stematischen Lehrbuch; benutzt
sind sie nur bei Kopfen.
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454 I.udwig Justi:
Xatiirlich hat er jede Gelegenheit benutzt, zu sehen und womoglich
auch zu zcichnen. Von den ausgefiihrten Werken scheinen mir als Ganzes
die Vier Hexen auf Naturstudien zuriickzugehen, nach der Unregelmafiig-
keit in Proportionen und Flachenprojektion. Auf dies friihste Aktblatt
folgen nun jene Kupfer mit kopicrten und dann mit konstruierten Figuren ;
urn 1503/4, als eine auflerordentliche Steigerung seiner Kunst auf alien
Gebieten eintritt, hat er sehr intensiv Akt studiert, wie die Behandlung
des Nackten bei Adam und Eva zeigt; im Vergleich damit erscheint das
Friihere durchaus akadcmisch in der Oberflache.
Erhalten ist aus der friihen Zeit nur eine Modellzeichnung, von
der Wanderschaft 1493 (L. 345); keine eigcntliche Aktstudie, sondern mog-
lichst schnell hingezeichnet, urn eine Gelegenheit zu benutzen, die sich
nicht oft bieten mochte. Man rindet auch keine Verwendung dieser
Figur, im Unterschied zu sorgfaltigen Aktstudien. Die Badestuben sind
keineswegs direkt nach der Natur gezeichnet, sondem — wie doch der
Augenschein lehren sollte — komponiert; vielleicht mit Benutzung von
Naturstudien. Aus spiiterer Zeit besitzen wir die Zeichnung eines Marines
(in Weimar), und von der venezianischen Reise die einer stehenden Frau
in ganzer Figur, vom Rticken gesehen (Smlg. Blasius, L. 138). Von dieser Mo-
dellstudie laflt sich ihre Benutzung und eine interessante Filiation nachweisen.
Die Blasiussche Zeichnung ist in Venedig gezeichnet, 1506 datiert.
Dafi sie nach der Natur gemacht ist, ergibt sich aus Anlage und Einzel-
heiten.
Diese Aktstudie ist benutzt bei dem Imhofschen Silberrelief (abge-
bildet bei Thausing, Diirer, 2. Aufl., Bd. II, S. 49). Ich kenne das Ori-
ginal nicht, doch ist es fiir diesen Zusammenhang wohl auch gleichgiltig,
ob die Ausfiihrung von Dtirer ist, oder ob blofi eine Dtirersche Zeichnung
benutzt ist. Eine solche ist uns leider nicht erhalten, hat aber zweifel-
los existiert. In dieser Zeichnung war also die Venezianer Modellstudie
benutzt, trotz wesentlicher Veriinderungen im Standmotiv: die Figur stiitzt
sich hier rechts auf einen Pfeiler, das linke Bein wird so zum Standbein,
das andere als Spielbein iiber das linke gekreuzt; der rechte aufruhende
Arm tritt im Ellenbogen mehr heraus, wahrend der andere naher an den
Korper gcbracht ist; die ganze Figur ist etwas scitlich gedreht. Trotz
dieser Veranderungen gerade im Wesentlichen der Figur ist jener Akt
iiberall im Detail benutzt, was bei einem plastisch frei schafTcnden Kunstler
nicht wohl denkbar ware. Wir brauchen nicht auf die zahlreichen ge-
nauen Ubereinstimmungen im Detail aufmcrksam zu machen (beide Arme,
Beine, eigcntiimliche Kopfstellung, selbst Teile der im ganzen vollig anders
disponierten Hiiftpartie).
Dafi nicht ein Stumper diese sonderbare und iiir unsere BegrifTe
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Cher Diircrs ktinstlerische* SchafTen.
455
unkunstlerische Teilbenutzung gemacht hat, sondern Diirer selbst, beweist
die Skizze zum Siindenfall (Albertina, Schonbr. und Meder 410) von 15 10.
Die Eva ist namlich eine Wiederholung jener Imhoffigur (oder der ver-
lorenen Vorzeichnung), im Ganzen wie im Detail.5)
An Hiiften und Beinen finden sich interessante Pentimenti: die ur-
spriingliche Zeichnung stimmt hier genau mit der Imhoffigur, auch die
Schraffuren waren schon entsprechend gegeben ; seinem damaligen Linien-
empfinden mififieten jedoch einige Harten (z. B. am Knie des Stand-
beinsy die er durch starke Linien ausgleicht; das Standbein wird breiter
und weicher, der Kontur des Spielbeins wurde daher auch narh vorn
verschoben und die Schraffuren dementsprechend korrigiert. Auch die
sonstigen Anderungen sind interessant, in der Hiiftpartie, an den Knocheln.
Diese Zeichnung ist dann bekannlich benutzt zu dem Siindenfall, dem
ersten Holzschnitt der Klcinen Passion, jedoch mit starken Anderungen;
eine oder zwei Zeichnungen wird man sich noch dazwischen zu denken
haben. Die Korper crscheinen mehr von vorn gesehen. Die Eva stimmt
mit der Albcrtinazeichnung in der Stellung (aber gedreht, d. h. als Zeich-
nung vollig neu), der Adam ist ganz anders bewegt, die Beine aber doch
im Anschlufi an die Albertinaskizze gezeichnet, also wieder Benutzung
eines Teils bei vollig anderer Anlage des Ganzen.6)
Also Kopien, dann Konstruktionen und daneben Aktzeichnungen
finden wir — bis gegen die Mitte des 2. Jahrzehnts — ftir die nackten
Figuren benutzt; kein selbstherrliches SchafTen. Solche eingesetzten Fi-
guren, die in anderem Zusammenhang entstanden waren, passen nattirlich
nicht immer in die neue Umgebung, sie sind nicht von einer Hauptvor-
stellung geschaffen und regiert, stehen deshalb nur in einer lockeren Be-
ziehung zum Inhalt, nicht wie dieser es eingeben wiirde bewegen sie sich,
sondern wie das italienische Vorbild oder das Konstruktionsschema oder
das Modell. Daher zuweilen die Unklarheit in den Beziehungen der
Figuren, zum mindesten das Ungenugende: was zwischen Adam und Eva
vorgeht, konnte man aus dem beruhmten Kupferstich nicht eruieren,
wenn man die Geschichte nicht auswendig wlifite; was hat etwa Quercia
5) Drei Anderungen sind durch die Zusammenstellung mit dem Adam verur-
sacht: der Kopf ist zu ihm herumgewendet (die cigenttimliche Haareinteilung am Nacken
ist jedoch geblieben, obwohl die Zopfe fehlen, in paradiesischer Einfachheit), der linke
Arm geht nach oben (daher mit verfehltem Ansatz), der rechte zum Apfel.
6) Auffallend auflerdem wie anders im Holzschnitt die Figuren zum Rahmen pro-
portioniert sind als in der Zeichnung: Uberall ist weggeschnitten, sodafi die Figuren auf
drei Seiten dicht an den Rahmen kommen, die Bildfliiche mehr bcherrschen; der Baum des
Lebens tritt unter seinen Genossen starker hervor — eine Konzentrierung der Bild-
elementc, die ftir Dlirers Arbeiten charakteristisch ist, wie wir unten noch an einigen
Beispielen zeigen wollen.
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4.c 6 I Aid wig Justi:
daraus gemacht, oder Raffael in der stanza della segnatura! Wenn es
sich um einfache Existenzfiguren handelt, fallt freilich diese sonderbare
Entstehungsart weniger auf, z. B. bei der Grofien Fortuna. Doch ist es
iminerhin gut zu wissen, dafi in solchen Fallen nicht der Inhalt kiinst-
lerische Form gewonnen hat, in einem starken psychischen Akt, sondern
dafi er in kiihler Ueberlegung einer existierenden Form nachtraglich hin-
zugefiigt ist: wie der Gaul von 1506, der Ritter von 1498 zusammen-
gesetzt sind zu dem beruhmtcn Kupferstich von 15 13, liber dessen tief-
grlindigen Gehalt so viel gestritten worden ist.
Landschaften. Etwas anders liegen die Verhaltnisse bei den
Landschaften. Das eigentiimliche Zusammenstiicken, das Verwenden fertiger
Teile, findet sich auch hier. Noch 15 19 nimmt er zu dem Stadtbild im
Hintergrund des hl.Antonius(B.58) eine grofiePartie aus einer um Jahrzehnte
friiheren Aufnahme von Trient (L. 109), Zug fur Zug, worauf Handcke auf-
merksam gemacht hat; und da dem Kunstler diese Vedute zu einem solchen
Zweck nicht reich genug gewesen war, so hatte er noch ein anderes
Stiick dariiber gesetzt. Aber er steht doch in den Landschaften von
vornherein auf eigenen Fiifien, ganz anders als bei den nackten Figuren.
Was bei diesen in der Friihzeit wesentlich ist, seine Unsicherheit, fallt
hier weg: nichts war ihm leichtcr, wie er aus Wolgemuts Werkstatt kam,
als aus freier Er fin dung einen landschaftlichen Hintergrund beliebigen
Formats, Stadt oder Land, mit ein paar Strichen hinzusetzen; im Wol-
gemutschen Schema: sanfte Hugelzuge, darauf lange Reihen kugeliger
Biische, unten Wasser, Balkenbauten im Mittelgrund; vorne kommt wenn
notig eine hohe schmale Baumgruppe zum Zurtickschieben und Beleben.
So finden wir die Landschaft in der Wolgemutschen Werkstatt der goer
Jahre, dem Schatzbehalter, dem Peringsdorffer Altar (und schon im
Hofer Altar zeigen sich die Ansatze dazu), so finden wir sie in Dtirers
fruhen Werken, bis zur Apokalypse. Die Stadtansicht, eine krumme
Strafie mit Giebelhausern, wie wir sie im Basler Hieronymus von 1492
finden, verschwindet bald, jene konventionelle Berglandschaft bleibt da-
gegen ziemlich lange, bis etwa 1498. Seine Naturbeobachtung, Sehen und
Zeichnen, dient ihm dazu, diese schematische Anlage zu beleben, mit
gesehenen Details zu Allien. Eine Erlanger Zeichnung (L. 431) zeigt
ihn bei der Arbeit des Zusammensetzens verschiedener Requisiten zu dem
gewohnten Bilde; man halt sie merkwiirdigerweise fiir ein Naturstudium.
Nebcn diesen frei erfundenen Landschaften kommen vereinzelt auch
andere vor, in denen eine Naturstudie als Ganzes tibernommen ist, z. B.
die Madonna mit der Meerkatze. Die Anlage ist daher hier individueller
(vergl. jedoch unten).
Nach der Apokalypse, seit 1498/99 etwa, drangt sich nun eine be-
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Cbcr Dlirers kunstlerisches Schaffcn.
457
stimmte Art von Veduten in die Hintergriinde hinein, und gibt ihnen so
ein andres Gepriige: es sind anscheinend Naturansichten, und zwar aus
Tirol, die mit der bekannten Gruppe von Handzeichnungen genau zu-
sammengehen , in der Art der Motivwahl, des Sehens und der Durch-
fiihrung. Unmittelbare Beziehungen zwischen Blattem beider Gruppen
— der ausgefuhrten Werke und der erhaltenen Naturstudien — linden sich
nicht.7) Man hat demnach aufier den erhaltenen noch andere, uns verlorene
Xaturaufnahinen aus Tirol anzunehmen, die in jenen Werken genau iiber-
nommen waren.8)
Sie erscheinen also seit 1498 99 etwa, und gehen bis 1506. Dahin
gehoren Geinalde (Selbstbildnis von 1498, Beweinung in Mlinchen, An-
betung in den Uffizien, Rosenkranzfest), Kupferstiche (Grofier Satyr, Amy-
mone, Eustachius, Grofie Fortuna), Holzschnitte (Heimsuchung im Marien-
leben) und Zeichnungen. Frei Erfundenes unterscheidet sich von solchen
Veduten, erscheint gekiinstelt, wie Spielzeug; z. B. die Renaissancestadt
auf dem Holzschnitt des Marienlebens, der Christi Abschied von Maria
darstellt. Anderes, die Nlirnberger Pieta, der Herkules, zeigen eine Ver-
mengung von Gesehenem und Erfundenem.
In der Apokalypse wie gesagt fehlcn die Tiroler Burgen noch, und
wiederum nach der Reise von 1506 kommen nur noch gelegentlich Erinne-
rungen vor, aus dein Handgelenk hingesetzt. Man braucht deswegen nicht,
zur Vermehrung der Hypothesen, eine Tiroler Reise urn 1498 anzunehmen:
die Tiroler Studien konnen jahrelang unbenutzt in der Mappe gelegen
haben, gerade in die Apokalypse pafiten sie ja nicht hinein, da die obere
Bildhalfte fur die himmlischen Vorgange reserviert bleiben muflte.
Die Ubernahme aus den betreffenden Studienblattern wird man sich
in den Details mit der gleichen Genauigkeit zu denken haben wie bei jenem
') Handcke glaubt, daB der Hintergrund des Eustachius nach der Pariser Zeich-
nung eines Bergschlosses, L. 301, gearbeitet sei; meines Erachtens ist jedoch jene
Zeichnung eine spatere Kopie nach dem Stich: auf grundiertem Papier, gegen seine sonstige
Gewohnheit, in gleichem Sinn wie der Stich (sodafi er beirn Obertragen sehr umstiindlich
batte arbeiten milssen), in manchen Einzelheiten von subalterner Auffassung; namentlich
aber ist der untere Rand in derselben komplizierten Weise eingebuchtet wie es auf dem
Stich durch die Baume und Biische davor begriindet ist. Wer sich daraufhin die
Blatter ansieht, wird nicht mehr an die Originalitiit der Pariser Zeichnung glauben
konnen.
, 8) So ware eine Vedute von Klausen, wenn Hiindckes Vermutung richtig ist, das
Vorbild ftir die Landschaft unter der Grofien Fortuna — jedenfalls eine einleuchtende
Hj-pothese und sehr viel besser als die frtiheren Vorschliige, vom Haigerloch etwa; frei-
lich nur Hypothese, da noch genug Abweichungen bleiben. Jedenfalls hat Dlirer nicht ver-
saumt, diese groflartige und seincm damaligen Geschmack so sehr entsprechende Szenerie
anfzunehmen ; und Veriinderungen bei der Ausftihrung durch Zutun und Wegschneiden
finden wir auch sonst, vergl. unten.
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458 Ludwig Justi:
Antonius von 15 19, wo wir Original und Wiederholung vergleichen konnen.
Es war dem Kunstlcr sichercr und bequemer, all diese TUrme und Erker,
so wie sie in dcr Natur gewachsen waren (d. h. nach seinen Naturauf-
nahme) zu zeichnen, als wie sie frei zu erfinden; jene Renaissancestadt
niochte ihin bald abstrakt, unwahrscheinlich vorkommen.
Als Ganzes dagegen sind diese Veduten ofTenbar vielfach, je nach
dem Zweck, verandert, durch Wegschneiden wirksamer geniacht, namentlich
aber bereichert durch Anfiigen oder Zusammenstticken, wie es ja beim
Antonius noch festzustellen ist. Der Vergleich eines Blattes der Griinen
Passion, Christus vor Pilatus, mit dcr Skizze dazu, zeigt wie die Ver-
anderung der Figurenkomposition (das Abstehen und Tieferstehen der
Herangekommenen) auch eine Veranderung der Landschaft nach sich zieht:
Gebaude werden hinzugefiigt, die alten verandert, die Gesamtlinic wirk-
sam geflihrt. So deutlich also auf den ersten Blick die Tiroler Burgen
als Vorbilder zu erkennen sind, und so genau die Naturstudien das Gesehene
wiedergeben, so fraglich scheint es mir deshalb, ob die so veranderten
Hintergrlinde der Kupferstiche jemals mit Sicherheit zu identifizieren sein
werden.
Aufierdem aber bilden diese Tiroler Felsenburgen keineswegs die
ganze Landschaft, sondern nur ein Stiick des Hintergrunds. Sie werden
meist an eine Seite geschoben, daneben offnet sich noch eine weitere
Fernsicht, gern mit Wasser; diese Teile nun sind frei komponiert, daher
auch mit den ublichen konventionellen Details gegeben, wie man bei den
obengenannten Werken sehen wird. Die Umbildung seines Sehens und
seiner Bestrebungen zeigt sich gerade in diesen frei erfundenen Teilen;
um 1500 noch der Apokalypse ahnlich, urn 1504, bei dem Uffizienbild
etwa, mit perspektivisch durchgearbeiteter Architektur. Diese hinzuphan-
tasierten Ausblicke gehen aus dem Streben nach diagonaler Raumvertiefung
hervor. Auch an die Vedute mit dem Weiherhauschen ist im Kupferstich
noch ein Stiick hinzuphantasiert (vcrgl. unten).
Endlirh bleiben jene Veduten als Hintergrund an die Szene an-
geschoben, die Szene spielt nicht im Gebirge, sondern vorn auf einer
bequemen Biihne, von der mit mehr oder weniger Geschick zu der Ge-
birgskulisse tibergeleitet wird; seit 1503/4 dienen dazu Architekturstucke,
Ruinen, Terrassen, der Ubergang wird dem Auge wahrscheinlicher ge-
macht. Immerhin bleibt auch in dieser Beziehung ein Aneinander-
schieben, Zusammenstticken, die Konzeption ist nicht einheitlich, Figuren
und Landschaft sind nicht mit- und ineinander gedacht wie bei Giorgione,
oder Bocklin, auch die Landschaft als begleitende Note fein zur Figuren-
komposition gestimmt wie etwa bei Raffael — sondern die zufallig ver-
schwagerten Elemente vertragen sich so gut sie konnen.
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Cber Diirers ktinstlcrisches Schaflfen. jeg
Auch die architektonischen Hintergrlinde sind zuerst in solcher
Weise angeschoben, bald aber gelingt ihm hier die innige Verbindung
der Figurenkomposition tnit der architektonischen Biihne, wie man in der
Rleinen Passion sieht (vergl. oben).
In der freien Landschaft dagegen bleibt es im allgemeinen bei
dem Aneinanderschieben, er kann die Figuren nicht wirklich hineinstellcn,
da er sie nicht als StarTage in eine Fernlandschaft bringen darf, da er
andererseits nicht die Mittelgrundlandschaft erobert, wie sie Giorgione
oder Tintoretto, Elsheimer oder Rembrandt kennen, in der sich leidlich
grofle Figuren bewegen lassen. Nur einige ganz vereinzelte Blatter geben
die Figuren von vorn bis in den Mittelgrund hinein in allmahlicher
Verkleinerung (namentlich die Kreuznagelung und die Ausgiefiung des
hi. Geistes in der Kleinen Passion); Diirer hat aber diese Bildanschauung,
einen Ausflufi seiner perspektivischen Studien, nicht weiter entwickelt.
In andern ebenso vereinzelten Fallen kombiniert er eine oder ein
paar Figuren mit einem landschaftlichen Vordergrund, den er aus einer
Studie entwickelt (z. B. die beiden F^insiedler) — es ist das eine Er-
weiterung und Belebung der stets tiblichen Vordergrundbiihne fiir die Fi-
guren. Ein sehr fruchtbarer Gedanke fiir Verbindung grofier Figuren
und ausgefuhrter, planartig von oben gesehener Landschaft findet sich
nur einmal, ebenfalls ohne von ihm weiter entwickelt zu werden, in
der Grofien Kanone«: ein Hiigelzug vorn mit den grofien Figuren,
der sich allmahlich zur Fernlandschaft hinabsenkt, ein im 17. Jahrhundert
aufierordentlich haufiges Schema.
Kleinere Landschaften der spateren Zeit sind meist aus dem Hand-
gelenk hingesetzt, durch Verwendung bekannter Elemente, wie es gerade
der Zweck und die Grofie der zu fiillenden Flache verlangen. So be-
gegnen uns alte Bekannte in den Fernblicken kleineren Um fangs hinter
den Madonnen, den Passionsszenen, der Melancholie u. s. w. Wir kennen
aus jener Zeit seine wundervollen Naturstudien nach einfachen franki-
schen Landschaften: diese feinen, flachgenommenen und in den ErTekten
sehr zarten Aquarelle konnte er aber in seine Kupferstiche und Holz-
schnitte nicht hineinbringen, so wie einst die Tiroler Felsburgen, denn
er brauchte da — mit Rticksicht auf die Gesamtwirkung, in Tonverteilung
und Tiefengliederung — grofie Wasserspiegel, phantastische Stadte und
kulissenartig hintereinander geschobene Felsufer. Nur bei jener Eisen-
radierung, der Grofien Kanone, 1518, findet sich eine kostliche frische
frankische Landschaft, in der Anlage und Durchfuhrung, der Rauinwir-
kung und den Details vbllig gesehen, voli Erdgeruch, um mich modern
auszudriicken — aber schliefllich doch, im Bilde zu bleiben, parfiimiert: links
hat er wieder eine hochst unfrankische Seekliste angeschoben, eben mit
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460 Ludwig Justi:
Riicksicht auf die Gesamtwirkung des Blattes, wie er sie wiinschte. Der
andere dominierende Hintergrund spater Zeit, auf dem mehrfach erwahnten
Antonius von 15 19, ist ohne Einklang tnit der Figur. —
Aus der Gewohnung an solches Zusammenstlicken, bei Figurenkom-
positionen wie bei Landschaften , erklart sich auch jenes eigentiimliche
Verfahren, das er seit etwa 1504 annimnit, als inehr und mehr Be-
stellungen auf reiche Gemalde an ihn kommen: da die Vorrate seiner
Studienmappe nicht ausreichen, macht er ad hoc grofle sorgfaltige und
vollendete Studien nach Kopfen, Hiinden, Draperien, und jede solche
Zeichnung ubertragt er dann tale quale auf den Kreidegrund — fur
unsre Begriffe von kunstlerischem SchafYen befremdend, und die Einheit
des Bildes storend. Andre machen auch ihre sorgfaltigen Naturstudien,
aber sie rnodifizieren sie dann wahrend der Ausfiihrung, mehr oder weniger
bewufit, zugunsten der Gesamtwirkung, nach Linie, Farbe oder Licht. Bei
Dtirer aber »bleiben die Nahte sichtbar« (Friedlander). Bis in die letzte
Zeit behalt er — fur grofle Kompositionen, vgl. unten — dies merkwiirdige
Verfahren bei, das sich nur erklart aus der Ehrfurcht seiner Jugendzeit
fiir welsche Vorbilder und fur die eignen Naturaufnahmen: so gewohnte
er sich an das unveranderte unfreie Hineinnehmen detaillierter Zeich-
nungen in seine Werke. —
Also: in den Figuren ist Dtirer urspriinglich unselbstandig, be-
herrscht den Mechanismus des nackten Korpers nicht, verwendet daher
fertige Figuren bei jenen allegorischen Stiicken; auch bei den religiosen
Darstellungen ist seine Phantasie nicht immer selbstandig, und geht in
der Konzeption vom Inhaltlichen aus, Um 1503/4 werden die formalen
Momente starker: Linien- und Massenrythmus, und namentlich die
perspektivische Raumgliederung bestimmen die Konzeption sehr stark.
Schliefilich, um 1514/15, hat er sich des Korpers und seiner Bewegung
bemachtigt, kann die Figuren gruppieren und sprechen lassen wie er will.
— Die Landschaft dagegen ist von vornherein freier. Auf die Phan-
tasiegegenden der Apokalypse folgen die Tiroler Veduten; fast immer
aber bleibt ein Zusammenstiicken des Hintergrundes in sich, wie des
Hintergrundes gegen die Figurenbuhne vorn — mit Ausnahme der
architektonischen Szene: in der freien Landschaft entwickelt er den
Mittelgrund nicht, und kann daher die Figuren nicht in die Landschaft
selbst stellen, die im wesentlichen Fernblick bleibt, wahrend bei Tintoretto
etwa die Figuren und ihre Umgebung einheitlich konzipiert sind, in
Linien und Farben unzertrennlich. Da nun Durer in seiner letzten Zeit
nach ganz einheitlicher Wirkung strebt, wie seine Werke zeigen — in
Anordnung, Form, Linie und Ton — so unterdriickt er die Landschaft
am liebsten: reduziert sie zu einem unbedeutenden Schnorkel oder fafit
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Cber Dtlrers kUnstlerisches Schaffen. ^6 1
sie in einem halbhellen Ton als einheitliche Hintergrundflache zusammen.
Daszeigen seine Arbeiten seit 1520. Er fond eben nicht den Weg, Figuren
und Landscbaft zu einem einheitlich Geschauten zusainmenzubringen. —
Dieser ganze etwas komplizierte Tatbestand auflert sich natiirlich
im einzelnen Fall noch viel komplizierter als bei solch allgemeiner
Ubersicht Die Ursache ist, dafi Diirers Kunst nicht von einem einheit-
lichen Prinzip getragen ist, von purem Idealismus oder von purem
Realismus. Beides greift ineinander, ebenso wie in seinen widerspruchs-
vollen schriftlichen Aufierungen, die man sehr mit Unrecht auf ein
System hat bringen wollen. Es zeigt sich auch sonst in seiner Arbeits-
weise: Propoitionsstudien liegen neben Modellstudien, der Zirkel neben
der Lupe; frei hingesetzte Entwtirfe neben liebevollen Naturaufnahmen.
Und neben Zirkel und Lupe liegen gelehrte und erbauliche Biichlein.
Handwerk, Kunst, Biicherweisheit und lebendige Religion spielen und
streiten miteinander. In vielen Kompositionen sieht man die Spuren
solcher Verbindung.
II. Verlauf des kiinstlerischen Prozesses.
Wahrend bisher von der Konzeption die Rede war, von der Ent-
stehung des ersten Entwurfes, oder, in anderen Fallen, von der Entstehung
einzelner Teile und der Art ihrer Zusammensetzung, so soil nun die
Durcharbeitung betrachtet werden und die kiinstlerischen Prinzipien, die
dabei formbestimmend einwirken. Einige Beispiele, die so den Verlauf
des kiinstlerischen Prozesses in verschiedenen Beziehungen charakterisieren
— die Figur, die Landschaft, die Komposition — sollen im folgenden
angefiihrt werden.
Es handelt sich dabei entweder um mehrere Stadien derselben
Komposition, oder um freie, leicht veranderte Wiederholungen, Wieder-
aufnahmen eines friiheren Stiickes. Die Konzeption ist da sozusagen
greifbar: Anlehnung an das friihere Werk. Die Unterschiede zeigen daher
klar das formende Prinzip. (Ohne besonderes Interesse sind dagegen
einfache Wiederbenutzungen von Studien — Kopfe, Hande, Draperien —
die fur irgend ein Werk gemacht waren und dann gelegentlich hervor-
geholt wurden. Man wird solche Selbstkopien mit einiger Geduld ofters
finden; doch vertieft man mit solchen kleinen Entdeckungen kaum das
Verstandnis Diirers, wenn man dessen Arbeitsweise im allgemeinen kennt,
und im gegebenen Fall aus der Erscheinung zu beurteilen versteht, wie
das Einzelne zustande gekommen ist, ob erfunden oder gesehen.)
Figuren. Zunachst Wiederholungen einzelner Figuren. Nackte
Figuren zeigen den Einrlufi seines Korperideals, Gewandfiguren werden
durch sein plastisches und lineares Empfinden geformt oder umgeformt.
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462 Ludwig Justi:
Ein interessantes Beispiel aus friiher Zeit bieten zwei Figuren von
1497 unci etwa 1500, namlich eine der vier Hexen und die Venus im
»Trauin des Doktors.« Diese ist, wie ich glaube, nach jener gearbeitet;
d. h. also nicht einfach kopiert, sondern nur in der Anlage und den
Hauptlinien ubernommen, wahrend das Einzelne in AurTassung und
Technik den raschen Fortschritt des Kiinstlers zeigt. Linien und Formen
sind fester, kompakter, die Technik klarer.
Von 1504 — 7 etwa finden wir zahlreiche nackte Figuren in Zeich-
nungen etc., die sich in Bewegung und Silhouette vielfach genau wieder-
holen, den Wechsel des Korp'erideals und der Formanschauung dann
aber um so deutlicher zeigen. Man vergleiche den Madrider Adam mit
dem Schildhalter der Sammlung Bonnat, I.. 351, oder die Londoner
Venus L. 241 mit der Venus des Kupferstichs von 1504: beidemal sind
die gleichen Umrisse in die Lange gestreckt und die Linien gestraflft,
die Formen geglattet. Ich habe an anderer Stelle ausfuhrlicher iiber die
Beziehungen innerhalb dieser grofien Gruppe von nackten Figuren ge-
handelt.
Sie alie hiingen mit seinen Proportionsstudien zusammen; die Wand-
lung im Konstruktionsschema ist aber nicht die Ursache ihrer schlankeren
Proportionierung, sondern das Mittel sie zu erreichen. Daher sich
derselbe Unterschied auch bei nicht konstruiertcn Figuren zeigt ;**) und
zwar bei rllichtigeren Arbeiten noch schroffer als bei den sorgfaltig *aus-
gcfuhrten, wie folgender Vergleich zweier Figuren aus dem Jahr 15 10 zeigt.
Der Auferstandene des Imhof-Diptychons, 15 10 (Alb. 377) verrat in
mehreren Ztigen unverkennbar, dafi Diirer dabei die entsprechende Figur
in der Vorzeichnung zum Veiter Altar (Frankfurt, L. 189) vor sich
hatte. 10) Dagegen halte man nun die Skizze in der Sammlung Haus-
mann, ebenfalls von 15 10 (L. 140): sie ist eine Kompositionsskizze, aus
der Phantasie hingeworfen ; die Christusfigur ist in der Bewegung frei
erfunden, gehort nicht in die sonst geschlossene Reihe der zahlreichen
von 1503 — 10 entstandenen Christusfigurcn, die alle formal mit einander
zusammenhangen — und so kommt hier sein damaliges Proportions-
9) Die Zeichnung des Schmerzensmannes im Louvre, L. 318, um 1510 12, ist
eine Wiederaufnahme des Gegenstandes, den der Kupferstieh B. 20, von etwa 1503 4
gibt, freilich — von ein/elncn Anklangen abgesehen — keine Wiederholung im For-
malen (und keineswegs eine Studie zum Stich, wie Ephrussi meinte). Auch bier zeigt
der Vergleich die gestrecktere Proportionierung, die gegliittete Form, die elegantere
Pose, der Entwicklung DUrers von 1503 4 bis 15 10 entsprechend.
10) Docb ist die Figur hier scbwebend statt stehend gedacht und einiges dem-
entsprecbend genndert; die Durchfiibrung ist eleganter, die Gewandung, in den Haupt-
motiven gleicb, ist reicher im Kleinen, nach Form und Lichtfuhrung.
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Cber Dtirers ktinstlerisehes Schaflen. 463
ideal ganz extrem heraus, die Korperformen sind fast karrikiert schlank;
wahrend bei der umsichtigen Ausfiihrung, als er das frlihere Frankfurter
Blatt vor sich hat, dieser Hang zum Uberschlanken eingeschrankt bleibt —
Hier handelte es sich urn Korperform und Proportionen : inter-
essanter noch ist die Entwicklung der Bewegung in den Figuren. Die
Miihe und Arbeit, die Diirer auf die Beherrschung des korperlichen
Mechanismus verwandte. pflegt liber den inhaltlichen und technischen
Reizen seiner Kunst iibersehen zu werden. Er beginnt mit kleinen zier-
lichen Puppen, die sich mit wenigen schwachlichen Gesten verstandlich
machen; er schlieflt mit grofi und sicher bewegten monumentalen
Figuren. Auf die stetige Arbeit in dieser Richtung ist hier nicht einzu-
gehen. Die starksten Fortschritte geschehen — wie in den andern Dingen
— um 1495, um I5°3/4 unc* urn 15 14 15. Diese Fortschritte in der
Beherrschung der Bewegung, und damit auch in der Freude daran, haben
natiirlich zur Folge, dafi Diirer seine Figuren (anders als bei jenen
nackten Ideal gestal ten) gern neu entwirft, dafi ihm die alteren nicht
mehr gefallen. Man kann daher im allgemeinen nur den Grad der ver-
schiedenen Bewegungen — nach Reichtum und Klarheit — vergleichen,
nur selten eine Umarbeitung desselben Motivs verfolgen. Doch mochte
ich wenigstens auf eine Gruppe aufmerksam machen, deren verschiedene
Glieder sich gut vergleichen lassen, da sie denselben Gegenstand wieder-
holen, sie stehen sogar meines Erachtens in direktem Zusammenhang als
Umarbeitungen und zeigen daher die Absichten des Klinstlers besonders
deutlich. Es sind das einige Blatter mit zwei schwebenden Engeln, die
eine Krone halten.
Das erste ist eine Zeichnung von etwa 15 10/13 in London (L.
265). Anordnung und Durchfiihrung sind noch unklar. Die Silhouette
sagt nichts, die Fliigel tiberschneiden sich unschon, die Krone mufi man
suchen; die Funktionen des Fassens, Tragens und Schwebens sind nicht
deutlich gemacht; die Bewegung der Korper und deren Formen ver-
schwinden unter den Gewandmassen.
Die nachste Zeichnung ist von 15 18 (L. 94). Die Anderungen
sind so stark, dafi sich der Zusammenhang nicht mehr beweisen laflt,
von dem ich freilich iiberzeugt bin, da die Ubereinstimmungen (Formen
der Krone, der Fliigel, Drapierung namentlich links) zu grofi sind, um
zufallig sein zu konnen; vielleicht liegen noch andere Arbeiten da-
zwischen. Alies ist geklart: die Krone kommt hoch heraus, die Funk-
tionen sind deudich in den vier tragenden Armen und ihrem Zufassen,
die Korperhaltung und Bewegung scharfer gegeben; zugleich mehr
Schwung und Eleganz: schrages Schweben statt des lastenden Sitzens, die
Fliigel elegant zuriickgeschlagen, energischer Wind bauscht die Gewandung.
Repertorium f&r Kanstwi39enschaf(, XXVI. 32
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464 Ludwig Justi:
Der Kupferstich B. 19 ist bekanntlich nacli dieser Zeichnung ohne
wesentliche Anderungen ausgefuhrt.
Es folgt, ebenfalls 15 18, eine uns verlorene Zeichnung, die Vor-
studie zu dem Holzschnitt B. 10 1, Maria mit Engeln. Der Zusammen-
hang ist hier offensichdich, in Bewegung und Gewandung. — A lies ist
noch eleganter. Die Krone (von prachtigerer Form, die jetzt bleibt)
scheint zu schweben. Die Bewegung ist starker und reicher, z. T. fast
heftig. Die Arme sind engbekleidet, alle Gelenke spielen. Die Ge-
wandung, in den Grundmotiven ahnlich, ist unterschiedlicher im einzelnen
und prachtvoller rauschend. Die Uuirisse, z. B. der Fltigel, sind mit
Leichtigkeit und Feinheit der Koinposition eingeordnet
Von 15 19 stammt dann die Londoner Zeichnung L. 322. Diirer
hatte dabei die letzte Komposition vor sich, und zwar in der (uns ver-
lorenen) Zeichnung11), nicht in einem Abzug des Holzschnitts (der ja
Verkaufsobjekt war): der Zusammenhang zeigt sich nicht nur in der
Engelgruppe, sondern auch sonst, wie man leicht finden wird. Ver-
gleichen wir diese Londoner Zeichnung mit dem Holzschnitt von 15 18
— in dem natiirlich alles im Gegensinn erscheint — so finden wir die
schwebenden Engel weiter durchgearbeitet Die Bewegung ist, bei glei-
chem Reichtum, weniger heftig als dort (zu unterscheiden von dem
Mangel an Bewegung in friiheren Werken): das harte Vorstofien des
Knies fehlt, die Fliigel sind gesenkt in ruhigerem Schweben und schdner
Silhouette; namentlich aber sind die beiden geschieden in Profil- und Vorder-
ansicht; auch der eine Fltigel geht mit Dies Auflosen der Symmetric
beruht nicht auf einer zufalligen Laune des Kunstlers, sondern entspringt
seinem Stilgeftihl in diesen letzten Jahren : die Vier Apostel etwa zeigen
eine ebenso fein empfundene und durchgefuhrte Kontrastkomposition
(vergl. H. A. Schmid, Kunstgesch. Gesellschaft VII 1900).
Wie eine Abzweigung aus dieser fortlaufenden Reihe erscheint die
Berliner Madonnenzeichnung L. 16, die man wegen einer apokryphen
Aufschrift 1507 zu datieren pflegt Ihr Stil weist sie vielmehr meines
Erachtens deutlich in spate Zeit, gegen Ende des zweiten Jahrzehnts. 12)
11) Der Holzschnitt von i5i8Aanderte einige Details gegen die uns verlorene
Vorzeichnung, die sie noch mit der Zeichnung L. 94 gemein hatte; daher dann die
Zeichnung von 1519 in solchen Details der Zeichnung L. 94 nahcr steht als dem Holz-
schnitt (dessen Hauptzlige sie doch zeigt): im Kosttim, im Zufassen des einen Engel s,
der Anordnung der Haare beim andern.
i2) Ganz freie und grofle Anordnung, den prachtigen Zeichnungen um 1520 ent-
sprechend; die Figuren sehr grofl im Rahmen; in der Gewandung ruhige Flachen mit
feinem Gefaltel wechselnd; der Strich klar und sicher. FUr das Technische vergleichc
man etwa die Verkttndigung in Chantilly, L. 344.
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Ober DUrers kUnstlerisches Sehaflfen. 465
Die Engelgruppe oben steht etwa zwischen Kupferstich und Holz-
schnitt von 15 18. Die Gewandmotive, im Kupferstich noch ziemlicb
symmetrisch, sind hier kontrastiert, in einer Anordnung, die der Holz-
schnitt und die Zeichnung von 15 19 wieder bringen. (Doch ist die
Bewegung der Beine vertauscht.) Die Bekleidung des Oberkorpers,
namentlich die enganliegenden Armel, schon wie im Holzschnitt, aber die
Bewegung noch stiirmisch wie in dem Kupferstich. Diese Zeichnung
steht jedoch, wie gesagt, insofern aufier jener Reihe, als die Vorzeich-
nung zum Holzschnitt sich wieder an die zum Kupferstich anschliefit,
und nur einige Gedanken mitbenutzt, die ihm bei der Berliner Zeich-
nung zuerst gekommen waren.
Diese Blatter entstanden in einer Zeit, 15 18 — 19, wo Diirer auf
der Hohe seines Konnens stand. Ihr Zusammenhang ist nur allgemein;
es handelt sich nicht um angstliches Kopieren wie bei jenen nackten
Figuren der Jugendzeit, sondern um freie Benutzung: er hatte bei der
Arbeit das fruhere Blatt vor sich, und liefi sich von ihm anregen; aber
wahrend er, in wenigen Minuten, die neuen Figuren auf das Papier warf,
kamen ihm jene fur uns so lehrreichen Anderungen in die Feder, schneller
als sie sich beschreiben lassen. Sie zeigen uns also hauptsachlich den
wachsenden Reichtum der Bewegung. Die Gewandung begleitet diesen
Gang, sie soil die Bewegung des Korpers moglichst deutlich ausdriicken,
entweder durch festes Anliegen oder, wo das nicht moglich ist, dadurch
dafi die Motive der Drapierung dem plastischen Zusammenhang entsprechen.
Diese Reife des Gewandstils zeigt sich auch bei ruhig stehenden
Figuren, wie den Vier Aposteln. Wir mochten das wiederum an einer
Wiederholung durch Vergleich deutlich machen: dem Josef des Jabach-
schen Altars (Munchen, Pinakothek) und dem Paulus in dem Veronika-
blatt der kleinen Passion. An Stelle des Jabachschen Fltigels hat man
sich nattirlich die verlorene Durersche Vorzeichnung zu denken — diese
hatte er 15 10 bei jenem Holzschnitt vor sich. Flir die ziemlich
schnelle Arbeit des Holzschnittes machte er nicht gern neue zeitraubende
Detailstudien. 18) Die Ubereinstimmung der beiden Figuren ist infolge
der starken Stilwandlung auf den ersten Blick gering, die Behauptung
des Zusammenhangs mag daher jedem absurd erscheinen, der Durers
Arbeitsweise nicht kennt: man wtirde dann das folgende nur als einen
immerhin lehrreichen Vergleich zweier Figuren verschiedener Entstehungs-
zeit betrachten konnen, die zufallig eine analoge Stellung und Drapie-
**) Auch die andere Figur des Holzscbnitts h&ngt mit dem Jabachaltar zusammen,
oder ricbtiger, mit einer dort verwendcten Studie, die auch noch in anderen Werken
benutat ist.
32*
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466 Ludwig Justi:
ning haben; glaubt man aber, mit uns, dafi Dtirer 15 10 die friihere
Zeichnung vor sich hatte, so bekommt der Vergleich erst feineren, spezi-
fischen Wert14)
Abgesehen von den geringen Veranderungen, die der Gegenstand
forderte (langerer Bart, Schwert statt Hut und Stab), finden wir nun eine
Fulle von Anderungen im kleinen, die dem Zeichner, bei seinem jetzt
ganz anderen Stilgefiihl, in die Feder kommen und so den Gesamtein-
druck vollig umgestalten.
Der plastische Zusammenhang ist klarer: der Fufi des Standbeins,
dort verdeckt, ist gezeigt, die Falten am Spielbein sind bis in die Knie-
kehle vorgeschoben, die Bewegung des nach vorn kommenden Armes ist
erst deutlich gemacht, die des andern wenigstens scharfer gegeben. Die
Haltung ist edler: der Oberkorper gerade, die Brust frei, nur der Kopf
gesenkt; das Spielbein elegant gestellt, mit der Fuflspitze nach aufien.
Der geklarte Stil des Holzschnittes forderte die Vermeidung von Un-
klarheiten, daher ist wohl der Armelumschlag weggelassen (doch noch
im Kontur nachwirkend), der Mantel auf der Brust geglattet, urn den
Bart wirken zu lassen. Am Kopf ist der Knochenbau scharfer gegeben,
sonst die Formen auf weniges reduziert. Das Licht, von oben links
kommend, lafit die unteren Partien dunkel, aufler dem wichtigen Fufi;
Licht und Schatten sind, wie in den anderen Werken jener Zeit, kraftig
gegeneinander gesetzt, gliedern und beleben die dort eintonige Erschei-
nung, und verdeutlichen noch hie und da die Formen. Auch sonst ist
die Erscheinung reicher gestaltet, weniger tote Flache gegeben als dort,
die kleinen Falten launiger (namentlich am Armel zu vergleichen); auch
in der Gesamtdisposition der Falten erstrebt er Bereicherung : das Motiv
des um die Hufte herumgenommenen Mantels ist mehr herausgearbeitet,
durch die ftihrende Linie des Saums pointiert, der herabfallende
Bausch vorn voller und kraftiger ausladend. Dadurch ist auch die
Silhouette reicher: vorn stark bewegt, klar verlaufend; auf der Rtick-
seite zwar dicht am Rahmen bleibend aber doch stark abgetreppt,
wahrend sie bei der friiheren Figur in einformiger Gradlinigkeit herab-
u) t)bereinstimmcnd sind: der allgemcine Stand, die Haltung der Arme, des
Kopfes, der Beine; die Gewandung nach Bestandteilen, Schnitt und Faltenmotiven.
Naturlich alles im Gegensinn. Gerade unbedeutende Wiederholungen tiberzeugen mich
von dem Zusammenhang: die Linie des Mantelsaumes an der Schulter, die Falte im
Armel zur Bezeichnung des unteren Armrandes, das eigenttimliche dreieckige Ende der
einen Saulenfalte, die kleine Einbiegung innen dartlber, der Abschlufi des Mantels am
Spielbein mit kraftiger Querfalte, unter der noch ein Stttck Saum, als Kreissegment, her-
vorkommt.
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t)ber DUrers ktinstlerisches Schaffen. a^j
laufl Endlich ist bei allem Riicksicht auf die kontrastierende Figur ge-
nommen.
Man wird sich nicht wundern, dafi in anderen Fallen eine Draperie
viel genauer wiederholt wird, wie der bekannte Mantel des MUnchener
Paulus nach der Zeichnung zum Philippus des Kupferstichs: von 1523
bis 1526 hat sich Diirers Stil kaum gewandelt, im Vergleich zu der
starken Entwicklung im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts. —
Landschaft Das Weiherhauschen, jene farbige Naturstudie im
British Museum, ist bekanntlich benutzt zum Hintergrund der Madonna
mit der Meerkatze. Man begniigt sich gewohnlich damit, die Uberein-
stimmung zu konstatieren. Und doch ist der Natureindruck umgeformt,
ganz leicht, fur den oberflachlichen Betrachter kaum merklich, aber trotz-
dem sehr charakteristisch.
Hauptsachlich sucht er einheitliche Tiefenwirkung hineinzubringen,
reduziert die gegebenen Landschaftssttlcke zu einer Diagonalbewegung:
nur ein Stuck der Vedute ist herausgenommen ; auf der linken Seite (im
Kupfersrich) sind nur zwei kurze Uferkulissen stehen geblieben, die den
Blick zuruckfiihren, das iibrige weggeschnitten. Ebenso ist auf der an-
deren Seite weggeschnitten, sodafl der Turm nahe an den Rand kommt,
als fester Ansatz der Diagonale; in der Vedute dagegen war er das
Hauptstiick, das ihn zum Zeichnen reizte und das daher von selbst in
die Mitte kam, wahrend rechts und links auf beiden Seiten der Blick in
die Tiefe ging. Hinter dem Turm ist noch eine Erhohung des Gelandes
zugefiigt, so dafi sich der Kontur einheitlich nach der Bildmitte zu
senkt Der folgende Hiigelzug ist wegen der Kupferstichtechnik stark
vereinfacht Dann aber ist in der Tiefe noch ein weiterer Seeausbiick
und eine Stadt hinzugefugt — wie bei den Tiroler Veduten. Ein ein-
gehender Vergleich — mit dem wir den Leser nicht belastigen wollen
— zeigt wie die Einzelformen vielfach genau iibernommen, aber doch
ausgewahlt und umproportioniert sind nach einer ganz bestimmten,
klaren Empfindung.
Komposition. Wiederholungen von Figurenkomplexen zeigen uns,
worauf es ihm bei der Komposition ankam. Was wir hier hauptsachlich
beobachten, ist Konzentrierung, ein Zusammenriicken des anfangs Zer-
streuten. Wie wir Dtirer standig bestrebt sehen, die Erscheinung der
einzelnen Figur zu bereichern in Bewegung, Drapierung und Beleuchtung,
so sucht er auch die ganze Bildflache zu bereichern. Zunachst bemtiht
er sich, das gerahmte Feld ganz zu flillen, dann gleichmafiig zu fiillen,
zuletzt wird der Rahmen enger genommen, die Figuren grofler. Die
starksten Fortschritte geschehen um 1495, 1503 und in den zwanziger
Jahren.
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468 Ludwig Justi:
Nun geht aber DUrer nicht von einer zentralen Idee aus, hat nicht
zuerst eine Vorstellung wie das Bildganze etwa aussehen soil — wir
greifen damit auf unsere ersten Auseinandersetzungen zurlick — sondern
kommt oft erst im Lauf der Arbeit dazu. Wahrend also die plastisch
gesinnten Florentiner jener Zeit einen Figurenknauel von vornherein kon-
zipieren und ihn allmahlich ins einzelne ausgestalten, sucht Diirer eine
raumliche (nicht plastische) Konzentration durch spateres Zusammen-
rlicken der Figuren und Objekte, Wegschneiden der leeren Flachen. Er
zeichnet die verschiedenen Figuren, die er zu seiner Geschichte braucht,
auf ein Blatt Papier; dann schraubt er gleichsam den Rahmen zusammen.
(Dies gilt nur mit Einschrankung in den oben angedeuteten Fallen, wo
die Konzeption von formalen Momenten ausgeht, also z. B. von einer
umgebenden Architektur.)
Ein einfaches Beispiel daftir bietet etwa der Nlirnberger Herkules
im Vergleich mit der Darmstadter Zeichnung L. 207. Beide haben nicht
mehr den ursprtinglichen oberen Rand, doch ist das Abschneiden, Zu-
sammenrlicken und Zurechtschieben deutlich. (Interessant auch die Ver-
iinderung, Durcharbeitung mancher Einzelheiten, in der Bewegung und in
der Landschaft.) Es liefien sich noch mehr Beispiele daftir nennen; be-
sonders charakteristisch sind die Blatter mit A poll und Diana: in der
Londoner Zeichnung L. 233 ist die Figur des Gottes in der Bewe-
gung bekanntlich nach dem belvederischen Apoll kopiert, in den Ab-
messungen konstruiert; zur Vervollstandigung ist Diana dazugesetzt, zu-
nachst ziemlich ungeschickt; im Kupferstich B.68 zeigt sich dann wieder jene
Konzentrierung. 15) Dieselbe beobachteten wir vorhin schon bei dem
Sundenfall der Kleinen Passion im Vergleich mit der Albertinazeichnung
(vgl. oben).
Eine langere und dadurch interessantere Folge bieten uns einige
Blatter mit Christus am Olberg. Es ist bekannt wie oft DUrer dies Thema
behandelte und wie er, aus der Empfindung, a us clem Inhalt, immer neue
Motive fand. Wir haben hier einige Blatter im Auge mit gleichem
Motiv, lediglich mit Veranderungen der Anordnung.
Eine Skizze von 15 15 im Louvre, L. 320, ist ein erster Ent-
wurf. DUrer zeichnet sich die einzelnen Figuren nacheinander hin, denkt
zunachst nicht an ihren Zusammenhang, daher z. B. Christus, der Kelch,
und der Engel allmahlich iibereinander geraten, ohne dafi man wufite,
was sie miteinander zu tun haben. Die Anordnung ist ungefahr wie in
15) Nebst interessanten Anderungen im einzelnen; worilber es vicle Vcnnutungen
gibt, da dicser Stich, durch die Beziehungen zu Jacopo de'Barbari, der Forschung stets
schr cxponicrt war (vgl. Repcrtorium XXI, S. 447 fF.).
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Cber Dflrers kiinstlerisches Schaffen. 460
der Groflen Passion, aber so einfach, dafi kein Zusammenhang anzu-
nehmen ist, die Figuren weit auseinander auf leerer Flache.16)
In der Albertinazeichnung desselben Jahres (Schonbr. und Med. 154)
ist das Bild sehr zusammengeschoben und die Flache verkleinert, nament-
lich rechts, sodafi Christus in die Mitte kommt, als Hauptperson — die
grofien Figuren der vorn schlafenden jUnger, vorher gleichgeordnet, sind
jetzt untergeordnet, als eine Gruppe in den Mittelgrund gertickt Christus
1st grofler genommen, die Hande bedeutender bewegt; die Gewandung
ist reicher, trotz der Wiederholung im allgemeinen sind die Hauptmotive
scharfer herausgearbeitet, die dort verdeckte Korperbewegung dadurch
klarer gegeben. Die Verbindung init dem Engel ist naher und deutlicher.
Jm ganzen kommt zu diesem Zurechtrticken noch die Scheidung in hell
und dunkel hinzu, nach grofien Partien.
In der Eisenradierung B. 19, ebenfalls von 15 15, ist die Konzen-
trierung noch starker, wie wir im einzelnen nicht auszufuhren brauchen.
Unten und rechts ist noch viel weggeschnitten. Engel und Kelch sind
zusammengertickt, dem Blick Christi zugleich erscheinend. Der Kontrast
von hell und dunkel ist noch scharfer. Die Einzelheiten sind nattirlich
reicher, die Linien kurviger.17)
Besonders charakteristisch fur den Formungsprozess bei einer Kom-
position ist eine Gruppe von drei Blattern mit den heiligen Einsiedlern
Antonius und Paulus: die Berliner Federzeichnung, als »Waldpartie
am Schmausenbuck« bekannt, L. 440, die Federzeichnung der Sammlung
Blasius L. 141, und den Holzschnitt B. 107.
Die Berliner Zeichnung ist zunachst noch ohne den Gedanken an
eine Verwertung zum Heiligenblatt entstanden, wie sie denn auch stets
als Landschaftszeichnung aufgefafit wird. Sie ist nicht komponiert, nicht
erfunden, zeigt nicht die tiblichen Landschaftsmotive in schematischer Zu-
sammensetzung, sondern ganz zufallige Elemente in zufalligem Bei-
16) Bei der Christusfigur dachte er wie mir scheint daran, die bertihmte Fufl-
studie, L. 165, wieder zu benutzen. In der folgenden Zeichnung ist dieser Gedanke
aufgegeben.
17) Zwei weitere Zeichnungen stehen nur in losem Zusammenhang mit dieser
Reihe: cine Louvrezeichnung von 15 18 (L. 321) ist die Wiederaufnahme vielleicht
ciner Zeichnung, die zwischen jenen beiden von 151 5 stand; wenigstens stimmt die
Gesamtanlage zur ersten, einiges Detail zur zweiten. — Eine Studie der Albertina
(Schonbr. und Med. 292) gibt die Christusfigur ganz neu (wenn auch in derselben Be-
wegung): in Dreiviertelansicht, die Gewandung ist klar und reich zugleich, von hoch-
ster Reife, ctwa 15 16 — 18 anzusetzen; helle Partien und Streifen von feinster Delika-
tesse der Zeichnung sind gegen dunkel abgesetzt ; eben um 1 5 1 6 — 1 8 kommt ahnliches
vor, wie z. B. in der Radierung des Engels mit dem SchweiBtuch.
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470 Ludwig Justi:
einander. Sie macht freilich nicht den Eindruck, als sei sie unmittelbar
vor der Natur gearbeitet, sondern eher nach einer Skizze, doch bleibt das
hier gleichgultig, jedenfalls geht sie in der Gesamtanlage auf Natur-
anschauung zurlick. Die kleine Waldlichtung mit der Quelle, dahinter
die dichte Baumkulisse, vom Rahmen mitten durchgeschnittene Stamme
hell vor dunklem Dickicht — das sind individuelle Formen, die in
seinen zahlreichen frei erfundenen Landschaften kaum vorkommen. In
diese anheimelnde Szenerie, die er draufien skizziert hatte, phantasierte
er nun als Staffage die beiden hi. Einsiedler hinein: vorn bei der Quelle
hat er zwei Monche skizziert, und dann darliber — wenig auffallig —
den Raben mit dem geteilten Brot, womit die beiden als Antonius und
Paulus charakterisiert sind. Der Gedanke die Szenerie so auszudeuten,
zu staffieren, kam ihm wohl erst beim Zeichnen.
Als er sich nun entschlofi, diesen Gedanken weiterzuflihren, ein Hei-
ligenblatt daraus zu machen, ergaben sich durchgreifende Veranderungen.
Der Akzent muflte verlegt werden, die beiden kleinen StafTagefigiirchen
wurden zu Hauptfiguren, die dort herrschende Szenerie zum Hintergrund.
Ein Stadium dieser Umwandlung ist meines Erachtens in der
Blasiusschen Zeichnung erhalten.18) Die Veranderungen ergeben sich aus
dem neuen Zweck, der Verwendung zu einem Holzschnitt, einem Heili-
genbild. Die Figuren wachsen zur Ublichen Grofle, und mit ihnen wachst
die Quellanlage; sie nimmt jetzt fast die Halfte der Bildflache ein, und
ist genauer durchgearbeitet : die Uberdachung, die Stufen ringsum sind
mehr ausgekltigelt und ausgeflihrt. Die beiden Figuren, rechts und links,
beherrschen den Bildeindruck ; die notigen Attribute sind zugefiigt
Der Rabe, vorher nur klein und fllichtig angedeutet, schwebt grofi mitten
Uber den beiden Einsiedlern, die ihre Hande zum Gebet falten, den
staunenden Blick auf die Erscheinung oben gerichtet: die Figuren sind
inhaltlich und formal zusammengeschlossen. Das Ganze ist nun ein
Figurenbild mit landschaftlichem Hintergrund, in der (iblichen Anschau-
ungsart, nicht mehr der eigenartige Naturausschnitt wie zuerst. Die
Waldlisiere, nur noch als abschliefiende Kulisse, ist dicht an die Quelle
geriickt. Auf dem Berliner Blatt ist die linke Seite ausgeflihrt, die rechte
18) Wer dem Mcister und seiner eigentttmlichen Arbeitsweise fernsteht, wird es
freilich ftir gesucht, wenn nicht toricht halten, dies Blatt aus dem vorigen abzuleiten.
Die Berliner Skizze hat ihm nattirlich nicht als eigentliche Vorlage gedient, aber sie hat
ihm die Anregung, die Idee gegeben. Beide Zeichnungen stammen aus gleichcr Zeit,
haben den gleichen Gegenstand, namentlich aber dieselben Bildelemente. Uberein-
stimmung in Einzelheiten der Biiumc und dergleichen wird man nicht suchen. Die
Ahnlickeit im Ganzen ist jedoch grofi genug, gerade wenn man die Ungewiihnlichkcit
des Mutivs bedenkt.
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Cbcr Dlircrs kUnstlerisches Schaflfen.
471
nur angedeutet ; bei der Umarbeitung kouimt ihm der Gedanke, an dieser
leeren Stelle den obligaten Fernblick zu geben, mit dem gewohnten
steilen Berg; sein Streben nach Bereicherung wie nach Tiefenwirkung
verlangt, wie gewohnlich, eine solche Zutat: doch konnen wir nur selten
diesen Unterschied des komponierten Bildes vom Natureindruck so deutlich
feststellen.
Noch mehr wird nun alles durchgearbeitet, bis jener Holzschnitt
in den Druck kam. Man mag sich zwischen der Blasiusschen Skizze
und dem Holzschnitt noch verlorene Zeichnungen denken, der Verlauf
ist jedoch klar, und der Zusammenhang in diesem Fall von Niemandem
zu bezweifeln. (Beim Holzschnitt natlirlich alles im Gegensinn.)
Die Prinzipien der Veranderungen finden wir ganz wie in den
vorhin besprochenen Fallen : Zusammenfassung im Verhaltnis zum Rahmen,
Raumvertiefung, Differenzierung, Durcharbeiten und Klaren aller Einzel-
heiten und ihrer Beziehungen.
Das vorher etwa quadra tische Bild kommt ins Hochformat (mit
Riicksicht auf die Zusammenordnung der Hauptfiguren).
Die Komposition ist zusammengedrangt, die breiten Fliichen rechts
und links von den Heiligen sind weggeschnitten, sie selbst zu einander
geriickt.
Der hi. Paulus ist unverandert geblieben, bis in die kleinsten
Details, der Handstellung, der Faltenziige (in denen aber die dominierenden
Linien scharfer betont, der Gegensatz von Licht und Schalten eindring-
licher gegeben ist) ; der Kopf ist in hell unci dunkel sorgfaltiger gegen den
Hintergrund abgesetzt; der Stab, vorher mit dem vordern Kontur des
Rumpfs zusammenlaufend, ist besser gestellt.
Dagegen hat er die Figur des Antonius verworfen. Das symme-
trische Emporblicken und Anbeten sagte Diirer nicht zu, und ware durch
das nahe Zusammenriicken ganz unertraglich geworden. Daher eine
vollig neue Figur. Sie ist zurilckgeschoben, neben den Tisch, wahrend
Paulus davorsitzt, wird vom Rahmen etwas iiberschnitten, wahrend bei
Paulus noch ein kleiner Zwischenraum bleibt: zur Raumgliederung —
durch die diagonale Anordnung — und zur Differenzierung sollten diese
Veranderungen dienen. Der Kontrast wird dann ins einzelne durchge-
ftihrt: wahrend Paulus in ungefahrer Profiistellung bleibt, kommt Antonius
in Vorderansicht; er aufiert andere Empfindung, mit andern Gebarden,
hat einen andern Typus, eine andere Kleidung; alle Linien, gerade
auch in der Gewandung, stehen in bewufitem Gegensatz zur Figur
gegentiber (vgl. oben).
Nebensachen, wie der attributive Stab mit der Glocke, sind ver-
kleinert; das Brett ist moglichst schmal genommen, die tragenden Steine
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472 Ludwig Justi:
moglichst dicht zusammengeriickt, der Wasserlauf moglichst schmal,
seine Umrisse jedoch sind reich, und dem Kontur der Figuren ent-
sprechend gefuhrt
So geht es weiter. Der Hintergrund ist nach denselben
Prinzipien durchgestaltet: der Zusammenfassung, der Unterordnung und
Diflerenzierung. Drei Baumstamme, jeder eigenartig geformt, sind be-
tont und herausgenommen, mit Bewufltsein zum Rahmen und zu den Fi-
guren gestellt, in leichter Diagonale zuriickfiihrend. Der Zusammenhang
tnit der Skizze ist bei dem einem, mit den kurz abgehauenen Asten,
deutlich; man sieht da, wie sich die immer weiter schreitende Phantasie
von der Natur entfernt Der dritte Baum ist niedriger, entsendet knorrige
Aste — zur Fiillung der leeren Himmelsflache, und zur Uberleitung von
der dichtgestrichelten Nahe zur lichten Feme. Der in den Wald schrei-
tende Hirsch, von dem letzten Baumstamm iiberschnitten, ist beibehalten,
aber hell gegen dunkel gegeben ; an seiner Stellung im Bilde — zu dem
Raben, zum Kopf des Antonius — sieht man, wie sehr alles zusammen-
geriickt ist Der Baumstumpf gegen den Rand hin ist zuriickgenommen,
die Diagonale der hohen Stamme fortsetzend; zugleich wirkt er als
Schieber dunkel gegen die helle Feme.
Das Waldesdickicht ist gesondert von den Stammen, zieht sich
bildeinwarts, in einer energischeren Diagonale als die Figuren und die
Baumstamme, wird allmahlich niedriger und steht so als Kulisse vor den
beiden Hugellinien, die in der Zeichnung fehlen und hier noch vor dem
abschlieflenden Berg eingeschoben sind; die iibliche Uferlinie prazisiert
denAnsatz dieses Berges. — Uberall findet man noch leichte Anderungen und
Einschiebungen zu solchen Zwecken, auf die wir nicht weiter aufmerksam
zu machen brauchen.
In der Durchfuhrung des einzelnen treten zu jenen allgemeinen
treibenden Prinzipien noch zwei hinzu: Dtirers Linienempfinden und die
Rticksicht auf die Bedingungen der Technik. Sein Linienempfinden wird
man in alien Einzelheiten walten sehen, bei den Steinbanken etwa: dort
fliichtig und geradlinig hingebaut, hier kraus und wetterhart
Mit Riicksicht auf die Technik ist der Gegensatz von hell und
dunkel, der in der Zeichnung schon angelegt ist, noch genauer ausgearbeitet
Es ist interessant, sich klar zu machen, wo dieser Gegensatz zur Tiefen-
gliederung dient, wo zur Verdeutlichung der Form, und wo nur zur Be-
lebung der Bildflache. Femer veranlafit ihn die Technik zu breiterer,
derberer Formgebung, manche launigen Federztige werden ersetzt durch
mehr flachige Gebilde. Man vergleiche die Schattierung des Hauptstamms,
die Zeichnung des Dickichts. Die Ecke der Steinbank neben Paulus ist auf
der Zeichnung durch ein neugierig emporschiefiendes Pflanzchen belebt,
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Cbcr Diirers ktinstlerisches Schaffcn.
473
das in einer hochst geistreichen Linie hingesetzt ist, auf dem Holz-
schnitt sehen wir statt dessen ein breites Gewachs mit grofien dicken
Blattern. —
Wenn man an den Zusammenhang der Berliner und der Blasiusschen
Zeichnung nicht glauben will, und dam it an jene interessante Umwand-
lung eines Natureindrucks zu einem Heiligenblatt, so bleibt doch der
Vergleich der zweiten Skizze mit dem Holzschnitt noch lohnend genug.
Es ist das ja einer von den sogenannten schlechten Holzschnitten, die
von einem Formschneider zweiten Ranges ausgeflthrt wurden, und die
wir heute, beim Durchblattern des reichen Werkes, gewohnlich rasch zur
Seite legen; und doch, wie viel ktinstlerische Empfindung und Erfahrung
stecki in diesem bescheidenen Blatte!
Natiirlich hat Dtirer bei seinem Gestalten nicht nach verstandes-
mafiig erkannten asthetischen Statuten gearbeitet — aus seinen Schriften
sehen wir, wie primitiv sein theoretisches Erkennen und Formulieren
war — aber er hat bei der Durchgestaltung ganz genau geftihlt, dafl
er dies so machen miisse und jenes so; und durch derartige Vergleiche
verschiedener Stadien eines Werkes konnen wir erkennen, in welcher
Richtung dies sein kiinstlerisches Empfinden sich bewegte.
Formale Komposition. Wir haben mehrfach das Wachsen und
Reifen einer Komposition begleitet. Ein solcher Verlauf, das allmahliche
Entstehen gerade der wesentlichen formalen 'Ziige, ist die Regel und en t-
spricht dem Grad wie der Richtung seiner Phantasie. In vereinzelten
Fallen jedoch geht er umgekehrt von einer abstrakten Gesamtvorstellung
aus und fligt dann die Einzelform hinein, bei grofien Altaren namentlich,
die mit reprasentativen Figuren symmetrisch zu fiillen waren. Da ordnet
und schiebt sich nicht das Einzelne zum Ganzen zusammen, sondern das
Ganze, ein architektonischer Aufbau, ist zuerst da, klar und elegant ge-
gliedert Er macht in solchen Fallen zuerst einen Entwurf der Disposition,
des grofien Zusammenhanges. Danach erst beginnt die Einzelausstattung,
die dann freilich leicht zur Auflosung oder Verschiittung jenes architek-
tonischen Zusammenhanges fiihrt So erkennt man in dem Rosenkranzfest
noch, wie er in der ersten Skizze das dominierende Mitteldreieck hin-
gesetzt hatte; bei der monatelangen Arbeit ist dann dessen Wirkung immer
mehr beeintrachtigt worden. Von der Komposition des Allerheiligenbildes
ist uns ein friihes Stadium erhalten, in der prachtvollen Zeichnung von
Chantilly (L. 334): ein sehr feiner klarer Massenry thmus ; da Dtirer nun
aber immer neue Studien zuftigte und neues Detail hineinpfropfte, so
spiirt man in der Ausfuhrung kaum noch etwas von der ursprtinglichen
harmonischen Gesamtdisposition.
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474 Ludwig Justi:
Wie es bei dieser Art des Gestaltens zuging, sehen wir an den be-
kannten Zeichnungen von 152 1. Zuerst macht er sich die allgemeine Dis-
position klar, probiert das Format, den Aufbau, die Linien- und Massen-
verhalt$sse aus. Nun macht er grofie prachtvolle Studien zu den Kopfen
(die erhaltenen sind ja bekannt, L. 65, 289 und 326; man darf m. E. auch
noch den Kopf L. 127 hinzufiigen, zu einem der Engel). Auf einer Zeich-
nung der Sammlung Bonnat (L. 364) skizziert er dann wiederum das Ganze,
wobei er nun die Kopfstudien beriicksichtigt, ziemlich genau andeutet,
wahrend das (ibrige ganz lose hingeworfen ist — als wollte er nur einmal
sehen und sich daran freuen, wie prachtig alle die Kopfstudien zusammen
aussehen werden. Ein wei teres Blatt (Louvre, L. 324) gibt nochmals eine
Wandlung des Ganzen, und nun sind ihm jene Kopfe schon ganz gelaufig,
sie sind deutlich wieder zu erkennen, aber jetzt ebenso fliichtig ange-
deutet wie das (ibrige. Die weiteren Stadien fehlen hier, der Altar wurde
bekanntlich nicht ausgeftihrt
Jene Wiederholungen unter DUrers Werken, die wir im vorstehenden
betrachtet haben, sollten uns die Art seines Arbeitens zeigen, namentlich
aber einige bei der Ausarbeitung wirksame Ztige seines kiinsderischen
Empfindens — es gibt deren nattirlich noch etliche mehr — nachweisen
und deutlich machen: bei Einzelfiguren Formgeftihl und Proportionsideal,
Bereicherung und Verdeutlichung der Bewegung; bei Landschaften das
Auswahlen und Umformen der Details, das Unterordnen unter die Bild-
wirkung und namentlich die Raumwirkung; bei Figurenkompositionen das
Zusammenfassen sowie das Durcharbeiten nach den Prinzipien der Be-
reicherung, Unterscheidung und Tiefengliederung. Dies alles und die
ganze Art wie es dabei zuging kann man nattirlich ebenso bei dem Ver-
gleich frttherer und spaterer Werke beobachten, die unabhangig vonein-
ander entstanden. Man neigt jedoch vielfach dazu, solche Unterschiede
lieber auf Zufall und alle denkbaren aufieren Momente zurtickzufiihren,
als gerade auf den Wandel in der ktinstjfrischen Absicht, die Klarung
des kunstlerischen Empfindens. Noch grofiere Zweifel erheben sich, wenn
man bei einem einzelnen Werk aus dem kiinstlerischen Charakter den
Prozefl der Entstehung, die Absichten des Kiinstlers finden will. Bei
solchen Wiederholungen ist dagegen das Walten der kiinstlerischen Empfin-
dung nicht zu verkennen. Deshalb mttge man die so genaue Betrachtung
gerechtfertigt finden, die wir im vorstehenden jenen Werken von unter-
geordneter Bedeutung gewidmet haben — das ware gewifi Zeitverschwen-
dung, wenn es nicht als Beispiel ftir unsere Auffassung Wert gewanne:
hat man sich hier in das Wirken seines kunstlerischen Instinkts eingefiihlt,
so wird man es in anderen, wichtigeren Fallen wiederfinden, wo uns die
Spuren der Arbeit nicht gleich deutlich erhalten sind, man wird dann also
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Ober DUrers kttnstlerisches SchafFen. ^75
nicht darauf angewiesen sein, blofi nach eigenem Geschmack die kilnstlerische
Absicht herauszusuchen.
Wenn man der Konzeption in DUrers Werken nachspiirt, wie wir es
im ersten Teil unserer AusfUhrungen anregten, wenn man dann die Durch-
arbeitung, die formenden Prinzipien, beobachtet, so werden solche Studien —
durch den Reichtum des erhaltenen Materials begiinstigt — das Nach-
erleben seines klinstlerischen Schaffens und damit das Hineinflihlen in
seine Schopfungen wesentlich fordern.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik im Cbergang
von der karolingischen zur ottonischen Zeit.
Von Georg Swarzenski.
(Schlufl.)
Wir gehen nun zur Betrachtung der figtirlichen Malerei tiber und
haben hier mit eineni Thema zu beginnen, das die mittelalterliche
Forschung schon ofters interessiert hat: die Beziehungen der gesicherten
ottonischen Handschriften der Reichenau (Eburnantgruppe) zu gewissen
karolingischen Arbeiten, die stilistisch und technisch abhangig sind von
den Prachterzeugnissen derselben karolingischen, westfrankischen Schule.
wie jene ottonischen Arbeiten. Zunachst ist hierbei hervorzuheben, dafi
die feingliedrigen Gestalten dieser franzosischen Hauptschule mit ihrer
merkwiirdigen Mischung von Leidenschaftlichkeit und Zartheit, mit ihrer
tibertriebenen, willktirlichen aber stets schwungvollen Bewegung, keinesfalls
in einem direkten Schulzusammenhang stehen mit den karolingischen
deutschen Arbeiten, die sich ais Vorlaufer der ottonisch-reichenauer Malerei
erweisen. So stark die Beeinflussung in Stil und Technik ist, kann doch
heut niemand mehr an eine und dieselbe Schule denken. — Unmoglich
ist es auch, bei dem gegenwartigen Stand der Dinge zu entscheiden, ob
die Beeinflussung nur durch die vorbildliche Kraft einer oder vielmehr
mehrerer Arbeiten der Hauptschule erfolgte oder durch pers6nliche Be-
ziehungen: wandernde Ktinstler etc.
Ganz anders liegt der Fall, wenn wir nun diese deutschen, von
der franzosischen Hauptschule beeinflufiten, karolingischen Arbeiten mit
den ottonischen Arbeiten der Reichenau vergleichen. Hier sind die
Zusammenhange so enge und feine, dafi es ftir mich gar keinem Zweifel
unterliegen kann, dafi wir uns innerhalb einer und derselben Schule
befinden, und die geringen Differenzen nur als zeitliche und manuelle
aufzufassen haben. Die Entstehung dieser Handschriften ist also auf
Grund der lokalisierten jtingeren Arbeiten nach Reichenau zu verlegen,
und wenn man sich die Reichenauer Schule der karolingischen Zeit
vorstellen will — dafi sie in dieser Zeit bestand, weifi man aus den
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Georg Swarzenski: Reichenauer Malerei unci Ornamentik. 477
Schriftquellen — , hat man in erster Linie an diese buntfarbigen Ada-
Nachahmungen mit ihrer etwas ungelenken, gespreizten Grazie zu denken.
Trotzdem hat Haseloff, als der letzte, kritische Bearbeiter dieser Dinge,
den Schulzusammenhang zwar nicht bestritten, aber ihn doch nur — in
Fragesatzen — als moglich hingestellt. Er tat dies entschieden nur
wegen der Verschiedenheit der ornamental en Typen, die in der Tat
dazu notigen, die Entstehung der einzelnen, hier in Betracht kommenden
Denkmaler zeitlich erstaunlich weit auseinanderzuriicken. Aber, unabhangig
yon den Malereien, sind die meisten dieser Ornamenttypen ganz direkt
als reichenauisch zu erweisen, sodafi die Verschiedenheiten nur zeitliche
Entwicklungsstufen einer und derselben Schule bedeuten. Andererseits ist,
unabhangig von dem Ornament, die Verwandtschaft der Malereien dieser
Handschriften unter sich, gerade in den Ntiancen, die sie von der Haupt-
schule unterscheiden, eine so enge, dafi, mehr als die Schulgemeinschaft,
die Langlebigkeit dieser Tradition durch mehrere aufeinanderfolgende
Entwicklungsstufen hindurch einer Erorterung bedarf.
Es erscheint zunachst gewifi wunderlich und bedenklich, dafi die
»bedeutendste« deutsche Malschule der Zeit ein Jahrhundert lang (oder
noch etwas mehr!) einen bestimmten formalen und technischen Typus
in einer dermafien fast geistlosen Art mechanisch handhabte, sodafi man
hier eher die Erfullung eines bindenden Geliibdes als einer kiinstlerischen
Absicht vor sich zu sehen meint! Aber ahnliches findet man in alien
Epochen, in denen der Stilcharakter so stark, wie hier, durch das rezept-
mafiige der manuellen Technik bestimmt wird, und in Echternach und
in der Liuthargruppe beobachten wir die gleiche Regungslosigkeit der
Tradition durch mehrere Generationen hindurch. Auch ist es noch gar-
nicht ausgemacht, dafi mit dieser einen Richtung die ganze Tatigkeit
und Auffassungsweise der Schule erschopft ist; vielmehr werden wir bald
noch anders geartete kiinstlerische Bestrebungen in Reichenau kennen
lernen, die neben jener Tradition einhergehen und zu dieser addiert erst
das richtige Bild der Schule ergeben. Es durfte sich also auch ftir
Reichenau empfehlen, das sachliche Verhaltnis moglichst zu personifizieren,
nicht natlirlich ad maiorem gloriam eines substituierten Anonymus,
sondern weil es, nach Lage der Dinge, am naturlichsten scheint, die
erhaltenen, eng verwandten Arbeiten dieser einen Tradition auf einen
begrenzten Kreis von Personlichkeiten, die etwa in dem Verhaltnis von
Lehrer, Schtiler und Enkelschuler zueinander stehen und konservativ diese
eine Tradition bewahren, zu verteilen.64) Wir sehen in diesen Arbeiten
**) Bei der Beurteilung des Verhaltnisses zwischen Egbertkodex und Liuthargruppe
wendet V5ge (Repert. XXIV, S. 457) gegen eine Erklarung durch die Verschiedenheit
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47 g Georg Swarzenski:
nur die manuellen unci handwerksmafligen Qualitaten und denken uns
ihre Entstehung mtiglich ohne jede Aufbietung einer spezifisch kunstle-
rischen Begabung. Aber die Selektion, die der Lauf der Jahrhunderte
audi hier besorgte und die Wertschatzung, die derartigen Arbeiten, wie
das oft nachweisbar ist, bereits im frtihen Mittelalter und bei den Zeit-
genossen zuteil wurde, zeigen, dafi es sich doch um das Beste hand el t,
was nur die Wenigsten, Begabtesten — Klinstler! — zu leisten vermochten.
Selbst die Augia dives wird derer nicht eine unabsehbare Zahl gehabt
haben und die wenigen, die es konnten, werden wahrend ihres Lebens
mehr als einmal zum Pinsel gegriffen haben. Denn keineswegs sollte
der primitive Eindruck, den diese ktinstierische Betatigung auf uns macht,
Veranlassung geben, diese Arbeiten gleichsam als neutrale Erzeugnisse
aufzufassen, die aus dem Schofie der Schule wie ein natiirliches Produkt
aufgehen. Schulproduktion, im Sinne von — etwa quattrocentistischer —
Werkstattsproduktion, scheint hier durchaus nicht vorzuliegen, — gerade
weil die Organe fur die ktinstierische Aufnahme sehr schwache waren
und weil das geringe asthetische Niveau jede ktinstierische Betatigung,
auch wenn diese nicht viel mehr als eine Handfertigkeit bedeutet, als
etwas hochst Exzeptionelles erscheinen lafit Daher denn auch der tolle
Applomb, mit dem das frtihe Mittelalter die Taten seiner »Ktinstler«
feiert, wie denn tiberhaupt die verwunderliche Starrheit dieser einen
Tradition gerade in dieser gr oflen, vielgestaltigen Schule mehr ftir die
Bedeutung einer einzelnen Einflufisphare spricht, als fur eine niveau-
mafiige Auffassung. Dies gilt um so mehr, als wir neben dieser einen
Tradition noch eine Reihe anders gearteter Krafte nachweisen werden.
Ftir die Einschatzung dieser ganzen Kunsttatigkeit ist aber zu beachten,
dafi gerade innerhalb dieser Tradition als das wirklich treibende, lebens-
volle Element sich die ornamentale Entwicklung darstellt; dies ist kein
der beteiligten »Individualitaten« ein, dafl man die Eigenttlmlichkeiten einer solchen —
im gegebenen Falle — in mehreren, »sicher nicht von einer Hand stammendenc
Arbeken findet. Aber teilt sich nicht in gewissem Grade die Individualist des Meisters
den Schlilem und der Werkstatt in einer oft genug kaum zu entr&tselnden Weise mit?
Gilt dies nicht noch fur viel spatere, unendlich reichere Kunstepochen, die man sich
strauben mftchte, mit jener Friihzeit zusammenzustellen ? Gilt dies nicht sogar noch ftir
die an Wendungen und Individualit&ten reichste Zeit des Quattrocento? Nur wird in
unserer Frtihzeit aus begreif lichen GrUnden das Temperament und die Seele fast gar-
ments, die »Faktur« fast alles sagen. Und da man in dieser Zeit weder etwas von
einem Verrocchio, noch von einem Botticini oder Francesco di Simone wcifi, ist auch
die Einfuhrung von »Kollektivpersbnlichkeiten« kaum entbehrlich. Bei dem Mafl des
Pers5nlichen, um das es sich in dieser primitiven Kunst handelt, bedeutet das weniger
einen Widerspruch, als cine oft notwendige Stilisierung der Darstellung.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik. 470
modernes Geschmacksurteil, sondern durch die obigen Ausfiihrungen wohl
erwiesen.
So lassen allgemeinere Erwagungen in der Tat die enge stilistische
Verwandtschaft der figiirlichen Malereien dieser Gruppe, die z. T. noch
in die Mitte das 9. Jahrhunderts gehoren, mit solchen aus hoch-ottonischer
Zeit wohl begreifen. Aber, wie man sich auch hiermit abfinden mag, —
an der Tatsache der Schulgemeinschaft ist nicht zu zweifeln. Denn auch
unabhangig von dieser stilistischen Verwandtschaft der karolingischen
Arbeiten mit den fiir Reichenau gesicherten ottonischen Handschriften
lafit sich der Reichenauer Ursprung jener ersteren beweisen.
Eine Zusammenstellung der hier in Betracht kommenden friihen
Handschriften hat bereits Haseloff gegeben. Zuzuweisen sind der Gruppe
noch ein seiner Provenienz wegen sehr wichtiges Einzelblatt mit der
Darstellung der vier Evangelisten in St. Gallen65) und eine Evangelien-
handschrift in Maihingen.66) Nicht mit gleicher Sicherheit, aber doch
mit gTofiter Wahrscheinlichkeit mochte ich auch die Bilder der Kirchen-
vater im Egino-Kodex in Berlin67) fiir die Schule in Anspruch nehmen,
deren Verwandtschaft mit den iibrigen Arbeiten der Gruppe bereits an-
erkannt ist und dessen Geschichte ja auch auf Reichenau weist. Der
Kodex wiirde das friiheste Zeugnis dieser Richtung auf Reichenau bieten
und das einzig erhaltene Beispiel darstellen fiir die reiche ornamentale
Ausgestaltung der Bildform in der Art der franzosischen »Hauptschule«.
In dieser Beziehung ergibt er in der Behandlung des Rahmenwerks eine
Parallele zu dem einzig erhaltenen Beispiel einer entsprechenden Beein-
flussung der Initialzierseiten, wie sie der Mathaeusanfang des neu auf-
gefundenen ersten Bandes68) zum Lorscher Evangelienbuch der Vaticana
bietet. Eine genauere Datierung und Untersuchung dieser doppelbandigen
Prachthandschrift steht leider noch aus, und der intensive Anschlufi der
Inirialornamentik an ein Werk der vorbildlichen, reicheren »Hauptschule«
spricht an sich, nach dem, was wir z. B. in Regensburg beobachten, weder
fiir eine besonders fruhe Datierung, noch gar fiir eine Verlegung in diese
Schule selbst Daft der Kodex keinesfalls, wie das frliher als moglich
dargestellt wurde, der »Hauptschule« angehort, sondern eben in den Kreis
unserer Reichenauer »Nachahmungen«, beweisen alle Eigentlimlichkeiten
des Figurenstils, besonders deutlich die geradlinige, trockene Zeichnung
in der Gewandmodellierung. Dafi der Lorscher Kodex, gerade auch
66) Stiftsbibl. Kod. 20.
66) Kod. I, 2, Fol. 2. S. Swarzenski, a. a. O. S. 7.
67) Kod. Phill. 1676. S. Haseloff, S. 130; Swarzenski. S. 16, Anm. 13.
68) Haseloff, a. a. O. S. 120.
Repertorium far Kanstwissenschaft, XXVI. 33
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480 Georg Swarzenski:
hierin, besonders eng verwandt ist mit der aus dem Bamberger Dom
stammenden Cim. 56 in Miinchen,69) ist bekannt. Aber gerade in dieser
Handschrift tritt ein ornamentaler Typus auf, der dieselbe aufs engste
verbindet mit einer anderen Arbeit, deren ktinstlerischer Charakter
wiederum auf gesicherte Reichenauer Arbeiten fiihrt, sodafl wir, von
diesen riickschliefiend, auch den Reichenauer Ursprung der Miinchener
Cimelie, unabhangig von ihrer stilistischen Verwandtschaft mit den otto-
nischen Arbeiten der Schule, als gesichert ansehen diirfen.
Vorher seien — als Indizienbeweise ! — noch zwei rohe Zeichnungen
des friihen 9. Jahrhunderts erwahnt, die beide sicher reichenauisch sind
und beide deutlich Typen unseres Kreises zeigen. Die eine, den
schreibenden Hieronymiis darstellend, befindet sich in einem liber augiae
maioris in Karlsruhe. 70) In diesem Blatt lafit das vollige Unvermogen
des Zeichners allerdings nichts von den eigentlich stilistischen und
technischen Eigentumlichkeiten der Richtung zum Ausdruck kommen;
aber der ganze Charakter und die auffalligsten Details der Komposition
sind offensichtlich aus der »Adatradition« entnommen. Die zweite
Zeichnung, die den Apostel Paulus darstellt, findet sich in einer Stutt-
garter Epistelhandschrift.71) So mangelhaft auch hier die Ausfuhrung ist,
erkennt man doch deutlich in dem Kopftypus, in der Gewandbehandlung
und selbst in den Handen die direkte Zugehorigkeit des Blattes zu unserer
Schule. Die Reichenauer Provenienz oder Entstehung dieser Stuttgarter
Handschrift ist allerdings durch aufiere Merkmale nicht gesichert. Aber
die Schrift gibt eines der schonsten Beispiele eines ausgesprochenen
Typus, der, wie mir scheint, im Duktus von touronischer Halbunziale
angeregt, in dieser Vollendung und Ausfuhrung mir nur in Reichenau
und St. Gallen begegnet ist. Da in der St. Gallener Schule nur ein sehr
indirekter Einflufi der Tradition der Adagruppe (und erst spater) zu
konstatieren ist,72) kommt die Reichenauer Entstehung allein in Betracht.
Den besten Beweis ftir die Reichenauer Entstehung unserer Hand-
schriftenfamilie wird allerdings stets die stilistische Verwandtschaft mit
den fur Reichenau gesicherten jiingeren ottonischen Arbeiten ergeben.
<») Voge, Repert. f. Kw. XIX, 1896, S. 128.
70) Cod. Aug. 212, Bl. 2 v. Photographie danke ich Haseloff.
71) Hofbibl. Cod. Bibl. 54.
72) Die auf der karolingischen Tradition beruhende Stilentwicklung in St. Gallen
bis zum spaten 10. Jahrhundert ergeben die Bilder folgender IIsn.-Reihe: Psalt. aureum
— Berner Prudentius — IV. Evang. in Maria-Einsiedeln — Hartkerantifonar. Von dem
Evangelienbuch in Einsiedeln an beobachtet man ein Einlenken in die Formensprache
der »Adatradition«, und man kann die jiingeren Arbeiten dieser Tradition als Parallel-
erscheinung auffassen zu der auf der Adatradition beruhenden Richtung in Reichenau.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik. ^8l
Aber da man hier anderer Meinung sein konnte, lag mir daran, auch
durch andere Erwagungen ihren Reichenauer Ursprung mit einiger Klarheit
zu erweisen.
So diirfen wir von einer kontinuierenden Reichenauer Schule vom
friihen 9. Jahrhundert an in einem ganz konkreten Sinne reden, und es
ist bekannt, wie sehr hiermit die Nachrichten der Schriftquellen, die
Tituli Walahfrid Strabos und die Tatigkeit Reichenauer Maler in St. Gallen
unter Grimalt im Einklang stehen. — Aber wir kennen erst eine Seite der
Schultatigkeit: es sind diejenigen Arbeiten, die bisher allein als in diesen
Zusammenhang gehorig erkannt wurden, — Arbeiten, die die Geltung
einer bestimmten Tradition in Stil und Technik vom 9. bis in das hohe
10. Jahrhundert hinein belegen. Ich nenne die Trager dieser Richtung
im Unterschied zu den bald zu betrachtenden, anderen Stromungen der
Schule die Konservativen.
Am meisten rechtfertigen diese Bezeichnung der Gerhokodex und
das Petershausener Sakramentar, die so eng verwandt mit den karo-
lingischen Arbeiten sind, dafi man sie mit diesen beinahe gleichzeitig
setzen mbchten, wenn Initialornamentik und Schrift dies nicht unmog-
lich machten. Andere Handschriften der Richtung zeigen mehr vom
Zeitcharakter; z. fi. das zwar langst bekannte, aber nur von wenigen im
Original betrachtete Sakramentar von St. Blasien in St. Paul i. K. Charakte-
ristisch ist hier eine schwerfallige, ornamentalc Gewandmodellierung mit
dem auffallenden Hervortreten geradliniger leiter- oder sparrenartiger
Motive in der Gewandgliederung. Dies fiihrt die Handschrift besonders
eng zusammen mit einem noch unbeachteten Denkmal dieses Kunst-
kreises: einer Isidorhandschrift im Stift Maria-Einsiedeln 73) in der Schweiz,
deren Widmungsbild die seltene Darstellung des thronenden Bischof
Braulio mit dem schreibenden Isidor zeigt. In enger Beziehung zu dem
alteren Sakramentar in St. Paul stehen besonders in der Bildung der
Kopfe und der Behandlung der Augen die jlingsten Arbeiten dieser
* konservativen « Richtung: der Egbertpsalter in Cividale und das
Evangeliar von Poussay in Paris. Aber in diesen beiden Arbeiten treten
besondere Stileigenttimlichkeiten auf : der geblahte Eindruck der Gewand-
massen infolge einer prinzipiell rundztigigen Faltengebung, die feinen
Wellenlinien der Gewandrander, eine Verkriimmung des Nackens, die
Das Hartkerantifonar mit seinen untersetzten Figuren und seiner geschwollenen Gewand-
behandlung bietet die engste, auch kompositionelle und ikonographisehe, Analogie zura
Evangelistar von Poussay. Wie in Reichenau die Liuthargruppe und die Richtung
des Egbertkod. , stellt sich dieser Tradition in St. Gallen die Gotescalcgruppe (s. o.)
gegentiber.
73) Cod. 167.
33*
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.482 Georg Swarzenski:
eine besondere Art der Kopfhaltung und des Blickes nach sich zieht.
Diese Dinge konnen, so deutlich sie zum Teil auf die gleiche Urquelle
hinweisen, nicht allein aus der eben betrachteten Tradition abgeleitet
werden; denn sie fehlen gerade in den altesten, soeben ftir Reichenau
in Anspruch genommenen Arbeiten dieser Richtung, wie z. B. auch noch
ini Gerhokodex und seinen engeren Verwandten. Sie sind vielmehr
entweder auf einen erneuten, direkten Anschlufi an das der Hauptschule
angehorige und somit noch immer lebendige Vorbild zurlickzufiihren,
oder aber auf den Einflufi einer anderen kiinstlerischen Stromung der
Schule zu setzen, die jetzt zunachst zu betrachten ist. Die Trager dieser
Stromung bezeichne ich gegenuber dem konservativen Atelier als die
Manieristen.
Die Malereien der folgenden drei Handschriften ergeben uns den
Ausgangspunkt und die wichtigsten Etappen dieser neuen Richtung:
1. Miinchen, Hof- und Staatsbibl. Clm. 14345. Epist. Pauli, aus
Regensburg. 74)
2. Daselbst, Clin. 11 019, c. p. 32. Evang. Luc. et Johs. Aus
Passau. (S. o. S. 399).
3. Berlin, Kon. Bibl. Cod. theol. lat. fol. 1. Sog. Codex Witte-
chindeus. (S. o. S. 401.)
1. Die erste Handschrift enthalt die Briefe Pauli mit kleinen
Initialen und drei ganzseitigen, merkwiirdigen Bildern der Predigt Pauli,
der Bekehrung Pauli und der Steinigung des hi. Stefan. Diese Bilder
erschlieflen neue Wege in dem Entwicklungsgang der Schule, sodafl zu-
nachst ihre Entstehung in dieser Schule zu beweisen ist. Wir gewinnen
diesen Beweis zunachst aus der Betrachtung der Schrift und Initial-
ornamentik, die die Handschrift unmittelbar neben die aus Bamberg
stammende Cimelie 56 in Miinchen stellen, die als eine jener von uns
eben fiir Reichenau reklamierten Ada-Nachahmungen nihmlichst bekannt
ist. Beide Handschriften konnen noch um die Mitte des 9. Jahrhunderts
entstanden sein. Auch stilistisch stehen die Bilder der Epistelhandschrift
dem Munchener Evangelienbuch des Bamberger Domschatzes so nahe,
dafi an der Entstehung in der gleichen Schule kein Zweifel sein kann.
Bereits die Umrahmung von zweien der drei Bilder durch eine Saulen-
bogenstellung mit den charakteristischen »Akroterienstauden« fordert den
Vergieich, zugleich mit dem Lorscher Evangelienbuch der Vaticana,
heraus. Typen und Bewegungsmotive sind die gleichen und in alien
Arbeiten der » konservativen « Richtung bis zum Gerhokodex zu belegen.
Der Paulustypus selbst stimmt vollig iiberein mit der primitiven Zeichnung
7*) S. Swarzenski, a. a. O. S. 14. Photogr. bei Hofphotogr. Teuffel in Miinchen.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik. 483
des Apostels in den genannten Stuttgarter Briefen. Vor allem ist aber
die Palette geradezu identisch mit der Bamberger Cimelie in MUnchen.
Man findet das gleiche charakteristische stumpfe, dunkle Griin, das
blauliche, schiefrige Grau, das schwefelfarbige Gelb, und aus diesen
Tonen grell heraustretend, ein leuchtendes, helles Ziegelrot. Auch die
Technik, wie sie sich in der Behandlung des Haares und des Nackten
in den Gesichtern, den Fuflen und den Hiinden mit den oft entblofiten
Unterarmen zeigt, steht vollig auf dem Boden der Fruhwerke des
konservativen Ateliers. Wenn wir trotzdem diese drei Bilder, die zu-
gleich die einzigen selbstandigen dramatisch bewegten, szenischen Dar-
stellungen der karolingischen Zeit innerhalb dieser Tradition geben, an die
Spitze einer besonderen stilistischen Richtung stellen, so hat dies seinen
Gnind in der abweichenden, neue Wege weisenden Gewandmodellierung.
Das Charakteristische dieses Gewandstils liegt in einer manierierten
Haufung der Motive. Die in feineren Linien eingezeichneten Falten
verlieren ihre primitive, Flachen gliedernde und absetzende Funktion;
sie ergeben bald ein ornamentales Gewirr auf der Gewandflache, bald
zersetzen sie den flussigen Charakter der Gewandmassen und geben ihnen
den Eindruck eines geblahten, aufgetriebenen Abstehens. Gleichzeitig
werden die in der konservativen Gruppe, im Unterschied zu den fran-
zosischen Vorbildern, bis zur Klimmerlichkeit und Schwerfalligkeit verein-
fachten Konturen bewegt, gekrauselt, verschnorkelt. Ail diese Dinge sind
mit Leichtigkeit aus derselben franzosischen Hauptschule abzuleiten, von
deren Einflufi das konservative Atelier zehrte. Aber es ist hier auf ge-
wisse Seiten des Vorbildes reagiert worden, die die andere Richtung in
ihren Imitationen vollig unter den Tisch fallen liefi. — Fur die frtiher
bemerkten Beziehungen der Reichenauer Schule zu St. Gallen ist es
wichtig, dafi sich die freie Kopie eines Bildes aus diesem Pauluszyklus
von einer St. Gallischen Hand in einem Kodex der Stiftsbibliothek 75)
befindet.
2. Die zweite Handschrift dieser Entwicklungsreihe ist uns bereits
als ein ornamentales Meisterwerk der »Ubergangsgruppe« bekannt. Sie
ist also die Arbeit einer jtingeren, etwa am Anfang des 10. Jahrhunderts
tarigen Ktinstlergeneration, und ihre Reichenauer Entstehung ist gesichert.
Die beiden Bilder der Evangelisten Lukas und Johannes, die sie enthalt,
zeigen in ihrer stilistischen Eigenttimlichkeit eine bestimmte Weiterbildung
dessen, was in den Bildern der Epistelhandschrift zuerst auftrat. — Die
Motive der Komposition lassen zunachst deutlich den Anschlufl an die
«*) Cod. 64, pag. 12. (Erwahnt von Rahn, a. a. O. p. 12). Der Kopftypus steht
am nichsten dem Evangelienbuch in Einsiedeln und dem Bemer Prudentius.
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484 Georg Swarzenski:
bekannte, auf den franzosischen Vorbildern fuflende Reichenauer Tradition
erkennen. Aber wie diese stark bewegten Gestalten klar und sicher
zusaminengehalten werden, und die feinere, besser verstandene Art, wie
Hals, Hande, Fiifle und Gelenke ansetzen und durchgebildet sind, lafit
diese Arbeiten als das Beste erscheinen, was in dieser Richtung bisher
geleistet wurde. Dabei erkennt man in den Bewegungsmotiven und
Einzelformen, und zugleich in der Technik vielfach die deutliche Zu-
sainmengehorigkeit ink allem, was wir bisher als Reichenauisch kennen
gelernt haben. Besonders ersichtlich ist dies an der Behandlung der
Augen. Die Stilisierung der Bartkrause durch aneinandergereihte Ringel-
lockchen, wie sie Johannes zeigt, findet sich ahnlich in St. Gallen,76)
und blieb dann in Reichenau lange herrschend, wie noch der Kruzifixus
des Sankt Blasianer Sakramentars und einzelne Heiligenfiguren im Egbert-
psalter beweisen. Zu beachten ist, dafi trotz der engen Verwandtschaft
der Technik mit den Arbeiten des konservativen Ateliers zunachst schon
in den Kopfen eine mehr rnalerische Schulung der Hand zu erkennen
ist. Das Inkarnat ist ein sehr zarter, warmer Creme-Rosa-Ton, der in
ausgedehnter Weise mit Weifl gebrochen und gehoht wird. Auch die
Haarbehandlung ist nicht mehr zeichnerisch wie in den Paulusbildern
und den Arbeiten der Konservativen, sondern breit und deckend. Vor
allem zeigt sich in der Wahl der Farben eine bestimmte rnalerische
Richtung, die nichts zu tun hat mit der bunten Zusammenstellung der
Lokalfarben in den anderen Arbeiten. Matte, verwischte Tone, die sich
harmonisch zusammenschliefien, herrschen durchaus vor: schieferfarbene
Tone, dunkles Blau, Violettrosa, Grauweifi. Es sind Farben, die die
Palette der spateren ottonischen »Renaissancehandschriften«, die sich so
unvermittelt und unerklart neben die Spatlinge des konservativen Ateliers
in der Zeit Egberts von Trier stellen, bedeutsam vorbereiten. Etwas
Ahnliches darf man in den Kopftypen beobachten. Eine starkere Be-
tonung des Untergesichts lafit die Kopfform besonders bei Lukas mehr
quadratisch erscheinen und verleiht gleichzeitig mit einer kraftigeren
Ausbildung der Nase den jugendlichen Kopfen ein mannlicheres Aussehen,
als es die puerilen Gesichter der Adatradition haben. Dafi diese Arbeit
aber gerade an die Paulusbilder anzuschliefien ist, beweist ihr Gewand-
stil. Es gilt hier alles, was oben zur Charakteristik dieser Bilder gesagt
wurde. Nur ist der Manierismus ein noch grofierer, die Bewegung des
Linienspiels starker, fliissiger, rascher. Die Gewandrander sind nicht
mehr fein gekrauselte Wellenlinien, sondern fallen in einem kraftigen
Rythmus serpentincnartig herab. In den Gewandrandern ist eine scharfere
76) Z. B. im Folchartpsalter.
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Reichenauer Malerei iind Ornamentik. a&c
Gliederung, als in den Paulusbildern erstrebt, und das Zusammenschliefien
der Falten77) zu augenartigen Ovalen nimmt grofieren Umfang an, als
dort Aber all dies ist eine Weiterbildung dessen, was in der Paulus-
handschrift vorlag. — Nur in der Ornamentik hat die Miinchener
Evangelienhandschrift keinerlei Beziehung mehr zu der Epistelhandschrift
(und zur Adatradition); sie ist hierin vollkommen » modern «, — ein
Hauptwerk der aus den St. Gallischen Formen der Grimaltzeit herausge-
wachsenen, neuen Gold-Silber-Ornamentik. In dieser Hinsicht ist zwischen
diese beiden Arbeiten eine Handschrift in Wien78) einzuschieben, die aller-
dings nur Ornamente enthalt, aber ftir die Entwicklungsgeschichte der
Schule so bezeichnend ist, dafi wir sie hier gerne erwahnen wollen. Die
Initialen dieser Handschrift geben namlich deutliche Typen der Grimalt-
richtung und der Ubergangsgruppe, aber gelegentlich sind Initialen dieser
Art in den charakteristischen Farben der » Adatradition « koloriert. Das
war nur in Reichenau und nur in dieser Zeit moglich!
3. Die dritte, wichtige Arbeit der manieristischen Richtung ist der
sog. Kodex Wittechindeus in Berlin. Dafi diese Handschrift in den
Kreis der deutschen Ada-Nachztigler gehort, ist bekannt, und auf Grund
der Ornamentik konnte sie oben bereits fur Reichenau in Anspruch ge-
nommen werden. Der Einflufi des karolingischen Vorbildes tritt in
dieser Handschrift freilich so stark auf. dafi es zunachst au flail ig er-
scheinen mag, wenn sie gerade an dieser Stelle in das Werk der Schule
eingereiht wird. Denn durch diesen Einflufi rtickt die Handschrift in
Technik und Farbenwahl wieder naher an das konservative Atelier heran,
und gerade von der malerischen Art der eben betrachteten Miinchener
Handschrift (2) ist sie weit entfernt. Aber ganz gewifi gehort die Hand-
schrift nicht in jene konservative Gruppe, sondern sie stellt eine ersicht-
liche Fortsetzung der zuletzt erorterten manieristischen Richtung dar.
Dies gilt zunachst wieder ftir den Gewandstil. Der Zusammenhang ist
hier ein so enger, dafi eine weitere Ausftihrung nicht von noten ist;
aber man sieht auch, dafi die Handschrift einen Fortschritt in der Ent-
wicklung darstellt. Dieser Fortschritt liegt vor allem in der Vereinfachung
und besseren Verdeutlichung der noch immer uberreichen Gewandmassen.
Die ausgeschwungenen Serpentinen der Gewandrander sind zu scharf
gegeneinander absetzenden, aber noch immer fein gekrauselten Zickzack-
linien geworden. In der inneren Gewandmodellierung ist die Linien-
fuhrung weniger flachenhaft und insofern auch weniger ornamental, als
") Fiir die Faltengebung wohl auch St. Gallencr Einflufi anzunehraen. Ein-
zcichnung der Falten in Gold und Silber!
*) Hofbibl. Cod. 1239. Epist. Pauli.
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486 Georg Swarzenski:
sie ersichtlich der Gliederung dient, — einer Gliederung, die freilich
so reich und tibermafiig ist, dafi sie ihrerseits noch immer als ornamental
empfunden wird. Die bewufiten Augen- und Schneckenbildungen
weisen hierbei deutlich auf zukiinftige Erscheinungen der Schule. Zu
ahnlichen Ergebnissen fiihrt eine Betrachtung der Gestaltenbildung. Ein
so energischer — plastischer — Zusammenschlufi einer so stark bewegten
Figur wie des Johannes ist in keiner Arbeit der konservativen Gruppe
zu finden; diese lafit vielmehr stets ein auch nur annahernd gleich festes
»Bewegungsgeriist« vcrmissen. So ist auch die Verwandtschaft dieses
Johannes mit dem gleichen Evangelisten der Miinchener Handschrift (2)
eine nicht nur ikonographisch-kompositionelle, sondern eine spezielle,
kUnstlerische. Einen energischen Schritt vorwarts und zugleich einen
weiteren Anschlufl an die Miinchener Evangelistenbilder erkennt man in
der Gestaltung der Kopfe. Die technische Behandlung mag hier zunachst
dariiber hinwegtauschen. Aber bei naherem Zusehen erkennt man in den
Einzelformen und dem hierdurch erreichten Ausclruck, dafi der Abstand
dieser Kopfe von den karolingischen Vorbildern der Schule und den
Arbeiten der Konservativen ein grofier ist. In dem bartlosen Kopfe des
Markus findet man bereits ganz deutlich etwas von der verdriefilich
energischen Gedrungenheit, die dem breitkopfigen Typus der spateren
Liuthargruppe eigen ist. Diese Wandlung, die sich bereits in der
Miinchener Handschrift (2) vorbereitete, beruht vor allem auf einer Ver-
ktirzung und Verbreiterung des Untergesichts.
Die Folgerungen, die aus den zuletzt betrachteten Denkmalern
gezogen wurden, mogen nicht als willkiirliche Konstruktionen betrachtet
werden, wenn auch bei dem liickenhaften Bestand des Materials manche
Lucke in der Beweisfiihrung bestehen bleibt. Einige kleinere Funde,
die bestiitigend und erweiternd hier eingieifen, werden darum von
groflerer Bedeutung.
Bereits bei der Betrachtung der Ornamentik konnte ich auf das
altere Sakramentarfragment hinweisen, welches dem Leipziger Evangelistar
vorgeheftet ist. Es stand in dieser Hinsicht dem Kodex Wittechindeus
besonders nahe. Dieses Sakramentarfragment enthalt auch zwei Bilder:
einen meditierenden Gregor mit der Taube und eine Kreuzigung mit
folgendem Titulus:
Annuat hoc agnus mundi pro peste peremtus
fulgida steila maris pro cunctis posce misellis
et iunge preces cum virgine virgo Johannes
in cruce Christe tua confige nocentia cuncta.79)
T9) Man bcachtc die enge Verwandtschaft dieses Titulus mit denen im Wormscr
Missale (Eburnantgruppc ; Abdruck bei Delisle a. a. O. 175) und dem Gotescalc-Sakra-
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Reichenauer Malerei und Ornamentik. 487
Die Einreihung dieser beiden eigenartigen Blatter in den Entwicklungs-
gang der Schule ist auf Grund der bisherigen Ausfiihrungen leicht rnog-
lich. Andererseits sind gerade diese Blatter, da fur sie auch allerhand
aufiere Griinde eine Entstehung in Reichenau als sicher erscheinen lassen,
geeignet, die obigen Ausfiihrungen zu bestatigen. Betrachtet man zu-
nachst die Kreuzigung, so ist der Zusammenhang mit unserem Manieristen-
atelier sofort zu erkennen. Die fein gekrauselten Zickzacklinien der Ge-
wandrander sind aufs engste verwandt, sogar fast identisch mit dem
Wittechindeus, wofiir besonders Matthaeus und Johannes zu vergleichen
sind. Das engere Anliegen der Gewander am Korper, die hierdurch
ermoglichte bessere Durchfiihrung der Korperbewegung und der Eindruck
hoherer Schlankheit stehen dagegen den Miinchener Bildern des Lukas
und Johannes (2) naher als dem Berliner Kodex. Das gleiche gilt fur die
Kopfe, wobei allerdings zu beachten ist, dafi im Wittechindeus der tech-
nische Anschlufl an die Adatradition gerade in dieser Hinsicht vieles als
unzeitgemafi erscheinen liiflt. Dagegen steht der Kopf des Gregor dem
des Markus im Wittechindeus sehr nahe, und man beobachtet in ihm,
noch starker als in diesem, jene eigentiimliche Neigung und den hierdurch
verursachten, merkwtirdigen, schweren, forschenden Blick, den noch die
Gestalten der Liuthargruppe im 1 1. Jahrhundert haben. Und wie der
Typus des Kopfes bedeutet auch der Gewandstil des Gregorbildes in
seiner Vereinfachung einen deutlichen Ubergang zu dem Stile der
ottonischen Renaissance-Arbeiten. Die manieristische Bewegung zittert
nur noch leise in den hangenden G e wand ran dern nach, wahrend die Art
der inneren Modellierung der Gewandmassen dem Wittechindeus (vgl.
bes. Lukas!) wieder ganz nahe steht. Die Haarbehandlung stimmt in
beiden Bildern der Handschrift mit den karolingischen Arbeiten der
Adatradition und dem Miinchener Pauluszyklus iiberein. Das Gregorbild
bietet iiberdies das erste Beispiel des stoffartig gemusterten Purpur-
grundes mit geometrischer Musterung, was in dieser Zeit allein schon
seine Reichenauer Entstehung beweisen konnte.80)
Ein weiteres Blatt, das an diese beiden wichtigen Bilder anzu-
mentar (Cod. st. gall. 338. Delisle, S. 264). — Die Darstellung des zelebrierenden
Pricsters ncben dem Altar, die mehrfach im Sakr. v. St. Paul vorkommt, findet sich
fast identisch in Cod. St. gall. 342 (Gotescalcgruppe s. o.) ; der merkwtirdige symbolische
Gedankenkreis der Darstellungen und Tituli dieser Hs. auf pag. 281 ist zu vgl. mit dem
g-enannten Sakr. in Donaueschingen (Delisle, S. 159).
80) Bei dem isolierten Stand fast aller Denkmaler, die ich hier zusammenstelle,
sei betont, dafi mit dem Stil der unteren Gewandpartien des Gregorbildes eine sitzende
Sapientia (?) zusammengeht, die sich in einem Initial (Bl. 46) des Cod. 677 in Wien findet,
der oben auf Grund der Initialornamentik flir Reichenau in Anspruch genommen wurde.
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488 Georg Swarzenski:
schlieflen ist, findet sich in dem erwahnten schonen Pariser Evangelistar
(Ms. lat 9453) mit der »St. Gallischen« Gold-Silber-Ornamentik. Auf ein
leeres Blatt am Schlusse dieser Handschrift (Bl. 125) ist — nachtraglich
— eine fllichtige Griffelskizze gesetzt worden mit der, scheinbar aus
einem Elfenbeinrelief entnommenen' Darstellung eines Kruzifixus mit der
Ecclesia: Eine Hand von grofiter Begabung hat hier ein ganz unver-
gleichliches, fliichtiges Dokument hinterlassen. Die Sicherheit der Zeich-
nung, der schwungvolle Reichtum in der Bewegung, die ausdrucksvolle
Kraft der Kopfe lassen diese Komposition mir als etwas ganz Aufler-
ordentliches in dieser Zeit erscheinen. — Dieses Blatt ist entschieden an
die Bilder des Leipziger Sakramentarfragmentes anzureihen und somit
als ein Auslaufer unserer manieristischen Richtung zu betrachten. Die
Gewandung der Ecclesia steht in Wurf und Modellierung der Maria und dem
Johannes im Leipziger Kreuzigungsbilde aufierordentlich nahe, und der
Typus Christi erinnert in den charakteristischen Zligen der Linien-
fuhrung an den Gregor derselben Handschrift. Aber gleichzeitig zeigt
der Charakter des ganzen Blattes, dafi wir mit ihm dicht an die neuen
Bestrebungen der ottonischen Zeit herangefiihrt worden sind.
Als das erste Zeugnis, in dem diese neue spat-ottonische Richtung
auf Reichenau »fertig« vorliegt, mochte ich das schone Einzelblatt mit
der Verktindigung, das sich in Wtirzburg findet,81) in Anspruch nehmen.
HaselofT, der dieses Blatt jetzt behandelt hat, stellt es mit den hervor-
ragenden Arbeiten zusammen, die er um den »Meister des Registrum
Gregorii« gruppiert und mit Recht fiir Trier in Anspruch nimmt. Die
Verwandtschaft des Blattes mit diesen Arbeiten ist allerdings eine grofle;
aber sie beweist mir nur, dafi diese Trierer Gruppe von Reichenau ab-
hangig, gleichsam von Reichenau nach Trier verpflanzt ist, — eine Tat-
sache, die die Initialornamentik dieser Handschriften mit Sicherheit er-
gibt.82) Die Verwandtschaft gilt vor allem flir den Gewandstil. Ab-
weichend sind aber die Farbengebung, die Proportioned die Hande und
vor allem die Typen. Nach alledem scheint mir nicht nur die Ent-
stehung des Blattes in Reichenau anzunehmen zu sein, sondern ich glaube
sogar, in dem Blatte die gleiche Hand wie in jener Pariser Skizze des
Kruzifixus mit der Ecclesia sehen zu diirfen. Man vergleiche die Linien-
flihrung des Mantels der Maria in der Verktindigung mit dem Gewande
des Crucifixus togatus in Paris und beach te vor allem die ftir mich aus-
schlaggebende Verwandtschaft der von der Trierer Gruppe recht ab-
81) Univ. Bibl. Cod. theol. IV°. 4. S. Haseloff, S. 80.
82) Besonders die Behandlung des Initialstamms ist in dieser Gruppe eng ver-
wandt der Obergangsgruppe.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik. 480
weichenden Kopftypen in dem Wtirzburger Bilde mit dem Kopfe des
Gekreuzigten. — Bei der grofien Bedeutung, die diesen beiden Blattern
— oder diesem Kunstler? — zukommt, sei auch eine untergeordnete
Federzeichnung in einem Wiener Prudentius erwahnt:88) eine unbe-
deutende Arbeit einer viel schwacheren Hand, die aber gewifi in diesen
Kreis gehort. Der Kopftypus entspricht dem Christus in Paris, die
Haltung dem Verkiindigungsengel in Wiirzburg.
Wie sehr ein Blatt, wie die Wtirzburger Verkiindigung, auf der
Grenze steht, welche die neue ottonische Kunst von alien retrospektiven
Bestrebungen aus der karolingischen Vergangenheit der Schule trennt,
geht schon aus der Stellung hervor, die ihm Haseloff innerhalb seiner
Ausfiihrungen angewiesen hat. Aber wie wir in den frtiheren Stadien der
Schule eine Entwicklung fanden, die diesen neuen Stil vorbereitet, so finden
wir auch spater, nachdem dieser neue Stil schon zur Herrschaft gelangt war,
Zeugnisse fur die schulmafligen Nachwirkungen jener alteren, das neue
vorbereitenden Bestrebungen. Ich denke hierbei nicht daran, dafi nach-
weislich das konservative Atelier noch in Tatigkeit war, als die ersten
Meisterwerke des neuen Stils, wie der Codex Egberti, bereits entstanden.
Denn hier handelt es sich nicht urn ein Weiterleben, sondern urn ver-
spatetes Absterben, — um Arbeiten, die in eine neue Zeit hineinragen,
ohne von dieser beriihrt zu sein. Wichtiger ist es, dafi sich Denkmaler
nachweisen lassen, die vollig auf dem Boden der neuen Richtung stehen,
aber stilistische Elemente bewahren, die gerade jener Denkmalergruppe
eigentumlich sind, die wir als entwicklungsfahige Vermittler zwischen
Altem und Neuem dem konservativen Atelier gegentiberstellten. Als das
merkwurdigste Denkmal dieser Art nenne ich den Codex aureus von
Pfavers,84) der jetzt im Archiv des Stiftes St. Gallen bewahrt wird. Be-
trachtet man hier die Ornamentik der Bildrahmen und Initialen, so
wlirde man die Arbeit als ein reines Werk der Liuthargruppe bezeichnen.
Betrachtet man aber die Bilder, so erkennt man die Hand eines Ktinstlers,
der zwar stilistisch und technisch abhangig ist von dieser Richtung, aber
zugleich in mehrfacher Hinsicht, wie in der Behandlung der Architekturen
und des mit Pflanzen belebten Terrains durchaus auf dem Boden der
i*3) Hofbil. Cod. 177, Bl. 14. — Es fehlt leider noch immcr eine griindliche
stilkritische Untersuchung der Wandmalereien der Georgskirche. Soweit der Erhaltungs-
zustand ein Urteil erlaubt, stehen diese entschieden den eben zusammengestellten Ar-
beiten naher, als der Liuthargruppe und dem Egbertkodex. Man beach te die Proportion en,
die merkwlirdige Nacken-, Schulter- und Oberarm-Linie, die Hypertrophic von Schulter und
Schenkel, die ganze Unruhe in der Gewandmodellierung mit den Wellenlinien in den
abfallendcn Gewandrandern.
M) S. Mon. Germ. Libr. Confr. p. 355 f. Archiv der Ges. f. alt. d. GK. IX, 956.
S. Rahn, Geschichte der Bild. K. S. 129.
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490 Georg Swarzenski:
Tradition stent, aus der Arbeiten wie der Codex Wittechindeus und die
Wurzburger Verkiindigung hervorgegangen sind. So ist gerade diese
Arbeit geeignet, uns das Herauswachsen des neuen Stils aus alteren Be-
strebungen der Schule zu bestatigen.
Es ist aber vor allem ein Umstand, der alle, selbst die in ihrer
Formensprache am energischsten auf die Zukunft weisenden, alteren
Arbeiten der Schule von denen der neuen, unter Egbert von Trier ein-
setzenden Richtung trennt: der malerische Stil, der im Egbertkodex und
den Erstlingswerken der Liuthargruppe so durchgreifend auftritt, dafi man
es kaum begreift, dafi jene Arbeiten am selben Orte entstanden sind,
wie jene buntfarbigen Produkte des konservativen Ateliers. Entschieden
stehen auch in dieser Hinsicht die Arbeiten der zuletzt besprochenen
Richtung dem neuen Stile naher; und in einem Hauptwerke des manie-
ristischen Ateliers, den Miinchener Evangelistenbildern (2) wurde die
ausgesprochen malerische Behandlung bereits betont. Es lassen sich
auch noch andere Zeugnisse innerhalb der Schule nachweisen, die
bekunden, dafi eine malerische Auffassung ihr nicht durchaus fremd war.
Die Denkmaler, die in diesem Sinne heranzuziehen sind, treten aber zu
sporadisch auf, als dafi ich es verantwortcn mochte, etwa eine » malerische «
Richtung der Friihzeit der konservativen und manieristischen als eine
dritte Stromung der Schule gegenuberzustellen. Auch ware auf diese
Denkmaler die Bezeichnung »malerisch« nur sehr bedingt anzuwenden;
denn die zeichnerischen Elemente der Ausfiihrung stehen auch bei ihnen
(wie noch in der Liuthargruppe!) sehr im Vordergrund. Es handelt sich
hier nur darum, nachzuweisen, dafi es neben dem Kolorismus der kon-
servativen Richtung, die auf dem Boden der Adatradition stehend, nur nach
dem Prinzip der kontrastierenden Bunt- und Vielfarbigkeit der Lokaltone
arbeitet, auch friihzeitig Arbeiten der Schule gibt, die einen besseren,
harmonischen Zusammenschlufi der Farben erstreben : grofiere, einheitliche
Werte in matterer, zahmerer Farbung. Ist von jenen Arbeiten ein Uber-
gang zu der malerischen Auffassung des neuen Stils schlechterdings un-
moglich, so wird man bei diesen doch wenigstens eine ftir den neuen
Stil empfangliche Schulung des Auges annehmen durfen. Von einer
eigentlichen Vorbereitung der neuen malerischen Auffassung, etwa in
dem Sinne, wie die eben besprochenen Arbeiten die spatere Formen-
auf fas sung vorbereiten, kann bei ihnen aber kaum eine Rede sein.
Das erste Zeugnis derartiger Bestrebungen bieten die Bilder der
Miinchener Evangelienhandschrift, die wir als das schonste Beispiel der
»St. Gallischen« Omamentik in Reichenau bereits erwahnten.85) Gerade
h) Clm. 22 31 1, c. p. 51. S. o. S. 406, Anm. 55.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik.
491
die Bilder der Handschrift erweisen es, dafi sie nicht in St. Gallen ent-
standen sein kann, sondern in Reichenau. Einerseits sind wir liber die
St Gallener Schule der Zeit hinreichend unterrichtet, um zu konstatieren,
dafi fur die Bilder kein Platz in der dortigen Schule ist; andererseits
erkennt man, so eigenartig das Ganze erscheint, deutliche Hinweise auf
Reichenau. Das feine, fast schraffierende Faltensystem der unteren Gewand-
partien ist eng verwandt den Miinchener Paulusbildern; ebenso die streifen-
artige Behandlung des Terrains mit seiner aufragenden Vegetation. Die
Gliederung des Mantels bei Markus und die Musterung der StofTe mit
Bliimchen und Kreuzchen erinnert an die manieristische Ubergangshand-
schrift (2) in Munchen. Die Bewegungsmotive sind abhangig von der
Adatradition. — Das Neue liegt bei dieser Arbeit in der durchgreifend
veranderten malerischen Auffassung. Dies gilt im StofT lichen ftir die
Farbenwahl in dem eben angedeuteten Sinne, wahrend in dem Nackten
sogar eine malerische, vertreibende Behandlung in eigentlicher Bedeutung
Platz gegriffen hat und die zeichnerischen Elemente entschieden verdrangt.
Die Bilder dieser Handschrift stehen nach unserer heutigen Kenntnis
ohne direkte Parallelen. Dafi es sich hier aber um eine bewufite und
fruchtbare klinstlerische Absicht handelt, beweisen die ahnlichen Be-
strebungen der auch in anderer Hinsicht sehr verwandten Bilder des
Lukas und Johannes in der Miinchener tJbergangshandschrift.
Gerade in der ornamental eng zusammengehorigen Handschriften-
familie, zu der dieses eben wieder herangezogene Miinchener Lukas- und
Johannes-Evangelium (2) gehort, und die wir als Ubergangsgruppe be-
zeichneten, sind noch drei weitere Bilder erhalten, die als Zeugnisse einer der
Adatradition und dem konservativen Atelier gegenuberstehenden kolo-
ristischen Behandlung von grofier Bedeutung sind. So bietet zunachst
ein Kruzifixus in dem Sakramentar von St. Alban in der Behandlung des
Kopfes und des nackten Kdrpers ein sehr wertvolles Beispiel einer durch
malerische Mittel wirkenden Modellierung, die in mancher Hinsicht den
*Renaissancehandschriften« verglichen werden kann. Ein zweites Beispiel
bilden zwei Bildseiten, die als Uberreste eines Sakramentars in einer
sachsisch-westfalischen Epistelhandschrift des 13. Jahrhunderts in Berlin86)
bewahrt werden. Das eine der Bilder bietet eine merkwiirdige Darstellung
des Annus, umgeben von Sonne, Mond, Jahreszeiten und dem Zyklus
der Monatsbilder; das zweite die gleich falls seltene Darstellung des Gregor
und Gelasius. Auch hier ist in stilistischer Beziehung das Entscheidende
die relative Freiheit von Einwirkungen der Adatradition.
Die Denkmaler, die ich als Vorlaufer des »neuen Stils« der Liuthar-
*) K. Bibl. Cod. theol. lat. Fol. 192. S. o. S. 408, Anm. 60.
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4g2 Georg Swarzenski:
gruppe und der Richtung des Egbertkodex zusammengestellt habe, be-
weisen allerdings, dafl dieser neue Stil in gewissem Gerade auf einer
heimischen Tradition beruht. Selbst wenn man von den wenigen, nam-
haft gemachten, bedeutenden Werken dieser Tradition absieht, und auch
untergeordnete, anspruchslose Zeugnisse, wie die wenigen eingezeichneten
Figuren in den Initialen des Cod. Aug. 37 oder die »Tugend« in dem
Wiener Prudentius der Betrachtung wurdigt, erkennt man in der Linien-
fuhrung und Formensprache allerhand Beziehungen zu den spateren
Arbeiten. Und doch, meine ich, kann diese » Traditions den neuen
spatottonischen Stil nicht vollig erklaren, und das Dazwischentreten eines
altchristlichen Einflusses scheint mir nach wie vor notwendig anzunehmen.
Gerne gebe ich Voge zu, dafi die Liuthargruppe auch unabhangig vom
Kodex Egberti aJs eine »gesonderte Gruppe« bestehen bleibt. Aber
dann wird es um so notwendiger, das gemeinsame Auftreten der neuen
Stilelemente in beiden Gruppen durch ein drittes zu erklaren. Diesem
»dritten« steht der Meister des Egbertkodex mit einer erstaunlichen
Unbefangenheit gegeniiber, wahrend die Liuthargruppe viel fester in der
Reichenauer Tradition, wie sie sich in den oben zusammengestellten
Zeugnisssen aufiert, drinnen steht. Gerade das Zusammentreffen der von
der Liuthargruppe und der Tradition abweichenden »Auflerlichkeiten des
Ulustrationssystems« und die starkere malerische Behandlung im Egbert-
kodex scheint mir auf ein solches energisch dazwischentretendes Vorbild
mit Sicherheit schlieflen zu lassen. Nach allem, was wir von der karo-
lingischen und altchristlichen Kunst wissen, diirfte aber dieses Vorbild
jenseits der karolingischen Zeit zu suchen sein. Zu dieser Annahme
notigen vor allem die malerischen Eigentlimiichkeiten dieses Stils. Trotz-
dem glaube ich, dafi bei der Umsetzung dieses Vorbildes charakteristische
Dinge der Formauffassung, Gestaltengebung, Kopfhaltung, Gestikulation
und auch Gewandung, auf latente oder bewufite Einwirkungen oder
Nachwirkungen der karolingischen Kunst zuriickzuftihren sind, — gerade
weil eine in dieser Hinsicht den neuen Stil vorbereitende Tradition in
der Schule nachzuweisen war. Es steht mit dem ornamentalen Ent-
wicklungsgang und dem Charakter des Figurenstils im benachbarten
St Gallen in gutem Einklang, wenn wir in diesen Dingen gerade eine
Verwandtschaft zu gewissen touronischen Arbeiten und den Hauptwerken
der Schule von Corbie, einschliefilich der von diesen abhangigen »Metzer«
Elfenbeinen, erkennen. —
Der inneren Bedeutung der Reichenauer Schule entspricht ein
grofler Einflufi nach aufien. Was fur das letzte Stadium derselben, die
Liuthargruppe, bereits bei anclerer Gelegenheit bemerkt wurde, gilt auch
fur ihre frtiheren Bestrebungen. Ja> es scheint, als ob Uberall, wo sich
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Reichenauer Malerei unci Omamentik. aq\
in Deutschland im 10. Jahrhundert eine kunstlerische Tatigkeit regt,
Reichenauer Einflufi mit im Spiele ist So ist dies fur Trier-Echternach
bereits durch die friiheren Diskussionen sicher geworden, und fiir Fulda
ist das gleiche anzunehmen. Hier wie dort hat flir die ottonische Zeit
vor allem der Typus der Reichenauer »Ubergangsgruppe« anregend
gewirkt87) Ein etwas spateres Stadium der Entwicklung scheint auch
auf Koln eingewirkt zu haben, wie z. B. das bei Lamprecht88) abgebildete
Initial aus einer Handschrift der Zeit des Erzbischofs Evergersus bestatigen
mag. Merkwiirdiger ist es, dafi auch an entfernteren, nur sporadisch
wirkenden Statten Einfltisse der Reichenauer Schule anzutreffen sind. So
ist das erwahnte Sakramentarfragment in Berlin mit dem Bilde des
Gregor und Gelasius in einer Kopie des 10. Jahrhunderts in einem
Essener Sakramentar89) erhalten. Dafi es sich hier, trotz einiger Ab-
weichungen in der Bewegung um einen direkten Zusammenhang handelt,
beweist die genaue tJbereinstimmung derTituli und der monogrammatischen
Inschrift zwischen den Dargestellten in beiden Exemplaren. Dieser
Zusammenhang ist wichtig, weil sich in einem anderen Essener Sakra-
mentar90), gleichfalls des 10. Jahrhunderts, ein tiber zwei Seiten verteiltes
Widmungsbild findet, welches stilistisch und kompositionell eng zusammen-
geht mit den merkwtirdigen Dedikationsbildern der Eburnantgruppe. Eine
ahnlich sporadische Kunsttatigkeit scheint fiir Bremen anzunehmen zu
sein. Schon Voge war geneigt, hier eine Filiale seiner Gruppe anzu-
nehmen; fiir andere Bremer Arbeiten habe ich die kompositionelle Ab-
hangigkeit von der »Adatradition« betont;91) doch ist es leicht, in diesen
Arbeiten noch allerhand andere Elemente zu finden, deren Reichenauer
Ursprung jetzt erkannt ist. Dafi auch fiir die Friihzeit der Regensburger
Schule Reichenauer Einfltisse anzunehmen sind, beweist vor allem das
Regelbuch von Niedermtinster.
Gerade fiir die letzte Stufe der Reichenauer Malerei, die Liuthar-
grappe, ist auch auf Beziehungen zu Italien schon aufmerksam gemacht
worden. Zu beachten ist aber, dafi schon die altere Reichenauer Kunst,
etwa in dem Stadium, das sie in der friihottonischen Zeit erreichte,
gewisse italienische Skriptorien beeinflufit hat So scheint mir der Einflufi
87) Fiir die karol. Zeit vergl. Haseloff, a. a. O. S. 129. Swarzenski, S. 6, 14. Flir
die Quellengeschichte der Widmungsbilder des Rhabanus Maurus ani wichtigsten Valen-
ciennes, Cod. 502, Bl. 77, 77 V. Abb. bei Traube, Poet. Karol. Ill, Taf. 1.
**) A, a. O. Taf. 21a.
**) Dlisseldorf, Landesbibl. Cod. D. 2. Bl. 26 v.
W) Daselbst, Cod. D. 5. Bl. 17 v., iS.
91) A. a. O., S. 16, Anm. 13.
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404 Georg Swarzenski:
der Reichenau aufBobbio aufGrund eines Sakramentars der Ambrosiana92)
wahrscheinlich ; und es liegt nahe, auch die bertihmten Prachthandschriften
Warmunds von Jvrea98) von der alteren Reichenauer Ornamentik abhangig
zu denken. Fur die Beziehungen der Liuthargruppe zu Italien verweise
ich zunachst auf ein reich illustriertes Evangelistar in der Domsakristei
zu Padua, iiber dessen Entstehung dieses selbst folgende Auskunft gibt:
Anno dni. nri. Ihu. Xpi. 1170 . . . . expletum est ab Ysidoro hoc opus in
Padua feliciter. Gerardo epo. praesidente Wifredo archipbro. cum 28
Can. comorate. Si vis scripturas qs fee scire figuras. Ysidorus finxit
doctor bonus pinxit. Die kunstgeschichtliche Bedeutung dieser spaten,
rohen Arbeit ist darum eine so grofle, weil die Bilder derselben teilweise
ganz genau die Kompositionstypen der Liuthargruppe reproduzieren.
Bilder wie die Anbetung der Konige oder die Geburt Christi mit der
Hirtenverklindigung miissen direkt nach einem solchen — also einst wohl
in Padua liegenden — Original kopiert sein. Dies gilt nicht nur fur
das Ikonographische, sondern sogar fur kompositionelle und ornamentale
Details, fur das Beiwerk, die Art der Umrahinung, die Architekturen, die
Form der Saulen. Die Ausfiihrung freilich ist eine durchaus rohe, zeich-
nerische, flachenhafte, die selbst hinter den geringsten Arbeiten jenes
alten Reichenauer Kunstkreises zurlickbleibt. Wichtiger und interessanter
ist es, dafi wirkliche Meisterwerke einer organisch arbeitenden italienischen
Malschule in einem direkten Abhangigkeitsverhaltnis zu der zeitgenos-
sischen Reichenauer Kunst stehen. Und zwar gilt dies fiir einige Haupt-
werke der altesten toskanisch-florentinischen Buchmalerei des 10./11. Jahr-
hunderts. So sind in dem bereits von Davidsohn erwahnten Psalterium
von Marturi94) das merkwiirdige erste Bild und die Imitationen von
Purpurgeweben der weiteren Bilder und Zierseiten ganz evident aus einem
Reichenauer Vorbild abgeleitet. Noch eigentumlicher aber stent es um
eine Evangel ien-Hs., die gleichfalls dem ersten Anfang des 11. Jahr-
hunderts angehort und in der Laurentiana96) liegt. Hier sind samtliche
Bilder und die erste Serie der Kanonesbogen nicht nur in den typischen
Dingen der Anlage und Komposition als Reichenauisch zu bezeichnen,
sondern hier zeigt auch die Technik bis in die feinsten Details eine
solche Ubereinstimmung mit den Arbeiten der Liuthargruppe (und zwar
der besten!), dafi zum mindesten die Annahme einer direkten Schulung
des betrefTenden Meisters in Reichenau notwendig wird. Trotzdem kann
kein Zweifel daruber bestehen, dafi die Hs. als solche der florentinisch-
»2) Cod. D. 84. part. inf. S. Delisle, a. a. O. S. 272 f. Ebner, S. 80.
^ Bibl. Capitolare Codd. 20, 26, 86. J. Dlimmler, Anselm d. Peripathetiker, S, 84.
M) Laurentiana. Plut. XVII, Cod. 3. S. Davidsohn, Geschichte von Florenz I, 827.
*) Aquisti e doni 91.
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Reichenauer Malerei und Ornamentik.
495
toskanischen Schule angehort. Aber der Miniator! Wie mag er vom
Bodensee nach Toskana gekommen sein? — In diesem Zusamixienhang
erwahne ich schliefllich eine altere, noch dem 10. Jahrhunders angehorige
Evangelien-Hs. aus Sta. Croce,96) die gleichfalls toskanisch ist, aber in
gewissen Initialen vollig abhiingig ist von dem alteren, St. Gallisch beein-
flufiten Typ der Reichenauer Ornamentik. Eine kunstlerische Beziehung
der bedeutendsten und zugleich vom Hofe bevorzugtesten ottonischen
Schule zu Italien erscheint im Gefolge der politischen Beziehungen der
Ottonen zu Italien leicht begreiflich.
«) S. Croce Plut. V. Cod. 7,
Repertorium fiir Kanstwissenschaft, XXVI. 34
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Zu Hans Multscher.
In meiner Abhandlung iiber die »oberrheinische Malerei und ihre
Nachbarn um die Mitte des 15. Jahrhunderts« habe ich unterlassen, bei
Gelegenheit Hans Multschers auch eine Reihe von Gemalden zu be-
sprechen, die erst neuerdings als sein Eigentum erkannt sind, wie in
Stuttgart und Karlsruhe, oder gar mit voller Namensbezeichnung zurri
Vorschein kamen, wie in Berlin. Fachgenossen haben sich dariiber ge-
wundert: »ich begreife nur die Griinde nicht, schreibt ein Kollege; wes-
halb Sie die Multscherschen Altarbilder in Berlin von 1437 garnicht mit
hineingezogen haben « . . . Die Griinde waren flir mich sehr einfach.
Mir kam es nur darauf an, meine Beobachtungen so zu geben, wie sie
sich an der Hand der Publikationen herausgebildet hatten; das war sozu-
sagen noch mein Vorrecht als Herausgcber und Historiker zugleich. Die
Behandlung des Konrad Witz durch Daniel Burckhardt gab den ent-
scheidenden Anstofi, nicht langer mit meinen Ergebnissen zuriickzuhalten,
die wiederholt vorgetragen und nachgepriift waren. Das neu auftauchende
Material konnte nur die Brauchbarkeit der Gesichtspunkte bekraftigen und
hatte meine Darlegung des durchgehenden Zusammenhangs mit kritischen
Exkursen belastet. Zudem wollte ich den Fachgenossen nicht vorgreifen,
denen die Bearbeitung dieser Gemalde in den Museen obliegt. Die Ber-
liner Tafeln sind noch heute nicht orTentlich ausgestellt. Sobald man mich
einer Unterlassungsstinde zeiht, mufi ich freilich mit einigen Bemerkungen
hervortreten, die fiir eine Note unter meinem Text bestimmt waren.
Es handelt sich zunachst um die Bilder in Karlsruhe und Stuttgart.
Die ersteren tragen seit einiger Zeit in der Galerie (nicht im Katalog)
die Namensbezeichnung als Multscher. »Vielleicht interessiert es Sie zu
erfahren, ^schrieb mir Wilhelm Schmidt von Munchenc, dafi die Bestimmung
der beiden Karlsruher Gemalde als Multscher auf mich zuriickgeht. Beim
Durchsehen der neugekommenen Photographien von Bruckmann fand ich,
dafi die Nrn. 32 und ^^ »Schule des Elsafi kurz nach 1460^ von
Multscher herriihren. Ich teilte dies Herrn Dr. K. Koelitz vermittelst
Brief vom 7. Januar 1901 mit; desgleichen hatte ich Herrn Geheimrat
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August Schmarsow: Zu Hans Multscher. aq'j
Reber sowie Herrn Konservator Voll davdn verstandigt. Dafi die Ge-
malde der Stuttgarter Galerie Nr. 13 und 14 des Katalogs von K. Lange
(1903), die zu den obigen gehoren, ebenfalls von Hans Multscher her-
riihren, davon habe ich mich im Friihjahr 1902 an Ort und Stelle uberzeugt.*
Diese beiden Bilder in Stuttgart stammen, wie Konrad Lange an-
gibt, aus dem Frauenkloster Heiligenkreuztal OA. Riedlingen. Die friihere
Benennung als Schule Friedrich Herlins »wurde scbon von Haakh be-
stritten, der gleichzeitig auf zwei ahnliche Stticke in der Kunsthalle zu
Karlsruhe hinwies.<, Der Nachweis, dafi alle vier zu einem Altar von
H. Multscher gehorten, ist von K. Lange im Wurttembergischen Staats-
anzeiger 1901 Nr. 257 gefiihrt worden, den ich nicht zu Hand habe.
Auf der urspriinglichen Innenseite der Altarrliigel hatten wir, schon
wegen des gemusterten Goldgrundes, die Darstellung der hi. drei Konige
mit ihrem Gefolge (Stuttgart Nr. 13) zu suchen. Nach der Verkiindigung
an Maria pflegt die Geburt Christi, dann die Anbetung der Weisen aus
dem Morgenland zu folgen, wahrend der Tod Mariens die Reihe schliefit.
Statt der Anbetung der Konige erscheint hier der Reiterzug fur sich:
in ihrem Gefolge ftinf berittene Manner und einer, der ein Pferd am
Ziigel ftihrt,« so dafi die zugehorige Hauptgruppe der hi. Familie, das
Ziel dieses Rittes aus weiter Feme, nur auf einer gegeniiber angebrachten
Tafel des andern Flugels gesucht werden konnte, oder, da hierflir in der
iiblichen Vierzahl kein Platz mehr bleibt, vielmehr als plastisches Werk
in der Mitte, d. h. im Altarschrcine selber vorausgesetzt werden mufi.
Die Schilderung dieses Reiterzuges auf cler Altartafel bleibt immer liber-
raschend, und dem Kunsthistoriker wird als Veranlassung solcher Aus-
nahme von der kirchlichen Regel sofort der beriihmte Reiterzug der ge-
rechten Richter und der Streiter Christi am Genter Altar einfallen. So-
wie wir aber die beiden Werke vergleichen, so zeigt sich bei mancher
Verwandtschaft doch ein so grofier Unterschied, dafi nur eine Kenntnis
von Horensagen oder eine verblafite Erinnerung, hochstens eine fliichtige
Skizze als Zwischenglied angenommen werden darf. Bcim Ulmer Meister
fehlt die Landschaft bis auf eine diirftige Andeutung des Weges. Die
Komposition des Bildes gibt die Reliefanschauung fur sich, so rein und
auffallend, wie es nur je zur Bestatigung unsrer Analyse der Sterzinger
Tafeln gewiinscht werden konnte. Es ist, als ob wir die mannichfacher
bewegten Ausschnitte der grofien Wallfahrt auf den Genter Flugeln zu-
riick iibersetzten in eine Stufe der Malerei, die sich dem Vorbild der
Skulptur noch nicht entfremdet hat, urn eigene spezifisch malerische An-
liegen zu verfolgen, wie Jan van Eyck im Unterschied von Huberts Anteil.
Auch in Stuttgart brauchen wir nur einen Blick auf den Altar aus Miihl-
hausen am Neckar zu werfen, um zu sehen, wie in der Prager Schule
34*
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408 August Schmarsow:
1385 schon, an den Sockeln, auf denen S. Veit und S. Sigismund stehen1)
und den Banken, auf denen Maria und Christus thronen, die Nachahmung
statuarischer Vorbilder sich meldet, die dem Maler in den Gestalten doch
wieder abhanden kommt. Bei Hans Multscher tritt fur die hi. Geschichten,
wie dargetan, die Reliefskulptur als Vorbild hinzu. Kein Wechsel der
Richtungsaxen in seinem Reiterzuge, kein buntes Durcheinander wenigstens
im Innern des Trupps, hinter den Hauptreprasentanten in erster Linie,
die sich feierlicher isolieren mochten; sondern Richtungsgleichheit der
Rosse und ihrer Reiter nach links, Korpergcschiebe ink Zuhilfenahme
der Hohendimension statt der Tiefe, und Auskunft liber die gehauften
Korper nur soweit sie sichtbar werden, also gelegentlich mit Aufopferung
eines Pferdeleibes, fiir den kein Platz bleibt. Es ist die namliche Re-
liefpraxis, die wir in Gemalden zu Sterzing bei der Apostelgruppe am
Olberg oder bei der Kreuztragung nachgewiesen, aber auch beim Maler
Lukas Moser noch wirksam gefunden. Hier gibt sich Hans Multscher,
der Bildhauer, als Erfinder der Komposition zu erkennen. Der ge-
drungene Bau der Rosse, die scharfgeschnittenen Kopfe und Halse, die
klare Auseinanderlegung der sichtbaren Gliedmafien aller Figuren, die
ganze Vorstellungsart weist auf die plastische Kunst zuriick. Die Farben
sind nur als Bemalung aufgetragen und haben die Modellierung der innern
Formen eher verschleift als erganzt; sie erheben nur bei StorTimitation
einmal malerischen Anspruch im eigenen Sinne.
Der erste Konig mit Halbmond und Stern auf blauem Fahnlein
reitet ein weifies Rofi von beinahe romischen Proportionen, wenn auch
oberflachlicher Behandlung, mit rotem Zaumzeug auf den runden Formen.
Er tragt graue Stahlriistung und roten Mantel, einen Perlenreif mit Edel-
stein in der Mitte auf dem jugendlichen vollen Lockenschmuck, so dafi
er eher wie S. Georg oder ein hi. Streiter der himmlischen Heerscharen,
nicht wie der Erste von den Weisen des Morgenlandes ausschaut. Ist
der langbartige Greis, der den Vortritt zu haben prlegt, nicht ganz zu-
rtickgedrangt, dem Genter Ideal zuliebe, so kniet er vielleicht schon am
Ziel angekommen vor dem Knaben in Bethlehem. Neben diesem Jungsten
erscheint der zweite im iiblichen Mannesalter mit dunklem Vollbart. Er
tragt einen weifien Turban mit blauem Sammetzipfel. ein blaues Sammet-
wamms mit Gold broschiert, und reitet ein isabellfarbenes Rofi, dessen
Kopf, ganz im Profil, am besten gegltickt ist, aber nicht sowohl nach
dem Leben als nach einem antiken Vorbild plastischer Kunst gezeichnet
scheint. Fast menschliche Augen im Sinne mittelalterlichen Ausdrucks
*) S. Wenzels Kettenpanzer ist plastisch in Gips aufgelegt und versilbert, wie
Edelsteine auf der Brust usw.
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Zu Hans Multscher. Aqg
zeigt dagegen das nach vorn heruunblickende Tier des Mohrenkonigs von
etwas dunklerem Graugelb. Das Fahnlein mit der schwarzen Figur darin
lafit neben dem blauen Sternbanner des zweiten keinen Zweifel tibrig,
dafi der Neger gemeint ist, wahrend der Kopf des bartlosen Fursten wohl
Merkmale der afrikanischen Rasse, doch keine schwarze Hautfarbe auf-
weist. Er tragt iiber der grauen Stahlrlistung einen griinen Mantel und
einen Turban mit roten Aufschlagen auf dem griinen Bunde. Ein viertes
Rofi von grauer Farbe, dessen Hals sich hinter dem Falben weit herum-
biegt, wird von einem Reitknecht mit blauer Zipfelmiitze geflihrt und
schlieflt so zurlickblickend die vorderste Reihe. Ein dunkelbraunes, das
ihm folgt, bildet die Folie fur den Mohrenkonig. Dann kommt gar ein
Dromedar, dessen Kopf sich weit iiber den eines hellen Rosses der innern
Reiter hiniiberbeugt, wahrend die dicht aneinandergeschobenen Menschen-
kopfe und Halbfiguren den unbekannten Korper des fremden Tieres
verbergen. Es sind ihrer funf sichtbar, aber nur zwei Hinterteile von
Pferden dazu. Zwischen zwei behelmten Knechten, deren einer im griinen
Wamms eine Lanze tragt, erscheint der vollbartige Kopf eines vornehmen
Herrn in scharlachrotem Gewand und hohem Hut, mit erhobenem Schwert
in roter goldbesetzter Sammetscheide, den man fiir den dritten Konig
ansprechen konnte, wenn es nicht der Marschall des Reiches ware. Den
Abschlufi der Gruppe bilden ein Begleiter im Spitzhut, mit seinem Bogen
auf der Schulter, wie der grimme Hagen, und ein krummer Jude mit
blauem Mantel und blauem Zipfelturban, der sein Shylockprofil neugierig
nach dem Ziele kehrt. So ordnen sich, in dem hellgehaltenen Bilde, die
Korper alle in klar tibersehbaren Schichten, ganz nach den Anforderungen
der Steinskulptur, und selbst die hochgerandeten Falten, ein wehender
Mantel oder langhinflatternde Bandstreifen der Ftirstenbanner verraten die
Behandlungsweise des Bildhauers an Kirchenportalen und Altartafeln
von damals.
Der streng geschlossene Aufbau einer plastischen Gruppe, im Sinne
der herrschenden Architektur als Vormunderin aller iibrigen Krafte der
Bauhiitte, fallt auch an der »Grablegung« (Stuttgart Nr. 14) zunachst
ins Auge, die ursprtinglich an der Aufienseite des Altarfliigels zu sehen
war. Der stark profilierte Steinsarkophag bildet den Sockel dieser
Gruppe und schneidet mit seiner tektonischen Masse, etwas von oben
gesehen in leidlicher Perspektive, unerbittlich in die menschlichen Ge-
stalten hinein. Der starre Korper des Toten, der an Kopf und Fiiflen
gehalten, auf dem Leintuch hineingesenkt werden soil, gibt den Uber-
gang zu den lebenden Wesen. Zu Haupten hebt Nikodemus den Leichnam
fiir den letzten Abschied der Mutter etwas empor. Es ist ein Greis mit
lockigetn Vollbart und vorquellendem Haar unter weifiem Turban; er
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coo August Schmarsow :
triigt einen rosa Uberwurf, aus dessen pelzvcrbramten Armellochern der
Brokatrock hervorsieht. Gegeniiber beugt sich am andern Ende ein
j lingerer Mann in derselben reichen Judentracht, d. h. eineni langen
Brokatrock und roter graubeset^cr Pelzkappe mit aufgebogenen Klappen
und Zipfel, uber die Fiifie des Herrn, — der sorgfaltigst ausgefiihrte, fast
portratartige Kopf. Zwischen diesen beiden sind die biblischen Personen
so verteilt, dafi Maria, ihr Haupt weit vorniiberneigend, Stirn und Auge
von dem iiberfallenden Mantel und Leintuch fast vollig verdeckt, und
Johannes, der hinter ihr stehend, die Hand an ihre Schulter legt und
leidvoll iiber sie hinschaut, mit Nikodemus zusarnmengehoren, wahrend
sich der jiingere Trager, wohl Lazarus, ganz eng mit Maria Magdalena
und der dritten Frau zusammenschliefit, die ebenfalls ein Salbgefafi in
den Handen tragt und auf die Fiifie Christi niederschaut. Wahrend
Magdalena knict, steht diese Begleiterin Marias aufrecht, mit Korper und
Handen nach links gewendet, mit dem Kopf jedoch tiber die Schulter
hin sich riickwarts nach rechts kehrend, wie der Zusammenschlufi des
Linienzuges dieser zweiten Gruppe verlangt. Zwischen ihr und Johannes
ragt das tauformige Kreuz auf, das etwas weiter zuriick, jcnseits des
Gartenzauns und des Hiigels von Golgatha, doch in solcher Nahe bleibt,
dafi es nur das hochste wieder tektonische Glied des pyramidalen Gruppen-
baues abgiebt. Dies Ganze verschiebt sich etwas nach der rechten Seite,
um links das Gartentor und den hellen Weg, auf dem Dornenkrone und
Nagel liegen, frei zu lassen. Kin Baum im Gebusch auf dem Hiigcl,
ein festungsartiger Kirch turm mit dem Versuch einer orientalischen
Kuppelkronung u. A. ieiten nur die Reihe von Hohenaxen neben und
hinter dem Kreuzesstamm weiterhin in die Breite. Nur diesen Fullwert
beanspruchen auch die Iibrigen Bauwerke der Stadtansicht von Ulm-
Jerusalem, in der besonders Treppengiebel an Hausem und Langhaus-
giebel an der Hallenkirche neben der stadttorahnlichen Fassade an das
Sterzinger Altarwerk erinnern. Dacher, 'I'Urmc und Baukbrper, ja die
Baume vor den Mauern fungieren nur als tektonische Faktoren, wahrend
die scharfgerandeten Falten und die holzgeschnitzten Gesichtsformen der
Personen tiber die plastischen (irundlagen dieser Kunst keinen Zweifel
lassen. Dafi die Gruppe des Bildhauers in mcist hellen Farben — Maria
in Blau, Johannes in Violettgrau, Magdalena in Griin mit weifiem Gebande,
die Begleiterin, die der Maria in Schleisheim nahe kommt, in Rosa —
vom Maler abkonterfeit ward, das kommt fiir den Charakter der AufTassung
und Formensprache fast ebensowenig in Betracht, wie der Schauplatz
unter freiem Himmel statt des Goldgrundes.
Die schwache Seite dieser Tafelmalcrei zeigt sich sofort bei Kom-
])0.sitionen, bei deren Gegenstand die Architektonik sozusagen der Skulptur,
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Zu Hans Multscher.
5°I
iiber den Kopf wachst, unci dem Maler doch die Herrschaft iiber die
Raumdarstellung in grofierer Tiefe noch nicht zu Gebote steht. Soldi
ein Beispiel gibt die zugehorige >Kreuzigung< (Karlsruhe Nr. 33), die am
besten mit der »Grablegung« verglichen wird. Es ist ein klaglicheres
Machwerk, das durch die Passionsbilder in Sterzing jedoch seine Erkla-
rung fmdet und ebenso auf der Rechnung des Meisters Hans Multscher
stehen bleiben mufi, wie die Geifielung dort. Diese > Kreuzigung« wirkt
holzern tektonisch, bis auf die Mittelgruppe, die sich strenger plastisch zu-
sammenzuschliefien vermag. Hier haben wir den Kern der Gestaltung und
das eigenste Konnen des Bildhauers zu suchen ; nach beiden Seiten dagegen
kann nur die Eigentumlichkeit seines Kompromisses mit den Vorschriften
der Szene noch in Frage kommen. Es ist trotz den drei Kreuzen keine
Raumtiefe gewollr, sondern Reliefanschauung erzwungen, so gut oder so
schlecht es eben gehen mag. Der Kreazesstamm des Erlosers steht leise
nach links gedreht in der Mitte, sein Haupt hangt auf diese Seite herab
und scheint so noch herniederzublicken auf die Mutter. Maria, mit den
Handen auf der Brust, mit den Augen nicht aufwiirts, sondern einwarts, oder
uberhaupt nicht mehr blickend, sondern der Ohnmacht nahe, steht von Jo-
hannes gestiitzt, dessen eigener schwacher Leib fast vollig verschwindet, in
schrager Ansicht neben ihrer Begleiterin, die eine Trane abwischt. Die drei
Figuren — von Korpern nicht zu reden — bilden eine einheitlich umschrie-
bene Flachreliefmasse. Etwas mehr Entfaltung gewinnt die andre Seite mit
Magdalena, die knieend den Stamm umschlingt, und dem glaubigen
Hauptmann, der sich auf die Zehenspitzen zu heben scheint und mit
der Rechten hinaufweist, wo ein gewundenes Schriftband mit seinen
Worten, aufrecht in der Luft, den Linienzug bis gegen die Achsel des
Gekreuzigten fortsetzt. Die Drehung dieser Figur, die sich auf das Schwert
nicht recht stiitzt und den Kopf nicht genug empordreht, sondern alles
nur beinahe so fertig bringt, wie es gemeint war, beweist mitsamt dem
Krieger in voller Stahlriistung daneben nur dasselbe Prinzip der Quet-
schung in die Reliefschicht. Beide Halften, links und rechts unter den
Kreuzarmen, gehen schrag gegen die Mittelaxe. Damit erst wird die
Anordnung der beiden anderen Kreuze verstandlich.2) Der Marterpfahl
des einen Schachers steht rechts unmittelbar hinter dem Hauptmann, und
der mit beiden Armen iiber das Querholz gebundene Bosewicht dreht so
dem Erloser wie dem Beschauer den Riicken. Er lebt noch und schreit,
da ihm ein Scherge (den wir aus Sterzing kennen) mit der Keule das
2) Man versuche einmal diese Komposition als Freigruppe auf einem Kalvarien-
berg^ vorzostellen und sich die Vorzlige gegenliber der landlaufigen Breitenkoraposition
kJar zu machen. Hier bleibt der Erloser bei jeder Wendung alleinige Hauptfigur.
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CO 2 August Schmarsow:
Gebein zerschlagt. Pern entsprechend sollte das Kreuz des reuigen
Sunders so stehen, dafi er Christus zugewendet war. So ist auch der
Korper gerichtet, wahrend der Kopf des bereits Toten hintentiberfallt.
Aber die Stelle flir den aufgerichteten Stamrn ist gleich dem gegeniiber
soweit zurtickverlegt, dafi irn Abstand von der Hauptperson ein Mifiver-
haltnis entsteht, das sich um so ftihlbarer rriacht als ein untenstehender
Scherge noch hinter Johannes emporblickt und Longinus mit der Lanze
wieder zu diesem spricht. Ein Krieger in voller Rtistung unit Hellebarde
links, wie sein Wachtgenosse mit dem Essigschwamm, spielen hier nur
Statistenrolle ; zum Abschlufi der Reihe von Senkrechten htiben wie drliben.
Die Ausfuhrung der Malerei ist durchaus anspruchslos, die Farben
verschossen, aber schon ursprlinglich schlicht, mit unverkennbarem An-
schlufi an Freskogewohnheiten: die Gewiinder Marias und ihrer Begleiterin
in Blau und Rosa gehen auf der Hohe der Formen aus der Lokalfarbe
ins Weifiliche liber. Magdalena mit verweintem Gesicht tragt iiber
dem grauvioletten Kleid ein weifies Tiichlein und griinen Mantel. Der
Hauptmann allein bezeugt die Lust zur StofTimitation : er tragt einen
Brokatrock mit griinen Sammetarmeln und sein Schwert steckt in schwarzer
Sammetscheide, der Griff ist mit Silberstangen und Knauf geziert Sonst
sind auch die Riistungen bescheiden gemalt.
Dagegen reiht sich der »Tod Mariens« (Karlsruhe Nr. 32), der auf
Goldgrund, den Zyklus auf der Innenseite der Altarrliigel schlofi, der
etwas volleren Farbigkeit des Reiterzuges der Konige in Stuttgart an.
Maria liegt in blauem Kleid und weifiem Kopftuch auf dem blau- und
weifikarierten Kopfkissen, unter das noch ein grbfieres mit Damast-
muster geschoben ist; ihre Bettdecke ist scharlachrot mit Goldstreifen,
in die »kufische« Inschriften eingewebt sind, wie Lukas Moser seine Um-
schrift des Tiefenbronner Altares zusammenschnorkelt. Auf dem niederen
Trittbrett sitzen zwei Apostel; der eine alt, mit rotem Rock und grauer
Kappe, der mit der Brille auf der Nase eifrig in seinem Buche liest,
der andere, mit rotlichem Haar und Bart, ihm gegeniiber, in blauem Rock
und weifiem Mantel, das Haupt in die Hand stiitzend, ein Bild weh-
miitigen Schmerzes. In der Ecke neben ihm am Fufiende kniet ein
Dritter mit griinem Mantel, die brennende Wachskerze in der Hand. Ihm
gegeniiber an der anderen Seite des Bettes blast der Genosse im blauen
Rock und Uberwurf eifrig in das georrnete Rauchfafi. Hinter ihm steht
der Trager des Kreuzstabes in rotem Rock und roter Kappe, indem er
weinend sein Gesicht halb verdeckt, wahrend der Ruhigere neben ihm
nur ernst die Augen nieclerschlagt. Vor diesen beiden ist Petrus an das
Bett getreten; in priesterlichem Ornat, mit roter Stola und schwarzem Chor-
mantel, scrwingt er den Weihwcdel, indefi sein Nebenmann in dunkel-
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Zu Hans Multscher. 503
blauem Kaftan unci Sendelbinde den Kessel mit Weihwasser halt (des
Zeitkosttims wegen vielleicht ein Stifterportratr). Ebenso drangen sich
die Jiinger am Kopfende. Der eine, dicht binter den Kissen in griiner
Kappe, faltet die Hande, dariiber guckt ein anderer aus dunkelgrauer
Kapuze hervor, und zu ihm wendet sich ein Greis mit kahlem Schadel
unci Vollbart, wohl Andreas, vor dem Johannes in rotem Rock sich tiber
Maria beugt, um ein bliihendes Reis (von Myrthe oder Orange) auf ihre
Brust zu legen. Zwischen beiden Jungergruppen mit Johannes und Petrus
an ihrer Spitze, erscheint — wie unbemerkt von den tibrigen — Christus
selbst, in grauem Rock, und tragt die Seele der Mutter, in Gestalt eines
blaugekleideten kleinen Madchens, das die Hande faltet, auf seinem Arm.
>I)ie Bilder gehoren«, bemerkt Konrad Lange im Stuttgarter Katalog
1903, ?der Zeit von Multschers reifcr Entwicklung an und stimmen im
Stil vollig mit dem Sterzinger Altarwerk uberein.« Den ersten Teil
dieses Urteils konnen wir unterschreiben, den zweiten durfte eine ge-
nauere Vergleichung doch etwas modifizieren. Besonders die beiden Dar-
stellungen vom Tode Mariens fordern zur Beobachtung eines Wandels
heraus, der keineswegs bedeutungslos sein durfte. Das Karlsruher Bild
gibt die Szene am Sterbelager ohne weitere Durchfiihrung des Schau-
platzes; das Sterzinger zeigt uns das machtige Himmelbett wie eine Stube
und beseitigt den Goldgrund dahinter fast ganz durch die Fensterwand.
Die Erscheinung Christi als Halbfigur auf dem Wolkengekrose daselbst
entspricht noch 1457 dem alten schwabischen Brauch; das Herantreten
Jesu ans Lager, in die Reihe der lebenden Apostel, verkiindet in der Karls-
ruher Tafel einen realistischen Sinn von verstandesmafiiger Niichtemheit,
den man ftir dogmatische Streitigkeiten unter den Kirchenlehrern auszu-
beuten vermochte. Und demgemafi ist auch die Mehrzahl der Apostel
anders gegeben. In Sterzing herrscht lebhaftere Bewegung, einheitlicher
Zug der Ergriflfenheit in alien, selbst in dem eifrigen Kohlenblaser, der
iiber sein Rauchfafl hinweg nach der Sterbenden spaht. Johannes ist im
Ausdruck des Schmerzes gesteigert, indem er seine Lippen mit dem Ar-
meltuch deckt, als wolle er schluchzen, wie in Karlsruhe der Kreuztrager.
Dagegen ist die kummervolle Gestalt des Apostels in weifiem Mantel,
der in Karlsruhe als Trager der herrschenden Gemlitsstimmung am Ein-
gang der Szene dasitzt, in Sterzing nicht vorhanden und statt dessen ein
vom Rticken gesehener eifriger Leser der Gebete gegen das Fufiende des
Bettes geneigt und in dieser Tatigkeit mit den andern zusammengefafit.
Dadurch schliefit sich die Komposition entschiedener und fuhrt von bei-
den Seiten her auf den Hohepunkt, die Erscheinung des Gottessohnes,
der in Karlsruhe als Menschensohn unter Menschen wandelt. In dieser
letztern Redaktion bleiben infolgedessen die Individuen mehr ftir sich
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504 August Schmarsow:
abgesondert, unci so kommt kein herrschender Zug in das Ganze, vermag
selbst Christus kaum aufzukommen neben Petrus und den tibrigen Voll-
fiihrern der Einsegnungszeremonie. Diese Einzelfiguren voll realistischer
Kraft nehmen uns als Menschencharaktere in ihrer Situation viel mehr, ja
bald ausschliefllich in Anspruch ; denn in ihnen wallt das Lebensgefiihl der Zeit
Bei solchen Unterschieden wird eine gleich/eitige Entstehung beider
Tafeln unter den Augen eines und desselben Meisters, den auch wir als
Atelierhaupt anerkennen, kaum ohne weitere Erklarung annehmbar. Trotz
aller Verwandtschaft des Stiles sind es zwei verschiedene Stromungen, die
in dem einen und clem andern die Oberhand gewinnen iiber das Ge-
meinsame. Auf dem Sterzinger Bild verrat der echt schwabische Wolken-
schnorkel unter der Halbfigur Christi, wie gesagt, den Zusammenhang
mit der religiosen Auffassung der Heimat des leitenden Meisters in Ulm
und gewifl auch der Sinnesart der Besteller in Tirol. Auf dem Karlsruher
dagegen offenbart sich eine viel entschiedenere Hinneigung zur nieder-
landischen Kunst, zu dem kecken, hier und da vor handgreiflich Derbem
und Hausbackenem auch im Kirchenbilde nicht zurtickschreckenden
Wirklichkeitssinn der Leute von Brabant, der uns so leicht spieflburger-
lich oder gar burlesk vorkommt. lch ward in meiner Abhandlung wieder-
holt auf den Meister von Fle'malle hingedriingt, wo solche Symptome
hervortraten. Hier ist ein neues Beweissttick im Oeuvre des Hans Mult-
scher. Der lesende Apostel mit der Hornbrille auf der Nase und der
alte Judenkopf in der Monchskapuze ganz links oben, wie Petrus und
sein Begleiter, oder der Rauchfaflblaser, der Kerzentrager miissen auf die-
selbe Spur leiten.
» 1st der Tod Mariae unter den Sterzinger Bildern«, schreibt mir
soeben Adolph Goldschmidt, » nicht abhangig von der Komposition des
Fle'mallers in London, die so oft (Prag, Berlin) kopiert ward? Die Haupt-
figuren und Zusammenstellungen sind dort vorbanden.« Meine Antwort
steht schon da: bei dem schwachern Beispiel in Sterzing verzichtete ich
auf die Vermutung, in der man vielleicht nur ein allzueifriges Suchen
nach fremdem Einflufl gefunden hatte wie schon so manches Mai. In
dem Karlsruher Stuck liegt die Ubereinstimmung ganz offen zu Tage.
Und diese Abwandlung der Szene im Sinne des Fle'mallers gibt zugleich
Aufschlufi iiber die Rolle des niederlandisch geschulten Malers, den ich
auf Grund der malerischen Umgestaltung der Schauplatze ftir die Relief-
kompositionen Multschers am Sterzinger Altar anzunehmen genotigt war.
Hier ist er abermals, doch mit einem gewagteren Griff in den Geist der
Darstellung selber hinein.
Neben so wichtigen Stticken miissen zwei andre Tafeln, die Konrad
Lange in Stuttgart erkannt hat (Nr. 15 und 16) an Interesse freilich
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Zu Hans Multscber.
505
zuriickstehen. Aber wenn der Verfasser des Katalogs sich beklagt, seine
Zuriickfuhrung auf Multscher sei von der Forschung noch nicht ange-
nommen worden, so will ich nicht unterlassen, meine voile Zustimmung
ausdriicklich zu bezeugen. Die Fliigel stammen aus Allmendingen OA.
Ehingen, und stellen je drei Einzelgestalten dar. Auf dem einen sieht
man Petrus, Lucas und Marcus nach rechts gewendet, auf dem andern
stehen nach links Dorothea mit ihrem Rosenkorbchen, Johannes Ev. irrit
dem Schlangenkelch und Margaretha mit ihrem Drachen. Der Goldgrund
ist ganz erneuert und mit schwarzer Spitzbogenzeichnung von moderner
Hand gegliedert, die Malerei, besonders in dem blauen Gewand der
Mittelflgur des ersten und den Haaren hie und da stark erganzt. Aber
der urspriingliche Charakter stimmt mit den andern Tafeln durchaus
iiberein, so dafl die Taufe auf Hans Multscher ebenso zu Recht besteht
wie bei jenen. »Auch sie gehoren«, wie K. Lange hervorhebt, »Mult-
schers spaterer Zeit an«, d. h. der Periode um den Sterzinger Altar von
1456 58. Ich ware geneigt, sie etwas frliher als alle bis jetzt be-
sprochenen Gemalde zu datieren, doch immer noch im Gegensatz zu
Multschers friiher Zeit«, mit der K. Lange offenbar die Periode der
Berliner Bilder von 1437 im Sinne hat. Denn tiber diese sagt er am
Eingang des Abschnittes:
AVir glauben, dafl durch die Wiederauffindung der jetzt im Ber-
liner Museum befindlichen Bilder aus der Passion Christi, die zwar be-
deutend frliher (1437) entstanden, aber nach unserer Uberzeugung von
derseiben Hand wie das Sterzinger Altarwerk und unsere Bilder sind,
seine malerische Tatigkeit sehr wahrscheinlich gemacht wird. Malerei
und Plastik waren in den Werkstatten der damaligen Altarmeister nicht
immer auf verschiedene Hande verteilU.
In diesem Urteil tiber die Berliner Gemalde vermag ich dem
Kollegen leider, und zwar auf Grund meiner in obengenannter Schrift
niedergelegten Ergebnisse, gar nicht beizustimmen. Die auseinander-
gesagten Tafeln in Berlin tragen den vollen Namen des Meisters unter
dem Pfingstfest, in gotischen Lettern: >. . bit got fiir Hannsen Mult-
scheren . . . Meister zu Ulin, der hat dies Werk gemacht im Jahr
MCCCCXXXVII« und nochmals in einem Innenraum mit lateinischer
Schrift, die offenbar noch ungelaufig war: »Hans Nuoltscer (sic!) von
Richenhoven (M und N verwechselt, H in verschiedener Form usw.).« Die
Person des Meisters, der die Bilder geliefert und unter seinem Namen
hat ausgehen lassen, ist unzweifelhaft dieselbe, wie zwanzig Jahre spater
in Sterzing, der zehn Jahre friiher in Ulm als Btirger aufgenommene
Bildhauer, der sich 1433 an dem Altar im Miinster als von Richenhoven
geburtig bezeichnet. Und dennoch mufl das Urteil meines Erachtens
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co6 August Schmarsow:
ganz anders lauten als angesichts der iibrigen erhaltenen Werke, die
ihreni Stil nach der spatern Zeit Multschers um 1455 — 60 zuzuteilen
waren.
Ich will, wie gesagt, der Bearbeitung dieser neuaufgefundenen,
aber noch nicht offentlich ausgestellten Bilder in Berlin nicht vorgreifen.
Soviel mufi ich aber doch bekennen, dafi ich Konrad Langes Uberzeugung,
sie seien von derselben Hand wie das Sterzinger Altarwerk und die
Tafeln in Stuttgart und Karlsruhe gemalt, nach unsrer bisherigen Kennt-
nis nicht zu teilen imstande bin. Das erschwert schon der dunklere,
rotbraunliche Farbenton, der mich mehr an die beiden Stuttgarter Bild-
chen von 1442 aus Maulbronn (Nr. 96, 97) erinnert, die ich freilich mit
Lukas Moser auch nicht naher zusammenzureimen wuflte: S. Marcus, der
Evangelist und der Papst S. Stephan. Vor alien Dingen fehlt aber in
den Berliner Kompositionen jede plausible Verbindung init dem »Bild-
hauer« Hans Multscher, den wir doch kennen und dessen Vorlagen auch
bei dem Maler oder den Malern der Multscherschen Altare wieder her-
auszufinden waren. Kein Zweifel, auch in den Berliner Bildern werden
sich verwandte Ztige genug aufweisen lassen, die auf gemeinsaunen Besitz
der Ulnier Schule und der Werkstatt gedeutet werden diirfen. Aber die
Erfindung und Komposition, die Gestaltung der Figuren und ihre Be-
wegung sind ganz anders geartet. Sie haben nichts von der nachge-
wiesenen Richtung Multschers auf plastisches Vorstellen und Anschlufi
an die Steinskulptur. Und als » Bildhauer « allein ist er urkundlich be-
glaubigt, als Bildhauer ist der junge Mensch 1427 Burger von Ulm gc-
worden; die Skulptur war sein erstes Handwerk, seine eigenste Kunst,
die ihm friihes Ansehen erworben hat.
Wenn er dann zehn Jahre spater solche Malereien wie die Berliner
Tafeln unter seinem Namen hinstellt, so vermag ich meinerseits nur zu
urteilen: er ist also inzwischen Unternehmer geworden, der auch Auftrage
ftir Tafelbilder annahm, zumal flir ganze Altarwerke, deren Schrein mit
Statuen und Gruppen geschmiickt zu werden pflegte, wie noch 1457 in
Sterzing. Er selbst machte auf dem zerschlagenen Verkiindigungsrelief
des Altars im Ulmer Munster schon 1433 die Unterscheidung: »per me
Johannem Multscheren . . . et manu mea propria constructus.« Eben
dies letztere, die Eigenhandigkeit der Arbeit, kann ftir die Altarfltigel in
Berlin schwerlich zugegeben werden. Der Maler, der sie gemalt hat, ist
eine gedungene Hiilfskraft, ein Ateliergenosse, der unter der Geschafts-
firma Multscher arbeitet. Und dieser Maler steht zum Bildhauer und
Meister des Werks in einem andern Verbal tnis als der Maler des Mult-
scherschen Altars in Sterzing, zwanzig Jahre spater. Der Bildhauer hat
seiner Werkstatte um 1437 noch nicht seinen plastischen Reliefstil und
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Zu Hans Multscher.
507
die Vorlagen seiner eigenen Skulptur, d. h. seinen eigenen Stil anerzogen,
sondern der Maler ist ein andersartig geschulter Meister, der vielleicht
zu alt, jedenfalls zu routiniert war, um sich der Leitung des Bildhauers
unterzuordnen und seiner Formensprache anzubequemen. Die Grund-
lagen seiner Kunst sind auf dem Gebiet der Ulmer Malerschule zu
suchen, auf Nachahmung der Skulptur und Umbildung von Reliefkom-
positionen geht er nicht aus. Ist Miniatur- oder Wandmalerei die Quelle,
das ware ihnen gegenuber die erste Frage. Und das ist wichtiger fur
die Verwertung dieser gemalten Urkunden zur Geschichte der deutschen
Kunst als die Personalunion unter einem Namen.3)
Auf einen andern Unterschied kam gelegentlich schon Adolph
Goldschmidt in Berlin zu sprechen. »Bei der Vergleichung mit diesen
alteren Bilderm, schrieb er mir kiirzlich, »sieht man das niederlandische
Element in den Sterzingern um so deutlicherU Das stellt wenigstens
die >>t)bereinstimmung des Stils« sehr in Frage. Da kamen wir auf
zwei Perioden der Ulmer Schule, vor und nach dem niederlandischen
Einflufl, oder zwei Richtungen, die zeitweilig noch nebeneinander be-
stehen mochten. Und der Maler der Berliner Tafeln von 1437 wiirde
seine Ausbildung vor dem Andringen der Flut von der Konzilstadt Basel
(*433 — 43) abgeschlossen haben. Nicht auf Verfechtung eines inschriftlich
iiberlieferten Meisternamens kommt es an, sondern auf die scharfe Charakteris-
tik zweier Stromungen im grofien. In den Werken der damaligen Altar-
meister bedeutet der Name des Atelierhaupts nicht soviel wie die eigen-
handige Signatur einer personlichen Schopfung im modernen Sinne. Der
Begriff der Originalitat im heutigen Gebrauch darf nicht in jene Zeit
iibertragen werden. Ob sich in der Werkstatt Hans Multschers zu Ulm
Malerei und Plastik auf verschiedene Hande verteilten oder nicht, dar-
iiber konnen nur Untersuchungen aufklaren, wie ich sie bei den ober-
rheinischen Malern und ihren Nachbarn durchzufuhren versucht habe. Der
Aberglaube an Schriftquellen sollte uns dabei nicht verleiten etwas zu-
sammenzusehen, was fiir unbefangene Sehwerkzeuge weit auseinanderweicht.
^____ August Schmarsow.
3) Ihr Vergleich mit Mosers Altar in Tiefenbronn wllrde dessen Datierung gewifi
berictitigen, wenn auch nicht vollig entscheiden.
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Zu Diirers schriftlichem Nachlafi.
In den Grenzboten 1895 I 647 habe ich einige burschikose Aus-
dnicke in Diirers Briefen besprochen; hier einige Nachtriige dazu liber
bisher mifiverstandne Einzelheiten in seineun schriftlichen Nachlafi iiber-
haupt; ich lege wieder die Ausgabe von Lange und Fuhse, Halle 1894,
zugrunde.
1. Diirer redet in den venezianischen Briefen an Pirkheimer, in
denen manche derbe Wendung vorkommt, wiederholt von einer Rechen-
uneisterin, bald von der Pirkheimers, bald von seiner eignen. Ich halte
das mit Riicksicht darauf, dafi bayrisch Rechner ein altes Dialektwort ftir
eine Art Bohrer ist, fiir einen obszonen Scherzausdruck ftir die Frau, mit
der man in geschlechtlichem Verkehr steht, der dadurch verhiillt ist, dafi
Rechenmeisterin ja auch blofi soviel wie Wirtschaftsfiihrerin bedeuten
kann, ahnlich ^vie in der heutigen Soldatensprache der Zahlmeister auch
Rechenknecht heifit; vgl. iibrigens Schraubenmutter. Bei Pirkheimer ist
eine ScharTnerin gemeint, bei Diirer sein Weib.
2. S. 55 schreibt Diirer an den rcichen Kaufmann Heller in
Frankfurt, er gebe ihm die bestellte Tafel (das Hellersche Altarbild) »um
hundert Gulden naher (d. h. billiger) als ich die wohl anwerden mocht.<
Die Herausgeber machen daraus anwerten und erklaren: verwerten;
Diirer bedient sich aber des noch heute gebrauchlichen bayrischen
Dialektwortes anwerden, d. i. ohne werden, dem in der hochdeutschen
Umgangssprache loswerden entspricht. Urspriinglich sagte man: eines
dinges an(e) werden, doch ist schon im 14. Jahrhundert auch akkusati-
visches Objekt gerade im bayrischen bezeugt.
3. S. 135. »Mehr 1 Weifi .^ fiir enspertele.« Anmerkungen und
Worterverzeichnis versuchen mehr oder weniger weit abliegende Deu-
tungen, deren philologische Unmoglichkeit hier nicht dargetan werden
soil. P^ns pertele wird von den Abschreibern — nur durch solche
ist die S telle iiberliefert — verschrieben worden sein fiir ens gertele,
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R. Wustmann: Zu Dttrers schriftlichem Nachlafl. 509
d. h. auf gut alt niimbergisch : jenes1) Giirtelchen. Diirer meinte den
Giirtel, iiber den er wenige Zeilen vorher eingetragen hatte: Mehr 2 Weifi ^
fur ein Giirtel.
4. S. 161. Die beiden Satze »Item dem Jobsten, mein Wirt, gar
rein und fleifiig mit Olfarben conterfet, der hat mir ftir seins urn seins
geben. Und sein Weib hab ich auch auf ein Neues gemacht, auch von
den Olfarben conterfet « sind richtig iiberliefert und ganz einfach so zu
verstehen, dafi Jobst Plank feld, Durers Wirt in Antwerpen, dem Niirn-
berger Gast sein, Jobstens, Portrat verehrt hatte (»flir« d. i. vorher),
worauf ihm jetzt Diirer zuni Abschied ein von ihm, Diirer, gemaltes
Portrat Jobsts zum Gegengeschenk machte; auch das Portrat von Jobsts
Frau wurde auf diese Weise verdoppelt und ausgetauscht.
5. S. 174. Unter dem »ausgestrichnen Kalekutt« verstehe ich
einen gedruckten und mit Wasserfarben ausgemalten kalekuttischen Hahn.
6. S. 174 Anm. 8 mufi der Name Hennickin durch Hennicke ersetzt
werden, denn Hennickin S. 173 ist Genitiv. S. 224 ware die beste
Ubersetzung von Ertlein nicht Stiickchen, Spitzchen, sondern Piinktchen,
Tiipfelchen.
7. S. 191 ist ein wunderliches altes Verschreiben im Text stehen
geblieben. Es ist da die Rede von dem kreisrunden Stufenunterbau
eines Marktturmes. Der soil zu unterst hundert Fufi im Durchmesser
haben, auf der obersten der 18 Stufen, von denen jede Stufe einen Fufi
breit einrucken soil, sechshunderteinundvierzig, wie in Buchstaben aus-
gedruckt steht. Es mufi natiirlich 64 heiflen (100 — [2 \( 18]); Diirer
hatte vielleicht 64' oder ahnlich geschrieben.
8. S. 210. »Etlich Ohm liegen am Haupt glatt an, so ragen die
andern weit hart an.« Die letzten beiden Worte sind sinnlos, statt ihrer
wird zu lesen sein: herdan, d. i. herwarts, d. h. auf den Beschauer zu,
ab, eine alte Parallelbildung zu dem noch heute gebrauchlichen hindann.
Diirer konnte ubrigens am Ende hertan geschrieben haben, so wie wir
heute falschlich hintansetzen schreiben (und im Bewufitsein falsch trennen :
hint-an-setzen) statt urspriinglichem hin-dan(n)-setzen.
9. S. 274 gebraucht Diirer den Ausdruck »gellete Felsen.«
Gellet ist eine frankisch-bayrische Nebenform zu dem seltnen Worte
gellig, das weder mit gellen noch mit jah etwas zu tun hat, sondern
allein steht und »blofi, nackt, kahl, rein« bedeutet; man vergleiche
Schmellers bayrisches Worterbuch^ und z. B. die Vordergrundfelsen des
Geistlichen Ritters.
10. Diirers beriihmtes Wort bei seinem Scheiden von Venedig »0
1) ^*gl« Aventins Grammatik von 151 7: illud. das ene.
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eio R. Wustmann: Zu Dtirers schriftlichem Nachlafl.
wie wird mich nach der Sonnen frieren ! Hier bin ich ein Herr, daheim
ein Schmarotzer« verwendet eine Redensart, die auch bei Hans Sachs
gelegentlich vorkoinmt. Einen, der sein Geld mit Madchen durchge-
bracht hat, warnt Hans Sachs vor Treulosigkeit einer solchen:
VVenn du hast nicht mehr zu purschiern,2)
80 wird dich nach der Sunnen friern,
Wann diesc Biibin ist von Flandern,
Sie gibt ein Buben umb den andern.
Von einem, der in der Jugend sein Vermogen verpraflt, sagt er:
Wann aber kumbt der Winter kalter,
Das schwach und unvermliglich Alter,
Erst wird ihn nach der Sonnen frieren.
Beide Stellen sind den Fabeln und Schwiinken von Hans Sachs ent-
nommen und lassen als den allgemeinen Sinn der Redensart erschliefien:
sich nach guter Zeit, wo es einem wohl ging, zurticksehnen.
R. Wustmann.
2) d. h. als Bursch Geld aufgehen zu lassen.
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Zu Leonhard Beck und Sigismund Holbein.
Herr Archivassistent Dr. Hans Kaiser macht mich auf eine Urkunden-
stelle aufmerksam, aus der hervorgeht, dafi Leonhard Beck und Sigismund
Holbein sich im Jahre 1501 in Frankfurt aufgehalten haben. In einem
Gerichtsakt des Strafiburger Bezirksarchivs, Fonds Zabern, Abt Geist-
liches Gericht, heifit es namlich am Schlusse: »Acta fuerunt hec Franck-
fordie sub anno, indiccione, die, mense et pontificatu ac aliquibus supra
[d. i. anno millesimo quingentesimo primo indiccione quarta die vero lune
quarta mensis octobris pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini
nostri domini Alexandri divina providencia pape sexti anno decimo . . .]
presentibus ibidem honestis viris Leonhardo Becker (so!) et Sigismundo
Holpaynn pictoribus testibus ad premissa vocatis specialiter atque roga-
tis.s Der Schlufi liegt nahe, dafi Leonhard Beck (es ist wohl zweifellos,
dafi dieser gemeint ist) und Sigismund Holbein damals in der Werkstatt
Hans Holbeins des Alteren an dem 1501 datierten grofien Altarwerk fur
die Frankfurter Dominikaner mitgearbeitet haben.
Strafiburg i. E. Ernst Polcuztk.
Repertorium fUr Kunstwissenschaft, XXVI. 3-
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Literaturbericht
S k u 1 p t u r.
fitudes sur la sculpture frangaise au moyen-age par Robert de
Lasteyrie, Membre de l'lnstitut. Paris, Leroux, 1902, gr. 40. m.
22 Tafeln (Fondation Eugene Piot, Monuments et Me'nioires publ. p.
l'Acad. des Inscriptions et Belles-lettres, Tome VIII).
Die hier schon angektindigte Untersuchung de Lasteyries iiber die
Daten der nordfranzosischen und provenzalischen Skulpturenzyklen des
12. Jahrhunderts liegt jetzt vor. Die Erwartung, dafi der verehrte, noch
immer jungfrische Altmeister, zu dessen Ftifien eine Generation gesessen
ist, tiber die verschlungenen Fragen neues Licht breiten werde, ist nicht
getauscht worden. Der Band enthalt wichtige Beobachtungen, zumal der
Abschnitt tiber den grofien Bau von Saint-Gilles ist eine Meisterleistung
archaologischer Kritik, durch die uns neue Perspektiven geoffnet werden.
Die reiche Ausstattung, die Wiedergabe z. B. fast aller hier wichtigen stid-
franzosischen Inschriften geben dem schonen Buche zudem einen bleibenden
Publikationswert. Etwas anderes ist es, ob wir hier endgiiltige Aufschlusse
tiber die schwebenden Fragen erhalten. Dies darf man bezweifeln, ohne
de Lasteyrie zu nahe zu treten, der selbst sein Buch bescheiden »Studient
benamst hat. Es ist schade, dafi er das hier so wichtige oberitalienische
Material1) nicht mehr hat benutzen konnen. Denn so bedeutsam seine
Ergebnisse fur Saint-Gilles sind, sie vermogen den sonstigen Mangel an
festen Daten nicht auszugleichen. Er kommt zu nur annahernden, zum
Teil selbst zu allzuwenig annahernden Ergebnissen; auch sind sie besonders
fur Sudfrankreich nicht frei von inneren Widersprtichen.
Fur den Arler Kreuzgang geht de Lasteyrie — wie wir anderen —
von den in den Wanden sitzenden Grabinschriften aus. Da er die
J) Vgl. meinen Aufsatz ilber den provenzalischen Einflufi in Italien in dieser
Zcitscbrift 1902, S. 409 ff.
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Literaturbericht.
513
alteste, von seinem Zeichner librigens ungenau wiedergegebene2) 1165
(statt 1 155) setzt, grenzt er die altesten Arkaden mit den Skulpturen
zwischen 1165 und 1188 ein. Mufi aber deshalb, weil die aufiere
Mauer dieses Nordteils alter (!) als 1165 ist» die zugehorige Arkaden-
stellung spater sein? Darf man, anders ausgedriickt, den terminus ante
fur die Mauer so ohne weiteres in einen terminus a quo fur die Ar-
kaden verwandeln? Ich mochte behaupten, die Grenze 11 65 bleibe hier
durchaus hypothetisch, zumal die Inschriften sparlich erhalten sind. Tat-
sachlich ist nun de Lasteyrie das Jahr 1165 noch als ein viel zu fruher
Anfangstermin erschienen. S. 55 ist er bereits ins dernier quart des
Jahrhunderts gertickt und S. 62 steht mit nackten Worten: »un fait (!)
me parait bien etabli, c'est que les sculptures du cloitre de Saint-
Trophime d'Arles (gemeint sind die altesten) datent de 1180 environ«.
Dieses Datum nun ist, weit entfernt, ein fait bien dtabli zu sein, nur doch
ein Irrtum. Das geht aus meinen Ausfuhrungen (in dieser Zeitschrift 1902,
S. 421 ff.) mit unbedingter Gewifiheit hervor. Denn da das jungere Arler
Atelier spatestens in der ersten Halfte der 70 er Jahre in Bliite war, so
konnen fiir die altesten Sachen im Kreuzgang hochstens die 60 er Jahre
in Frage kommen. Doch auch dieses Datum ist sehr wahrscheinlich ein
zu spates. Es ist nicht anzunehmen, dafi, wie de Lasteyrie (mit Marignan)
glaubt, Kreuzgang und Portal »a peu d'annees d'intervalle« gemeifielt
sind. Ein Stilwandel wie dieser hat sich wohl nicht mit Eilzugsgeschwinde
2) Bci der Wichtigkeit der Inschrift sei hier das gen.iuere mitgeteilt: Auf der
Spitze des Q (in dem »c]uinto«t) ist deutlich das t' angegeben, in dem O-artigen Teile
des M (in der Jahreszahl) ist 1. eine Zacke angebracht, ahnlich denen im O der ersten
Zeile; das O in »anno« hat vielmehr die Form einer ohrartigen Schleife; desgl. das
in »Trophimi«, hinter dem auch die Interpunktion fehlt. An dem C in »sci« ist unten
ein Hakchen, wie es weiter oben das C in »canonicus« zeigt; de Lasteyrie liest den
Xamen »de Bascle«, nach meiner Kopie ist aber der letzte Buchstabe kein E, sondern
ein O mit zwci zackenartigen Ansatzen im Innern, und der Buchstabe im Innern des
C kein L, sondern ein I. Danach ware Bascio zu lesen; dafl der letzte Buchstabe kein
E istf ergibt auch seine Schmalheit im Vergleich zu dem E weiter oben. Hinter dem
Bascio fehlt bei de Lasteyrie wieder die Interpunktion, wie hinter »obiit« und »idusc.
Eine mechanische Wiedergabe der Inschrift ware, wie man sieht, zu wlinschen. — Die
Ziflfer X (in der Jahreszahl) ist im Original (wie bei de Lasteyrie) als Stern gegeben,
es ist, scheints, eine Kombination eines X und eines senkrecht stehenden Kreuzes. Da
nun auf dem Original der X-artige Charakter der Diagonalbalken minder hervortritt, auch
das O dariiber fehlt, das de Lasteyries Zeichner zu Unrecht liber dem C (der ZifTer)
vergessen hat, da ferner auch zwischen C und L ein nicht deutliches, Ubrigens deutlicher
als bei de Lasteyrie zu sehendes Zwischenmotiv eingeschaltet ist, hab ich den Stern
einfach als Stem aufgefafit und 1 155 gelesen; doch das O fehlt auch sonst oft Uber den
Zehnem der Arler Inschriften. Interessant zum Vergleich das den gleichen Achtstern
bildende Monogramm ChrisU in der Grabschrift des Abts Isarnus im Museum von Marseille.
35*
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5i4
Literaturbericht.
vollzogen; das zeigt der Blick auf Italian, wo die derselben Schul-
gemeinschaft angehorenden Sachen durch lange Jahrzehnte ein fast
unverandertes Gesicht zeigen. Ich selbst habe friiher den Zeitabstand —
wohl noch etwas zu gering — auf ein bis zwei Jahrzehnte veranschlagt.3)
Also kamen wir fur den Beginn des Kreuzgangs doch (spatestens) bis in
die Mitte des Jahrhunderts zurtick. Was von den ikonographischen Bedenken
zu halten ist, wurde schon an der Himmelfahrt hier erortert; man hore
auch de Lasteyrie: Saint-Trophime est figure sans mitre, sans autre attribut
que la chasuble et la crosse. C'est une fa^on archa'ique de representer
un dvSque. Elle m'etonne un peu pour la seconde moitie du
XI Ie siecle . . .« Auch wird dann der »archaische« Charakter der
Steinigung Stephani (wie der Himmelfahrt) betont (S. 61). Das Krieger-
kostiim aber, von dem S. 55 gesagt wird, dafi es in der ersten Halfte
des 12. Jahrhunderts ganz ungewohnlich sein wtirde, diese nur bis auf
die Mitte der Oberschenkel reichenden, mit grofien Schuppen benahten
Panzer und darunter das etwas langere, an die Kniee reichende Hemd,
kommt ganz entsprechend am Sockel der Fassade von Saint-Gilles vor
(beim Goliath), deren Entwurf de Lasteyrie selbst schon um 1140 fur
moglich halt.
Den Abschnitt uber die Arler Fassade kann ich kurz tibergehen.
de Lasteyrie setzt sie, sicher zu spat, zwischen n 80 und 90 an.4)
Eine der wichtigsten Partien ist dann die lichtvolle, ergebnisreiche
Baugeschichte von Saint-Gilles. Das Datum von n 16 ist danach auf
die grofiartige Unterkirche zu beziehen. Ganz neu die Anschauung, dafi
die vielbesprochenen Rippengewolbe der letzteren gar nicht im ursprung-
lichen Plane lagen. Man entschlofi sich erst spater zu denselben, nach-
dem schon ein grofier Teil des Raumes mit (z. T. noch heute erhaltenen)
einfachen Gratgewolben eingedeckt war. Die Fassade nun ruht auf der
Westwand der Unterkirche. Die in die letztere eingelassenen lnschriften
gestatten, sie um (oder kurz vor) 1142 anzusetzen. In diese Zeit oder
doch nicht viel spater mufi dann aber auch die Idee zur Fassade
•*) Anfange des monum. Stiles im MA, 1894, S. 131. Ich bin hier ein um
so unverdachtigerer Zeuge, als es mir doch darauf ankam, mit dem Kreuzgang nicht
allzu weit zurlickzugehen !
4) Als Kuriosum sei hier in bezug auf den Siegelbeweis (vgl. Rep. f. Kunstw.,
1902, S. 428) mitgeteilt, dafi schon das Mittelalter selbst zwischen Darstellungen auf
Siegeln und Steinskulpturen — anscheinend zu ungunsten der ersteren — kritische
Vergleiche angestellt hat. »In huius Ditrici sigillo ebumeo et rotundo« — heiflt es
vom Abt dieses Namens (Ende 11. Jahrhunderts) in der Randnotiz der Historia Cremi-
fanensis, »abbas huius nominis residet non mitratus licet ante eum Erchembertus sculp-
tus sit in lapide altaris sacro cum infula et post eum Heinricus in sigillo oblongo de
ere sculptus cum infula adhuc videaiur.* (Mon. Germ. SS. 25, 670.)
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Literaturbericht.
5*5
mit ihren Skulpturen fallen, derm >\e portail de Saint-Gilles . . . pre-
sente en son milieu une partie caracte'ristique, c'est cette sail lie formee
par deux couples de colonnes porte'es sur un socle e'leve*. Or, le mur
anterieur de la crypte offre en son milieu une sail lie correspondant ex-
actement a ' celle-la, et la portion de mur qui la forme n'a pu £tre
construite apres coup . . . N'est-il pas certain des lors que le portail
n'a pu etre e'leve' un bien grand nombre d'annees apres la date donne'e
par cette inscription (von 1142)? So S. 96. Ich pflichte gern diesen
Darlegungen bei; wenn es dann aber S. 108 von den Saint-Giller Meistern
heifit: leur ceuvre est done certainement ante'rieure aux sculptures d'Arles,
so ist das doch hochstens fiir die Arler Fassade als bewiesen (oder als
sehr wahrscheinlich) hinzunehmen.5)
Denn ob den Statuen von Saint-Gilles oder den altesten im
Kreuzgang von Aries der zeitliche Vortritt gebuhrt, das bleibt wohl
noch ein Problem. In Aries tritt der provenzalische Schulstil in seiner
strengsten Geschlossenheit auf; er halt sich hier am langsten und von
hier gehen sicher die starksten Wirkungen in weite Feme. Das ftihrt
mich dazu, in Aries die Wiege der provenzalischen Plastik zu suchen.
In Saint-Gilles spielen fremde Einfltisse stark hinein; es legt das die
Vorstellung nahe, dafi auch die Hauptmeister — eben von Aries — erst
nach hier berufen wurden. Der Stil zudem zeigt etwas wie eine Ver-
wilderung zum Unruhigen. Doch gern gebe ich die Moglichkeit zu,
die bewegtere Art fiir die ursprunglichere zu halten und anzunehmen,
dafi die ^Entwicklung« der Schule sich im Sinne einer stufenweis zu-
nehmenden Krystallisation — zum immer Starreren — vollzogen habe.
De Lasteyrie geht leider auf diese Entwicklungsprobleme gar nicht ein;
er erlautert seine Ansicht nur an den Inschriften. In Saint-Gilles kommt
neben dem runden C noch das eckige vor. Aber entscheidet das gegen
den Kreuzgang? Die Beischriften im altesten Teil desselben sind gar so
sparlich. Nach meinen Aufzeichnungen haben wir hier einschliefilich
derer an den Kapitellen im ganzen nur 56 Buchstaben, unter ihnen aber
nur ein einziges C! Einen Wechsel von rundem und eckigem C zu
beobachten, ist hier also gar keine Gelegenheit! Ubrigens liebt das eckige
C noch der (doch aus der jiingeren Arler Schule hervorgegangene!)
Antelami. Ja, wir sehen ihn auf diese Form zurtickgreifen (am Bap-
tisterium zu Parma), wahrend er an der alteren Domkanzel die runde
Form hat Bemerkenswert auch das Vorkommen altertiimlich eckiger
Formen in der (jiingeren) Ostgalerie des Arler Kreuzgangs, im Worte
5) Das hShere Alter der Saint-Giller Fassade vor der von Aries nachdriicklich
betont zu haben, ist A. Marignans Verdienst.
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5*6
Literaturbericht.
Gamaliel, wo ein eckiges G neben eckigem E vorkommt, das uber-
haupt in den Arler Inschriften der Spatzeit des 12. wie noch des 13.
Jahrhunderts haufig ist, wahrend in der alteren Nordgalerie nur rundes
E steht
Doch wie auch zu schliefien sei, der Abstand der beiden Oruppen —
Aries Kreuzgang und Saint-Gilles — ist kein betrachtlicher. Man lege
die beiden Paulusfiguren zusammen und vergleiche nur! Neben der Stil-
verwandtschaft aber sind Ubereinstimmungen im Kostiimlichen nicht
wenig wichtig, wie die in der genannten Kriegertracht Aries Kreuzgang
und Saint-Gilles stehen hier in einem gemeinsamen Gegensatz zur Arler
Fassade, die eine andere, eben die jiingere Tracht zeigt.
Der Fries an der Fassade der Kathedrale von Nimes ware nach
de L. im Stile altertumlicher als selbst die altesten Statuen in Aries
und Saint-Gilles! Ich gestehe, dafi mir das bei der Prufung des Ori-
ginals nicht aufgefallen ist. — De L. halt auch den (in Abbildung
mitgeteilten) Fries von Notre-Dame de Beaucaire fur ein Fruhwerk aus
dem 2. Viertel des 12. Jahrhunderts. Ich kenne den Fries wie die eben-
dort bewahrte Madonna nicht aus eigener Anschauung. Nach der Ab-
bildung glaube ich, dafl de L. sich geirrt hat Er hat hier die Er-
starrung der spateren Zeit fur ein Zeichen hohen Alters genommen.
Denn es scheint hier im Stil die nachste Beziehung nicht zu Saint-Gilles,
sondern zur Arler Fassade zu bestehen. Man beachte nur bei den Knechten
hinter dem sein Kreuz tragenden Christus die schematische Doppelfalte
in der Gurtellage und die Art, wie unter dem kurzen Knierock der
Bauch hindurch modelliert ist. Ich habe schon fruher diese Charakte-
ristika des Arler Fassadenstils an den von hier aus inspirierten Modcneser
Sachen festgestellt (in dieser Zeitschrift 1902, S. 415, Abs. 2). Es zeigt
sich, wie dringend ein genauer Vergleich des Frieses von Beaucaire mit
diesen letzteren sowohl als mit Aries ware. Von der am Sockel der
Madonna von Beaucaire gegebenen Inschrift (Abb. S. 55, Fig. 32) be-
merkt de L. S. 126: Elle differe beaucoup en effet de toutes celles, que
j'ai signalees au milieu des sculptures d'Arles et de Saint-Gilles. Aber
hier ist ihm offenbar die von ihm selbst (S. 50, Fig. 10) mitgeteilte al teste
Grabschrift des Arler Kreuzgangs (von 1165) entgangen. Zwischen
diesen beiden Inschriften finden sich sehr auffallende Ubereinstimmungen,
z. B. kommt hier wie dort genau dasselbe unziale T vor mit einem
kleinen Hakchen an der grofien Kurve, ferner ein O in Form einer ohr-
artig eingebogenen Schleife. Neben dem unzialen T findet sich noch
das kapitale (in der Grabschrift steckts in der Ligatur et), wie denn
auch das eckige M ftir beide Inschriften charakteristisch ist. Fur E und
N kommen die kapitale wie die unziale Form hier wie dort nebenein-
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Literaturbericht.
517
ander vor (auf dem Madonnenrelief rundes E in Verbindung mit rundem
D, wahrend das eckige N hier in dem abgekiirzten > Sapientia« steckt).
Neben diesen doch recht zahlreichen Vbereinstiinmungen finden
sich Abweichungen ; aber jene sind auffallend genug, urn die Vermutung
nahezulegen, dafi Relief und Inschrift zeitlich nicht allzuweit auseinander
liegen mochten. Es erbffnet sich hier also einer der Umwege, auf
denen wir zu einem Urteil auch liber das Alter der Arler Fassadenskulp-
turen gelangen konnen. Zugleich bestatigt mir der Schriftcharakter die
Beziehung gerade zu Aries! Auf Aries weist ubrigens auch sehr deutlich
der Baldachin der Madonna, dieser Giebelbau mit seinem Eierstabdecor
am Bogen und den mit Blendfenstern geschmtickten Eckbauten. Denn
was ist er anders als eine Doublette des Arler Paradiestores (am Friese
rechts vom Ttirsturz), dessen Motive sich auch am Modeneser Lettner
finden (meine Notiz a. a. O. S. 414). Es ware zu wunschen, dafi weitere
Ermittelungen tiber das Alter der Modeneser Sachen hier zu Hilfe kamen.
Es ist de L.s leitender Gedanke, darzutun, dafi um des spateren Datums
der provenzalischen Sachen willen von einer Einwirkung derselben auf
die Schule von Chartres keine Rede sein konne. Nun setzt aber de L.
selbst das Westportal von Chartres in die Zeit von ca. 11 50 — 1 175, die
Porte Sainte-Anne in Paris gar erst 11 80 — 11 90.
Die Arler Fagadenskulpturen, auf die es hauptsachlich ankommt,
sind, wie gesagt, ganz sicher nicht spater als 1125. Dafi dieser terminus
ante aber noch nicht der eigentliche Termin ist, machen die erwahnten
Beziehungen der, wie ich glaube, jiingeren Arbeiten von Beaucaire zur
Arler Inschrift von 1165 wahrscheinlich. Sicher ist, dafi wir weitere
Anhaltspunkte ftir das Datum der Fagade bis jetzt iiberhaupt nicht be-
sitzen. Wie unsicher aber das Ausgehen vom Stileindruck ist, zeigt
wieder Beaucaire.
Allerdings auch das Datum der nordfranzosischen Skulpturen bleibt
noch ein halbgelostes Ratsel. Die Grabungen, die der unermudliche
Eugene Lefevre-Pontalis in Chartres hat vornehmen lassen, haben der
Forschung einen neuen Anstofi, ja neue Grundlagen gegeben; neben den
scharfsinnigen Rekonstruktionen Lefevre-Pontalis' selbst,6) verdienen hier
auch die nicht wenig umsichtigen Ausfuhrungen Albert Mayeux' Beach-
tung.7) Ich glaube jedoch, de L. lehnt es mit Recht ab, in der Ma-
donna des Tympanons rechts die vom Archidiakon Richer um ii5oge-
stiftete zu sehen; damit beraubt man sich allerdings des einzigen direkten
*) Lcs Facades successives de la cathcdrale de Chartres au XIc et au XIIc
siecle, Caen (Delesques, Rue Froide 2 et 4) 1902.
7) Reponse a Mr E. Lefevre-Pontalis sur son article Les facades successives etc
par Albert Mayeux, Chartres (Garnier, Rue Noel-Ballay 15), 1903.
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5i»
Literaturbericht.
Datums fiir die Skulpturen. Es verbleibt, als indirekter Anhalt die Bau-
geschichte der zwei Turme. Mayeux' Ausfiihrungen zeigen, wie schwer
es ist, hier das Portal an richtiger Stelle einzuordnen. Nach ihm ist
das Portal alter als der jungere8) Stidturm; das rechte Seitenportal
mufite, meint er, etwas zusammengeschoben werden, uin flir den Turmbau
Platz zu machen. Tatsachlich sind ja die Friese des Tympanons rechts
beschnitten, doch kann unmoglich die Madonna, das Mittelstiick des
eigentlichen Bogenfeldes oben, damals allein erneut sein, denn die Figuren
rechts und links, wie die auf den Laibungen sind von ganz dem gleichen
Stil wie sie.
Immerhin bringt de L. auch fiir Nordfrankreich wichtiges Material bei.
Interessant z. B. die Beobachtung (vgl. Taf. IV und S. 27), dafi der Tiir-
sturz des linken Seitenportals von La Charite-sur-Loire uiit dem des
eben genannten rechten Chartreser Eingangs die auffallendste Uberein-
stiinmung zeigt; de L. benutzt diese Beobachtung dann, urn daran eine
neue Hypothese tiber den Ursprung der Chartreser Schule tiberhaupt zu
knlipfen (S. 78 f.).9) Sollte nicht aber eher ein Einflufi von Chartres auf
La Charite* als das Umgekehrte vorliegen: Ein Zusamtnenstromen bur-
gundischer und nordfranzbsischer Einfliisse ist in La Charite' schon bei
der geographischen Lage wahrscheinlich.9) Minder gliicklich als der
Vergleich mit dem Tympanon von La Charity ist das Hineinziehen der
datierten (mir iibrigens lange personlich bekannten) Skulpturfragmente von
Saint-Lazare in Autun. In den mannlichen Kopfen ware hier eher eine
Beziehung zu Saint-Gilles zu entdecken (man vergleiche den Kopf des
Jacobus minor a. S. 105, besonders ftir die Stirn und das lange hinter
die Ohren zuriickgestrichene Haar; ftir den Bart den Kopf auf Taf. XX);
doch ist zu bedenken, dafi annahernd ahnliche Typen auch sonst in der
Bourgogne vorkommen. Die Skulpturen von Senlis kann man doch wohl
kaum noch zur selben »Familie« rechnen, wie die des Chartreser West-
portals! Dagegen ware es wichtig gewesen, auf Laon hinzuweisen. Hier
findet sich in dem kleinen musde lapidaire im Palais de justice noch
ein seither ubersehener Torso einer mannlichen Figur » Chartreser «
Schule in reich geschmucktem, kunstvoll genestelten Schultermantel.
Das Auftauchen dieses Stticks in unmittelbarer Nahe der Laoner Kathe-
drale ist aber darum von besonderem Interesse, weil offenbar ein Teil
der noch an Ort und Stelle befindlichen Laoner Fassadenskulpturen —
das Tympanon mit dem jiingsten Gericht und die zwei innersten, es
8) Das zeitliche Verhaltnis der Tlirme ist durch Lanore sichergestellt.
9) Zu vgl. fiir La Charite meine Beschreibung der Berliner Bildwerke, die Elfen-
beinbildwerke, Berlin 1900, No. 77.
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Literaturbericht.
5*9
kranzenden Archivolten — derselben Richtung zugehoren, wie jene Statue
im Museum; zu beach ten auch das Vorkommen derselben kreuzweisen
Verschniirung oben am Schultermantel (der zweite von rechts, in der
Apostelreihe z. B.). — Auch die Beziehungen, die, wie ich glaube, von
dem ostfranzosischen Zweige der Chartreser Schule (Portal in Chalons s. M.)
nach Rouen hiniiberfuhren, sind de Lasteyrie entgangen.
Zum Schlufl ein Wort der Verstandigung. Im Grunde ist die
Genesis der nordfranzosischen Kunst doch wohl nirgends anders zu
suchen als im Genie der nordfranzosischen Meister. Die nordfranzosische
Kunst als Stil (!) ist — eine >Schopfung". Daher kann die ihr von aufien
gekommene Anregung nur allgemeiner Art gewesen sein. De L. halt
mir mit Unrecht den Gegensatz des Stils in Nord und Slid entgegen.
Habe ich ihn jemals bestritten, ja, hat ihn irgend jemand scharfer be-
Ieuchtet?
Auf einzelne der Symptoine, die trotzdem fur einen Zusammenhang
zu zeugen scheinen, moge hier noch hingewiesen sein.
Interessant ist da z. B., dafi sowohl in Chartres wie in Le Mans
die so charakteristischen provenzalischen Zackenbordiiren an den Ge-
wandern sich finden. Es ist kein Zickzackband, sondern eine Reihung
kleiner plastisch herausgehobener Zackchen. Auch die fiir die proven-
zalischen Ateliers in so hohem Mafie bezeichnencle knittrige Faltelung
der Oberamel, die ja auf Antelamis erstes datiertes Werk (im Dom zu
Parma) von Aries aus ubergegangen ist, findet sich wieder sowohl in
Chartres wie z. B. in Le Mans; wer neben den Armel des Konigs Salomo
hier eine Auswahl provenzalischer legt, wird kaum behaupten konnen,
dafi es an Anklangen im Arrangement der Falten fehle. Aber auch
sonst zeigen sich solche. Denn gerade jenes eigentiimliche Arler Motiv,
das Antelami in Aries aufgrirT, sich ganz darein verliebend, jenes Aus-
einanderspringen der Bogenfalten in der Kurve, so dafi zwei Rucken ent-
stehen (vgl. meinen Aufsatz in dieser Zeitschr. 1902, S. 420) findet sich
auffallend deutlich wieder in Chartres und Le Mans, z. B. in klassischer
Auspragung am Mantel des Bartigen gleich links neben der Offnung des
Chartreser Hauptportals, dessen Nebenmann (am Halssaum) die Arler
Zackchen, am Mantel ein ebenfalls provenzalisches Bordurenmotiv (aus
gereihten Blattern bestehend) aufweist. Auch bei dem Salomo in Le
Mans (oder beim David dort) ist das Sichspalten der Faltenrucken
gegeben, beim Salomo, der den »Arler» Armel zeigt, der links
von einer Frau steht, die den Arler Zackenstreifen am Mantel auf-
weist. Ist eine solche Haufung provenzalischer Charakteristica, denn um
solche handelt es sich, nicht doch ein wenig auffallend an Figuren, die
wie ich friiher gezeigt habe, in ihrem ganzen Entwurf, in der »Erfindung<
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520
Literaturbericht.
mit Arler Gestalten die rnerkwiirdigste Verwandtschaft haben. — Ich
konnte auch von den Kopfen sprechen und auf die Bildung des Auges
deuten. Man vergleiche z. B. die schwere Bildung des Oberlides beim
Petrus des Arler Kreuzgangs und halte etwa den Frauenkopf ganz links
am Chartreser Mittelportal daneben und dann wieder ein byzantinisches
Gesicht, mit seinen langlicheren Augen. Doch ich will die »These« hier
nicht aufs neue durchfechten; dazu bediirfte es der Abbildungen und
grofieren Raumes. — Es sind mir byzantinisch beeinflufite Werke der
Kleinkunst, in Deutschland besonders, bekannt geworden, die auf den
ersten Blick einzelnen Chartreser Statuen sehr nahe scheinen. Dennoch,
ich glaube nicht an einen so engen Zusammenhang der Chartreser und
der byzantinischen Art. Die Abwesenheit gerade der charakteristischen
byzantinischen Gewandmotive ist fur den Chartreser thronenden Christus
z. B. bezeichnend usw.
De L. ereifert sich, dafi ich frtiher die Skulpturen von Chartres
(doch nur zum Teil! denn ich habe ein Fortarbeiten durch mehrere Jahr-
zehrite in Chartres angenommen, was de L. gar nicht anfiihrt) fur frtiher
als die (tibrigens nicht erhaltenen) von Saint-Denis genommen habe. Ich
habe aber schon vor Jahren (in diescr Zeitschrift 1899, 102) unauf-
gefordert erklart, dafi wahrscheinlich Saint -Denis der zeitliche Vorrang
gebtihre und damit zugleich den von der Languedoc gekommenen Ein-
flussen. Im ubrigen — fiir den Einflufi und die Bedeutung der Schulen
entscheidet denn doch noch etwas anderes als der Kalendermann. Miissen
wir nicht in unserer eigenen Existenz bisweilen erleben, dafi uns j linger e
unversehens tiber den Kopf wachsen? So wars mit Chartres und Saint-
Denis. In Chartres offenbart sich (gegentiber den Fassadenskulpturen
am Baue Sugers) die bei weitem grofiere, die »bahnbrechende« Begabung.
So kommt es, dafi die meisten kleineren Werke der Richtung sich um
Chartres und nicht um Saint-Denis gruppieren, das heifit, mit Chartres
beginnt gleichsam ein eigener Stammbaum, dem selbst die Pariser Werke
dieser Richtung im wesentlichen zugehoren. Dies ist fiir das nicht er-
haltene Portal von Saint-Germain-des-Pre's z. B. an der Bildung der Sockel
noch deutlich zu sptiren, aber auch aus der Zeichnung der Figuren (auf
dem alten Stiche, Abb. bei de L. S. 40), besonders der zwei Frauen-
gestalten noch herauszufuhlen. Der zeitliche Vortritt von Saint-Denis andert
an diesen Filiationen nichts. — Saint-Denis Bedeutung und Einflufi tritt
dann wieder mit dem Konigsportal des Nordtransepts in den Vordergrund.
Doch sprechen wir nochmals dem hochverehrten Meister unseren
Dank fiir die reiche Gabe aus! Voge.
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Ausstellungen.
Die Ausstellung muhammedanischer Kunst in Paris.
Von Fr. Sarre.
In den Monaten Mai unci Juni 1903 fand im Pavilion de Marsan
des Louvre in Paris eine Ausstellung muhammedanischer Kunstwerke
(Exposition des Arts Musulmans) statt. Die Union des Arts Decoratifs,
deren kunstgewerbliche Sammlung in diesem zu einem Museum umge-
wandelten Flugel des Louvre nach jahrelanger Heimatlosigkeit wiederum
Unterkunft gefunden hat, hatte das Unternehmen veranstaltet und zwar
in raumlicher Verbindung mit dem bisher zur Aufstellung gelangten
Besitzstande des Museums, mit der orientalischen Abteilung, deren Glanz-
stticke aus der bekannten Sammlung Albert Goupil stammen. L^m das
Zustandekommen der Ausstellung haben sich vor allem Louis Metman,
Gaston Migeon und Raymond Koechlin verdient gemacht; sie haben mit
grofiem Verstandnis und in weiser Beschrankung aus dem Besitz der
Pariser Sammler und einiger Handler nur das Beste ausgewahlt; das
Ausland war durch eine hervorragende Bronzeschale des Herzogs von
Arenberg in Briissel und durch einige Teppiche und Bronzen des Schrei-
bers dieser Zeilen vertreten. Die Aufstellung der Kunstsachen in einem
Oberlichtsaale und drei grofien Seitenraumen konnte mustergiltig genannt
werden. Die so schwer zu reenter Wirkung kommenden Teppiche hatte
man auf den hellen, z. T. mit Stoff bespannten Wanden in bester Be-
leuchtung aufgehangt; in nicht zu groflen Vitrinen die kleineren Kunst-
werke so untergebracht, dafl jedes Stuck fur sich betrachtet werden konnte.
Im Vestibul dienten als Einftihrung in die Welt des Orients eine Samm-
lung von photographischenAufnahmen bemerkenswerterArchitekturen,femer
eine Auswahl von Lichtdruck- und Farbentafeln aus einem im Erscheinen
begriffenen deutschen Werke, den »Denkmalern Persischer Baukunst«.
Die Ausstellung war nicht die erste ihrer Art. In Paris hatten
schon 1878 und 1893 kleinere Vorfuhrungen oriental ischer Kunstwerke
stattgefunden ; in London hatte im Jahre 1885 der Burlington Fine Arts
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5 2 2 Ausstellungen.
Club in einer Exhibition of Persian and Arab Art den Besitzstand eng-
lischer Privatsammlungen auf diesem Gebiet gezeigt; fiinf Jahre spater
war die imposante Wiener Teppichausstellung gefolgt und 1897 und 1899
zwei kleinere Privatausstellungen, die der F. R. Martinschen Sammlung in
Stockholm und die des Verfassers im Kgl. Kunstgewerbe-Museum zu Berlin.
Die diesjahrige Veranstaltung in Paris libertraf alle frtiheren, und sie
hat dadurch, dafi sie nur Ausgcwahltes vorftihrte, auch dem Fernerstehen-
den einen Begriff von der kiinstlerischen Bedeutung des muhammedanischen
Orients zu geben verniocht. Der Forscher auf diesem Gebiete fand ein
reiches Studienmaterial, dessen" Ausnutzung ihm in liberalster Weise er-
moglicht wurde.
In den franzosischen Zeitschriften ist liber die Ausstellung mehr-
fach berichtet worden. Reich illustrierte Artikel hat G. Migeon in Les
Arts (Nr. 16) und in der Gazette des Beaux-Arts (551 livr.), R. Koechlin
in der Revue de l'Art (Nr. 75) veroflfentlicht. Fine groflere Publikation,
100 Lichtdrucktafeln in Folio ohne begleitenden Text, hat Migeon soeben
herausgegeben. In der deutschen Presse hat der bekannte Orientalist
M. Hartmann in einem langeren Aufsatze (Tagliche Rundschau Nr. 141)
auf die Bedeutung der Ausstellung hingewiesen und zu ihrer Besichtigung
aufgefordert. Es ist bezeichnend fiir das mangelnde Interesse, das man
in Deutschland dem islamischen Kunstgebiet entgegenbringt, dafi unsere
Tages- und Kunstzeitschriften die Ausstellung fast vollstandig ignoriert
haben, wahrend sie es sich sonst niemals versagen, auch auf die unbe-
deutendsten Erscheinungen des Pariser Kunstlebens hinzuweisen.
Ein in zwei Auflagen erschienener Katalog beschrankte sich auf
kurze Beschreibungen; er enthielt aufierdem Daten und sonstige Angaben,
die Max van Berchem aus arabischen, M. Huart aus persischen Inschriften
entziffert hatten. Manche Angaben des Kataloges haben nicht allgemeine
Zustimmung gefunden, worauf im folgenden hingewiesen werden wird.
Das interessanteste Gebiet der islamischen Kunst, auf dem noch
viele Fragen zu losen sind, ist unstreitig die Keramik. Als altestes
Stiick (> perse-sassanide au debut de e' Hegire<) verzeichnete der Ka-
talog das Bruchstiick einer grofien unglasierten Tonvase mit mensch-
lichen und Tierfiguren in starkem Relief. (Nr. 312. — Comtesse de Btfarn).
Die darauf vorkommende arabische Inschrift mit ihren weichen Charakteren
(Neskhi-Schrift) ist jedoch nicht vor dem 10. Jahrh. im Gebrauch gekommen,
und die Vase mufi deshalb, abgesehen von stilistischen Griinden, friihestens
dem n. — 12. Jahrhundert zugeschrieben werden. Gleichartige Vasen-Bruch-
stiicke befinden sich im India-Museum in London (Nr. 340, 1899) und
im Pariser Kunsthandel (Ant. Brimo), sowie ein Vasendeckel im British
Museum, wo als Fundort Rhages in Nord-Persien angegeben wird.
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Ausstellungen. 523
Wahrscheinlich syrisch-rnesopotainischer Herkunft der gleichen Zeit
durften zwei ebenfalls als archaisch bezeichnete Fayencen gelten, die zu
den am meisten bewunderten Ausstellungsobjekten gehorten. Der kiinst-
lerische Reiz dieser beiden Vasen (Nr. 313, 314 — Ctcsse de Btarn, R.
Koechlin, Abbg. Les Arts p. 6) beniht in der einfachen Form verbunden
mit iiberraschend schoner Farbung, deren Wirkung durch Irisation noch
gehoben wird. Der Grund ist hellblau, wahrend eine ornamental stilisierte
Inschrift in schwazer Farbe und starkem Relief den Korper umgibt.
Persischer Herkunft ist eine mit dichter hellblauer Glasur tiberzogene
Reliefware, von der eine kleine Schale mitlnschriftfries (Nr. 409 — H. d'Alle-
mange, Abbg. Les Arts p. 6), eine kleine Flasche mit Jagddarstellungen(Nr.40 7
_ Ctesse de B^arn), eine Fliese mit charakteristisch aufgefafiten Kamelen
(Nr. 410 — A. Rouart) und endlich ein primitives Aquamanile (Nr. 408
— H. d'Allemagne) zu nennen sind. Diese genannten Stiicke sind alter-
tiimlich, z. T. in Chorasan gefunden und stimmen mit ahnlichen im
British Museum befindlichen und vom Verfasser aus Persien mitgebrachten
Tonwaren tiberein; sie durften dem 12. Jahrhundert angehoren, wenn
sich auch dieselbe Technik dort noch 1 anger erhalten hat.
Eine Erfindung des muhammedanischen Orients sind die in Gold-
luster bemalten Fayencen. Der aus einer feinen Schicht von Kupfer
und Schwefelsilber bestehende Ltisterdekor wurde auf der Glasur aufge-
getragen und in einem zweiten Brande fixiert. Als die altesten uns be-
kannten Liisterfayencen gelten die angeblich aus dem Ende des 9.
Jahrh. stammenden Fliesen in der grofien Moschee von Kairuan in Nord-
afrika; sie sollen aus Bagdad stammen und weisen auf Mesopotamien
hin, wo man in Rakka am Euphrat seit einigen Jahren eine Fulle von
lustrierter Ware, Scherben und im Brand mifigliickte, d. h. an Ort und
Stelle hergestellte Gefafie gefunden hat. Der Ton des LUsters ist braun-
rot, der der Glasur geblich. Unter der grofien Anzahl von Rakka-Fund-
stiicken waren besonders ein kleines als Koranstander benutztes Taburett
(Nr. 315 — M. Homberg) als altere, aus dem 12. Jahrh. stammende
Arbeit, andere Stiicke aus dem Besitz von MM. Koechlin und Mutiaux
(Abbg. Les Arts p. 3 und 8) als jungere Arbeiten (13. Jahrh.) bemerkenswert.
In Agypten finden sich in den Schutthugeln von Fostat, dem alten
Kairo, liistrierte Scherben, die mit der Rakka-Ware grofie Ahnlichkeit
haben. Daneben sind fiir die agyptische Keramik Tongcfafie mit vor-
wiegend brauner und gelber Bemalung, teihveis mit eingeritztem Muster,
charakteristisch; sie gehoren dem 13.— 15. Jahrh. an. Ein intaktes Ge-
fafi wie die auf einem Fufi ruhende Schale von M. Koechlin (Nr. 340),
gehort zu den grofiten Seltenheiten.
Auch nach Osten, nach Persien, ist die Technik der Liistrierung
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524 Ausstellungen.
von Mesopotamia! aus verpflanzt worden. Die Ruinenstatte von Rhages
bei Teheran (zerstort 12 12) zeigt Scherben von liistrierten Gefafien, fiir
welche neben ornamentaler Dekoration impressionistisch gezeichnete
Figuren besonders charakteristisch sind. Ein intaktes Beispiel dieser
letzteren Art, wie die vor kurzein in den Besitz des Louvre gelangte
Vase mit sitzenden weiblichen Figuren (Abb. Les Arts Nr. 1, p. 17),
fehlte auf der Ausstellung; dagegen waren zwei kleinere, ornamental be-
handelte Stiicke vorhanden, eine Blumenvase (Nr. 416 — M. Kelekian)
und ein kleiner Topf (Nr. 371 — Qesse de Be"arn), letzterer falschlich
als syrisch bezeichnet. Am bekanntesten sind die persischen liistrierten
Fliesen, welche zur Innendekoration von Moscheen und Mausoleen ver-
wandt wurden. Man unterscheidet Kreuz- und Sternfliesen, die anein-
andergereiht, eine sockelartige Bekleidung der Wande bildeten, und recht-
eckige Reliefplatten mit Inschriften, aus denen man die Gebetsnische
(Mihrab) zusammensetzte. Hier nahm die Mitte eine kleine, von Saulen
flankierte Nisrhendarstellung mit einer herabhangenden Lampe ein. Diese
Llisterfliesen sind schon seit langerer Zeit wegen ihrer koloristischen
und zeichnerischen Vollendung in Europa geschatzt und deshalb aus
Persien selbst fast vollstandig verschwunden. Bekannt sind die orna-
mental dekorierten groflen Kreuz- und Sternfliesen aus Veramin im
nordlichen Persien, von denen R. Koechlin ein 1262 63 n. Chr. (661 d. H.)
datiertes Exemplar (Nr. 450) ausgestellt hatte. Seit zwei Jahren befindet
sich in Paris, von einem Perser zum Verkauf hingebracht, ein pracht-
voller grofier Mihrab aus Liisterfliesen, das einzige, vollstandig intakt
ins Ausland exportierte Stuck. Es tragt gleichfalls das Datum 1262/63,
und scheint demnach gleichfalls aus der Moschee von Veramin zu
stammen. Verkaufsverhandlungen mit dem South Kensington Museum
haben bisher zu keinem Resultat gefiihrt Von diesen Liisterfliesen, so-
wohl den Sternen mit figiirlichen Darstellungen, wie den von Gebets-
nischen stammenden Platten waren eine Reihe von vortreff lichen Bei-
spielen ausgestellt, vor allem aus der Sammlung von M. Manzi (Nr. 427
bis 430, Abbg. Les Arts, p. 2, 4, 6). Gleichzeitig mit den Liister-
fliesen verwandte die persische Architektur des 13. — 14. Jahrhunderts
auch einfarbig, blau und griin bemalte Fliesen, deren Reliefmuster mit
Blattgold iiberhoht ist. Von der kostbaren Technik des Fayencemosaiks,
der zuerst in der Mitte des 13. Jahrhunderts an den Seldschukenbauten
von Konia in Kleinasien nachgewiesenen Technik persischer Herkunft,
waren Beispiele aus der im Bcginn des 15. Jahrhunderts erbauten
Blauen Moschee in Tebriz (Nr. 520 — M. Kelekian) und zwei Bruch-
stiicke von Timuridenbauten in Samarkand (Nr. 406 — M. Kevorkian)
vorhanden. Derselben Herkunft (aus Samarkand) war eine prachtvolle,
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Ausstellungen. 525
aus geschnittenen und dann hellblau glasierten Fliesen zusammengesetzte
Portalumrahmung (Nr. 405 — M. Sivadjian).
Syrischen Fabriken des 13. — 14. Jahrhunderts gehorten mehrere
Gmppen von mittelalterlichen Gefafien an, von denen eine meist als
sikulo-arabisch bezeichnet wurde. Sie ist durch ein auf der Ausstellung
wiederum zutage gekommenes, bezeichnetes Sttick nunmehr endgiltig
nach Damaskus lokalisiert worden. Die betreffende Vase (Nr. 368 —
Ctesse de Beam) hat eiformigen Korper und kurzen Hals; sie stammt
aus der Sammlung des Duca di Verdura, deren Katalog (Rom 1894;
Nr. 273) ein Faksimile der Inschrift wiedergibt. Letztere nennt Damaskus
als Herstellungsort. Die diinh geformten Gefafie dieser Art haben eine
dunkelblaue, besonders glan/ende Glasur, auf der geometrische Muster
und Inschriften in gninlich-gelbem Goldliister aufgetragen sind. Der
Louvre und die Sammlung von Sevres besitzen zwei kleine geradwan-
dige Schalen, die nachweislich gleichfalls aus Damaskus stammen (glitige
Mitteilung von M. Marquet de Vasselot); ein drittes, gleichartiges Stiick
befindet sich in meinem Besitze.
Zu einer zweiten mittelalterlichen syrischen Gruppe, deren Her-
stellungsort leider noch nicht erkannt worden ist, gehoren neben
bauchigen Vasen sogen. Apothekerkriige (Albarellos), deren blaue und
schwarze Zeichnung ohne Angufi auf den Scherben gemalt ist. Das
Muster besteht in Tieren, vor allem Vogeln, auf gemustertem Grunde
Xr. 370 — Ctcsse de Be'arn; Abb. Les Arts, p. 1; Revue de l'Art,
p. 412) oder in geometrischem Muster mit ovalen Palmetten-Medaillons
und Inschriften (Nr. 359, 360 — M. Boy und M. Gillot; andere Bei-
spiele abgeb. bei H. Wallis, The oriental Influence on Italien ceramic
Art, Fig. 4 — 7). Manchmal ist auch der Grund hellblau oder griin
glasiert, wie ein Beispiel des Louvre zeigt.
Seit dem 15., vor allem im 16. u. 17. Jahrhundert sind Syrien und dem
tiirkischen Kleinasien die falschlich Rhodus-Fayencen genannten kera-
mischen Erzeugnisse eigentiimlich. Wie die gleichzeitigen Wandfliesen,
von denen keine besonders hervorragenden Beispiele vorhanden waren,
zeigen auch die Gefafie die charakteristischen Blumen: Nelke, Hyazinthe,
Tulpe und Rose auf weifiem Grunde. Die ausgestellten Teller, Vasen
und Flaschen der kleinasiatischen Gruppe wurden iibertroffen durch
mehrere Beispiele der Damaskus-Gruppe, bei der das leuchtende Bolus-
rot durch ein gedampftes, oft ins Graue spielendes Manganviolett ersetzt
ist. Mehrere solcher Damaskus-Teller aus dem Besitze von R. Koechlin
(Nr. 377 — 380; Abbg. Les Arts 7) gehoren zu den besten keramischen
Erzeugnissen des Orients; Zeichnung sowohl wie Farbe der halb stili-
sierten, halb naturalistisch gestalteten Blumen sind untibertrefflich. Eine
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q 2 6 Ausstellungen.
dritte, wie ein bezeichnetes Sttick im British Museum angibt, in Kutahia
in Kleinasien hergestellte Gruppe derselben Zeit beschrankt sich auf Blau-
malerei. Die Musterung ist ornamental mit persischem Arabesken- und
Rankenwerk, daneben kommen Inschriften und chinesische Motive vor.
Ein Moschee-Leuchter (Nr. 522 — M. Lyon), eine Moschee-Lampe (Nr. 525
— M. Homberg; Abbg. Les Arts, p. 7), mehrere tiefe Schiisseln und
Teller vertraten auch diese kleinasiatische Fabrik vortrefflich.
Von gleicher Mannigfaltigkeit ist die spatere Keramik in Persien,
wo sie zur Safidenzeit (1502 — 1736) eine neue Bltite erlebt. Auch die
Llistertechnik lebte von neuem auf. Man dekorierte Kannen, Vasen,
Schalen auf weifiem sowohl wie auf blauem Grunde mit naturalistischen
Blumen- und Arabesken-Mustern in Verbindung mit chinesischen Motiven.
Eine Reihe von diesen glanzenden, aber kiinstlerisch mit der mittelalter-
lichen Liisterware nicht zu vergleichenden Gefafien waren ausgestellt
(Nr. 454 — 474 bis; Abb. Les Arts, p. 8). Daneben fehlten nicht die in
Nachahmung des chinesischen Porzellans hergestellte persische Blaufayence
und einige Flaschen mit Reliefmustern meist figiirlicher Art und mit griiner
oder gelblicher Glasur (Nr. 486 — 490).
Eine Sammlung von der spateren, dem 18. — 19. Jahrhundert an-
gehorenden bunten Kutahia-Ware (Nr. 534 — 558; Abb. Les Arts, p. 10)
mag nur kurz erwahnt werden.
Auch nach dem Westen der islamischen Welt, nach Spanien, war
die Llistertechnik schon im frtihen Mittelalter gekommen; die Fabrik
von Malaga war seit dem 13. Jahrhundert besonders beruhmk Von
solchen aufierst seltenen, friihen spanischen Lustergefaflen, zu denen die
Alhambra -Vasen gehoren, zeigte die Ausstellung keine Beispiele, dagegen
wTaren die Fabriken des 15. und 16. Jahrhunderts gut vertreten; ein
Teller mit der Darstelluhg des hi. Georg erregte besonderes Interesse
(Nr. 601 — M. Sig. Bardac; Abbg. Les Arts, p. 9).
Schon seit geraumer Zeit stehen die mittelalterlichen gold-
emaillierten Glaser in hoher Wertschatzung. Sie sind nach den
neuesten Forschungen in Syrien und Palastina hergestellt worden, auf
Grund antiker Tradition; denn schon die phonizische Glasfabrikation des
Altertums war beriihmt, und ihre Erzeugnisse sind formal und technisch
die Vorganger der mitteralterlichen; andererseits werden noch heut in
Hebron kleine Lampen in der Form der bekannten mittelalterlichen Mo-
scheelampen gefertigt. Bei den iiltesten Stucken dominiert die Vergoldung,
die uberhaupt technisch die Hauptsache ist, da sie die Umrisse und
meist auch die Unterlage fur die Emaillierung bildet. Das Osterreichische
Handelsmuseum hat im Jahre 1898 in einem Prachtwerke den Bestand
an diesen orientalischen Glasgetaflen publiziert. Bei der Ausstellung war
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Ausstellungen. c 2 7
wiederum eine Reihe von bisher unbekannten Exemplaren zum Vorschein
gekommen; es waren ungefahr 50 Stiick ausgestellt, ein Drittel aus Roth-
schildschem Besitze. Ein verhaltnismaflig frtihes Datum (1295 — 97) trug
ein Lainpenfragment (Nr. 637 — Mme. Delort de Gle'on), und nicht
viel jtinger mag ein kleines Flacon mit einem Adler-Wappen und den
Titeln eines Mamluken-Sultans von Agypten sein (Nr. 638 — M. Peytel).
Zwei Flaschen mit langem Hals, die eine mit ngtirlichen Darstellungen
(Nr. 647 — M. Bardac), die andere mit einer Inschrift (Nr. 648 — M.
Gustave de Rothschild; Abbg. Les Arts p. 32) sind hervorragende Stticke
aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ; ebenso zwei etwas spatere gerad-
wandige Schalen aus dem Besitz des Marquis de Vogue. Sehr grofl war
die Zahl der ausgestellten Lampen, meist fur Cairener Moscheen des
14. — 15. Jahrhunderts angefertigt (Abbg. Les Arts p. 25), und unter
ihnen eine aus blauem und eine aus gelblichem Glas gefertigte Lampe
von besonderer Schonheit (Nr. 986. 987 — M. Alph. de Rothschild).
Wir kommen zu den silber- und goldtauschierten Bronzen.
Sie sind neben den goldlustrierten Fayencen und goldemaillierten Glasern
die hervorragendsten kunstlerischen Erzeugnisse des mittelalterlichen Orients,
und ein gewisser Zusammenhang zwischen diesen drei Techniken, deren
Hohepunkt gemeinsam in das 13. — 14. Jahrhundert fallt, ist unverkennbar.
Sie scheinen aus dem Bestreben hervorgegangen zu sein, fur die durch
den Koran verbotenen Edelmetall-Gerate einen aufierlich gleich glanzen-
den Ersatz zu schaffen. Die crste wissenschaftliche Behandlung dieser
Bronzen rlihrt von G. Migeon her (Gaz. des Beaux-Arts t. XXII. u. XXIII).
Er verlegt die Heimat der islamischen Bronzetechnik in das erzreiche
obere Tigristal ; von hier aus, vor allem von Mossul, sei dann die Technik
nach Syrien, Agypten und Yemen einerseits und andererseits nach Persien
gewandert. Die Inschriften, die sich auf den Metallarbeiten finden, geben
uns durch Titel und Namen muhammedanischer Ftirsten, durch die Angabe
der ausftihrenden Handwerker und ihrer Heimat wichtige Anhaltspunkte;
doch ist bisher auf diesem Gebiete nur die Grundlage gegeben. Es gilt
vor allem, um bestimmte Fabriken und Schulen aufstellen zu konnen,
ein grofieres Material zusammenzubringen, das durch die Pariser Aus-
stellung bedeutend vermehrt worden ist.
Zu den altesten, von Migeon der Stadt Mossul selbst zugeschrie-
benen Bronzen gehoren diejenigen, bei denen die Silbertauschierung
in geringem Mafie vorhanden und nur durch feine Linien angedeutet ist;
deren weiteres Merkmal in getriebenen Reliefverzierungen oder frei her-
ausgearbeiteten Tierfiguren, Ldwen oder Vogeln, besteht. AIs altestes
datiertes Stiick gilt eine Kanne vom Jahre 11 90 n. Chr. (Nr. 85 — M.
Piet-Lataudrie; Abbg. Gaz. d. B. Arts p. 359). Wie mir Herr Prof.
Repertorium fur KanstwisBenschaft, XXVI. 36
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528 Ausstellungen.
M. Hartinann mitteilt, enthalt die Inschrift aufierdem das Wort Nacht-
schewan, so dafi es sich also hier wahrscheinlich 11m keine direkt in
Mossul gefertigte Arbeit handelt. Mit dieser Herkunft von dem armenisch-
persischen Hochlande stiinmt es iiberein, dafi eine Reihe gleichartiger mir be-
kannter fruher Bronzen mit Reliefverzierungen in Persien gefunden sind,
und dafi der imposante Leuchter mit zwei Reihen von Lowen und auf-
gesetzten Vogeln (Nr. 72 — M. Piet-Latandrie; Abbg. Les Arts p. 15)
neben der arabischen eine armenische Inschrift tragt. Die Basis eines
gleichen, aus Persien stammenden Leuchters befindet sich seit kurzem
im India Museum in London (Nr. 247, 1902). Zu derselben Gruppe
aus dem Anfang des 13. Jahrh. gehoren mehrere gleichgestaltete Henkel-
kannen mit geriefeltem Korper und Lowenreliefs am Halse, die sich in
Paris im Louvre und im Musee # des Arts Dt*coratifs, in London im
British und India Museum befinden, und von denen der Verfasser ein
gleichfalls in Persien gefundenes Stuck ausgestellt hatte (Nr. 66). Auch
hier ist neben der Einlage von Rotkupfer, einem Merkmal der altesten
Stiicke, die von Silberfaden noch eine geringe.
Eine weitere frtihe Arbeit, die vom Verfasser in Persien gefunden
wurde, ist eine nur Rotkupfer als Tauschierung aufweisende kleine Bronze,
die primitiv in der Form und archaisch in der Inschrift den Namen des
aus Nischapur in Chorasan gebiirtigen Verfertigers tragt (Nr. 172). Per-
sischer Herkunft sind ferner eine Reihe von grofien Schiisseln mit ge-
zackten Randern. Ein alteres, wohl noch der Mitte des 13. Jahrhunderts
angehorendes Sttick (Nr. 173) zeigt ein schon von Migeon mit Recht bei
den persischen Arbeiten hervorgehobenes Merkmal, das Vorwiegen figiir-
licher Darstellungen, die in Medallions angeordnet haufig die ganze Ober-
flache bedecken.
Das bemerkenswerteste Stuck dieser Abteilung und dem bekannten
»Baptistere de St. Louisa in Louvre kaum nachstehend war das grofle
Becken aus altem Familienbesitz des Herzogs von Arenberg, wie ein auf
dem Boden angebrachtes Wappen beweist (Nr. 70 — Abbg. Gaz. d. B.
Arts S. 360). Es zeigt in reicher Silberinkrustation die Technik in ihrer
hochsten Entwicklung. Eine Inschrift im Innern nennt den Namen des
agyptischen Aijubidensultans Malik Salich Nadschmeddin (1240 — 1249); es
sind ferner aufien ein grofier Fries mit Polo spielenden Reitern, orna-
mentale Borten und sechs runde Medaillons mit christlichen Darstellun-
gen (Verkiindigung, Heimsuchung, Geburt Christi, Auferweckung des
Lazarus, Einzug in Jerusalem, Abendmahl), sowie wiederum im Innern
eine Reihe von christlichen Heiligen unter Saulenarkaden angebracht.
Es kann als Beispiel fur die Toleranz oder sogar fiir die in dieser Zeit
nicht verwunderliche Hinneigung der orientalischen Ftirsten zum Christen-
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Ausstellungen . c 2 o
turn gelten; wenn es auch nicht ausgeschlossen erscheint, dafi das Stlick
nur einen Segensspruch auf den betreffenden Herrscher enthalt und fiir
einen christlichen Untertan angefertigt ist. Christliche Darstellungen sind
auf den Bronzen dieser Zeit nicht ungewbhnlich, wie eine von M. O. Homberg
ausgestellte Kanne zeigte (Nr. 90 — Abbg. Les Arts S. 16). Als weitere
hervorragende Arbeiten des 13. Jahrhunderts auf der Ausstellung mogen
ein Leuchter und eine Kanne von R. Koechlin (Nr. 87, 76 — Abbg. Les
Arts S. 14), sowie ein Schreibzeug derselben Sammlung mit dem Datum
1245 (Nr. 77 aus der ehemaligen Sammlung Ch. Schefer stammend) an-
gefiihrt werden.
Wie wir schon andeuteten, ist es gewagt, die frtihen Arbeiten des
13. Jahrhunderts als in Mossal selbst gefertigte oder als persische, agyp-
tische oder syrische unterscheiden zu wollen. Allerdings nennen sich
ofter, wie Migeon a. a. O. ausfiihrt, aus Mossul gebtirtige Handwerker
und geben auch manchmal an, dafi sie an einem anderen Ort, z. B. in
Cairo, das betreffende Sttick gefertigt haben.
Erst spater, im 14. und 15. Jahrhundert, machen sich in den ver-
schiedenen Landern besondere Eigentiimlichkeiten geltend. So zeigen die
in Agypten hergestellten Arbeiten zu dieser Zeit so viele ubereinstimmende
Merkmale im Stil der ornamentalen Dekoration, der Blumen etc., dafi
sie auch ohne inschriftlichen Beweis als agyptisch erkannt werden konnen.
Agyptischer Herkunft aus dem 14. — 15. Jahrhunderts ist z. B. ein
Leuchter von Ch. Gillot (Nr. 162 — Abbg. Les Arts S. 14) mit einem grofien
Inschriftfries, eine Schale aus meinem Besitz (Nr. 148), deren Silberinkru-
station sich besonders gut erhalten hat, eine grofie Schussel aus der
Sammlung H. d'Allemagne (Nr. 138), bei der wiederum die Inschriften
dominieren und in arabischer und lateinischer Schrift den Namen und
Titel Hugos IV. von Lusignan, Konigs von Cypern (1324 — 61) nennen.
Wahrend ein kleiner Adler (No. 133 — M. Homberg) als frtihe, noch der
Fatimidenzeit angehorende Bronzearbeit — ein Gegenstiick befindet sich im
Louvre — angesehen wurde, nannte ein eiserner, goldtauschierter Schlussel
die Namen der Mamlukensultane Barkuk und Feradj (Nr. 238 Ch. Gillot).
Eine Art Wappen, das den Rasulidensultanen von Yemen eigen-
tiimlich ist, gab die Veranlassung, eine Reihe von Bronzen, die den
agyptischen ahnlich sind, aber doch wieder besondere Eigentiimlichkeiten
zeigen, als in Yemen gefertigte Arbeiten anzusehen. Die Inschriften be-
statigten meist diese Zuweisung. Diese Gruppe war durch eine flache
Schussel und einen Leuchter aus dem Besitze von M. Hugues Kraft
(Nr. 140, 171 bis) und durch einen zweiten Leuchter von Mme Delort
de Gleon vertreten (Nr. 168), die dem Louvre vor kurzem eine gleich-
falls aus Yemen stammende, grofie Platte als Geschenk iiberwiesen hat.
36*
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t? 3 o Ausstellungen.
Der westislamischen Kunst gehorte ein Aquamanile in der Form
eines Lowen an, der in der Verwandtschaft mit spanisch-maurischen Denk-
malern z. B. den Lowen am Brunnen der Alhambra seine Herkunft nicht
verleugnet (Nr. 231 — Mme Ernesta Stern; Abbg. Les Arts S. 13). Die
ungefahr dem 12. — 13. Jahrhundert angehorende, mit ornamentalen Gra-
vierungen bedeckte Bronze ist roh in der Form und erinnert an den
Bronzegreifen im Camposanto von Pisa. Das seltene Stuck stammt aus
Valencia in Castilien und gehorte friiher den Sammlungen Fortuny (Katalog
Nr. 67) und Eugene Piot (Katalog Nr. 51) an.
Eine Reihe der bekannten sogen. mongolischen Helme, von denen
einer den Stempel des Arsenals von Konstantinopel tragt (Nr. 247 —
R. Koechlin; Abbg. Les Arts S. 20), waren ebenso bemerkenswert wie
die Waffensammlung von M. Holstein (Nr. 268 — 292), unter der sich
einige gute persische und indische Stiicke befanden.
Von den ausgestellten Azziministenarbeiten, den tauschierten Bronzen,
die unter orientalischem Einflufi in Venedig im 16. Jahrhundert gefertigt
wurden, tragt ein Sttick den Namen des Verfertigers »Machmuds des
Kurden« (Nr. 215, M. Charles Manheim). Er ist uns durch eine gleich-
falls bezeichnete Arbeit im South Kensington Museum bekannt.
Unter den Elfenbeinarbeiten nahm die erste Stelle ein kleines
Kastchen (Nr. 9 — Mme Chabriere-Arles; Abbg. Les Arts S. 28) mit
tief eingeschnittenem, sarazenischem Palmettenmuster und einer kufischen
Inschrift um den Deckelrand ein. Es ist im Jahre 355 d. H. (965/66
n. Chr.) in as-Zahra, der Omaijaden-Residenz bei Cordova, gefertigt wor-
den und stimmt fast vollstandig mit einem Kastchen des Louvre uber-
ein, das aus der Sammlung Albert Goupil (Katalog Nr. 249) stammt und
sogar die gleiche Jahreszahl tragt. Diesem hervorragenden Stiicke schlieflt
sich eine Runddose an (Nr. 12 — Comtesse de Be"arn; Abbg. Les Arts
S. 28), die einer nicht viel spateren Zeit, dem 10. — 1 1. Jahrhundert, zu-
geschrieben werden mufi. Verschlungene Bander bilden hier Medaillons,
in denen neben Palmetten auch Vogel und paarweis gestellte Gazellen,
letztere wie haufig bei spanisch-arabischen Arbeiten mit verschlungenen
Halsen, angebracht sind. Der Deckel scheint eine spatere Arbeit des
13. — 14. Jahrhunderts zu sein.
Zwei Kreuzarme ferner mit einem Rankenfries und allerhand Fabel-
tieren dazwischen sind seit der Ausstellung von 1878 bekannt (Nr. 13 —
M. Doistau; Abbg. Les Arts S. 19) und von Darcel in der Gazette des
Beaux-Arts publiziert worden; es sind typische Beispiele fitr die unter
maurischem Einflufi stehende spanisch-mittelalterliche Kunst des 12. Jahr-
hunderts.
Neben diesen skulpierten Elfenbeinarbeiten waren eine Reihe von
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Ausstellungen. c 3 %
runden und viereckigen Kastchen ausgestellt, deren Dekoration in teil-
weis vergoldeten Umriflzeichnungen besteht. Sie sind vor allem in den
Kirchenschatzen von Spanien und Siiditalien zutage gekommen, und es
ist schwer zu entscheiden, ob es sich um orientalische (agyptisch-syrische)
oder um europaische, unter arabischem Einflufl stehende Arbeiten han-
deh. Die letztere Hypothese dtirfte mehr Wahrscheinlichkeit ftir sich
haben. Als Beispiel erwahnen wir eine runde Vase, anscheinend dem
13. Jahrhundert angehorend, mit Jagern und Pfauen (Nr. 26 —
M. Honiberg; Abbg. Les Arts S. 28). Ein festes Datum, Mitte des
14. Jahrhunderts, gibt die Inschrift ftir eine kleine, mit Sternmuster be-
deckte Dose (Nr. 25 — M. Edm. de Rothschild); ein anderes mit Holz-
marqueterie verziertes Elfenbeinkastchen (Nr. 16) aus demselben Besitz ist
fur den Schatz Sultan Bajazeids im Jahre 1483 von einem aus Brussa ge-
burtigen Kunstler gefertigt worden.
Wenn auch auf dem Gebiet der Teppiche die Ausstellung nicht
mit der grofien Wiener Teppichausstellung vom Jahre 1885 rivalisieren
konnte, so waren doch im Verein mit dem Bestande des Musee des Arts
dtfcoratifs eine Reihe von prachtvollen altpersischen Teppischen im Pa-
vilion de Marsan vereinigt. Wohl das al teste, vielleicht noch dem
15. Jahrhundert, keinesfall jedoch, wie der Katalog angibt, dem 14. Jahr-
hundert angehorende Stuck war ein Gebetsteppich (Nr. 662 — M. Ke-
lekian; Abbg. Gazette des B. Arts S. 368), mit persischem, sehr fein
gezeichnetem Rankenwerk und Inschriften auf rotem Fond. Altpersische
Gebetsteppiche sind aufierst selten; ein ahnliches, besser erhaltenes
Sttick befand sich in der Kollektion Albert Goupil (Katalog Nr. 5) und
ist von Lavoix in der Gaz. d. B. Arts (t. XXXII. S. 307) beschrieben
worden.
Die sogen. Tierteppiche des 16. Jahrhunderts vertrat am besten
ein kleines, in Seide gekntipftes Stiick aus dem Besitz von M. Peytel
(Nr. 663 — Abbg. Les Arts S. 18), dessen Mitte von kampfenden Tieren
eingenommen wird, wahrend die Borte in den Palmetten stilisierte Lowen-
kopfe zeigt, wie sie am Teppich des Museums Poldi-Pezzoli in Mailand
vorkommen. Ein weiteres, sehr fein in Wolle gekntipftes Exemplar dieser
Gattung war der Teppich des Verfassers mit kampfenden Tieren und
Arabeskenwerk auf rotem Grunde (Nr. 673 — Abbg. Gaz. d. B. Arts
S- 363)' Im Vergleich zu ihm zeigte der Jagdteppich von M. Maciet
(N. 672 — Abbg. Les Arts S. 23) grobe Knupfung, war aber wegen
der ausgesprochen chinesierenden Zeichnung von besonderem Interesse.
Eine Schmalseite des Oberlichtsaales wurde von der Halfte eines ge-
waltigen, aus dem gleichen Besitz stammenden Stiickes eingenommen,
das in der Farbengebung und Zeichnung an den Teppich in der
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e ■? 2 Ausstcllungen.
Renaissance-Abteilung des Berliner Museums erinnert. Auf gelbem Fond
sind naturalistische Baume (Cypressen) und allerhand Tiere wiederge-
geben (No. 671 — Abbg. Les Arts S. 27). Eine ganze Reihe vorziiglich
erhaltener Teppiche, meist sogen. Polenteppiche, bei denen Einlagen
von Silber- und Goldfaden verwandt sind, hatten Mitglieder der Roth-
schildschen Familie geliehen. Einige waren dem prachtvollen orientali-
schen Rauchsalon im Palais von M. Edmond de Rothschild entnommen
(Nr. 667, 668) und frappierten durch die Frische der Farben. Ein
kleines Fragment unit kampfenden Elefanten (Nr. 674 — Abbg. Les Arts
S. 27) gehorte wohl schon dem 17. Jahrhundert an und noch jlinger
war das Exemplar der seltenen sogen. Gartenteppiche (Nr. 997 — M.
Droz), dessen Muster schon zu sassanidischer Zeit iiblich war, wie wir
aus der arabischen Schilderung eines Teppichs im Palast von Ktesiphon
wissen.
Abgesehen von ein paar schon bekannten mittelalterlichen Seiden-
stoffen aus dem Besitze der Comtesse de Be'arn (Nr. 702 — 704) enthielt
die Ausstellung keine alteren Stiicke, dagegen waren persische und tur-
kische Seidenbrokate und Sammete des 16. und 1 7. Jahrhunderts in
schonen Exemplaren vcrtreten.
Unter den Manuskripten verdienen ein paar altere Koranhand-
schriften (Nr. 816, 819 — M. Peytel, M. Vever) hervorgehoben zu werden,
und unter den persischen mit Miniaturcn versehenen Handschriften des
16. und 17. Jahrhunderts ein M. Edmond Rothschild gehbrendes Exem-
plar von Firdusis Schahname, dem persischen Nationalepos (Nr. 83 —
Abbg. Les Arts S. 40). Die Handschrift ist im Jahre 1566 ftir den
persischen Sultan Tahmasp I. von einem gewissen Kasim Esriri ge-
schrieben und mit 258 Miniaturgemalden geschmiickt worden. Letztere
zeigen die persische Miniaturmalerei in einer sonst selten erreichten Voll-
endung.
Mehr wie in diesen Bildem, deren Darstellungen stets typisch bleiben,
und deren minutiose Zeichnung individuelles Konnen kaum zum Aus-
druck bringt, ist es moglich, in den verhaltnismafiig selteneren, leicht
getonten Federzeichnungen das ktinstlerische Vermogen der persischen
Miniaturmaler zu beurteilen. Derartige Blatter, meist Einzelfiguren, wurden
gesammelt und zu Albums vereinigt; sie waren in geringer Zahl aus dem
Besitze von M. Louis Gonse auf der Ausstellung vertreten (Nr. 869 — 885;
Abbg. Les Arts S. 26), und iibertrafen an kiinstlerischem Reiz die be-
kannteren, aber nur selten befriedigenden, stark kolorierten indischen
Miniaturen des 17. und 18. Jahrhunderts.
Zum Schlufi mogen noch zwei, erst nachtraglich von Ch. Gillot der
Ausstellung geliehene Steinarbeiten erwahnt werden. Es sind zwei in-
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Ausstellungen. $$$
teressante Marmorkapitelle, die, wie mir Herr Prof. Hartmann mitteilt,
die Daten 972 unci 974 n. Chr. und den Namen des spanischen Omai-
jadenchalifen El Hakim II. (961 — 976) tragen. Die Kapitelle, die aus
Cordova stammen sollen, gleichen allerdings auffallend denen der dor-
tigen grofien Moschee, soweit erstere arabischen und nicht antiken oder
byzantinischen Ursprungs sind. Die Moschee von Cordova ist durch den
genannten Fiirsten renoviert und vergrofiert worden.
Erfurt Kunstgeschichtliche Ausstellung, September 1903.
In Erfurt gab es in diesem Herbst eine kunstgeschichtliche Aus-
stellung. Die preufiische Provinz Sachsen, die thiiringisch-sachsischen
Staaten, das Herzogtum Anhalt boten in reicher Fiille interessante Ge-
malde, Bildwerke und Schopfungen des Kunstgewerbes, zumeist Boden-
wiichsiges, das zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert entstanden
ist, aber auch allerlei, das von fremder, zumal niederlandischer Kunst
zufallig in das Gebiet gekommen ist. Die Kirchen der Lander und die
fiirstlichen Schlosser waren die Hauptaussteller. Bedeutende Privatsamm-
lungen jiingeren Ursprungs kamen weniger in Betracht. Dem sach-
kundigen Eifer der Provinzialkonservatoren Doering — fur die Provinz
Sachsen — , Vofi — fur die thtiringischen Staaten — , Ostermayer — fur das
Anhaltische Land — , die unterstiitzt wurden durch den Stadtarchivar von
Erfurt Herrn Dr. Overmann, war es gelungen, iiberraschend viel zusammenzu-
bringen und hochst reizvoll in den Kreuzgangen des Erfurter Domes und
den daneben liegenden Raumlichkeiten aufzubauen. Der Reichtum der
Stadt selbst namentlich an Bildwerken des 15. Jahrhunderts, die man zum
Teil auf der Ausstellung, zum Teil aber an anderen gewohnten Platzen in
den Kirchen fand, wird viele Kunstfreunde tiberrascht haben.
Der Katalog, der in drei Auflagen erschienen ist, ordnet das Ma-
terial sehr ubersichtlich in fiinf Gruppen.
Gemalde mehr als 200! Einige aus dem frtihen Mittelalter, dem
13. und 14. Jahrhundert, wie namentlich die grofie Tafel in Kleeblattform,
Eigentum der konigl. preufiischen Museen (bisher leihweise in Munster),
fesselten die Kunstforscher. Die machtige Tafel soil aus Quedlinburg
starnmen, also aus jenem Gebiet, das fast alle uns erhaltenen Monumente
der altesten deutschen Tafelmalerei birgt, oder dem sie doch entstammen.
Die Harzgegend im Zusammenhange mit Westfalen war in dieser Zeit
wohl mafigebend in Dingen der Kunst und Kultur. Von hier aus gingen
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q 3 4 Ausstellungen.
Anregungen sowohl nach Hamburg unci Liibeck, wie in das thliringische
Gebiet. Zwei predellenartig schinale Altarmalereien aus Brandenburg,
etwas grobe Arbeiten vielleicht aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und eine
Anbetung der Konige aus nicht viel spaterer Zeit — aus der Augustiner-
kirche zu Erfurt (zu demselben Altar gehorige Stiicke in der Sammlung
des Waisenhauses) boten die Moglichkeit, die Stilentwicklung, die sich
allerdings reicher und gliicklicher in Bildwerken prasentierte, zu ver-
folgen. Das 15. Jahrhundert war quantitativ und qualitativ ziemlich
schwach vertreten. In der zweiten Halfte dieses Jahrhunderts scheinen
die Anregungen vom Stiden, von Franken her zu kouimen. Ein eigen-
artiger Stil der Altarmalerei wird in derri thiiringischen Gebiete nicht
ausgebildet. Die lange Rcihe von Schnitzaltaren, zumeist aus ganz
kleinen thiiringischen Orten, mit wenigen Ausnahmen zwischen 1470
und 1500 entstanden, in Saalfeld und wohl auch in Erfurt, sind besser
im Schnitzwerk als in der Malerei der Altarfliigel. Die Gelegenheit,
diese Werke in Zusammenhang zu studieren, war sehr gtinstig.
Im 16. Jahrhundert herrschte Lukas Cranach mit seiner iiberaus
stark tatigen Werkstatt und befriedigte alle Kunstbediirfnisse der sachsisch-
thiiringischen Kirchen. In Stadten wie Erfurt, Naumburg mogen sich
sehr friih, um 15 10 schon Schiiler Cranachs niedergelassen haben. Sein
Stil jedenfalls wird unbedingt herrschend. Die Erfurter Ausstellung bot
trotz der Spezialausstellung in Dresden im Jahre 1899 mancherlei Neues.
Mich interessierte am meisten das aufierordentliche Frauenportrait aus
dem Besitz des Flirsten von Schwarzburg-Rudolstadt, auf das Wilhelm
Schmidt vor kurzem hingewiesen hat. Es ist gewifl eine Schopfung
Cranachs von 1503 etwa, ganz so wie das Bild des Rektors Reufi in
Nurnberg, wenn ich mich nicht irre, das Gegenstiick dazu, die Frau des
Johann Reufi. Am gefalligsten und am saubersten durchgeftihrt unter
den Cranach-Bildern erschien die relativ wenig bekannte Madonna aus
dem Weimarer Schlofi, von 15 18 datiert wie die ahnliche, viel bewun-
derte Halbfigur zu Glogau. Uber den Pseudo-Griinewald, iiber Hans
Cranach, dessen einzige beglaubigte Arbeit, das Reiseskizzenbuch aus
Hannover in Erfurt zu sehen war, konnte man sich auf der Ausstellung
mit Nutzen unterhalten, die Aufstellungen Flechsigs und des Fraulein
Michaelson konnte man kontrollieren, auch iiber den Stil des jiingeren
Lukas Cranach und die Eigenart mehrerer Cranach-Schtiler, von denen
signierte Bilder ausgestellt waren, sich eine Vorstellung bilden. Unter
den Miniaturen und Handzeichnungen waren mehrere Codices aus dem
13. und 14. Jahrhundert, und die instruktive Reihe von Photo-
graphien, die Herr Dr. HaselofY zur Verfiigung gestellt hatte, bot die
Moglichkeit, die Originale in den historischen Zusammenhang. einzuord-
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Ausstellungen. c 3 c
nen. Sehr gute Portraits in Wasserfarbenmalerei von Cranach (ob voni
alteren oder vom jtingeren Lukas, ist schwer zu entscheiden) sind be-
kanndich die Reformatorenbildnisse aus dem Berliner Kupferstichkabinett,
die nach Erfurt geliehen waren, und das stilistisch sehr nahe verwandte
Blatt mit zwei Bildnissen anhaltischer Fiirsten.
Unter den Bildwerken, die die dritte Gruppe im Kataloge bildeten,
war das historisch merkwurdigste und zugleich das schonste Stuck wohl
die Madonnenstatuette aus Halberstadt, deren aufierordentliche Bedeutung
Adolph Goldschmidt gelegentlich hervorgehoben hat — eine Holzschnitze-
rei aus der Bliitezeit der mittelalterlichen Plastik vom Ende des 12. Jahr-
hunderts, in Art und Qualitat den Portalskulpturen Freibergs nahe!
Das schonste Bildwerk des 15. Jahrhunderts stammte ebenfalls aus
Halberstadt, namlich die Marmormadonna aus der Franziskanerkirche
von 1450 etwa (nicht aus dem 14. Jahrhundert, wie der Katalog meint).
Unter den kunstgewerblichen Gegenstanden ' waren wenige kirch-
liche Mobel, eine lange Reihe von Kelchen, dabei aber nur zwei oder drei,
die Kelche aus Wo II men und Stockhausen, von besonderer Bedeutung,
und einige sehr merkwiirdige Stoffe mit ngiirlicher Stickerei, wie die
Elisabethkasel an dem Erfurter Dom, die wohl dem 14. (nicht 13.) Jahr-
hundert angehbrt
Eine Publikation liber die Ausstellung wird vorbereitet, sodafi die
Ergebnisse der dankenswerten Veranstaltung der Kunstwissenschaft nicht
verloren gehen werden. Fricdlander.
Repertorium fur Kanetwissenschaft, XXVI. 37
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FUr die Redaktion des Repertoriums bestimmte Briefe und Manuskript-
sendungen sind an Herrn
Prof. Dr. Hugo von Tsckudi, Berlin C, K. Nationalgalerie
zu adressieren.
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Protat freres. Paris, lib. Aulanier et Ce.
Guedy, Henry. Nouveau Manuel complet
de peinture a l'aquarelle, contenant:
Premiere partie: Aquarelle (Lavis a la
sepia; Teinte neutre; Gouache; Peinture
en imitation de tapisseries; Peinture va-
porisee; Vitraux d'amateurs; Peinture sur
porcelaine); Deuxieme partie: Miniature
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Physiologie, Monacensia. 2. Aufl. gr. 8°.
XVI, 526 S. MUnchen, G. Hirth, 1902.
Geb. M. 5.—.
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des Zeichnens und Malens. (1. Linear-
zeichnen. 2. Zirkelzeichnen. 3. Geo-
metrisches Zeichnen. 4. Geometrische Ver-
zierungen. 5. Kurvenzeichnen. 6. Malen
mit VVasserfarben.) 5. Auflage. Unter-
1 weisungen u. Aufgaben. (— Unterrichts-
werke fiir Selbstunterricht und Bureau-
gebrauch, Lehrfach Nr. 1 — 6.) Lex.-8°.
15 S. m. Abbildgn. Strelitz, M. Hitten-
hofer, 1902. M. 1. — .
1 — Figlirliches Zeichnen. 2., verb. Aufl.
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Selbstunterricht u. Bureaugebranch. Er-
1*
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IV
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mit besond. Rticksicht auf gleichzeitigen
Kontrast in Anwendung auf dekorative
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und 4 Farbentaf. 3. umgearb. Aufl. v.
C. Chevreul, Farbenharmonie, bearb. v.
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weiser Anwendung auf Landschaft und
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6. verb. u. verm. Aufl. VII, 321 S. 8°. Stutt-
gart, P. Neff Verl., 1902. Geb. M. 5.—.
— Handbuch der Olmalerei nach dem
heutigen Standpunkte u. in vorzugsweiser
Anwendung auf Landschaft, Marine und
Architektur. 6. verm. u. verb. Aufl. VII,
250 S. 8°. Stuttgart, P. Neff Verl., 1903.
M. 4.50; geb. M. 5.—.
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Mit besonderer Beriicksichtigung der
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Zugleich ein Beitrag zur Quellenkunde
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deutschen Namen alter Druckstatten, so-
wie m. alphabet. Verzeichnis v. Abkilrzgn.,
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Neue Wege des Zeichenunterrichts. Vor-
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Paris, imprimerie Lahure; librairie Ha-
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Abtlgn. in 149 Taf., nebst erlaut. Text.
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1 4. Aufl., neu bearb. v. Realsch.-Oberlehr.
Dr. Max Richter. X, 234 S. m. Fig. gr. 8r.
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— Verschwundene bezw. verschollene mittel-
alterliche Spottbilder aus Schwaben.
(Diftcesanarchiv von Schwaben, XXI,
1903, S. 145.)
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chronismen) in der darstellenden Kunst.
(Dibcesanarchiv von Schwaben, XXI,
1903, S. 33.)
Beitrage zur Kunstgeschichte. Franz Wick-
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u. Schtilern. Ill, 184 S. m. Abbildgn. u.
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1902. M. 2.50.
Bertarelli, dott. Achille. Iconografia na-
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parte incisi in Italia ed all'estero da
originali italiani. Milano, tip. U. Alle-
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di soli 200 esemplari fuori commercio
pubblicati per la VI riunione della
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Bertoni, Giulio. La biblioteca estense e
la coltura ferrarese ai tempi del duca
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Brinton, Selwyn. The Renais>ance in Italian
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Artists and their Works. Part I. 2nd ed.
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Brock, Priv.-Doz. Dr. Robert. Friedrich der
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gr. 8°. VIII, 336 S. m. 41 Lichtdr.-Taf.
u. 5 Textabbdgn. Straflburg, J. H.E. Heitz,
1903. M. 20. — . [Inhalt: Vorwort. Ein-
leitung. 1. Architektur. Torgau: Schlofl
Hartcnfels, Briicke, Heiliges Grab ; Witten-
berg: Schlofl, Schloflkirche; Weimar:
Schlofl, Schloflkirche, Stadthaus; Grimma:
Schlofl; Eisenach: Zollhof; Colditz:
Schlofl; Koburg: Schlofl; Eilenburg:
Schlofl; Altenburg: Schloflkirche, Schlofl;
Lochau: Schlofl. 2. Plastik: Holzplastik ,
Steinplastik , Bronzeplastik, Medaillen.
3. Malerei: Buchillustrationen. 4. Kunst-
gewerbe: Goldschmiedekunst, Plattner,
Seidenstickereien u. Gobelins. Anhang.
Klinstlerverzeichnis.j
Biirkner, Richard. Geschichte der kirch-
lichen Kunst. XVI, 464 S. m.74Abbildgn.
gr. 8°. Freiburg i. B., P. Waetzel, 1903.
M. 10. — ; geb. M. 12.—.
Bulletin archeologique et historique de la
Societe archeologique de Tarn-et-Garonne.
T. 31. (Annee 1903. 2« trimestre.) In-8,
p. 105 a 216 et grav. Montauban, impr.
Forestie. 1903. Le fascicule fr. 2. — .
— de la Conference d'histoire et d'archeo-
logie du diocese de Meaux. 3e volume.
N° 1. In-8, 128 p. et grav. Lagny, im-
primerie Colin. 1902.
— de la Societe archeologique et historique
du Limousin. T. 50: Tables generates
des t. ier a 49, dressees par Paul Ducour-
tieux. In-8 a 2 col., XXXV, 361 p.
Limoges, imprim. et libr. Vc Ducour-
tieux. 1 901.
— de la Societe archeologique et historique
du Limousin. 3 vol. in-8 et planches.
T. 51, 460 p.; t. 52, ire livraison, p. 1 a
280; 2C livraison, p. 281 a 596. Limoges,
imp. et lib. Ducourtieux. 1902- 1903.
— de la Societe archeologique, scientifique
et litteraire de Beziers (Herault). 3C scrie.
T. 4. 2c livraison. (Volume XXXII de
la collection.) In-8, p. 87 a 265 et 1
planche. Beziers, impr. Sapte. 1902.
— de la Societe des antiquaires de Nor-
mandie. T. 22. (Annees 1900 et 1 901.)
In-8, 382 p. Caen, imp. et lib. Delesques;
lib. Jouan. Rouen, lib. Lestringant. Paris,
lib. Champion. 1902. fr. 8. — .
— de la Societe des antiquaires de Xor-
mandie. T. 23. In-8, XIV, 357 p. Caen,
imprim. Delesques; lib. Jouan. Rouen,
lib. Lestringant. Paris, lib. Champion.
1903.
Burckhardt, J. Renaissancens Kultur i
Italien. Efter Originalens 8. Oplag ved
C. Monster. Med Forord af J. A. Fridc-
ricia. 1. Hefte. 8°. 48 S. Kobenhavn,
Gad. Kr. —.75.
Burdach, Konrad. Bericht iiber Forschun-
gen zum Ursprung der neuhochdeutschen
Schriftsprache u. des deutschen Huma-
nism us. |'Aus: »Abh. d. preufl. Akad. d.
WTiss.«| 62 S. gr. 40. Berlin, G. Reimer
in Komm., 1903. M. 2.50.
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X
Kunstgeschichte.
Burlington Gazette, The. No. i, Vol. i.
April, 1903. Being the Monthly Supple-
ment to »The Burlington Magazine for
Connoisseurs* of the previous Month,
lllust. 4to, 36 p. Savile Publishing Co. 40!.
Burlington Magazine, The, for Connoisseurs.
No. I. Vol. I. lllust. 4to, iv, 144 p.
Savile Pub. Co. 2/6.
Cabrol, Fernand. Dictionnaire d'archeolo-
gie chretienne et de liturgie, public par
le R. P. dom F. C, benedictin de Soles-
mes, prieur de Famborough (Angleten-e),
avec le concours d'un grand nombre de
collaborateurs. Fascicule lcr: A-Q. Accu-
sations contre les chrdtiens, Fascicule 2 :
Accusations contre les Chretiens- Afrique.
In-4 a 2 col., col. 1 a 576, avec grav.
Paris, imp. Renouard; lib. Letouzey et
Ane\ 1903. a fr. 5. — .
Cartwright, Julia (Mrs. Ady). Beatrice
D'Este, Duchess of Milan. 1475 — 1497.
A Study of the Renaissance. 2nd ed.
8vo, 410 p. Dent. 7/6.
— Isabella D'Este. Marchioness of Mantua,
1474-1539. A Study of the Renaissance,
lllust. 2 vols. 8vo, 416, 434 p. J. Mur-
ray. 25/.
Casati de Casatis, C.-Charles. Etude sur
la premiere epoque de Tart francais et
sur les monuments de France les plus
precieux a conserver; par C.-Ch. C. de
C, conseiller honoraire a la cour de Paris.
In-8, 32 p. et grav. Paris, imp. Chamerot
et Renouard; lib. Leroux; lib. Picard et
fils. 1899.
Caw, James L. Scottish Portraits. Port-
folio 3. (Limited to 350 copies.) Jack.
21/.
Chaillan. Notes sur trois monuments mero-
vingiens des dioceses d'Aix et de Frejus,
avec description des lieux 011 ils ont etc
decouverts, lecture faite au congres des
societes savantes (section d'archeologie),
tenu a Bordeaux le 14 avril 1903, par
1'abbe Ch., de 1'Acadcmie d'Aix. In-8,
23 p. avec grav. Aix, imp. Pourcel. 1903.
Chauvet, Gustave. Note sur 1'art primitif.
In-8, 12 p. Angouleme, impr. Coque-
mard et Cc. 1903. [Extrait du Bulletin
de la Societe archeologique et historique
de la Charente.j
Celani, Enrico. Indice generale del Bullet-
tino di archeologia e storia dalmata fon-
dato da G. Alacevic e M. (Jlavinic. con-
tinuato per cura del prof. Fr. Bulio.
Vol. I-XX11I, anni 1878- 1900. Prato, tip.
Giachetti, figlio e C., 1903, 8°, 188 p.
Colombo, prof. Virgilio. Letturc d'arte
scelte ed annotate ad uso delle accademie
e degli istituti di belle arti e dei licei
dal j>rof. Virgilio Colombo, con pre-
fazione di Camillo Boito. Milano, Al-
brighi, Segati e C. (Como, tip. R. Lon-
gatti), 1902, 160, XII, 336 p. L. 2.25.
Commission des antiquites et des arts du
departement de Seine-et-Oise. 23e vo-
lume. In-8, 131 p. Versailles, imp.
Cerf. 1903.
Compte rendu des seances de la Societe
academique d'archeologie, sciences et arts
du departement de l'Oise pour 1902.
In-8, 100 p. Beauvais, impriraerie Avonde
et Bachelier.
Conway, Sir W. Martin. Early Tuscan Art.
From the Twelfth to the Fifteenth Cen-
turies, lllust. 8vo. 255 p. Hurst &
Blackett. 7/6.
Cooke, John. Wakeman's Handbook of
Irish Antiquities. 3rd. ed. Cr. 8vo,
430 p. J. Murray. 10/6.
Courajod, Louis. Lecons professees a
l'Ecole du Louvre (1887— 1896). Pu-
bliees par Henry Lemonnier et Andre
Michel. T. 3 : Origines de Part mo-
derne. In-8, XXXVI, 402 p. Macon,
imp. Protat freres. Paris, lib. Picard et
ills. 1903. [Inhalt: Legon d'ouverture:
Les origines de Part moderne; L'art du
XVII c siecle; Le baroque; Bossages et
portes a l'italienne; Les penetrations
italiennes ; Toits et architraves ; La deco-
ration a l'italienne, Jean Lepautre; Le
style jesuite; Le rococo, d£g£nerescence
du baroque; Les constructions civiles au
XVII c siecle; Resistances de Part natio-
nal; Les monastics au XVII c siecle;
La statuaire italienne, Jean de Bologne;
Influence de Jean de Bologne; Le Ber-
nin et son ecole; successeurs francais
du Bemin ; La mort et le squelette dans
la sculpture funeraire. — L'Ecole acade-
mique; Le romanisme et la royaute; Le
romanisme et 1'Italie; Winckelmann ;
Unite de la doctrine academique du
XVII c au XYTIle siecle; Madame de
Stael et Bernardin de Saint-Pierre; La
sculpture au temps d'Henri IV; Barthe-
lemy Prieur; Prieur et l'academisme; Les
Biard; Le classicisme et l'idee religieuse;
(luillaume Dupre, statuaire; Tremblay et
Jac«met; Les Richier; Les Boudin et
les Bourdin. — Les origines de Part
moderne: l'Ecole academique; La Re-
naissance et le latinisme; L'organisation
de la doctrine; L'organisation acade-
mique; Ecoles et Academies de province;
Accent particulier de l'ancien art lonain;
L'art academique lorrain; Les theoriciens
de 1' Academic; Le canon; Albert Dlirer;
Le canon academique; Bouchardon et
1' Academic; Le portrait dans la statuaire;
Le 1111 hcroique et academique.]
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Kunstgeschichte.
XI
Crostarosa, P. Relatione sopra gli scavi ]
e le scopcrte nelle catacombe romane I
dal 1894 al 1900. (Atti del Congresso
internazionale d'archeologie cristiane in ,
Roma 1900, Roma 19031, S. 133.)
Cziglcr, Ignac. Muvelodestortenet. Ktilo- I
nos tekintettel a kepz6mttveszetek tortc- |
netere. 2. javitott kiadas. 8°. VIII, |
200 1., 80 illust. Budapest, I^ampel R6- |
bert, 1903. Kr. 5.60. [Kulturgeschichte, l
mit besonderer Berlicksichtigung der bil-
denden KUnste.]
Dayot, Annand. Napoleon raconte par j
I'image, d'apres les sculpteurs, les gra- ,
veurs et les peintres; par A. D., inspec- 1
teur des beaux-arts. Nouvelle edition, !
remaniee. In-4, IV, 395 p. avec grav.
Paris, impr. Lahure; libr. Hachette et
Ce. 1902. Fr. 15.—
De Lorme. L'art breton du XIII c au
XVIII e siecle, Guimiliau et ses Monu-
ments. (Bulletin de la Societe academique
de Brest, 2« serie, t. XXVII, 1901 a 1
1902, S. 83.) !
Demarteau, Joseph. La vierge Marie et
l'art Chretien. (Bulletin des metiers d'art, !
1903, S. 328.) ,
Desdevises du Dezert, G. L'art religieux
en Espagne. (L'Art et l'Autel, janvier-
mars 1903.)
Diez, Ernst, u. Jos. Quitt. Ursprung und
Sieg der altbyzantinischen Kunst. Bei-
trage. Mit e. Einleitg. v. J. Strzygowski.
(= Byzantinische Denkmiiler, hrsg. v.
Jos. Strzygowski, III.) gr. 4°. XXVIII,
126 S. m. 4 Taf. Wien, Gerold & Co.
in Komm., 1903. M. 13. — . flnhalt:
1. Einleitung: Ursprung und Sieg der
altbyzantischen Kunst. Von J. Strzy- '
gowski. 1. (Constantino pel und der Nord-
kreis. 2. Konstantinopel und der Slid- '
kreis. 3. Der Sieg im Gebiete des Mittel-
meeres. II. Die Miniaturen des Wiener I
Dioskurides. Von E. Diez. 1. Einlei-
tung. a) Herkunft und Datierung der ,
Handschrift, b) Historisches Uber die I
vierzehn Arzte, c) Uber die Mandragora. 1
2. Beschreibung der Miniaturen. 3. Ikono- |
graphische Untersuchung. 4. Stilkritische .
Untersucbung. III. Der Mosaiken-Zyklus
von S. Vitale in Ravenna. Eine Apo- I
logie des Diophysitismus aus dem VJ. ,
Jahrh. Von J. Quitt. I. Die bisherige
Erklarung des Zyklus durch den romi- '
schen Mefikanon. 2. Die Schrift des
Vigilius gegen die Monophysiten. 3. Das
EingTeifen Justinians. Anhang von Hein-
rich Schenkl. Schriftenverzeichnis von 1
J. Strzygowski. Register.]
Dimier, I^ouis. Les Beaux- Arts et la mai-
son d'Este. Le Cardinal de Ferrare en
France. In-8, 31 p. Fontainebleau, impr.
Bourges. 1903. [Extrait des Annales de
la Society histori<iue et archcologiquc du
Gatinais."
Dimier, Louis. Les Danses macabres et
l'ldee de la mort dans l'art Chretien.
In- 1 6, 64 p. Saint-Amand (Cher), impr.
Bussiere. Paris, lib. Bloud. 1902. Fr. — .60.
[Science et Religion. Etudes pour le
temps present.]
— Reponse a une enquete sur le passe et
l'avenier de Tinrluencc allemande chez
les Francais. In-8, 10 p. Poitiers, imp.
Blais et Roy. Paris. [Extrait du Mercure
de France.]
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ed. Folio, 154 p. 166 p. Dickenson. 210.
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u. Farbendr. 2. verm. Aufl. XIII, 4S0 S.
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XII
Kunstgeschichte.
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Etudes pour le temps present.]
Gesellschaft, Kunsthistorische, f. photogra-
phische Publikationen unter Leitung v.
A. Schmarsow, F. v. Reber, C. Hofctede
de Groot. Stellvertreter: H. Wblfflin,
G. Hulin, H. Weizsacker. Sekretare:
R. Kautzsch, C. v. Mandach. 8.-9. Jahrg.
1902 — 1903. 26 u. 25 Lichtdr.-Taf. m.
2 u. 6 S. Text. 49X39»5 cm* ljC1Pz*S>
(A. Twietmeyer.) a M. 30. — . [Inhalt:
VIII: 1 — 4, Antonio Veneziano; 5. Floren-
tinischer Maler (der Richtung des L. Ghi-
berti) um 1425; 6, Andrea del Castagno;
7 — 18, Alesso Baldovinetti ; 19 — 20,
Antonio del Pollajuolo ; 2 1 — 22,Domenico
del Ghirlandajo; 23, Benedetto Buonfigli
da Perugia; 24, Lionardo da Vinci; 25,
Michelangelo Buonarroti ; 26, Michelangelo
da Caravaggio. IX: 1, Tiroler Maler der
ersten Halfte des 15. Jahrh. ; 2 — 4, Ober-
rheinischer Maler der ersten Halfte des
15. Jahrh.; 5, Oberrheinischer Meister
um die Mitte des 15. Jahrh.; 6, Albrecht
Mentz von Rottweil; 7 — 10, Meister der
llrichslegende ; 1 1 - 1 3 ; Friedrich Herlin ? ;
14 — 22, Hans Schtihlein; 23 — 24, Tiroler
Maler um 1485 — 92; 25 — 26, Burgun-
discher Meister der ersten Halfte des
15. Jahrh.; 27. Niederlandischer Meister
der 2. Halfte des 15. Jahrh.]
Ghignoni, P. Alessandro. San Giorgio nella
leggenda e nell' arte. Roma, tip. Forzani
e C, 1903, 8°, 23 p.
Giorgi a Lecce, C. L'arte cristiana in Terra
d'Otranto nel primo Millennio dell' era
volgare. (Ri vista Storica Salentina, 1903,
No. 2.)
Goelcr v. Ravensburg, Dr. Friedrich Frhr.
Grundrifl der Kunstgeschichte. Ein Htilfs-
buch f. Studierende. Mit 1 1 Taf. 2. verb.
u. verm. Aufl. Bearb. v. Prof. Dr. Max
Schmid. 6. Lfg. (XV u. S. 401—563.)
gr. 8°. Berlin, C. Duncker, 1903. M. 1. — .
Goovaerts, Leon. Ecrivains, artistes et
savants de l'ordre de Prcmontre. Dic-
tionnairc bio-bibliographique, par le
Fr. L. G., chanoine regulier de l'abbaye
d'Averbode. Volume II, ic et 2e livr.
Bruxelles, Societe beige de librairie,
1903. In-8°, p. 1 a 192 a 2 col. par
page, a fr. 4.—.
Graevenitz, G. v. Deutsche in Rom.
Studien u. Skizzen aus 1 1 Jahrhunderten.
Mit Titclbild, 99 Abbildgn., Romplanen
und Stadtansichten. gr. 8°. XII, 307 S.
Leipzig, E. A. Seemann, 1902. M. 8. — ;
geb. M. 9. — .
Gram, Johan. Schets eener Kunstgeschie-
denis (bouwkunst , beeldhouwkunst ,
schilderkunst en toonkunst) van de oud-
heid tot in onze dagen. Nar het Hoogd.
van VV. Ltibke en andere bronnen be-
werkt. 8°. 16, 292 S. met mim loohout-
gravuren. 3e druk. Rotterdam, D. Bolle.
f. 1.25.
Gudiol y Cunill, Joseph. Nocions de Ar-
queologia sagrada-catalana, por J. G. yC,
Prebere. Vich. Impr. de la Viuda de R.
Anglada. 1902. En 4.0, 7 hojas sin fol.
y 647 pags., con grabados. 8 y 9.
Harbauer, J. Katalog der Merowinger
Altertiimer von Schretzheim in Bayer.-
Schwaben. 2. Teil. Gymnas.-Programm,
Dillingen. 8°. S. 63—98 mit 2 Taf. u.
Abb.
Haupt, A. Die KurfUrstin Sophie v. Han-
nover, von Dr. Herm. Schmidt. Mit e.
Anhang: Die bildende Kunst in Hannover
zur Zeit der KurfUrstin Sophie, von Prof.
Dr. A. Haupt. (= Veroffentlichungen zur
niedersachsischen Geschichte. 5. Heft.)
gr. 8°. 48 S. m. 1 Portr. Hannover,
M. & H. Schaper, 1903. M. I. — .
Hausschatz alterer Kunst. 13. — 19. Heft.
Wien , Gesellsch. f. vervielfiiltig. Kunst.
Je M. 3--.
Heil, Gymn.-Oberlehr. Dr. Bernhard. Die
deutschen Stadte und Blirgcr im Mittel-
alter. (= Aus Natur und Geisteswelt.
Sammlung wissenschaftlich - gemeinver-
stiindl. Darstellungen aus alien Gebieten
des VVissens, 43. Bdchn.) 8°. VIII, 151 S.
Leipzig, B. G. Teubner, 1903. M. 1. — .
Heinemann, Dr. Franz. Tell-lconographie.
Wilhelm Tell u. sein Apfelschufl imLichte
der bild. Kunst e. halben Jahrtausends
(15. — 20. Jahrh.) m. Berticksicht. der
YYechsehvirkg. der Tell-Poesie. Mit 4
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Kunstgeschichte.
xm
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Leipzig, E. Avenarius, 1902. M. 4.20.
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Hausaltertiimer von den altesten geschicht- ,
lichen Zeiten bis zum 16. Jahrh. Kin
Lehrbuch. 3. Bd. Korperpflege u. Klei-
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bildgn. im Text. VII, 373 S. gr. 8U.
Leipzig, S. Hirzel, 1903. M. 12. — ; geb.
M. 15. — . [Inhalt: I. Korperpflege: *• ^>]e
auBere Erscheinung. 2. Sorge ftir die Ge-
sundbeit. Keinlichkeit und Zierlicbkeit.
3. Krankheiten u. deren Heilung. II. Klei-
dung: 1. Die Stofle und ihre Bereitung.
2. Die einzelnen Kleidungsstticke u. ihr
Schnitt, a. Mannliche Kleidung, b. Weib-
liche Kleidung, c. Kleidung der Kinder.
4. Der Schmuck. RegisterJ
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Hoppenot, J. Le crucifix dans 1'histoirc
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dans notre vie. 3C edition. Bruxelles,
Desclce, De Brouwer et Cic, 1902. In-40.
372 p., gravy., portr., pll. chromolitho-
graph ices hors texte. fr. 10. — .
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Zeit (Monatsschrift fur Gottesdienst und
kirchliche Kunst, hrsg. v. F. Spitta und
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Madonna as Represented in the Fine Arts.
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Pompeji in der libyschen WUste. Die
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bildgn. und Pliinen. IV, 71 S. gr. 8°.
Mainz, F. Kirchheim, 1902. M. 1.80.
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Humanismus im 13. u. 14. Jahrh. (= Vor-
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Kirsch, Prof. J. P. Anzeiger fiir chrisdichc
Archaologie. Nr. IX: 1. Romische Kon-
ferenzen fiir christliche Archaologie (nach
den Berichten des Sekretars Dr.Marucchi) ;
2. Der neue »Dictionnaire d'archeologie
chrctienne et de liturgies; 3. Ausgra-
bungen und Funde: Rom, Neapel, Sizilien,
Nordafrika, Agypten, Jerusalem, Klein-
asien; 4. Bibliographic und Zeitschriften-
schau. — Nr. X: 1. Romische Konferenzen
fiir christliche Archaologie (nach den Be-
richten des Sekretars Dr. Marucchi) ;
2. Ausgrabungen und Funde: Rom, Dal-
matien, Nordafrika; 3. Bibliographic und
Zeitschriftenschau. (Romische Quartal-
schrift, XVII, 1903, S. 85 u. 354.)
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der Neuzeit. Die Kunst im Zeitalter des
Barockstils v. Z. Die moderne Kunst
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•v>. 465—718.) Lex. 8°. Bielefeld, Vel-
hagen iV Klasing, 1902-3. Je M. 2. — ;
3. Bd. : M. 12.— ; vollstiindig M. 30.— .
Krauss, Ingo. Das Portrait Dantes. Inaug.-
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Einsied., Verl.-Anst. Benziger. a M.2.— .
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(n°s 68136 a 74866). In-4 ;l 2' col.,
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lib. Leroux. 1903. fr. 4. — .
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XIV
Kunstgeschichte.
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denkmaler der geschichtlichen Stilarten
Niedersachsens. (1. Bl. auf Karton.)
qu. gr. 40. Hannover, M. & H. Schaper,
1903. M. —.25.
Loschhorn, H. Meseumsgange. Eine Ein-
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geschichte. Mit 262 Abbildungen im
Text, 1 Titelbild u. 1 Einschaltbild. VI,
268 S. Lex. 8°. Bielefeld, Velhagcn
& Klasing. 1903. Geb. M. 3.— .
Loisne, le comte de. Portraits inedits de
Philippe le Bon et d'Isabelle de Portugal,
de Charles le Temeraire et de Margue-
rite d'York; par M. le comte de L.,
correspondant du ministere de 1' in-
struction publique. In-8, n pages et
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1903. rE\trait du Bulletin archeologique
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merie Aubert. 1 90 1.
Liibke, VVilhelm. Grundrifi der Kunst-
geschichte. 1 2. Aufl. 63. — 68. Taus., voll-
standig neu bearb. v. Priv.-Doz. Prof.
Dr. Max Semrau. III. Die Kunst der
Renaissance in Italien und im Norden.
Mit 5 farb. Taf., } Heliograv. u. 489 Ab-
bildgn. im Text.' VI, 558 S. Lex. 8°.
Stuttgart, P. Neff Verl., 1903. Geb.
M. 12 — ; in Lfgn. zu M. —.50.
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With a Chapter on Early Art Objects
by Sir T. Gibson-Carmichael. L. P. ed.
Fol. Maclehosc. 105/.
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Prince de Condc. (La Revue de Tart
ancien et modern e, XII, 1902, S. 66,
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par G. M., conservateur-adjoint du musce
Conde. In-4, 162 p. avec grav. et por-
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libr. de 1'Art ancien et modcrne, 60,
rue Taitbout. 1903.
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Martersteig, Max. Jahrbuch der bildenden
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Wold. v. Seidlitz hrsg. XI, 117 S. und
372 Sp. m. Abbildgn. u. 16 Kunstbei-
lagen. gr. 40. Berlin, Deutsche Jahr-
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Martin, Henry. Notes pour un »Corpus
iconum« du moyen age. Un faux por-
trait de Petrarque; Portraits de Jeanne,
comtesse d'Eu et de Guines (131 1), de
la bienheureuse Jeanne de France (vers
1500), de Louise de Savoie, de Roche-
fort et de Pierre Fabri (15 18); par H.
M., membre rcsidant de la Societe natio-
nale des antiquaires de France. In-8,
31 p. et 4 planches. Nogent-le-Rotrou,
imp. Daupeley-Gouverneur. Paris. 1902.
!_Extrait des Memoires de la Societe natio-
nale des antiquaires de France (t. 61).
Marucchi, Orazio. Elements d'archeologie
chretienne. T. 2: Les catacombes ro-
maincs. T. 3: Basiliques et cglises de
Rome. ln-8°, 450 p. XXXIX, 528 p.,
figg., grav v., pli. et plans hors texte.
Bruges, Desclee, De Brouwer et Cie,
1900 — 1902. Fr. 6.--; Fr. 8. — . In-
halt: T. II. Introduction. Les tombeaux
des martyrs dans les catacombes. 1. Les
cimetieres de Transtevere. 2. Les cime-
tieres Cistiberins. 3. Les cimetieres Sub-
urbicaires. Index. — T. III. Introduction.
Topographic de Rome au IV e siecle.
1. Les basiliques et le culte chretien.
2. Description des principales egliscs.
Appendice: Catalogue alphabetique de
toutes les eglises de Rome.]
— Le catacombe romane secondo gli ultimi
studi e le piu recenti scoperte: com-
pendio della Roma sotterranea, con molte
piante parziali dei cimiteri e riproduzione
dei monumenti. Roma, Desclee, Le-
febvre e C, 1903, 8° fig., 713 p. e I tav.
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Beauvais, impr. Avonde et Bachelier.
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bouillet. Proces-verbaux des reunions de
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Montlhen'-Marcoussis pendant les annees
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In-8, 406 p. et gravures. Versailles, impr.
Aubert. 1 901.
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du Musce historique lorrain. T. 52 (40
scrie, 2C volume). In-8, 487 pages et
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Leblond; Palais Ducal. 1902.
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Kunstgeschichte.
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et du Vexin. T. 24. In-8, 96 p. Pon-
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de France. 7C serie. T. i« In-8, 264
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et Precis de 1'histoire de l'art depuis les
origines jusqu'au XIX e siecle. Ouvrage
public sous la direction de M. Eugene
Miintz, de 1'Institut. In-4 a 2 col., 272
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ture et gravure (18 juillet 1793-tridi de
la premiere decade du deuxieme mois
1 de 1'an II) et de la Societe populaire et
republicaine des arts (3 nivose an II-
28 floreal an III), publics integralement
pour la premiere fois, avec une intro-
duction et des notes, par Henry Lapauze.
Grand in-8, LXXVIII, 540 p. Paris,
imprini. nationale; libr. Bulloz. 1903.
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Stelle Montaignes. (Beitrage zur Kunst-
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— Zur Kenntnis der kiinstlerischen Uber-
lieferung im spaten Mittelalter. Defen-
sorium inviolatae virginitatis b. Mariac
V. Vademecum e. fahr. Malergesellen.
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gedicht des Bartolommeo de' Bartoli v.
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rischen Sammlungen des allerhiichsten
Kaiserhauses, 23. Bd. 5. Heft.) Fol.
(S. 279—338.) Mit 14 Taf. u. 19 Text-
illustr. Wien u. Prag, F. Tetnpsky; Leip-
zig, G. Freytag, 1903. M. 24. — .
Schmid, Prof. Dr. Max. Kunstgeschichte,
nebst Geschichte der Musik und Oper
v. Dr. CI. Sherwood. 15.— 17. Heft.
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Schultz, Prof. Dr. Alwin. Das hiiusliche
Leben der europaischen Kulturvolker vom
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neueren Geschichte. Hrsg. von ProfT.
G. v. Below u. F. Meinecke. Abtlg. IV:
llilfswissenschaften u. Altertiimer.) VIII,
432 S. in. Abbildgn. gr. 8°. MUnchen,
R. Oldenbourg, 1903. M. 9. — ; geb.
M. 10.50. [Inhalt: 1. Die Wohnung. 2.
Die Familie. 3. Die Kleidung. 4. Essen
und Trinken. 5. Beschaftigung u. Unter-
haltung. 6. Tod u. Begrabnis.]
Schultz, Prof. Dr. Alwin. Die Straflen der
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Schumacher. Dscherasch. — Das alte
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Palastinavereins, 1902, S. 109.)
Scemanns VVandbilder. (2. Folge.) Meister-
werke der bild. Kunst, Baukunst, Bild-
nerei, Malerei in 200 Wandbildern.
17. Lfg. 10 Taf. Je 60X80 cm Lichtdr.
Leipzig. E. A. Seemann, 1903. M. 15.— ;
auf Pappe u. lackiert M. 25. — ; einzelne
Taf. M. 3.-.
Seidel, Paul. Die Darstellungen des Groflen
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Simonsfeld, H. Einige kunst- u. literatur-
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der philos.-philol. und der histor. Classe
der k. bayer. Akad. d. YViss. zu MUnchen,
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Funde. 'Aus: »Sitzungsber. d. bayer.
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gr. 8°. MUnchen, G. Franz* Verl. in Komm.,
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Sinding, Olav. Mariae Tod und Himmel-
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sche Buchdr. u. Verl. in Komm., 1903.
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par I. Van. S., C. R. de I'abbaye de Ton-
gerloo. II. Arbre gencalogique de l'ordre
de Prcmontrc. Gand, imprimerie Eug.
Vander Haeghen, 1895. In-8°, p. 37
a 60. — IV. Gravures representant les
saints de l'ordre de Prcmontrc, par J.
D. Hertz. Anvers, imprimerie veuve De
Backer, 1900. In-8°, 14 p. — V. Les
images des saints de l'ordre de Pre-
montre, d'apres Ab. Van Diepenbeeck.
Anvers , imprimerie veuve De Backer,
1902. In-8°, 16 p. — VI. Les images
des saints de l'ordre de Premontre d'apres
C. et P. De Mallery. Anvers, imprimerie
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Kunstgeschichte.
XVTI
veuve De Backer, 1902. In-8°, 23 p.
[La Iivraison II est extraite du Messager
des sciences historiques de Belgique,
annee 1895, et les livraisons IV, V et VI
sont extraites du Bulletin de l'Academie
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(Zeitschrift fur bild. Kunst, \. P., 14,
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- Die Zukunft der Kunstwissenschaft.
(Allgemeine Zeitung, MUnchen '903,
Beilage Nr. 55.)
— Hellenistisehe und koptische Kunst in
-Alexandria. Nach Funden aus Agypten
und den Elfenbeinreliefs der Domkanzcl
zu Aachen vorgeflihrt. [Aus: »BuIletin
de la soc. archeol. d' Alexandria.1 \I,
99 S. m. 69 Abbildgn. u. 3 Taf. gr. 8°.
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coop. tipogTafica), 1904, 8° lig.f XXX,
1014 p. L. 30. — [Inhalt: 1. L'arte ro-
manica nell' Italia scttentrionale. L'archi-
tettura lombarda e i suoi elementi. In-
filtrationi d'arte romanico-francese nel
Piemonte, nel Monferrato e in Liguria.
L'architettura nel Veneto, in Lombardia
e nell' Emilia. Sviluppo della scultura.
VViligelmo e Niccolo scultori. Scultori
di Como, Milano, Pavia, Brescia. La
scultura Veronese. Precursori dell' Antel-
lami. Benedetto Antellami e i suoi
seguaci. Intagli romanici in legno, in
osso e in avorio. Oreficieri. Affresclii
della Novalesa, di Civate, di Parma, cee.
Musaici di pavimenti. Miniature a Pia-
cenza, Padova, Mantova, Bologna. —
2. Linee di svolgimento dell' architettura
nell' Italia meridionale e nella Sicilia.
Chicsc pugliesi di derivazione bizantina;
altre di carattere piu schiettamente nor-
manno; altre sotto l'influsso dell' arte
gotica. Castelli svevi nelle Puglie e in
Sicilia. Gruppo di edifici siculo-cain-
pani. Architettura normannno-sicula. Co-
struzzioni del secolo XIII. L'architettura
negli Abruzzi. Primordi della scultura
romanica neo-campana. II Castello delle
Torri di Federigo II a Capua. I cancelli
di Santa Restituta a Napoli. Relazione
di essi con sculture di Ravello, Sessa
Aurunca, Caserta Vecchia, Capua, Gaeta,
Salerno, Lentini, Monreale. II candelabro
di Gaeta. Scultura pugliese. Bartolommeo
e Niccolo da Foggia. Scultura a Bene-
vento. La porta in bronzo della catte-
drale. Sculture negli Abbruzzi. La pit-
tura e la miniatura ne' monasteri benc-
dettini. I rotuli dell' »Exultet<c. Altri
manoscritti miniati. »Ue arte venandi«
miniato al tempo di re Manfredi. Musaici
di pavimenti. — 3. L'arte romanica nell'
Italia centrale. L'architettura nel Lazio
e in luoghi limitrofi. Hnsilichc romane.
11
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xvni
Architektur.
Campanili. Torri gentilizie. Castelli. Case.
I Cosmati architetti e decoratori. Edilici
monastici benedettini. L'arcliitettura nel
l'Umbria e nellc Marche. L'architettura
in Toscana. Diramazioni dell' architet-
tura toscana in Sardegna. Pitture. Musaici.
Miniature. Sculture de' marmorari romani.
Sculture romaniche nell* Umbria e nelle
Marchc. Scultura toscana. Niecolo d'
Apulia.^
Veth, Jan. Kunst-beschouwingen. Alge-
meene onderwerpen, reisbrieven, momi-
menten, oude Nederlandsche kunst. 8°.
io, 211 S. Amsterdam, S. L. van Looy.
f. 2.50.
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(Notes d'art ct d'archeologie, fevrier 1903.) ,
Vitry, Paul. I /Art francais du XIX*-' siecle,
d'apres les collections du Grand Palais
(Exposition universelle de 1900). I: Pre-
miere moitie du siecle; par P. V., pro-
fesseur a 1'Ecole nationale des arts deco-
ratifs, attache des musees nationaux. In-8,
16 j). Melun, Impr. administrative. 1902.
rMinistere de l'instruction publique et des
beaux-arts. Musee pedagogique, service
des projections lumineuses.j
Voll, Karl. Prospero Visconti und Wil-
helm V. vonBayern. (AllgemeineZeitung,
MUnchen 1902, Beilage Xr. 291.)
Waldstein, Charles. Art in the Nineteenth
Century. Gr. 8vo, vii, 91 p. Camb. Univ.
Press. 1/; 2/.
Warnecke, Dr. Georg. Hauptwerke der
bildenden Kunst in geschichtlichem Zu-
sammenhange. Zur Einfuhrang erlautert.
Gr. 8°. VIII, 448 S. m. 441 Abbildgn. [
u. 4 Farbdr. Leipzig, E. "A. Seemann, j
1902. M. 6.— ; geb. M. 7.50.
Weber, A. Les Catacombes romaines. |
Traduction de 1'allemand par l'abbc |
Bertrand, professeur au petit seminaire |
d' Avignon. Petit in-8, 219 pages avec ■
grav. La Chapelle-Montligeon (Orne), I
imprim. et libr. de Notre-Dame. Paris,
libr. Amat. 1903. I
Weis-Liebersdorf, D. Dr. J. E. Christus-
u. Apostelbilder. EinfluB der Apokryphen ',
auf die altesten Kunsttypen. XI, 124 S.
m. 54 Abbildgn. gr. 8°. Freiburg i/B., t
Herder 1902. M. 4. — . [Inhalt: I. Die j
Apokryphen u. die Christustypen : 1. Die ]
bisherige Literatur. Kritik der einzelnen j
Hypothesen. 2. Untersuchung des jugend-
lichen Christustypus nach Herkunft und
ursprtinglichem Charakter. 3. Kurze
Ubersicht der apokryphen Legenden liber
einzelne Kultbilder des biirtigen Typus.
II. Die Apokryphen u. die Apostelbilder.
1. Die typische Zusammenstellung Petri
und Pauli. 2. Untersuchung uber die
Herkunft der Portratzlige auf den Bild-
nissen Petri u. Pauli. III. Die Typen
anderer Apostel.]
Weisbach, Werner. Petrarca und die bil-
dende Kunst. (Repertorium fiir Kunst-
wissenschiift, XXVI, 1903, S. 265.)
Wiegand, Friedrich. Eine Nachlese zur
Sicilia sotteranea. ( Theologisches Lite-
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Willard, Ashton Rollins. History of Modern
Italian Art. Part 1, Sculpture; Part 2,
Painting; Part 3, Architecture. With
Photogravure Frontispiece and numerous
Full-page lllusts. 2nd ed.f with a Supple-
ment to the Text and 1 2 additional lllusts.
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1889 — 1902. 4 to. Simpkin. 1/; 2/.
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Lodovico il Moro in Ferrara: note. Fer-
rara, tip. Sociale del dott. G. Zuffi, 1902,
8°, 22 p.
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II*
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par le general L. de B. In-4, XV, 220
pages avec grav. et planches en coul.
et en noir, et supplement (les Anciennes
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Grenoble, impr. Allier freres; libr. Falque
et Perrin. Paris, libr. Leroux. 1902 a
1903. [Inhalt: Preface. Avant-propos.
1. L'habitation romaine jusqu'aux pre-
mieres annees du IVe siecle. 2. L'habi-
tation byzantine du IVC siecle aux pre-
mieres annees du VIe siecle. 3. Byzance
et l'habitation byzantine du Vie au XV c
siecle. 4. Les Palais byzantins en dehors
de la Grece. 5. La decoration et le
mobilier. Conclusion.]
Bilson, John. The beginnings of gotic
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British Architects, 1903, S. 19.)
Blanchet, Adrien. Le Chateau de Montanvr;
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bildern. (Hrsg. v. der firm. Altertums-
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Imprimerie tourangelle. 1903.
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et Archeologie) ; par L. A. B., president
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impr. M. Bousrez. Tours, librairie L.
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Paris (monographies illustrees); par M.
l'abbe A. B. 2 fascicules in-8 de 16 p.
chacun, avec grav. en couleurs. N° 12:
Saint-Medard ; Saint- Jacques-du-Haut-Pas;
n° 13: Saint-Eustache. Lyon, imp. et
lib. Vitte. Paris, lib. de la meme maison.
1903. a fr. 1. — .
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Broche, Lucien. La Date de la chapel le
de l'eveche de Laon; par L. B., archi-
viste paleographe. In-8, 14 p. avec fig.
et planches. Caen, imp. et lib. Deles-
ques. 1903. TExtrait du Bulletin monu-
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schichte des Domes zu Meiflen. (Dresdner
Anzeiger, 1903, Nr. 254, S. 4.)
— Schlofl Moritzburg. (DTesdner Anzeiger,
Sonntagsbeilage, 1903, Nr. 26 f., S. 121
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Brutails. Cathedrale de Bordeaux. (Revue
philomathique de Bordeaux, 1903.)
Brykczynski, A. La restauration de la
cathedrale de Plock. (Revue de Tart
chretien, 4C serie, 1903, S. 137.)
Bucchi, can. Gennaro. Santa Sofia in
Costantinopoli' . Firenze, tip. Domeni-
cana, 1903, 8°, 59 p. e 4 tav. [Inhalt:
1. In vista di S. Sofia; Giustiniano, 11
Nazianzieno,' II Crisostomo. 2. II pro-
gramma della visita di Costantinopoli;
rippodromo e i suoi monumenti; Costan-
tino edifica S. Sofia; due incendi la
distruggono. 3. II tempio di Giustiniano.
4. Gl'imperatori greci e i patriarchi di
Costantinopoli; l'impero latino. 5. Finis
imperii; Maometto. 6. II piu .dolce
ricordo.]
Buch, August Emil. Beitriige zur Geschichte
der HOhenburgen und Schlbsser in Cber-
etsch. Bd. I: Eppaner Hbhenburgen und
Schlbsser und Begebenheiten um und in
Eppan aus der Geschichte Tirols. 8°.
147 S. m. 13 111. Bozen, Buchh. »Tyrolia«,
1903. M. 1.75.
Budinich, Comelio. L'Arte italiana nell'
architettura del rinascimento in Francia.
(Rassegna bibliografica dell' arte italiana,
VI, 1903, S. 45.)
Calzini, E. La chiesa di S. Angelo in
Montespino. (Rassegna bibliografica dell'
arte italiana, VI, 1903, S. 107.)
C&nnizzaro, M. E. L'antica chiesa di S.
Saba sull' Aventino. (Atti del Congresso
internazionale d'archeologia cristiana in
Roma 1900, Roma [1903J, S. 241.)
Capelle, Edouard. L'Abbaye de Fontfroide.
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Toulouse, imprim. et librairie Privat. 1903.
[Extrait de la Vie du Pere Jean, abbe
de Fontfroide.]
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Castellini, Pietro. Monumentale basilica
dei Fieschi a San Salvatore di Lavagna:
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1902, 1 6° fig., 54 p. e 1 tav.
Castello, Giovanni Paterno. Castelli nor-
manni nella provinciadi Catania: Paterno
e Motta Sant' Anastasia. (Emporium,
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Caviglia, Maggiore Enrico. Ancora della
Roccella del Vescovo di Squillace. (Ras-
segna d'arte, III, 1903, S. 189.)
— La Roccella del Vescovo di Squillace.
(Rassegna d'arte, III, 1903, S. 51.)
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medeltida k\Tkor. (Ateneum, Nordisk
tidskrift for konstuntgifvarc, iqo^, I,
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tectes, peintres, sculpteurs, mcdailleurs
(X\'c et XVN siecles); par G. C, archi-
tecte, membre des Academies royales
des beaux-arts de Home (Saint-Luc) et
de Florence. T. 3 : Florence et les der-
niers San Gallo. Grand in-8, 421 p. avec
grav. Chartres, imp. Durand. Paris, lib.
Leroux. 1902. 'Inhalt: 1. Introduction.
Florence au XV lc siecle: La ville, la so-
ciete, les artistes. 2. Les derniers San
Gallo: Bastiano da San Gallo, clit »Ari-
stotile«, architecte, peintre, et decorateur,
148 1 — 1 55 r. Giovanni Francesco da
San Gallo, architecte, 1482 — 1530. Fran-
cesco da San Gallo dit »il Margotta«,
architecte, sculpteur et mcdailleur, 1494
a 1576. 3. Mcdailles. 4. Dessins.
Giovanni Battista da San Gallo dit »il
(Jobbo«, architecte, 1496 — 1552. Con-
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XXII
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gezeichnet u. hrsg. voin Zeichen-Aus-
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Dethlefsen. \Viederherj>tellung des Doms
in Konigsberg i. Pr. (Die Denkmal-
pflege, V, 1903, S. no.)
Diccionario de arquitectura civil, religiosa,
militar y legal, por varios arquitecto>;
obra escrita en vista de las mas impor-
tantes que se han publicado en Espana
y en el Extranjero e illustrada con gran
mimero de grabados. Tomo I — II. Bar-
celona. Est. tip. de Jaime Vives. Ma-
drid, (1903). En 40. CXII, 374 p.
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zum Brande vom 26. II. 1903. 18 S. m.
3 Abbildgn. gr. 8°. Stadtsteinach, (E.
Mulert), 1903. M. —.50.
Enschede, J. W. Dc Sint-Bavo of Grootc
Kerk tc Haarlem. 16 lichtdrukken, met
tekst. 4, 24 S. m. Afb., vignetten en
1 portr. Fol. Haarlem, Vincent Loojcs.
F. 15.-.
Entscheidung, Die, in der Riesenthor-Krage.
[St. Stephan in Wien.] Erweiterter Sepa-
ratabdruck a. d. »Vaterland«. Jahrg. 44.
Nr. 13 u. 15. 8°. 16 S. Wien, St. Norber-
tus Verb Kr. — .30.
Erber, Othmar. Die Burgruine Costing.
Beschreibung — Geschichte — ErzahJg.
Mit 3 Vollbildern u. e. Lageplan. VIII,
58 S. gr. 8<>. Graz, O. Erber, 190 V
M. 1.—.
Es term anil, Melchior. Die Renovation der
Stiftskirchc in Beromlinster. |Sep.-Abdr.i
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II. Erlauterungcn und Quellenbelege
zum chronologischen Prospekt. III. t'r-
kundliche Beilagen zum chronologischen
Prospekt. (Jahrbuch der Kgl. Preufi.
Kunstsammlungen, XXIV, 1903, Beiheft,
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existant en 770. 2. Reconstruction de la
cathedrale par Hubert de Vendome, 1030.
2C partie: 1. Restcs d'anciens pavagcs.
2. Coeur en vermeil de Marguerite
d'Anjou-Sicile. 3. Niche destinee a placer
une lampe dans un tombeau. 4. Etoffes
anciennes trouvees dans un tombeau.
5. Cercueil de plomb de Mgr Vaugirauld
1758. Conclusion. (Revue de Part
chretien, 4c serie, XIV, 1903, S. 1.)
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39 S. m. 16 Abbildgn. u. 1 Taf. gr. 8°.
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de Saint-Andre-d'Exalada, par le meme
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Perpignan, imp. Latrobe. 1903. fr. 3. — .
Fournez. Chateau de Saint- Germain- en-
Laye. (Comm. des antiq. et des arts de
Seine-et-Oisc, t. XXII, 1902, S. 63.)
Frederiksborg Slotskirke. En illustreret
V'ejledning. Autoriseret Udgave. Med 28
Billeder fra Kirken og Carl Blocks Malerier
i Bedestolen, ved F. Hendriksens Repro-
duktionsatelier. 160. 32 S. Kobenhavn,
(Aug. Bang). Kr. —.50.
Galle, Leon. Chapelle de Savigny. (Bulle-
tin archeol. du Comite, 1902, S. 248.)
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Schlosses in Berlin. IV. Das »neue
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af Ministeriet for Kirke-ogUndervisnings-
vaesenet opmaalte og undersogte under
Ledelse af H. Storck red V. Ahlmann og
Vr. Koch. 67 Tavler med Beskrivelse.
28 tospalt Sider og 67 Tavler in Fol.
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in-8, 605 p. avec grav. Macon, imprim.
Protat freres. Paris, libr. Aulanier et Ce.
Gugel, Eugen. Geschiedenis van de bouw-
stijlen in de hoofdtijdperken der archi-
tectuur. 3e door den schrijver geheel
herziene en bijgewerkte druk. Vervolgd
met een hoofdstuk over de geschiedenis
der bouwkunst gedurende de laatste
twintig jaren, door J. H. VV. Leliman.
gr. 8°. 14, 916 S. met 1 100 in den tekst
en op 44 afzonderlijke platen gedrukte
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Felsberg, Altenburg uud Falkenstein.
(= Hessische Burgen, III.) 8°. 26 S.
m. 9 Ansichten u. Grundrifi. Cassel,
C. Vietor, 1902. M. — .50.
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Niederhessen, Mit 52 Ansichten u. 5
Grundrissen. Text- und Naturfederzeich-
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Prof. Dr. Eduard Schmitt. 2. Tl. Die
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4. Bd. Die roman. u. die got. Baukunst.
4. Heft.) Lex. 8°. VI, 388 S. m. 51 1
in den Text eingedr. Abbildgn., sowie
12 in den Text eingeh. Taf. Stuttgart,
A. Bergstriisser, 1903. M. 18. — ; geb.
M. 21.—.
Haspels, G. F. Auf der Dillenburg, aus
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30 S. m. 2 Abbildgn. u. 3 Taf. 8°.
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zum 18. Jahrhundert. ir\ebentitel :] Mo-
numents a" Architecture de 1' Alsace depuis
le moyen-age jusqu'au 18. siecle. 100
Lichtdrucktafeln. I.fg. 1. F°. Strafiburg
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Havard, Henry. Histoire et Philosophic
des styles (Architecture; Ameublement;
Decomtion) ; par H. H., inspecteur general
des beaux-arts. Ouvrage enrichi de 40
planches hors texte et de plus de 400
gravures, d'apres les dessins d'Yperman,
Mangonot, Boudier, Hotin, Melin, Roguet,
etc., et de nombreuses reproductions
de documents originaux. 2 vol. grand
in-4 a 2 col. T. ier, XI p. et 510 col.;
t. 2, 698 col. Paris, imprimerie Lahure;
librairie Schmid, 1899- 1900.
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par V. L., architecte, chef des travaux
graphiques a l'Universitc de Lou vain.
In-40. Bruxelles, Vromant et C»c, 1903.
Fr. 30. — . \ ICet ouvrage sera compose de
50 planches en phototypie coloriecs a la
main; il sera public en quatre fascicules.1
Letombe, Abbe E. Une crypte ou chapelle
souterraine a Ambleny. (Bulletin de la
Societe archeologique, historique et scienti-
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pagne-en-Rouez et Tennie (Sarthe); \r.\r
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Champion; lib. Cheronnet. Le Mans, lib.
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trage zur deutsch-bohmischen Volkskunde.
Geleitet von Prof. Dr. Adf. Hauffen, V. Bd.
1. Heft.) gr. 8°. 41 S. m. 1 Phototyp. u.
Abbildgn., Planen u. Kartenskizzen im
Text. Prag, J. G. Calve, 1903. M. 1.50.
Lorenz, Dr. Ottomar, Oberpfarrer. Die
Stadtkirche zu Weiflenfels. 8°. 75 S.
Weiflenfels a. S., M. Lehmstedt, 1903.
Lucas, Ch. L'Eglise de Saint-Paul, cathe-
drale de Liege, 1232 — 1289, par le
chanoine Ch. L. Liege, imprimerie H.
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hauses in Posen. (Die Denkmalpflege,
V, 1903, S. 33)
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de Saint-Dizier avec la crypte de Saint-
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d'Ainay avec sa crypte de Sainte-Blandine.
IV: Basiliques des Macchabees ou de
St. Just et de St. Jean Baptiste. V: La
double basilique de Saint- Jean- 1'Evan-
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Architektur.
XXIX
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9. u. 10. Lfg. (20 Lichtdr.-Taf., Ill S.
Text.) 45X32 cm. Wien, A. Schroll & Co.,
1902. Jc M. 10.— ; vollstandig in Mappc
M. 100. — .
Old English Doorways. A Series of Historical
Examples from Tudor Times to end of
the 1 8th Century. Must, on 70 Plates
and Reproduced in Collotype from Photo-
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Yejledning for Besogende. 8°. 32 S.
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Rathgens, H(ugo). S. Donato zu Murano
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der K. Sachs. Technischen Hochschule
zu Dresden zur Erlangung der WUrde
ihres Doktor-Ingenieurs genehmigte Dis-
sertation, gr. 8°. 96 S. m. 10 Textab-
bildgn. u. 3 [da von 2 farb.] Taf. Berlin,
E. Wasmuth, o. J. [Inhalt: Einleitung.
Literatur-Obersicht. 1. Historischer Teil :
1. Bis zur VViederherstellung der Kirche
1858 — 73. 2. Die Wiederherstellung.
11. Kunstgeschichtlicher Teil. 1. Die
Kirche vor dem Neubau im 12. Jahrh.
2. Der Neubau im 12. Jahrh. SchlufiV
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Inaug.-Diss. Kiel. 8°. 45 S. m. GrundriB.
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Mlinchen, G. Franz Verl. in Komm.,
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Rieu de Maynadie, du. Chateau de Ja-
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Klosters Rheinau. Inaug.-Diss. . . Uni-
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Wagner, 1902.
Zur Baugeschichte des Klosters Rheinau.
1 Alemannia, N. F., Bd. 4, 1903, S. 1.)
- Zur Baugeschichte des Klosters Rheinau.
Aus: „ Alemannia44. J VIII, 142 S. gr. 8°.
Freiburg i. B., F. E. Fehsenfeld, 190 V
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aller Zeiten u. Lander. Xach eigenen
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gr. 40. Leipzig, Baumgartner, 1902.
a M. 6.—.
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le 2 decembre 1901, et a 1' Association
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nel Varesotto. (Arte e Storia, XXII,
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XXII, 1903, S. 43.)
Le arcate cieche dell' atrio di Sant'
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Calvcnzano prcsso Melegnano. (Arte e
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Sarlo, ing. Francesco. Lavori di restauro
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Franz v. Sales Huter, Stadtbaumeister in
Innsbruck, e. vergcssener Patriot aus den
Franzosenzeiten. VIII, 156 S. m. 1 Bild-
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III, 1903, S. 169.)
Scatassa, E. La chiesa di S. Francesco
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Zeit. 4. u. 5. (SchluB-)Lfg. (40 Lichtdr.-
Taf. m. 5 S. Text.) 48,5X32 c™- Berlin,
E. VVasmuth, 1903. In Mappe je M. 20. — -.
— Denkschrift Uber die Wiederherstellung
des MeiOner Doms. Hrsg. u. eingeleitet
v. dem Vorstand des Mei finer Dombau-
vereins. 27 S. Fol. Meiflen, (L. Mosche),
1902. M. 1.--.
-— Ein altes Denkmal der Holzbaukunst
[Haus in Marburg a. d. Lahn]. (Zentral-
blatt der Bauverwaltung, XXIII, 1903,
*• 3530
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schen Friihrenaissance in LUbeck. (Die
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Schermann, Max. La Sainte Chapelle de
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fur christl. Kunst, 1903, S. 1 u. 13.)
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Nordfrankreichs. (Archiv fiir christl. Kunst,
1903. *• 53 u. 65.)
Schmerber, Hugo. DieBaumeisterChristoph
u. Ignaz Kilian Dintzenhofer. (=■ Samm-
Iung gemeinniitziger Vortrage. Hrsg. vom
deutschen Vereine zur Verbreitg. gemein-
nlitz. Kenntnisse in Prag. Nr. 292:
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gr. 8°. 10 S. m. 1 Taf. Prag, J. ( i. Calwe
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III
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XXXIV
Architektur.
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10 Taf. m. gegeniibersteh. Text. 22 S.
qu. gr. 40. Leipzig, F. Hirt & Sohn, 1902.
M. 1.60.
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in Heidelberg-Neuenhein. 8°. 36 S. m.
6 Taf. Heidelberg, Ev. Verlag, 1903.
M. —.50.
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tip. A. e S. Festa, 1903, 160, 108 p.
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Steinhart, Baugewerksch. Zeichenlehr. F.
X. Baucrnbauten alter Zeit aus der Um-
gebung v. Karlsruhe. Aufgenommen u.
gezeichnet. 31 Taf. m. IV S. Text.
42»5X3I»5 cm' Leipzig, Seemann&Co.,
1903. In Mappe M. 18. — .
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Architektur.
XXXV
Stephani, Dr. K. G. Der alteste deutsche
Wohnbau u. seine Einrichtung. Bau-
geschichtliche Studien auf Grund der
Erdfunde, Artefakte, Baureste, Munzbilder,
Miniaturen u. Schriftquellen. (In 2 Bdn.)
2. Bd. Der deutsche Wohnbau u. seine
Einrichtg. von Karl dem Groflen bis zum
Ende des XI. Jahrh. XV, 705 S. mit
454 Abbildgn. gr. 8°. Leipzig, Baum-
gartner, 1903. M. 18. — ; geb. M. 20. — .
Stever. Kaiserliche Deutsche Botschaft in
Paris, ehemals Hotel du Prince Eugene
Beauhamais. (Zeitschrift f. Bauwesen,
LIU, 1903, Sp. 217.)
Stiehl, Otto. Die Entwieklung des mittel-
alterlichen Rathauses in Deutschland.
(Allgemeine Zeitung, MUnchen 1903,
Beilage Nr. 112, 113, 117 u. 118.)
— Mittelalterliche Baukunst und Gegen-
wart. (Zeitschrift f. Bauwesen, LIU,
1903, Sp 611.)
— Mittelaherliche Baukunst u. Gegenwart.
Festrede. Nebst Jahresberichte des Archi-
tektenvereins zu Berlin, erstattet vom
Vorsitzenden Baur. Dir. Eduard Beer
am 13. III. 1903. 31 S. gr. 8°. Berlin,
W. Ernst & Sohn, 1903. M. 1. — .
— Mittelalterliche Fialenspitzen aus Ton.
(Die Denkmalpflege, V, 1903, S. 43.)
Storck, H[ennan>. Iydske Granitkirker.
Efter Foranstaltning af Ministeriet for
Kirke- og Undervisningsvaesenet opmaalte
og undersogte under Ledelse af H. S.
ved Architekterne V. Ahlmann og V.
Koch. 67 Tavler med Beskrivelse. gr. F°.
22 S. Kjebenhavn, H. Hagerup, 1903.
Streit, A. Das Theater. Untersuchungen
lib. das Theaterbauwerk bei den klass.
u. modernen Volkern. VIII, 267 S. m.
Abbildgn. u. 26 Taf. 42X^9,5 cm.
Wien, Lehmann & Wentzel, 1903. M.52. — .
Strzygowski, Josef. Der angebliche Still-
stand der Architekturentwicklung von
Konstantin bis auf Karl d. Gr. (Zeitschr.
f. Bauwesen, LIII, 1903, Sp. 629.)
SucheL La Chronique de l'^glise de
Saint-Pierre de Besancon; par le chanoine
S., vicaire general honoraire de Nimes,
merabre de l'Academie de Besancon et
de la Societe d'emulation du Doubs.
In-8, 54 p. avec grav. Besancon, imp. Ve
Jacquin. 1903.
fSwoboda, Dr. Heinrich.) Die Entscheidung
in der Riesentorfrage. (Erweit. Sep.-
Abdr. aus: »Vaterland«.) 16 S. 12°.
Wien, St. Norbertus, 1903. M. —.30.
Zur Losung der Riesentorfrage. Das
Riesentor des Wriener St. Stefansdomes
u. seine Restaurierg. 30 S. m. 1 Taf.
gr. 40. Wien, A. Schroll & Co., 1902.
M. —.80.
Sz. Vom »Alten Peter« in Miinchen. (Die
Denkmalpflege, V, 1903, S. 7.)
Taramelli, A. La cappella di Sant'
Eusebio nel Santuario di Crea nel Mon-
ferrato. (L'Arte, VI, 1903, S. 101.)
Testi, Laudedeo. Intomo ai campanili
di Ravenna. (L'Arte, VI, 1903, S. 165.)
Thiollier, Noel et Felix. Eglise de Ternay
(Isere). (Bulletin archeol. du Comite,
1902, S. 257.)
— L' Eglise de Ternay (lsere); par F. I.,
membre. non residant du Comite des
travaux historiques et scientiftques, et X.
T., archiviste paleographe. In-8, 12 p.
et 7 planches. Paris, Imp. nationale.
1902. [Extrait du Bulletin archeologique.]
Tiedemann, Geh. Reg.- u. Baur. v. Der
Kirchenbau des Protestantisnius , seine
Entwieklung u. seine Ziele. Vortrag.
26 S. gr. 8°. Potsdam, A. Stein, 1903.
M. —.60.
Tooley, Sarah A. Royal Palaces and their
Memories. With 48 Full-page Plates and
a Photogravure Frontispiece. Imp. 8vo,
338 p. Hutchinson. 16/.
Tornow, Reg.- u. Baur. Dombaumstr. Paul.
Das neue Hauptportal des Metzer Domes.
Kurze Beschreibg. des figttrl. Schmuckes
u. Notizen zur Geschichte des Portales.
28 S. m. 9 Taf. ^t. 8°. Metz, P. Even,
1903. M. 1.50.
Triger, Robert. Donjon de Courmenant.
(Revue hist, et archeol. du Maine, 1902,
t. LII, S. 161.)
— L'Eglise de la Visitation, au Mans, et
son principal architecte, soeur Anne-
Victoire Pillon; par R. T., president de
la Societe historique et archeologique du
Maine, inspecteur general de la Societe
francaise d'archeologie. In-8°. 48 p. avec
plans et grav. Maraers, imp. Fleury et
Dangin. Le Mans, lib. Saint-Denis. 1903.
[Extrait de la Revue historique et archeo-
logique du Maine, t. 53.]
Uhde, Constantin. Die Konstruktionen u.
die Kunstformen der Architektur. Ihre
Entstehg. u. geschichtl. Entwicklg. bei
den verschiedenen Volkern. (In 4 Bdn.)
I. u. II. Bd. Fol. Berlin, E. Wasmuth.
M. 43.— ; geb. M. 50.50; f. das voll-
standige Werk M. 75. — ; geb. M. 90. — .
1. Die Konstruktionen u. die Kunstformen.
Ihre geschichtl. systemat. Entwicklg., be-
grlindet durch Material u. Technik. VII,
VII, 183 S. m. 345 Abbildgn. 1902.
M. 15.—*; geb. M/18.50. — 2. Der Holz-
bau. Seine ktinstler. u. geschichtlich-
geograph. Entwicklg., >owie sein Einflufl
auf die Steinarchitektur. X, 448 S. m.
526 Abbildgn. 190^. M. 28. — ; gel).
M. 32.—.
Ill*
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XXXVI
Architektur.
Uhienhuth, Hofphotogr. Prof. Ed. Die
Vestc Coburg. Orig.-Aufnahmen. 20 Taf.
in. IV S. Text u. 1 eingedr. Plan. <|ii.
gr. 40. Coburg, E. Riemnnn, 100^. Geb.
M. 4.-.
Uhlmann-UhlmannsdorfT, Arthur 13. Kin
Handschreiben des Baumeisters Hans
Innisch vom J. 1369. 1 Kreibcrger An/,
u. Tagebl., 1903, Nr. 128 u. 139.)
Valentiner, \V. Zur ( icschiehte des Streits
urn die Erhaltung des Ottheinrichbaues
auf dem Heidelberger SchloU. Auszllge
der Akten. (Mitteilungen zur Geschichte
des Heidelberger Sclilosses, hrsg. vom
Heidelberger Schlnflverein, IV, Heft 3 — 4,
1903.)
Vendrasco, Luigi, e G. A. Vendrasco.
Campanile della chioa parrocchialc di
s. Stefano in Venezia: relazione illustra-
tiva del progetto di radclrizzamentn e
robustimento. Venezia. tip. V. < Jarzia e C,
1902, 40, 46 p. e 3 tav.
Verhandlungen, Die, der zweiten Heidel-
berger SehloGbaukonferenz vom 17. iS.
April 1902. (Zentralblatt der Bauver-
waltung, XXIII, 1903, S. 73.)
-, Die, der zweiten Heidelberger SchloB-
baukonferenz vom 17.18. April 1902.
Ven.ffentlicht im Auftr. d. Grofih. Bad.
Kinanzminist. 40. 32 S. Karlsruhe 1902.
Verkest, Medard. 1 )e Iioofdkerk van Brugge
en haar kunstschat. (lent, Ail. Hoste,
1903. In-40, 31 p., gravv. et portr. hors
texte. fr. 1.— . Kxtrait de Kunst en
leven.j
Veth, Jan. Rheinreise. 1. [Kolner Dom.J
(Kunst und KUnstler, I, 1903, S. 373.)
Viel, Jules. Notice sur Notre-Dame du
Tresor de Remiremont. In-8, 8 p. et
grav. Remiremont, imp. Kopf-Roussel.
1903.
Villa, Ine, beige du XVb" siecle. (Cottage,
1903, S. 163.)
Ville sur-Yllon, Ludovico de la. Le
mure e le porte di Napoli. (Xapoli
nobilissima, XII, 1903, S. 49.)
Vlaminck, Alphons de. Le chateau des
Comtes, dit le Gravcnsteen, a (iand,
avant et apres sa restauration en 1180.
I et II. Bruxelles, A. Vromant et ('»«,
1 902-1903. I11-80, 32. 113 p., pll. hors
texte. fr. 2.50. | Extrait des Annates de
la Societe d'archeologie de Bruxelles,
tome XV, 3e et 4e livraisons 1 901, et
tome XVI, 3e et 4e livraisons 1902. n
Vom Dom in Metz. (Zentralblatt der Bau-
verwaltung, XXIII, 1903, S. 241.)
Vom Meifiner Dombau. (Kunstchronik,
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Vrhovec, Johann. Die Pfarrkirche St.
Ruprecht in Unter-Krain und ihre Restau-
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Commission, N. F., XXVII I, 1902, S. 63.,
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i Damaso und in Lucina. (Romische
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Waschke, H. Die Dessauer Elbbrueke.
(— Neujahrsblatter. Hrsg. v. d. histor.
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Berlin, W. Spemann, 1903. M. 4. — .
— Die Koimesiskirche in Nicaa und ihre
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zur Geschichte der byzantin. Kunst im
I. Jahrtausend. (-= Zur Kunstgeschichte
des Auslandes, 13. Heft.) Lex. 8°. VIII,
329 S. m. 6 Taf. u. 43 Abbildgn. i. Text.
Straflburg, J. H. E. Heitz, 1903. M. 12. — .
jlnhalt: 1. Die Architektur der Koimesis-
kirche von Nicaa. 2. Die verwandten
Denkmiiler. 3. Die Stellung der Bau-
gruppe innerhalb der byzantinischen Ar-
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-j
Skulptur.
XXXVII
chitekturentwicklung. 4. Die dekorativc
Architektur und Ausstattung der Koimesis-
kirche. 5. Die Mosaiken des Altarraums.
o. Die Narthexmosaiken.]
Zelkr, Reg.-Baumstr. Priv.-Doz. Adolf.
Burg Hornberg am Neckar. Dargestellt
u. bcschrieben auf Grund v. Orig.-Auf-
nahmen u. urkundl. Quellen. 60 S. m.
Abbildgn. u. 11 Taf. Fol. Leipzig, K.
W. Hiersemann in Komm., 190 V Geb.
M. 50.—.
Zellner, Emil. Das heraldischc Ornament
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dung auf kultur- u. kunstgeschichdieher
Grandlage dargestellt. 40. VII, 104 S.
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Zemp, J. La Rosace de la tour de Saint-
Nicolas a Fribourg. (Fribourg artistique,
J 902, 4.)
Zur Heidelberger Schloflangelegenheit.
(Internationale Revue f. Kunst, V, 1903,
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Zur Vollendung des Friedrichsbaues auf
dem Heidelberger Schlosse. (Nord-
deutsche Allgemeine Zeitung, 1903, Bei-
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Skulptur.
Aitchison. Marble. (Jounial of the Roy.
Institute of British Architects, 1903, S.
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Alvin, Fred. Medaillon de Guillaume
Dupre au buste de Victor-Amedee, due
de Savoie. Tournai, imprimerie Del-
court- Vasseur, (1903). In-8°, 7 p., ac-
compagne" d'une pi. hors texte. Fr. 1.50.
rExtrait de la Gazette numismatique.]
Ambrosoli, S. Una medaglia poco nota
di papa Pio IV nel r. gabinetto numis-
matico di Brera in Milano. (In: Roma
e la Lombardia: miscellanea di studi e
documenti offerta al congresso storico
internazionale dalla societa storica loni-
barda, Milano, tip. L. F. C'ogliati, 1903.)
Arbeiten Donatellos, fUr die Mediceer.
(Die Grenzboten, hrsg. v. J. Grunow, 62.
Jahrg., No. 31.)
Astolfi, C. Di un ignorato Iavoro di fra
Ambrogio e fra Mattia della Robbia a
Macerata. (LTnione, Macerata, 27maggio
'903)
Auxy de Launois, le comte Albcric d'.
La fontaine de La Valliere a Spiennes,
l>ar le comte A. d'A. de L., vice-presi-
dent du Cerele archeologiquc de Mons.
Mons, imprimerie Dequesnc-Masquillier
ct fils, 1902. In-8°, 8 p. Fr. —.50.
[Kxtrait du tome XXXI des Annales du
Cerele archeologiquc de Mons.]
Balcarres, Lord. Donatello. Cr. 8vo,
210 p. London, Duckworth, 1903. b/.
Balletti, D. Medagliere veneto. (Ra^segna
d'arte, III, 1903, S. 132.)
Balzano, Vincenzo. Nicola di Guardia-
gnele scultore? (Bullettino della Societa
di Storia patria negli Abruzzi, IV, 1903.)
Barbier de Montault, X. La Vierge de
Parthenay. (Revue de l'art chreticn, 4C
serie, XIV, 1903, S. 408.)
- Le Crucifix de Parthenay. (Revue de
l'art chrctien, 4° serie XIV, 1903, S.
409.)
- - Tombeau sculpte par Germain Pilon.
(Revue de l'art chrctien, 4e serie, XIV,
1903, S. 209.)
Beani, can. Gaetano. La cattedrale pi-
stoiese: l'altare di s. lacopo e la sacrestia
de' belli arredi: appuhti storici documen-
tati. Pistoia, casa tip. editr. Sinibuldiana
G. Flori e C, 1903, 8°, 184 p. e 2 tav.
L. 3.50.
Beck. Die Hohenstaufengrabcr im Dom
zu Palermo. (Dibzesanarchiv von Schwa-
ben, XXI, 1903, S. 88.)
Bedeschi, Giovanni. La fontana delle tar-
tarughe. (L'Arte, VI, 1903, S. 220.)
Beissel, Stephan. Die westfalische Plastik
des 13. Jahrhunderts. 1. (Stimmen aus
Maria-Laach, 1903, 8. Heft.)
Beltrami, Luca. Di una bella figura d'ar-
tista scultore e architetto: Giovanni An-
tonio Amadeo. (Marzocco, 29 febbraio
1903.)
Bergmans, Paul. Fonts baptismaux de la
Cathedrale St. Bavon. (Inventaire archeo-
logique de (/and, 1903, fasc. 32.)
-- Statuette en ivoire de la Vierge. (In-
ventaire archeologique de Gand, 1903,
fasc. 32.)
Beringer, Dr. Josef August. Peter A. v.
Verschaffelt, sein Leben und sein Werk.
Aus den Quellen dargestellt. (— Studien
. zur deutschen Kunstgeschichte, 40. Heft.)
g. 8°. VII, 139 S. m. 2 Abb. im Text
u. 29 Lichtdr.-Taf. Straflburg, J. H. K.
Heitz, igo2. M. 10. — . IJnhalt: Vor-
wort. Leben. Werke, a) Romisehe Zeit,
b) Mannheinier Zeit. Kunst. Simon
Peter Lamine. Ausgang. Quellenangabe.
Anhang. Personenverzeichnis. Ortsver-
zeichnis.j
Berney-Ficklin, P. Stuart Medals and
Royalist Badges. (The Connoisseur, VI,
1903, S. 235.)
Bfenkowski, P. Les reliefs dans „Giar-
dino Boboli* dc Florence. (An/either (I.
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XXXVIII
Skulptur.
Akadcmic d. Wiss. in Krakau, philol. u.
histor.-philos. Klasse, 1903, Nr. 4.)
Biesbroeck, L. van. Statue dc Saint
Pierre, par Charles van Poucke. (Inven-
taire archeologique de Gand, 1903, fasc.
32-)
Bildschnitzer, Ober-Ungarns, im Mittelaltcr.
(Der Kirchenschmuek [Seekau], 1903,
S. 60.)
Blanc, Charles. La Sculpture; par C. B.,
de 1'Academie francaise et de 1'Academie
des beaux-arts. Nouvelle edition. Grand
in-8, 239 p. avee 100 grav. Corbeil, impr.
Crete. Paris, libr. Laurens. 1902. fr. 4. — .
Bode, Wilhclm. Denkmaler derRenaissance-
Sculptur Toskanas. In histor. Anordnung.
Cnter Leitung von \V. R. hrsg. v. Frdr.
Bruckmann. Liefg. XCll— XCVII: No.
446 — 461 c: Andrea del Verrocchio;
No. 462a — 4b2d: Werkstatt des Andrea del
Verrocchio; No. 463a — 465a: Andrea
del Verrocchio (?); No. 465 b: Nachfolger
des A. del Verrocchio; No. 466a — 468:
Francesco di Simone Ferrucci ; No. 469 a —
475: Jacopo della Quercia. Mlinchen,
Verlagsanstalt F. Bruckmann, 190V a
M. 20.—.
— Ein neues Madonnenrelief Donatello's.
(Kunstchronik, N. F., 14, 1902 — 03,
Sp. 441.)
— Zu den neuesten Krwerbungcn des
Kaiser Friedrich- Museums. [1. Marmor-
biiste des Acellino Salvago von Antonio
della Porta Taniagnini.] (Jahrbuch der
K.Preufl. Kunstsammlungen, XXIV, 1903,
s. 318.)
Boeles, P. C. J. A. De Kraak te Oosterend
en het Edo YVimken-Denkmal te Jever.
(Bulletin uitgegeven door den Neder-
landsch. Oudheidkundigen Bond, IV,
1903, S. 109.)
Bollettino di Nuniismatica e di Arte della
Medaglia, con un'appendice archeologica
e artistica: periodico mensile del Circolo
numismatico milanese. Anno I, n. 1
(gennaio 1903). Milano, tip. L. F. Cu-
gliati. 8° tig., 24 p. L. 3.50 1'anno.
|I)irettore prof. Serartno Ricci.]
Bosseboeuf, Abbe L. Sur un buste clu
Christ au Carroi-Voguet, commune de
Saint-Pierre-des-Corps, XVesiecle. (Bulle-
tin de la Societc archeologique dcTouraine,
t. XIII, 1 90 1 — 02 , Tours 1903, S. 85.)
Brambach, Wilhelm. MUnz- u. Medaillen-
kunst unter Groflherzog Friedrich v. Baden.
Mit e. Cbersicht der friiheren Pragekunst
in bad. Diensten. (Groflherzogl. Samm-
lungen-Gebaude. Miinzausstellung. Die
bad. MUnzen. Neue Folge.) VII, 45 S.
m. 17 Taf. 120. Heidelberg, C. Winter
Verl., 1902. M. 1.—.
Bredt, K. \V. Medaillen des medico-histo-
rischen Kabinetts. (Mitteilungen aus dem
Germanischen Nationalmuseum , 1903,
S. 60.)
Broeck, E. van der. Medaillons sculptes
du portail de la cathedrale d* Amiens.
(L'Art et l'Autel, 1902, fevrier.)
Brykczynski, A. La porte de bronze
connue sous le nom de porte de Plock.
(Revue de Tart chretien, 4e serie, XIV,
1903, S. 138.)
Buchner, Otto. Die metallenen Grabplatten
des Erfurter Domes. (Zeitschrift far
christl. Kunst, XVI, 1903, Sp. 161.)
— Werke des mittelalterlichen Bronze-
Gusses im Erfurter Dom. (Zeitschrift f.
christl. Kunst, XVI, 1903, Sp. 143.)
Burkel, Dr. Ludwig von. Die Bilder der
siiddeutschen breiten Pfenninge (Halb-
brakteaten). Ihre Erklarung durch Be-
ziehung auf andere Kunstgattungen. 8°.
127 S. m. Textabbildgn. Mtinchen, Ver-
lag der Bayer. Numismatischen Gesell-
schaft, 1903.
Bus am, F. Die St. Benediktusmedaille. I.
(Studien und Mitteilungen aus dem
Benediktiner- und dem Zisterzienser
Orden, 24, 1.)
Busetto, N. I Medaglini e Medaglioni.
(Bollettino del Museo Civico di Padova,
VI, 1903, Nr. 7-8, S. 84.)
Cahn, Julius. Die deutsche Stempel-
schneidekunst im Mittelaltcr. (Jahrbuch
des Freien Deutschen Hochstifts, Frank-
furt a. M. 1903, S. 212.)
— Ein Beitrag zum Werke Hans Reimers.
(Berliner Mtinzblatter, XXIV, 1903, Nr.21,
«. 329-)
Calzini, E. Francesco di Simone Fernicci
a Forli. (Miscellanea d'arte, I, 1903,
gennaio, S. 25.)
Cantalamessa, Giulio. Una piccola sco-
perta. (Rassegna bibliografica dell" arte
italiana, VI, 1903, S. 1.)
Carocci, Guido. Disegni di Michelangelo.
(Arte e Storia, XXII, 1903, S. 104.)
Catalogue general de medailles francaises.
De Francois Icr a Henri 111 (15 15-1589).
Petit in-8, pages 23 a 44. Macon, imprim.
Protat freres. Paris, Cabinet de numis-
niatique, 2, rue Louvois. fr. 1. — .
— general de mcdaijles francaises. Du
nioyen age a Louis XII. N° 26. Petit
in-«S, 20 p. Macon, imprimerie Protat
freres. Paris, Cabinet de numismatique,
2. rue Louvois. fr. J. — .
— general de medailles francaises. (Sup-
plement.) iie fascicule. Petit in-8.
p. 303 a 336. Macon, imprim. Protat
freres. Paris, Cabinet de numismatique,
2, rue Louvois. fr. I. — .
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Skulptur.
XXXIX
Cervesato, A. II paliotto ambrosiano di
Vuolvinio. (Atti del Congresso inter-
nazionale d'archeologia cristiana in Roma
1900, Roma [1903], S. 361.)
Cervetto, Luigi Augusto. I Gaggini da
Bissone, loro opere in Genova ed altrove:
contributo alia storia dell' arte lombarda.
Milano, U. Hoepli (Genova, tip. A. G.
Lanata), 1903, folio fig., VIII, 310 p.
e 39 tav. L. 80. — . [Inhalt: Prefazione.
1. La scoltura Lombarda in Genova.
2. Bissone. I suoi artisti. 3. Beltrame.
Pietro. Domenico Gaggini. Loro opere.
Loro discendenza. 4. La Cappella di S.
Giovanni Battista. Lavori di Domencio
ed Elia Gaggini. 5. Elia Gaggini. 6.
Giovanni Gaggini di Beltrame. 7. Pace
Gaggini e le sue opere. In Genova. Alia
Certosa di Pavia ed a Siviglia. 8. Pace
Gaggini in Francia. Rapporti tra 1' Italia e
la Francia. 9. Antonio Gaggini. 10. Bern-
ardino Gaggini di Antonio. 11. Giovanni
da Bissone del fu Milano. 12. Giovanni
Gaggini di Andrea. 1 3. Matteo Gaggini di
Giovanni. 14. Giuliano Gaggini di Andrea.
15. Leone da Bissone. II Castello di
Sestri Levante. 16. Bernardino da Bissone
detto Furlano. 17. Francesco da Bissone.
18. Domenico e Giambattista Bissoni
sopranominati i Veneziani. 19. Pittori
Bissonesi. Gian Francesco Gaggini. 20.
Giacomo e Giuseppe Gaggini scultori ed
architetti. 21. Giacomo Maria Gaggini
architetto. II Cav. Giuseppe Gaggini
sculture. 22. Documenti. 23. Elenco di
scoltOTe eseguite in Genova ed in Liguria
nei secoli XV e XVI e nelle quali si
riscontra lo stile dei Gaggini. 24. Postille.]
Ch&illan, L'abbe. L'Autel merovingien de
Favaric. (Bulletin monumental, 1902,
s. 532.)
Chiapelli, Alessandro. Una nuova questione
a proposito del »David« di Michelangelo.
(Nuova Antologia, 1903, Marzo.)
Ctaytil, Dr. K. Der Prager Venus brunnen
von B. Wurzelbauer. Geschichte e. Kunst-
-werkes. Aus dem Bohm. 33 S. m. 2
Abbildgn. u. 4 Lichtdr.-Taf. gr. 40. Prag,
(F. Rivnae), 1902. M. 6.—. [Inhalt:
1. Benedict Wurzelbauer und Christoph
Popel von Lobkovic. 2. Die Venus.
3. Im \Valdsteinschen Garten.]
Cloquet, L. La Ruthwell Cross. (Revue
de Tart chretien, 4e scrie, XIV, 1903,
S. 56.)
— Pierres torn bales. (Revue de l'art chretien,
4« serie, XIV, 1903, S. 180.)
Colasanti, A. Sonetti inediti per Michel-
angelo e per Tiziano. (Nuova Antologia,
1903, 16. Marzo.)
— Un sarcofago inedito con rappresentazioni
cristiane. (Nuovo bulletino di archeologia
cristiana, IX, 1003, S. 25.)
Correll, Ferdinand. Deutsche Brunnen.
Mit Vorwort v. Prof. Dr. Paul Johs. Ree.
30 Lichtdr.-Taf. m. Ill S. Text. gr. 40.
Frankfurt a. M., H. Keller, 1903. In
Mappe M. 15. — .
Cruttwell, Maud. Luca and Andrea della
Robbia and their Successors. With over
150 Illusts. Imp. 8vo. 384 p. Dent. 25.
[Inhalt: Prefatory. Preliminary sketch.
I, x. Luca and Andrea della Robbia,
biographical. 2. Characteristics of Luca's
art. 3. The Cantoria, the Campanile
reliefs, the Altar of S. Peter. 4. Enam-
elled terra-cotta, the Peretola tabernacle,
the Duomo reliefs, the Pazzi chapel.
5. The bronze doors. 6. S. Miniato, the
Federighi tomb, the Pistoja visitation, the
steuimi of or S. Michele. 7. Impruneta.
8. The Madonnas. 9. Lost works and
works attribued to Luca. 10. II, I. Cha-
racteristics of Andrea's art. 2. Early
works of Andrea. 3. La Verna. 4. Works
of middle life. 5. Later assisted works.
6. The loggia di S. Paolo, the Arezzo
marble altar, last works. Ill, 1. Giovanni
della Robbia, characteristics. 2. Works
imitative of Andrea. 3. Polychromatic,
pictorial , and pseudoclassic works. 4.
Ospedale del Ceppo, Pistoja. 5. The
monks of the Robbia family, Luca the
younger. 6. Girolamo in France, the
palace of Madrid. IV, Appendices. 1.
Genealogical tree of the della Robbia
family. 2. Chronological table. 3. Biblio-
graphy. 4. Documents. 5. List of the
works. Index.]
Cubasch, Heinrich. Medaillen auf Bauten
und Denkmaler Wiens und solcher mit
Ansichten und Teilen derselben. Vortrag.
(Mitteilungen des Klubs der Mtinz- und
Medaillenfreunde in Wien, Nr. 160 u. 162,
1903, S. 85, 95 u. in.)
Czerny, Alois. Renaissance-Grabs teine an
der Pfarrkirche zu Schonbrunn in Mahren.
(Mittheilungen der k. k. Central - Com-
mission, N. F., XXVIII, 1902, S. 75.)
Delbruck, Richard. Ein Portrat Friedrichs
II. von Hohenstaufen. (Zeitschrift f. bild.
Kunst, N. F., XIV, S. 17.)
Dieterich, Julius Reinhard. Das Portrat
Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen.
(Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F., XIV,
S. 246.)
Dobschiitz, E. von. Die Vision des Ezechiel
(cap. 37) auf einer byzantinischen Elfen-
beinplatte. (Repertorium fur Kunstwissen-
schaft, XXVI, 1903, S. 382.)
Dunnuys, L. Groupe en ivoire attribue a
F. du Quesnov. (Annnles de la Societc
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XL
Skulptur.
d'archeologic dc Bruxelles, XVII, 1903,
S. 495.)
— e — . Die VViederher«>tellung des schonen
Hrunnens in Niirnberg. (Kunstchronik,
N. F., 14, 1902 — 03, Sp. 338.)
Eber, Laszlo. Donatello. (— Miiveszeti
konyvtar, 2. kotet.) 8°. 148 I., 10 mellek-
Icttel es 84 szovegbe nyomott keppel.
Budapest, Lampel Robert. Kr. 8. — .
E. L. La chaire dc Roucourt. (Revue de
Tart chretien, 4C serie, XIV, 1903, S. 152.)
Endl, E. Znaimer Bildhauer des 17. Jahr-
hundcrts unter Abt Raymund Regondi
im Stifte Altenburg. (Studien und Mit-
teilungen aus d. Benediktiner- und d.
Zisterzienscr Orden, XXIII, 4.)
Endres, Lyc.-Prof. Dr. Josef Anton. Das St.
Jakobsportal in Regensburg u. HonoFius
Augustodunensis. Beitrag zur Ikono-
graphie 11. Literaturgeschichte des 12.
Jahrh. VII, 78 S. m. Abbildgn. u. 5 Taf.
hoch 40. Kempten , J. Kosel, 1903.
M. 7.50. [Inhalt: Vorwort. I. Bisherige
Erklarungsversuche. 2. Das Hohelied im
frtiheren Mittelalter. 3. Honorius Augusto-
dunensis. 4. Des Honorius Augusto-
dunensis Kommentar /.urn Hohenlied.
5. Buchillustration zum Kommentar des
Honorius. 6. Kunstgeschichtliche Stellung
u. auflere Krseheinung des Jakobsportals.
7. Ikonographische Deutung des Portals.
8. Zahlensymbolik am Portalbau. Namen-
u. Sachregister.]
Engelmann, R. Benvenuto Cellini in
Fontainebleau. (Kunstchronik, N. F., 14,
1902-03, Sp. 105.)
En 1 art, C. Deux tetes de pleureurs du
XVe sieele au musee de Douai. (Revue
de Tart chretien, 4C serie, XIV, 190},
*• 134.)
Kpitaphium, Ein alttirolisches: Der Grab-
stein \V. v. Hennebergs an der Pfarr-
kirche in Bozen. (Der Kunstfreund, red.
v. H. Worndlc, XVIII, 10.)
Evans, Sir John. The Ancient Stone Im-
plements and Ornaments of Great Britain.
Svo. Longmans. 10/6.
£vrard de Fayolle, A. Recherches sur
Bertrand Andrieu de Bordeaux, graveur
en medaillcs . . . 1761 — 1822. Sa vie,
-on oeuvre. Memoire prcsente a l'Acad.
Nat. des Sciences . . . de Bordeaux . . .
1808. Prof, de Fcrnand Mazerolle, archi-
viste de la monnaie. 4°. XII, 237 p.
Chalon-s-Saone, E. Bertrand, 1902.
Fabriczy, Cornelius von. Adriano Fioren-
tino. (Jahrbuch der K. Preufi. Kunst-
<animlungen, XXIV, IQ03, S. 71.)
Das Grabmal Kaiser Heinrichs VII.
(Repertorium f. Kunstwissenschaft, XXVI,
1903, S. 2b}.)
Fabriczy, Cornelius von. Medaillen der
italienischen Renaissance. (= Mono-
graphien des Kunstgewerbes, hrsg. v.
Jean Louis Sponsel, IX.) Lex. 8°. 108 S.
m. 181 Abbildgn. Leipzig, H. Secmanm
Nachf. M. 5.— ; geb. M. 6.—.
— Sculture in legno di Baccio da Monte-
lupo. (Miscellanea d'Arte, 1903, aprile.)
— Pagno di Lapo Portigiani. I. Chrono-
logic seines Lebens und seiner VVerke.
II. Urkundliche Belege zum chronologi-
schen Prospekt. (Jahrbuch der K. PreuB.
Kunstsammlungen, XXIV, 1903, Beiheft,
S. 119.)
Fayolle, A. de. Medailles et jetons muni-
cipaux de Bordeaux. (Gazette numis-
matique franqaise, 1903, S. $3 u. 159.)
Ferri, P. N. A proposito di un bronzo
di Daniele da Volterra. (Miscellanea
d'arte, Rivista mensile, Anno I, No. 4.)
— Disegno rappresentante il primitivo pro-
getto di Michelangelo pel monumento
sepolcrale di papa Giulio TI. (Miscellanea
d'arte, Rivista mensile, Anno J, No. 1.)
— , e E. Jacobsen. Disegni sconosciuti di
Michelangelo. (Miscellanea d'arte, 1903,
fasc. 5—6.)
Filangieri di Candida, Antonio. Del
preteso busto di Sigilgaita Rufolo nel
Duomo di Ravello. (Napoli nobilissima,
XIT, 1903, S. 3 u. 34.)
Fogolari, Gino. Sculture in legno del
secolo XII. (L'Arte, VI, 1903, S. 48.)
Franck-Oberaspach, Karl. Der Meister der
Ecclesia und Synagoge am Straflburger
Munster. (Das Kunstgewerbe in Elsafl-
Lothringen, III, 1902-3, S. 132.)
— Der Meister der Ecclesia u. Synagoge
am Straflburger Munster. Beitrage zur
Geschichte der Bildhauerkunst des 13.
Jahrh. in Deutschland, m. besond. Be-
rlicksicht. ihres Verhaltnisses zur gleich-
zeit. franzos. Kunst. X, 115 S. mit 21
Abbildgn. u. 12 Taf. gr. S°. Diisseldorf,
L. Schwann, 1903. M. 5. — . [Inhalt:
Einleitung. Stand der Forschungen. Me-
thodische Bemerkungen. 1. Analyse des
Stils der Straflburger VVerke vom Meister
der Ecclesia und Synagoge, a) Ecclesia
11. Synagoge, b) andereWerke des Meisters
der Ecclesia u. Synagoge in Straflburg.
2. Stellung des Meisters der Ecclesia u.
Synagoge in der fran/fisischen Bildhauer-
kunst des XIII. Jahrh., a) die Chartreser
Lokalheiligen, b) der Straflburger Meister
als Schluflglied der Chartreser Schule,
c) der Chartraner Lokalstil u. die iibrige
franznsische Plastik des X11I. Jahrh.]
Frappa, Giovanni, et Andre Michel. Le
pseudo-Benivieni. (Les Arts, 1903, Mai,
S. 14.)
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Skulptur.
XLI
Friedensburg, F. Erdichtete Medaillcn.
(Berliner MUnzblatter, N. P., XXIV, 1903,
Xo. 13 — 14, S. 237, No. i6t S. 249.)
G. John Voyez and his works. (The Con-
noisseur, V, 1903, S. 166.)
Gabelentz, Hans von der. Mittelalterliche
Plastik in Venedig. Mit 13 ganzseit. Ab-
bildgn. u. 30 Textillustr. in Autotyp. \ I,
274 S. gr. 8°. Leipzig, K. W. Hierscniann,
1903. M. 15.— . [Inhalt: Vorwort. I. Die
Tabcrnakelsaulen von S. Marco. II. 1. Die
ornamentale Plastik des frtlhen Mittel-
aJters in V'enedig. 2. Die dekorative
Plastik Venedigs wahrend des hohen
Mittelalters (ca. 1 000 — 1200.) III. Ein-
zelne Figurenreliefs. Byzantinische Ori-
ginalarbeiten u. venezianische Werke im
byzantinischen Stil. IV*. 1. Die Portale
von S. Marco u. ihr Skulpturenschmuck.
2. Kinzelne Werke venezianischer Skulptur
im 13. Jahrh. V. 1. Die Skulpturen
gotischen Stiles mit Ausnahme der Grab-
denkmaler. 2. Die Grabdenkmaler goti-
schen Stiles.]
Gallet, A. Quelques notes sur la vie et
l'ceuvre du medailleur J. P. Droz (1746
a 1823), avec 13 planches. (Musee Neu-
chatelois, Recueil d'histoire nationale et
d'archeologie, XXXIX. annee, No v. -Dec.
1902.)
• Garcia Alix, Antonio. Salcillo, escultor,
su personalidad artistica y sus obras.
Discursos leidos ante la Real Academia
de Bellas Artes de San Fernando en la
recepcion piiblica del Sr. I). A. G. A.
el dia 18 de Enero de 1903. Contesta-
cion del Sr. I). Ricardo Velazquez Bosco.
Madrid, Impr. de los Hijos de M. G.
Hernandez. 1903. 40. 65 p. 1.50 y 2. — .
Gelli, Jacopo. t'n po' di storia del busto
e della fascetta. (Emporium, 1903,
No. 1 02.)
Germain, Leon. Note sur deux chapiteaux
de la cathedrale de Saint-Die. In-8,
8 pages et grav. Saint-Die, impr. Cuny.
1 902. [Extrait du Bulletin de la Socicte
philomathique vosgienne (annee 1902 a
1903)!
Gerspach. Les dessins inconnus de Michel-
Ange de la Gallerie des Offices. (Les
Arts, 1903, Aout, S. 27.)
Giglioli, O. H. Ire capolavori di scultura
iiorentina. (Rivista d'ltalia, dicembre
1902.)
Gilleman, C h. Medaille commemorative
de la paix de Ryswyck. (Inventaire
archeologique de Gand, 1902, fasc. 28.)
— Medaille commemorative de Inaugura-
tion de Charles VI en Flandre. (Inventaire
archeologicjue de Gand, 1902, fasc. 28.)
— Medaille commemorative du mariage de
Charles III. (Inventaire archeologicjue
J de Gand, 1902, fasc. 28.)
j Gilleman, Ch. Medaille commemorative
du second mariage de Charles II. (Inven-
taire archeologicjue de Gand, 1902,
I fasc. 28.)
I Goldschmidt, Adolf. Die Freibcrger Gol-
dene Pforte. (Mitteilungen vom Frei-
| bergerAltertumsverein, hrsg. v. K.Knebel,
38. Heft.) |Abdruck aus: Jahrb. d. K.
' Preuss. Kunstsammlungen, XXIII, 1902,
I S. 20. 1
I Grassa-Patti, Francesco La. Opere dei
I Della Robbia in Sicilia. (LArte, VI,
1903. S. 37.)
! Gronau, Georg. Neue Zeichnungen Michel-
I angelos. (Kunstchronik, N. F., 14, 1902
bis 1903, Sp. 489.)
Gumbel, Albert. Ein Brief Peter Yi*chers
' des Alteren. (Repertorium fUr Kunst-
j wissenschaft, XXVI, 1903, S. 97.)
j Guiffrey, J. La gravure sur gemmes en
1 France. (Journal des Savants, 1903,
Fevrier.)
Guillibert. Deux statuettes polychromees
de saint Louis de Provence, eveque de
Toulouse, et de sainte Consorce, con-
servees a Aix-en-Provence ; par M. le
> baron G., secretaire perpetuel de 1' Aca-
demic d'Aix. In-8, 12 p. et 4 planches.
• Paris, Imprimerie nationale. 1902. [Ex-
! trait du Bulletin areheologique.]
, ■ — Statuettes a Aix. (Bulletin archeol. du
Comite, 1902, S. 280.)
I Habich, Dr. Georg. Beitriige /.u Hans
Daucher. (Monatsberichte tiber Kunst
. u. Kunstwissenschaft, hrsg. v. H. Helbing,
I III, 1903, S. 53.)
, — Hans Kels als Konterfetter. (Monats-
! berichte liber Kunst- und Kunstwissen-
schaft, hrsg. v. H. Helbing, III, 1903,
! S.9.)
I — Hans Reimer II. (Berliner MUnzblatter,
N. F., XXIV, 1903, No. 13 — 14, S. 201.)
Haendcke, Berthold. Deutsche Bildhauer
in Bohmen im XVII. Jahrh. (Deutsche
Arbeit. Zeitschrift flir das geistige Leben
der Deutschen in Bohmen, 2. Jahrgang,
, 6. Heft.)
— Studien /.ur Geschiehtc der sachsischen
Plastik der Sputrenaissance und Barock-
Zeit. Mit 1 1 Lichtdr.-Taf. 11.4 Autotyp.
1 VII, 139 S. 40. Dresden, E. Haendcke,
1 1903. M. 8.50; geb. M. 10. — . [Inhalt:
Einleitung. 1. Schule von Dresden:
Hans Walther. Christnph Walther, Fried-
| rich Grofi, Paul Meyner, Johann Maria
Nosseni, Conrad Buchau, Hieronymus
Eckhart d. J., Gabriel Eckhart, Uriel
Eckhart, Zacharias Hcgewald, Mclchior
Kunt/e , Sebastian Walther, Michael
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XLII
Skulptur.
Schwenke, Anton von Saalhausen, Lo-
rentz Hornigk, Valentin Ottc. 2. Schule
von Freiberg: Andreas Lorentz, Bernhard
Ditterich, Michael Hogenwald, Samuel
Lorentz, Uriel Lorentz, Marcus Rohling,
Johannes Grtinberger. 3. Schule von
Schneeberg: Johann HeinrichBohmed. A.,
Andreas Bezold, Johann Heinrich Bohme
d. J., Johann Heinrich Bohme III, Jo-
hann Klscsse, Johann Caspar Hahnel.
Anmerkungen. Personen- und Ortsver-
zeichnisJ
Haendcke, Berthold. Zur Geschichte der
Plastik Schlesiens von ca. 1550 — 1720.
(Repertorium f. Kunstwissenschaft, XXVI,
1903, S. 223.)
Halm, Dr. Ph. M. Modelle aus dem 18.
Jahrhundert. (Monatsberichte Ub. Kunst
u. Kunstwissenschaft, hrsg. v. H. Helbing,
III, 1903, S. 119.)
Hann, F. G. Rafael Donners VVerke im
Gurker Dome. (Wiener Abendpost, Bei-
lage zur Wiener Zeitung, 1903, Nr. 68.)
Hart, Delia. Francisco Zarcillo, sculptor
in wood. (The Connoisseur, VI, 190^,
S. 97.)
Hartmann, J. Wttrttembergische Brunnen-
figuren. (Bes. Beilage d. Wiirtt. Staats-
anzeigers, 1903, 367.)
Haseloft, Arthur. Kin altchristliches Relief
aus der Bltltezeit romischer Elfenbein-
schnitzerei. (Jahrbuch der Kgl. Preufl.
Kunstsammlungen, XXIV, 1903, S. 47.)
Heiberg, J. Die Kanzel in Moscufo und
verwandte mittelalterliche Kanzeln aus
den Abruzzen. (Zeitschrift f. Bauwesen,
LIU, 1903, Sp. 275.)
Heins, A. Corbeau en pierre de Baelegem,
a tete grima^ante. (Inventaire archeo-
logique de Gand, 1903, fasc. ^2.)
Helbig, Jules. Buste-reliquiaire du chef
de saint Barthelemy, apotre. (Revue de
Tart chretien, 4c scric, XIII, 1902, S.
441.)
Hermanin, F. U cervo simbolico sulla
facciata della chiesa di S. Pietro presso
Spoleto. (Atti del Congresso internazio-
nale d'areheologia cristiana in Roma
1900, Roma [1903], S. 333.)
Herrera, Adolfo. Discursos de medallas
y antigUedades. (Boletin de la Real
Academia de la Historia, Madrid, Tomo
XLII, Cuaderno VI, Junio 1903.)
Heubach, Archit. Alfred. Monumental-
brunnen Deutschlands, Osterreichs und
der Schweiz aus dem 13. — iS. Jahrh.
60 Liehtdr.-Taf. darunter 2 farbig aus-
geflihrte Blatter, m. erlaut. Text. o.
(Schlufl-)Lfg. (ioTaf. m. Text VIII u.
S. 15 — 18.) 41,5X3° crn- Leipzig, Ch.
11. Tauchnitz, 1903. M. 6. — .
Higgins, A. The monuments in St. Paul's
cathedral. (The Nineteenth Century,
1903, May.)
Holroyd, Charles. Michael Angelo Buo-
narroti. With Translations of the Life
of the Master by his Scholar, Ascanio
Condi vi, and Three Dialogues from the
Portuguese by Francisco D'OUanda. Illust.
Sm. 4to. XIII, 347 p. Duckworth. 7/6.
Innerhofer. Zwei Relieftafeln in „Unser
lieben Frau im Waldetf. (Der Kunst-
freund, red. v. H. v. Worndlo, XIX, 4.)
Jacobsen, Emil. Ein verkanntes Blatt von
Michelangelo in Frankfurt. (Kunstchro-
nik, N. F., 14, 1902 — 03, Sp. 492.)
— Neue Zeichnungen von Michelangelo,
oder wie man Entdeckungen macht.
(Kunstchronik, N. F., 14, 1902 — 03, Sp.
512.)
Jecht, R. Der Neptunbrunnen nebst den
anderen steinernen Kunstbrunnen in Gor-
litz. (Neues Lausitzisches Magazin, 78.
Band.)
Josephi, W. Die mittelalterliche Metall-
plastik in Augsburg. (Zeitschrift des
hist. Vereins f. Schwaben und Neuburg,
29. Jahrg.)
— Ein Holzrelief aus dem Anfange des
16. Jahrhunderts. Nach Schongauer, B. 7.
(Mitteilungen aus dem Germanischen
Nationalmuseum, 1903, S. 92.)
Justi, Ludwig. Andrea Pisano. (Das
Museum, hrsg. v. W. Spemann, [VIII,
1903], S. 29.)
— Giovanni Pisano und die toskanischen
Skulpturen des XIV. Jahrhunderts im
Berliner Museum. (Jahrbuch der Kgl.
Preufi. Kunstsammlungen, XXIV, 1903,
S. 247.)
Kasser, H. Hochrelief in Terracotta, von
Prof. Johann Valentin Sonnenschein ,
1749 — 1 8 16. (Berner KunstdenkmaJer,
Bd. 1, Lief. 1.)
Kenner, Friedrich. Urkundliche Beitrage
zur Geschichte der Mtinzen u. Medaillen
unter Kaiser Ferdinand I. (Numismati-
sche Zeitschrift, XXXIV, Jahrg. 1902,
Wien 1903, S. 215.)
Kirsch, J. P. Le Crucifix du cloitre des
Cordeliers. (Fribourg artistique, 1902,4.)
— Le Dittochaeum de Prudence et les mo-
numents de I'antiquite chretienne. (Atti
del Congresso internazionale d'archeo-
logia cristiana in Roma 1 900, Roma
[1903J, S. 127.)
Kleinclausz, A. Un atelier de sculpture
en Bourgogne a la fin du moyen age:
TAtelier de Claus Sluter. (Gazette des
beaux-arts, 3 per., XXIX, 1903, S. 121.)
Knackfufi, H. Michelangelo. 7. Aufl.
(— Klinstler-Monographien, hrsg. v. H.
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Skulptur.
XLIII
Knackfufl, IV.) Lex. 8°. 106 S. m. 95
Abbildgn. von Gemalden, Skulpturen u.
Zeichnungen. Bielefeld, Velhagen & Kla- I
sing, 1903. M. 3.—.
Koch, F. Die Kanzel der Stadt- u. Haupt- j
kirche in Guben. (Blatter f. Architektur
und Kunsthandwerk, 1902, 12.)
Koechlin, Raymond. La sculpture beige
et les influences franchises XIII e et I
XI Vc siecles. I. (Gazette cles beaux- I
arts, 3 per., XXX, 1903, S. 5.) I
Kolberg, Joseph. Ein gotisches Btisten- |
reliquiar im bayerischen Nationalmuseum. '
(Zeitschrift f. christl. Kunst, XVI, 1903, I
Sp. 195.) * I
Konody. Eine Sklavenbiiste von Michel- j
angelo. (Kunst u. Kunsthandwerk, VI, |
1903. & 536.) .
Krieg, R. Alte Postsaulen. (Die Denk-
malpflege, V, 1903, S. 78.) ■
Kuhlewein, C. v. Berliner Medaillen.
(Berliner Mtinzblarter, XXIV, 1903, No.
17, S. 271; No. 19, S. 305.)
Laban, Ferdinand. Johann Gottfried
Schadows Thonbiiste der Prinzessin Louis
(Friederike) von Preufien in der Konig-
lichen National-Galerie. (Jahrbuch der
K.Preufl.Kunstsammlungen, XXIV, 1903,
S. 14.)
Lacronique, K. Etude historique sur les
m^dailles et jetons de l'Academie royalc
de chirurgie (1731 — 1793). Grand in-8,
61 p. et 2 planches. Chalon-sur-Saone,
imprim. et libr. Bertrand. 1902.
LrASteyrie, Robert de. Etudes sur la sculp-
ture francaise au moyen age. Grand
in-4, 151 p. avec fig. Chartres, imprim. |
Durand. Paris, libr. Leroux. 1902. I
[Monuments et M6moires publics par 1
l'Academie des inscriptions et belles- .
lettres (t 8). — Fondation Eugene Piot.]
I^eclercq, Emile. Histoire d'une statue. I
BruxeUes, J. Lebegue et Cic, 1902. In-8°,
ill p., gravv., fr. — .50. 'Collection |
nation ale] |
L~ist, Camillo. Eine Btiste des Ottavio I
Piccolomini. (Beitrage zur Kunstge- I
schichte, F. Wickhoff gewidmet, 190 }, I
s. 163.) ' I
Lowrie, W. The relation between early I
medieval sculpture in law relief and con- I
temporary textile design. (Atti del Con- I
jfresso inteniazionale d'archeologia cris- I
tiana in Roma 1900, Roma [1903], |
^•430 ' * 1
L*j echini, L. Reliquie di monumenti Cre- ,
monesi dell' cpoca del Risorgimento I
dell' arte Scultoria. 1 : Frammenti del |
^-iarcofago di Giovanni dei marches 1
CTavalcabo. 2 : Reliquie dell' area sepol- '
OTalc ai SS. Mario Marta c Audifacc ncl 1
Duomo di Cremona. (Arte e Storia,
XXII, 1903, S. 72.)
M., de. Le buste d'Antoinc Arnaud de
la Briffe, premier president du Parlement
de Bretagne, parJ.-B. Lemoyne. (Gazette
des beaux-arts, 3 p., XX VI II, 1902, S. 38S.^
Maeterlinck, L. La Vierge et 1' Enfant
Jesus, par B. Pauli ou Pauwels. (Inventaire
archeologique de Gand, 1903, fasc. 32.)
— Le Genre satirique dans la sculpture
beige. (Annales de l'Academie Royalc
d'Archeologie de Belgi<jue, Se seric,
t. V, 2e livr., 1903, S. 149.)
Maiocchi, Rodolfo. Giovanni Antonio
Amadeo scultore-architetto, seeondo i
documenti degli archivi pavesi. Pavia,
tip. f.lli Fusi. 1903. 40, 4b p. [Dal Bollet-
tino della societa pavese di storia patria,
anno III, fasc. i°."j
Manners, Lady Victoria. The Rutland
Monuments in Bettesford Church. (The
Art Journal, 1903, S. 269.)
Marble Statue, A, by Germain Pilon. (The
Burlington Magazine, II, 1903, S. 90.)
Marcel, Henry. Philippe-Laurent Roland
et la statuaire de son temps. (La Revue
de Part ancien et moderne, XII, 1902,
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Marignan. Sculpture en Roussillon. (Revue
d'hist. et d'archeol. du Roussillon, t.
IV, 1903.)
Marquet de Vasselot, J. J. Cne Plaquettc
allemande du XVIe siecle au Musee du
Louvre. (La Chronique des arts, 1903,
S. 11.) .
Marrai, dott. B. Donatello nelle opere di
decorazione architettonica. Firenze, tip.
pei Minorenni corrigendi, G. Ramella e
C. 1903, 8°, 50 p.
— 11 Tabernacolo col gruppo del Verrocchio
in Or San Michele. (Miscellanea d'Arte,
febbraio 1903.)
Marzo, G. Di, e E. Mauceri. L'opera di
Domenico Gagini in Sicilia. (L'Arte, VI,
1903, S. 147.)
Mazerolle, F. i)cu\ medailleurs francais
du XVTe siecle: Guillaume Martin, 1558
a 1590?; Antoine Brucher, 15 58 — 1568.
(Bulletin de numismatique, X, 1903, S. 53.)
— Les Medailleurs francais du XVC siecle
au milieu du XV1IC. 2 vol. in-4 a 2 col.
T. Ier (Introduction et Documents ,,
CLXXX, 634 p.; t. 2 (Catalogue des
medailles et des jetons), 271 p. Paris,
Impr. nationale; lib. Leroux. 1 902.
Meckel, C. A. Mittelalterliehe Steinkanzeln.
(Zeitschrift f. christl. Kunst, XV, 1002,
Sp. 339.)
Melani, Alfredo. Piccoli avori profani
delP XI, XII e XIII secolo. (Arte e
Storia, XXII, J 903, S. 9.)
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XLIV
Skulptur.
Meller, Simon. Michelangelo. (— Miiveszeti
Konyvtar, 3. kotet.) 8°. 152 I., 17 mellek-
lettel es 83 keppcl. Budapest, Lampel
Robert. Kr. 8.—.
Mely, F. de. Le grand eamee de Trianon.
(Gazette des beaux-arts, 3 per., XXIX,
1903, S. 245.)
Mesnil, Jacques. Gregorio di Lorenzo.
(Miscellanea d'arte, 1903, aprile.)
Meyer,Alfred Gotthold. Donatello. (=Kiin*t-
ler-Monographien, brsg. v. H. Knackfuss,
LXV.) Lex. 8°. 131 S. in. Portr. 11. 140
Abbildgn. nach Skulpturen. Bielefeld,
Velhagen tV Klasing, 1903. M. 3.—.
-, Th. Die Jubelmedaillen der Universitat
Rinteln vom Jahre 1721. (Hessenland.
Zeitschrift f. hessische Geschichte und
Literatur, hrsg. v. VV. Bcnnecke, 17. jahrg.,
Xr. 12.)
Michaelis, Ad. Thorvaldsen und Zoega.
(Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F., 14,
1902—03, S. 193.)
Michaud, A. Les medailles de Jean-Jac-
ques Perret-Gentil. (Musee Neuchatelois,
Recueil d'histoire nationale ct d'archco-
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Michel, Andre. La Madone dite d'Auvillers :
Bas-relief en marbre par Agostino di
Duccio (Musee du Louvre). (Fondation
Eugene Piot, Monuments et Memoires,
T. X, 1903, S. 95.)
Le Cavalier Bernin. (Les Arts, 1903,
Juillet, S. 7.)
— Les acquisitions du departcnient de la
sculpture du moycn age, de la Renaissance
et des temps modemes au Musee du
Louvre. I. J I. (Gazette des beaux-arts,
3 per., XXIX, 1903, S. 299 u. 369.)
— Two italian bas-reliefs in the Louvre.
(The Burlington Magazine, II, 1903, S. 84.)
Migeon, Gaston. Les Accroissements des
Musces. Musee du Louvre. [Buste de
Cupidon, Bronze, XVIIle siccle.] (Les
Arts, 1902, Octobre, S. 18)
Mirabal, le cointc de. Le Crucifix de
Fenelon, execute a Rome, vers 1625,
par Francois Duquesnoy, dit le Flamand.
Jn-8 , 30 p. avec grav. Mesnil (Eure),
impr. Firmin-Didot et Cc.
MummenhoflF, Ernst. Erneuerung der
Adam Kraftschen Leidensstationen im
Jahre 1662. (Mittheilungen dts Yereins f.
Gesch. d. Stadt Xtirnberg, hrsg. v. E.
MummenhorY, 15. Heft.)
Nelson, Philip. Bristol Biscuit Plaques.
(The Connoisseur, VI, 1903, S. 139.)
Nunez, Arturo Vazques. In sareofago
cristiano del siglo V. (Boletin de la Real
Academia de la Historia, 1903, Marzo.)
Pahud, K. Autel de la Chapelle de la
Joux. (J'ribourg arti>tique, 1902, 4.)
Pantini, Romualdo. II capolavoro ignoto.
(Marzocco, 11 gennaio 1903.)
Papa, P. Donatello. (Miscellanea d'Arte,
marzo 1903.)
Pascal, Andre. Pierre Julien, sculpteur.
(Gazette des beaux-arts, 3 per., XXIX,
1903. s- 325 u- 407)
Pascale, prof. Vincenzo Italo. Michel-
angelo Buonarroti pneta: studio letterario,
storico, lilologico, con prefazione di Gio-
vanni Amellino, professore nella r. uni-
versita di Napoli. Napoli, tip. Novecento
di N. Simeone, 1902, 8°, X, 184 p. L.
2.50.
Pelissier, L. G. Canova, la comtesse
d'Albany et le tombeau d'AIfieri. (Nuovo
Archivio Venelo, N. S., IV, 1.)
Petrucci, R. The Seals of the Brussel>
Gilds. (The Burlington Magazine, II,
1903, S. 190.)
Philippi, Dr. F. Das Portrat Kaiser Fried -
richs II. (Zeitschrift f. bild. Kunst, X.
F., XIV, S. 86.)
Phillips, Claude. Great Portrait-Sculpture
Through the Ages. (The Art Journal,
1903, S. 10 u. 129.)
Pierrottet, Adelc. Porta Pila fin Genovaj
e la sua Madonna: notizie. Genova, tip.
della Gioventu, 1902, 8°, 62 p.
Platen, Paul. Der Ursprung der Rolande.
Aus Anlafi der Deutschen Stadte-Aus-
stellung hrsg. vom Verf. f. Geschichte
Dresdens. 8°. 148 S. Dresden, v. Zahn
<!<: Jaensch, 1 903.
Poggi, Giovanni. Di due terracotte rob-
biane. (L'Arte, VI, 1903, S. 119.)
— II supplizio di Creso nel Caniino Bor-
gherini. (Atene e Roma, VI, 1903, Sp.
282.)
— Mino da Fiesole e la Badia Fioren-
tina. (Miscellanea d'Arte, 1903, maggio-
giugno.)
Polaczek, Ernst. Magister Nicholas Pietri
de Apulia — aus Pisa. (Repertorium ftir
Kunstwissenschaft, XXVI, 1 903, S. 361.)
— Zwei Selbstbildnisse des Niccola Pisano.
(Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F., XIV,
S- 143.)
Poler6, Vicente. Estatuas tumulares de
personajes espanoles de los siglos XIII
al XVII, copiadas de los originates, con
texto biognilico y descriptivo, con un
glosario o tabla de algunos nombres que
tuvieron las piezas de vestir y de anna-
dura, por D. V. P., restaurador de Cu-
mara que ha sido.del Real Museo Nacio-
nal de Pintura y Escultura, hoy Museo
Xacional, con un prologo del Conde de Ce-
dillo, de la Real Academic de la Historia.
Madrid. Impr. de los liijos de M. ('*.
Hernandez. 1902. Ln 4.0, 105 p. y una
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Skulptur.
XLV
Itoja para el indice. con 44 lamina*.
Libreria de Murillo. 7.50. y 8. — .
Pons, Amilda. Michelangelo Buonarroti:
conferenza tenuta nel circolo filarmonico
di Sassari la sera del 20 maggio 1902.
Sassari, tip. L*. Satta, IQ02. 8°, 23 p.
Portrait-Medals, Two, of Susanna of Ba-
varia. 'The Burlington Magazine, III,
1903, S. 100.)
Raimbault, M. Les medailles et les jeton*
des Ktats de Provence, d'apres des do-
cuments incdits des Archives des Bouches-
du-Rhone. (Ciazette numismatique fran-
caise, 1903, S. 9.)
Recsey, V. Ein Relief aus dem ersten
Jahrhundert des Oiristentums in Ungarn
(q. — 10. Jahrh.). (Atti del Congresso inter-
nazionale d'archeologia cristiana in Roma
1900, Roma [1903', S. 31.)
Reinach, Salomon. Portrait** presumes tie
Saint Louis et de sa famille. ((iazette
des beaux-arts, 3 per., XXX, 1903, S. 177.)
Reymond, Marcel. La tomba di Onofrio
Strozzi nella chiesa della Trinita in Fi-
renzc. (L'Arte, VI. i<K>3, S. 7.)
Rivieres* le baron de. Le> Statues torn-
bales du musce des Augustins, a Tou-
louse; par M. le baron de R., archiviste
tie la Societe areheologique du Midi, in-
specteur divisionnaire de la Societe fran-
caise d'archeologie. In-4, 28 p. avec
grav. Toulouse, imp. Chauvin et Ills.
1903. [Extrait des Memoires de la So-
ciete archeologique du midi de la France.]
Rocheblave, S. Jean-Baptiste Pigalle et
son art. (La Revue de Part ancien et
modeme, XII, 1902, S. 267 u. 353.)
Romano, Salvatore. Di alcune eccelenti
figure in legno scolpite dal Trapanese
Matera verso il 1 700 e che ora trnvansi
a Monaco nel Museo nazionale Bavaresc.
(Archivio storico siciliano, XXVI I, 3.)
Roosval, Johnny. Ora altarskap i svenska
kyrkor och museer ur Master Jan Bor-
mans verkstad i Bryssel. 8°. 80 S., 12
pi. Stockholm, Nordiska bokh. i. distr.
Kr. 3.-.
— - Schnitzaltare in schwedischen Kirchen
und Musecn a. d. Werkstatt d. Briisseler
Bildschnitzers Jan Bormann. ( — Zur
Kunstgeschichte des Auslandes, 14. Heft.)
l.ex. 8°. VIII, 52 S. m. 61 Abbildungen.
Strafiburg, J. H. E. Heitz, 1903. M. 6.—.
Tlnhalt: Vorwort. Schnitzaltare i. Sehwe-
clen. Die Entwicklung dc* flamischen
Schnitzalters von ca. 1400 bis ca. 1480.
i£wei flamische Schnitzaltare vom Ende
des 15. Jahrh. im Chor de^ strangneser
JDoraes. Jan Borman. Altarwerke in
«5<:hwedischen Kirchen aus dem Atelier
Jan Bormans. Pasquier Borman. Briisseler
Schnitzaltare in Schweclen aus nicht Bor-
mannschen Werkstatten. Ortsregister.
Roserot, Alphonse. La Fontaine de la
Rue de Orenelle a Paris par Edme
Bouchardon (1739 — 1745). (Ciazette des
beaux-arts, 3 per., XXVIII, 1902, S. 353.)
Rossi, O. B. Della Robbia a Marsiglia.
(Rassegna d'arte, J II, 1903, S. 104.)
Riittenauer, Dr. Benno. Vom Bamberger
Dom und seinen Skulpturen. (Monats-
berichte liber Kunst u. Kunstwissensehaft,
hrsg. v. H. Helbing, III, 1903, S. 92.)
Saintenoy, Paul. La filiation des formes
des fonts baptismaux. Notes additionelles.
(Annales de la Societe d'archeologie dc
Bruxelles, XVII, 1903, S. 235.)
Salinas, Antonino. l.a question Laurana.
(Les Arts, iqo2. Decebmre, S. 29.)
- Monumenti inediti di Lentini e di Noto.
(L'Arte, VI, 1903, S. 159.)
Sanoner, (>. Analyse de la Porte meridio-
• nale de Peglise Xotre-Dame du Fort a
Etampcs (Seine-et-Oise). (Revue de Part
chretien. 4C serie. XIV, iqo^, S. 225 u.
— Analyse du portail de 1'eglise St. Gilles
a Argenton-Cluiteau (Deux-Sevres). (Re-
vue de Part chretien, 4c serie, XIV, 1903,
•S- 397-)
Sauer, Dr. H. Die beiden Medaillen auf
den (Jrafen Heinrich Gottfried von Mat-
tuschka. (Mtinz- u. Medaillen-Freund, V,
1903, No. 52, S. 410.)
Scano, Dionigi. (Seopcrte artistiche in
Oristano. (L'Arte, VI, 1903, S. 15.)
Scatassa, Ercole. Gli stucchi di un L0111-
bardo nella vecchia Metropolitana di Ur-
bino. (Rassegna d'Arte, III, 1903, S. 140.)
Sch. Der Bninnen am alten Rathause in
Hannover. (Blatter flir Architektur und
Kunsthandwerk, 1903, 7.)
Schaefer, K. Ein Wcrk deutseher Klein-
Skulptur aus dem XVI. Jahrhunderte.
(Mitteil. d. Gewerbemuseums zu Bremen,
1903, 70
— Elfenbein-Schnitzwerke des Mittelalters.
(Mitteil. d. Gcwerbemusetims zu Bremen,
1903, 4.)
Scherer, Christian. Elfenbeinplastik «eit
der Renaissance. (— Monographien des
Kunstgewerbes, hersg. von Jean Louis
Sponsel, VI IT.) Lex. 8°. 144 S. m. 124
Abbildgn. u. 1 Taf. Leipzig, H. See-
mann Nachf. M. 4. — ; geb. M. 5. — .
rInhalt: Einleitung. 1. Die Elfenbein-
plastik der Renaissance. 2. Die Elfenbein-
plastik der Barockzeit: Italien, Frankreich,
Niederlande, Deutschland, Danemark u.
Skandinavien, Spanien. 3. Die Elfenbein-
plastik im 19. Jahrh. Klinstlerverzeichnis.;
Schlecht, Joseph. Eine Nachricht Uber
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KLVI
Skulptur.
Michelangelos Kolossalstatue Julius' 11.
(Romische Quartalschrift, XVII, 1903,
S. 160.)
Schlumberger, Gustave. Deux bas-reliefs
byzantins de steatite de la plus belle
epoque, faisant partie de la collection
de M,ne la comtesse R. de Beam. (Fon-
dation Eugene Piot, Monuments et Mc-
nioires, T. IX, 1902, S. 229.^
— Deux bas-reliefs byzantins de steatite
de la plus belle cpoque, faisant partie
de la collection de Mme la comtesse R.
de Beam. Grand in-4, 10 p. avec fig.
Chartres, impr. Durancl. Paris, lib. Leroux.
1903. fExtrait cles Monuments et Me-
moires publics pari' Academic des inscrip-
tions et belles-lettres (2* fascicule du to).
Fondation Eugene Piot. j
Schnitzarbeiten, Spatgotische, des Meisters
Jacob in Kuttenberg. (Mittheilungen der
k. k. Central-Commisson, 3.Folge,I, 1902.
Sp. 311.)
Schubring, Paul. Kin neues Madonnen-
relief Donatellos. (Kunstehronik, N. F.,
14, 1902 — 03, Sp. 409.I
■ — Robbia. (Die Zeit, national -sociale
Wochenschrift, hrsg. v. P. Rohrbach u.
P. Zschorlich, 2. Jahrg., \r. 38.)
Schulz, F. T. Kin Lied auf den »Eng-
lischen Grufl« des Veit Stofl in der Lorenzer-
kirche aus einer Niirnberger Chronik.
(Mittheilungen des Vereins f. Gesch. d.
Stadt Nlimberg, hrsg. v. K. Mummenhoflf,
15. Heft.)
— Zur Erneuerung des Schonen Brunnens
in Xtirnberg. (Die Denkmalpflege, V,
1903, S. 121.)
Schwarz, Paul. Die Stuckbilder im Wei Ben
Engel in Quedlinburg. (Die Denkmal-
pflege, V, 1903, S. 98.)
Sello, G. Roland-Rundschau. (Deutsche
Geschichtsblatter, hrsg. v. A. Tille. 4. Bd.
5.-7. Heft.)
Semper, Hans. Michael Pacher, seine
Schule und sein EinfluB. 1. Michael
Pacher als Bildschnitzer. (Monatsberichte
iiber Kunst u. Kunstwissenschaft, hrsg.
v. H. Helbing, III, 1903, S. 193.)
Serrigny, Ernest. Orphee chretien repre-
sente sur un bassin en etain; par E. S.,
ancien magistrat, membre de l'Academie
des sciences, arts et belles-lettres de
Dijon, de la commisHon des antiquitcs
de la Cote-d'Or, etc. Jn-8, 16 p. avec
grav. Langres, Impr. champenoise. 1903.
[Extrait du Bulletin de la Societc histori-
que et archcologique de Langres.j
Sixt, Vorst. Prof. Dr. G. Die Preismedaillen
der Hohen Karlsschule. 16 S. m. 8 Ab-
bildgn. u. 2 Taf. Fol. Stuttgart, W.
Kohlhammer, 1903. M. 1. — .
Statues, Two polychrome, in carved wood.
(The Burlington Magazine, I, 1903,
S. 224.)
Statuette, A, by Pigalle and some Chelsea
Vases. (The Burlington Magazine, 1,
I903; S. 225.)
Stegensek, Augustin. Unbekannte Bild-
werke und Malereien aus dem oberen
Sanntal. 1. Romanische Muttergottes-
statue in der Pfarrkirchc Maria Schnee
zu Sulzbach. 2. Maria als Braut Christi.
P>tihgotisches Holzrelief am Triumph-
bogen der HI. (Jeist-Filiale von Sulzbach.
3. St. Andreasaltar aus d. J. 1527 in
Oberburg. 4. Anbetung der drei VVeisen,
Holzrelief in Oberburg. 5. Spatgotische
Reliefs in St. Judok, Pfarre St. Martin
a. d. Driet. b. Romanische Gemaldereste
in St. Judok. 7. Ein gotischer hi. Christoph
in St. Johann bei Riez. (Mittheilungen
der k. k. Central-Commission, 3. Folg'c,
II, 1903, Sp. 123.)
Steinmann, Ernst. Michele Marini, ein
Beitrag zur Geschichte der Renaissance-
skulptur in Rom. (Zeitschrift f. bild.
Kunst, X. F., XIV, S. 147.)
Strzygowski, Josef. Antiochenische Kunst
(die Pfeiler von Acre). (Oriens Christia-
nus. Romische Halbjahrhefte fiir die
Kunde des christi. Orients, hrsg. v. A.
Baumstark, 2. Jahrg., 2. Heft.)
Supino, I. B. 1 /incoronazione di Ferdinando
d'Aragona: gruppo in marmo di Benedetto
da Majano nel Museo nazionale del Bar-
gello. Firenze, B. Seeber (tip. S. Landi).
1903, 40, 16 p. e I tav. L. 2. — .
— Un bronzo di Daniele da Volterra nel
R. Museo Nazionale del Bargello. (Miscel-
lanea d'arte, Rivista mensile, febbraio
1903.)
Swoboda, Heinrich. Ein ikonographisches
Problem vom Wiener Stephansdom. (Bei-
trage zur Kunstgeschichte, F. WickhofF
gewidmet, 1903, S. 33.)
Terra-cotta, A, by Rossellino. (The Burlington
Magazine, I, 1903, S. 225.)
Thode, Henry. Michelangelo u. das Ende
der Renaissance. 1. Bd. Das Genie u.
die Welt. XV, 488 S. m. I Bildnis.
gr. 8°. Berlin, G. Grote, 1902. M. 9. — ;
geb. M. 11. — . Tnhalt: Vorwort. Ein-
leitung: 1. Allgemeines, 2. Biographische
Cbersicht. Das Genie und die Welt:
1. Die Krafte des Gemtites. 2. Die
Phantasie und die Wirklichkeit. 3. Das
Temperament und das Schicksal. Anhang.]
Tormo y Monzo, Elias. La escultura
antigua y moderna, por el Dr. D. E. T.
y M., Abogado del Ilustre Colegio de
Madrid. Barcelona. Impr. de Juan Gili.
1903. En 8<>, 232 p. 3 y 3.50.
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Mai ere i.
XLVII
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Landesrauseum. (Kathol. Schweizerblatter,
N.F., 2. Bd., 1903, S. 1.)
Trier, S. Thorvaldsen. Med Prolog af
S. Michaelis. 8°. 264 S. Kobenhavn, V.
Pio. Kr. 2.50.
Urseau, Ch. Une statuette de sainte Eme-
rance au Longeron (Maine-et-Loire) ; par
M. le chanoine CJi. U., correspondant du
rainistere de l'instruction publique. In-8,
n p. et planche. Paris, Imp. rationale.
1902. [Extrait du Bulletin archeologique
(1902).]
Vannerus, Jules. Pierre tumulaire armoriee
de Jean-Bernard de Rochefort de Bastogne
(1684), Par J- V. [conservateur adjoint
des archives de l'Etat, a Anversj. Sans
titre (Arlon, imprimerie V. Poncin), 1902.
Gr. in-8°, 9 p. [Extrait des Publications
de l'lnstitut archeologique du Luxembourg,
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cristiano del siglo V. (Boleti'n de la
Real Academia de la Historia, T. XLII,
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(Extr. du Bull, d'archeol. de la Drome.)
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et XVI He siecles. (Les Arts, 1903, Sep-
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I^ouvre. (Les Arts, 1903, Aout, S. 30.)
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statuen, ihre Aufstellung und Deutung.
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wegung. (Das Museum, hrsg. v. W. Spe-
mann [VIII, 1903], S. 65.)
Von Ober-Ungarns Altarbauten aus dem
Mittelalter. II. III. IV. (Der Kirchen-
s<:limuck [Seckau], 1902, S. 141, 159 u.
«75-)
Vori Tirols altgotischen FlUgelaltaren. (Der
ICirchenschmuck [Seckau], 1903, S. 69,
81, 97. "4, 137 u. I57-)
^V., d. Zum Junius - Bassus - Sarkophag.
rRxtorische Quartalschrift, XVII, 1903,
S- 77.)
We*le( W. H. James. Polychromed sculp-
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Wiegand, Dr. Otto. Adolf Dauer. Ein
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und zu Beginn des XVI. Jahrhunderts.
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43. Heft.) gr. 8°. VIII, 105 S. mit 15
Lichtdr.-Taf. Straflburg, J. H. E. Heitz,
1903. M. 6. — . [1. A. Dauer u. seine
Werke bis z. J. 1509. 2. Die Fugger-
kapelle z. St. Anna in Augsburg. 3. Der
Hoch altar der St. Annakirche in Annaberg
im Erzgebirge. Schlufl. Anhang.]
Witte, Alphonse de. La medaille honori-
fique offerte a David Teniers, le jeune,
par Leopold-Guillaume, archiduc d'Au-
triche, gouverneur des Pays-Bas espagmols.
Termonde, imprimerie Aug. De Schepper-
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planche hors texte. fr. 1.50. [Extrait des
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S. 258.)
Zeller-Werdmuller, H. Das Grabmal 11-
richs I. von Regensberg. (Anzeiger fllr
schweizerische Altertumskunde, N. F., IV,
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Malerei.
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il vecchio. (Emporium, aprile 1903.)
Achiardi, Pietro D'. I restauri agli affreschi
die Benozzo Gozzoli nei Camposanto di
Pisa. (L'Arte, VI, 1903, S. 121.)
Acquisitions, Recent, at our public Galleries
and Museums. Illuminated manuscripts
at South Kensington: a gift to the Nation.
(The Magazine of Art, 1903, July, S. 464.)
Affreschi di Andrea Pozzo minacciati da
un incendio. (Archivio Trentino, XVII, 2.)
Allec, Ludovic. Le Portrait de Louis XVII \
du musee de Marseille (Historique) ; par
L. A., directeur de la Revue historique
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XLVIII
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Plon-Nourrit et C«. 1902.
Allen, L. Jessie. Albrecht Dtirer. With
40 Illusts. (Little Books on Art.) i6mo,
222 p. Mcthuen. 2/6.
Altarbild, Das Segher'sehe, in Solothurn.
(Solothurner Tagblatt, 14. Nov. 1002,
Nr. 265.)
A. M. \randalisme. [Rcstaurierung des
Paumgartner - Altars.] (Les Art**, 1003,
Fevrier, S. 5.)
Amira, K. v. Die grofie BilderhaiuLchrift
von Wolframs Willehalm. Separat-Ab-
druck aus den Sitzungsberichten der
philos. -philol. u. der histor. Klassc der
konigl. Haver. Akademie der Wiss., 1903,
Heft 2. S. 213—240, m. Taf. M. -.50.
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ture Series of Painters.) Illust. 161110.
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Collection. (The Magazine of Art, 1902,
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Astolfi, Carlo. A proposito della orgine
tedesca di Pietro Alamanni. (L'Arte, VI,
1903, S. 205.)
— Di un (juadro d'altare ili F. Bellini ili
Lrbino e di alcuni suoi lavori a Maee-
rata. (LTnione, Macerata, 31 maggio
190.V)
— Un ijuadro del Tintoretto a Macerata.
(L'Arte, VI, 1903, S. 210.)
A. V. Anton Van Dijk. (Katholiek onder-
wijs, 1903, S. 491.)
— Geeraard David en Quintin Metsijs.
(Katholiek onderwijs, 1903, S. 159.)
— Hans Memling. (Katholiek onderwijs,
1903, S. 128.)
— La genre satirique dans la peinturc
(lamande. (Petit revue illustrc de Tart
et de l'archeol. en Flandre, 1903, S. 33.)
— Petrus-Paulus Rubens. (Katholiek onder-
wijs, 1903, S. 215, 265 u. 437.)
B., C. Chr. Erasmus und Holbein. (Basler
Nachrichten, 2. Beilage zu Nr. 296, 1902;
vgl. auch Basl. Nachr. Nr. 343.)
Baes, Kdgar. Albert DUrer. (Libre cri-
tique, 1903, S. 317.)
— L'art satirnjue chez les Flamands. (Fe-
deration artisticjue, I9°3, S. 227.)
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manuscript extant. (The Burlington Ma-
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Baratta, Mario. Per l'edizione nazionale
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1903, 80, 6 p.
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le l'abbaye de Charroux. Avec notes de
M. Alfred Richard. In-8, 26 p. Poitiers,
imprim. Blais et Roy. 1903. [Extrait du
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Bardovagni, G. Cenno storico sulla casa
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Barrett-Lennard, Th. The Family Pictures
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Baud-Bovy, Daniel. Peintres Genevois
(X\'IIIC siecle et commencement du X I Xc ;.
II: Firmin Massot (1766— 1S49); J.-L.
Agasse (1767 1849); A. W. Topffer
(1766 — 1847). (Gazette des beaux-arts,
3 per., XXVIN, 1902, S. 335.)
Baumgarten, Fritz. Griinewald's Isen-
heimer Altar. * Kin Rekonstruktionsver-
such. (Zeitschrift f. bild. Kunst, N. P.,
XIV, S. 282.)
Bayliss, SirWyke. Rex Regum. A Painter's
Study of the Likeness of Christ from the
lime of the Apostles to the Present Day.
Library Edition, Revised and Enlarged.
Illust. 8vo, XLl, 211 p. S. Low. 8 6.
Bayne, William. Sir David Wilkie, R.A.
Illust. with 20 Plates after Wilkie, and
a Pliotogravure Frontisj)iece. (The Makers
of British Art.) 8vo, Will, 235 p. W.
Scott. 3/6.
Beck. Altdeutscbe Bilder in L'ngam. (I)iri-
cesanarchiv von Schwaben, XXI, 1903,
S. 141.)
Zur »Malerei der Nachrenaissance in
Oberschwaben*. (Diocesanarchiv von
Schwaben, XXI, 1903, S. 97.)
Been, C. A. Danmarks Malerkunst. Billeder
og Biografier samlede af C. A. B. Kapit-
lerne indledede af E. Hannover. 17. — 27.
Haefte a 12 S. 40. Nordiske Forlag.
a 50 Ore.
Bellini Pietri, Augusto. Gli ArTreschi di
S. Piero a Grado. (Rassegna d'arte, III.
1903, S. 70.)
Beltrami, Luca. La serie atellana degli
Sforza dipinta da Bernardino Luini.
(Rassegna d'arte, III, 1903, S. 1 u. 32.)
— La serie atellana degli Sforza dipinta
da Bernardino Luini. Milano, M. Bassani
e C, 1903, 40 fig., lip. [Dalla Rassegna
d'arte, anno III. fasc. 1 a 3.
— Leonardo da Vinci negli studi per il
tiburio della cattedrale di Milano. Milano,
tii>. U. Allegretti, 1903, 8° fig., 85 p. e
ritr. [Edizione di soli 200 esemplari.j
Benoit, Camille. La peinture neerlandaise
primitive au Louvre et autour du Louvre.
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Malerei.
XLIX
(La Chronique des arts, 1903, S. 104 u.
•52-)
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mitive au Louvre. (Colin de Coter,
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arts, 1903, S. 2.)
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Monuments et Meraoires, T. IX, 1902,
S- 73-)
Bensusan, S. L. Goya: his times and
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1902, S. 115.)
Berenson, Bernhard. Alunno di Domenico.
(The Burlington Magazine, I, 1903, S. 6.)
— A Sienese painter of the Franciscan
Legend. (The Burlington Magazine, III,
I9<>3, S. 3.)
— The drawings of the Florentine painters
classified, criticised and studied as docu-
ments in the history and appreciation of
Tuscan art. With a • copious catalogue
raisonne\ Vol. 1 : Text. Vol. 2 : Catalogue
raisonne. gr. F°. London, J. Murray,
I9°3» 3I5/- [Inhalt: Vol. I. 1. Beato
Angelico and Benozzo Gozzoli. 2. Uccello
and the Pollajuolo. 3. Verrocchio and
Lorenzo di Credi. 4. Fra Filippo and
Botticelli. 5. Filippino Lippi and Raf-
faellino del Garbo. 6. The Ghirlandajo,
Granacci, and Piero di Cosimo. 7. Fra
Bartolommeo and his Fellowing. 8. Leon-
ardo da Vinci. 9. Michelangelo. 10.
Michelangelo's immediate Followers and
Sundry Forgers. 11. Andrea del Sarto
and others. 12. Pontormo and Rosso.
Vol. II. Catalogue raisonnd. General
Index. Index of Places.]
— The authorship of a Madonna by Solario.
(The Burlington Magazine, II, 1903,
S. u4.)
Bergmans, Paul. Jacques van Battel e,
peintre de Charles-Quint. (Petit revue
illustr«£ de l'art et de l'archeol. en Flandre,
1902, S. 185.)
Bernardy, Amy A. Figure e colori negli
•Acta sincera Martyrum«. (Rassegna
d'arte, III, 1903, S. 164 u. 186.)
Bertaux, E. La chapelle Sixtine avant
Michel-Ange. (Revue des Deux-Mondes,
IO<>3f ier Mars.)
Berthoumie, l'abbe. Peinture mural e a
1'eglise de Brout-Vernet. (Soc. emul. du
Bourbonnais, 1902, S. 155.)
IScrtoglio Pisani, N. Di un quadro igno-
rato di Marco d'Oggione nella chiesa
parrochiale di Besate. (Arte e Storia,
XXII, 1903, S. 118.)
J3ertoni, Giulio, e Emilio P. Vicini. Bar-
naba da Modena. (Rassegna d'arte, III,
1903, S. 117.)
XXVI
Bertoni, Giulio, e Emilio P. Vicini. Nic-
colo da Reggio. (Rassegna d'arte, III,
1903, S. 158.)
— — Notizie su Tommaso da Modena.
(L'Arte, VI, 1903, S. 200.)
— — Tommaso da Modena, pittore mode-
nese del sec. XI V. (Atti e Memorie della
R. Deputazione di Storia Patria per le
ProvincieModenesi, ser. V, vol. Ill, 1903.)
Birot, J., et J. B. Martin. Notice sur la
collection des livres d'heures conserves
au tresor de la primatiale de Lyon; par
MM. le docteur J. B. et l'abbe J. B. M.
In-8, 12 p. Paris, Imp. nationale. 1903.
[Extrait du Bulletin historique et philo-
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— bl — . Graffs Portrat der Frau Dr. Kanne.
(Zeitschrift f. Blicherfreunde, VI, 1902-3,
s. 423.)
Blanc, Charles. La Peinture; par C. B.,
de l'Academie francaise et de 1' Academic
des beaux-arts. Nouvelle Edition. Grand
in-8, 240 p. avec 67 grav. Corbeil, impr.
Cre'te'. Paris, libr. Laurens. 1902. fr. 4. — .
Blochet, E. Mussulman manuscripts and
miniatures as illustrated in the recent
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Bode, Wilhelm. Der Maler Hercules Segers.
(Jahrbuch der K. PreuB. Kunstsamrnlungen,
XXIV, 1903, 8. 179.)
— Die Anbetung der Hirten von Hugo
van der Goes in der Berliner Galerie.
(Jahrbuch derK. Preufl. Kunstsamrnlungen,
XXIV, 1903, S. 99.)
— Carel Fabritius oder Pieter de Hooch?
(Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F., XIV,
S. 85.)
— Leonardos Bildnis der Ginevra dei Benci.
(Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F., XIV,
S. 274.)
— Rembrandt. Beschreibendes VerzeichniB
seiner Gemalde m. den heliograph. Nach-
bildgn., Geschichte seines Lebens u. seiner
Kunst. Unter Mitwirkg. v. Dir. C. Hofstede
de Groot. 7. Bd. V, 259 S. m. 54 Taf.
Fol. Paris (6, Rue de la Rochefoucauld),
Ch. Sedelmeyer, 1903. M. 125. — . [Inhalt:
Rembrandts ktinstlerischer Entwickelungs-
gang, VIII. Theil: 22. Bildnisse u. Studien
aus den letzten Lebensjahren des Kilnstlers
1661 bis 1669. 23. Historische Kompo-
sitionen u. staffierte Bildnisse der letzten
Jahre, 1661 bis 1669. Beschreibendes Ver-
zeichniB der Gemalde. VII. Theil.]
— Rembrandts Gemalde des Paulus im
Nachdenken im Germanischen Museum
zu Ntirnberg. (Zeitschrift f. bild. Kunst,
N. F., XIV, S. 48.)
— Zu den neuesten Erwerbungen des Kaiser
Friedrich-Museums. [2. Bildnis der Isa-
IV
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Malerei.
bella Brant von P. P. Rubens.] (Jahrbuch
der K. Preufl. Kunstsammlungen, XXIV,
1903, S. 318.)
Bode, VVilhelm, und Gustav Ludwig. Die
Altarbilder der KircheS.Micheledi Murano
und das Auferstehungsbild des Giovanni
Bellini in der Berliner Galerie. 1. Die
Kapelle der Auferstehung. 2. Die Kapelle
des hi. Kreuzes. 3. Die Kapelle der
Madonna. (Jahrbuch der K. Preufl. Kunst-
sammlungen, XXIV, 1903, S. 131.)
Boesch, Hans. Das Stammbuch des Augs-
burger Malers und Kupferstechers Johann
Esaias Nilson. (Zeitschrift f. BilcheV-
freunde, VI, 1902—3, S. 473.)
Bont, Bem. J. M. de. De triptiek genaamd
die van den meester van d'Oultremont
en »Jan Joosten, scyldenc van Haarlem,
gr. 8°. 16 S. Amsterdam, C. L. van
Langenhuysen. f. — .75.
Boppe, A. La mode des portraits turcs
au XVIIlc siecle. (La Revue de Tart
ancien et moderne, XII, 1902, S. 211.)
Borrmann, Prof. Reg.-Baumeister Richard.
Aufnahmen mittelalterlicher Wand- und
Deckenmalereien in Deutschland. Unter
Mitwirkung v. Prof. Kunstgewerbesch.-Dir.
H. Kolb u. Maler Baugewerksch. - Lehr.
O. Vorlaender hrsg. 10. (Schlufl-)Lfg. 7
[1 doppelte] farb. Taf. m. 7 u. 3 S. illustr.
Text. 48,5X32»5 cra- Berlin, E. Was-
muth, 1902. M. 2. — .
Borzelli, Angelo. Bartolommeo Maranta
difensore del Tiziano. Napoli, stab. tip. F.
Di Gennaro e A. Morano, 1902, 8°, 24 p.
Bouchot, Henri. Les Femmes de Henry
VIII. (Les Arts, 1902, Decembre, S. 8.)
— Les portraits de Louis XI. (Gazette des
beaux-arts, 3 per., XXIX, 1903, S. 213.)
— L'exposition des primitifs francais. De
quelques portraits du peintre Jean Fouquet
aujourd'hui perdus. (La Revue de Tart
ancien et moderne, XIII, 1903, S. 1.)
Bouyer, Raymond. La Revanche de Rem-
brandt au Musee Dutuit. (Revue bleue,
27 decembre 1902.)
— Le XVIIIe siecle a Versailles. (La
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1903, s. 399.)
Bredt, E. W. Das Glockendonschc Missale
derNUmberger Stadtbibliothek, ein ktinst-
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Vereins fiir Geschichte der Stadt Nilrn-
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Bressers, L^on. Peinture murale de Nec-
roeteren. I. Nervures 2. Decoration
de la voute. 3. Le Jugement dernier.
(Revue de l'art chretien, 4C serie, XIV,
1903, S. 193.)
Brisson, Adolphe. Deux enseignes de
Chard in. (Revue illustrc, 1. Janvier 1903.)
Brosch, L. Die Tiepolo-Fresken im Pa-
lazzo Labia. (Wiener Abendpost, Beilage
zur WTiener Zeitung, 1903, Nr. 2.)
Broussolle, J. C. Les Mosaiques de Sant'
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In-8, 20 p. avec 12 grav. Paris, impr.
de Soye et fils; maison de la Bonne
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S. C, M. A., Keeper of Prints and Drawings
in the British Museum. Fol. Oxford, at
the Clarendon Press, 1903. [Inhalt:
German Schools: 1. Martin Schongauer;
2. Hans Holbein the Elder; 3. Matthias
Grtinewald. Italian Schools: 4 — 5. Leo-
nardo da Vinci ; 6. Michelangelo Buonar-
roti; 7 — 8. Raphael; 9. Lombard School;
10. Bartolommeo Montagna ; 1 1 — 12. Vit-
tore Carpaccio; 13. Lorenzo Costa; 14
— 1$. Correggjo. Flemish and Dutch
Schools: 16. Rubens; 17 — 18. Rembrandt.
French School in Rome: 19 — 20. Claude.]
Cook, Herbert. A lost portrait by Francia.
(The Athenaeum, 1903, January to June,
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antiquaires de France. In-8, 1 3 p. Nogent-
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Paris. 1903. [Extrait des Memoires de
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B(attista) Cavalcaselle. A history of
painting in Italy. Umbria, Florence and
Siena from the second to the 16. cen-
tury. Ed. by Langton Douglas. Assist,
by S(andford) Arthur Strong. In 6 vols.
Vol. 1. 8°. London, J. Murray, 1903.
[Inhalt : Preface. Biographies of the Au-
thors. 1. Joseph Archer Crowe; 2. Gio-
vanni Battista Cavalcaselle. Vol. I: I. Art
in Italy till the close of the sixth cen-
tury. 2. Italian art from the seventh to
the thirteenth century. 3. The Cosmati
and Pietro Cavallini. 4. Niccola and Gio-
vanni Pisano. 5. Painting in Central
Italy. 6. Gradual rise of the art of Flo-
rence. Appendix: Cimabue and the Ru-
cellai Madonna; Index of Places; Index
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Cust, Lionel. Van Dyck (The Artists' Li-
brary). 2 vols. Illust. Sm. 4to. Uni-
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druck-Taf. m. 5 Bl. Text in deutscher,
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pavsagistes du XVI e siecle. (Kunst, 1903,
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Destree, Jules. Notes sur les primitifs
italiens. (N° 3.) Sur quelques peintres
de Sienne, par J. DM avec deux eaux-
fortes de M. Aug. Danse, cinq eaux-
fortes de Mme Jules Destre et plusieurs
reproductions photographiques. Bruxelles,
Dietrich et O, 1903. In-8°, 132 p.,
gravv. hors texte. Fr. 15. — . [Cet ouvrage
a etc tire a cent exemplaires numerates.]
— Sur quelques peintres de Sienne; biblio-
graphic generale. Taddeo di Bartolo.
(Durendal, 1903, S. 20 u. 84.) Beneveuto
di Giovanni. (Durendal, 1903, S. 262.)
Neroccio di Bartolommeo Landi (1447
— 1500). (Durendal, 1903, S. 457.)
Dickes, William Frederick. Holbeins Cele-
brated Picture, now called »Thc Ambassa-
dors*. Shown to be a Memorial of the
Treaty of Nuremberg, 1532, and to Por-
tray those Princely Brothers, Count Pa-
latine of the Rhine, Otto Henry and
Philipp, who shared in the Government
of the Duchy of Neburg, and, Dying,
closed the »Elder Churfurst Line«. 4U),
112 p. Cassell. 10/6.
Dimier, L. Du portrait des trois Colligny
conserve au musee de La Have. (Bulle-
tin uitgegeven door den Nederlandschen
Oudheidkundigen Bond, IV, 1902, S. 20.)
— Quatre portraits francais du XVIII e
siecle au Musee de Parme. (La Chronique
des arts, 1903, S. 254.)
— Sur le presume Mostaert de M. Gustave
Gllick. (La Chronique des arts, 1903, S. 28.)
— I'ne ncuvre inconnue de Corneille de
Lyon. (La Revue de Tart ancien et mo-
derne, XII, 1902, S. 5.)
— Un portrait meconnu de Henri III et
le peintre Jean Decourt. (Gazette des
beaux-arts, 3 per., XXVIII, 1902, S. 405.)
Distel, Theodor. Kurfiirst Moritz von
Sachsen und seine Gemahlin. (Illustrierte
Zeitung, Leipzig 1903, Nr. 3133.)
Dixon, \V. Willmott. (»Thormanby«) Dainty
Dames of Society. A Portrait Cillery
of Charming Women. No. 1 — 2. (Por-
traits and lllusts. from Rare and Famous
Pictures by Masters of British and French
Schools.) iSmo, X, 149 p., 154 p. Black,
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portrait drawing by Dtircr. (The Bur-
lington Magazine, II, 1903, S. 286.)
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(Repertorium f. Kunstwissenschaft, XXVI,
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DUlberg, Dr. Franz. FrUhhollander I. Die
Altarwerke des Cornelis Engebrechtszoon
u. des Lukas van Leyden im Leidener
stadt. Museum. (1. Halfte. 13 Lichtdr.-
Taf. m. 9 S. Text.) 48,5X33 cm. Haar-
lem, H. Kleinmann & Co., 1903. Voll-
stiindig M. 40. — .
— Zur Restauration des Dllrerschen Paum-
gartner- Altars in der Mtinchener Alten
Pinakothek. (Kunstchronik , N. F., 14,
1902 — 03, Sp. 217.)
DUrer-Mappe. Hrsg. vom Kunstwart. 12
Taf. u. 9 S. Text m. 6 Abbildgn. hoch 40.
Miinchen, G. D. W. Callwev, 1902.
M. 3.-.
Diirer Society, The. Sixt Series. With
introductory notes by Campbell Dodgson.
Fol. London 1903. 14 S. Text. 17 Taf.
Printed for the Diirer Society, 48 Lei-
cester Sqare, London, by Alexander
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peley-Gouverneur. Paris. 1902. [Extrait
des Mcmoires de la Socicte* nationale des
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— Heures de Turin. Quarante-cinq feuillets
a peintures provenant des Tres Belles
Heures de Jean de France, due de Bern-.
Reprod. en phototypie d'apres les ori-
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Musee du Louvre. F°. 27 p. 45 planches.
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et moderne, XIII, 1903, S. 49 u. 103.)
Dutry, Albert. Nature morte de Heda.
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fasc. 31.)
— Nature morte de Van Es. (Inventaire ar-
cheologique de Gand, 1903, fasc. 31.)
Dyck, Van. De l'organisation des fetes
publiques Antoine Van Dyck. Le cortege
de l'art a travers les siecles, organise en
l'honneur du 300c anniversaire de sa
naissance. Les opinions des delegucs
des Academies sur l'ceuvre de Van Dyck.
In-8°. 104 p., gravv. et fac-simile d'auto-
graphe. Macon, imprim. Protat freres.
Paris, 98, rue Miromesnil, (1903). Fr.
5.50. [Extrait de 1'Ami des monuments
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Endres, J. A. Romanische Deckenmalereien
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Even, Ed. van. De schilder P. J. Ver-
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Eyck, Hubert und Jan van. Das Center
Altarbild. Photogravilren in 3?to der
natdrlichen Grofle nach den in Gent,
Briissel und Berlin befmdlichen Original-
g-emalden. gT. Fol. Berlin, Photographi-
sche Oesellschaft, Kunstverlag. 20 Tafeln
u. 2 Uebersichtsblatter: der Altar bei ge-
schlossenen u. bei geoffneten FlUgeln.
90^X^67 cm. In Mappe M. 320. — .
Evck, Jean et Hubert van. Quarante plan-
ches hors texte, publices en 4 livraisons,
avec titre et table. Haarlem, H. Klein-
mann & Oc, 1903. In-folio, 2 feuillets
de texte et 40 planches. Fr. 60. — . [Chefs-
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Fresken der Capp. Grifo in S. Pietro in
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F[abriczy], C[ornelius] v. Signorellis Pans-
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Faccio, Cesare. Giovan Antonio Bazzi (il
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I Jahrh. In getreuen Nachbildgn. hrsg.
I (Bilder alter Meister.) 20 Bl. m. 1 Bl. Text.
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bildgn. u. 2 farb. Taf.) Fol. Freiburg i. B.,
Herder, 1903. M. 5. — .
Gelli, I. Vicende di una riproduzione in
musaico del Cenacolo di Leonardo da
Vinci e della Scuola di musaico in Mi-
lano. (Rassegna d'arte, III, 1903, S. 137
"• 1 5 50
Gerola, G. Emanuele Zane da Retimo,
un pittore bizantino a Venezia. (Atti del
reale istituto veneto di scienze, lettere
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Malcrci.
LV
cd arti, LXII, serie VIII, t. V., disp. 6,
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Gtrspach. Une Annonciarion de Pietro
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— L'ne mosalque du VII Ic siecle a Florence.
(Revue de 1'art chre'tien, 4e serie, XIV,
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Gesamtreproduktion, Die erste, des groflen
Altargemaldes von Hubert und Jan van
Eyck. (Neue Kunst, Photograph ische
Gesellschaft Berlin C. An dcrStechbahn I,
Heft I, Nov. 1903, S. 9.)
G. F. La famiglia dei pittori Cignaroli.
(Arte e Storia, XXII, 1903, S. 95.)
Gimberg, J. De muurschilderingen in de
St Walburgskerk te Zutphen. Beknopte
beschrijving. (Citgave van »Zutphen
vooruit«, vereeniging tot bevordering
van het vreemdelingenverkeer te Zutphen.)
8°. 19 S. m. 1 pit. Zutphen, \V. J. Thieme
& Cie. f. —.25.
Giomo, Giuseppe. San Pietro Marti re e
Tiziano. (Nuovo Archivio Veneto, N. S.,
anno III, t. VI, P. 1, 1903, S. 55.)
Giovenale, G. B. Pitture del secolo XII
in S. Maria in Cosmedin e nuovo monu-
mento carolingio. (Atti del II congresso
internazionale di archeologia cristiana,
tenuto in Roma, Roma 1902.)
Glasmalerei, Die elsassische. (Das Kunst-
gewerbe in Elsafl-Lothringen, III, 1902-3,
S. 182.)
Gluck, Gustav. Aus Rubens' Zeit und
Schule. Bemerkungen zu einigen Ge-
malden der Kaiserlichen Galerie in Wien.
1. Gerard Zegers. 2. Frans Wouters.
3. Andreas Benedetti. 4. Jan Van Dalem.
5. Jan Van den Hecke. 6. Die beiden
Quellinus. Anhang. (Jahrbuch der Kunst-
histor. Sammlungen des Allh. Kaiserhauses,
XXIV, 1903, Heft I, S. 1.)
— Cber einige Bildnisse von Jan Mostacrt.
(Beitrage zur Kunstgeschichte, F. Wick-
fcoff gewidmet, 1903, S. 64.)
— L'n tableau du Chretien de Koninck an
Musce de Gand. (La Chronii|ue des
arts, 1903, S. 96.)
Gnoli, Umberto. »Amor sacro e profann« ?
(Rassegna d'arte, III, 1903, S. 74.)
Goldschmidt, Adolph. Die Geburt Christi
von Hugo van der Goes in der Kgl. Ge-
maldegalerie zu Berlin. Vortrag. (Sitzungs-
bericht II, 1903, der Berliner Kunstge-
schichtlichen Gesellschaft.)
Goyen, Jean Van. (Kunst, 1903, S. 85.)
Gradmann, E. Kin mittelalterliches Fresko-
bild in Bietigheim (WUrttemberg). (Die
Denkmalpflege, V, 1903, S. 84.)
Graham, Jean Carlyle. The problem of
F'iorenzo di Lorenzo of Perugia. A crit.
and hist, study. 40. 152 p. with 25 full-
page ill. Perugia, D. Terese, 1903. [In-
halt: 1. State of art in Perugia in Fio-
renzo's day. 2. Fiorenzo's signed work.
3. The problem of dates. 4. Fiorenzo
and his mis-interpreters. 5. Certain docu-
ments. 6. Altar piece of 1472 and certain
analogous works. 7. The eight Acts of
S. Bernardino of Siena. 8. Nativity pic-
tures. 9. Frescoes. 10. Epiphany pictures.
II. Triptyches. 12. The Pieta. 13. Fres-
coes. 14. Documents. 15. Further compli-
cations of the problem. 16. Summing
up of facts and reflections.]
Granberg, Olof. Om kejsar Rudolf II.s
konstkammare och dess svenska nden
och om uppkomsten af drottning Kristinas
tafvelgalleri i Rom och dess skingrande.
Nva forskningar. 40. XLV1I, 130 S.,
11 PI. Stockholm, Forf. Kr. 20.— . [In-
halt: Fiirord och inledning. Kejsar Ru-
dolf II: s konstkammare och hvad som
daraf kom till drottning Kristinas galleri
i Stockholm. Drottning Kristinas tafvel-
galleri p;i Stockholms slott. Uppkomsten
af drottning Kristinas tafvelgalleri i Rom.
Tillag: Kardinal Mazarins bibliotek;
Konung Karl I : s tafvelgalleri. Kort-
fattad forteckning i\(\ er drottning Kristinas
tafvelgalleri i Stockholm och i Rom.
1. Malningar, tagna i Prag, men af drott-
ningen medforda till utlandet. 2. Mal-
ningar, tagna i Prag, hvilka drottningen
i Sverige kvarlamnade. 4. Taflor, tagna
i Miinchen, hvilka drottningen vid sin
afresa fran Sverige kvarlamnade. 5. Taflor,
som drottningen fatt af residenten Pieter
Spiering, men fore sin afresa atersiinde
till bans dodsbo i Haag. 6. Taflor, som
drottningen i Stockholm sjalf forvarfat,
men dock dar kvarlamnade. 7. Taflor,
som drottningen i Stockholm sjalf fiir-
viirfat och som hon medtog till Rom.
8. Taflor, furviirfvade i Rom, eller pa
an dra stall en. Bilaga 1. Inventarium iifver
Kejserliga Konstkammaren i Prag 162 1.
Bilaga 2. Inventarier . . . som 1056 be-
funno sig i Antwerpen.J
Graus, Johann. RomanischeWandmalercien
zu PUrgg und Hartburg. (Mittheilungen
der k. k. Central -Commission, N. F.,
XXVIII, 1902, S. 78.)
Grautoff, Otto. Die Madonna von Per^en-
beug. (Monatsberichte liber Kunst und
Kunstwissenschaft, hrsg. v. H. Helbing,
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Grego, Joseph. »Perdita« and her painters,
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Connoisseur, V, 1903, S. 99.)
Greve, H. E. De bronnen van Card van
Mander voor »het leven der doorluchtighe
Nederlandtsclie en Hoogduxtsche schil-
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LVI
Malerei.
ders«. (= Quellenstudien zur hollan-
dischen Kunstgeschichte , 2.) 8°. X,
326 S. 's-Gravenhage, M. Nijhoff, 1903.
[Inhalt: Inleiding. Card van Mander.
Het Schilderboeck, 1. Bibliografie, 2. Plan
en Samenstelling. Gedrukte Bronnen:
Giorgio Vasari, Hadrianus Junius, Do-
menicus Lampsonius, Lucas de Heere,
Marcus van Vaernewijk, HubrechtGoltzius,
Pieter Coecke van Aalst, Nicolaas Bor-
bonius, Bilibald Pirckheimer, George
Braun, Albrecht Dtirer, Andreas Vesalio,
Johan Vredeman de Vries, Lodovico
Guicciardini, Johannis Molanus. Onge-
drukte Bronnen, 1. in engeren zin(brieven,
manuscripten) , 2. personlijke mede-
deelingen, 3. eigen Herinneringen van
van Mander. Kunstwerken als Bronnen.
Lijst van Kunstwerken bij van Mander
vermeld. Addenda. Bijlage. 1. Kunst-
vcrzamelingen uit van Manders tijd,
2. Kunstverzamelingen, waarin zich, door
van Mander beschreven, Kunstwerken
thans bevinden. Naamregister.]
Grilli, Goffredo. Le pitture attribuite ad
Alesso Baldovinetti in S. Miniato al
Monte, aFirenze. (Rivista d'ltalia, gennaio
1902.)
Gronau, Georg. A propos d'un Manuscrit
italien de la Bibliotheque Nationale. (La
Chronique des arts, 1903, S. 20.)
— Aus Raphaels Florentiner Tagen. 53 S.
m. 18 Taf. hoch 40. Berlin, B. Cassirer,
1902. M. 10.50. [Inhalt: I. Allgemeines.
2. Raphaels Eintritt in Florenz. 2. Ra-
phael und Donatello. 3. Raphael und
Pollaiuolo. 4. Raphael und Leonardo. 5.
Raphael und Michelangelo. 6. Cbergang
nach Rom.]
— Beitrage zu Werken Leonardos. (Reper-
torium fttr Kunstwissenschaft, XXVI,
1903, S. 179.)
— Florentiner Monumentalmalerei im spate-
ren Quattrocento. (Das Museum, hrsg.
v. W. Spemann [VIII, 1903], S. 45.)
— Leonardo da Vinci. (Popular Library
of Art.) Must. i6mo, XV, 190 p. Duck-
worth. 2/; 2/6.
— Masaccio. (Das Museum, hrsg. v. W.
Spemann [VIII, 1903], S. 41.)
— Piero di Cosimos Kampf der Centauren
und Lapithen. (Repertorium ftlr Kunst-
wissenschaft, XXVI, 1903, S. 180.)
— Titian's Portrait of the Empress Isabella.
(The Burlington Magazine, II, 1 903, S.28 1 .)
— Tizians Bildnisse ttirkischer Sultaninnen.
(Beitrage zur Kunstgeschichte, F. Wick-
hoff gewidmet, 1903, S. 132.)
— Tizians himmlische und irdische Liebe.
(Repertorium f. Kunstwissenschaft, XXVI,
I9<>3» s. 177.)
Gronau, Georg. Uber cin friih-veneziani-
sches Bild. (Repertorium fiir Kunstwissen-
schaft, XXVI, 1903, S. 177.)
Gumbel, Albert. Agnes DUrerin und ihre
Stipendienstiftung. (Kunstchronik, N. F.,
14, 1902—03, Sp. 126 u. 142.)
— Der Schreyeraltar in Schwabiseh-Gmund,
eine Arbeit der DUrerschen Werkstatt.
(Kunstchronik, N. F. , 14, 1902 — 03,
Sp. 63.)
— Meister Berthold von Nlirnberg, ein
Glied derFamilie Landauer. (Repertorium
fiir Kunstwissenschaft, XXVI, 1903,
S. 318.)
Guiffrey, Jean. David et le theatre, pendant
le scjour a Bruxelles. (Gazette des beaux-
arts, 3 per., XXX, 1903, S. 201.)
Guillemin, V. Etude sur la pcinture an-
glaise. In-8, 112 p. Besancon, imp.
Dodivers. 1903. [Extrait des Memoires
de la Societe d'cmulation du Doubs
(1902).]
Gurlitt, L. Das Albrecht DUrerhaus. (Deut-
sche Monatsschrift, begr. v. J. Lohmeyer,
2. Jahrg., 12. Heft.)
H. Un tableau inconnu de Sebastiano
Ricci. (Les Arts, 1903, Octobre, S. 20.)
Haack, Friedrich. Zu dem »Landlichen
Konzert« im Louvre. (Monatsbericht uber
Kunst u. Kunstwissenschaft, hrsg. v. H.
Helbing, III, 1903, S. 77.)
— Zu Zeitblom. (Repertorium fiir Kunst-
wissenschaft, XXVI, 1903, S. 33.)
Haeghen, V. van der. Peinture murale de
la Grande Boucherie. (Inventaire archeo-
logique de Gand, 1903, fasc. 30.)
Haendcke, Berthold. Bemerkungen zu
Michelangelos Jiingstem Gericht. (Kunst-
chronik, N. F., 14, 1902 — 03, Sp. 57.)
Haenel, Erich. Der neue »Meister des
Hausbuches« in der Dresdner Galerie.
(Monatsberichte tlber Kunst und Kunst-
wissenschaft, hrsg. v. H. Helbing, III,
1903. S. 173.)
Hals', Frans, Meisterwerke. Orig.-Aufnahmen
in Lichtdr. 10 Bl. m. 1 Bl. Text. 42 X
^4 cm. Liibeck, B. Nfthring, 1903.
M. 3.-.
Hamel, Maurice. Le portrait dTsabelle
d'Este par Titien. (Gazette des beaux-
arts, 3 per., XXIX, 1903, S. 104.)
— Les derniers travaux sur Albert Dtirer.
(Gazette des beaux-arts, 3 per., XXIX,
1903. S. 59.)
— Titien (biographie critique); par M. H.,
agrege de l'Universite. Petit in-8 carre,
128 p. et 24 reproductions hors texte.
Corbeil, imp. Cnhe. Paris, lib. Laurens
1902. [Les Grands Artistes: leur vie,
leur oeuvre.]
Hann, F. G. Pellegrino da San Daniele,
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Abendpost, Beilage zur Wiener Zeitung,
1903, Nr. 182.)
Hannover, Emil. Die Seelc Giorgiones.
(Kunst und Kiinstler, I, 1903, S. 341.)
Hartley, C. Gasquoine. Francisco Goya.
(The Art Journal, 1903, S. 207.)
Haseloff, Arthur. Die Vorlaufer der van Eyck
in der Buchmalerei. Vortrag. (Sitzungs-
bericht I, 1903, der Berliner Kunstge-
schichdichen Gesellschaft.)
Haushofer, Prof. Dr. Max. Die Land-
schaft. (= Sammlung illustrierter Mono-
graphien, hmg. von Hanns v. Zobeltitz,
12. Bd.) LexT8°. VII, 125 S. m. 108
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Velhagen & Klasing, 1903. M. 3. — .
Heerwagen, Heinrich. Zu Lukas Cranach.
(Repertorium f. Kunst wissenschaft, XXVI,
1903, S. 4?5)
Heins, A. Etudes d'animaux, par Nicolas
Berchem. (Inventaire archeologique de
Gand, 1902, fasc. 27.)
— L'Apotheose de la sainte Vierge, par N.
deLiemaeckere. (Inventaire archeologique
de Gand, 1902, fasc. 28.)
— Miniatures attributes aux Van Eyck.
(Petite revue illustree de Part et de
Parched, en Flandre, 1902, S. 169.)
— Sainte famille, parNicolas deLiemaeckere.
(Inventaire archeologique de Gand, 1902,
fasc. 28.)
— Saint Hyacinthe et la Vierge, par N. de
Liemaeckere. (Inventaire archeologique
de Gand, 1902, fasc. 28.)
Helbig, Jules. Alexandre Colin. (Revue
de Part chretien, 4e se>ie, XIV, 1903,
5. 208.)
— La peinture au pays de Liege et sur
les bords de la Meuse. Nouvelle edition
revue, considerablement augmentee et
enrichie de XXX planches. Liege, impri-
mcrie H. Poncelet, 1903. In-40, XIV,
509 p. et pll. hors texte. fr. 12.50. [In-
halt: Introduction. Avant-propos. 1. Les
beaux-arts aux bords de la Meuse depuis
l'avcnnement du Christianisme jusqu'a
la fin du XIIe siecle. 2. . . . depuis le
commencement du XIIIe siecle jusqu*
aux freres Van F.yck. 3. Le XVe siecle.
Les peintres mosans a l'etranger. Les
freres Van Eyck et les freres de Lim-
foourg. 4. Les peintres bencdictins de
J'abbaye de Saint-Laurent. 5. La peinture
au pays de Liege au temps des freres
Van Eyck et jusqu'a la fin du XVC siecle.
6. Le XVIc siecle. 7. Joachim Patenier
et Henri Bles. 8. Lambert Lombard.
9- Le XVIIc siecle. 10. Gerard Douffet
et ses disciples, n. Bertholet Flemalle
et ses eleves. 12. La famille des Lairesse.
13. La famille Darner}-. 14. Peintres du
XVIIe siecle, ind^pendants des maitres
etudies dans les chapitres precedents.
Francois Walschartz, Alexandre Horion,
Dieudonne Delmont, Antoine Gobet, Louis
Abry. 15. Le XVIIIe siecle. 16. Edmond
Plumier, Nicolas La Fabrique, Olivier
Pirotte. 17. La famille des Coders, Jean
Delloye, J.-B. Juppin, Lambert Dumouliu,
les Riga. 18. P. J. Delcloche, les Smytsen,
L. Cornet, les Morel, J. Latour. 19. Jean-
Joseph Lion, Henri Deprez, Penhay de
Rendeux, Jean-Francois Racle. 20. Martin
Aubee, Nicolas-Henri-Joseph de Fassin,
Pierre -Michel de Lovinfosse, Joseph
Dreppe, Leonard Defrance. Appendice.
Conclusion.]
Helder, Lod. Van den. Antoon Van Dyck.
(Licht!, 1903, S. 265.)
Hermann, Hermann Julius. Ein unbe-
kanntes Gebetbuch von Jean Bourdichon.
(BeitrSge zur Kunstgeschichte, F. Wick-
hoff gewidmet, 1903, S. 46.)
Hertlein, F. Der Marienaltar der Creg-
linger Herrgottskirche. (Wiirttembergisch
Franken, N. F., VIII. Beilage zu den
W7urttembergischen Vierteljahrsheften ftir
Landesgeschichte.)
Hess, Eduard. Zum Kapitel »Matliias
GrUnewald*. (StraBburger Post, 1902,
Nr. 828.)
H. F. In tableau de Ribera. (Les Arts,
1903, Mai, S. 34.)
His, Eduard. Ambrosius Holbein als Maler.
(Jahrbuch derK. Preufl. Kunstsammlungen,
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richten, 1902, Nr. 343.)
Hoerschelmann, E. von. Die Bluthoch-
zeit des Astorre Baglioni in Perugia.
(Monatsberichte liber Kunst und Kunst-
wissenschaft, hrsg. v. H. Helbing, III,
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Hofstede de Groot, Cornelis. Die Koedijk-
Ratsel und ihre Losung. (Jahrbuch der
K. Preufl. Kunstsammlungen, XXIV, 1903,
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Holborn, J. B. Stoughton. Jacopo Robusti
called Tintoretto. (Great Masters in Paint-
ing and Sculpture.) llust. 8vo, XII,
156 p. G. Bell. 5/. [Inhalt: List of
Illustrations. Bibliography. 1. The Man.
2. The Morning of Impressionism. 3. Tin-
toretto's Pictures: their Condition and
Preservation. Earlier Work. 4. Titian
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sition. 7. S. Rocco. 8. His Legacy. List
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on Landscape Painting. With 77 Photo-
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LVIII
Malerei.
gravure Plates. Fol., 263 p., Constable.
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Holmes, Richard R. An unpublished mi-
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Hopf, E. Die Wandmalereien in der Turm-
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Home, Herbert P. A lost »Adoration of
the Magi« by Sandro Botticelli. (The
Burlington Magazine, I, 1903, S. 63.)
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Louvre. (Bulletin de la Societc d'histoire
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Hymans, H. Twee vlaamsche »Primi-
tieven op de tentoonstelling van oude
portretten.« (Onze Kunst, II, 2, 1903,
S. 112.)
Inventaire des tableaux des chateaux de
Saint-Germain-en-Laye et de Maisons-sur-
Seine a la fin du XVIII e siecle. In-S,
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Gouverneur. 1902. [Extrait du Bulletin
de la Societe de l'histoire de Paris et
de rile-de-France (t. 29).]
J a dart, Henri. Nicolas et Jacques Wil-
bault, peintres de Chateau-Porcien (1686
— 1806). Notes complementaires sur leur
famille, leur vie et leurs oeuvrcs; par H.
J., membre non rcsidant du Comite des
societes des beaux-arts, conservateur du
musee de Reims. Petit in-4, 39 P- Dole-
du-Jura, impr. Girardi et Audebcrt. Paris,
libr. Picard et fils. 1902. [Extrait de la
Revue historique ardennaisc.^
Jecht, R. Die Pilzliiuben, Jttden-, Rosen-
u. Hellegasse, sowie ein neu aufgcdeckte*
Wandgemiilde in Gorlitz. (Neues Lau-
sitzisches Magazin, 78. Bd.)
Jorgensen. Cimabue. (Der Kunstfreund,
red. v. H. v. Worndle, XIX, 5.)
Jongh, Johanna de. Holland u. die Land-
schaft. Inaug.-Diss. zur Erlangung der
Doktorwiirde von der Philos. Fakultat der
K. Universitat zu Berlin. 8°. 42 S. Berlin,
Dnick von E. Ebering. [Inhalt: 1. Ein-
leitung. a) Das hollandische Sein. b) Die
Atmosphare. c) Plein-air und Interieur.
2. Vordem XV. Jahrh. a) Wandmalereien.
b) Manuskripte. 3. Das XV. Jahrh. a) Ent-
deckung der Atmosphare. b) Licht- u.
Farbenstimmungen. c) Hof- u. Provinz-
schule. d) Hollandiseh-flamische Ver-
schmelzung. 3. Das XVI. Jahrhundert.
a) Deutsch-italianisierende Richtung. Vcr-
lust der Farbe u. der Atmosphare. Tod
der Landschaft. b) Teiliyig d. deutsch-
italianisierenden Richtung in rein italiani-
sierende u. hollandisch-einheimische Rich-
tungen. Das Wiederfinden der Atmo-
sphare. Der Zwei- und Einplan. Cou-
rant familier. Einflufi aus Flandern
5. Das XVII. Jahrh. a) Das erste Ge-
schlecht. b) Padagogische Richtung.
c) Loslosung der Genren. d) Aus-
j driickungsmittel u. Stimmung. e) Holland
I entdeckt.]
Josz, Virgile. Watteau (mneurs du X VIII c
I siecle). 2C edition. In-18-jesus, 499 p.
J Poitiers, impr. Blais et Roy. Paris, So-
cietc du Mercure de France. 1903. Fr.
I 3-5<\
' Justi, Carl. Velazquez u. sein Jahrhundert.
! 2 Bde. 2. neubearb. Aufl. XXX, 367
u. VII, 399 S. m. 58 Abbildgn. u. 2 Taf.
I Lex. 80. Bonn, F. Cohen, 1903. M. 36.—.
: -, Ludwig. Uber DUrers ktinstlerisches
1 SchatTen. (Repertorium ftlr Kunstwissen-
1 schaft, XXVI, 1903, S. 447.)
Kallab, Wolfgang. Die Deutung von
I Michelangelos jUngstem Gerichte. (Bei-
I triige zur Kunstgeschichte, F. Wickhoff
I gewidmet, 1903, S. 138.)
I Keller, A. Jehan Fouquet et le manuscrit
au XV c siecle. In-8, 15 p. avec grav.
j Moutiers, imp. Ducloz. 1903. ^Extrait
des Notes d'art et d'archcologie.]
I Kendell, B. George Stubbs. (The Con-
I noisseur, III, 1902, S. 92.)
Kernstock, Ottokar. J. C Hackhofers
Festenburger Gemiilde. (Der Kirchen-
! schmuck [Seckau], 1903, S. 1, 25 u. 41.)
j Keyserling, Ed. v. Tizians himmlische u.
' irdische Liebe und der Platonismu>.
( Allgemeine Zeitung, Mlinchen 1903, Bei-
lage Nr. 167.)
Knackfufi, H. A. van Dyck. 4. Aufl.
(— Klinstler-Monographien, hrsg. v. H.
I Knackfuti, XIII.) Lex. 8°. 88 S. m. 61
Abbildgn. v. Gemalden u. Zeichnungen.
Bielefeld, Velhagen & Klasing, 1902. M.
' — Holbein der jiingere. 4. Aufl. (= Kiinstler-
[ Monographien, hrsg. v. H. Knackfufi,
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Malerci.
LIX
XVII.) Lex. 80. 158 S. m. 152 Abbildgn.
v. Gemalden, Zeichngn. und Holzschn.
Bielefeld, Velhagen & Klasing, 1902. M.
4.—.
Knackfufi, H. Rembrandt. 7. Auflage.
(= KUnstler-Monographicn, hrsg. von H.
KnackfuB, HI.) Lex. 8°. 156 S. m. 159
Abbildgn. nach Gemalden, Radiergn. u.
Zeichngn. Bielefeld, Velhagen & Klasing,
1903. M. 3.—.
Knapp, Fritz. Fra Bartolommeo'della Porta
u. die Schule von San Marco. IX, 326 S.
m. 122 Abbildgn. 40. Halle, W. Knapp,
1903. M. 24.—. [Inhalt: Fra Barto-
lommeo. Seine kiinstlerische Entwick-
lung und Bedeutung ftlr die Hoch-
renaissance in Florenz. 2. Zweite Periode,
1504—08, Florenz. 3. Dritte Periode,
1508 — 1 5 14, Venedig, Florenz. 4. Vierte
Periode, 15 14 — 1517. Rom, Florenz.
5. Die YVerkstatt von San Marco. Die
Schtiler und Gehilfen des Fra Barto-
lommeo: Mariotto Albertinelli, Fra Pao-
lino, Giovanni Antonio Sogliani. 6. Ver-
zeichnis der Werke des Fra Bartolommeo
(nach Standorten). a) Grbfiere Bildwerke.
b) Zeichnungen.j
Kondakov, K. P. Ikonen vom Sinai und
Athos in der Sammlung des hochw. Por-
phyrius, herausgeg. in 23 von ihm selbst
angefertigten Tafeln. Hemusgegeben von
der kais. Akademie der Wissenschaften
in Petersburg. 25 S. Fol. und 23 Taf.
St. Petersburg, 1902. [In russ. Sprache.]
Kr., C Alte Wandgemalde in der Kirche
von Wormditt. (Die Denkmalpflege, V,
1903, S. 31.)
Kristeller, Paul.
Museum, hrsg
1903], S. 53.)
Kroker, Ernst.
bachs Keller.
ritt.
alten
Giuseppe Ribera.
v. W. Spemann
(Das
VIII,
Doktor Faust und Auer-
Die Sage von dem Fafl-
Die Entstehungszeit der beiden
Bilder in Auerbachs Keller. Mit
cinem Anhang: Doktor Faust u. Luther.
H°. 51 S. init 3 Tafeln. Leipzig, Diete-
richsche Verlagsbuchhandlung, Theodor
Weicber. M. 1. — .
Kokula, K. Die altesten in Bohmen hcr-
gestellten Miniaturhandschriften. (Mit-
teilung'en d. osterr. Vereins f. Bibliotheks-
wtsen, 1903. VII, S. 76 u. 113.)
Kunst, Klassische. Hausschatz berlihmter
Meister alter und neuer Zeit. I. — 20.
Talis. (In 12 Lfgn.) I. Lfg. (2 farb.
BL) gr. Kol. Leipzig, A. Schumanns Verl.,
1903. M. 1.—.
Kunstenaars, Zuid- en noordnederlandse. II.
\an voorheen. De heijige Barbara van
Jan van Kyck, door Charles Sluyts;
Rogier Van der Weyden, in de oude pina-
cotheek te Munchen, door Johanna Sze-
linska. Gand, Ad. Hoste, 1902. Pet.
in-40, 14 p. et I pi. hors texte. Fr. 1. — .
[Extrait de Kunst en leven.]
Laban, Ferdinand. Filr Hubert und Jan
van Eyckl (Kunstchronik, N. F., 14,
1902—03, Sp. 297. Vgl. Sp. 525.)
Labat, Gustave. Simple note sur un tableau
de Pierre Lacour pere (1780); par G.
1 L., membre de l'Academie des sciences,
I belles-lettres et arts de Bordeaux, corre-
spondant du ministere de 1'instruction
' publicjue. In-4, 12 p. et grav. Bordeaux,
I impr. Gounouilhou. 1903. [Extrait des
I actes de l'Academie des sciences, belles-
I lettres et arts de Bordeaux."
■ Lafenestre, Georges. La Peinture Reli-
gieuse a Rome. (Les Beaux-Arts, organe
' central des Musees, 3 serie, 1903, Nr. 3,
1 W«- 90
Lange, Konrad. Der Heerberger Altar
Zeitbloms. (Wiirtt. Staatsanzeiger, 190^,
1847.)
I — Ein neuentdecktes Selbstbildnis Zeit-
I bloms. (Schwabische Kronik , des
I Schwabischen Merkurs zweite Abteilung,
I 2. Blatt, Nr. 263, 10. Juni 1903.)
Lanner. Die Bedeutung der Christophorus-
bilder auf alten Kirchen. (Der Kunst-
, freund, red. v. H. v. Worndle, XIX, 2.)
I Larroumet, (iustave. Le Racine de J.-B.
j Santerre et d'Achille Jacquet. (La Revue
' de Tart ancien et moderne, XII, 1902,
s. 385.)
Lecler, A., et L. Guibert. Recueil d'ar-
moiries limousines de Philippe Poncet,
peintre et emailleur. (Bulletin de la
Societe archeologique et historique du
Limousin, t. LII, 1903, S. 425.)
Lehmann, Hans. Die Glasgemalde in den
aargauischen Kirchen und offcntlichen
Gebauden. (Fortsetzung.) Bezirk Aarau:
Densbliren, Ober-Erlinsbach, Suhr, Gra-
nichen. (Anzeigerftir schweizerische Alter-
tumskunde, N. F., IV, 1902—2, S. 306.)
Leisching, Julius. Aus den Privilegien der
Prager Bruderschaft der Maler. (Deutsche
Arbeit. Zeitschrift f. das geistige Leben
der Deutschen in Bohmen, 2. Jahrg.,
Heft 2.)
Lemonnier, Henry. Suvee et ^cs amis a
l'ecole de Rome (1772- 1 77S). (Gazette
des beaux-arts, 3 per., XXX, 1903, S. 97.)
Leonardo da Vinci. II codice atlantico di
Leonardo da Vinci nella biblioteca Am-
brosiana di Milano, riprodotto e publi-
cato dalla r. accademia dei Lincei, sotto
gli auspici e col sussidio del re e del
governo. Trascrizione diplomatica e
critica di(iinvanni Piumati. Fasc.31 — 32.
Roma, tip. della r. accademia dei Lincei,
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LX
Malerei.
1901 — 1903. Fo. p. 861 — 1264. Tav.
801 — 1280.
Leslie, G. I). John Constable. (The Art
Journal, 1903, S. 5.)
Levertin, Oscar. G. Lundberg. En studie.
40. 84 S. m. Abbildgn. Stockholm, Aktie-
bolagct Ljus, 1902. I
Lipparini, G. Sur les fresques tirees de |
l'histoire de s. Jean-Baptiste, par les ,
freres 1 ,orcnzo etGiacomo da San Severino, j
a l'eglise s. Giovanni dTrbin. (Le Monde
catholique illustre, 31 decembre 1902.) !
Loga, Valerian von. Francisco de Goya. '
Mit 126 Abb. 4°. 248 S., 85 Taf. Berlin,
G. Grote, 1903. [Inhalt: I. Text. 2. An-
merkungen. 3. Verzeichnis der Werke
Goyas, a. Gemalde, b. Radicrungen. 4.
Verzeichnis der wichtigsten Literatur liber
Goya. 5. Inhaltsverzeichnis. 6. Tafeln.)
Logan, Mary. A Holy F'amily by Granacci
in Dublin. (Revue archcologique, serie 4,
t. 2, 1903, S. 21.)
Loisne, le eomte de. Portraits de la maison
Bourgogne. (Bulletin archeol. du Comite,
1902, S. 495.)
Lorenz, Ludwig. Die Allegoric des Lcbens
und des lodes in der Gemiildegaleric
des Germanischen Museums. (Repertorium
fUrKunstwissensehaft, XXVI, 1903^.2 19.)
Losch, Ph. Friedrich Gunkel. Fine Er-
innerung an einen vergessenen Kasseler
Maler. (Hcssenland, Zeitschrift f. hessi-
schc Gcschichte u. Literatur, hrsg. v.
\V. Benneckc, 17. Jahrg., Xr. 15.)
Lozzi, Carlo. Ancora dclla tavola del
l'Alamanni* gia in S. Francesco di M.
Rubbiano. (Bullettino storico Monte-
rubbianese, marzo 1903.)
Lucas van Leyden 1494 — 1533. Hand-
zeichnungen, Stiche u. Gemalde. 5. — 10.
Lfg. (Je 5 Taf.) Fol. Haarlem, H. Klein-
mann & Co., 1903. Je M. 6. — .
Luchini, C. Luigi. Pitture del Quattrocento
esistenti in Marcaria Mantovana. (Arte
e Storia, XXII, 1903, S. 4.)
Ludwig, Gustav. Archivalische Beitrage
zur Gesehichte der venezianischen Malerei.
I. Die Bergamasken in Venedig. 2. Die
Santa Croce. a. Francesco di Simone da
Santa Crocc. b. Francesco Rizzo da
Santa Croce. c. Zuanne de' Vecchi detto
di Galizzi. d. Bergamaskische Tcppich-
wirker. e. Girolamo da Santa Croce.
f. Francesco Santa Croce (15 16 — 1584).
g. Pietro Paolo Santa Croce. 3. Alvise
Donato und die Donati. 4. Giovanni di
Giovanni Busi detto Cariani. 5. Pre Vido
Celere. 6. Die Familie Licinio. a. Gio-
vanni Antonio Licinio da Lodi. b. Rigo,
Fabio und Giulio Licinio. c. Bernardino
Licinio. 7. Cordegliaghi und Previtali.
8. Antonio Boselli. 9. Jacobo Pal ma il
Vecchio. 10. Aloise Fio di Serafin und
Alessandro Oliverio. 11. Giacomo detto
Pistoja (Pisbolicar). 12. Bergamaskische
Maler in Venedig, von denen Gemalde
nicht bekannt sind. (Jahrbuch der K.
Preufl. Kunstsammlungen, XXIV, 1903,
Beiheft, S. I.)
Ludwig, Gustav. Neue Funde im Staats-
archiv zu Venedig. I. Sebastiano Luciani.
II. Tizians Hochzeit. (Jahrbuch der K.
Preufl. Kunstsammlungen, XXIV, 1903,
Beiheft, S. no.)
Lugano, Placido M., benedettino. Memorie
dei piii antichi miniatori e calligrafi
olivetani. Firenze, scuola tip. Salesiana,
1903, 160, no p.
Maas, Max. Nochmals die sogenannte
himmlische und irdische Liebe. (Kunst-
chronik, N. F., 14, 1902—03, Sp. 181.)
Madonna, Die sixtinische, von Rafael Santi.
25 S. m. 1 Abbildg. 8°. Leipzig, Leip-
ziger Schulbilderverlag v. F. E. Wachs-
muth, 1903. M. — .40.
Madsen, Karl. Zliid- en noordnederlandsc
kunstenaars; van voorhen: Rembrandt in
Denemarken. (Kunstenleven, 1903,8.21.)
Maeterlinck, L. La satire animale dans
les manuscrits flamands. (Gazette des
beaux-arts, 3 per., XXIX, 1903, S. 149.)
— La satire animale dans les manuscrits
flamands. In-8°, 18 p., ligg. Paris, 1903.
fr. 3.50. [Extrait de la Gazette des beaux-
arts.]
— La satire dans la peinture flamandc.
(Art moderne. 1903, S. 41.)
- Le genre satirique dans la peinture
flamande, par L. M., conservateur du
Musee de peinture de Gand. Anvers et
Gand, La Librairie neerlandaise, 1903.
In-8°, 372 p., figg. et pll. hors texte.
fr. 7.50. f Extrait des Memoires couronnes
et autres Memoires publies j>ar TAcademie
royale de Belgique, tome LXII, 1903.]
^Inhalt: Ayant-propos. 1. Origines anti-
ques. 2. Epotpie de transition de l'anti-
tjuite au moyen age. 3. L'epopee animale
et la satire par les animaux. 4. Les
mysteres, 1'enfer et les demons. 5. La
litterature francaise et son influence sur
les miniaturistes satiriques. 6. Notre
litterature nationale thioise et francaise.
7. Xos premiers peintres satiriques fla-
mands inconnus du XIVe siecle. 8. Le
genre satirique chez nos peintres religieux
du X\'c siecle. 9. Les peintres-graveurs
satiriques allemands du XVC et du XVI e
siecle. Leur influence sur nos peintTes
droles flamands. 10. Les premiers peintres
fantastiques flamands et allemands. 1 1 . Les
precurseurs de Breughel leVieux. Scbastien
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Malerei.
LXI
Brand. Jerome Bosch et ses imitateurs.
. 12. L'^poque de Pierre Breughel le Vieux.
13. Les compositions satiriques de Pierre
Breughel le Vieux. 14. Les compositions
fantastiques de Pierre Breughel. 15. Les
compositions religieuses et pqlitiques de
Pierre Breughel. 16. Le genre satirique
ehez les contemporains et les continua-
teurs de Pierre Breughel au XVI* siecle.
17. Les continuateurs de Breughel et les
»petits-maitres«c du XV1IC siecle. Fin
du genre satirique dans la peinture fla-
mande au XVIII* et au XIX e siecle.]
Maeterlinck, L. Le genre satirique dans
la sculpture flamande et w.illone. (An-
nales de l'Acad. roy. d'archeol. deBelgique,
1903, S. 149.)
— Les catamites humaines, par K. D. Kau-
ninck. (Inventaire archeologique deGand,
1903, fasc. 29.)
— PieteT Breughel de oude en de prenten
van zijnen tijd. Gent, A. Siflfer, 1903.
In-8°, 22 p. et IV pi. hors texte. fr. 1.— .
[Extrait de Verslagen en mededeelingen
der koninklijke vlaamsche Academic voor
taal- en letterkunde.]
— Portrait buste d'un hommc en armure.
(Inventaire archeologique de Gand, 1903,
fasc. 29.)
— Portrait de Jean Boeksent. (Inventaire
archeologique de Gand, 1903, fasc. 29.)
— Rogier van der Weyden. Gand, A. Siflfer,
1902. In-8°, 19 p. fr. — .50.
— Saint Francois recevant les stigmates,
par Pierre-Paul Rubens. (Inventaire
archeologique de Gand, 1903, fasc. 29.)
— L"ne satire du Due d'Albe par P. Breughel
le vieux. (La Chronique des arts, 1903,
S. 244.)
— LTne trouvaille artistique interessante au
Musee de Gand. (La Chronique des
arts, 1903, S. 60 u. 69.)
— L'n tableau de K.-D. Kauninck au Musee
de Gand. (Bulletin der Maatsch. van
geschied. en oudheidsk. te Gent, 1903,
S. 163.)
— Un tableau de K. D. Kauninck au musee
de Gand. Gand, J. Vuylsteke, 1903.
Jn-8°, 16 p., grav. fr. 1.25. [Extrait du
Bulletin de laSociete d'histoire et d'archeo-
Iogie de Gand, 1903.]
M&laguzzi Valeri, Francesco. Butinone e
ZenaJe. (Rassegna d* arte, III, 1903, S. 103.)
— II Perugino e la Certosa di Pavia. Nuovi
Documenti. (Repertorium f. Kunstwissen-
schaft, XXVI, 1903, S. 372.)
— I>a Pittura Reggiana nel Quattrocento.
(Rassegna d'arte, III, 1903, S. 145.)
— Un pittore savoiardo ai servigi di G.
Galeazzo Sforzz. (Rassegna bibliografica
dell' arte italiana, VI, 1903, S. 12.)
Malereien, Die, al fresco in d. Torretta zu
Mte. Cassino. (Der Kunstfreund, red. v.
H. v. Worndle, XVIII, 9.)
Mancini, Girolamo. Vita di Luca Signo-
relli. Firenze, tip. Carnesecchi, 1903,
8°iig., XVIII, 259 p.
Manzoni, Conte Luigi. Appunti e docu-
menti per l'Arte del pinger su vetro in
Perugia nel sec. XV. 1. Fra Bartolomeo
di Pietro Accomandati da Perugia de*
PP. Predicatori. 2. Di Benedetto Bon-
figli e di altri pittori su vetro. (Reper-
torium fUr Kunstwisscnschaft, XXVI,
1903, S. 1 20.)
— Di un pittore senese del secolo XIV
non conosciuto in patria: [Meo da Siena].
Perugia, Unione tipografica cooperativa,
1903, 8°, 8 p.
Marasse, M. Urbino und Piero della
Francesca. (Die Kunst-Halle, VIII, 1903,
S. 225.)
Marcel, Henry. Petits maitres du XVIII*
siecle: Jean-Baptiste Hilair. (La Revue
de l'art ancien et moderne, XIV, 1903,
S. 201.)
Marez, Hendrik de. Jan van Brugge.
(Onze Kunst, II, 1, 1903, S. 153.)
Marguillier, Auguste. La restauration de
l'»Autel Paumgartner« d' Albert Dtirer.
(La Chronique des arts, 1903, S. 52, 229
u. 236.)
— La Restauration de l'»Autel Paumgartner*
de Diirer. (Les Arts, 1903, Septembre.)
Marks, Alfred. Hubert and John van Eyck.
The question of their collaboration con-
sidered. Read at the Royal Society of
Literature, June 24 th, 1903, Reprinted
from the Society's ^Transactions*. 8°.
38 p. London and Dorking, Printed by
Adlard and Son.
— The Brothers van Eyck. (The Athe-
naeum, 1903, January to June, S. 280
«• 3770 r
Martin, W. Schilderijen uit een Utrecht-
schen inventaris von 1693. (Oud-Holland,
XXI, 1903, S. 61.)
Marucchi, Orazio. Di una cripta con
importanti pitture scoperte recentemente
nel cimitero di Domitilla. (Atti del II
congresso internazionale di archeologia
cristiana, tenuto in Roma 1900, Roma
1902.)
Massarani, T. I primitivi. A proposito
del centenario di Masaccio. (Nuova
Antologia, anno XXXVIII, fasc. 752.)
Masterpieces, The Master's. Complete in
12 Parts. Part 1. Folio. Heinemann. 1/.
Matrod, H. Fra Angelico da Fiesole.
(Etudes Franciscaines, 1903, Fevrier.)
Matsys, Quentin. Livr. 1 — 3. 33 planches
hors texte. Fol. Haarlem, H. Kleinmann
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LXII
Mai ere i.
et Cie, 1903. L'ouvrage complet fr. 60.—.
[Chefs-d'ccuvre des anciens maitres fla-
mands.]
Mauclair, Camille. La Provence et ses
peintres. (Revue bleue, 3 Janvier 1903.)
Mauroi-Scott. Frans Hals. (L'Epreuve,
1902, No. 3.)
Mayer, F. X. Die Wandgemiilde in St.
Kilian in Mundelsheim. (Archiv fiir
christl. Kunst, 1903, S. 60 u. 68.)
Meister, Alte (in d. Farben d. Orignals).
9. — 13. Lfg. Lpzg., E. A. Seemann. Je
M. 5.-.
— , Altvlamische und Hollandische , und
ihre Schopfungen ausgeflihrt in Phototypie
in durchschnittlicher Blattgrofle nach Ori-
ginalaufnahmen aus Museen, Offentlichen
u. Privat-Sammlungen, Kirchenu. Klcistern
des In- und Auslandes. V — VI. Gerard
David, dit maitre Gerard de Bruges
1450? — 1523. Haarlem, H. Kleinmann
et C«e, (1903). Album in-folio conte-
nant 10 planches en phototypie. a fr. 8. — .
— , Der, der van Eyck-Schule, auch genannt
der unbekannte Meister v. 1480. 1. — 4.
Lfg. (20 Lichtdr.-Taf. m. IV S. Text.)
Fol. Haarlem, H. Kleinmann & Co., 1903.
je M. 6. — .
Meisterbilder fUrs deutsche Haus. Hrsg.
vom Kunst wart. 55 — 84. Blatt. hoch 40.
Mit Text auf dem I'mschlag. Mlinchen,
G. D. \V. Callwey, 1902-3. je M. —.25.
[55. Michelangelo: Die DelphischeSibylle.
Nebentext: Michelangelos Leben. —
56. Rembrandt: Predigt Johannes des
Taufers. Nebentext: Rembrandts Leben.
— 57. Rembrandt: Die drei Kreuze. —
58. Hobbema: Die Allee v. Middelharnis.
Nebentext : Hobbemas Leben. — 59.Vigee-
Le Brun, Selbstbildnis. Nebentext: Le
Bruns Leben. — 60. Alessandro del Borro,
zugeschrieben Velazquez. — 61. Rem-
brandt: Bildnis einer alten Dame. —
62. Turner, Jos. : Der Temeraire. Neben-
text: Turners Leben. — 63. Dlirer, Albr. :
Die Beweinung Christi. Nebentext: Al-
brecht DUrers Leben. — 64. Rembrandt:
Der Raub der Proserpina. Nebentext:
Rembrandts Leben. — 65. 66. Lionardo
da Vinci: Das Abendmahl u. der Christus-
kopf daraus. Nebentext: Leben des Lio-
nardo da Vinci. — 67. Rembrandt: Selbst-
bildnis. Nebentext: Rembrandts Leben.
— 68. Rembrandt: Faust. Nebentext:
Rembrandts Leben. — 69. Mantegna,
Andrea: Darbringung Christi im Tempel.
Nebentext: Andrea Mantegnas Leben. —
70. Mantegna, Andrea : Lodovico Scarampi.
Nebentext: Andrea Mantegnas Leben. —
71. Bellini, Giovanni: Der Doge Loredano.
Nebentext: Giovanni Bellinis Leben. —
72. Hals, Frans: Sog. Hille Bobbe v.
Haarlem. Nebentext : Franz Halsens Leben.
— 73. Raffael Santi: Johanna v. Ara-
gonien. Nebentext: Raffael Santis Leben.
— 74. Constable, John: Das Komfeld.
Nebentext: John Constables Leben. —
75. Rembrandt: Die Anatomic. — 76.
Dlirer, Albr.: Die hi. Familie in Nazareth
(sog. Ruhe auf der Flucht). Nebentext:
Dilrers Leben. — 77. Kranach der Altere,
Luk. : Ruhe auf der Flucht. Nebentext:
Lukas Kranach des Altem Leben. —
78. Altdorfer, Albr. : Ruhe auf der Flucht.
Nebentext: Albrecht Altdorfers Leben. —
79. 80. Uhde, Fritz v.: Die hi. Nacht.
Nebentext: Fritz v. t'hdes Leben. —
81. Koch, Jos. Ant. : Der Schmadribach-
fall. Nebentext: Joseph Anton Kochs
Leben. — 82. Amberger, Christoph:
Sebastian Mtinster. Nebentext: Christian
Ambergers Leben. — 83. Velazquez:
Philipp IV. Nebentext: Velazquez' Leben.
— 84. Holbein d. J., Hans : Georg Gifze.
Nebentext: Hans Holbeins Leben.]
Melxmoron de Dombasle, Ch. de. Claude
le Lorrain. In-8, 37 p. Nancy, impr.
Berger-Levrault et C°. 1903. [Extrait
des Memoires de l'Academie de Stanislas.]
Melani, Alfredo. Onoriamo Masaccio ! (Arte
e Storia, XXII, 1903, S. 114.)
— Sempre a Brera: Una crepa nel Rem-
brandt. (Arte e Storia, XXII, 1903,
S. 83.)
Menasci, Guido. Le type de l'ange dans
la peinture italienne: conference faite a
la Sorbonne. Livorno, tip. S. Belforte
e C, 1902, 1 6° fig., 31 p. [Edizione di
7$ esemplari, fuori commercio.]
Mendelsohn, Henri. Der Heiligenschein
in der italienischen Malerei seit Giotto.
23 S. m. Abbildgn. Lex. 8°. Berlin,
B. Cassirer, 1903. M. 2. — .
Mereschkowski, D. S. Leonardo da Vinci.
Ein biographischer Roman aus derWende
des 15. Jahrhunderts. Deutsch von C.
v. Glltschow. 8°. 615 S. Leipzig, Schulze
& Co., 1903. M. 6. — .
Mesnil, Jacques. Le portrait de Dante par
l'Orcagna. (Miscellanea d'arte, Ri vista
mensile, Anno I, No. 2.)
— Les figures de Vertus de la Mercanzia.
Piero del Pollaiuolo et Botticelli. (Mis-
cellanea d'arte, Rivista mensile, Anno I,
No. 3.)
— Quelques documents sur Botticelli. (Mis-
cellanea d'arte, maggio-giugno 1903.)
Michaelson, Dr. Hedwig. Lukas Cranach
der Altere. Untersuchung liber die
stilistische Entwickelung seiner Kunst.
(= Beitrage zur Kunstgeschichte, N. F.,
XXVIII.) gr. 8«. VTII, 140 S. m. 33
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Malerei.
LXIII
Abbildgn. Leipzig, E. A. Seemann, 1903.
M. 6. — . Tlnhalt: Einleitung: Cranachs
Thatigkeit; seine Werkstatt: die Pseudo-
Griinewaldfrage ; Hans Cranach. Zur Be-
urteilung Cranachs. Die stilistische Ent-
wicklung Cranachs. I. 1504 — 1511. 2. bis
1518. 3. bis 1532. 4. bis zu seinera
Tode.]
Miniature, I,e, del Pontificate Ottoboniano
(Codice Vaticano Ottoboniano 501), ri-
prod. in fototipia per cura della Biblio-
teca Vaticana. (= Codices e Vaticanis
selecti phototypice expressi, Vol. 3.) gr.
F°. 20 S., 15 Taf. Roma, L. Moretti,
1903-
Miniatures du psautier de S. Louis, manuscrit
lat. 76 a de la bibhotheque de l'univer-
site de Leyde. Ed. phototypique. (— Co-
dices graeci et latini photographice de-
picti duce Biblioth. Scatone de Vries.
Supplementum II.) gr. 40. XI, 25 S.
in Phototyp. Leiden, A. W. SijthofF,
1902. M. 16. — .
Moeller, Ernst v., Dr. jur. Das Stabbrechen
auf den Darstellungen des Sposalizio.
(Repertorium f. Kunstwissenschaft, XXVI,
1903, S. 288.)
Moes, E. \V. lets over de schilders van
der Maes. (Bulletin uitgegeven door den
Nederlandsch. OudheidkundigenBond, IV,
1903, S. 171.)
Molmenti, Pompeo. Arte retrospettiva: i
pittori Bergamaschi a Venezia. (Em-
porium, 1903, Nr. 102.)
— I primi pittori veneziani. (Rassegna
d'arte, III, 1 903, S. 129.)
— La pittura veneziana. Firenze, f.lli Ali-
nari (tip. Civelli), 1903, 8° fig., 180 p.
e 5 tav. [Inhalt: 1. Le origini. 2. Primo
rinascimento. 3. II secolo d'oro. 4. La
decadenza. 5. II settecento. 6. L'acca-
demia. 7. La nuova arte.]
— , et Gustave Ludwig. Vittore Carpaccio
et la confrerie de sainte Ursule a Venise.
Firenze, R. Bemporad e figlio (tip. S.
I~uidi), 1903, 40 fig., 99 p. [Inhalt:
Preface. Introduction. 1. La legende
de S. Ursule. 2. Histoire de la »Scuola«
de S. L'rsule. 3. Essai de reconstitution
de l'ahcienne »Scuola«. 4. Les bien-
faiteurs de la »Scuola«. La famille des
Lorcdan. 5. La vie intime de la »Scuola«.
6. L'em placement primitif des tableaux
de Carpaccio. 7. Les trois premiers
tableaux, a) Description, b) Annotations.
S. I^e quatrieme tableau. Le tableau du
mur de la porte. 9. Le reste des tableaux.
Les tableaux du mur de l'Epitre.]
Monneret de Villard, Ugo. Note sul con-
cerri del Giorgione. (Emporium, giugno
1903.)
Mont, Pol de. L'evolution de la peinture
neederlandaise aux XIIIC, XlVe et XV e
siecles et l'exposition a Bruges. Livrai-
sons I et VII. Haarlem, H. Kleinmann
et C»«, 1903. In-folio, p. 1 a 28 et 70
planches hors texte. L'ouvrage complet
Fr. 400. — . [Cet ouvrage, tire en petit
nombre, paraitra en 20 livraisons et se
composera de deux cents planches de-
tachers hors texte executees en photo-
typie sur papier de Hollande a la cuve
et accompagnees de 1 20 pages de texte.]
Morand, Louis. Une famille d'artistes.
Les Naigeon. Notices biographiques et
Catalogue de leurs oeuvres. In-8, 64 p.
et portrait de Gaspard Monge par Jean
Naigeon. Bergerac, imp. Castanet. Paris,
Rapilly, 9, quai Malaquais. 1902. [Tire
a 100 exemplaires, num^rotes.]
Moschetti, Andrea. Giovanni da Bologna,
pittore trecentista veneziano. (Rassegna
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Nederlandsch. Oudheidkundigen Bond,
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Munoz, Antonio. \Jn affresco cimiteriale sco-
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gr. 8°. Berlin, S. Fischer, Verl., 1903.
M. 12.50; geb. M. 14.50.
— Geschichte der Malerei. II. Neudruck.
(— Sammlung Goschen, 108. Bdchn.)
12°. 149 S. Leipzig, G. J. Goschen, 1902.
Geb. M. —.80.
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LXIV
Malerei.
Muther, Richard. Geschichte der Malerei.
IV. Neudruck. (= Sammlung Goschen,
no. Bdchn.) 12°. 147 S. Leipzig, G.
J. GSschen, 1903. Geb. M. — .80.
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30 Taf. Orig.-Aufnahmen in Lichtdr. Ill
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40 Illusts. (Little Books on Art.) Sq.
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II, 1, 1903, S. 101.)
Peintures ecclesiastiques du moyen-age de
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van Oostzaanen, 1490 — 1560. Publiees
sous les auspices de Gustave van Kalcken
et accompagnees de notices du chevalier
dr. J. Six. Fasc. 1—3. (Pit. 1 — 15, m.
titel en beschrijv. [4 biz.]) Haarlem, H.
Kleinmann & Co. Fol. Compl. in 8 afl.
a f. 3.60.
Pellegrini, Giovanni de. Mr. JuliusWernher's
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Verl., 1903. M. 5. — . [Inhalt: 1. Paulus
Potter u. Frans Hals. 2. Jakob Ruisdael,
Jan van Goyen u. andere Landschafts-
maler. 3. Pieter de Hoogh u. Jan van
der Meer van Delft. Zwischenwort : Zwei
Mdglichkeiten in der hollandischen Kunst.
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Perkins, F. Mason. Andrea Vanni. (The
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Pfaff, Friedrich. Die grofle Heidelberger
Liederhandschrift. In getreuem Textabdr.
hrsg. 4 Abtlg. (Sp. 961 — 1280.) gr. 8°.
Heidelberg, C. Winter, Verl., 1903. M. 5. — .
Pfeiffer, B. Die Malerei der Nachrenaissance
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N. F., XII, 1903, S. 23.)
Phillips, Claude. Two Beautiful Ruins.
(The Art Journal, 1903, S. 37.)
Pica, Vittorio. La pittura francese del
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Piccolomini, Paolo. 11 ritratto di Pio II.
(L'Arte, VI, 1903, S. 192.)
Pictures, The Nation's. Vol. 3. Fol. Cassell.
12/.
Pingrenon, Ren^e. Les Livres ornes et
illustres en couleur depuis le XV* siecle.
en France et en Angleterre, avec unc
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du biblioscope. In- 16, 162 p. Paris,
imp. Muller; lib. Daragon. 1903. fr. 5. — .
Pisani, N. Bertoglio. La Vergine delle
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Storia, XXII, 1 903, S. 13 u. 21.)
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Malerei.
LXV
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Polaczek, Ernst. Zu Leonhard Beck und
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Pollard, Alfred W. Old Picture Books.
With Essays on Bookish Subjects. 8vo,
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Premerstein, Anton von. Anicia Iuliana
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Probst, J. Leber die Stellung der H.
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Baden] geladenen Baldung-Konferenz.
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Puckler-Limpurg, Dr. S. Grf. Der Maler
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Quarre-Reybourbon, L. Andre-Corneille
Lens, peintre anversois, et ses tableaux
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Paris, imprim. Plon-Nourrit et Ce. 1902.
Rahn, J. R. Die St. Jakobskapclle an der
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Reichlfen, F. Le peintre animalier Sylvestre
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Reinach, Salomon. Un manuscrit de
Philippe Le Bon a la Bibliotheque de
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I beaux-arts, 3 per., XXIX, 1903, S. 265
I u. XXX, 1903, S. 52.)
Reiter. Einiges tlber die Bilder der un-
1 befleckten r^mpfangniss. (Archiv fttr
' christl. Kunst, 1903, S. 5, 17, 27 u. 114.)
I — Zu den Wandmalereien von Neckar-
1 thailfingen. (Archiv ftir christl. Kunst,
1 1903, S. 106.)
1 Rembrandt. Meisterwerke. Orig.-Aufnahmen
' in Lichtdr. 10 Bl. m. 1 Bl. Text.
1 4°»5X33 cm. Lubcck, B. Nohring, 1902.
I M. 3.-.
— Original drawings by Rembrandt Harmens
: van Rijn, reproduced in the colours of
' the originals by Emrik & Binger at Haar-
lem. Hid series. Part 1. Pit. 1 — 50.
1 Fol. 's-Gravenhage, Mart. NijhofT. f. 75. — .
Restoration, The, of the Baumgartner Altar-
' Piece at Munich. (The Athenaeum, 1903,
I January to June, S. 249.)
I Reventlow, C. K. Freskeme paa Slottet
I Malpaga fremstillende Kong Christiern
1 den Forstes besog hos Bartolomeo Colleoni.
Les fresques du chateau de Malpaga
representant la visite du roi Christiern
Icr chez Bartolomeo Colleoni. 40. 18 S.,
8 Taf. Kjobenhavn, Nielsen & Lydiche,
1903.
Ricci, Corrado. Alessandro e Iosafat Araldi.
(Rassegna d'arte, III, 1903, S. 133.)
— Altri due dipinti di lacopo Bellini.
(Rassegna d'arte, III, 1903, S. 161.)
— Ancora di Giov. Francesco da Rimini.
(Rassegna d'arte, 111, 1903, S. 68.)
■ — A proposito di alcuni dipinti alia
Pinacoteca di Brera. (Arte e Storia, XXII,
1903, S. 98.)
— II trattato di Luca Paccioli. (Rassegna
d'arte, HI, 1903, S. 75.)
— Pintoricchio (Bernardino di Betto, of
Perugia). His Life, Work, and Time.
From the Italian by Florence Simmonds.
With 15 Plates in Colour, 6 Plates in
Photogravure, and many Full-page and
Text-Illusts. Fol. 254 p. Heinemann. 105/.
[Inhalt: 1. In Cmbria. 2. The Sistine
Chapel. 3. The Bufalini Chapel. 4. First
Decorations of Rooms. 5. Madonna
pictures and portraits. Santa Maria del
Popolo. The Cathedral of Orvieto. 6. The
Borgia Rooms in the Vatican. 7. Pinto-
ricchio's return to Umbria. 8. Pintoricchio
at Siena. 9. The Master's last years and
last works. Index.]
— Pintoricchio (Bernardino di Betto, de
Perouse): sa vie, son ceuvre et son temps;
par C. R., directeur du musee Brera, a
Milan. Ouvrage illustre de 1 5 planches en
couleur, de 6 planches en taille-douce et
de 95 gravures tirees dans le texte. Grand
V
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LXVI
Malerei.
in-4, 252 p. Corbeil, imp. Cr£te\ Paris,
lib. Hachette et C«. 1903. fr. 75. — .
Ricci, Corrado. Un quadro di Jacopo de'
Barbari nella Galleria nazionale di Napoli.
(Napoli nobilissima, XII, 1903, S. 27.)
Richter, Louise M. Zwei verschollene, ktirz-
lich wiedergefundene Meisterwerke. (Zeit-
schrift f. bild. Kunst, N. F., XIV, S. 263.)
Riegl, Alois. Das hollandische Gruppen-
portrat. (= Jahrbuch der kunsthistorischen
Sainmlungen des allerhochsten Kaiser-
hauses, 23. Bd. 3. u. 4. Heft.) Fol.
(S. 69—278 m. 9 Taf. u. 74 Textillustr.)
YVien u. Prag, F. Tempsky. Leipzig,
G. Freytag, 1902. M. 54.—. [Inhalt:
1. Die Vorstufen. 2. Erste Periode der
hollandisch. Gruppenportratmalerei, 1529
bis 1566. 3. Zweite Periode, 1580 bis
1624. 4. Dritte Periode, 1624 — 1662.]
Riemsdtfk, B. W. F. van. De Schilder
Nicolaes van Galen. (Bulletin uitgegeven
door den Nederlandsch. Oudheidkundigen
Bond, IV, 1903, S. 240.)
Rivieres, le baron de. Christ de Pitie.
(Bulletin arch^ol. et hist, du Tarn-et-
Garonne, 1902, S. 237.)
Rjedin, E. Materialien zur Geschichte der
byzantinischen und altrussischen Kunst.
(Vizantijskij Vremennik, IX, 1902, S. 103.)
[In russ. Sprache.]
Roberts, W. Romney's portrait of Miss
Rodbard. (The Magazine of Art, 1903,
April, S. 261.)
Roche, Denis. Un portraitiste Petit-Russien
au temps de Catherine II, Dmitri-Grigore-
vitch Levitski. I. (Gazette des beaux-
arts, 3 per., XXIX, 1903, S. 494.)
Roe, Fred. Velasquez at the Museo del
Prado, Madrid. (The Connoisseur, V,
1903, S. 227.)
Rottinger, Heinrich. Zum Gebetbuche des
Kaisers Maximilian. (Repertorium fiir
Kunstwissenschaft, XXVI, 1903, S. 328.)
Rohr. Ein Umschwung in der Wertung
Fiesoles. (Archiv flir christl. Kunst, 1903,
S- 43-)
Roldit, Max. The Collection of Pictures
of the Earl of Normanton, at Somerley,
Hampshire. I: Pictures by Sir Joshua
Reynolds. (The Burlington Magazine,
II, 1903, S. 206.)
Romdahl, Axel L. Zwei groBe Gemalde
von Hans Bol in Stockholm. (Repertorium
f. Kunstwissenschaft, XXVI, 1903, S. 135.)
Rooses, Max. De druiven persende Bosch-
god met tijgerin door Rubens. (Onze
Kunst, II, 1, 1903, S. 133.)
— Der Sturz der Verdammten von P. P.
Rubens. (Denkschrift aus Anlafi des
25 jahr. Bestandes d. Suermondt-Museums,
Aachen 1903, S. 44.)
Rooses, Max. De teekeningen der vlaamsche
meesters: De vaderlandsche school in de
XVI e eeuw; De Romanisten; De Klein-
meesters der XVI© eeuw; De Landschap-
schilders der XVIe eeuw; De Graveurs,
de Bouwmeesters, de Verluchters; Rubens.
(Onze Kunst, I, 2, S. 902, 121, 168; II, 1,
1903, S. 51, 93, 173, 176; II, 2, 1903,
S. I, 44-)
— Die vlamischen und niederlandischen
Meister in der Ermitage zu St. Petersburg.
(Fortsetzung.) Lucas van Leiden. (Zeit-
schrift f. bild. Kunst, N. F., XIV, S. 13.)
— Rubens' leven en werken, door M. R.,
conservateur van het Museum Plantin-
Moretus. Livraisons 9 et 10, p. 513 a
668 et VIII p. Anvers, De nederlandsche
boekhandel; Anvers, imprimerie J.-E.
Buschmann. 1903. 2 vol. gr. in-40, figg.,
gravv. et pll. hors texte (Chaque volume,
fr. 8.50). [La livraison 10 termine l'ou-
vrage.]
— Rubens, sa vie et ses ceuvres. Traduit
du Neerlandais par Louis van Keymeulen.
40. VIII, 668 p. avec 280 gravures dans
le texte et 65 photogravures et autotypies
hors texte. Paris, E. Flammarion, (1903).
fr. 100. — . [Inhalt: I. Naissance de
Rubens, son enfance et son apprentissage
(1577 — 1600). 2. Rubens en Italie (1600
a 1608). 3. Rubens de retour a Anvers,
Les premiers ouvrages dans cette ville
(1608 — 161 1). 4. Premiers tableaux de
lasecondemanieredeRubens(i6i2-i6i6).
5. Le milieu de la seconde epoque (161 7
a 162 1). 6. L'^poque de la Galerie de
Medicis (1622 — 1625). 7. (1625 — 1627.)
8. Les voyages diplomatiques(i628-i63o).
9. Les premieres annees apres le second
mariagede Rubens (1630 — 1634). 10. Les
dernieres annees (1635 — I^4o)0
— Rubens of van Dyck? (Onze Kunst, II,
2, 1903, S. 115 u. 154.)
— Schilderijen in oude Antwerpsche fami-
lies (Onze Kunst, I, 2, 1902, S. 109.)
Roschach. Le Crucifix Royal du Parle-
ment de Toulouse. (La Revue de Tart
ancien et moderne, XIII, 1903, S. 193.)
Rosen, Felix. Die Natur in der Kunst.
Studien e. Naturforschers zur Geschichte
der Malerei. Mit 120 Abbildgn. nach
Zeichngn. v. Erwin Sliss u. Photographien
des Verf. XI, 344 S. gr. 8°. Leipzig,
B. G. Teubner, 1903. Geb. M. 12.—.
[Inhalt: 1. Giotto u. die Anfange des
Naturalismus in der Malerei. 2. Trecento.
3. Das YVunderwerk von Gent. 4. Auf
der Suche nach der — Heimat. 5. Ein
Programm, und wie es aufgenommen
wurde. 6. Neue Anlaufe. 7. Die Meister
des mittelitalienischen Berglandes. 8.
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Malerei.
LXVII
Vollendung u. Niedergang des Natura-
lisrous.]
Rosenberg, Adolf. Leonardo da Vinci.
Translated by J. Lohse. (= Monographs
on artists. Edited, and written in colla-
boration with other authors, by H. Knack-
fu8. VII.) Lex. 8°. VII, 155 p. with
128 illustr. from pictures and drawings.
Bielefeld, Velhagen & Klasing, 1903.
M. 4.—.
— , P. A. Murillo og Velasquez. (Dansk
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Roth, Dr. Victor. Das Muhlbacher Altar-
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Rovinsky , D(mitrij) A(leksandrovic). Oboz-
rcnie ikonopisanija v Kossii do konca
XVII veka. Opisanie fejerverkov i ill—
juminacij. 40. IV, 330 S. (Sanktpeter-
burg), A. S. Suvorin, 1903. [Obersicht
der Heiligenbildmalerei in Kufiland bis
z. Ende d. XVII. Jh. Beschreibung von
Feuerwerken u. Illuminationen.]
R6zsaffy, Dezs6. Rubens es Rembrandt.
Tanulmany. 8°. 47 1. Budapest, Hor-
ny anszky V. ny., 1901.
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(Der Kunstfreund, red. v. H. v. Worndle,
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Santa, Giuseppe Delia. Bonifazio di Pitati
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Scatassa, Ercole. Di un dipinto del secolo
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Schaeffer, Emil. Anthonis van Dyk. 2.
Taus. (= Kunstgeschichte in Einzeldar-
stellungen, hrsg. v. Fritz Wolff", I.) gr.
8°. 43 S. m. Abbildgn. Breslau, M.
Mullern-Schbnenbeck, 1902. M. 1. — .
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Muther. 16. Bd.). 12°. 69 S. mit 2
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handlungen d. K. Sachs. Gesellschaft d.
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40. 112 S. m. 5 Lichtdr.-Taf. Leipzig,
B. G. Teubner, 1903. M. 4.—. [Inhalt:
I. Konrad Witz von Basel. 2. Hans Mult-
scher von Ulm. 3. Lucas Moser von Weil.
4. Rtickblick.]
— Zu Hans Multscher. (Repertorium ftir
Kunstwissenschaft, XXVI, 1903, S. 496.
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LXVIII
Malerei.
— Vgl. hierzu: Jahrbuch der Kbnigl.
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(Monatsberichte liber Kunst und Kunst-
wissenschaft, hrsg. v. H. Helbing, III,
1903, S. 1 u. 47.)
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Kunstwissenschaft, hrsg. v. H. Helbing,
III, 1903, S. 117.)
— Zu Franciabigio. (Repertorium f. Kunst-
wissenschaft, XXVI, 1903, S. 134.)
— Zu Gaspar de C raver. (Repertorium
fiir Kunstwissenschaft, XXVI, 1903, S.
I33-)
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denzblatt des Gesamtvereins d. deutschen
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Malerei.
FXIX
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Johann Georg Ott aus Schaff hausen. Mit
3 Taf. u. 5 Abb. im Text. (12. Neu-
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1903)
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(Monatsberichte Uber Kunst u. Kunst-
wissenschaft , hrsg. v. H. Helbing, III,
1903, s. 39.)
— Vandalisme. [Restaurierung des Paum-
gartner- Altars.] (Les Arts, 1903, Mars,
S. 41.)
— Zu Adam Elsheimer in der alten Pina-
kothek [in Mtinchen]. (Monatsberichte
Uber Kunst u. Kunstwissenschaft, hrsg.
v. H. Helbing, III, 1903, S. 199.)
Voss, Portr.-Maler Eugen. Rubens' cigen-
handiges Original der hi. Familie (la
vierge au perroquet) in Antwerpen. 12 S.
m.Abbildgn. 40. Berlin, C. A. Schwetschke
& Sohn, 1903. M. I.—.
Vries, Scato de. Das Breviarium Griniani
in der Bibliothek von San Marco in
Venedig. Vollstandige photographische
Reproduction, herausgeg. von S. de V.,
Director der Universitats- Bibliothek in
Leiden. Vorwort von Dr. Sal. Morpurgo.
300 larbige u. 1268 getbnte Tafeln in
Photo-Heliogravure. In 12 Liefgn. Er-
scheinungsdauer ca. 6 Jahre (1903 bis
ca. 1908). a Lief. M. 200. Preis des
ganzen Werkes M. 2400. — I. Lief. F°.
Leiden, A. W. SijthofT, Leipzig, Karl W.
Hiersemann.
W. Alte Wandmalereien in der Kirche in
Neckarthailfingen. (Die Denkinalpflege,
V, 1903, S. 8.)
Wandmalerei, Spatromanische, in der Jo-
hanniskircheaufdemFriedhofbeiBracken-
heim. (Wiirtt. Staatsanzeiger, 1903, 981.)
Waser, Otto. Anton Graff von Winterthur.
Bildnisse des Mcisters, hrsg. vom Kunst-
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Malcrei.
LXXI
verein Winterthur, m. biograph. Einleitg.
u. erklar. Text v. O. W. 40 Taf. m. Ill,
59 S. illustr. Text. Fol. Winterthur, 1903.
(Leipzig, K. W. Hiersemann.) Geb.
M. 32.— . [Inhalt: I. Anton Graff. 2. Er-
lauterungen. a) zu den Textabbildungen ;
b) zu den Tafeln. 3. Alphabetisches
Verzeichnis der von A. Graff dargestellten
Personen.]
Wauters, A. J. Les primitifs flamands,
Jean Gossart et Adolphe de Bourgogne,
seigneur de Beveren et de Vere, amiral
de Charles-Quint (Revue de Belgique,
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Belgique.]
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Weale, Frances C. Hubert and John Van
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hors texte, cart. fr. 3.60. [Number eight
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Binyon.]
— , W. H. James. Hubert and John van |
Eyck. (The Athenaeum, 1903, January |
to June, S. 345 u. 410.)
— Les peintures des maitres inconnus.
(Revue de Tart chretien, 4e serie, XIV,
1903, S. 277.)
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(The Burlington Magazine, II, 1903,
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Weber, Lyz.-Prof. Dr. G. Anton. Albrecht
Dlirer. Sein Leben, Schaffen u. Glaubcn.
3., verm. u. verb. Aufl. XII, 236 S. m.
Abbildgn. gr. 8°. Regensburg, F. Pustet,
1903. M. 2.40; geb. M. 3. — .
Weech, v. Peter Ferdinand Deurer, Histo-
rien- u. Portratmaler, 1777 — 1844. (All-
gemeine Deutsche Biographic, XL VI I,
S. 668.)
Weiss, E. Ein neuentdecktes altdeutsches
Wajidgemalde in der Stadtpfarrkirche zu
Ried (Oberbsterreich). (Der Kunstfreund, i
red. v. H. v. Womdle, XIX, 3.)
Weixlgartner, Arpad. Dlirer und die
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schichte, F. VVickhoffgewidm., 1903,8.80.)
Werveke, A. Vran. Aartshertogin Isabella
schiet met de gildebroeders van S.-Joris
naar den papegaai. (Inventaire archco-
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— De Zoon, di zijn Vader onthoofdt, door
Pieter Pieters. (Inventaire archeologi<|ue
de Gand, 1903. ^c- 3°)
Werveke, A. Van. Karel van Lotharingen
schiet den Koningsvogel van het Sint-
Jorisgilde af. (Inventaire archeologique
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Pasture). 1400? — 1464. Kbnigl. Gemiilde-
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Frankfurt; konigl. Museum, Antweq>en;
Collection R. v. Kaufmann-Berlin, Ch.
L. Cordon-Brtissel, Ch. Sedelmeyer-Paris,
Museum Neapel. 5 u. 6. (Schlufi-)Lfg.
(10 Lichtdr.-Taf. m. 2 S. Text.) gr. Fol.
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zeichnungen. (Anzeiger der k. Akademie
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Willem, Victor. Peintures de la Leuge-
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Williamson, George C. Murillo. (Minia-
ture Series of Painters.) i2mo, 76 p.
G. Bell. 1/.
Wilpert, Joseph. Die Malereien der Kata-
komben Roms. 2 Bde. F°. Mit 267 Taf.
u. $4 Abb. im Text. [Text nebst] Tafelbd.
Freiburg i. Br., Herder, 1903. [Inhalt
des Textbandes: VTorwort. I. Allgemeine
Intersuchungen. 1. Die Technik der
coemeterialen Gemalde. 2. Die coemete-
riale Malerei in ihrem Verhiiltnis zu der
heidnischen Wandmalerei. 3. Die Gc-
wandung auf den Katakombenmalereien.
4. Die Bart- u. Haartracht auf den Kata-
kombenmalereien. 5. Enthalten die Kata-
kombenmalereien Portraits? 6. Die Gesten
auf den Katakombenmalereien. 7. Die
Chronologie der Katakombenmalereien.
8. Der kUnstlerische Wert der Kata-
kombenmalereien. 9. Grundregeln zur
Auslegung der religiosen Katakombenr
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LXXII
Graphische KUnste.
malereien. 10. Die hervorragendstcn
Bildercyklen des 2., 3. u. 4. Jahrhunderts.
11. Dcr Zustand der Katakombenmale-
rcicn. 12. Die Vervielfaltigung der Kata-
kombenmalereien. II. Inhalt der Kata-
kombenmalereien. 13. Die christologi-
schen Gemalde. 14. Die Darstellungen
der Taufe. 15. Die Darstellungen der
Eucharistie. 16. Die Darstellungen, welche
den Glauben an die Auferstehung aus-
drlicken. 17. Die Darstellungen, die sich
auf Tod u. Stinde beziehen. 18. Die
Darstellungen, welehe die Bitte um den
Beistand Gottes ftir die Seele des Ver-
storbenen ausdrticken. Anhang: 19. Die
Darstellungen des Gerichtes. 20. Die
Darstellungen, welche die Bitte um Zu-
lassung des Verstorbenen in die ewige
Seligkeit ausdrticken. 21. Die Dar-
stellungen von Verstorbenen in der Selig-
keit. 22. Die Darstellungen von Heiligen.
23. Die Totenmahle. 24. Die Dar-
stellungen aus dem Handwerk u. Gewerbe.
Beilage: 1. Die mit Malereien geschmtick-
ten Grabstatten nach den einzelnen Kata-
komben Roms. 2. Chronologische Reihen-
folge samtlicher mit Malereien geschmtick-
ten Grabstatten in den Katakomben
Roms.]
Wilpcrt, Joseph. Ein Katakombenbild aus
Villa Massimo an der via Salaria nova.
(Mitteil. des deutschen archaol. Instituts,
Rom. Abteil., 1902, S. 98.)
Winter, Franz. Uber das Motiv des Adam
im Braunschweiger Sundenfall des Palm a
Vecchio. Vortrag. (Offizieller Bericht
des VII. internat. Kunsthist. Kongresses,
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papiers. Les indulgences. Les »grandes
pieces* des cabinets d'Europe. Catalogue
raisonne des estampes sur bois et sur
metal du cabinet de Paris. T. 1 : Texte.
T. 2: Atlas. 40. gr. F°. XJ, 261 p. Paris,
E. Levy, 1903. [Inhalt des Textbandes:
Origines de la gravure sur bois. 1. La
question de la priority. 2. Les prccur-
seurs. 3. Les papiers et les indulgences.
4. De quelques pieces notables et de
I curs caracteres. 5. Le »Maitre aux
Boucles«. 6. La taille de teinte dans
les incunables. 7. De quelques pieces
en taille simplifice, les estampes de Liege.
8. Origine des pieces incunables du Ca-
binet des estampes. Catalogue.]
— Cn »Ouvrage de Lombardie«, a propos
d'un recent Iivre de M. le Prince d'Ess-
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Bredt, E. VV. Zur Geschichte der Nlirn-
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of his more important prints in line and
stipple. S°. XVI, 96 p., 1 pi. London,
A. Siegle, 1903.
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Lettre du Sieur Ch. Eisen, peintre et
graveur du Roy. (Revue illustre, 15 Mars
1903-)
— Quelques pages inedites de Moreau le
Jeune. (Revue illustre, 1 Juin 1 903.)
— Saint-Aubin a Chanteloup. (Revue
illustre, 15 nout 1903-)
Brticbstiicke zur Kenntnis der Liibeekcr
Erstdrucke von 1464 bis 1524 neb>t
Riickblicken in die spatere Zeit. — Gho-
tan, Domvikar u. Diplomat, SchriftgieBer
u. Buchdrucker, I'rheber des Mohnsignct,
von 1474 bis '494t i" Magdeburg und
Ltlbek, in Stockholm u. Moskau. Nebst
Abdr. des Mohnsignct v. 1490.' — Anh. :
Bartholomaus Ghotan in Stockholm und
Moskau. Nebst e. Abhandlg. iiber die
Anfange der Buchdruckerei in Deutsch-
land u. Rufiland. XXXVII, 224, 49 u.
18 S. 8°. Lttbeck (Augustenstr. 9), W.
Glaser, 1903. M. 4. — .
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degli ex-libris. Genova, tip. r. istituto
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Burger, K. Monumenta Gcrmaniae et Italiae
typographica. Deutsche u. italien. In-
kunabeln in getreuen Nachbildgn. hrsg.
von der Direktion der Reichsdruckerei.
Auswahl u. Text v. Biblioth. K. B. 7.
Liefg. (28 Taf.) 48x33 cm. Berlin,
Leipzig, O. Harrassowitz in Komm., 1902.
M. 20.—.
Catalogt) ilustrado de la libreria de P.
Vindel. Tomo terccro. Obras cspano-
las de los siglos XII a XVIII. (Contiene
5 cromolitografias, 4 fototipias y 1 12
reproducciones en facsimil.) Madrid.
Impr. de Jose Rueda. 1903. En 8.°,
577 P^£s-> y una hoja para la colocacion
de las estampas. 14 y 14.50.
Catalogue des livres et manuscrits formant
la bibliotheque de feu M. le Chevalier
Xavier de Theux de Montjardin, ancien
Prcs. de la Soc. d. Bibliophiles de Bel-
gique. 8°. 135 p. Gand, C. Vyt, 1903.
— of Engraved Portrait sof Noted Perso-
nages Principally Connected with the
History, Literature, Arts, and Genealogy
of Great Britain. With brief Biographi-
cal Notes and a Topographical Index,
lllust. with Portraits. 4to, pp. 195. Myers
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An Inquiry into the Decorative use of
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With numerous Illusts, old and new. Cr.
8vo, 252 p. Batsford. 5/.
Decombe, Lucien. In artiste rcnnais du
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LXXIV
Graphische Kllnste.
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meme ville. T. I. (= Bulletin de la
Societe* d. antiquaires de Normandie,
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nationale. 1902. [Extrait du Journal des
savants.]
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membre de la Society de l'Ecole des
chartes et de la Society de l'histoire de
France. Grand in-4, VU» I2° P- et
planches. Paris, Imp. nationale. 1902.
Dilke, Lady. French Engravers and
Draughtsmen of the 18th Centurv. Fol.
248 p. G. Bell. 28/. [Inhaltr'i. The
Comte de Caylus and the great »Ama-
teurs«. 2. Mariette and Basan. 3. Le
Chevalier Cochin. 4. The Drevet and
Jean-Francois Daulle. 5. Wille and his
Pupils. 6. Laurent Cars, Flipart and Le
Bas. 7. The Pupils of Le Bas and the
Engravers of the Vignette. 8. Gravelot
and Eisen. 9. The Saint-Aubin, Moreau
le jeune, Boilly, Prieur. 10. The En-
gravers in Colour. 1 1 . Engravers and
the Academy. Appendix.]
Distel, Theodor. Ein Nachtrag zum Hou-
braken-Kataloge : Bildnis derTochter des
KurfUrsten Moritz zu Sachsen. (Zeitschrift
f. bild. Kunst, N. F., XIV, S. 22.)
Dobson, Austin. William Hogarth. With
an Introduction on Hogarth's Workman-
ship by Sir William Armstrong. With
Plates in Photogravure and Facsimile.
Edition de Luxe, with a Duplicate Set
of the Plates on India paper. Fol.,
262 p. and Plates. Heinemann. 210/.
[Inhalt : Introduction : On Hogarth's work-
manship, by Sir Walter Armstrong. 1.
Memoir: a. Introductory, b. Birth, Edu-
cation, and Early Years, c. the two
^Progresses* , d. History- Pictures and
Minor Prints, e. »Marriage A-la-Mode,«
f. Contemporaries, »March to Finchley«,
Minor Prints, g. »The Analysis*, Election
Prints, and »Sigismunda«, h. Wilkes and
Churchill, Death, Conclusion. 2. Biblio-
graphy and Catalogues: a. A Biblio-
graphy ol Books, Pamphlets, etc., relating
to Hogarth and his Works, b. A Cata-
logue of Paintings by, or attribued to,
Hogarth, c. A Catalogue of Prints by,
of after, Hogarth. Index.]
Dodgson, Campbell. Fllnf unbeschriebene
Holzschnitte Lucas Cranachs. (Jahrbuch
der K. Preufl. Kunstsammlungen, XXIV,
1903, S. 284.)
— Hans Sebald Beham and a new cata-
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Magazine, I, 1903, S. 189.)
Dodgson, Campbell. Heraldische Skizzen
Dlirers in den Londoner Manuskripten.
1. Skizzen zu dem Holzschnitte »Das
Wappen des Stabius« (B. 166). 2. Skizzen
zum Wappen Lorenz Staibers. (Mitteilun-
gen der Gesellschaft f. vervielfalt. Kunst,
1903, S. 57-)
— Jorg Breu als Illustrator der Ratdolt-
schen Offizin. Nachtrag. (Jahrbuch der
K. Preufl. Kunstsammlungen, XXIV, 1903,
S. 3350
— Neues iiber Holbeins Metallschnitte zum
Vaterunser. (Mitteilungen der Gesell-
schaft f. vervielfalt. Kunst, 1903, S. I.)
— St. John in Patmos ; a woodcut wrongly
ascribed to Hans von Kulmbach. (The
Burlington Magazine, III, 1903, S. 44.)
— Zu den Landsknechten David de Neckers.
(Repertorium f. Kunstwissenschaft, XXVI,
1903, S. 117.)
Dftrnhftffer, Friedrich. Leber Burgkmair
und Diirer. (Beitrage zur Kunstgeschichte,
F. Wickhoff gewidmet, 1903, S. in.)
Dtirer's, Albrecht, Holzschnitte u. Kupfer-
stiche. Eine Auswahl von 30 seiner
schtfnsten Blatter in Nachbildgn. Mit
2 S. Text u. Text auf der RUckseite.
42x31 cm. Berlin, Fischer & Franke,
1902. In Mappe M. 8. — .
Durr, A. Daniel Chodowieckis Exlibris.
(Ex-libris, Zeitschrift, XIII, 1903, S. 9.)
Dumont, Jean. Le livre avant et depuis
l'invention de rimprimerie, par J. DM
fondeur typograpbe, directeur de l'Ecole
professionnelle de typographic Bruxelles,
chez l'auteur, 152, rue Verte, 1902. In-8°,
276 p. fr. 10. — . [Reunion en volume
d'articles parus dans la Revue graphique
beige.]
Engravings in a single spiral line. (The
Magazine of Art, 1903, September, S.
Enschede, Ch. Le premier ouvrage imprime
de Gutenberg. (Le Bibliographe mod erne,
1903, VII, S. 118.)
— Le Premier Ouvrage imprime de Guten-
berg, d'apres Otto Hupp; par Ch. E.,
docteur en droit, imprimeur et fondeur
de caracteres d'imprimerie. In-8, 27 p.
Besanyon, imp. [acquin 1903. [Extrait
du Bibliographe moderne.j
— , J. W. Typographische opmerkingen
over eenige nederlandsche incunabelen.
(Tijdschr. voor boek-en bibliotheekwezen,
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graphique italien im prime a Venise vers
1450. I. II. (Gazette des beaux-arts,
3 per., XXX, 1903, S. 89 u. 243.)
— Lc Premier Livre xylographique italien
imprim<£ a Venise vers 1450. In-4, 45 p.
et grav. Paris, imprim. de la Gazette des
beaux-arts; 8, rue Favart. 1903.
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deutschen Kunstgeschichte, Heft 42.)
gr. 8°. VII, 135 S. m. 6 Taf. gr. 8°.
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Gerster, L. Der Solothurner Maler, Form-
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Origines de rimprimerie a Valenciennes,
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1903, S. 3490
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libr. Leclerc. 1903. [Tire a 50 exem-
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die Melancbolie des Herkules Aegyptius.
2. Marsiglio Ficinos Auffassung von dem
melancholischen Temperament. (Mit-
teilungen der Gescllschaft f. vervielfiilt.
Kunst, I9°3> s- 29)
— Lrkundenexegese zur Ehrenpforte Maxi-
milians I. (Beitrage zur Kunstgeschichte,
F. Wickhoff gewidmet, 1903, S. 91.)
(Glaser, W.) Bruchstlicke zur Kenntnis
der LUbecker Erstdrucke von 1464 bis
1524 nebst RUckblicken in die sp&tere
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Gonzalez Hurtebise, Eduardo. El arte
tipografico en Tarragona durante los
siglos XV y XVI, por E. G. H., Archi-
vero, Bibliotecario y Arqueologo. Diser-
tacion Ieida en la solemne sesion aca-
demica celebrada por la Sociedad Arqueo-
logica Tarraconense el dia 11 de
Diciembre de 1902. Tarragona. Est. tip.
de Llorens, Gibert y Cabre. 1 903. En 8.°
may., 20 p. [No se ha puesto a la
venta.]
Grego, Joseph. Bartolozzi Tickets for the
benefit of charitable institutions, etc.
(The Connoisseur, III, 1902, S. 245.)
i Grolig, M. Btichersammlungen u. BUcher-
| preise vor der Gegenreformation. (Mit-
teilungen des osterr. Vereins f. Bibliotheks-
I wesen, 1903, VII, S. 7.)
Grumpelt, C. A. Die Bibliophilen: Julius
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VII, 1903-4* S. 163.)
Haebler, Konrad- Hans Rix von Chur.
Ein deutscher Buchhandler in Valencia
im XV. Jahrhundert. (Zeitschrift f. Blicher-
freunde, VII, 1903-4, S. 137.)
Hampe, Theodor. Die fahrenden Leute
in der deutschen Vergangenheit. (= Mono-
graphien zur deutschen Kulturgeschichte,
hrsg. v. Georg Steinhausen, 10. Bd.)
Lex. 8°. 128 S. m. 122 Abbildgn. und
Beilagen nach Originalen, grofltenteils
aus dem 15. bis 18. Jahrh. Leipzig,
E. Diederichs, 1902. M. 4. — ; geb.
M. 5.50; Liebhaberausg. M. 8. — ; geb.
M. 10. — .
Harrisse, Henr>'. Les de Thou et leur
celebre bibliotheque, 1573— 1680— 1789
(d'apres des documents nouveaux). (Suite.)
(Bulletin du bibliophile, 1903, S. 537,
577 u. 648.)
Heitz, Paul. Biblia pauperum. Nach dem
einzigen Exemplar in 50 Darstellungen
(friiher in WolfenbUttel, jetzt in der Biblio-
theque nationale) hrsg. v. P. H. Mit e.
Einleitg. ub. die Entstehg. u. Entwicklg.
der Biblia pauperum unter besond. Be-
rllcksicht. der uns erhaltenen Hand-
schriften v. W. L. Schreiber. 50 Taf.,
29 Textillustr. u. 1 Lichtdr.-Taf. 45 S.
Text. gr. 40. Straflburg, J. H. E. Heitz,
1903. M. 36.—.
— Les filigranes des papiers contenus dans
les incunables <>trasbourgeois de la biblio-
the([ue imperiale de Strasbourg. 50 plan-
ches avec 1330 dessins. 34 S. Text.
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Graphische Kilnste.
gr. 40. Straflburg, J. H. E. Heitz, 1903.
M. 16.—.
Heitz, Paul. Oracula Sibyllina. (Weissagun-
gen der zwtilf Sibyllen.) Nach dem ein-
zigen, in dcr Stiftsbibliothck v. St. Gallen
aulbewahrten Exemplare hrsg. v. P. H. Mit
c. Kinleitg. v. W. L. Schreiber. 24 Taf.
u. 1 Textillustr. 26 S. gr. 40. Straflburg,
J. H. E. Hcitz, 1903. M. 20.—.
Hirsch, K. Ein unbekanntes Exlibris dcs
Matthias Ztindt. (Ex-libris, Zeitschrift,
XIII, 1903, S. 03.)
Holscher, G. Von dcr Biblia paupcrum.
(Borsenblatt f. d. dcutschen Huchhandcl,
1903, No. 37.)
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30 Taf. 111. 2 S. Text u. Text auf der
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Thurgati, SchafThausen, Aargau. (Katho-
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von Basel, von Bern, Solothurn. (Ebenda,
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Ritter vom Turn (Basel 1493). Mit einer
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und BUcheisammlcr. (Ccntralblatt ftir
Bibliothckswesen, XX, 1903. S. 281.)
KUnstler, Bohmische, Seltene Drucke, Orig.-
Lithographien, kUnstlerische Prachtwerke,
Bilder, kUnstlerische Lehrbehelfe, Stadte-
Albums etc. 96 S. m. Abbildgn. u. 2
[1 farb.] Taf. gr. 40. Prag, B. Koci, 1902.
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Kupfcrstiche, Die, im Florentiner Dante um
1 48 1. (Frankfurter BUcherfreund, 1902,
III, S. 1.)
— und Radierungen alter Meister in Nach-
bildungcn. 70 Taf. m. 2 S. Text u. Text
auf der RUckseite. 42x31 cm. Berlin,
Fischer & Franke, 1902. In Mappe
M. 18.—.
Kupferstich-Katalog von Stiff bold & Co.,
Berlin SW. I. Abt. Deutsche Kupfcr-
stiche. 56 S. gr. 40. Berlin, Stiefbold
& Co., 1902. M. 1.50.
Lafrenz, Hans. Die Bibliophilen. Weiteres
Uber Georg Burkhard Kloss und seine
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zur deutschen Kulturgeschichte, hrsg. von
Georg Steinhausen, 11. Bd.) Lex. 8°.
i 128 S. m. 106 Abbildgn. u. Beilagen
nach Originalen, grofltenteils aus dem
15. bis 18. Jahrh. Leipzig, E. Diederich-,
1903. M. 4.— ; geb. M. 5.50; Lieb-^
haberausg. M. 8. — ; geb. M. 10. — .
Li lings ton, Leonard W. The Art of Extra-
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Mayer, Enrique. Prioridad de un artista
Santiagucs respecto al perfeccionamiento
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grafia Galaica, 1903. [Sonderabdruck
aus dcr Zeitschrift »Galicia Historica*/
Melanges publics par la Societe des biblio-
philes francois. 2 vol. in-8. Premiere
partic, 392 p. et 2 plans hors texte;
deuxieme partic, 394 p. Paris, impr.
Lahure; libr. E. Rahir et Cc. 1903.
10 fr. les 2 vol.
Melun, Comte de. Notice sur Tart au
morier. Impression xylographique du
XV« siecle. (Bull, de Part pour tous, 211.)
Menu, Henri. L'lmprimerie a Vouziers
(i 794 — 1795). ln-8, 19 p. avee grav.
Reims, imp. et lib. Matot fils. 1903.
' lire a 50 exemplairo. Extrait de I'Al-
manach-Annuaire Matot-Braine.]
Meunie, F. Bibliographic de quelquo
almanachs illustres dcs XVII le ct XIX c
Secies (1765— 1900). (Bulletin du biblio-
phile, 1903, S. 8, 76, 275, 320, 383 u.
615.)
Morin, Louis. Les Collet imprimeurs,
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Graphische Klinstc.
LXXVII
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eta Paris. (Bulletin du bibliophile, 1903,
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Nevill, Ralph. Debucourt. (The Con-
noisseur, IV, 1902, S. 107.)
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1902, S. 24.)
Nyhoff, Wouter. L'art typographique dans
lesPays-Bas. (1500 — ^a0)* Reproduction
en facsimile des caracteres typographi-
ques, des marques d'imprimeurs , des
gravures sur bois et autres ornements
employes dans les Pays-Bas entre les
annces MD et MDXL. Avec notices
critiques et biographiques. (In 15 — 20
Lfgn.) 1. — 4. livr. (Je 12 Bl.) gr. 4*.
Haag, M. Nijhoff. Leipzig, K. W. Hierse-
mann, 1903. Subskr.-Pr. je M. 12.50.
Olschki, L. S. Monumenta typographica.
Catalogus 53 primordii artis typogr.
complectens editiones quae apud equitem
L. S. O. bibliopolam Florentiae exstant,
ab eo accurate describuntur pretiisque
appositis venumdantur. 40. 498 p. m.
Abbildgn. Florentiae, I,. S. Olschki, 1903.
M. 16.—.
Peacock, N. Albrecht Dttrer. (The Con-
noisseur, IV, 1902, S. 3.)
Pignatelli Di Cavaniglia, Diego. Cata-
logo di libri stampati e manoscritti, di-
segni, incisioni ed acquerelli riguardanti
Innocenzo XII (Pignatelli) , raccolti e
posseduti dal principe Diego Pignatelli
di Cavaniglia, [con prefazione di Vin-
cenzo Bianchi-Caglicsi]. Roma, off. poli-
grafica Romana, 1902, 8°, p. XIV, 88,
6 tav. e facsimile. [Edizione fuori com-
mercio di soli centocinquanta esemplari.]
Plomer, Henry R. Abstracts from the Wills
of English Printers and Stationers, from
1492 to 1630. 40. V, 67 p. London,
Printed for the Bibliographical Society
by Blades, East & Blades, February 1903.
Portal is, Baron Roger. Une Collection dc
portraits francais. (La Revue de l'art
ancien et moderne, XIII, 1903, S. 161
u. 261.)
Printseller, The. A Monthly Journal Devoted
to Prints and Pictures Ancient and Modern.
No. 1, Vol. 1. January, 1903. Jllust.
4to, 50 p. Office. 6d.
Quarre-Rey bourbon, L. Une impression
lilloise a gravures sur bois; par L. Q.,
vice-president de la Societe d'etudes.
In-8, 1 6 p. avec grav. Lille, imp. Lefebvre-
Ducrocq. 1903. [Extrait du Bulletin de
la Soci«k£ d'etudes de la province de
Cambrai.]
Radiguer, Louis. Maitres imprimeurs et
OuvTiers typographes (1470 — 1903); par
I„ R., docteur en droit. In-8, XIII,
573 p. Pa"s,
Societe nouvellt
17, rue Cujas.
Rapke, Karl. Du
mprim. l'Emancipatrice;
de librairie et d'edition,
1903. fr. 10. — .
Perspektive und Archi-
tektur auf den Dtirerschcn Handzeich-
nungen, Holzschnitten, Kupferstichen u.
Gemalden. Inaug.-Diss. Konigsberg. 8°.
45 S. m. Abb.
— Die Perspektive u. Architektur auf den
Diirerschen Handzeichnungen, Holz-
schnitten, Kupferstichen und Gemalden.
(— Studien z. deutsch. Kunstgeschichte,
39. Heft.) gr. 8°. IV, 88 S. m. 10 Licht-
druck-Taf. StraBburg, J. H. E. Heitz,
1902. M. 4. — . [Inhalt: Ubersicht . . .
2. Die Jugendarbeiten bis 1503. 3. Die
Zeit von 1503 — 1514, a) Marienleben u.
grtine Passion, b) die zweite italienischc
Reise, c) Kupferstich- und kleine Holz-
schnittpassion, d) die Landschaften aus
der Umgebung Nilrnbergs, e)das Hierony-
musblatt von 1 5 14. 4. Die letzten Lebens-
jahre.]
Rembrandt Harmensz van Rijn. Die schonsten
Radirungen in Nachbildungen. 20 Taf.
m. 2 S. Text u. Text auf der Rttckseite.
42x31 cm. Berlin, Fischer & Franke,
1902. In Mappe M. 6. — .
Ryn, G. van. Atlas van Stolk. Katalo-
gus der historic-, spot- en zinneprenten
betrekkelijk de geschiedenis van Neder-
land, verzameld door A. van Stolk Cz.
Gerangschikt en beschreven. DI. VI,
gr. 8°. 6, 381 S. Amsterdam, Frederik
Midler & Co. F. 6.—.
Robillard de Beaurepaire, Ch. de. Entree
de Charles VIII a Rouen en 1485. Re-
production fac-simile d'un imprime du
temps, avec introduction et annexes. Petit
in-4, XXVI, 61 pages. Rouen, imp. Gy.
1902. [Societe des bibliophiles normands.]
Romdahl, Axel L. Bonde-Brueghel i sam-
tida gravyrer. (Ateneum, Nordisk tidskrift
for konstuntgifvare, 1903, I, S, 14.)
Scherer, Valentin. Die Ornamentik bei
Albrecht Durer. (== Studien z. deutschen
Kunstgeschichte, 38. Heft.) gr. 8°. VII,
140 S. m. II Lichtdr.-Taf. StraOburg,
J. H. E. Heitz, 1902. M. 4.—. [Inhalt:
Einleitung. 1. Jugendentwicklung. Ab-
hangigkeit vom Schuleinflufl. Nachwirken
der Goldschmiedetechnik. Erstes Auf-
treteJi von Renaissanccformen. Die Werke
bis 1500. 2. Allmiihlichc Befrciung von
der Tradition. Stiirkeres Betonen der
GesetzmaBigkeit. Die Werke von 1500
bis z. italienischen Reise 1505. 3. Starkes
Anlehnen an italienische Kunst, ihr grofler
Einflufl auf die ersten Arbeiten nach der
Reise. Die Werke wiihrend und kurz
nach der italienischen Reise, von 1506
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LXXVIII
Kunstgewerbe.
bis 1 510. 4. Verschmelzung beider Stil-
arten. Freies Schalten mit den erworbenen
Formcn. Beginn des eigentlichen »DUrer-
schen Stils*. Die Werkc von 15 10 — 15 13.
5. Diirer auf dem Hohepunkt seines
Schaffens. Ehrcnpforte. Gebetbuch
Maximilians. Die Werke von 1 513 bis
1527. Schlufl. Register.]
Schlossar, Anton. Der Buchdrucker und
Formensehneider Zacharias Bartsch zu
Graz im XVI Jahrhundert. (Zeitschrift
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Schmidt, W. Zu J6rg Breu. (Repertorium
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teenth Centuries. P. 2: Books of the
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Connoisseur, III, 1902, S. 222; IV, 1902,
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Singer, Hans Wolfgang. Der Kupferstich.
1. Bis zu Wenzel Hollar. 2. Bis zur
Schwelle des XIX. Jahrh. 3. Von Chodo-
wiecki bis zur Gegenwart. 4. Von Chodo-
wiecki bis zur Gegenwart (SchluB). (Zeit-
schrift f. BUcherfreunde, VI, 1902 — 03,
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— Jakob Christoffel Le Blon and his three-
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Rembrandt Harmensz van Rijn 1 606-1 669,
seine Vorganger und Nachfolger. 8°.
31 S. [Lichtbilder -] Verlag Dr. Franz
Stoedtner, Berlin NW. 21.
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Zdekauer, Lodovico. Un inventario della
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Zedler, Gottfried. Das Rosenthalsche
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— Das vermeintlich Gutenbergsche Missale.
(Centralblatt fur Bibliothekswesen, XX,
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— Peter Schoffer und seiner Sonne Kon-
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F°. Zurich, Hofer & Co. Lief. 2. [In-
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von Wasserstelz) ; Geschmiedetes Ober-
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Kunstgewerbe.
LXXIX
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imp. et libr. PIon-Nourrit et C«. 1902.
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par 1'abbe A., ancien conservateur-adjoint
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Vitre, imprira. Lecuyer; tous les libraires :
l'auteur, 18, rue Beaudrairie. 1902.
Aus der ersten Zeit der Frankenthaler
Porzellanmanufaktur. (Mannheimer Ge-
schichtsblatter, IV, 1903, Nr. 9, Sp. 203.)
Bacci. Per un documento inedito su Ben-
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d'arte, Rivista mensile, Anno I, No. 2.)
Bader, Dr. Karl. Turm- und Glocken-
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Wachter- und Glockenstuben. 8°. XI,
221 S. Gieflen, J. Ricker, 1903.
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bronzo a Reggio dell' Emilia. (Rassegna
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Tart chretien, 4c serie, XIV, 1903, S. 53.)
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XIII, 1902, S. 477.)
— Une croix pectorale du XVIII* siecle.
(Revue de l'art chretien, 4C serie, XIV,
1903, S. 407.)
— Une tapisserie du XVI* siecle a Saumur
(Maine-et-Loire). (Revue de Tart chretien,
4c sene, XIV, 1903, S. 222.)
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LXXX
Kunstgewerbe.
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Tanghe. 30 photographies montees sur
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1902. M.4. — ; geb.M. 5. — ; Liebhaberbd.
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niederhessische Topferci des 17. Jahrh.
9 S. m. 16 [2 farb.J Taf. gr. Fol. Mar-
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150 Vorlagcn f. Paramentenstickereien,
entworfennachMotiven mittelalterl. Kunst.
24 Taf. 52x72 cm. Nebst Text. 28 S.
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Mit Einleitung u. Anmerkungen von
Wolfg. v. Oettingen. 2. Tl. u. Anh. gr. 8°.
331 S. Stuttgart, J. G. Cotta Nachf., 1903.
M. 1.20.
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Les tapisseries du
(La Revue de Tart
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Digitized by
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Kunstgewerbe.
LXXXI
lated by Thomas Roscoe. 1 2 mo, 528 p.
Unit Library. 1/.
Cellini, Benvenuto, The Life of, Written by
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suivi d'une nomenclature par ordre de
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Bruxelles, C. Baune, 1903. In-8°, IV,
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Apulia. (The Builder, 1903, July to De-
cember, S. 19$.)
Art, I/, en Belgique. Choix des principaux
monuments de l'art en Belgique, avec une
preface par Henri Hymans, professeur
d'histoirc de l'art a l'lnstitut superieur
des beaux-arts. — De kunst in Belgic.
Keus der voornaamste voortbrengselen
der kunst in Belgie. Quatrieme livraison,
planches 31 a 40. Leipzig et Berlin,
E.-A. Seemann ; Bruxelles, Dietrich et Cie .
Gr. in-folio oblong, pi. en photolitho-
graphic. [Cette livraison terminel'ouvrage.]
Ausflug, Ein, nach Italien. 600 Photos der
Haupt-Sehenswtirdigkeiten. 112 S. m.
XIV S. Text. qu. Imp. 40. Berlin, PreuC
Institut Graphik, 1903. Geb. M. 18. — ;
Kunstausg., m. 6 Heliogr., geb. M. 27. — .
Baedeker, Karl. Italie meridionale, Sicile,
Sardaigne et excursions a Malte, Tunis
et Corfu. Manuel du voyageur. Avec 27
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eorrige. L, 440 S. 120. Leipzig, K.
Baedeker, 1903. Geb. M. 6. — .
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Leghorn, Florence, Ravenna, and routes
through Switzerland and Austria. 12.
remodelled ed. Leipzig, K. Baedeker,
1903. Geb. M. 8.—.
— Italy. Handbook for travellers. 3. part:
Southern Italy and Sicily, with excursions
of the Li pari Islands, Malta, Sardinia,
Tunis, and Corfu. With 27 maps and
24 plans. 14. revised ed. LII, 444 S.
120. Leipzig, K. Baedeker, 1903. Geb.
M. 6.—.
— La Suisse et les parties limitrophes de
la Savoie et de l'ltalie. Manuel du
voyageur. 23. ed., revue et mise a jour.
Avec 65 cartes, 14 plans et 11 panoramas.
XXXIII, 532 S. 12°. Leipzig, K. Bae-
deker, 1903. Geb. M. 8. — .
— Le Xord-Est de la France de Paris aux
Ardennes, aux Vosges et au Rhone.
Manuel du voyageur. Avec 12 cartes
et 21 plans de villes. 7. ed., revue et
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xc
Topographic.
misc a jour. XXXVIII, 360 p. 120.
Leipzig, K.Baedeker, 1903. Geb. M. 5. — .
Beaten Track in Italy, The. A Guide to
the Cities and Districts of Italy usually
visited by English-Speaking Travellers.
With a New Plan of Rome, and 29 Full-
page Illusts. Ci. 8vo, 136 p. H. Gaze. 36.
Beltrami, Luca. Per la difesa dei nostri
monument!. Milano, tip. U. Allegretti,
1902, 8°, 32 p.
Bericht des Konservators der Denkmaler
fttr die Provinz Posen. [1.] Ueber d.
Etatsjahre 1899 — 1902. 40. Posen, Ar-
beits- u. Landarmenhaus in Bojanowo,
1903.
— , (Erster), des Konservators der Kunst-
denkmaler der Provinz OstpreuBen liber
seine Tatigkeit vom I. Febr. bis I. Dez.
1902 an d. Provinzialkommission z. Er-
forschung u. z. Schutze der Denkmaler
in d. Prov. Ostpreufien. 40. Kiinigsberg
i. Pr., Ostpreufi. Dr. u. Veriagsanst., 1903.
— tiber die Tatigkeit der Provinzial-
kommission fiir die Denkmalpflege in
der Rheinprovinz vom 1. April 1901 bis
31. Marz 1902. (Bonner Jahrbticher,
H. no, Bonn 1903, S. 243.)
— tiber die Thiitigkeit der Prov.-Kom-
mission f. die Denkmalpflege in der Rhein-
provinz u. der Prov.-Museen zu Bonn u.
Trier. VII. 1902. IV, 85 S. m. Abbildgn.
Lex. 8°. Bonn, Dtisseldorf, L. Schwann
in Komm., 1902. M. 2.50.
Blasco Ibanez, Vicente. En el pais del
arte (tres meses en Italia), 3.* edicion.
Valencia. Impr. de A. Lopez y Com-
pania 1902. En 8.°, 254 p. Encartonado.
1,50 >' 2-
Buls, Ch. La restauration des monuments
anciens. (Revue de Belgique, 1903,
15. Avril.)
Carocci, G. Passegiate in Toscana. Le
vecchie Badie. 1 : Badia d'Agnano. 2: La
Badia di Falesia. 3: La Badia della
Berardenga. (Arte e Storia, XXII, 1903,
S. 3, 11, 28 u. 41.)
Chcfs-d\ruvre d'art de la Hongrie. (Magyar
Mukincsek.) Tome III. Rcdige avec le
concours de Jean Szendrei. VIII, 104 S.
m. Abbildgn. u. 18 Taf. Imp. 40. Buda-
pest, 1902. (Leipzig, K. \V. Hiersemann.)
M. 85.—.
Denkmalpflege, Die staatliche, in Sachsen.
(Leipziger Tageblatt, 1903, Nr. 297,
s. 4253-)
Drewes, L. Rcisecindrticke von Kunst 11.
Leben in Italien. Teil III. Programm
des Gymnasiums in Helmstedt. 40. 22 S.
Durrer, R. Die Kunst- u. Architektur-
Denkmaler Unterwaldens. Bog. 15 u. 16.
Zurich, Fiisi & B. Je M. —.25.
Elcnco degli edifizi monumentali in Italia
(Ministero della pubblica istruzione).
Roma, tip. L. Cecchini, 1902, 8°, VIII,
573 P-
Epigraphie du departement du Pas-de-Ca-
lais. Ouvrage public par la commission
departementale des monuments histo-
riques. 4 fascicules in-4 et planches.
T. 2 (4C fascicule), p. 205 a 273; t. 2
(5c fascicule), p. 274 a 344; t. 4 (1 "
fascicule), p. 1 a 96; t. 4 (2L* fascicule),
p. 1 a 100. — T. 5 (2C fascicule): Egli-
ses Saint-Sepulcre ct Saint-Denis; par
Henry Loriquet, archiviste du departe-
ment, secretaire dc la commission de-
partementale des monuments historiques.
In-4, p. 137 a 224. Arras, imp. Laroche;
libr. Segaud, 1895 — 1902.
Erhaltung der Kunst- u. historischen Denk-
male. (Der Kunstfreund, red. v. H. v.
Worndle, XIX, 1.)
Franck-Oberaspach, Karl, und Edmund
Renard. Die Kunstdenkmaler des Kreiscs
Jtilich. (= Die Kunstdenkmaler d. Rhein-
provinz. Im Auftrage des Prov.-Vcr-
bandes hrsg. v. Paul Clemen. VIII. Bd.
1. Abtlg.) Lex. 8". VI, 243 S. m. 13
Taf. u. 156 Abbildgn. im Text. Dtissel-
dorf, L. Schwann, 1902. M. 5. — ; geb.
M. 6.—.
Fundberichte aus Schwaben, umfassend die
vorgeschichtl., rom. u. merowing. Alter-
ttimer. In Verbindg. m. d. wUrttemberg.
Altertumsverein hrsg. vom wUrttemberg.
anthropolog. \rerein unter der Leitg. v.
Prof. Dr. G. Sixt. 10. Jahrg. 1902. 62 S.
mit Abbildgn. gr. 8°. Stuttgart, E.
Schweizerbart, 1903. M. 1.60.
Gerspach. Carnet de voyage. Padouc,
Venise, Cortina d'Ampezzo, Pieve di Ca-
dore, Trevise, Vicence. (Revue de Tart
Chretien, 4e serie, XIV, 1903, S. 384.)
Giacosa, Giuseppe. I castelli Valdostani
con 29 vignette da fotogr. orig. dell'
ingeg. Andrea Luino. 8°. 383 p. Mi-
lano, L. F. Cogliati, 1903.
Gradmann, E. Xoch einmal die Kunst-
und Altcrtumsdenkmale im Konigreich
WUrttemberg. Zur Abwehr. (Allgemeine
Zeitung, MUnchen 1903, Beilage Nr. 109.)
Grohmann, Schuldir. Max. Das Obererz-
gebirge u. seine Stadte. Heimatkundliche
Geschichtsbilder f. Haus u. Schule. Unter
Mitwirkg. v. L. Bartsch, B. Grieflbach,
A. Hamann u. a. u. dem Lebrerkollegium
zu Scheibenberg hrsg. 2. m. (9) Bilder-
taf. vers, verand. u. erweit. Aufl. (VIII,
12S; 182, 28, 36, 44, 19, 15, 11, 24, 20,
40, 12, 8, 24, 48, 68, 8 u. 26 S.) gr. 8C.
Annaberg, Graser, 1903. M. 7. — ; geb.
M. 8. — . — Hieraus in Einzelausgaben,
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Topographic
XCI
jede mit Grohmann, Obererzgebirge u.
m. der Heimatkunde der betr. Stadt ; geb.
in Leinw. : Annaberg. Von Schuldir.
Max Grohmann. (VIII, 182 u. 128 S.)
1900. M. 3. — . — Aue. Von Blirger-
schul-Lehr. A. Hamann. (28 u. 128 S.)
1902. M. 2.—. — Buchholz. Von Biir-
gersch.-Dir. L. Bartsch. (36 u. 128 S.)
1900. M. 2. — . — Ehrenfriedersdorf. Von
Lehr. Zeil. (44 u. 128 S.) 1900. M.
2.—. — Elterlein. Von Rekt. B. Griefl-
bach. (19 u. 128 S.) 1900. M. 2. — .
— Geyer. Von Oberlehr. H. Lungwitz.
(15 u. 128 S. m. 1 Lichtdr.) 1900. M.
2. — . — Johanngeorgenstadt. Von Btir-
gersch.-Lehr. Alban Tittel. (11 u. 128
S.) 1900. M. 1.80. — Jbhstadt. Von
Schuldir. G. Schmidt. (24 u. 128 S.)
1900. M. 2. — . — Marienberg. Von
Biirgcrschul-Lehr. M. Teichmann. (20 u.
128 S.) 1900. M. 2.—. — Olbernhau.
Von Past. Pinder. (40 u. 128 S.) 1900.
M. 2. — . — Scheibenberg. Zusammen-
gestellt vom Lehrerkollegium Scheiben-
berg. (12 u. 128 S.) 1900. M. 2.—.
— Schlettau. Von Blirgersch.-Lehr. H.
Zschocke. (8 u. 128 S.) 1900. M. 1.80.
- Schwarzenberg. Von Schuldir. E. A.
Leschner. (24 u. 128 S.) 1900. M.
2. — . — Stollberg. Von Burgersch.-Lehr.
Alfr. Schuster. (48 u. 128 S.) 1903.
M. 2. — . — Wolkenstein. Von Schuldir.
Emil Zeil. (68 u. 128 S.) 1903. M.
2. — . — Zoblitz. Von Schuldir. Th.
Wappler. (8 u. 128 S.) 1900. M. 2.— .
— Zwonitz. Von Pfr. H. Loscher und
Schuldir. H. Schultz. (20 11. 128 S.)
1900. M. 2. — .
Gronau, Georg. Notes from Italy. (The
Burlington Gazette, I, 4 — 5, 1903, S. no
bis 137O
Gurlitt, Cornelius. Amtshauptmannsch.
Dobeln. (= Beschreibende Darstellung
der alteren Bau- und Kunstdenkmaler
des Konigr. Sachsen. Unter Mitwirkg.
des k. sachs. Altertumsvereins hrsg. von
dem sachs. Ministerim des Innern. 25.
Heft.) gr. 8°. II, 291 S. m. Abbildgn.
u. 13 Taf. Dresden, C. C. Meinhold &
Sohne in Komm., 1903. M. 10. — .
— Denkmalpflege. (In: Jahrbuch der bil-
denden Kunst 1903, hrsg. v. M. Marter-
steig, S. 47.)
— Historische Stadtebilder. 1. Serie. 3. Bd. :
Tangermtinde ; Stendal; Brandenburg.
29 Lichtdr.-Taf. m. 24 S. illustr. Text.
49.5x33,5 cm. Berlin, E. VVasmuth,
1902. In Mappe M. 30. — .
Handbook for Travellers in Northern Italy.
1 6th ed. Carefully revised. With a Tra-
vel ling Map and numerous plans of Towns.
With Index and Directory for 1903.
(Murray's Handbooks). Cr. 8vo. Stan-
ford. 10/.
Happel, Ingen. Ernst. Die Burgen in
Niederhessen u. dem Werragebiet VTII,
158 S. m. 67 Abbildgn. 8°. Marburg,
N. G. Elwert's Verl., 1903. M. 3.— ;
geb. M. 3.60.
Heins, Armand. Vieux coins en Flandre,
150 reproductions de vues et de sujets
divers; 120 planches lithographiques;
texte de M. Paul Bergmans, secretaire
de la Societe d'histoire et d'archeologie
de Gand. Seconde scrie. Premiere li-
vraison, planches 1 a 40. Gand, N. Heins,
1903-1904. fr. 24. — . [L'ouvrage sera
complet en trois livraisons. Le tirage
est limite a 250 exemplaires.]
Hirzel, K. Die Kunst- u. Altertumsdenk-
male im Kiinigreich Wiirttemberg oder
Ein Mann, ein Wort. (Allgemeine Zei-
tung, Miinchen 1903, Beilage Nr. 82.)
— Ein letztes Wort in Sachen der wiirttem-
bergischen Kunst- und Altertumsdenk-
male. Duplik an Herrn Eugen Grad-
mann in Stuttgart. (Allgemeine Zeitung,
MUnchen 1903, Beilage Nr. 123.)
Hymans, Henri. Correspondance de Bel-
gique. (Gazette des beaux-arts, 3 per.,
XXIX, 1903, S. 421.)
Inscriptions fune>aires et monumentales de
la province d'Anvers. Graf- en gedenk-
schriften der provincie Antwerpen. Li-
vraison 152: Lierre. Couvent des Char-
treux. Corrigenda et addenda et Table
des noms propres. ioc fascicule. In-
scriptions recueillies par E. Mast, J. H.
Cox. p. 289 a 312, a 2 col. par page,
figg., plus les titres et le sommaire du
tome VII. Livraison 153: Malines. Egli.se
paroissiale de Sainte-Catherine. Eglise
paroissiale de N. D. de Hanswijck et
Table des noms propres. I7e fascicule.
Inscriptions recueillies par le Comite
central, p. 525 — 540. Gr. in-40. An-
vers, J. E. Buschmann, 1902-3. [La li-
vraison: Belgique, 1 fr.; etranger, fr.
1.50.]
Italian Notes. (The Builder, 1903, January
to June, S. 606.)
J. N. Die Denkmalpflege im osterreichi-
schen Staatsvoranschlage fiir 1903. (Die
Denkmalpflege, V, 1903, S. 16.)
Kohte, J. Das italienische Gesetz uber
den Denkmalschutz. (Die Denkmalpflege,
V, 1903, S. 31.)
Kunst- und Altertums-Denkmale, Die, im
Konigr. Wiirttemberg. Bearb. im Auf-
trag des k. Ministeriums des Kirchen- u.
Schulwesens. Text. (Inventar.) 27. u.
28 Lfg. Jagstkreis (Kortsetzg.) bearb. v.
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XCII
Topographic
Konserv. Dr. E. Gradmann. (S. 225 bis
352 m. Abbildgn.) Lex. 8°. Stuttgart,
P. NefF. Vcrl., 1903. Je M. 1.60.
— Erganzungs-Atlas. 3. — 7. Lfg. 37. bis
41. Lfg. des Gesamtwerkes. (22 Taf.)
37x51 cm. Ebd., 1903. Je M. 1.60.
Laurentius, J. Denkmalpflege und kirch-
liches Eigentumsrecht. (Stimmen aus
Maria-Laach, 1903, 8. Heft.)
Lecler, A. Dictionnaire topographique,
archcologique et historique de la Creuse.
In- 1 2, 810 p. avec grav. et carte. Li-
moges, imprim. et libr. V« H. Ducour-
tieux. 1902. fr. 4. — .
Lehfeldt, P. Bau- und Kunstdenkmalcr
Thtiringens. Bearb. v. Prof. Dr. P. L.
Nach dem Tode des Verf. hrsg. v. Con-
serve Prof. Dr. G. Yoss. 29. 11. 30. Heft.
Lex. 8°. Jena, G. Fischer, 1903. M. 8.—.
29: Herzogth. Sachsen-Meiningen. Amts-
gerichtsbez. Hildburghausen. Mit 2 Licht-
drucken u. 12 Abbildgn. im Texte. VIII,
112 S. M. 3.50. — 30: Herzogth.Sachsen-
Meiningen. Amtsgerichtsbez. Eisfeld u.
Themar. Mit 2 Lichtdr. u. 27 Abbildgn.
im Texte. VI u. S. 113 — 247. M. 4.50.
Lemcke, Hugo. Die Bau- u. Kunstdenk-
maler des Reg.-Bez. Stettin. 6. Heft.
Der Kreis Greifenhagen. (= Die Bau-
u. Kunstdenkmalcr der Provinz Pommern.
Hrsg. v. der Gesellschaft f. pommersche
Geschichte u. Altertumskunde. II. Thl.
b. Heft.) gr. 8°. (S. 157—316 m. Ab-
bildgn.) Stettin, L. Saunier in Komm.,
1902. M. 10. — .
LudorrT, Prov.-Konserv. Baur. A. Die Bau-
u. Kunstdenkmaler v. Westfalen. (XIV
u. XV.) gr. 4°. Mtinster. Paderborn,
F. Schoningh in Komm., 1903. M. 5.40;
geb. M. 13.40. — XIV: Kreis Siegen.
Mit geschichtl. Einleitg. v. Gymn.-Prof.
Dr. Heinzerling. VII, 95 S. m. 2 Karten.
177 Abbildgn. auf 22 Lichtdr.- Taf., so-
wie im Text. M. 2.40; geb. M. 6.40. —
XV: Kreis Wittgenstein. Mit geschichtl.
Einleitgn. v. Gymn.-Prof. Dr. Heinzerling.
2 Karten, 164 Abbildgn. auf 18 Taf., so-
wie im Text. VII, 74 S. M. 3. — ; geb.
M. 7.-.
Lutsch, Gch. Reg.-R. Konservat. Hans.
Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmaler.
Im Auftrage des Prov.-Ausschusses von
Schlesien bearb. Hrsg. vom Kuratorium
des schles. Museums der bild. Kiinste,
Breslau. 232 Taf. m. illustr. Text X S.,
369 Sp., S. 370 — 401, 9, 10 u. 10 S.
47,5x32 cm. Breslau, (B. Richter), 1903.
In 3 Mappen M. 80. — .
Marcel, Pierre. Cordoue, Grenade, Murcie,
Cadix, Gibraltar. In-8, 16 p. Melun,
imprim. administrative. 1902. [Ministere
de l'instruction publique et des beaux-
arts. Musee pedagogique, service des
projections lumineuses.]
— Barcelone, Saragosse, Tolede, l'Escurial;
par P. M., licencie es lettres. In-8, 19 p.
Melun, Imp. administrative. 1902. [Mi-
nistere de l'instruction publique et des
beaux-arts. Musee pedagogique, service
des projections lumineuses.]
— Burgos, Segovie, Fontarabie. In-8,
15 p. Melun, Imp. administrative. 1902.
[Ministere de l'instruction publique et des
beaux-arts. Musee pedagogique, service
des projections lumineuses.]
— Madrid, Valladolid, la Granja, Avila.
In-8, 15 p. Melun, Imprim. administra-
tive. 1902. [Ministere de l'instruction
publique et des beaux -arts. Musee peda-
gogique, service des projections lumi-
neuses.]
(Muller, Frederik, & C'c.) Topographic
de l'Europe. Catalogue a prix marques
de cartes anciennes et de vues de villes
XVme — XL\mc siecle. 8°. 240 S. Amster-
dam, F. Muller & Cie, 1903.
Overvoorde, J. C. De Hessische met tot
bescherming van monumenten. (Bulle-
tin uitgegeven door den Nederlandsch.
Oudheidkundigen Bond, IV, 1902, S. 15.)
Podlaha, Dr. Ant., und Ed. Sittler. Bezirk
Karolinenthal. (= Topographie der
historischen und Kunst-Denkmale im
Kiinigr. Bohmen von der Lrzeit bis zum
Anfange des XIX. Jahrh. Hrsg. v. der
archaolog. Commission bei der bohm.
Kaiser Franz-Joseph-Akademie f. Wissen-
schaften, Litteratur u. Kunst unter der
Leitg. ihres Prasidenten Jos. Hlavka.
XV.) gr. 8°. VI, 386 S. Prag, Bursik
& Kohout, 1903. M. 10. — .
Polenz. Zur Lage des Denkmalschutzes
in Preussen. III. (Die Denkmalpflege,
V, 1903, S. 17.)
Rosner, K. Ruinen der mittelalterlichen
Burgen Oberosterreichs. [K. k. Zentral-
kommission ftir Kunst und historische
Denkmale.] Lex.-S°. ill. 71 S. m. 24 Taf.
Wien, A. Schroll & Co. Kr. 10. — .
Sachsen, Die Provinz, in Wort u. Bild. Hrsg.
v. dem Pestalozziverein der Prov. Sachsen.
Mit etwa 200 Abbildgn. 2. Bd. VIII,
4S0 S. gr. 8°. Leipzig, J. Klinkhardt,
1902. M. 4.50; geb. M. 6.—.
Schoener, R. Die Erhaltung der Kun*it-
werke in Italien. (Die Kultur, Halb-
monatsschrift, hrsg. v. S. Simchowitz.
I. Jahrg., Heft 13.)
Soupis pamiitek historickych a umeleckych
v kralovstvi ceskem od praveku do
pofiatku XIX soleti. Krai, hlavni me*to
Praha: HradCanny. II. Poklad Svatovitsky
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Topographic
XCIII
a knivhovna kapitulni. Cast prvni.
Poklad Svatovjtsky. Cast druha. Kni-
hovna kapitulni. Napsali Ed. Siller a
Dr. Antonin Podlaha. 8°. 206, 298 S.
Prag, Bursfk & Kohout. Kr. 5.50 u. 9. — .
[Verzeichnis von histor. und Kunstdenk-
malem im Konigreiche Bohmen.]
Starozitnosti zeme Ceske. Dil II. [Alter-
tiimer Bohmens.] Fol. 143 S., 58 Taf.
Prag, Fr. Rivnac. Kr. 18.—.
Sylos, Luigi. Relazione dell* ufficio regio-
nale per la conservazione dei monumenti
delle provincie meridionali. (Rasscgna
tecnica pugliese, anno I, fasc. XI, Ban,
dicembre 1902.)
Thttringen in Wort u. Bild. Hrsg. v. den
thtiringer Pestalozzivereinen. Mit etwa
looAbbildgn. 2. Bd. Ill, 492 S. gr. 8°.
Leipzig, J. Klinkhardt, 1902. M. 4.50;
geb. M. 6. — .
Topographie von Niederosterreich. Hrsg.
vom Vereine f. Landeskunde v. Nieder-
osterreich. Red. v. Dr. Alb. Starzer u. a.
5. Bd. Der alphabet. Reihenfolge
(Schilderg.) der Ortschaften etc. 4. Bd.
18. u. 19. (Schlufl-)Heft. (VIII u. S.
1089 — 121 5.) gr. 40. Wien, (YV. Brau-
mliller), 1903. Je M. 2. — .
— Red. v. Dr. Max Vancsa. 6. Bd. Der
alphabet. Reihe der Ortschaften. 5. Bd.
1. u. 2. Heft. (Ill u. S. 1 — 128.) gr. 40.
Ebd., 1903. Je M. 2.— .
Triger, Robert. Le Canton de Fresnay
historique et archeologique; par R. T.,
president de la Societe historique et
archeologique du Maine. In-8, 20 p.
avec plans. Le Mans, impr. Guenet. 1903.
Vacrnewyck Ghellinck, Vicomte de.
Rapport sur le congres archeologique de
F ranee: Troves et Provins. (Annales de
I'Academie Royale d'Archeologie de
Belgique, 5C serie, t. V, ie livr., 1903,
S. 5.)
Weber, Prof. Dr. Paul. Die Pflege unserer
kirchlichen Altertlimer. Eine kurze Hand-
weisung f. den thUring. Pfarrer- u. Lehrer-
stand. 20 S. gr. 8°. Weimar, H. Bohlau's
Xachf. in Komm., 1903. M. — .30.
— Was konnen die Stadtverwaltungen f.
die Erhaltung des historischen Charakters
ihrer Stiidte thun? Vortrag. [Aus:
»Protokoll der General versamrnlung des
thiiring. Stadteverbandes*.] 31 S. 120.
Weimar, (Jena, Frommann'sche Hof-
buchh.), 1902. M. —.50.
Willenberger's, Johann, Ansichten von
Stadten, Burgen und denkwtirdigen Bauten
Bohrnens aus dem Beginne des 17. Jahr-
hunderts. Xach den bisher unbekanntcn,
in d. Bibliothck d. Stiftes Strahov in Prag
aufgefund. Federzeichn. Hrsg. v. Dr.
! A(nt.) Podlaha u. Dr. I(sidor) Zahradnik.
I F°. 2 Bl., 30 Taf. Prag, Selbstverl., 1903.
Wolff, Stadtbaur. Dr. Carl. Die Kunst-
| denkmiiler der Prov. Hannover. 4. Heft.
III. Reg.-Bez. Llineburg. 1. Kreise Burg-
dorf u. Fallingbostel. Mit 2 Taf. u. 62
I Textabbildgn. XI, 182 S. Lex. 8°.
Hannover, Th. Schulze in Komm., 1902.
I Geb. M. 6.—.
— , F.f Konservator d. geschichtl. Denk-
| maler im Elsafl. Handbuch der staat-
I lichen Denkmalpflege i. Elsafl-Lothringen.
! Im Auftr. d. Kais. Minist. f. ElsaO-
I Lothringen bearbeitet. 8°. IX, 404 S.
! Straflburg, K. J. TrUbner, 1903. [Inhalt:
I Verzeichnis der Schriften zum Studium
' der Denkmalpflege. Einflihrung: 1. Ge-
I schichtliche Entwickelung der Denkmal-
I pflege in Elsafi-Lothringen. 2. Geschafts-
gang der staatlichen Denkmalpflege in
Elsafl-Lothringen. 3. Regeln fllr Arbeiten
I an den geschichtlichen Denkmalern: a)
Instandhaltung, b) Instandsetzung, 3. Her-
stellung. 4. Behandlung der Fundstatten.
5. VerfUgungen flir den Dienst der Denk-
malpflege: a) 1832— 1870, b) 1870—1903,
c) Liste der klassierten geschichtlichen
Denkmaler in Elsafl-Lothringen von 1903.
6. Verzeichnis der geschichtlichen Denk-
maler in Elsafl-Lothringen. a) Ober-Elsafl,
b) Unter-Elsafl, c) Lothringen. Alphabeti-
sches Ortsregister.]
Wolfsgruber, P. Colestin, und P. Albert
Hubl. Abteien und Kloster in Oester-
reich. Heliogravuren von Otto Schmidt.
Fol. 40 S. u. 50 HeliogravUren, 40,5 zu
31,5 cm. Wien, V. A. Heck, 1902.
M. 80.— ; einzelne Blatt M. 2.—.
Amsterdam.
Helmer, J. W. Amsterdam, oud en nieuw.
(Nieuwe belgische illustratie, 1903, S. 3
u. 74.)
Antwerpen.
Kuyck, Franz van, et Max Rooses. Oud
Antwerpen, 1894, par F. van K., profes-
seur a I'Academie des Beaux- Arts d' An vers,
et M. R., conservateur au Musee Plantin.
Zesde aflevering. Antwerpen, De neder-
landsche boekhandel, 1903. In -folio,
p. 41 a 64, et 5 pi. coloriees hors texte.
fr. 20. — .
— — Vieil Anvers, 1894. Theatre complet
du vieil Anvers. Sixieme livraison.
Anvers, La librairie neerlandaise, 1903.
In-folio, p. 41 a 64 et 5 pi. coloriees
hors texte. fr. 20. — .
Aries.
Joanne. Aries et les Baux. Guide Joanne.
Petit in- 1 6, 134 p. avec 9 grav. et 2
Plans. Coulommiers, imp. Brodard. Paris,
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XCIV
Topographic
lib. Hachette et O. 1903. fr. 1. — .
[Collection des Guides Joanne.]
Arlon.
Jacob-Duchesne. Quelques notes sur le
vieil Arlon. 2C edition. Arlon, imprimerie
F. Brtick, 1903. In-8°, 207 p. gravv., plan
et portr. fr. 2. — .
Athos, Berg.
Lindau, Rudolf. Der Berg Athos. (Deutsche
Rundschau, 1902, Oktober.)
Augsburg.
Augsburg. Eine Sammlg. seiner hervor-
ragendsten Baudenkmaler aus alter und
neuer Zeit. Hrsg. vom Architekten- und
Ingenieurverein Augsburg. 51 Lichtdr.-
Taf.) gr. 40. Augsburg, (Lampart & Co.),
1902. Geb. M. 12. — .
Riehl, Berthold. Augsburg. (== BerUhmte
Kunststatten, Nr. 22.) gr. 8°. Ill, 148 S.
m. 103 Abbgn. Leipzig, E. A. Seemann,
1903. M. 3.—.
Steinhaufier, Oberbaur. Fritz. Augsburg
in kunstgeschichtlicher, baulicher und
hygienischer Beziehung. Fest-Schrift.
den Teilnchmern an der 15. Wander-
Versammlg. des Verbandes deutscher
Architekten- u. Ingenieurvereinegewidmet
v. der Stadt Augsburg. Ira Auftrage des
Stadtmagistrates bearb. unter Mitwirkg.
der stadt. Ingenieure. VI, 139 S. m.
Abbildgn. u. 24 Taf. gr. 40. Augsburg,
(Lampart & Co.), 1902. Geb. M. 8. — .
Avignon.
Joanne. Avignon et ses environs (Ville-
neuve, ITsle-sur-la-Sorgue, Fontaine de
Vaucluse). Guide Joanne. Petit in-16,
134 p. avec 10 grav. et 1 plan. Coulom-
miers, iinpr. Brodard. Paris, lib. Hachette
et C«. 1903. 50 cent. [Collection des
Guides Joanne.]
Souza, Robert de. Chronique du vanda-
lisme. Avignon et ses remparts. (La
Revue de Tart ancien et moderne, XIII,
1903, S. 225.)
Basel.
Jahrbuch, Basler, 1903. Hrsg. v. Alb. Burck-
hardt, Rud. Wackernagel u. Alb. Gefller.
Ill, 319 S. m. Abbildgn. u. 2 Bildnissen.
gr. 8°. Basel, R. Reich. M. 4.—.
Zeitschrift, Basler, f. Geschichte u. Alter-
tumskunde. Hrsg. v. der histor. u. anti-
quar. Gesellschaft zu Basel. 2. Bd. 2
Hfte. (1. Hft. 170 u. XIII S. m. 1 Taf.
und 1 Karte.) gr. 8°. Basel, R. Reich,
1902. M. 7.20.
Bayreuth.
Hofmann, Dr. Friedrich H. Bayreuth u.
seine Kunstdenkmale. Mit 1 Titclbild
in Kudka Grav lire, 1 Farben-Beilage, 14
Taf. und 128 Text-lllustr. VIII, 112 S.
Lex. 8°. Mtinchen, Vereinigte Kunstan-
stalten, 1902. M. 7. — ; geb. M. 9. — .
[Inhalt: Vorwort. 1. Die Stadt u. ihre
FUrsten. 2. Die Stadtkirche. 3. Die
Kanzlei. 4. Das alte Schlofl. 5. St.
Georgen. 6. Das Opernhaus. 7. Die
Eremitage. 8. Sanspareil. 9. Das neue
Schlofl. 10. Kleinere Kirchen. 11. Pri-
vatbauten. 12. Die Fantaisie.J
Berlin.
Guide of Berlin, Potsdam and environs.
With a Map of Berlin. Publ. by »The
Engl, and American Register.* 8°. 168 S.
Berlin. H. Steinitz, 1902-3.
Hach, Otto. Kunstgeschichtliche YVande-
rungen durch Berlin. Beschreibung der
hervorragendsten Sehenswtirdigkeiten der
Reichshauptstadt. In 13 Wandergn. vor-
geftihrt. 2. verm. u. m. vielen Abbildgn.
verseh. Aufl., durchgesehen u. m. e. Ge-
leitwort versehen v. Reg.-Baumstr. Prof.
Rich. Borrmann. XII, 188 S. gr. 8°.
Berlin, W. Prausnitz, 1903. Geb. M. 3. — .
Bern.
Gurlitt, Cornelius. Historische Stadtebilder.
(I. Serie.) 4. Bd.: Bern— Zurich. 31
Lichtdr.-Taf. m. 26 S. illustr. Text. 49,5
X33.5 cm« Berlin, E. Wasmuth, 1903.
In Mappe M. 35. — .
Kunstdenkmaler, Berner. Hrsg. vom kan-
tonalen Verein f. Forderg. des histor.
Museums in Bern, vom hist. Verein des
Kantons Bern v. der bern. Kunstgesell-
schaft, vom bern. Ingenieur- u. Archi-
tektenverein u. vom bern. kantonalen
Kunst verein. 1. Bd. 1. — 3. Lfg. (12
phototyp. Taf. in. 27 S. Text.) 41,5x33,5
cm. Bern, K. J. Wyss, 1902. Je M. 3.20.
Rodt, Eduard von. Bern im siebzehnten
Jahrhundcrt. Mit 25 Abb. 8°. Bern,
A. Francke, 1903.
Besancon.
Gauthier, Jules. L'abbaye de Saint-Vin-
cent de Besancon, son eglise, ses monu-
ments et leur histoire. (Inventaire de
1645.) (Academic des sciences, belles-
lettres et arts de Besancon, Proces-ver-
baux et memoires, annee 1902, Besancon
1903, S. 177.)
J. M. S. Guide du visiteur de 1'eglise ea-
thedrale de Besancon. Petit in-16, 31 p.
Besancon, imp. Bossanne. 1902.
Bologna.
Weber, Ludwig. Bologna. (= BerUhmte
Kunststatten, Nr. 17.) gr. 8°. 156 S. m.
120 Abbildgn. Leipzig, E. A. Seemann,
1902. M. 3. — .
Bonn.
Knickenberg, F. Die altesten Aufnahmen
der Stadt Bonn und ihrer nachsten L'm-
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Topographic
XCV
gebung. (Bonner Jahrbticher, H. no,
Bonn 1903, S. 203.)
Brandenburg a. H.
Jork, Otto. Brandenburg in der Vergan-
genheit und Gegenwart. Ein Wegweiser
durch die Stadt und ihre AltertUmer.
2. Aufl. 8°. 179 S. Brandenburg a. H.,
M. Evenius, (1903).
Bremen.
Bippen, Wilbelm v. Geschicbte d. Stadt
Bremen. 8. Lfg. (3. Bd. S. 1 13— 224.)
gr. 80. Halle, C. E. Mtiller, 1902. M.
1. 10.
Br linn.
Schram, Rath Biblioth. Dr. Wilbelm. Ein
Buch f. jeden Briinner. Quellenmaflige
Beitrage zur Geschicbte unscrer Stadt.
3. Jahrg. VIII. 162 S. m. I Bildnis.
gr. S*. Briinn, (C. Winkler), 1902. M.
3—.
Brussel.
Brussel in 6 dagen. Nieuwste gids van
Brussel en de voorsteden met 80 plaatjes,
plans en kaartje. kl. 8. 10, 176 S. 's-
Gravenhage. Boekhandel vrhn. Gebr. Bel-
infante, f. — .75.
Gele, A. van. Bruxelles et ses faubourgs.
Nouveau guide illustre avec un grand
plan de la capitale et cinq petits plans
itineraires. Teste et photographies de
A. van G. Bruxelles, J. Lebegue et C'e,
(1903). In- 16, XXIII, 144 p. gravv.
fr. 2.—.
Guide illustre a Bruxelles. Nouvelle edi-
tion. Bruxelles, Societe beige de li-
brairie, (1903). In- 16, 133 p., figg. et
2 plans hors texte. fr. 1.50.
Budapest.
Divald, Kornel. Budapest muveszete a
tbrok hodoltsag elott. (= Muveszeti konvv-
tar, 1. kotet.) 8°. 166 1., 10 epiteszeti
rajzal es 49 keppel. Budapest, Lampel
Robert. Kr. 8. — . [Budapests Kunst vor
der tiirkischen Unterjochung.]
Burgos.
Burgos y su provincia. Fundacion, historia,
monumentos, hechos gloriosos, descrip-
tion, etc. Articulos de varios escritores
antiguos y modernos, recopilados por la
redaccion de »E1 Papa-Moscas«c, perio-
dico de Burgos (Ano XXVII) y regalo
a sus suscriptores. Tomo IV. Burgos.
Jnipr. Sucesor de Arnaiz. 1904. En 8.°
mayor, 122 p.
Chur.
(Jecklin, F. v.) Ein Churer Stadtbild aus
dcm 17. Jahrhundert. (Neue BUndner
Zeitung, 1903, Nr. 113.)
Clairvaux.
Vernier, J. J. Inventaire du tresor de
l'Abbaie de Clairvaux. (Bibliotheque de
l'Ecole des Chartes, 1902, Septcmbre-
Dccembre.)
C 1 e v e.
Album von Alt-Cleve u. Umgebung. Fcsm.-
Drucke nach alten Originalen. 10 Bl.
<|u. Fol. Cleve, F. Boss Wwe., 1903.
M. 5--
C o 1 m a r.
Waltz, Biblioth. Andre. Bibliographic de
la ville de Colmar. Public sous les au-
spices de la societe industrielle de Mul-
house et de la ville de Colmar. XXI,
539 S. gr. 8°. Mulhausen i./E., (C. Det-
loff), 1902. M. 6.—.
Conegliano.
Vital, A. Piccola guida pratica, storico-
artistica di Conegliano. Conegliano, soc.
tip. Nardi, Brasolin e C, 1902, 160. 59 p.
Crest.
Arnaud, E. Histoire et Description des
antiquites civiles, ecclcsiastiques et mili-
taires de la Ville de Crest en Dauphinc,
prccedces d'une Introduction sur son hi-
stoire generale, des origines a la Revo-
lution. In-8, VII, 329 p. Privas, impr.
Roux. Grenoble, libr. Gratier et Rev.
«903.
Danzig.
Blech, Archidiak. Ernst. Das alteste Dan-
zig. (— Gedanensia. Beitrage zur Ge-
schichte Danzigs. 7. Bdchn.) 8°. IVr,
218 S. Danzig, L. Saunier, 1903. M.
3— •
Lindner, Arthur. Danzig. (= Berlihmte
Kunststatten, Nvr. 19.) gr. 8°. VI, 114 S.
m. Abbildgn. Leipzig, E. A. Seemann,
1903. M. 3.—.
Darmstadt.
Beckmann's Fuhrer durch Darmstadt und
Cmgebung, m. e. 5 farb. Stadtplan u. 8
Kunstbeilagen u. vollstand. Straflenftihrer.
Bearb. v. Prof. Dr. E. Anthes. X, 96 S.
schmal 8°. Stuttgart, Klemm & Beck-
mann, 1903. M. — .75.
Demmin.
Goetze, Rekt. Karl. Geschichte der Stadt
Demmin, auf Grund des Demminer Rats-
archivs, der Stolleschen Chronik und
anderer Quellen bearb. u. m. 2 Planen
u. 29 Abbildgn. hrsg. XII, 520 S. Lex.
8°. Demmin, A. Frantz, 1903. M. 6.50.
Dresden.
Gurlitt, Cornelius. Stadt Dresden. 3. Teil.
(^= Beschreibende Darstellung der alteren
Bau- und Kunstdenkmaler des Kfinigr.
Sachsen. Unter Mitwirkg. des k. sachs.
Altertumsvereins hrsg. v. dem sachs.
Ministerium des Innern. 23. Heft.) gr. 8°.
(VIII u. S. 585—793.) Dresden, C. C.
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Topographic
Meinhold & Sohne in Komm., 1903.
M. 8.—.
Eisenberg.
Mitteilungen des geschichts- und altertums-
forschenden Vereins zu Eisenberg im
Herzogt. Sachsen-Altenburg. 17. Heft.
(III. Bd. 2. Heft.) gr. 8°. 73 S. Eisen-
berg, H. Geyer in Komm., 1902. M. 1.20.
Esslingen.
Schirmer, C. Ueber Alt -Esslingen. Pro-
gramm der Realanstalt in Esslingen. 40.
26 S.
Flore nz.
Bierfreund, T. Florens. Billedkunst. Forste
Halvbind. 8°. 164 S. Kobenhavn,
Gyldendal. Kr. 3.—.
Cocchi, Arnaldo. Le chiese di Firenze dal
secolo IV al secolo XX. Vol. I: Quar-
tiere di s. Giovanni. Firenze, B. Seeber
(tip. Pellas di Cocchi e Chiti), 1903, 8°
fig., 296 p. e 20 tav. L 10. — .
Gerspach. Les Arti de Florence. (Revue
de Tart chretien, 4e serie, XIII, 1902,
S. 463; XIV, 1903, S. 32 u. 108.)
Gr[onauJ, Georg. Florentiner Brief. (Kunst-
chronik, N. F., 14, 1902—03, Sp. 272.)
— Florentiner Neuigkeiten. (Kunstchronik,
N. F., 14, 1902—03, Sp. 153.)
Philippi, Adolph. Florenz. (= Bertihmte
Kunststatten, Nr. 20.) gr. 8°. VIII, 244 S.
m. 222 Abbdgn. Leipzig, E. A. Seemann,
1903. M. 4.—.
Rosenthal, Le"on. Promenades dans Flo-
rence, conference donnee a la Sorbonne
pour la Societe* des etudes italiennes, le
icr mars 1902, par L. R. In-8, 43 p.
Dijon, impr. Darantiere. 1903. [Extrait
des M^moires de la Societe bourgui-
gnonne de g^ographie et d'histoire.]
Sertillanges, le R. P. In pelerinage
artistic|ue a Florence. In-18 jcsus, 167 p.
Paris, imp. Dumoulin; lib. Lecoffre. 1903.
Fontainebleau.
Herbet, Felix. Dictionnaire historique et
artistique de la foret de Fontainebleau
(routes, carrefours, cantons, gardes, monu-
ments, croix, fontaines, puits, mares,
environs, moulins, etc.) In-8, XX, 522 p.
et 8 planches. Fontainebleau, imp.
Bourges, 1903. fr. 5. — . [Publie dans
l'Abeille de Fontainebleau en 1902 et
1903.]
Joanne. Fontainebleau et la foret. Guide
Joanne. Jn-16, 59 p. avec 3 plans, 1
carte. 13 grav. et annonces. Coulommiers,
imprimerie Brodard. Paris, librairie
Hachette et Ce. 1903. fr. 1.— . [Collec-
tion des Guides Joanne.]
Tarsot, Louis, and Maurice Chariot. The
Palace of Fontainebleau; by L. T. and
M. C, head-clerks at the public instruc-
tion department. In- 1 6, 96 p. avec 14
grav. Evreux, imprimerie Herissey. Paris,
librairie Laurens.
Frankfurt a. M.
Home, Anton. Geschichte von Frankfurt
am Main in gedrangter Darstellung. 4.,
erweit. u. verb. Aufl. Mit 37 Ansichten
und Planen der Stadt aus alterer und
neuerer Zeit. VIII, 354 S. gr. 8°.
Frankfurt a. M., Kesselring, 1902. Geb.
M. 7—
— Geschichte von Frankfurt am Main in
gedrangter Darstellung. Kleine Ausg.
Mit 29 Ansichten der Stadt aus alterer
und neuerer Zeit. VI, 196 S. gr. 8°.
Frankfurt a. M., Kesselring, 1903. M. 1.25.
Jung, Stadtarchivar Rudolf, und Arcbitekt
Julius Hiilsen. Die Baudenkmaler in
Frankfurt am Main. 5. Lfg. Mit 10 Taf.
u. 163 Textabbildgn. XIV, 265 S. Lex. 8°.
Frankfurt a. M., K. Ph. Volcker in Komm.,
1902. M. 6. — .
ReifTenstein , Carl Theodor. 32 [2 farb.]
Ansichten aus dem alten Frankfurt. V S.
Text. Imp. 40. Frankfurt a. M., C. Jugel,
1902. Geb. M. 30. — .
Freiburg i. Br.
Flamm, Hermann. Geschichtliche Orts-
beschreibung der Stadt Freiburg i. Br.
II. Bd. Hiiuserstand 1400 — 1806. Mit e.
Plane der Stadt v. 1685. (= Vertfffent-
lichungen aus dem Archiv der Stadt
Freiburg i. Br., IV. Thl.) gr. 8°. VII,
XLVT, 417 S. Freiburg i. Br., F. Wagner,
1903. M. 4.— ; geb. M. 5.50.
Friedrichstadt.
Krause, Paul. Friedrichstadt, eine hollan-
dische Stadt in Schleswig-Holstein. (Die
Denkmalpflege, V, 1903, S. 41.)
Fulda.
Geschichtsbliitter, Fuldaer. Zeitschrift f.
Gesch., Kunst-, Kultur- u. Wirthschafts-
gesch. insbes. d. ehem. Flirstenthums
Fulda. Monatsbeil. z. »Fuldaer Zeitung*.
Im Auftr. d. Fuldaer Geschichtsver. hrsg.
von Dr. Jos. Kartels, Archivar, Fulda.
Jahrg. 1. 8°. Fulda, Actiendr., 1902.
Genf.
Fatio, Guillaume. Topographie de Geneve
au temps de l'Esclade. (Nos artistes et
leurs aeuvres, Recueil genevois d'art,
Geneve 1902, 4. livr.)
Maisons, Les anciennes de Geneve, relev£s
photographiques de Fr£d. Boissonnas et
Cie. executes sous la Direction de Max
van Berchem. Deuxicme Serie. PI. 31
a 60. 40. (Geneve), 1902.
Gent.
Duijnstee. Martelaren der beeldstorraerij.
Geschiedkundig drama in drie bedrijven,
speelt te Gent in het Augustijnenklooster
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XCVII
en Gravenkasteel , 1578 — 1579. Met I
bronnen en geschiedkundige aantee-
keningen bewerkt door p. fr. Dominicus
Fr. X. P. D., ord. erem. St. Aug. Gent,
A. Siffer, 1903. In-8°, no p. fr. 1.50.
Hymans, Henri. Gand et Tournai; p;ir
H. H., conservateur a la Bibliotheque
royale, a Bruxelles. Petit in-4, 172 p.
avec 120 grav. Evreux, impr. Herissey.
Paris, libr. Laurens. 1902. fr. 4.—. [Les
Villes d'art celebres.]
Werveke, A. van. Ville de Gand. Ruines
de 1'abbaye de Saint Bavon. Guide du
visiteur. Stad Gent. Bouwvallen van de
Sint-Baafsabdij. Gids voor den bezoeker,
par A. van \\\, conservateur. Gand, J.
Vuylsteke, 1902. In- 1 2, 17 p. et une pi.
hors texte, textes francais et flamand en
regard, fr. — .25.
Genua.
Munro, A. O. Practical Guide to Genoa
and the Rivieras from Ventimiglia to
Florence, including Pisa and Leghorn.
With numerous Illusts. 2nd ed. I2m<>,
208 p. London, Simpkin, 1903. 2/.
Halle a. S.
Jahresbericht des thuringisch-sachsischen
Vereins f. Erforschung des vaterliindi-
schen Altertums u. Erhaltung seiner Denk-
male in Halle a. d. Saale f. 1901/ 1902.
44 S. gr. 8°. Halle, E. Anton in Komm.,
1903. M. 1. — .
Hanau.
Festschrift des Hanauer Geschichtsvereins
zum ooojiihrigen Jubilaum der Erhebung
Alt-Hanaus zur Stadt. V, 56 S. m. Ab-
bildungen u. 3 Taf. Lex. S°. Hanau,
(Claufl & Feddersen), 1903. M. 1.50.
Heidelberg.
Hirsch, Dr. phil. Fritz, groBh. Regierungs-
baumeister. Von den Universitatsge-
bauden in Heidelberg. Ein Beitrag zur
Baugeschichle der Stadt. 8°. VI, 129 S.
m. 6 Textabbildgn. Heidelberg, C. Winter,
1903. [Inhalt: I. Ante Heidelbergam
deletam. Die Bursen: Collegium Jacobiti-
cum, Burse vor dem Marktbrunnentore,
Der Juden Hauser, Dionysianum, Casi-
mirianura, Das Sapienzkolleg. Andere
LTnivcrsitatshauser. II. Post Heidelbergam
deletam. Jesuitenkirch u. Jesuitenkolleg.
Domus Wilhelmina. Karzergebaude.
Museum. Bibliothek. Die Universitats-
krankenhauser. Fraucnklinik. Irrenklinik.
Anatomie u. naturwissenschaftliche In-
stitute. Botanische Garten. Die staats-
wirtschaftliche hohe Schule. Personen-
register.]
Hildesheim.
Taxigfkeit, Ueber die, des Vereins zur Er-
XXVI . '
haltung der Kunstdenkmaler Hildesheims.
(Die Denkmalpflege, V, 1903, S. 31.)
J a u e r.
Schonaich, Oberlehr. Dr. G. Die alte
Furstentumshauptstadt Jauer. Bilder u.
Studien zur jauerschen Stadtgeschichte.
(In 5 Lfgn.) 1. Ug. (S. 1—48 m. Ab-
bildgn.) gr. 8°. Jauer, O. Hellmann,
1903. Subskr.-Pr. M. — .50.
Jesi.
Romagnoli, L. Guida illustrata di Jesi e
della vallata dell' Esino. Castelplanio,
L. Romagnoli, 1902, 160 fig., 203 p.
L. 1.50.
Kairo.
Franz-Pascha. Kairo. (~ BerUhmte Kunst-
stiitten, Nr. 21.) gr. 8°. V, 160 S. m.
Abbdgn. Leipzig, E. A. Seemann, 1903.
M. 4—
Kaisariani bei Athen.
Strzygowski, Josef. Kaiiaptav/j. Sufx^oXal
di t)jv taTopfatv T7j; dpyatot^pa; xpii-ta-
vix^; ~iTfffi iv KXAaoi. Ka-rd fxetdcppaitv
^-'jp. [I. AdfxTTpou. ('F/^T^epU dpyatoXo-
ytx^, 1902, S. 53.)
Koln.
Fiihrer, Neuester, durch Koln am Rhein.
Mit genauem Stadtplan u. zahlr. 111. 8°.
87 S. Koln, J. G. Schmitz, (1903).
M. — .50.
Klinkenberg, Dr. Josef. Kiiln und seine
Kirchen, nebst e. Fiihrer durch die Stadt.
(L'mschlag: Fiihrer durch Koln f. die Be-
sucher der 50. General -Versammlg. der
Katholiken Deutschlands.) 190 S. m.
Abbildgn., farb. Titelbild u. 1 Plan. 8°.
Koln, H. Theissing, 1903. M. 1. — .
Zilcken, Detta. Alt-Kiiln. (Wandern und
Reisen, hrsg. v. L. Schwann u. H. Biendl,
I. Jahrg., 11. Heft.)
Konstantinopel.
Notes in Constantinople. (The Builder,
I9°3» Jubr to December, S. 123.)
Oberhummer, Prof. Eugen. Melchior
Lorichs aus Flensburg: Konstantinopel
unter Suleiman dem Grossen. Aufge-
nommen im Jahre 1559. Nach der Iland-
zeichnung des Kiinstlers in der Universi-
tiits-Bibliothek zu Leiden m. anderen
alten Planen hrsg. u. erl&utert. 22 Licht-
dr.-Taf. u. 24 S. Text m. 17 Abbildgn.
31,5x44 cm. MUncben, R. Oldenbourg,
1902. In Mappe M. 30. — ; Ausg. in
Handkolorit M. 60. — .
Leiden.
Jaarboekje voor geschiedenis en oudheid-
kunde van Leiden, en Rijnland. Tevens
orgaan der vereeniging >Oud-Leiden«.
1904. 8°. 6, 53, 172, 2 S. m. afb. en
1 portr. Leiden, A. W. Sijthoff. f. 1.50.
VU
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XCVIII
Topographic
Leipzig.
Wustmann, G. Zur frtihesten Kunstge-
schichte Leipzigs. (Leipziger Tageblatt,
1903, Nr. 3io, S. 4437.)
L i m b u r g.
Royer, J. Limbourg et ses environs: La
Gileppe, Baraque Michel, Hertogenwald.
Bruxelles, Ed. et Jos. Nels, (1902). In-i6t
1 10 p., figg., gravv. et plans hors textc.
fr. I. — . [Guides Nels.J
Li vorno.
Piombanti, can. Giuseppe. Guida storica
ed artistica della citta e dei dintorni di
Li vorno. Dispensa 1. 2a ediz. totalmente
rifatta, riordinata e migliorata. Livorno,
tip. G. Kabbreschi, 1903, 8°, pagine 1-12.
L. — .10.
Low en.
Saint -Pierre, Ferrant. Monuments de
Louvain. Louvain, Ch. Peeters, 1903.
Pet. in-8° carre\ 142 p., grav. et pll. hors
texte. fr. 1.50.
London.
Dillon, Viscount. Souvenir Album of the
Tower of London. With Historical and
Descriptive Notes by the Curator of the
Tower Armouries. Fcap 4to. Gale &
Poldcn. i/.
Liibeck.
Chronikcn, Die, der niedersiichsischen Stadtc.
LUbeck. 3. Bd. (— Die Chroniken der
deutschen Stiidte vom 14. bis 16. Jahrh.
Auf Veranlassung Sr. Maj. des Konigs
v. Bayern hrsg. durch die histor. Com-
mission bei der konigl. Akadamie der
Wissenschaften. 28. Bd.) gr. 8°. XX,
462 S. Leipzig, S. Hirzel, 1902. M. 18.—.
Lttttich.
Bouille, Gris. Les rues de Liege. (Vieux
Liege, 1902, S. 232.)
Hermans, J. Liege au XI\re siecle. (Vieux-
Licge, 1902. S. 245 u. 258.)
Lyon.
Charlety, Sebastien. Bibliographic critique
de 1'histoire de Lyon, depuis les origines
jusqu'a 1789; par S. C, professeur-adjoint
a la Faculte des lettres de rUniversite"
de Lyon, ln-8, VII, 359 p. Lyon, imp.
et libr. Rey. Paris, lib. Picard et fils.
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105 p. 1 y 1.50. [Coleccion »Alegriac,
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unter Berticksicht. neuester Forschgn.
ausgearb. (In 20 Lfgn.) 1. Lfg. (S. 1
j bis 48 m. Abbildgn., 2 Taf. u. 1 Fksm.)
gr. 8°. Mannheim, J. Bensheimer's Verl.,
1902. M. — .50.
I Maria-Laach.
Kniel, P. Cornel., O. S. B. Die Benedik-
| tiner-Abtei Maria-Laach. Gedenkblatter
I aus Vergangenheit u. Gegenwart. 3. Aufl.
; 172 S. in. Abbildgn. gr. 8°. Koln, J. B.
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Strdhmfeld, Gustav. Metzinger Kronik.
Geschichte der Stadt Metzingen u. der
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(Reutlingen, C. F. Palm), 1902. M. 3. — .
Mont Saint-Michel.
Mont, Le, Saint-Michel et ses merveilles.
L'Abbaye, le Musee, la Ville et les Reni-
parts, d'apres les notes du marquis de
Tombelaine. In- 18 j^sus, 180 j>. avec
illustrations d'E. de Bergevin et cartes.
Poitiers, Soci^td fran^aise d'imprimerie
et de librairie. Mont Saint-Michel, les
marchands; a 1'abbaye et au musee. Les
lib.; les gares. Paris, 31, boulevard de
Montmorency, fr. 1. — .
Nantes.
Nantes. Guide Joanne. Petit in-160. 32 p.
avec grav., 1 plan hors texte. Coulom-
miers, imprim. Brodard. Paris, libr.
Hachette et Ce. 1903. fr. —.50. [Col-
lection des Guides Joanne.]
Nauru burg.
Bergner, Pfarrer Dr. Heinrich. Die Stadt
Naumburg. (= Beschreibcnde Darstellung
der alteren Bau- u. Kunstdenkmiiler der
Prov. Sachsen. Hrsg. von der historisch.
Commission flir die Prov. Sachsen und
Herzogt. Anhalt. 24. Heft.) gr. 8°. VIII,
322 S. m. 162 in den Text gedr. Ab-
bildgn., 20 Lichtdr.-Taf. u. I Stadtplan.
Halle, O. Hendel, 1903. M. 10. — .
Neapel.
Woerl's ReisehandbUcher. Illustrierter
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Topographic.
XCIX
Fohrer durch Neapel u. Umgebung. 5.
Aufl. 104 S. m. 2 Karten u. 1 Plan.
gr. 1 6°. Leipzig, Woerl's Reisebttcher-
Verlag, 1903. M. I. — .
Ntirnberg.
Ree, Paul Johannes. Nurnberger Ktinstler-
brief. (Kunstchronik, N. F., 14, 1902
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Richter, Gymn.-Prof. Wilhelra. Geschichte
der Stadt Paderborn. 2. Bd. (Bis Ende
des 30jahr. Krieges.) XX VIII, 308 S.
gr. 8°. Paderborn, Junfermann, 1903.
M. 3-7 S; Seb- M- 4-5°-
Paris.
Centennales, Les, parisiennes. (Paris de
1800 a 1900.) Panorama de la vie de
Paris a travers le XIX e siecle. Public
sous la direction de Charles Simond.
(Medailles: Portraits; Estarnpes; Decors
de theatre; Modeles d'ameublement, de
tapisserie, de bijouterie, d'orfevrerie; Mo-
numents; Tableaux; Scenes de la rue;
Photographies instantanees, etc.) Ouvrage
illustre de plus de 400 gravures repro-
duces en fac-simile, d'apres les docu-
ments des bibliotheques publiques, mu-
sees, collections particulieres. Grand
in-8 a 2 col., 196 p. Paris, impr. et
libr. Plon-Nourrit et C«. 1902.
Geffroy, Gustave. Les Bateaux de Paris.
Illustrations d'Eugene Bejot et Charles
Huard; gravures sur bois par J. Beltrand.
Petit in-4. 47 p. Paris, imp. de Na-
vailles-Banos ; libr. Bosse. 1903.
Joanne, Paul. Paris, Sevres, Saint-Cloud,
Versailles, Saint-Germain, Fontainebleau,
Saint-Denis, Chantilly (1903). In- 16,
LXXXVI, 431 p. avec 69 plans et cartes
dont 1 grand plan de Paris, divise en
4. coupures et annonces. Coulommiers,
irapr. Brodard. Paris, lib. Hachette et
Ce. 1903. fr. 5. — . [Collection des
Guides Joanne.]
Rochegude, Marquis de. Guide pratique
a. travers le vieux Paris (Maisons histo-
ric! ues ou curieuses; Anciens hotels pou-
vant etre visited en trentetrois itineraires
detailles); par le marquis de Rochegude.
2* edition. In- 16, 389 p. Coulommiers,
imp. Brodard. Paris, lib. Hachette et Ce.
1903. fr. 5.—.
Stever, H. Der stadtische Ausschufl ftir
das alte Paris. (Die Denkmalpflege, V,
1903, S. 57.)
Pa via.
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ment i pavesi dell' arte cristiana in Pavia.
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G. M. P. A small historical and artistic
Guide to Perugia. Tip. G. Donnini,
1903. 1 6°, 26 p. e. I tav.
Stefano, ab. Silvano de. Guida illustrata
della basilica abbaziale dei pp. benedet-
tini di S. Pietro in Perugia. Perugia,
Unione tip. coop., 1902, 160, 51 p. a 8
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P e s c i a.
Stiavelli, Carlo. La storia di Pescia nella
vita privata dal secolo XIV al XVIII
con append, di documenti ined. e 16
tav. ill. 8°. 202 p. Firenze, F. Lumachi,
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Berner, VI. Bd.) gr. 8°. VIII, 164 S.
m. 1 Plan. Berlin, A. Duncker, 1903.
M. 5. — ; geb. M. 7. — .
Prag.
Jansa, W. Alt-Prag. 80 Aquarelle. Mit
Begleittext v. J. Herain u. J. Kamper.
Ill, 118 S. Text. 45x35 cm. Prag,
B. KoCi, 1902. In Mappe M. 100. — .
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v. J. 25 [23] farb. Taf. m. franz5sisch.,
engl., tschech., russ., deutschen u. poln.
Unterschriften. qu. gr. 40. Prag, B. Ko£i,
1903. M. 4.50.
Ghetto, Das Prager. Unter Mitwirkg. von
Ignat Herrmann, DD. Jos. Teige u. Zikm.
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173 S. qu. gr. 40. Prag, »Unie«, 1903.
M. 15. — ; geb. M. 18. — .
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Ricci, Corrado. Ravenna. Bergamo, Isti-
tuto italiano d'arti grafiche, 1902, 8° fig.,
91 p. L. 3.50. [Collezione di mono-
grafie illustrate. Serie I: Italia artistica.
n. ..]
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Griere, J. Regensburg. Ein oberpfalzi-
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Kalenbach-Schroter, G. Bilder aus der
alten Stadt Rheinfelden, gezeichnet und
VII*
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verf. 96 S. m. Abbildgn. u. 1 Bildnis.
gr. 8°. Einsiedeln, (A.irau, Sauerlander's
Sort.), 1903. M. 2. — .
Riga.
Bilclcr aus Rigas Altstadt. Hergestellt v.
dcr photochcmigraph. Kunstanstalt Wil-
helm Scheffers in Riga nach eigenen
Aufnahmen. 8 Lichtdr.-Taf. 56x73 cm.
Riga, E. Hruhns, 1902. In Mappe M.
46.-.
Rom.
Ausflug, Ein, nach Rom. 136 Photo-
graphien der Haupt-Sehenswiirdigkeiten.
32 S. m. IV S. Text. qu. Imp. 40. Ber-
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Bruxelles. Bruxelles, imprimerie A. Le-
fevre, 1903. In-S°, 14 p. fr. 1. — ■. [Ex-
trait de la Revue de 1'Universite de Bru-
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Chevalier, C. Rome ct ses pontifes (Hi-
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C. Ch., camericr secret de Sa Saintete.
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Maine; libr. Maine et fils. [Bibliotheque
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zum XVI. Jahrh. 5. verb. Aufl. I. Bd.
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1 6th New ed. Revised. With Plans, &c,
bv St. Clair Baddelev. 2 vols. 121110.
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[ speciale de la projection, n° 107.]
Waal, Rekt. Anton de. Der Rompilger.
Wegweiser zu den wichtigsten Heilig-
I ttimem u. Sehcnswiirdigkeiten d. ewigcn
Stadt. 7., verb. u. erweit. Aufl. Mit Titel-
1 bild, 1 01 Abbildgn. im Text, 2 Karten
! u. 1 Plane der Stadt Rom. XVI, 403 S.
120. Freiburg i./B., Herder, 1903. Geb.
M. 5.-.
Wilson Heath, W. Guide to the Borgia
apartment. Roma, tip. Unione coop, editr.,
1902, 1 6°, 17 p. L. — .60.
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Rosenborg.
Liisberg, Bering. Rosenborg. Ein il-
lustrierter Fllhrer durch die chronologische
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risierte Ausgabe m. 135 111. 8°. 96 S.
Kopenhagen, Opsynet. Kr. 2. — .
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Beitrage zur Geschichte der Stadt Rostock.
Hrsg. im Auftrage des Vereins f. Rostocks
Alterthlimer v. Stadtarchiv. Karl Kopp-
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Topographic
CI
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Dusautoir, Augustin. Guide pratique du
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aumonier, membre titulaire de la Societe
des antiquaires de la Morinie. 2e edition.
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Schlosshof. Cultur-histor. Skizze d. k. u.
k. Lustschlosses Schlosshof a. d. March.
Mit 4 Vollbildem u. 32 Text-Illustr. Ill,
135 s- gr- Sc. Wien, C. v. Holzl, 1903.
M. 4.—.
Serpuchow.
Trenev, D. K. Serpuchovskij Vysockij
monastyr', ego ikony i dostopamjatnosti.
Istoriko-arcbaeologiceskoe opisanie, s
prilozeniem drevnich gramot, opisi mo-
nastyrja, 32 tabl. . . D. K. Trejiev. Izdano
priCerkovno-Archeol. OtdeleObsC. Ljubit.
Duchovn. Prosvescenija. 40. 152 S.
Moskva, M. Borisenko, 1902. [Das
Kloster von Hohcn-Serpuchov, seine
Heiligenbilder und Denkwtirdigkeiten.
Histor.-archiiol. Beschreibung, nebst alien
Urkunden, e. Inventar d. Klosters, 32 Taf.]
Sevilla.
Marcel, Pierre. Seville; par P. M., licencie
es lettres. In-8, 16 p. Melun, Imprim.
administrative. 1902. [Ministere de l'in-
struction publique et des beaux -arts.
Musee pedagogique, service des projec-
tion? lumineuses.j
Schmidt, Ch. Eugene. Seville. Traduit
et adapte par Henry Peyre. Petit in-4,
160 p. avec in grav. Evreux, impr.
Herissey. Paris, libr. Laurens. 1903.
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Costantino, fr. da Fametella. Le cappuc-
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notizie storiche. Siena, tip. s. Bernardino,
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With Illusts. Roy. 8vo, 526 p. J. Murray.
I Gardner, Edmond G. The Story of Siena
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I Large Paper ed. 8vo, 406 p. Dent. 10 6.
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1 schichte d. Oberrheins, 1899.J 8°. 51 S.
Mlinchen, 1903.
Stargard i. P.
I Boehmer, F. Beitriige zur Geschichte der
Stadt Stargard in Pomm. 2. Heft. Mit
I e. Karte v. Pommern nach der Landes-
1 theilung v. 1372 u. Abbildgn. der zweiten
I Anlage des Rathhauses. (S. 71 — ^44.)
4. Heft. Mit Abbildgn. stiidtischer Wehr-
| bauten u. e. Karte der Lmgegend von
Stargard am Ende des Mittelalters (S. 217
I bis 290). gr. 8°. Stargard, (Weber),
I 1902—3. a M. 1.75.
Strafiburg i. E.
I Hoeber, Karl. Strassburg als Kunststiitte.
(Das Kunstgewerbe in Elsafl-Lothringen,
III, 1902—3, S. 105.)
1 Leitschuh, Franz Friedrich. Stra<sburg.
I (== Beriihmte Kunststiitten, Nr. 18.) gr. 8°.
176 S. m. Abbildgn. Leipzig, E. A.
I Secmann, 1903. M. 4. — .
Touchemolin, A. (^uehjues souvenirs du
vieux Strasbourg. 21 Taf. m. 15 S. Text.
gr. 40. Strafiburg, J. Noiriel, 1903. M.
7.20.
Tiercent (Ille-et-Vilaine).
Guillotin de Corson. Le Tiercent (Ille-
et Vilaine) : la paroisse, les seigneurs, la
baronnie, le chateau (elude historique et
archeologique) ; par l'abbe (J. de C,
chanoine honoraire de l'eglise metro-
politaine de Rennes, ancien president de
la Societe archeologique dTlle-et -Vilaine.
In-8, 82 p. avec grav. Saint-Brieuc, imp.
Prud'homme. Rennes, lib. Plihon et
Horn may. 1903.
T o r t o s a.
Mestre y Noe, Francisco. El Palacio Epi-
scopal de Tortosa. Guia hist.-descript.
Monogr. premiada ... en los . Juegos
floral es celebr. en Tortosa . . . 1900. 8°.
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To urn ay.
Hymans, Henri. Les villes d'art celM)rcs,
(iand et Tournai. Petit in-40, l72 P-
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Paris, libr. Laurens. 1902. fr. 4. .
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W i e n.
Berichte und Mitteilungen des Altertums-
Vereines zu Wien. 38. Bd. 1. Abtlg.
XX, 95 S. gr. 4°. Wien, Ceroid & Co.
in Komm., 1903. M. 5.--.
Schimmer, K. E. Alt- u. Neu-Wien. Ge-
schichtc dcr osterreich. Kaiserstadt. 2.,
vollkommen neu bearb. Aufl. des gleich-
nam. Werkes v. Mor. Bermann. Mit tib.
500 Illustr., Ansichten, Portraten und
Planen. (In 30 Lfgn.) 1. Lfg. (S. I bis
48 m. 2 Taf.) gr. 8°. Wien, A. Hart-
leben, 1903. M. — .50.
W i s m a r.
Stdssel, M. Wismar. Ein nordisches Stadt-
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Schwann u. H. Biendl, 1. Jahrg., 10. Heft.)
Wittenberg.
Gurlitt, Cornelius. Die Lutherstadt Witten-
berg. (— Die Kunst. Sammlung illustr.
Monographien, hrsg. von Rich. Muther,
2. Bd.) 12°. 67 S. m. 8 Taf. Berlin, J.
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Worms.
Vom Rhein. Monatsschrift des Altertums-
Vereins der Stadt Worms. Im Auftr.
des Altertums-Vereins hrsg. von Afugust]
Weckerling. Jahrg. 1. 40. Worms, E.
Kranzblihler, 1902.
Wlirzburg.
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Ruttenauer, Benno. Die Kunst auf der
Gasse. Aus der Rokokostadt Wlirzburg.
(Die Rheinlande, V, 1902—03, S. 56.)
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Gurlitt, Cornelius. Historische Stadtebilder.
(I. Serie.) 4. Bd.: Bern— Zurich. 31
Lichtdr.-Taf. m. 26 S. illustr. Text. 49,3
X33.5 ^ni. Berlin, E. Wasmuth, 1903.
In Mappe M. 35. — .
Sammlungen.
Annuaire des bibliotheques et des archives
pour 1903 (18 c annee), publie sous les
auspices du ministere de l'instruction
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Danel. Paris, libr. Hachette et C«. 1903.
Antiquitaten-Rundschau. Wochenschrift f.
Museen, Sammler u. Antiquare. Sehrift-
leitung: Dr. Gust. Adf. Muller. Jahrg.
1903. 52 Hefte. (1. Heft. 16 S. mit
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und Geschichtsvereine und Uber die Ver-
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(Bonner JahrbUcher, H. 1 10, Bonn 1003,
•s- 3270
Berichte Uber die Tatigkcit der Provinzial-
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Sammlungen.
cm
museen in der Zeit vom I. April 1901
bis 31. Marz 1902. a) Bonn, b) Trier.
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152 pags. y 1 So hojas de modelos. 6
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Guida nuraismatica universale, contenente
6278 indirizzi e cenni storico-statistici
. di collezioni pubbliche e private, di nu-
mismatici, di societa e riviste numisma-
tiche, di incisioni, di monete e medaglie
e di negozianti di monete e di libri di
numismatica. 4a ediz. Milano, U. Hoepli
(tip. L. F. Cogliati), 1903, 160, XV,
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International Director)' of Booksellers and
Bibliophile's Manual. Including Lists
of the Public Libraries of the World,
Publishers, Book Collectors, Learned
Societies and Institutions, Universities,
and Colleges; also Bibliographies of Book
and Library Catalogues, Concordances,
Bookplates, &c, &e. Edit, by James
Clegg. Cr. 8vo, XII, 384 p. J. Clegg
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onder redactie van Emm. de Bom, V.
A. de La Montagne . . . Jg. 1. Nr. 1. 40.
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1903.
Was wird aus unseren Sammlungen? (Mit-
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CIV
Sammlungen.
theilungen u. Umfragen rur baycr. Volks-
kunde, 9. Jahrg., Nr. 1.)
Aachen.
Kisa, Anton. Museums- Verein zu Aachen.
Denkschrift aus Anlafl des 2 5Jiihrigen
Bestandes des Suermondt-Museums. Im
Auftrage des Vorstandes herausgegeben
von Dr. A. K., Museumsdirektor, unter
Mitwirkung von Dr. E. Firmenich-Richartz,
Bonn, Dr. A. Fritz, Aachen. Dr. M. Rooses,
Antwerpen, Dr. L. Scheibler, Bonn. 40.
92 S. m. 8 Vollbildern u. 14 Textillustra-
tionen. Aachen, Aachener Verlags- u.
Druckerei-Gesellschaft, 1903.
Amsterdam.
Catalogus van de textiele Kunst, wecfscls,
gobelins, tapijten, borduurwerk, in het
Nederlandsch Museum voor Geschiedenis
en Kunst te Amsterdam. Uitgegeven
door het Museum in 1903. [Inleiding:
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Pit, A. Nederlandsch Museum voor Ge-
schiedenis en Kunst. Aanwinsten. (Bulle-
tin uitgegeven door den Nederlandsch.
Oudheidkundigen Bond, IV, 1902,8. 19;
IV, 1903, S. 43, 123 u. 208.)
Steenhoff, W. Legaat A. A. des Tombe
aan het Rijksmuseum te Amsterdam.
(Bulletin uitgegeven door den Neder-
landsch. Oudheidkundigen Bond, IV,
1903, S. 120.)
Voll, Karl. Die Meisterwerke des Rijks-
Museums zu Amsterdam. 208 Kunstdr.
nach den Orig.-Gemalden. Mit einleit.
Text von Dr. K. V. Lex.-8°, XX, 208 S.
Miinchen, F. Hanfstaengl, 1903. Geb.
M. 12.—.
Angers.
Gonse, Louis. Le Musee de l'Hotel Pincc
a Angers. (La Revue de Tart ancien et
moderne, XIV, 1903, S. 177.)
Baden-Baden.
Sammlung Karl Gimbel, Baden-Baden.
Lichtdr. v. Jul. Manias, Straflburg i. E.
38 Taf. qu. gr. 40. Baden-Baden, (F.
Spies), 1903. Geb. M. 22. — .
Basel.
Gcwerbe-Museum zu Basel. Katalog dcr
Bibliothek. 8°. 261 S. Basel, Buch-
druckerei Kreis, 1903. fr. — .50.
Bayonne.
Grayer, Gustave. La Collection Bonnat
an Musee de Bayonne. (Gazette des beaux-
arts, 3 per., XXIX, 1903, S. 193.)
Bel voir Castle.
Manners, Lady Victoria. Notes on the
pictures at Belvoir Castle. (The Con-
noisseur, VI, 1903, S. 67 u. 131; VII,
1903. & 3-)
Bergamo.
Berenson, Bernhard. The Morelli Col-
lection at Bergamo. P. 2. (The Con-
noisseur, IV, 1902, S. 145; V, 1903, S. 3.)
Bergen.
Aarbog, Vestlandske Kunstindustrimuseums,
for Aaret 1902. 93 S. m. pi. Bergen.
Ikke i bogh.
Berlin.
Abendbeleuchtung im Berliner Kunstge-
werbemuseum. (Kunstchronik , N. F.,
14, 1902—03, Sp. 96.)
Beitrage zur Biicherkunde u. Philologie.
August Wilmanns zum 25. III. 1903 ge-
widmet. gr. 8°. VII, 551 S. m. 1 Taf.
Leipzig, O. Harrassowitz, 1903. M. 28. — .
Berichtc, Amtliche, aus den Konigl. Kunst-
sammlungen. 24. Jahrg. Nr. I. [K.
Museen, 1. Juli — 30. September 1902.]
Nr. 2. [K. Museen, 1. Oktobcr — 31. De-
zember 1902.] Nr. 3. [K. Museen,
1. Januar — 31. Miirz 1903.] Nr. 4. [I.
K. Museen, 1. April — 30. Juni 1903.
II. Zeughaus, 1. Juli 1902 — 30. Juni 1903.]
Beschreibung der Bildwerke der christlichen
Epochen in den konigl. Museen zu Berlin.
2. Aufl. (I. Tl.) Die Elfenbeinbildwerke.
45 Lichtdr.- Taf. Mit Text. 16 S. 40,2
zu 32 cm. Berlin, G. Reimer, 1902. In
Mappe M. 24. — .
Bode, Wilhelm. Kaiserliche Zuwendungen
an das Kaiser Friedrich-Museum in Berlin.
(Die Woche, 5. Jahrg., Berlin 1903,
Nr. 32.)
— Neue Erwerbungen der Berliner Galerie.
(Die Woche, 5. Jahrg., 1903, Nr. 5.)
Dincklage, Fr. Frh. v. Aus Zeughaus und
Ruhmeshalle. (YVestermann's illustr.
deutsche Monatshefte, 47. Jahrg., Nr. 7,
April 1903.)
Engel, Ed. Zum Neubau der kgl. Biblio-
thek in Berlin. (Tagliche Rundschau,
Berlin 1903, Cnterhaltungsbcilage Nr. 38.)
Fred, VV. The August Zeiss Collection
in Berlin. (The Connoisseur, VI, 1903,
S. 151.)
FUhrer durch die Sammlung des Kunst-
gewcrbe- Museums zu Berlin. 13. Aufl.
Hrsg. v. der General verwaltg. der konigl.
Museen. IV, 185 S. m. 2 Pliinen. 123.
Berlin, G. Reimer, 1902. M. — .70.
Gemalde-Galerie, Die, dcr konigl. Museen
zu Berlin. Mit erlaut. Text v. Jul. Meyer,
Wilh. Bode, Hugo v. Tschudi u. a.
Hrsg. v. der General -Verwaltg. 18. Lfg.
(Text S. 27 — 42 m. Abbildgn. u. 6 Taf.)
51x40 cm. Berlin, G. Grote, 1903.
M. 30. — ; Vorzugs-Drucke auf chine>.
Pap. M. 60.— ; KUnstler-Drucke auf
japan. Pap. M. 100. — . [Inhalt: VV. Bode,
Die zweite Bllite der hollandischen Malerei
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Sammlungen.
CV
unter dem Einflufl Rembrandts. I. Rem-
brandt.]
Gensel, Walter. Aus den Berliner Museen.
(Der Tanner, 5. Jahrg., Heft 6.)
Jessen, J. Berliner Privatkunstsammlungen.
(Reclam's Universum, 19. Jahrg., 39. u.
40. Heft.)
Kaiser Friedrich- Museum -Verein zu Berlin.
Bericht tiber das Geschaftsjahr 1902- 1903.
4°. 28 S. m. 1 Taf. u. 5 Textabbildgn.
Berlin, Dr. v. VV. BUxenstein, 1903.
[Nicht im Buchhandel.]
Katalog der Freiherrl. v. Lipperheide'schen
Kosttimbibliothek. Mit Abbildgn. 1 7.-20.
Lfg. (2. Bd. S. 97—288.) Lex. 8°. Berlin,
F. Lipperheide, 1902 — 3. Je M. 1. — .
Krieger, Bogdan. Die Hohenzollem und
ihre Bticher. (Hohenzollem -Jahrbuch,
VII, 1903, S. 112.)
Lessing, Julius. Kgl. Museen Berlin. Die
Gewebe-Sammlung des K. Kunstgewerbe-
Museums. Im amtlichen Auftrage heraus-
gegeben von J. L. 2 — 5. Lieferung. gr.
F°. 120 Tafeln. Lith. u. Druck der
. Kunstanstalt von Ernst Wasmuth. Berlin.
Berlin, Verlag von Ernst Wasmuth,
1901 — 1903.
Lippmann, Friedrich. Ueber die Samm-
lung der Handzeichnungen im kgl. Kupfer-
stichkabinettzu Berlin. Vortrag. (Sitzungs-
bericht I, 1903, der Berliner Kunstge-
schichtlichen Gesellschaft.)
— Zeichnungen alter Meister im Kupfer-
stichkabinet der k. Museen zu Berlin.
Hrsg. von F. L., Lichtdr. der Reichs-
druckerei. Lief. 1 — 6. (Je 10 Taf.)
48x35 cm. Berlin, G. Grote, 1903.
a M. 15.—.
Loeser, Charles. La Collection Beckerath
au Cabinet des Estampes de Berlin. I. II.
(Gazette des beaux-arts, 3 per., XXVIII,
1902, S. 471 u. XXIX, 1903, S. 47.)
Publikationen, Amtliche, der KOniglichen
Museen zu Berlin, 1903. 8°. 22 S. [Ver-
zeichnis, auf Verlangen gratis zu beziehen
von der Generalverwaltung.]
Seidel, Paul. Der neuhergestellte Thron-
saal Friedrichs des Grossen im Hohen-
zolIern-Museum. (Hohenzollern-Jahrbuch,
VII, 1903, S. 296.)
— Fiihrer durch das Hohenzollern-Museum
im Schlosse Monbijou. Neue Ausgabe.
8*. VIII, 84 S. Berlin, Giesecke&Devrient,
1903. M. —.30.
Springer, Jaro. Notes from Berlin. (The
Burlington Gazette, I, 5, 1903, S. 139.)
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Auer, H. Altes Historisches Museum in
Bern (Ansicht). Erbaut 1773 — 1775 von
Spriingli. (Berner Kunstdenkmiiler, Bd. 1,
Lief. 1.)
Boston.
Museum of Fine Arts Bulletin, published bi-
monthly. Vol. I, No. I — 5. Boston,
1903.
Bremen.
Zur Erwerbung eines Teils der Sammlung
H. Jungk. (Mitteil. d. Gewerbe-Museums
zu Bremen, 1902, 12.)
B r e s 1 a u.
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Berlin 1903, Nr. 4, S. LXXXVI.)
BrUgge.
Friedlander, Max J. Meisterwerke der
niederlandischen Malerei des XV. u. XVI.
Jahrh. auf der Ausstellung zu Brtigge
1902. 90 Lichtdr.- Taf. m. VIII, 35 S.
Text. gr. Fol. Mlinchen, Verlagsanstalt
F. Bruckmann, 1903. Geb. M. 100. — .
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de Hal, a Bruxelles. Armes et armures.
Industries d'art. Public par MM. J. D.,
conservateur aux musees royaux des arts
decoratifs et industriels; A. J. Kymeulen,
photographe-^diteur, a Bruxelles et Hector
Thys. Quinzieme livraison, contenant
5 pll. et 5 feuillets de texte explicatif.
[L'ouvrage complet formera deux volumes
in-folio, composes de 160 planches hors
texte en phototypie et de nombreuses
illustrations de texte.]
— Musees royaux des arts decoratifs et in-
dustriels. Catalogue des ivoires, des ob-
jets en nacre, en os grave et en cire
peinte, par J. D., conservateur. Bruxelles,
E. Bruylant, 1902. Pet. in-8°, xv, 130 p.
et pll. hors texte. fr. I. — .
Lagye, Gustavo. Catalogue annotc de la
bibliothcque artistique et littcraire de
1' Academic royale des beaux-arts et ecole
des arts decoratifs de la ville de Bruxelles.
Bruxelles, imprimerie E. Guyot, 1903,
Gr. in-8°, 1 170 p. fr. 20.— .
Loc, 1c baron A. de. Musees royaux du
Cinquantcnaire. Belgique ancienne. Plan
du guide en preparation, par le baron
A. de L., conservateur. Bruxelles, Hayez,
1903. In-8°. 7 p. fr. — .10.
Malderghem, Jean van. La porte de Hal
(de obbrussclsche poort), a Bruxelles.
Description et histoire, par J. van M.,
archiviste de la ville de Bruxelles. Bru-
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CVI
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xelles, imprimerie Em. Bruylant, " 1903.
In-8°, VIII, 52 p. fr. — .50. [Extraitdu
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de la porte de Hal.]
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Burlington Gazette, I, 4 — 5, 1903, S. 105
"• I35-)
Prelle de la Nieppe, Edgar de. Catalogue
des armes et armures du Musee de la
porte de Hal, par E. de P. de la X.,
conservateur adjoint; precede d'une notice
historique et archeologique sur la porte
de Hal, par Jean Van Malderghem, ar-
chiviste de la ville de Bruxelles. Bru-
xelles, imprimerie Em. Bruylant, 1902.
In-8°, VIII, LII, 566 p. fr. 5.—. [Publi-
cation des Musecs royaux des arts dc-
coratifs et industriels, a Bruxelles.]
— Musee royal d'armes et d'armures de la
porte de Hal. Guide de visiteur, par
E. de P. de la N., conservateur. Bru-
xelles, imprimerie E. Bruylant, 1903. In-
8°, 65 p., figg. fr. —.50.
Chantilly.
Joanne. Chantilly et le music Conde.
Guide Joanne. In- 16, 23 p. avec 2 plans,
2 cartes, 7 grav. et annonces. Coulom-
miers, imprimerie Brodard. Paris, librairie
Hachctte et C e. 1903. 50 cent. [Collec-
tion des Guides Joanne.]
Dresden.
Berichte aus den koniglichen Sammlungen
1902. [1. Gemaldegalerie. 2. Kupfer-
stichkabinett. 3. Skulpturensammlung.
4. Historisches Museum (RUstkammer u.
Gewehrgalerie). 5. Porzellansammlung.
6. Das GrUne Gewolbe. 7. Mtinzkabinett.
11. Die konigl. ofFentliche Bibliothek.J
40. 12 S.
FUhrer durch die konigl. Sammlungen zu
Dresden. Hrsg. v. der Generaldirektion
der konigl. Sammlgn. 7. Aufl. XXII,
296 S. m. 15 Bildern, 2 Gnmdrissen u.
I Plan. 8°. Dresden, (H. Burdach), 1903.
M. —.70.
L. S. Die vollendete Xeu-Ordnung der
Koniglichen Porzellan- und Gefafl-Samm-
lung in Dresden. (Sprechsaal, 1902, 46.)
Xcuordnung, Die, der Dresdner Porzellan-
sammlung. (Kunstchronik, N. F. , 14,
1902—03, Sp. 16.)
Werke alter Meister. 30 Reproduktionen
nach Originalen der konigl. Gemalde-
Galerie Dresden, gr. 40. 32 S. Dresden,
E. Beutelspacher, 1903. M. 1.50.
Edinburgh.
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Magazine of Art, 1903, January, S. 149.)
Eisleben.
Grofiler, Prof. Dr. H. Die Altcrttimer-
Sammlug des Vereins f. Geschichte u.
Alterttimer der Grafsch. Mansfeld. II. Die
vor- u. frUhgeschichtl. Altertiimersammlg.
des Landrats von Kerssenbrock, weiland
in Helmsdorf, Mansf. Seekr. [Aus: »Mans-
felder Blatter«.] 44 S. gr. 8°. Eisleben,
Selbstverlag, 1902. M. 1. — .
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Potier, Dr. Othmar Baron. Die RUstkammer
der Stadt Emden. (Zeitschrift f. histor.
Waffenkunde, III, 1903, S. 15 u. 102.)
— FUhrer durch die RUstkammer der Stadt
Emden. Hrsg. vom Magisrr. der Stadt
Emden. 8°. XXIV, 98 S. Emden, C.Zorn,
1903.
— Inventar der RUstkammer der Stadt
Emden. Aufgenommen u. bcarb. im
J. 1901. (Vorrede: L. FUrbringer, Ober-
bUrgermeister.) 40. X, 118 S. Emden,
Selbstverl. d. Magistr., 1903.
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der Stadt Flensburg. S°. XV, 14S St
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Chiavacci, Egisto. Guide de la galeric
royale du palais Pitti de Florence. 2mc
edition. Firenze, tip. Bencini, 1902, 160
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Donzelli, ing. Ernesto. Progetto della
biblioteca Nazionale di Firenze: relazione
Xapoli, tip. R. Pesole, 1903, 40, 42 p»
e 2 tav.
Schubring, Dr. Paul. Florenz. II. Bar-
gello, Domopera, Akademie, kleinere
Sammlgn. (Moderner Cicerone.) VII,
192 S. m. 134 Abbildgn. 120. Stuttgart,
Union, 1903. Geb. M. 2.50.
Vatti, Aristodemo. Le meraviglie delFarte
nelle rr. galeric fiorentine, con prefazione
del colonnello Bartalcsi. Galleria L'ffizi.
Vol. I (Pittura). Firenze, libr. Sale^iana,
I9°3, iS° "?•» ^\', 492 p. L. 4. — . In-
halt: I. La pittura ed i suoi primordf.
2. Brevi cenni biografici intorno ai piu
celebri maestri deH'arte.j
Frankfurt a. M.
Festschrift /ur Feier des 25JUhrigen Be-
stehens des stadtischen historischen Mu-
seums in Frankfurt am Main. Dem histor.
Museum dargebracht vom Verein f. Ge-
schichte u. Alterthumskunde. (\'orrede:
Rudolf Jung.) gr. 40. VII, 198 S. m.
Abbildgn. u. 8 Taf. Frankfurt a./M.,
(K. Tli. Viilcker), 1903. M. 12. — .
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Sammlungen.
CVII
Frederiksborg.
Museum, Det nationalhistoriske, paa Frede-
riksborg Slot 1902. 8°. 200 S. Frede-
riksborg-Museet, 1902. Kr. — .50.
— Tysk Udgave. 8°. 140 S. Frederiksborg-
Museet, 1902. Kr. — .50.
Gent.
Societe des amis du Musee de Gand. Rap-
port de la Commission administrative
pour l'annee 1901 — 1902 et liste des
membres au i«rdc;cembre 1902. Gand, A.
Siffer, 1902. In-8°. 18 p. fr. — .50. [Le
rapport est du a M. Joseph de Smet-
Duhayon, secretaire.]
Genua.
F. M. LTncident de la Collection Galliera.
(Les Arts, 1903, Mars, S. 33.)
Graz.
Lacher, Karl. Steiermarkisches Landes-
Museum >Joanneum« zu Graz. Katalog
der Landes-Bildergalerie in Graz. Im
Auftrage d. steierm. Landes-Ausschusses
verfaflt. 8°. 50 S. Graz, im Verlage
des Museums, 1903. 40 Heller.
Groningen.
Boer, T. J. de. De nieuwe inrichting van
het Groningsch Museum. (Bulletin uit-
gegeven door den Nederlandsch. Oudheid-
kundigen Bond, IV, 1903, S. 130.)
Haag.
Martin, \V. Le Musee de La Haye, 1895-
1902. (Les Arts, 1902, Decembre, S. 20.)
— Mauritshuis te 's-Gravenhage. (Bulletin
uitgegeven door den Nederlandsch. Oud-
heidkundigen Bond, IV, 1903, S. 127.)
Hamburg.
Lichtwark, Alfred. Justus Brinckmanns
I.ebenswerk. (Deutsche Monatsschrift flir
das gesamte Leben der Gegenwart, begr.
von J. Lohmeyer, 2. Jahrg., 10. Heft.)
Museum, Hamburgisches, f. Kunst u. Ge-
werbe. Festsitzung zur Feier d. 25jahrig.
Bestehens des Museums. 8°. 45 S. Ham-
burg, L. Voss, 1903.
Hermannstadt.
Csaici, M. Fine Auslese von 40 Gemalden
der Baron Brukenthalischen Gemalde-
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Linsingen, Ernst Karl v. Welfenfttrsten
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aus der kgl. Gemaldegallerie zu Herren-
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1902. Geb. M. 150. — ; Vorzugsausg.
auf Japanpap., geb. in Pergament M.
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Acquisitions, New, at the National Museums. |
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Reproduced by W. L. Bourke. Text by
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1903. En 4.0, 147 p. 2 y 2,50.
Gurrea y Aragon, Martin de. Discursos
de medallas y antigtiedades que compuso
el inuy ilustre Sr. D. Martin de Gurrea
y Aragon, Duque de Villahermosa, Conde
de Ribagorza, sacados ahora a luz por
la Kxcelentisima sehora dona Maria del
Carmen Aragon Azlor, actual Duquesa
del mismo ti'tulo, con una noticia de la
vida y escritos del autor, por D. Jose
Ramon Melida, de la Real Academia
de San Fernando, Bibliotecario da la
Casa de Villahermosa. (Al (in.) Fuc im-
preso cste libro ... en Madrid, en casa
de la Viuda £ hijos de M. Tello. . . ad-
ornado con fototipias sueltas e intercala-
das de Hauser y Menet, y fotograbados
de Laporta. Acabose el 20 de Marzo
de 1903. En 4.0 mayor, CLI, 145 p.
y 17 laminas. [No se ha puesto a la
venta. J
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Catalogue des peintures, sculptures, pastels,
aquarelles, dessins et objets d'art du
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Nizza.
Catalogue general du mus^e municipal des
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un reglement intcrieur, une notice histo-
rique, un catalogue chronologique de-
scriptif, une liste alphabetique des artistes,
avec indication de la place de leurs
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1902. St. Gallen, Zollikofersche Buch-
druckerei, 1902. 40. IV, S. 28 — 38.)
Schaffhausen.
(Boos, Heinrich.) Verzeichnis der Inku-
nabeln u. Handschriften der SchafThauser
Stadtbibliothek. Nebst e. Verzeichnis
des handschriftl. Nachlasses von Johannes
v. Mtiller. 157 S. gr. 8°. SchafThausen,
(C. Schoch), 1903. M. 2.—.
Sevres.
Auscher, E. S. Les Deux Premiers Con-
servateurs du musee de Sevres: Riocreux
et Champfleury. In-8, 19 p. avec por-
traits. Versailles, impr. Aubert; libr.
Bernard. 1903. [Revue de l'histoire de
Versailles et de Seine-et-Oise.]
Solothurn.
Denkschrift zur ErofTnung vom Museum u.
Saalbau der Stadt Solothurn. Ill, 252 S.
m. Abbildgn. u. 9 Taf. gr. 40. Solo-
thurn, (A. Liithy), 1902. M. 4. — .
Sorrent.
Montemayor, Giuseppe de. II museo
Correale a Sorrento. (Napoli, gennaio
1903.)
Stockholm.
Meddelanden fran Nationalmuseum, Nr.
27. Statens Konstsamlingars tillvaxt och
forvaltning 1902. Underdanig beriittelse
afgifven af Nationalmusei Intendent. 8°.
55 S. Stockholm, Centraltryckeriet, 1903.
Stuttgart.
Bach, Max. Die Neuordnung der Stutt-
garter Gemiildegalerie. (Kunstchronik,
N. F., 14, 1902—03, Sp. 113.)
Fllhrer durch die k. Staatssammlung vater-
landischer Altertumer in Stuttgart. Hrsg.
v. der Direktion. VIII, 51 S. 8°. Stutt-
gart, (H. Lindemann), 1902. M. 1.20.
Lange, Konrad. Decorative Gesichtspunkte
ftir die Neuordnung der Stuttgarter Ge-
maldegalerie. (Mitteilungen des wUrttem-
berg. Kunstgewerbevereins Stuttgart ,
1902 — 03, Heft 4 — 5.)
Verzeichnis der Gemalde-Sammlung im kgl.
Museum der bildenden Kiinste zu Stutt-
gart. LVI, 208 S. 8°. Stuttgart, W.
Spemann, 1903. M. 1. — .
Thorn.
Katalog der Bibliothek des Coppernicus-
Vereins flir Wissenschaft und Kunst zu
Thorn. (Verf. : stud. med. Gerbis.) (Vor-
rede: Arthur Semrau, Bibliothekar.) 8°.
58 S. Thorn, E. Lambeck, 1903.
Toulouse.
Desazars de Montgailhard. Les Anti-
quaires, les Collectionneurs et les Archeo-
logues d'autrefois a Toulouse; par M.
le baron D. de M., membre residant de
la Societe archeologique du midi de la
France. In-8, 23 p. Toulouse, imp.
Chauvin et fils. 1903. [Extrait du
Bulletin 30 de la Societe archeologique
du midi de la France.]
Trier.
Hettner, Mus.-Dir. Prof. Dr. Felix. Illu-
strierter Fiihrer durch das Provinzialmu-
seum in Trier. VI, 146 S. m. 143 Ab-
bildgn. u. Bildnis. gr. 8°. Trier, F. Lintz
in Komra., 1903. M. 1.60.
Turin.
Avetta, A. Secondo contributo di notizie
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codici mss. della Biblioteca Nazionale
(gia Universitaria) di Torino. (Central-
blatt f. Bibliothekswesen, XX, 1903, S.
209.)
Ulm.
Fiihrer durch die Sammlungen des Gewerbe-
Museums, zugl. Kunst- u. Altertums-Mu-
seum der Stadt Ulm. 8°. 8 S. Ulm, J.
Ebner, 1903.
Valetta.
Laking, Guy Francis. A catalogue of the
armour and arms in the armoury of the
knights of St. John of Jerusalem, now
in the palace, Valetta, Malta. By G. F.
L., keeper of the King's armoury. Publ.
under the Authority of . . . Lord Gren-
fell, Governor of Malta. 40. XVII, 52 S.,
32 Taf. London, Bradbury, Agnew &
^o., (1903).
V e n e d i g.
Cantalamessa, Giulio. Le mie relaxioni
col comune di Venezia sul proposito
della collezione Contarini. Venezia, tip.
F. Garzia e C, 1903, 8°, 16 p. [Edizione
fuori comraercio.]
Loeser, Carlo. Note intorno ai disegni
conservati nella R. Galleria di Venezia.
(Rassegna d'arte, III, 1903, S. 177.)
Paoletti, Prof. Pietro, fu Osvaldo. Cata-
logo delle R. R. Gallerie di Venezia.
8°. VI, 224 p. e 1 tav. Venezia, F. Vi-
sentini, 1903.
Vlissingen.
Dommisse, G. P. I. De geschiedenis van
de Westpoort te Vlissingen en de in
een harer torens gevestigde oudheids-
kamer, in verband met de historie der
stad. roy. 8, 18, 401 S. m. 21 afb., 4
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Ausstellungen. Versammlungen.
CXIII
plans, 2 portr. en I pit. Vlissingen, C.
N. J. de Vey Mestdagh. f. 3.75.
Wien.
Egger, Hermann. K. K. Hof-Bibliothek in
Wien. Kritisches Verzeicbnis d. Samm-
lung architektonischer Handzeichnungen
der K. K. Hofbibliothek. 1. Teil. 40.
78 S. m. 5 Taf. u. 20 Textill. Wien,
K. K. Hof- u. Staatsdruckerei, 1903.
Frimmel, Th. v. Die Sammiung Lobmeyr.
(Neue Freie Presse, Wien, 27. April 1903,
Xr. 13889, Feuilleton.)
G. Zur Wiener Stadtmuseumsfrage. (Die
Kunst-Halle, VIII, 1903, S. 101.)
Handzeichnungen alter Meister a. d. Alber-
tina. VII. Bd. 12. Lfg. u. VIII. Bd.
6.-8. Lfg. Wien, Schenk. Je M. 3. -.
Hoss, K. Die Museen Wiens im Dienste
der Volks- u. Jugenderziehung. (Wiener
Abendpost, Beilage zur Wiener Zeitung,
1903, Nr. 5.)
Katalog, Systematischer, der Bibliothek der
k. k. technischen Hochschule in Wien.
8. Heft.: VIII. Bildende KUnste und
Kunstgewerbe. IX. 1. Bauwesen irn All-
gemeinen. (Einschl. Baumechanik und
Baumaterialienkunde.) IX. 2. Hochbau-
kunde und Architektur. Lex. 8°. IV,
137 S. Wien. Ceroid & Co. in Komm.,
1902. M. I. — . 9. Heft: X. Bau- und
Ingenieurwissenschaften. Lex. 8°. IV,
121 S. Ebda. M. — .90.
Meisterwerke, Die, der Gemalde - Galerie
des Allerhochsten Kaiserhauses (kunst-
historisches Hofmuseum) in Wien. i.Lfg.
(11 Bl.) 68x51 cm. Berlin, Photograph.
Gesellschaft, 1902. M. 125. — .
Suida, Dr. Wilhelm. Wien. 1. Die kaiserl.
Gemalde-Galerie. Mit 105 Abbildgn. u.
e. Plan. (Moderner Cicerone.) VIII,
210 S. 120. Stuttgart, Union, 1903.
Geb. M. 3.—.
Zur Wiener Stadtmuseumsfrage. (Die
Kunst-Halle, hrsg. v. G. Galland, VIII,
Nr. 7.)
Zuwachs der Kaiserlichen Kunstsammlungen
im Jahre 1902: Milnzen- u. Medaillen-
sammlung, Sammiung kunstindustrieller
Gegenstande, Kaiserliche Gemaldegalerie,
Kupferstichsammlung der K. K. Hof-
bibliothek. (Kunst und Kunsthandwerk,
VI, 1903, S. 107.)
ZUrich.
Altertiimer, Kunstgewerbliche, aus dem
schweizerischen Landesmuseum in Zurich.
Offizielle Publikation, hrsg. v. der Mu-
seums-Direktion. 2. Lfg. (3 Lichtdr.-
Taf., I farb. Taf., I Vitrographietaf. m.
4 Bl. Erklargn. in deutscher u. franzbs.
Sprache.) 40,5x30 cm. Zurich, Hofer
& Co., 1902. M. 10. — .
XXVI
Jahresbericht, 11., des Schweizerisch. Landes-
museums in Zurich 1902. Dem Departe-
ment des Innern der schweiz. Eidgen.
erstattet im N. d. eidg. Landesmuseums-
kommission vom Vice-Director Dr. H.
Lehmann. Zurich, 1903. [Deutsch u.
franziisisch.]
Kesser, Hermann. Die Galerie Henneberg
in Zurich. (Kunstchronik, N. F., 14,
1902—03, Sp. 249 u. 315.)
Ausstellungen. Versammlungen.
Berling, Karl. AltertUmerausstellungen im
Konigreich Sachsen. (Deutsche Ge-
schichtsblatter, hrsg. v. A. Tille, 4. Bd.,
Heft 11 — 12.)
Aachen.
Suermondt-Museum, Stadtisches, in Aachen.
Ausstellung von Alten Gemalden aus
Privatbesitz, 27.Juni bis i5.Septbr. 1903.
Vorlaufiges Verzeichnis. 8°. 16 S. Druck
der Aachener Verlags- u. Druckerei-Ge-
sellschaft. M. — .10.
A gen.
Congres archeologique de France (soixante-
huitieme session). Seances generales
tenues a Agen et Auch en 1901 par la
Societe francaise d'archeologie pour la
conservation et la description des monu-
ments. In-8, LV, 454 p. avec planches
et carte. Caen, imprim. Delesques. Paris,
libr. Picard et fils. 1902.
Amsterdam.
Alfassa, Paul. L'exposition Van Goyen.
(La Revue de Tart ancien et modcrne,
XIV, 1903, S. 255.)
Goyen, Jean van. 10 photocollographies d'a-
pres des tableaux £ l'exposition d'Amster-
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\V. Versluys. In portef. f. 5. — .
Lugt, Frits. De Van Goyen-tentoonstelling
te Amsterdam. (Bulletin uitgegeven door
den Nederlandsch. Oudheidkundigen
Bond, IV, 1903, S. 218.)
Pit, A. Het vroege Nederlandsche land-
schap tentoongesteld in 's Rijks Prenten-
kabinet te Amsterdam. (Bulletin uit-
gegeven door den Nederlandsch. Oud-
heidkundigen Bond, IV, 1903, S. 211.)
Steenhoff, W. Van Goyen-Tentoonstelling
in Amsterdam. (Onze Kunst, II, 2, 1903,
S. 65.)
Auch.
Congres de la Societe francaise d'archeo-
logie tenu a Auch les 17 et 18 juin 1901.
Compte rendu et Memoires. In-8, 55 p.
Caen. impr. et libr. Delesques. 1902.
VIII
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\ I — -^-
CXIV
Ausstellungen. Versammlungen.
[Supplement au Bulletin de la Societe*
archeologique du Gers (1902).]
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Rieffel, Franz. Die Ausstellung von Kunst-
werken aus Privatbesitz in Baden-Baden
1902. (Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F.,
XIV, S. 63.)
[Schall, J. Th.] Zur Feier des sojahr.
Regierungs-Jubiliiums des Groflherzogs
Fricdrich, Ausstellung von Kunstwerken
aus Privatbesitz. Baden-Baden, 1902.
Mai-Oktober. Illustrierter Katalog. 144 S.,
n Taf. Baden-Baden, Kolblin, 1902.
[Enthalt Gemalde Hans Baldung Griens.]
Berlin.
Verzeichnis der Gemalde englischer Meister
des XVIII. Jahrhunderts. Sammlung
C. Sedelmeyer in Paris. Ausgest. Kunst-
handl. Eduard Schulte, Berlin 1903. 8°.
48 S. (Paris, Lahure, 1903.)
Braunschweig.
Steinacker, Karl. Ausstellung von FUrsten-
berger Porzellan aus Privatbesitz im
Herzoglichen Museum zu Braunschweig.
(Kunstchronik, N. F., 14, 1902 — 03,
Sp. 169.)
Breslau.
Ausstellung von Miniaturmalereien aus
schlesischem Besitze oder schlesischer
Herkunft. Veranst. vom Schles. Mus. f.
Kunstgewerbe u. Alterttimer zu Breslau
8. Okt.— 8. Nov. 1903. 8°. 74 S. Bres-
lau, Grass, Barth & Co., (1903).
BrUgge.
Bavay, G. de. Le Congres de la Federa-
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d'archeol. de Bruxelles, 1903, S. 451.)
Buschmann, P. I/esposizione dei primitivi
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No. 95, novembre 1902, S. 331.)
Cholleux, R. I.e. Les Primitifs flamands
a Bruges. (Le monde catholique illustre,
31 decembre 1902.)
Congres archeologique et historique tenu
a Bruges, du 10 au 14 aoiit 1902, sous
la direction de la Societd d'emulation.
Compte rendu par Leon de Foere, secre-
taire ge*ne>al du Congres. P. 1 — 3. Bruges,
imprimerie L. De Plancke, 1903. In-8°,
X, 609 p., figg. et pll. hors texte. [Publi-
cation de la Federation archeologique et
historique de Belgique. Forme le tome
XVI des Annales de la Federation archeo-
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Coucke, Jules. I /exposition des primitifs
flamands a Bruges. Essai psychologique.
Bruxelles, 62, Montagne de la Cour, 1902.
In- 1 2, 20 p. fr. — .75. [Publication de
L'humanite nouvelle.]
Dubois, Alain. Notes sur l'exposition des
primitifs flamands a Bruges (aotit 1902),
conference faite aux «Rosati picards*,
le 25 octobre 1902. In- 16, 29 p. Cay-
eux-sur-Mer, imp. Maison-Mabille ; col-
lection de la Picardie. 1902.
Dulberg, Franz. Die Ausstellung altnieder-
landischer Meister in BrUgge. (Zeitschrift
f. bild. Kunst, N. F., XIV, S. 49 u. 135.)
Exposition d'Art ancien a Bruges. (Revue
de Part chr^tien, 4e se>ie, XIII, 1902,
S. 518).
Exposition de peintures anciennes a Bruges.
(Revue de Tart chr^tien, 4* scrie, XIV,
1903, S. 84.)
Exposition des tableaux des maitres anciens
a Bruges en 1902. (Bruxelles, Desclee,
De Brouwer et Cie), 1902. In-40, 6 plan-
ches hors texte avec texte explicatif en
regard. [Supplement a la Revue de Part
Chretien, 6e livraison, novembre 1902.]
Fierens-Gevaert, H. L'exposition des primi-
tifs flamands a Bruges. (La Revue de
Part ancien et moderne, XII, 1902, S. 105,
172 u. 435.)
Friedlander, Max J. Die BrUgger Leih-
ausstellung von 1902. (Repertorium fUr
Kunstwissenschaft, XXVI, 1903, S. 66
u. 147.)
— Die Briigger Leihausstellung von 1902.
[Aus: »Repertor. f. Kunstwiss.*] V, 54 S.
gr. 8°. Berlin, G. Reimer, 1903. M. 1.60.
— Meisterwerke der niederliindischen Malerei
des XV. u. XVI. Jahrhunderts auf der
Ausstellung zu BrUgge 1902. F°. 34 S.
90 Taf. MUnchcn, F. Bruckmann A.-G.,
1903-
— Ueber die BrUgger Leihausstellung von
1902. Vortrag. (Sitzungsbericht IV, 1903,
der Berliner Kunstgeschichtlichen Gesell-
schaft.)
Goffin, Arnold. Bruges ; les primitifs, notes
cursives. (Durendal, 1902, S. 585.)
— Bruges. Les primitifs. Bruxelles, H.
Lamertin ; Bruxelles, imprimerie Ch. Bu-
lens, (1902). Gr. in-8°, 23 p., gravv. et
pll. hors texte. fr. I. — .
Goldschmidt, Toni. Ein RUckblick auf
die BrUgger Kunstausstellung. (Nord und
SUd, 26. Jahrg., 1903, Januar.)
Hymans, Henri. L'Exposition des primitifs
flamands a Bruges. III. (Gazette des
beaux-arts, 3 pc>., XXVIII, 1902, S. 280.)
— L'Exposition des primitifs flamands a
Bruges. Grand in-8, 91 p. avec grav.
dans le texte et hors texte. Paris, im-
prim. Renouard; Gazette des beaux-arts,
8, rue F^vart. 1902.
J. B. D. De tentoonstelling der vlaamsche
schilderwerken uit de XVd* eeuw. (Bie-
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Ausstellungen. Versammlungen.
CXV
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Marez, Hendrik de. De tentoonstelling der
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Marsaux, L. Exposition des Primitifs a
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(Revue de l'art chretien, 4e serie, XIV,
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Antwerpen, drukkerij J.-E. Buschmann,
1903. In-40, III, 40 p., pll. hors texte.
fr.4. — . [Elsevier's maandschrift, Winter-
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Merki, Charles. L'exposition de Bruges.
Paris, Societe du Mercure de France,
1902. In-8°. fr. 2.25. [Etude publiee
dans Mercure de France, tome XLIV,
n° 154 d'octobre 1902.]
Mont, Pol de. L'evolution de la peinture
neerlandaise aux XIIJc, XlVe et XV e
siecles et l'exposition a Bruges. 1. F°.
Haarlem, H. Kleinmann & Cie, (1903).
Popp, H. Briigge. (Freistatt. Kritische
Wochenschrift ftir Politik, Literatur und
Kunst, red. v. A. v. Bernus, 4. Jahrg.,
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Seidlitz, Woldemar v. Die altnieder-
landische Malerei. (Deutsche Rundschau,
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Uzanne, Octave. The Exhibition of Primi-
tive Art at Bruges. (The Connoisseur,
IV, 1902, S. 172.)
Vclde, A. Van de. Tentoonstelling van
oude vlaamsche kunst, te Brugge. (Kunst,
1902, S. 89, 105 u. 121.)
Venturi, Adolfo. L'esposizione dei primi-
tivi namminghi a Bruges. (Nuova Anto-
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Verkest, Medard. Tentoonstelling van
vlaamsche primitieven en oude meesters
te Brugge. Tongeren, drukkerij We
X)emarteau-Thys en zoon, 1903. In-12,
I 28 p. fr. 1.25.
Vogelsang, W. Tentoonstelling van Oud-
Vlaamsche Kunst te Brugge. (Bulletin
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Oudheidkundigen Bond, IV, 1902, S. 24.)
Weak, W. H. James. The early painters
of the Netherlands as illustrated by the
IJruges Exhibition of 1902. (The Bur-
lington Magazine, I, 1903, S. 41, 202,
3z&; II, 1903, S. 35 u. 326.)
"Woestijne, Karel van de. De vlaamsche
primitieven. Hoe ze waren te Brugge.
Antwerpen en Gent, De nederlandsche
boekhandel, 1 903. In-12, 125 p. fr. 2. — .
BrUssel.
J. H. Une Exposition au Cercle artistique
de Bruxelles. (Revue de Tart chretien,
4c serie, XIV, 1903, S. 207.)
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Congres archeologique de France (soixante-
septieme session). Seances gtme>ales
tenues a Chartres en 1900 par la Societd
francaise d'archeologie pour la conser-
vation et la description des monuments.
In-8, LV, 350 p. avec grav. et plans.
Caen, imp. Delesques. Paris, lib. Picard
et fils. 1 90 1.
Columbia.
Catalogue raisonnee. Works on bookbin-
ding. Practical and historical examples
of bookbindings of the XVI * to XIX th
centuries from the collection of Samuel
Putnam Avery, A. M., exhibited at Co-
lumbia Univ. Library 1903. (Vorrede:
Charles Alexander Nelson.) Privately
print. [Umschlag-Titel : Exhibition. Works
on bookbinding. Examples of bookbin-
dings.] 8°. XII, 108 p. New York,
(Columbia Univ. Libr., 1903).
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1903. Guide sommaire des excursions.
Namur, Aug. Godenne, 1903. In-8°,
46 p., figg. et gravv. hors texte.
Dresden.
Baumgarten, F. Nachklange zum Dresdener
Kunsterziehungstag. (Neue Jahrbiicher
f. das klass. Altertum, 6. Jahrg., 11. u.
12. Bandes 1. Heft.)
DUsseldorf.
Beissel und Schniitgen. Die kunst-
historisehe Ausstellung in DUsseldorf.
(Zeitschrift f. christl. Kunst, XV, 1902,
Sp- 307. 33*i 369; XVI, 1903, Sp. 25,
91, 125, 159, 187 u. 207.)
Clemen, Paul. Die rheinische und die
westfalische Kunst auf der Kunsthistori-
schen Ausstellung zu DUsseldorf 1902.
(Zeitschrift f. bild. Kunst, N. F., XIV,
S. 950
— Die rheinische und die westfalische
Kunst auf der kunsthistorischen Aus-
stellung zu DUsseldorf 1902. (Erweiterter
Sonderdr. aus der ^Zeitschrift f. bild.
Kunst«.) 47 S. m. Abbildgn. u. 5
[1 farb.j Taf. Fol. Leipzig, E. A. See-
mann, 1903. M. 4. — .
Fred, W. German Art-historical Exhibition
at DUsseldorf. (The Connoisseur, IV,
1902, S. 192.)
Kunstausstellung, Die deutschnationale, ver-
VIII*
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CXVI
Ausstellungen. Versammlungen.
bunden m. c. kunsthistorischen Aus-
stellung, Diisseldorf 1902 in ihren bcsten
Werken zugleich m. e. Auswahl guter
kunstgewerblicher Gegenstande. Hrsg.
in fiinf Sonderheften der »RheinIande«,
Monatsschrift f. deutsche Kunst. 76, 48,
44, 45 u. 59 S. m. Abbildgn. u. Taf.
gr. 40. Diisseldorf, A. Hagel, 1902.
M. 10. — ; geb. M. 12. — .
Neuwirth. Bericht liber den am 25. u. 26.
September 1902 zu Diisseldorf abge-
haltenen dritten Tag fUr Denkmalpflege.
(Mittheilungen der k. k. Central -Com-
mission, 3. Folge, I, 1902, Sp. 305; II.
1903, Sp. 135.)
Voss, Georg. Der Tag fiir Denkmalpflege
in Diisseldorf. (Kunstchronik, N. F., 14,
1902-03, Sp. 41.)
Erfurt.
Aufruf flir eine Kunstgeschichtliehe Aus-
stellung zu Erfurt im Sept. 1903. 8°.
6 Bl. Magdeburg, E. Baensch jun., (1903).
Becker, F. Die Kunstgeschichtliehe Aus-
stcllung in Erfurt. (Kunstchronik, N. F.,
14, 1902—03, Sp. 529.)
Friedlander. Erfurt. Kunstgeschichtliehe
Ausstellung, September 1903. (Reper-
torium flir Kunstwissenschaft, XXVI,
1903, s. 533.)
Katalog der Kunstgcschichtlichen Ausstel-
lung zu Erfurt. Sept. 1903. (Vorrede:
Dr. ()[skar] Doering, Provinzialkonservator
von Sachsen.) 8°. 88 S., 54 Taf.
Magdeburg, E. Baensch jun., (1903).
Kohte, Julius. Der vierte Tag flir Denk-
malpflege in Erfurt am 25. u. 26. Sep-
tember 1903. (Die Denkmalpflege, V,
1903, S. 105.)
Freiburg i. Br.
Albert, Dr. Peter P. Die Geschichts- und
Altertumsvereine Badens. Vortrag bei d.
49. General versammlung d. Deutschen
Geschichts- u. Altertumsvereine 1901 zu
Freiburg i. Br. von Dr. P. P. A., Archivar,
Freiburg i. Br. 8°. 32 S. Heidelberg,
C. Winter, 1903.
Genf.
Crosnier, Jules. Introduction a l'expo-
sition retrospective de miniatures et
d'objets de parure. (Xos anciens et
leurs oeuvre, Recueil genevois d'art,
1903, 2e livr.)
Haag.
H. H. Une Exposition de portraits anciens
a la Have. (La Chronique des arts,
1903, S. 219.)
Martin, \V. Tentoonstelling van Oude
Portretten in den Haagschen Kunstkring.
(Bulletin uitgegeven door den Neder-
landsch. Oudheidkundigen Bond, IV,
1903, .s. 177.)
Steenhoff, W. De tentoonstelling van
oude portretten in den Haag. (Onze
Kunst, II, 2, 1903, S. 97.)
Halle a. S.
B. Die Ausstellung von Kunsrwerken aus
Hallischem Privatbesitz. (Kunstchronik,
N. F., 14, 1902 — 03, Sp. 98.)
Heidelberg.
Plastik, Florentinische, des 15. Jahrh. im
Kunstverein (zu Heidelberg). Fiihrer f.
die Betrachtg. der Ausstellg. 21 S. gr. 8°.
Heidelberg, (vorm. Weiss'sche Univ.-
Buchh.), 1903. M. — .50.
Innsbruck.
Ausstellung, Die kunsthistorische, in Inns-
bruck. (Der Kunstfreund, red. v. H. v.
Worndle, XVIII, 9.)
Bericht, Offizieller, liber die Verhandlungen
des VII. international en kunsthistorischen
Kongresses in Innsbruck, 9. bis 12. IX.
1902. 110S. Lex. 8°. Berlin, (Leipzig,
E. A. Seemann), 1903. M. 2. — .
Congrefl, Der internationale VII. kunst-
historische, in Innsbruck. (Der Kunst-
freund, red. v. H. v. Worndle, XVIII,
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Ranftl. Der kunsthistorische Kongrefl in
Innsbruck. (Historisch-politische Blatter,
i3*> 40
Z[immermann], M. G. Der VII. inter-
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Innsbruck. (Kunstchronik, N. F., 14,
1902—03, Sp. 7 u. 47.)
Leipzig.
Leisching, J. Ausstellung von Farben-
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(Mitteilungen der Gesellschaft f. verviel-
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Bode, Wilhelm. Die diesjahrige Winter-
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Academy. (Kunst und Klinstler, I, 1903,
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Burlington Fine-Arts Club. (The Athenaeum,
1903, January to June, S. 154.)
Catalogue of the Loan Exhibition of Bri-
tish Engraving and Etching. Held at
the Victoria and Albert-Museum, South
Kensington, 1903. 8°. XII, 150 p. Lon-
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Douglas, Langton. The Exhibition of
Old Masters at the Burlington Fine Arts
Club. (The Connoisseur, V, 1903, S.
271.)
Esposizioni londinesi. (L'Arte, VI, 1903,
S. 107.)
Exhibition of Work's by the Old Masters
and Deceased Masters of the British
School, including a Collection of paint-
ings by Albert Cuyp and of Works by
some English Landscape-Painters. Royal
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Ausstellungen. Versammlungen.
CXVII
Academy of Arts. Winter Exhibition 1903.
London, William Clowes and Sons.
6d.
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Magazine, II, 1903, S. 51.)
H. C. Les »maitres anciens« a la Royal
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S- 35-)
Loan Exhibition, The, at Burlington House.
(The Builder, 1903, January to June, S.
31.)
Old Masters, The, at Burlington House.
(The Athenaeum, 1903, January to June,
S. 89, 120 u. 153.)
Radford, Emest. Loan Exhibition of Bri-
tish Engraving and Etching, South Ken-
sington. (The Connoisseur, VI, 1903,
S. 225.)
Richter, Louise M. The Old Masters at
Burlington House. (The Connoisseur,
V, 1903, S. 261.)
Winter Exhibition, The, at Burlington House.
(The Art Journal, 1903, S. 83.)
Madrid.
Castillo y Soriano, Jose del. Reseha hi-
storica de la Asociacion de Escritores y
Artistas espanoles, por el Secretario de
la misma J. del C. y S. Madrid. Impr.
de los Hijos de M. G. Hernandez. 1903.
En 1 2.0, 98 p. [No se ha puesto a la
venta.]
Mainz.
Gutenberg-Gesellschaft. Erster Jahresbe-
rieht erstattet in der General-Versamm-
lung zu Mainz am 24. Juni 1902. 8°.
33 S. Mainz, Mainzer Verlagsanstalt u.
Druckerei A.-G., 1902.
Paris.
A. D. Exposition des Primitifs francais.
(Revue de l'art Chretien, 4e serie, XIV,
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Clement - Janin. Holzschnittausstellung.
(Mitteilungen der Gesellschaft f. verviel-
falt. Kunst, 1903, S. 9.)
Exposition de la Gravure sur Bois a l'Ecole
Nationale des Beaux- Arts, Mai 1902. Ca-
talogue avec notices historiques et cri-
tiques par H. Bouchot, S. Claudin, J.
Masson, H. Beraldi et S. Bing. Paris,
Librairie de l'Art ancien et moderne.
Oiliet, Lucien. Historique des Salons et
de leurs livrets. (I/Ami des monuments,
XVII, 1903, S. 66.)
Havard, Henry. L'exposition de l'habi-
tation. (La Revue de l'art ancien et
moderne, XIV, 1903, S. 265.)
Koectilin, Raymond. L'art musulman. A
propos de l'exposition du Pavilion de
>farsan. (La Revue de Part ancien et
moderne, XIII, 1903, S. 409.)
Marx, Roger. Exposition centennale de
Part francais (1800-1900); par R. M., in-
specteur general des musees des de-
partements. In-fol., IV, 53 p. avec grav.
Macon, imp. Protat freres. Paris, lib.
Levy.
Merki, Ch. L'Exposition des Primitifs
franqais. (Mercure de France, 1903,
Septembre.)
Migeon, Gaston. Catalogue descriptif de
l'exposition des arts musulmans (Union
centrale des arts decoratifs, pavilion de
Marsan); par M. G. M., conservateur des
objets d'art au Musee du Louvre, M.
Max Van Berchem, attache a l'lnstitut
archeologique du Caire, et M. Huart,
professeur a l'Ecole des langues oricn-
tales vivantes. In- 1 8 jesus, 120 p. Poi-
tiers, Societe francaise d'imp. et de lib.
Paris, lib. de la meme maison. 1903.
— L'Exposition des arts Musulmans a
1* Union centrale des arts decoratifs. (Ga-
zette des beaux-arts, 3 per., XXIX, 1903,
S. 353-)
— L'Exposition des Arts Musulmans au
Musee des Arts decoratifs. (Les Arts,
1903, Avril, S. 2.)
Molinier, Emile, et Frantz Marcou. Ex-
position retrospective de l'art francais.
Des origines h 1800; par E. M„ conser-
vateur au Musee du Louvre, et F. M„
inspecteur general des monuments histo-
riques. In-fol., IV, 144 p. avec grav.
Macon, imprim. Protat freres. Paris, lib.
Levy.
Radisics, Eugene. Le Pavilion historique
de la Hongrie a l'Exposition universelle
de Paris en 1900, ouvrage public sous
les auspices et avec les souscriptions des
ministeres royaux hongrois de l'instruction
publique et du commerce, redige avec
le concours de MM. Emeric de Szalay
et Arpad de (ivory, par M. E. de R.,
directeur du Musee hongrois des arts
decoratifs. In-fol., 90 p. avec grav.
Macon, imp. Protat freres. Paris, libr.
centrale des Beaux-Arts, 13, rue Lafayette.
Rorthays, G. de. Notes from France:
Exhibition of French Primitives. (The
Burlington Magazine, II, 1903, S. 373.)
Sarre, • Fr. Die Ausstellung muhamme-
danischer Kunst in Paris, (Repertorium
flir Kunstwisssenschaft, XXVI, 1903, S.
521.) ,
Travers, Emile. L'archeolngie monumen-
tale aux Salons de Paris en 1902. (Bulle-
tin monumental, 1902, S. 371.)
Wiessing, H. Een toonstelling van Perzi-
sche Kunst te Parijs. (Onze Kunst, II,
2, 1903, S. 87.)
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CXVIII
Versteigerungen.
Piacenza.
Ferrari Giulio. Ricordo della mostra
d'arte sacra, settembre-ottobre 1902 (Co-
mitato pro-Pi acenza). Piacenza, stab.
tip. Piacentino, 1903, 8° fig., p. 53. L. 1.
Reichenberg.
Ausstellung, Die keramische, im nord-
bohmischen Gewerbemuseum. (Zentral-Bl.
f. Glasind. und Keramik, 587.)
Braun, Edmund Wilhelm. Die keramische
Ausstellung i. Nordbbhmischen Gewerbe-
museum zu Reichenberg. (Kunst und
Kunsthandwerk, VI, 1903, S 93.)
Pazaurek, G. E. Die Reichenberger kerami-
sche Ausstellung. (Sprechsaal, XXXVI, 4.)
Unsere keramische Ausstellung. (Mitteil. d.
Nordbfchm. Gewerbe-Museums, XX, 4.)
Riga.
Scherwinsky, Gewerbeschul-Dir. M. Die
Rigaer Jubilaums -Ausstellung 1901 in
Bild und Wort. Ein Erinnerungsbuch.
267 S. m. Abbildgn. gr. 40. Riga,
Jonck & Poliewsky, 1902. Geb. M. 30. — .
Rom.
Atti del II. congresso internazionale di ar-
cheologia cristiana, tenuto in Roma nel
l'aprile 1900: dissertazioni letto o presen-
tate e resoconto di tutte le sedute. 40
fig. VII, 445 p. Roma, libr. Spithover
(tip. della l'ace di F. Cuggiani), 1902.
(Merangeli, Giovanni.) Conventus alter de
archaeologia Christiana Romae habendus.
Commentarius authenticus. [In 6 Numm.]
8°. 306 p. Roma, G. Bertero, (1900).
Tongern.
Arendt. Ch. Rapport succinct sur le
Congres historique et archeologique tenu
a Tongres. (Publications de la Section
historique de l'lnstitut Grand-Ducal de
Luxembourg, vol. LI, 1903, S. 475.)
Troppau.
Braun, E. W. Die Altwiener Porzellan-
ausstellung im Kaiser Franz Joseph-Mu-
seum in Troppau. (Zentral-Bl. f. Glas-
Industrie u. Keramik, 607.)
— Kaiser Franz Josef-Museum in Troppau.
Katalog der Ausstellung von Alt-Wiener
Porzellan, 17 18 — 1864. 16. Sept. bis
2. Nov. 1903. 8°. LXII, 87 S. Im Selbst-
verlage des Kuratoriums des Kaiser Franz
Josef-Museums in Troppau.
Folnesics, Josef. Ausstellung von Alt-
Wiener Porzellan in Troppau. (Kunst
und Kunsthandwerk, VI, 1903, S. 445.)
W i e n.
Ausstellung Alt-Wiener Porzellan. (Kunst-
gewerbeblatt, N. F., XIV, 1903, S. 223.)
Facher und Uhren. Eine Ausstellung im
Ungar. Ministerium zu Wien. (Deutsche
Goldschmiedezeitung, VI, 11.)
Hevesi, Ludwig. Die Ausstellung von
Bucheinbanden und Vorsatzpapieren im
Osterreichischen Museum. (Kunst und
Kunsthandwerk, VI, 1903, S. 121.)
Hevesi, Ludwig. Eine Ausstellung alter
Facher u. Uhren in Wien. (Kunst und
Kunsthandwerk, VI, 1903, S. 196.)
Leisching, Julius. Die Ausstellung von
Bucheinbanden und Vorsatzpapieren ira
K. K. Osterreichischen Museum. (Zeit-
schrift f. Bticherfreunde, VII, 1903—04,
S. 76.)
Neuwirth, J. Die Miniaturenausstellung
der WTiener Hof bibliothek u. ihrer bohmi-
schen Handschriftengruppe. (Deutsche
Arbeit. Zeitschrift f. das geistige Leben
der Deutschen in Bohmen, 2. Jabrgang,
Heft 2.)
' Versteigerungen.
Antiquitaten-Rundschau. Wochenschrift f.
Museen, Sammler u. Antiquare. Schrift-
leitung: Dr. Gustav Adolf Miiller. Heft 1.
4°. Berlin-Charlottenburg, Verl. Continent,
1903.
Hofstede de Groot, Corn. Veilingen.
(Bulletin uitgegeven door den Neder-
landsch.Oudheidkundigen Bond, VI, 1903,
S. 96.)
Kunstmarkt, Der. Wochenschrift f. Kenner
und Sammler. Hrsg. von E. A. Seemann,
Leipzig. Beiblatt d. Zeitschrift f. bildende
Kunst. Jg. 1. No. 1. 40. (Leipzig, E. A.
Seemann, 1903.)
Tolosani, Demetrio. Pro antiquaria [a
proposito di articoli scritti contro i com-
mercianti di oggetti antichi]. Firenze,
tip. S. Landi, 1903, 8°, 23 p.
Amsterdam.
Catalogue d'antiquites et d'objets d'art pro-
venant de la succession de Mc Douairc
H. A. Insinger van Loon. Vente 28 — 30
Avril 1903 a Amsterdam, Frederik Muller.
8°. 1029 Nrn.
Catalogue. Estampes, eaux-fortes, dessins,
formant une partie des collections de
M. H. M. Montauban van Swijndregt et
du Cercle des peintres Pictura a Gronin-
gue. Vente a Amsterdam les 25 e et 26 e
Novembre 1903 chez MM. R. W. P. de
Vries, experts. 8°. 1434 Nrn.
Catalogue des Bibliotheques des Chateaux
de Heeswijk et de Haaren, etc. Vente
26 — 29 Janvier 1903, Amsterdam. Fre-
derik Muller & Cie. 8°. 1837 Nrn.
Catalogue des tableaux anciens formant les
Collections Rene della Faille de Waer-
loos a An vers, . . . Vente 7 Juillct 1903
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Versteigerungen.
CXIX
a Amsterdam, Frederik Muller & Cie. 8°.
195 Nrn.
Sasse van Ysselt, A. van. Veiling Hees-
wijk. (Bulletin uitgegeven door den
Nederlandsch. Oudheidkundigen Bond,
IV, 1902, s. 37.)
Tapisseries, tableaux anciens, porcelaines,
faiences, meubles, argenterie, bijoux.
Collections: Mc Douaire H. A. Insinger-
Van Loon, . . . Vente 17 — 20 Novembre
1903 a Amsterdam. Frederik Muller &
Cie. 8°. 1 33 1 Nrn.
Topographie de l'Europe. Catalogue a prix
marques de cartes ancicnnes et de vues
dc villes, XVmc — XIXme siecle. Amster-
dam, Frederik Muller & Cie, Doelenstraat
10, 1903. 8°. 3718 Nrn.
Antwerpen.
Whitby, J. The Huybrechts Collection
recently sold at Antwerp. (The Con-
noisseur, IV, 1902, S. 15.)
Berlin.
Alt-Meiflener Porxellan. Versteigerung den
27. Oktober 1903. Rudolf Lepke's Kunst-
Auctions-Haus Berlin. 40. 487 Nrn.
Antiquitaten-Sammlung H. Jungk, Bremen.
Abt. I. Kunstgewerbliche Arbeiten . . .
Versteigerung den 17. u. 18. Marz 1903.
Rudolph Lepke's Kunst- Auctions -Haus
Berlin. 40. 250 Nrn.
Antiquitaten und Gemalde aus der Samm-
lung VVilhelm Itzinger - Berlin. Ver-
steigerung den 21. April 1903. Rudolph
Lepke's Kunst -Auctions -Haus: Ratal og
Nr. 1339. 4°. 204 Nrn.
Kupferstich-Auktion LXVUI von Amsler &
Ruthardt. Katalog seltener Kupferstiche,
Radierungen, Holzschnitte, Clairobscurs
alter und altester Meister, zum Teil
Dubletten der Koniglichen Museen . . .
Versteigerung zu Berlin den 4. Mai (1903).
8°. 2295 Nrn.
Oelgemalde alter Meister des XVI.-XV1II.
Jahrhunderts. Portraits. Gothische Holz-
sculpturen. Versteigerung den 24. Februar
1903. Rudolph Lepke's Kunst- Auctions-
Haus Berlin. 40. 224 Nrn.
Sammlung H. Jungk, Bremen, Abtheilung IT.
Ornamentstich - Sammlung, Kupfer- u.
Holzschnittwerke, Incunabeldrucke, Per-
gament-Manuskripte. Versteigerung den
1 9. Marz 1903. R. Lepke's Kunst- Auctions-
Haus Berlin : Katalog Nr. 1333. 40. 684 Nrn.
BrUssel.
Catalogue des tableaux de maitres anciens
et modernes des ccoles flamande, fran-
gaise, hollandaise, etc., composant la
Collection de M. J.-L. Menke, dont la
vente aura lieu 23 — 24 Novembre 1903
a Bruxelles en la Galerie J. & A. Le Roy,
freres, Rue du Grand Cerf, 40. 1 30 Nrn.
Florenz.
Catalogue de la collection Lamponi de Flo-
rence: peintures et dessins de diverses
ecoles et epoques, objets d'art et de cu-
riosite dont la vente aux encheres aura
lieu a Florence, 15 via borgo Pinti le
10 novembre 1902 et jours suivants.
Firenze, tip. A. Meozzi, 1902, 40, 87 p.
Frankfurt a. M.
Catalog. Sammlung des Herrn Commerzien-
rath C. F. Pogge in Greifswald. Abt. 1 — 2.
Miinzen und Medaillen. Auction den
23. u. 30. November 1903 unter Leitung
von L. & L. Hamburger in Frankfurt a. M.
8°. Frankfurt a. M., Druck von A. Oster-
rieth, 1903. 1823 u. 4571 Nrn.
Haag.
Catalogue d'estampes anciennes et dc por-
traits. Provenant des successions de
Messieurs P. du Rieu, A. A. Des Tombe
et Jhr. G. Alberda van Menkema et
Dijksterhuis. Dont la vente aura lieu
du 19 au 24 Novembre 1903 a la Librairie
\V. P. van Stockum & fils, Buitenhof 36,
La Have. 8°. 1823 Nrn.
Kiiln.
Auktion der Sammlung Groflmann. (Kunst-
chronik, N. F., 14, 1902 — 03, Sp. 101.)
Katalog der Kunst -Sammlung des Herrn
Geh. Reg.-Rathes a. D. VVilh. Moller zu
Liineburg. Arbeiten in Thon . . . Ver-
steigerung zu Koln den 18.-23. Mai 1903,
bei J. M. Heberle (H. Lempertz' Stfhne).
40. Kiiln, M. Du Mont Schauberg, 1903.
151 1 Nrn.
Katalog der Kunst-Sammlung Dr. \V. Voos,
Schloss Schleveringhoven. Arbeiten in
Thon . . . Versteigerung zu Koln den
25. — 27. Mai 1903 bei J. M. Heberle (H.
Lempertz' Sohne). 40. Koln, M. Du Mont
Schauberg, 1903. 10 17 Nrn.
Katalog der Kunst-Sammlung Karl Thewalt
in Koln, Burgcrmeister a. D. Kunst-
topferei, Kruge, Glas, Elfenbein . . .
Versteigerung zu Koln den 4. — 14. No-
vember 1903 unter Leitung von' Peter
Hanstein. Fol. Kiiln, 1903. 2329 Nrn.
Katalog der nachgclassenen Kunst-Samm-
lung des Herrn Geh. Regierungsrath a. D.
Wilh. Moller zu Liineburg. Arbeiten in
Thon . . . Versteigerung zu Kiiln den
18. — 23. Mai 1903 bei J. M. Heberle (H.
Lempertz' Sonne). 40. Koln, M. DuMont
Schauberg, 1903. 151 1 Nrn.
Katalog der StofT-Sammlung Dr. Wilh. Voos,
Schloss Scheveringhoven, Rheinland. Ver-
steigerung zu Kiiln den 26. u. 27. Marz
1903 bei J. M. Heberle (H. Lempertz'
Siihne). 8°. Kiiln, Druck von M. Du Mont
Schauberg, 1 903. 963 Nrn.
Katalog werthvoller Handzeichnungen iiltercr
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cxx
Versteigerungen.
und neuerer Meister aller Schulen, dabei
viele aus der Freiherrl. von Elking'schen
Sammlung. Versteigerung zu Koln den
28.— 30. October 1903 bei J. M. Heberle
(H. Lempertz* Sohne). 8°. Koln, Druck
von M. DuMont Schauberg. 605 Nrn.
Leipzig.
Auction, Leipziger, von C G. Boerner,
LXXVI. Das radierte Werk des Daniel
Chodowiecki aus dem einander folgenden
Besitz des Kiinstlers selbst, Henriette
Chodowiecka, Familie Lecoq, Familie
Bunsen in Amerika. Versteigerung den
25. November 1903. 8°. 607 Nrn.
London.
Catalogue of a selected portion of the
library of valuable and choice Illuminated
and other Manuscripts and rare printed
books, the property of the late Rev.
Walter Sneyd, M. A. Which will be sold
by auction . . . 1903. 8°. 121 p. London,
Sotheby, Wilkinson & Hodge, 1903.
Catalogue of the Highly Important Collec-
tion of French Pictures of the eighteenth
Century and pictures and drawings of
the English School of Reginald Vaile,
Esq., which will be Sold by Auction by
Messrs. Christie, Manson & Woods . . ,
May 23, 1903. 8°. 59 Nrn. Illustriert
1 gs.
Picture Sales of the Season. (The Art Jour-
nal, 1903, S. 280.)
Roberts, W. Art Sales of 1902. Part 1.
Pictures; 2. Objects of Art. (The Ma-
gazine of Art, 1902, November, S. 45;
1903, March, S. 243.)
Slater, J. H. Art Sales of the year 1902.
8vo. Hutchinson. 30 .
Mail and.
Vente des collections de feu Mr le Chev.
Damiano Muoni. Autographes, manu-
scrits, gravures, livres, monnaies, me-
dailles, objets antiques, etc. irc partie.
Vente Jules Sambon. 8°. Milan, 1903.
1030 Nrn.
Mtinchen.
Katalog von Oelgemaldcn alter Meister aus
hochadeligem Florentiner Besitz. Auktion
in Mtinchen in der Galerie Helbing den
7. Dezember 1903. 4°. Mtinchen, Ver-
einigte Druckereien, 1903. 226 Nrn.
New York.
Kirby, Thomas E. Illustrated Catalogue
of the art and literary property, collected
by Henry G. Marquand. The entire
collection to be sold at unrestricted public
sale beginning January twenty - third,
1903, by order of the executors, under
the management of The American Art
Association. 40. 2154 Nrn.
Paris.
Bouyer, Raymond. Galeries et collections.
La Collection Pacully. (La Revue de
Tart ancien et moderne, XIII, 1903,
S" 29I,)
Catalogue de cent reliures d'art executees
sur des editions de grand luxe (Reliures
anciennes; Livres armories; Beaux livres
modernes; Suites de figures; Livres avec
aquarelles; Reliures diverses), composant
la collection du vicomte de La Croix-
Laval, dont la vente a eu lieu les 15
et 16 decembre 1902. In-4, VI, 90 p.
Arras, imp. Schouteer freres. Paris, lib.
Durel. 1902.
Catalogue de dessins anciens, aquarelles et
gouaches, principalement de l'Ecole
francaise du XVII Ic siecle . . . succession
de M. Leon Roux . . . dont la vente aura
lieu a Paris Hotel Drouot 20 — 22. Avril
1903. 8°. 263 Nrn.
, Catalogue de la Bibliotheque de feu Mr E.
1 Massicot. 2C partie: livres d'heures manu-
| scrits et imprimes, incunables, livres a
J figures du X\TIIC siecle, livres armories.
I Paris, A. Durel, 1903. 8°. 896 Nrn.
I Catalogue des objets d'art et d'ameuble-
i ment des XVIIe et XVI 1 1* siecles, table-
1 aux anciens, dependant des Collections
de M,nc C. Lelong, et dont la vente aura
lieu a Paris Galerie Georges Petit 1 Mai
I 1903. T. I, 2, 3. 40. 1014 Nrn.
Catalogue des Objets d'art et d'Ameuble-
t ment, tapisseries, tableaux, panneaux de-
coratifs, dependant des Collections de
I Mme C. Lelong, XVIIe et XVIII* siecles.
Vente . . . Galerie Georges Petit, 11. —
t 15. Mai 1903. 40. 1440 Nrn.
I Catalogue des Objets d'art et de Haute
Curiosite du Moyen Age et de la Re-
naissance . . . Collection de M. Hochon . . .
Vente Galerie Georges Petit . . . II — 12.
Juin 1903. 40. 235 Nrn.
Catalogue des objets d'art et de Haute
Curiosite, tapisseries, tableaux, dependant
des Collections de Mmc C. Lelong. Anti-
quite, Moyen-Age, Renaissance. Vente . . .
8 — 10 Decembre 1902, Paris, Galerie
Georges Petit. 40. 320 Nrn.
Catalogue des objets d'art. Tableaux an-
ciens, XVII — XVIII siecles. Collections
de M,nc C. Lelong. Vente Galerie Georges
Petit a Paris 27 Mardi — I Mai 1903.
T. 1 — 3. 8°. 1440 Nrn.
Collection Emile Pacully. Tableaux anciens
et modernes. Vente . . . Galerie Georges
Petit ... 4 Mai 1903. 40.
Josz, Virgile. Les grandes ventes: La
Collection Emile Pacully. (Les Arts,
1903, Avril, S. 35.)
Miles, Roger. The dispersal of the Pacully
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Nekrologe.
CXXI
Collection. (The Magazine of Art, 1903,
May, S. 369.)
R. G. Die Versteigerung Lelong in Paris.
(Kunstchronik, N. F., 14, 1902 — 03, Sp.
465.)
Rooses, Max. De verzameling Pacully
teParijs. (OnzeKunst, II, I, 1903, S. 117.)
Uzanne, Octave. The Hotel Drouot and
Auction Rooms in Paris, generally, before
and after the French Revolution. (The
Connoisseur, III, 1902, S. 235.)
Stuttgart.
Kunst-Auktion, H. G. Gutekunst's, in Stutt-
gart, No. 57. Katalog einer Sammlung
von Handzeichnungen aller Schulen des
XV. — XIX. Jahrhunderts und Miniaturen.
Versteigerung in Stuttgart den 25. u. 26.
Mai 1903. 40. 569 Nrn.
Kunst-Auktion. H. G. Gutekunst's, in Stutt-
gart No. 58. Katalog der Doubletten
der Kunsthalle in Bremen, des Fiirstl.
Waldburg - Wolfegg'schen Kupferstich-
Kabinets. 3. Teil. Versteigerung in Stutt-
gart den 27. Mai 1903 durch H. G. Gute-
kunst. 40. 930 Nrn.
Wien.
Auctions-Catalog der Sammlung VVilhelm
Kraft. Miinzen und Medaillen fast aller
Lander. 8°. 108 S. mit 3 Taf. Abb. Wien,
Briider Egger, 1903.
Eggcr, Briider, Wien, I. Opernring 7. Auc-
tions-Katalog der Sammlung des Herrn
Franz Trau in Wien. Miinzen und
Medaillen. Versteigerung den 1 1 . Januar
1904. 8°. Wien, 1904. 2357 Nrn.
Nekrologe.
Barack, Karl August.
— (Krauss, Rudolf: Biographisches Jahr-
buch und Deutscher Nekrolog, hrsg. v.
A. Bettelheim, V, 1903, S. 34.)
Baxter, S. T. [»Leader Scott*.]
— (Magazine, The, of Art, 1903, Januarv
s; i56.)
Bayersdorfer, Adolph.
— (Bayersdorfer's, Adolph, Leben und
Schriften. Aus seinem Nachlafl hrsg. v.
Hans Mackowsky, Aug. Pauly, Wilh.
Weigand. IX, 508 S. m. 2 Bildnissen.
gr. 8°. Miinchen, Verlagsanstalt F. Bruck-
mann, 1902. M. 14. — ; geb. M. 16. — .)
— (Bayersdorfer, A. Zur Kenntnis des
Schachproblems. Kritiken und ausge-
wahlte Aufgaben. Erlautert u. aus seinem
Nachlafl hrsg. v. J. Kohtz u. J. Kockel-
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Allgemeines Literaturblatt, Wien 1903,
Sp. 367.)
Granberg, Olof. Allart van Everdingen.
Stockholm, 1902. (John Kruse: Kunst-
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Nordisk tidskrift forkonstuntgifvare, 1903,
I. S. 41.)
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Aesthetiker. Strassburg, 1901. (-e-:
Kunstchronik, N. F., 14, 1902 — 03, Sp.
161.)
WulfF, Oskar. Das Katholikon. (Inter-
nationale Revue ftir Kunst, V, 1903, Sp.
«■>
— Die Koimesiskirche in Niciia. Straflburg,
1903. (J. Strzygowski : Byzantinische Zeit-
schrift, XII, 1903, S. 634.)
Zabel, Eugen. Moskau. Leipzig, 1902.
(Literar. Centralblatt, 1902, Sp. 1740.)
Zedler, Gottfried. Die alteste Gutenberg-
type. Mainz, 1902. (Karl Schorbach:
Centralblatt f. Bibliothekswesen , XX,
1903, S. 69.)
— Gutenberg- Forschungen. Leipzig, 1901.
(Karl Dziatzko: Gottingische gelehrte An-
zeigen, 164. Jahrg., Nr. 12.)
Zeitler, Julius. Die Kunstphilosophie von
Hippolyte Taine. (R. M. Meyer: Eupho-
rion, X, 1 — 2.)
Zeller, Adolf. Burg Hornberg am Neckar.
Leipzig, 1903. ( — t. : Die Denkmalpflege,
V, 1903, S. 116.)
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Kunstbibliographie.
Ein Nachwort.
Kunstbibliographie — das heifit: periodisches Verzeichnis der neu
erscheinenden Literatur iiber bildende Kunst. Vielleicht giebt mir der Um-
stand, dafi ich seit nunmehr sechzehn Jahren die diesem »Repertorium«
beigegebene » Bibliographic « bearbeitete, die Berechtigung, einige Worte zu
diesem aktuell gewordenen Disputationstheoia zu reden. Voran schicken
mochte ich einige Bemerkungen iiber die Geschichte dieser Repertoriums-
bibliographie. Sie umfaflte in den ersten Banden das gesanite Gebiet
der bildenden Klinste, war jedoch, durch ein strenges Gebot des damaligen
Verlags, angewiesen, einen bestimmten Raumumfang nicht zu tiberschreiten.
Sie konnte daher nur eine Auswahl der Literatur bieten. Anfanglich
erschien sie sechsmal, dann dreimal im Jahre. Das »Verzeichnis von
Besprechungen« war von ihr ganz getrennt Der Stoff war gegliedert in
die Unterabteilungen : I. Theorie und Technik der Kunst Kunstunterricht.
II. Kunstgeschichte. Archaologie. Zeitschriften. II a. Nekrologe [nament-
lich der Kiinstler des 19. Jahrhunderts]. III. Architektur. IV. Skulptur.
V. Malerei. Glasmalerei. Mosaik. VI. Munzen-, Medaillen-, Gemmen-
kunde, Heraldik. VII. Schrift, Druck und graphische Kiinste. VIII. Kunst-
industrie. Kostiime. IX. Kunsttopographie, Museen, Ausstellungen. —
Die Rubriken I, II und III bis VIII enthielten den Stoff alphabetisch
nach den Verfassernamen geordnet, die Rubrik II a nach den Namen der
Verstorbenen, IX nach den Orten. Seit 1893 habe ich dann, in Uber-
einstimmung mit der neuen Redaktion und dem Verlag, diese von
meinem Vorganger Chmelarz (ibernommene Einrichtung umgeandert.
Ich beschrankte den Stoff auf die europaische Kunst der christlichen
Epochen, mit Ausschlufi des 19. Jahrhunderts, der Prahistorie, Volker-
kunde, Mtinzkunde und Heraldik. So deckte sich das Stoffgebiet dieser
Bibliographie durchaus mit dem Stoffgebiete des »Repertoriums fur
Kunstwissenschaft«. Dieser Beschrankung entsprach ein intensiverer
innerer Ausbau. Die Rubriken lauteten seither: Theorie und Technik,
Asthetik. — Kunstgeschichte. — Architektur. — Skulptur. — Malerei. —
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CXLIII
Graphische Kiinste. — Kunstgewerbe. — Topographic — Sammlungen.
— Ausstellungen, Versammlungen. — Nekrologe [der Kunsthistoriker]. —
Besprechungen. — Ich habe von der Verlagshandlung von Jahr zu Jahr
mehr Raum zugestanden erhalten. Ferner ist die Umwandlung in eine
Jahresbibliographie (immer von Oktober bis Oktober) clurchgefiihrt worden,
hauptsachlich um die spatere Benutzung zu erleichtern.
Es ziemt mir nun nicht, tiber den eventuellen Wert meiner Arbeit
ein Urteil abzugeben. Ich will nur anmerken, dafi sie, aus recht unvoll-
koinmenen Anfangen herausgeboren, oft unter sehr ungQnstigen Umstanden,
immer ohne jegliche fremde Beihulfe zustande gebracht, jetzt ihrem Be-
arbeiter, der sie nur als schwer zu bewaltigende Nebensache betreiben
kann, durch ihren stetig anschwellenden Umfang liber den Kopf gewachsen
ist Und ebenfalls mochte ich anmerken, dafi meine regelmafiig bei-
gedruckte Bitte, mir die in entlegeneren Zeitschriften veroflfentlichten
Aufsatze gefalligst mitzuteilen, mit seltensten Ausnahmen ebenso regel-
mafiig ignoriert worden ist.
Diese Bibliographic diente einem bestimmten praktischen Zweck: den
Kunsthistorikern, die das Repertorium bentitzen, eine Ubersicht tiber die
Literatur eines Jahres zu bieten. Es ist angestrebt worden, moglichst
viel zu bringen, ohne dafi man sich zur Vollstiindigkeit im absoluten
Sinne verpflichtet hatte. Auch auf kleine Notizen wurde das Augenmerk
gelenkt, da sie oft wichtiger sind als weitschichtige Aufsatze. Von einer
Zerhackselung des Stoffes in kleinere und kleinste Unterabteilungen ist
abgesehen worden, weil angenommen wurde, dafi die Benutzer das Ganze
mehr oder minder eingehend durchsahen. Nur ein Teil der Bucher und
Zeitschriften, die man verzeichnet findet, hatte dem Bearbeiter vor Augen
gelegen: er mufite manches aus zweiter und dritter Hand ubernehmen.
Daher man ihn auch wegen etwa bemerkter Irrtiimer und Unrichtigkeiten
nicht ohne weiteres verantwortlich machen wolle. Diese Bibliographic
stellt sich also dar gleich einer jener vielen Spezialbibliographien, wie
sie den verschiedenartigsten, spezielle Zwecke verfolgenden Zeitschriften
beigegeben werden. Ich erinnere nur an die Bibliographic des »Jahrbuchs
des Kaiserl. Deutschen Archaologischen Instituts«, die liberhaupt gar
keinen Versuch macht, ihren StofF sachlich zu ordnen, sondern die ledig-
lich, in zwei Rubriken, einmal die Bucher alphabetisch bringt und dann
alphabetisch die Zeitschriftentitel mit Angabe des Inhalts jeder Zeitschrift.
Es wird eben vorausgesetzt, dafi jeder Archaologe von dem Ganzen
N*otiz nimmt
Eine Verpflichtung fur die Redaktion oder gar fur den Bearbeiter
der Repertoriumsbibliographie, eine alien moglichen Zwecken angepafite
^Allgemeine Kunstbibliographie< zu liefern, lag demnach nicht vor.
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CXLIV
Ganz irrig ist es, meines Erachtens, ferner, wenn bei Gelegenheit des
Hervortretens von Wiinschen nach einer solchen Universal-Kunstbiblio-
graphie die Repertoriurnsbibliographie als eine »Vorarbeit« bezeichnet
worden ist. Sie ist dies eben so wenig als jene eben erwahnte archao-
logische Jahrbuchsbibliographie.
Eine allgemeine Kunstbibliographie ist aber das Verlangen der Zeit,
wie es den Anschein hat Und Herr Arthur L. Jellinek hat es unter-
nommen, diesem Wunsche mit seiner »Internationalen Bibliographic der
Kunstwissenschafu entgegenzukommen. Bis jetzt liegt ein Jahrgang vor:
eine fleifiige und sorgliche Arbeit, die die Literatur der Kunst aller Zeiten
und aller Volker heranzieht Fern sei es von mir, iiber diesen Band kleinliche
Ausstellungen zu machen. Gewifi haben wir hier einen tlichtigen Anfang vor
uns, aus dem etwas Bedeutendes hervorgehen konnte. Freilich in hoherem
Sinne doch nur einen Anfang ! Denn so, wie die Sache bis jetzt liegt, bietet
diese Jellineksche Zusammenstellung den Forschern der einzelnen Spezial-
gebiete noch zu wenig, zum Beispiel den klassischen Archaologen, und kann
daher auch jene Jahrbuchbibliographie bislang in keiner Weise ersetzen.
Giinstiger freilich gestalten sich die Dinge auf dem Gebiete der Kunst
der christlichen Epochen, da diese naturgemafi auch Jellinek in erster
Linie ins Auge fassen mufite. Mag nun die Jellineksche Arbeit bisher
die Spezial -Bibliographic des Repertoriums nicht tiberall erreicht haben,
so kann doch, was noch nicht erreicht ist, erreicht und auch iibertroffen
werden. Ich glaube gern an diese Moglichkeit in dem Augenblick, wo
ich, den Kampf mit Arbeitshaufung und Zeitmangel aufgebend, von den
Benutzern des Repertoriums als Bearbeiter der Bibliographic Abschied
nehme. Ich wlinsche, dafi sich das neue Unternehmen heranentwickle zu
der staunenswerten Vollkommenheit, wie sie zum Beispiel die »Orienta-
lische Bibliographic* aufweist, die, von ihrem Leiter Prof. Scherman in
Mlinchen glanzend organisiert, von einem Musterstab ausdauemder Mit-
arbeiter untersttitzt, von Ministerien, Akademien, gelehrten Korperschaften
und opferwilligen Einzelnen in jeder Weise, besonders auch finanziell ge-
fordert, das trefflichste bibliographische Handwerkszeug bietet, dessen sich
ein grofies Geistesgebiet zu erfreuen hat
Berlin, im Dezember 1903.
Dr. Ferdinand Laban,
Bibliothekar der K. Muscen.
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REPERTORIUM
FUR
KUNSTWISSENSCHAFT
REDIGIERT
VON
HENRY THODE,
PROFESSOR AN DER UNIVERSITAT IN HEIDELBERG
UND
HUGO VON TSCHUDI,
DIREKTOR DER KONIGLICHEN NATIONALGALERIE IN BERLIN
XXVII. Band.
BERLIN W. 35
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1904
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Tin fc. NEW YORK
PUBLIC LIBRARY
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Inhaltsverzeichnis.
Scitc
Vom gotischen Schwung und den plastischen Schulen des 13. Jahrhunderts.
Von Wilhelm V'dge 1
Tintoretto. Kritische Studien liber des Meisters Werke. Von Henry Thcde .... 13
Sebald Weinschrfcter , ein NUrnberger Hofmaler Kaiser Karls IV. Von Albert
GiimbelSUmberg 35
Das Hauptwerk des Baumeisters Heinrich Schickhardt. Von Dr. Bcrtold Pfeiffer . 46
Zur Geschichte der Brancacci-Kapelle. Emil Schaeffer 54
Zu Felice Felicianos rbraischen Schriftformen. Jos. Poppdreuter 57
Zur Elfenbeinplastik der Barockzeit. Ferd. Koch 61
Zur Stilbildung der Trecentomalerei. Von O. Wuljf 89, 221, 308
Die Handzeichnungen der Cffizien in ihren Beziehungen zu Gemiilden, Skulpturen
und Gebauden in Florenz. Von Emil Jacobsen \\\. 251, 322, 401
Zur Gelnhausener Kaiserpfalz. Von Karl Simon 133
Aus Peter Vischers Werkstatt. Von Otto Buchncr 142
Der Altarschrein oder Hochaltar in der Kirche zu Schortens bei Jever. Von
Prof. Fr. W. Riemann 1 50
Zu Giorgione. Wilhelm Schmidt 160
Zu Hery met de Bles. Alfred Hagelstange 161
Gli artisti nella poesia del Rinascimento. Fonti poetiche per la storia dell' arte
italiana. — Saggio di bibliografia delle fonti poetiche per la storia dell' arte
italiana. Di Arduino Colasanti 193
Die Kompositionsgesetze in den Reichenauer Wandgemalden. Von August Schmarsow 261
Die deutsche Passionsbiihne und die deutsche Male re i des 15. und 16. Jahrhunderts
in ihren Wechselbeziehungen. Von K Tscheuschner-Bem 289, 430, 491
NUrnberger Meister in Velden 1477 — 15 19. Von Albert GiimbelS Urnberg 332
Zur Lebensgeschichte Albrecht Diirers. Von Paul Kalkoff 346
Studien zur Trecentomalerei. I. II. Von Wilhelm Suida 385, 483
Descrizioni di opere d' arte in un poeta bizantino del secolo XI V. Di Antonio
A/unoz 390
Ein neuer Wolgemutaltar in Feuchtwangen (Mittelfranken). Von Albert Gumbel 450
Zwei Kupferstiche des »Meisters mit den Bandrollen« in der Kgl. Universitats-
bibliothek zu Upsala. Von Isak Collijn 461
Unerkannte Darstellungen der Immaculata in deutschen Galerien. Henriette Mendelsohn 5 1 1
Ein Nachtrag zu »Sebald Weinschrbter, ein NUrnberger Hofmaler Kaiser Karls IV.«.
Albert Gumbel 512
Zu Lucas Cranach. Karl Simon 515
Literatur.
Graphische Klinste. Jahresilbersicht 1903. Hans IV. Singer 282
Aldenhoven, Carl. Geschichte der Kblner Malerschule. Fritdlandcr 78
A vena, Adolfo. Monumenti dell' Italia meridionale. C. v. Fabriczy 373
Brown, Rev. J. Wood. The Dominican Church of Santa Maria Novella at
Florence. G. Gr 463
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IV Inhaltsverzeichnis.
Clausse, Gustave. Les San Gallo, Architectes, Pcintres, Sculpteurs, Medailleurs,
XV e et XVI c siecles. Tome premier: Giuliano et Antonio l'Ancien.
C. v. Fabriczy 73
Die Glasersammlung des nordbohmischen Gewerbemuseums in Reichenberg. Joseph
AreuwirtA-Vf ien 468
Egger, Hermann. Kritisches Verzeichnis der Sammlung architektonischer Hand-
zeichnungen der K. K. Hofbibliothek zu Wien. C. v. Fabriczy 172
Fabriczy, Cornelius von, Medaillen der italienischen Renaissance. Hans
Mackowsky 363
Falke, Otto von und Heinrich Frauberger. Deutsche Schmelzarbeiten des
Mittelalters und andere Kunstwerke der kunsthistorischen Ausstellung zu
Dtisseldorf 1902. Adolph Goldschmidt 517
Festschrift zum vierhundertsten Jahrestage des ewigen Bundes zwischen Basel und
den Eidgenossen 13. Juli 1901. lleinr. Alfr. Schmid 69
J a cob y, Gust a v. Japanische Schwertzieraten. Peter Jcssen 370
L'Amministrazione delle antichita e belle nrti in Italia 1901 — 1902. G. Gr 174
Mancini, Girolamo. La vita di Luca Signorelli. C. v. Fabriczy 367
Marzo, Gioacchino di. Di Antonello da Messina e dei suoi congiunti. G. Gr. . 464
Michael son, Dr. Hedwig. Lucas Cranach der Altere. Fried/a nder 168
Orbaan , J. A. F., Stradanus te Florence. G. Gr 170
Proctor, Robert. An Index to the early printed books in the British Museum.
P. K. '.... 285
Rapke, Karl. Die Perspektive und Architektur auf den DUrerschen Handzeich-
nungen, Holzschnitten, Kupferstichen und Gemalden. Ludwig Justt 166
Scherer, Valentin. Die Ornamentik bei Albrecht Dlirer. Ludwig Justi . . . . 164
Vischer, Robert. Peter Paul Rubens. G. Gr 516
A u s s t e 1 1 u n g e n.
35. Winterausstellung der kbnigl. Akademie in London. Fritz Knapp 176
Mostra dell' antice arte senese. Paul Schubring 470
Die kunsthistorische Ausstellung zu Dtisseldorf 1904. Die altniederlandischen und
altdeutschen Gemalde. Von L. Scheibler 524
Zur Kritik einiger hollandischer Bilder. Von Corn. Hofstcde dc Groot 573
Mitteilungen liber neue Forschungen.
Die BlUte der Stickerei und Teppichweberei in Mailand. C.v.F. 84
Die Baugeschichte von S. Sebastiano in Mantua. C.v.F. 86
Die sog. Dalmatica Carls d. Gr. im Schatz von S. Peter. C.v.F. 87
Ein neues Bild Tizians. C.v.F. 187
Ein neues Basrelief von Giov. Ant. Omodeo. C. v. F. 188
Ein Brief Antonio Averulinos. C. v. F. 188
Ein Bild von Luciano da Laurana. C.v. F. 189
Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. G. Gr. . 190
Bernardo Rossellino, Dombaumeister. C.v.F. 286
Die Sigilgaitabttste im Dom zu Ravello. C.v.F. 377
Ein neues Werk lombardischer Holzskulptur. C.v.F. 378
Ein neues Skulpturwerk von Gian Cristoforo Romano. C.v. F. 379
Neues zum Werke A. Verrocchios. C.v.F. 38 !
N e k r o 1 o g. Arthur Strong. P. K. 191
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An die Abonnenten.
Aus verschiedenen Grtinden, iiber die er am Schlufi der vorjahrigen
Bibliographic Rechenschaft gibt, sieht sich Herr Dr. Laban genotigt, von
der Bearbeitung der Repertoriumsbibliographie, die er durch sechzehn
Jahre besorgt hat, zuriickzutreten. Der Verleger und die Redaktion hatten
selbstverstandlich nicht gezogert, fiir diese schwierige, so viel Selbstver-
leugnung erfordernde Aufgabe nach einer neuen Kraft zu suchen, ware
nicht mittlerweile der erste Band der Internationalen Bibliographic der
Kunstwissenschaft, herausgegeben von Arthur L. Jellinek erschienen. Die
Frage drangte sich nun auf, ob es sich lohne, diese uberaus mlihevolle
Arbeit an zwei Stellen zu leisten. Denn wenn es auch keinem Zweifel
unterliegt, dafl die Bibliographic des Repertoriums das beschranktere
Gebiet bisher erschopfender behandelt hat, als es das weitergespannte
grofie Unternehmen tut, so liegt doch kein Grund vor, warum dieses
letztere nicht eine gleich umfassende Behandlungsweise eintreten lassen
konnte. Mit dem Verleger und dein Herausgeber der Internationalen
Bibliographic gefuhrte Unterhandlungen haben uns die Uberzeugung ver-
scharTt, dafl in der Tat dieses Ziel angestrebt werden soil. In dankens-
werter Weise wurde die formelle Versicherung gegeben, das Gebiet nach
dem von der Bibliographic des Repertoriums gegebenen Beispiel auszu-
bauen. Die HorTnung ist somit berechtigt, dafl trotz des Eingchens der
Repertoriumsbibliographie die Moglichkeit bestehen bleibt, einen raschen
und sicheren Uberblick liber die kunstwissenschaftlichen (die europaische
Kunst der christlichen Y~ " h<* betreflfenden) Erscheinungen zu gewinnen.
Fiir die Abonnenten a*-. pertoriums soil der Ausfall der Biblio-
graphic gedeckt werden durch eine Erweiterung des Textes um etwa
6 Bogen. Es wird in Zukunft also jedes Heft durchschnittlich 6 statt
wie bisher 5 Bogen umfassen. Gleichzeitig beabsichtigt die Redaktion
der literarischen Berichterstattung eine erhohte Aufmerksamkeit zu widmen.
Neben die wie bisher weiterbestehenden ausftihrlichen Besprechungen der
grofieren Publikationen soil eine mehr referierende als kritisierende Zu-
sarximenfassung aller bedeutenden Veroffentlichungen auf den wichtigsten
Forschungsgebieten treten. Zahlreiche Fachgenossen haben sich bereit
erklart, ihre Vertrautheit mit der Literatur eines Spezialgebietes derart
der Allgemeinheit zunutze kommen zu lassen. Es dtirfte damit der
trocknen bibliographischen Aufzahlung eine inhaltsreiche Erganzung ge-
scharTen werden.
Berlin, im Marz 1904.
Die Redaktion.
Der Verleger.
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Vom gotischen Schwung
und den plastischen Schulen des 13. Jahrhunderts.
Von Wilhclm V6gc.
Die »schwebende« Studie Francks1) liber die Beziehungen der Strafi-
burger Skulpturen (Querhaus) zu Chartres ist erschienen. Ich habe schon
ausgesprochen (in dieser Zeitschr. 1901, 197 flf.) , dafi ich an diese Zu-
sammenhange glaube und begrtifie das Buch mit aufrichtiger Freude als
einen wertvolien Beitrag. Franck fafit die Sache anders an, als liblich;
er beginnt mit den Bewegungsmotiven, konimt spater erst auf die Formen-
sprache, der er tiberhaupt kein zusammenfassendes Kapitel einraumt. Die
Kompositionen (in Strafiburg und Chartres) zu vergleichen, wird dem
Leser an der Hand der Abbildungen mehr selbstandig tiberlassen, eine
genaue Datierung — was karglich erscheinen rnag, nach langem Warten-
lassen — tiberhaupt erst in einer spateren Arbeit in Aussicht gestellt,
welche den Strafiburger Bau behandeln soil. Alles das ist im Grunde
zu loben. Es ware mifilich, wenn solche Arbeiten stets nach einem
Schema ausfielen. Offenbar ist es Franck auf etwas Personliches, auf
eine literarische Leistung angekommen. Als eine solche wlirde man die
Schrift — bei dem Interesse des StofTes und einer z. T. feinftihligen Ver-
arbeitung — auch bezeichnen dtirfen, wenn nicht neben vielem Hiibschen
— zu vgl. z. B. die Glossen zur (icwandung — allerhand Argerliches
stande, stilistisch und inhaltlich.
Originell wie die Form ist vielfach der Beweis fur den Zusammen-
hang. Gliicklich scheint mir, was tiber die Entwicklung der Statuensockel
S. 93 fT.) gesagt wird. Allerdings bieten sie nur einen ungefahren Anhalt
fiir die Abfolge der Figuren (was Franck auch selbst sagt S. 10 1), wie
*) Der Meister der Ecclesia und Synagoge am Strafiburger Miinster.
Heitrage zur Geschichte der Bildhauerkunst des 13. Jahrhunderts in Deutschland, mit bc-
sonderer Beriicksichtigung ihres Verhiiltnisses zur gleichzeitigen franzosischen Kunst von
Dr. Karl Fran ck-Ob eras pach. Mit 12 Taf. und 21 A1)l>. i. Text. DUsseldorf
Schwann) 1903, 8°, 115 S.
K»<rpc»"toriuiu fiir Kunstwisscnschaft, XX VII. I
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2 Wilhelm Yogc:
liber den Zeitpunkt der Abzweigung nach Strafiburg. Und wenn bei
der Ecclesia und Synagoge (bereits) eine Fuge Statue und Sockel scheidet,
so hat das bei dem Mafistab der Figuren weiter nichts Auflfallendes. Die
Frage ist, ob bei den Aposteln diese Trennung vorgenommen war. Wie's
am Engelpfeiler ist, wird nicht recht deutlich. — Auch fur Francks Auf-
fassung geht der Strafiburger besonders nach der Seite des Ausdrucks ;-weit
hinaus uber den Boden der Chartreser Schule« (S. 103). Der Modestia-
Meister« (Chartres) erreicht nicht entfernt die Dramatik der >Altercatio
oder selbst der Strafiburger Evangelisten (S. 84). Doch der Versuchung,
die Modestia als ein Jugendwerk des Strafiburgers aufzufassen, hat Franck
nicht ganz widerstanden (S. 102 oben, dazu S. 85, wo der Lehrer ;
des Strafiburgers ftir Ste. Modeste rnit in Frage ist). Ich glaube weder hier,
noch bei den ritterlichen Martyrern« der Siidhalle (S. 102 f.) an einen
so engen Zusammenhang; bei ihnen spricht besonders die Posierung da-
gegen. Dafi sich das Gepreflte der Komposition des Todes Maria aus
dem Halbrund noch nicht erkliirt (S. 5 5 f.), sagte ich friiher schon; nach
Franck ware der ganze plastische Schmuck der schon vorhandenen Strafi-
burger Fassade vorgelegt; wie merkwiirdig aber, dafi auch das Bogenfeld
in St. Thomas rundbogig geschlossen ist!
Die Elemente des angeblichen Vorhallen-Reliefstils — von >tiefem
Schatten« ist bei den Laoner Portiken gar keine Rede! — liegen doch
gerade in der byzantinischen — Tradition, die, wie ich aussprach, fur
diesen ganzen Kunststrom gewifi als Ausgangspunkt in Frage ist; es zeigen
das z. B. wieder ganz auffallend die Gewandmotive der mit Laon zu-
sammengehenden Tympanafragmente in Braisne. Franck aber ruft ange-
sichts des Strafiburger Reliefstils:2) Wie weit ist cr von den uberkommenen
antiken Vorbildern entfernt ! Nun vergleiche man das von mir in diesen
Zusammenhang gezogene byzantinische Elfenbein mit dem Tod der Maria
in Munchen. Die Madonna vorn ist hier nur in halber Erhebung ge-
geben, der Kopf des Christus dahinter tritt frei plastisch vor, wie das
Seelchen in seinen Handcn. Die stark vom Grund gelbsten Engel oben
wollen das Seelchen aufnehmen, d. h. sie schweben, obwohl am starksten
herausgebracht, nicht uber, sondcrn hinter dem Bett. Solch starke Plastik
der im oberen Teil der Bildflache gegebenen (schwebenden, thronenden)
Figuren ist auch sonst byzantinischen Elfenbeinen gelaufig. — Ktthn, wie
Franck seine Entdeckung des — Vorhallenstils als Sonde an die Reimser
Sachen legt: »Dafi die Lunetten der Reimser Kathedrale (Westfassade)
heute unmittelbar unter Himmelslicht an den Strebepfeilern (ganz r. u. 1.)
a) Das Vorgeneigte der Ktipfe bei Einzelfiguren, wie denen am Engelpfeiler mag
der Reliefbehandlung verglichen werden.
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Vom gotischen Schwung unci den plastischen Schulen des 13. Jahrhunderts. ^
einst beschattet waren, wlirde man an ihrem Stil erkennen, wenn es sonst
keine Anhaltspunkte daftir gabe, dafi sie ihrem ursprlinglichen Ort entrissen
sind« (vgl. S. 109). Wirklich?
Doch zu einigen weiter ausgreifenden Partien. Was in den ersten
Kapiteln von Haltung und Bewegung gesagt wird, lauft darauf hinaus,
dafi gerade in Chartres und Strafiburg Figuren (und Gruppen solcher) sich
finden, die bei noch starrer, saulenstarrer Stellung der Beine mit dem Ober-
korper sich auffallend lebhaft zu einander drehen; besonders ist das Her-
umwenden der Kopfe (ins Profil) charakteristisch. Ks stehen daneben
nun andere Schulen, die anders posieren; so erweitert sich die Darstellung
zu einer Studie iiber die gotische Posierung im allgemeinen, besonders
den Schwung und seine Vorgeschichte. Hier ist vieles einzuwenden.
Die Nebensorge, jene Beziehung von Chartres und Srafiburg so eng wie
moglich erscheinen zu lassen, benimmt Franck den Blick. In Chartres
selbst ist ja neben dem gespannteren Stehen der Ansatz zu dem gelassenen
— ein schuchterner, dennoch deutlicher Versuch zur starkeren Beugung
des einen Knies (vor dem anderen) gegeben, namlich da, wo der
Statue mehr Spielraum zur Entfaltung blieb; an einem »Architekturort«
also, der mit dem in Strafiburg (Ecclesia und Synagoge) am ehesten zu
vergleichen ware. Zu verweisen ist auf den einen der (eben genannten)
schildhaltenden Martyrer und zwar den rechts (1. Portal der Stidhalle).
Ferner ist das lebhafte Sich-ins-Profil-Wenden ja garnicht wichtig ftir die
Ausbildung des Schwunges.3) Die schwungvollen Figuren spaterer Zeit
sind zumeist Facefiguren. Eine unentbehrliche Vorstufe aber war die
Entdeckung oder Aufnahme des Spielbeins, die Erlosung aus der Starre
zu lebendigerem Rhythmus. Reims hat, scheint's, die entscheidende Rolle
gespielt (zu vergl. » Museum:, 8. Jahrgang, S. 67 f.). Hier, wo mehr als
anderswo in Frankreich die Plastik ihrer Wlirde sich bewufit geworden
ist, sind die Probleme der Stellung und Haltung mit groflerem Ernst erfafit.
Das schreitende Stehen — nun wards Wandeln. Was in der Chartreser
Elisabeth nur im fliefienden Zuge der Falten vorhanden ist, die schwung-
volle Bewegung vom Fufi zur Hufte, es fafit die Gestalt. Ob der Kopf
etwas mehr face zeigt, ist dabei Nebensache, das — ja, das ist hochstens
fur den Zusammenhang von Chartres und Strafiburg wichtig; auf die kiihn
gegebene Durchbiegung des ganzen machtigen Leibes, seine Drehung um
die eigene Achse, auf den schwungvollen Rhythmus seiner Bewegung
kommt's an! Wie aber aufiert sich Franck iiber Reims? Im Gegensatz
zu Paris, heifit es S. 29 »hielt das Reimser Standsystem an ver-
knocherten antiken Traditionen fest« Nun, ein arger Mifiverstehen
3) vgl. Franck selbst S. 83 unten.
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4 Wilhelm V«ge:
ist allerdings nicht denkbar. 1st denn nicht gerade in dieser Maria (nebst
Verwandten) »die Korperlast schon beinahe vollkommen auf den vor-
gestellten Fufi (ibertragen«, die »entsprechende Htifte« gleichzeitig »aus-
gebauchu, und kann man diese ihre eigensten Charakteristica gegen
sie ausspielen und als » elegantes Pariser System« ihr vorhalten, ja daftir
die jiingeren Skulpturen vom Pariser Nord transept und die Grabstatuen
von Saint-Denis als Beispiel bringenr — liber das Datum der Reimser
Visitatiogruppe sind zwar von berufenster franzosischer Seite neuerdings
wieder abweichende Meinungen geaufiert, dafi sie aber zu den friiheren
Sachen in Reims gehort, beweist aufier ihrem Faltenstil und vielem anderen
der Umstand, dafi ihre nachsten Verwandten sich an den iiberhaupt
altesten Teilen der Reimser Kathedrale finden. Es ist mir wahrend eines
vielmonatigen Studiums der Reimser Stulpturen, glaube ich, gelungen, das,
was in die unmittelbare Nahe des Visitatiomeisters gehort, aus der Gesamt-
masse herauszuschalen. Zu den ihm ganz nahestehenden Statuen sind
aber eine Reihe der grofien Engel an den Chorkapellen zu rechnen. Die
Kopfe lassen aus der Nahe an der Verwandtschaft mit dem der Maria
keinen Zweifel, urn so weniger, als sich eine der Konigsstatuen als Mittel-
glied erweist: die rechts der Synagoge, oben am Sudtransept Dafi die
Maria und Elisabeth zu den alteren Sachen am Westportale gehoren,
geht aber auch aus den hier erhaltcnen Signaturen hervor, worliber ein
ganzer Aufsatz zu schreiben ware.
Es ist bei der mangelhaften Erhaltung gerade der Statuen schwierig,
heut noch die Wichtigkeit des einen Zentrums vor dem andern und die
von ihm ausgegangenen Neuerungen auszuspiiren. Aber zu erkennen
ist noch, dafi gerade in Paris in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahr-
hunderts das starre, gleichmafiige Stehen mit beiden Beinen fur die
Statue — im Relief hattcn sich immer freiere Posen erhalten — die
Regel war. Denn alles, was in den Bereich dieser Schule gehort, die dem
Pariser Marienportal nahe Madonna im Cluny-Museum, die neuerdings fiir
den Louvre erworbene Statue der Ste-Genevieve, die sechs Standbilder
an Saint-Germain-rAuxerrois, die Statuen in Longpont (Seine-et-Oise) und
z. B. die stehenden Gestalten an den Laibungen der Pariser Westfassade
zeigen die starr architektonisierte Pose. Noch bedeutsamer, wenn sie
fast ohne Ausnahme in Amiens herrscht, das der Hauptgruppe seiner
Skulpturen nach sicher auf Paris zurtickzufuhren ist.
In dieser ganzen Gruppe nun ist neben der Starrheit der Pose
die Starrheit, der eckige Bruch der Falten sehr beliebt, wenn auch weder
in Paris noch Amiens ausschliefilich herrschend, denn Uberall sind
Nebenstrome und auch fremde Einflusse, in Paris, in Amiens und sehr
stark auch in Chartres (vgl. unten). Es ist aber deutlich zu sehen, dafi
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Vom gotischen Schwung unci den plastischen Sehulen des 13. Jahrhunderts. c
jener starrere, schwerere Gewandstil, die mit ihm gegebene starkere Uber-
deckung der Korperformen mit jener Starreren Posierung zusammenhangt,
wie uberall Pose und Falte im Mittelalter.
Daher ist es sehr moglich (vgl. schon » Museum a. a. O.), dafi sich
die schwungvolle Pose auch zuerst im (vorzugsweisen) Bereich der schwung-
vollen, fliefienden Gewandbehandlung, d. h. aber auf der Linie Chartres-
Reims (friihere Sachen) ausgebildet hat. Die Falte praludiert also (Chartres),
bis die Gestalt — gleichsam die Singstimme — einfallt (Reims).
Dies Praludieren der Falten in Chartres ist besonders nierkwtirdig
auch bei dem Salomo (r. Portal der Nordhalle), wo schon eine Art von
delianchement — angeblich ein Charakteristikum erst des 14. Jahrhun-
derts — mehr mit Hiilfe von Faltenziigen bedeutet und vorgetauscht als
eigentlich gegeben ist. Wichtig bei diesem Vorspiel aber ist nicht nur
der schlanke, scheme Flufl der Faltenlinien, das Sichhinbreiten und Schleifen
der Saume, sondern auch die Diinne des Stoffes, das Sichabzeichnen der
Glieder im Sinne eines starkeren Heraushebens des einen Schenkels vor
dem anderen (der mehr uberdeckt wird). In diesem — Kontrast liegt der
Kontrapost wie im Keim. Dieser Kontrast aber kam aus der (antiken)
Tradition, hangt zusammen mit der antiken Kontrapostierung, war
gleichsam deren im Gewande haften gebliebene Spiegelung. Es sind also
/verknocherte antike Traditionen« als Ankntipfungspunkte Uberall mit im
Spiele. Dafi neue Eindriicke antiker Statuen zu Hiilfe kamen, dafur mag
sprechen, dafi bei vielen alteren Reimser Beispielen die Ponderation an-
nahernd die richtige, d. h. eben die antike ist, — die Schulter hebt sich
uber dem Spielbein. Im allgemeinen geht das der Gotik spater verloren.
Uberhaupt aber war es ihr — von ihrer geringeren Naturbeobachtung
abgesehen — weniger um den schonen Kontrast, der Ruhe und Be-
wegung, wie der Antike, sondern um die rhythmische Bewegungslinie an
sich zu thun. Die Kurve erfafit also auch das Standbein, die ganze Ge-
stalt, die ihren Ausgleich nicht mehr in sich selbst, sondern im Rahmen
und seinen Geraden oder in senkrechten Partien der Gewandung findet.
Aber eben dies, das Hineinziehen auch des Standbeins zeigt schon die
Reimser Maria. Wichtig auch, dafi fiir Reims, wenigstens gegeniiber
anderen franzosischen Schulen, die stark durchgebogenen Gestalten
charakteristisch bleiben (Engel am Mittelgiebel des Hauptportals, oder
die Frauengestalt oben an der westlichen Innenwand des sudlichen Seiten-
schirTs). Der der Visitatio-Maria nahe Nicasiusengel (1. Portal) aber ist
nicht, wie Franck sagt, »in ruhig monumentaler Stellung«, sondern im
Herschreiten, wenn das hier auch nicht so glucklich wie bei der Maria
gegeben ist. Die Zehen des zuriickstehenden r. Fufies spreizen sich —
gleichsam im Abstofien vom Boden — auseinander, hinzukommt eine sich
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6 Wilhelm Voge:
drehende Bewegung voin Fufi bis zum Kopf. Die Wcndung des Kopfes
geniert Franck; — denn sie muff ja etwas spezifisch Chartresisch-Strafi-
burgisches sein! — er hilft sich: Dafi diese ruhig monumentale Stellung
(S. 29 f.) bei geradeausschauendein Gesicht auch flir Figuren innerhalb
Szenen (sic!) »verwendet« wurde, ist vorne erwahnt word en. Wie eine
scharfe Kritik mutet es an, wenn man in Reims, am Westportal, einem
so gestalteten Engel den Hals absagte und scharf den Kopf nach der
Seite drehte, so dafi er jetzt wie plotzlich zur Aufmerksamkeit gerufen,
eine jahe Wendung nach dem Bischof macht, den er begleiten soll.« Nun,
die »Bruchstelle am Halse , von der Franck ausgeht hab ich — schon
frtiher — aus der Nahe untersucht. Die Fuge zieht sich unterhalb des
tief in den Nacken reichenden Haares hin ; eine Drehung des Kopfes um
seine Achse ist auf der unebenen Schnittflache nicht moglich. Wahr-
scheinlich ist der Kopf von vornherein aus besonderem Stticke gewesen.
tJbrigens hat man, wie ich zeigen werde, bei der Aufrichtung der Reimser
Fassadenstatuen einen Augenblick wahrscheinlich die Absicht gehabt, diesen
(schon frtiher fertig gestellten) Engel als VerkUndigungsengel rechts vom
Hauptportal zu postieren.
Ob Francks Vermutung, wonach die Synagoge in Strafiburg urspriing-
lich nur einen zerbrochenen Pfeil statt des Lanzenschaftes (S. 14L) gehalten
habe, nicht ahnlich zu bewerten ist wie die Reimser Engelhypothese, oder
wie Francks » scharfe Kritik « an der Bamberger Adamspforte die er neuer-
dings ftir eine Zusammenstoppelung des 16. (?) Jahrhunderts erklart hat
(vgl. meinen Gegenbeweis in Schnlitgens Zeitschrift 1902, Sp. 357 ff.)?
Was konnen die alten Abbildungen der Synagoge anderes dartun, als
ihren damaligen Zustand? Ftir einen kurzen Pfeil ist das angeheftete
Fahnlein zu lang. Auch verlangt der Kontrast zur Ecclesia ein ahnliches
Attribut bei der Gegnerin. Man blicke aber auch auf andere Synagogen,
wie die Bamberger; (auch bei der Magdeburger Statue zog sich der Schaft
gewifi weiter hinauf — das Fahnlein schleift hier am Boden — 11. a. m.).
Possierlich, wie nun Franck, um die Leuchtkraft jener Darlegungen
iiber den Schwung noch zu heben, altere Groflen in den Schatten
drangt, S. 28, Anm. 47, oder S. 105, wo zu lesen ist: > Die Ansicht, dafi
die franzosische Plastik sich in Lokalschulen zu verschiedenen Stilen
gleichzeitig entwickelt habe, ahnlich wie die italienische Malerei des
Quattrocento, tritt hier (d. h. bei Franck) zum ersten Male auf, nachdem
durch Voge und neulich wieder durch Weese in scharfster Weise die
Ansicht einer einheitlichen logischen Abwandlung des franzosisch-gotischen
plastischen Stils betont und der deutschen Kunst gegentiber gesetzt wurde.-
Mit diesen Worten restimiert Franck meine Aufsatze tiber Reims und
Bamberg (vgl. in dieser Zeitschr. 1901, 215), in denen ich doch gerade
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r j
Vom gotischen Schwung und den plastischen Schulen des 13. Jahrhunderts. 7
jene Gruppierung von Paris und Amiens einerseits, von Reims und
Chartres andererseits vorgenommen habe. Denn ich spreche hier von den
richer von Paris beeinflufiten Skulpturen des Westportals von Amiens <:
und sage von Reims: »Und dann ist die Verwandtschaft (mit Chartres)
ja auch im Stil vorhanden: man hat sich also wahrscheinlich, wie in
Amiens nach Paris, so in Reims nach Chartres gewendet, wenn auch nur
in dem Sinne, dafi man einen Meister nach dort entsandte. Die sichere
Feststellung dieses Zusammenhanges istnicht nur fiir die Gruppierung
der grofien Schulen des 13. Jahrhunderts von Wichtigkeit, sondern
auch ein Anhaltspunkt fQr das Datum der Chartreser Sachen, die meist
viel zu spat angesetzt werden.^ In einem Artikel vom 30. Juli 1902 (in
tier Beilage zur Allg. Zeitung) — Francks Vorwort ist vom Dezember —
habe ich den Gegensatz insbesondere zwischen Amiens und Reims dann
in seiner Tiefe auszuschopfen gesucht und auch die Architekturen — wo-
rauf es hier ankommt! — mit hineingezogen. Wenn ich »auch in Reims c
*eine einheitliche Entwicklung ". angenommen habe, — gerade damit
ist tibrigens ausgesprochen, dafi ich Reims als ein Ding fiir sich ansehe*),
so tat ich es nicht, ohne das tiefgegensatzliche, — mit dem Neben- und
Nacheinander ganz verschiedener Personlichkeiten5) ebensosehr wie
mit fremden Einflussen zusammenhangende — Wesen der einzelnen
Reimser Gruppen zu beleuchten. Aus dem lebendigen Zusammenhang
dieser Personlichkeiten, ihrer (heute schwer herauszulesenden) Wirkung
aufeinander — hierauf habe ich jedoch fiir die Posierung gerade schon
hingedeutet6) — ergibt sich eben die Schule und ihr eigenstes Kolorit.
Nun hat Georges Durand in seiner trefflichen Monographic der Kathedrale
von Amiens den Reimser » Meister der zwei Marienstatuen« (die der
Verkiindigung und Darstellung im Tempel an der Westfassade sind ge-
meint) als von Amiens beeinfluflt oder gar herstammend angesprochen.
Ersteres habe ich in der Allg. Zeitung a. a. O. S. 202 als wahrscheinlich
bereits gelten lassen. Ja ich hatte die Verwandtschaft mit den ent-
4) Wie ich denn auch Reimser Charakteristica — z. B. den grade abstehenden
Lockenkranz — hervorhebe.
5) Auf deren Bedeutung auch fiir die Plastik des franzosischen Mittelalters ich von
vornherein hingewiesen habe. Man lese, was dazu Male in der Revue de Tart ancien
et moderne Bd. II sagt — tibrigens auch Rep. f. KW, 1902, 409 Anm. — um den von
Franck zur besseren Einfiihrung an die Spitze seines Buchs gestellten Satz, meine Unter-
suchungen stilkritischer Art seien »von der franzosischen Gelehrtenwelt abgelehnt« besser
zu werten. Auch »Schulgemeinschaft« ist hier irrefuhrend.
6) Es ist kein Zweifel, dafi der Meister des lachenden Nicasiusengels in der Po-
sierung an den Visitatiomeister ankntipft, genaueres spiiter. Die Tatsache des Sichver-
erbens von »Schulgepflogenheiten« in der Posierung ist also an sicb garnicht neu, nur
habe ich meine Beobachtung — nicht dreimal unterstrichen.
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8 Wilhelm Vcige:
sprechenden Amienser Figuren langst gesehen; ich hatte sie (in dieser
Zeitschr. 1901, S. 217) aber deshalb als den Amienser Figuren nur »im
Kostlim auffallend verwandt« bezeichnet, weil einige andere in ihre Nahe
gehorige Reimser Statuen wie der Simeon und der diesem im Kopf-
typus nachstverwandte David einen Zusammenhang — in Augen- und
Stirnbildung — gerade mit dem altesten Reimser (Propheten-) Atelier
(z. vgl. der Joh. d. Taufer ganz rechts a. d. Westportalen) zeigen. Auch
fehlt den beiden Reimser Madonnenkopfen die flir Amiens so bezeichnende,
mehr breit und eckig heraustretende Stirn; sie haben beide die — in
Reims haufige — Llinettenstirn. Es liegt also wahrscheinlich eine Ver-
mischung vor; man kann die Reimser Statuen nicht einfach als amientisch
ansprechen, wie der — sonst vorsichtige — Durand tut (a. a. O. S. 304,
Anm. 1). Dies zur Wiirdigung von Franck S. 105. Wie wunderlich im
allgemeinen, wenn jemand meint, er habe erst kommen mlissen, um etwas
so Selbstverstandliches zu entdecken, wie das gleichzeitige Nebeneinander
verschiedener Schulen. Wir anderen beschaftigten uns mit den ver-
schiedenartigen — und gleichzeitigen — Schulen in den verschiedenen
mittelalterlichen Epochen so lange; ja, fiir die mittelalterliche Friihzeit
haben wir sie erst aufgefunden.
Uber Reims -Bamberg spricht Franck often Er tischt seine phan-
tastische These wieder auf, dafi der Reimser sog. Philipp August ein
Werk von der Hand des Bamberger Meisters der Adamspforte sei; hier-
iiber gehe ich zur Tagesordnung tiber, zumal es an der Hand von Ab-
bildungen leichter zu »wttrdigen« ist. Es ergab sich mir in Reims noch
eine Nachlese (fiir die Bamberger Synagoge, die Allegorien am Papst-
grabe, die auch am Reimser Nordtransept vorkommen, den lachenden
Engel, der ganz wohl auch auf einen der Engel an den Chorstreben
zuriickgehcn konnte, fiir gewisse aufierliche Gepflogenheiten, wie die
Unterarbeitung der Gewander u. a. m.). Genug, an meiner Uberzeugung
von der Bamberger Herkunft des >Bambergers« haben erneute Studien
an der Reimser Kathedrale in alien Hohenlagen und Winkeln nichts
geandert.
Franck kommt eingehender naturlich auf die Schule von Chartres,
zu sprechen. Es ist anzunehmen, dafi er, der die Entdeckung von
Schulen, ihre Kreuzung und Beeinflussung als die Sphare seines Genies
betrachtet, uns hier ein Musterstiick einer solchen Untersuchung bietet
In der Tat hat er hier einen wichtigen Punkt — mir nicht tiberraschend,
da ich, von Reims auf Laon einerseits, auf Chartres andererseits zurtick-
gehend schon zu diesem Ergebnis gekommen war — er hat, sage ich,
einen wichtigen Punkt sicher richtig herausgefunden, das ist die Herkunft
der jiingeren Chartreser Gruppe (Vorhallen des Querhauses) von Laon.
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Vom gotischen Schwung und den plastischen Schulen ilcs 13. Jahrhuiulcrts. q
Es wundert mich nur, dafi er dies so lau und obenhin abtut, ohne von
der Dekoration der Ttirpfosten oder den iiber den Baldachinen her-
laufenden Simsen usw. zu sprechen und ohne die erhaltenen Teile an
den Laoner Portalgewanden einer genauen Untersuchung zu unterziehen;
der Engel an dem Kapitell oberhalb der Statue Abrahams (mit Isaak)
ist zu einem Teil alt. Daraus folgt aber doch, dafi schon ursprting-
lich hier eine Gruppe des Abraham und Isaak gestanden hat. An dieser
Stelle vorn links am Hauptportal steht sie auch in Chartres. So er-
gibt sich mit viel Wahrscheinlichkeit, dafi > Chartres auch zu seinem
statuarischen Zyklus das Vorbild in »Laon<; fand, dafi »Laon<: ein wich-
tiger Typ der Prophetenportale mit Statuengruppen — wie ich sie nennen
will — gewesen ist. Sie zusammenzustellen und zu vergleichen — ein
schones, mit den franzosischen zusammenhangendes, Beispiel bietet ja
Maestricht — ware wichtig. — Und da Franck einmal auf der Spur
der Beziehungen zwischen Laon- Chartres -Strafiburg war, hatte er auch
die teils im Museum von Soissons, teils noch am Orte selbst bewahrten,
»Laon« aufs engste verwandten Skulpturen von Braisne hineinziehen sollen,
die z. T. einen Ersatz bieten fiir die in Laon nicht erhaltenen, in Chartres-
Strafiburg wiederkehrenden Szenen am Sturz des Laoner Hauptportals.
Doch genug, die Andeutungen Francks liber Laon-Chartres (S. io8f.) sind
rich tig.
UnzutrerTend ist dagegen die Charakteristik der Chartreser Ent-
wicklung. Nach Franck steht diese im Zeichen einer >beispiellosen
Persistenz des Urtypus* (S. 112); »durch Generationen hindurch« andert
man »weder seine Absichten noch seine Darstellungsmittel wesentlich*
(S. 109); charakteristisch ist ein >Beharren bei der zarten linearen Dar-
stellungsweise « (S. no), »wahrend den iibrigen Schulen wenigstens das
gemeinsame fortschrittliche Moment zuerkannt werden mufi (wirklich!),
dafi ihre Mittel alle plastischer, massiger geworden sind.< >Ein Unter-
scheidungsmerkmal des Chartraner Stils vom Champagner oder Picardi-
schen, ja selbst vom Pariser Stil gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts
bildet deswegen die durchgangige Verwendung von leichten Gewiindern
mit linearen Falten in ianggezogenem Verlauf, ohne horizontale Uber-
schneidungen, gegentiber massigen Gewiindern mit schweren Falten und
horizontal gelegten Partien mit wuchtigen Schatten.< Einfllisse spielen
denn auch keine Rolle (S. 93). »Man bemerkt ja wohl den Zuzug neuer
Krafte. Wie ware das bei der grofien Zahl von Bildhauern zu vermeiden
moglich gewesen! Aber der zielbewufite Geist dieser lokalen Kunst war
den fremden Einfllissen so iiberlegen, dafi sie alsbald in ihm aufgingen.<.
Hier haben wir also eine Schule recht nach dem Herzen Francks,
die Schule in abstracto. Leider hat dieses Ideal mit der Wirklichkeit
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IO Wilhelm Yiige:
wenig zu schaffen; es ist ein Traum. — Franck hat sich in Chartres
eingehend die Sockel betrachtet, auch die Statuen und Tympana von un-
gefahr, zu den Hohen der Tonnengewolbe ist sein Blick seltener empor-
geirrt Hier hatte er z. B. an der Mitteltonne der Nordhalle folgendes
wahrgenommen (ich zitiere nach meinem Notizbuch): Die beiden Reihen
sitzender Figuren ain Felde der Mitteltonne zeigen harteren, eckigeren
Faltenstil, der mehr und mehr in's Breite geht; es ist eine deutliche An-
naherung an » Paris-Amiens <:. Charakteristisch ist — eine Ausnahme macht
nur die unterste Gestalt des innern Streifen 1. (vom Eintretenden) — das
starre, horizontale Abschneiden sowohl des Mantels, wie des Rocks; gerade
Linien ohne Ausklang; wo das Gewand schleppt, tritt das in Paris so
haufige Motiv des Aufsttilpens der Langfalten auf die Fiifie (so, dafi ein
Dreieck sich bildet) hervor. Dieselbe Stilrichtung mit wachsender Freude
am winkligen Bruch, der zwischen den Knieen schwer niederhangenden
Faltenmassen, an scharfem Umbruch der am Boden sich brechenden Laufe,
zeigen auch die Figuren am aufieren Rande der Mitteltone, wahrend
vereinzelt die Richtung auf schonen, schlanken Linienflufi noch anklingt.
Hier geht diese Richtung auf schwere Faltenplastik (die fortgeschrittensten
Figuren sind an der 1. Seite etwa 5, 6, 8 von unten) bereits uber die
Pariser Stufe (Pariser Marien portal und Verwandtes) hinaus, erst am
Amienser Westportal findet man gleiches. — Doch ich kann nicht alles
hier mitteilen ; am Rand der linken Tonne ist die Entwicklung noch weiter
zuriick; nirgends erreicht sie auch an der Sudhalle die Stufe, auf der
wir sie eben fanden. Was dagegen an der Stidhalle verblufft, ist die
Verwandtschaft mit Paris; z. B. konnte man das dritte der Figurenpaare
(von unten) an der linken Seite der Mitteltonne an das Pariser Marien-
portal ganz wohl versetzt denken, besonders die linke Gestalt; von
den Aposteln an der Tonne des rechten Portals zeigt z. B. der Petrus
sehr schon den eigen steif, »parisisch« um das Knie gespannten Mantel-
saum und die Pariser Faltendreiecke liber den Ftifien; zu vgl. auch links
die vierte Figur (von unten), ihren von der Schulter herabhangenden
Mantel u. a. m. — Es sei hinzugesetzt, dafi der Zusammenhang mit Paris
— gerade ftir die Sudhalle — auch durch das Ikonographische dargetan
wird, wie denn ja auch Male in seinem »L'art religieux du XIII c siecle
en France « die Chartreser Darstellungen der Tugenden und Laster von
den Pariser herleitet.7)
Die Vorstellung von der sproden Sonderexistenz der Chartreser
Schule ist also ein Irrtum! es ist iiberfltlssig iiber die »tieferen« Ursachen
7) Hierauf scheint Franck S. 80, Anm. 121 anzuspielen; dafi er den nahen stili-
stischen Zusammenhang nicht sieht, tun die Zitate dar.
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Vom gotischcn Schwung unci den plastischen Schulen des 13. Jahrhunderts. 1 1
ihrer unberiihrten Jugendlichkeit sich tiefsinnigen, deutschen — allzu
deutschen — Spekulationen hinzugeben, wie es Franck auf den letzten
Seiten tut Die Schule in abstracto existiert garnicht.
Dies Ergebnis ist aber von Bedeutung fiir die allgemeinen, uns
beschaftigenden Fragen. Es fiihrt die Vorstellung von dem Nebenein-
ander ganz verschiedener Str6mungen auf das richtige Mafi zuriick; es
zeigt aufs neue, wie die einander entgegenstehenden Richtungen doch
in engem Kontakt sind, bemiiht gleichsam, ihre VVerte auszutauschen.
Auf diesem Austausch beruht es, dafi trotz der Sonderexistcnz der einzelnen
Lokalcentra etwas wie gemeinsame Entwicklung vorhanden ist. So sehen
wir auch >Chartres. in seinen Mitteln plastischer werden, gleich den
anderen Schulen.
Deshalb hat man aber auch das Recht, zur zeitlichen Einordnung
etwelcher datumloser Werke unter Uinstiinden datierte Werke anderer
Schulen heranzuziehen, wenn man sich klar bleibt, dafi es sich allerdings
nur urn ein >ungefahres Ergebnis handeln kann. Man hat dies Recht
sic her, wenn diese »fremden« Werke dieselbe oder eine sehr ahnliche
Stilrichtung zeigen, denn das ist der Beweis, dafi ein Ausgleich statt-
gefunden hat, oder ein scharfer Gegensatz nicht mehr besteht. So darf
man z. B. fiir den Faltenstil der jiingsten Reimser Fassadenstatuen auf
den Altar von Saint-Germer hinweisen; so darf man, mufi man fiir die
besprochenen Chartreser Statuetten auf Paris-Amiens weisen, als den
wichtigsten Anhaltspunkt fiir ihre zeitliche Einordnung; damit tritt man
weder der Schule von Chartres noch der Paris- Amienser zu nahe.
Ein ungefahres Schritthalten der Entwicklung ist aber noch nicht
immer auf unmittelbare Beriihrung, auf lebendigschnellen Austausch des
»Neuen« — von Ort zu Ort — zu erkliiren. Ahnliche Losungen und
Moglichkeiten lagen oft an verschiedenen Orten — in der Luft. So war
in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts das Rhythmisch-Geschwungene
der Pose wie ein Traumgesicht, das — im Umkreise der gotischen Be-
wegung — an verschiedenen Orten gleichzeitig umging, bald Hauch nur,
bald tauschend Bildnis. Man sehe den Anflug des Schwungvollen schon
in einigen der kleinen Reliefs am Marienportale von Notre-Dame in Paris
— in Verbindung wieder mit geschwungeneren Falten. Das nimmt uns
zwar nicht die Bewunderung fiir den Reimser, als kiihnsten Erfasser —
und darum Ausbreiter — des Neuen.
Etwas, das damals hier und dort — und zwar ungefahr gleich-
zeitig — in der Luft lag, war aber auch die stiirkere Faltenplastik.
Wir sehen sie in Reims bei verschiedenen Meistern aufkommen, z. B. an
den Archivolten des Remigiusportals sowohl — wenn hier auch schiich-
terner — wie (besonders) an denen des Jiingsten G^erichts-Portales, bei
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12 Wilhelm Vuge: Voni gotischen Schwung und den plastiscben Schulen etc.
Meistern, die zu Ainiens keinerlei deutlichere Beziehungen haben. Wer
konnte also heute den Beweis dafur antreten wollen, dafi diese Bewegung
erst durch Uberwirkungen von dorther in Flufi gekommen sei? Sie be-
deutete vielmehr auch ftir die chartresisch (und laonisch) beeinflufiten
Reimser einen naturlichen, fast selbstverstandlichen Fortschritt, zumal es
sich hier oft um Statuen sehr grofien Mafistabs und Wirkungen ins Weite
handelte. Franck, der librigens das Herausbluhen des Reimsischen aus
den Chartreser Anregungen mit einigen ganz hubschen Bemerkungen be-
gleitet, deutet ftir den Beau dieu von Reims auf den von Amiens hin
(S. 1 06). Aber diese zwei Gestalten stehen sich als Schopfungen ganz
verschiedenen Geistes in wunderbarer Geschlossenheit gegeniiber, der tiefe
Gegensatz der beiden Bauten ist auch in diesen zwei Figuren (zu vgl. meine
Andeutungen in der Allg. Zeitung a. a. ().).
Wie ftir die chartresisch beeinflufiten Reimser ist es aber auch fur
die Chartreser selbst nicht nur denkbar, sondern wahrscheinlich, dafi sie
— selbst ohne Einwirkungen von aufien — den namlichen Weg ge-
gangen waren.
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Sebald Weinschroter, ein Ntirnberger Hofmaler
Kaiser Karls IV.
Von Albert Gttmbel, Niirnberg.
Dafl an der Zusammensetzung der internationalen Kiinstlerschar,
vvelche sich um den gelehrten und kunstfreundlichen zweiten Beherrscher
Bohmens aus dem Luxemburger Hause, den nachmaligen deutschen Konig
und Kaiser Karl IV., versammelt hatte, und von deren Tatigkeit noch
heute die Malereien der hoch iiber dem Berauntale eniporragenden Karls-
burg glanzendes Zeugnis ablegen,1) auch das deutsche Element hervor-
ragend beteiligt war, ist bekannt. Abgesehen von den uns in den Mit-
gliederlisten der 1348 gestifteten Prager Malerzeche2) entgegentretenden
deutschen Namen, kennen wir auch einen deutschen Hofmaler Karls IV.,
den aus Strafiburg stammenden Nikolaus Wurmser3), der im Jahre 1360,
am 13. Dezember, vom Kaiser Abgabenfreiheit ftir seinen Hof in Morin
unweit der Karlsburg erhielt.4)
Verfasser ist nun in der gliicklichen Lage, Nachricht von einem
zweiten deutschen Hofmaler Karls IV., einem Ntirnberger Blirger, geben
zu konnen. In eben dem Jahre 1360, am 30. Dezember, also nur wenige
Tage nach jener Gunstbezeugung ftir den Straflburger Meister, verleiht
Karl IV. Sebolt Weinschroter, dem Maler, seinem »hofgesind«, Burger zu
Niirnberg, in Ansehung seiner ntitzlichen und getreuen Dienste einen
Zehnten zu Rothenbach an der Schwarzach, bei Niirnberg. .
») Vgl. die neueste, priichtige Herausgabe dieser Gemalde in 50 Lichtdrucktafeln
bei Neuwirth, Mittelalterliche Wandgemiilde und Tafelbilder dcr Burg Karlstein in
Bfihmen. Prag 1896.
a) Pangerl-VVoltmann, Das Bucb der Malerzeche in Prag. Wien 1878.
3) Die Abstammung des Hofmalers Tbeoderich (Dieterich) steht nicht vollkommen
fest. Docb gehorte auch er wabrscheinlich einer deutschen, in Prag schon langer ansassigen
Familie an. Vgl. Woltmann a. a. (). pag. 36.
4) Neuwirth, a. a. O. Textband, pag. 103. Bei Huber, Regesten Karls !\'. pag. 2S3,
wo obiges Monatsdatum gegeben wird, heiOt der Ort Morsie.
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t4
Albert Gtimbcl:
Die Urkunde5) hat folgenden Wortlaut:
Datum per copiam.6)
Wir Karl, von gots gnaden romischer keiser, ze alien zeiten merer
des reichs und klinig ze Beheim, bekennen und tun kunt offenlich mit
disem brief alien den, die in sehen oder horen lesen, daz wir haben
angesehen die niitzen und getreuen dienst, die uns unser lieber getreuer
Sebolt Weinschr6ter, der moler, unser hofgesind, burger ze Nurem-
berg, oft getan hat und noch getun mag und sol in klinftigen zeiten und
haben im und Adelhaiden, seiner elichen hausfrauen, und alien iren erben
verlihen und verleihen ouch von unsern keiserlichen gnaden und macht
den zehend, der gelegen ist ze Rotembach an der Swartzach oberthalb
Wentzelstain7), ze dorf und ze feld, besucht und unbesiicht und was man
von recht doselbenst zehenden sol, und den wir und das reich ze recht
leihen sullen und mtigen, wem wir wellen, und den8) hirvor verlihen
hetten romischer klinig Fridrichen dem Schatz, burger ze Nuremberg,
von dem er uns ledig worden ist, mit rechten, redlichen sachen, idoch
mit der underschaidenhait, daz der obgenant Sebolt, sein hausfrau und
sein erben denselben zehent besitzen, haben und geniessen9) von uns und
des reichs wegen zu einem rechten erblehen an alle hinderntiss und
stillen er und sein erben von demselben zehenden solchen gewonlichen
dienst tun in unsrer inren10) burg ze Nuremberg, als von alter recht und
gewonheit ist davon zc tun und ze dicncn. ") mit urkunde diss briefs,
5) Kgl. Kreisarchiv Ntirnberg. Urk. des siebenfarb. Alphabets, S. VI 99 2 No. 485.
6) Die Urkunde liegt uns namlicb nicht im Original, sondem in einer, offenbar
auf Antrag eines (nicht mehr der Weinschroterschcn Farailie angehorigen) Besitznach-
folgers, vom Landgericht des Burggrafentums Ntirnberg ausgestellten und mit dem (noch
anhangenden) Landgerichtssiegel beglaubigten Abschrift vom 25. September 1447 vor.
Sic leidet offenbar an einigen kleinen Lesefehlern.
7) Recte Wendelstein, ein kleiner Marktflecken stidostlich von Ntirnberg an der
Schwarzach. Es war dieser Zehnt ein Rest jenes frtiher sehr ausgedehnten alten Reichs-
gutes urn Ntirnberg, dessen Verwaltung wahrscheinlich vordem den Butiglern, spater den
Reichslandvogten auf der Burg zu Ntirnberg oblag. Er blieb nicht lange im Besitz der
Weinschroterschen Familie. Schon aus dem Jahre 1400 besitzen wir eine Urkunde (Kr.
Arch. Ntirnberg VI 99/2 Nr. 486), in welcher Margret, des Ulrich Wechslers Witwe,
diesen Reichszehnten als ein Erblehengut an Heinrich Rummel verkauft und mufl es
selbst zweifelhaft bleiben, ob die Verkauferin noch in irgendwelchem personlichen
Zusammenhang mit Sebald Weinschroter steht ; wahrscheinlich ist sie identisch mit der
Anm. 17 genannten Vlein Weschlerin und der Anm. 21 erwahnten Gred, Ehefrau I'lrich
Schirnstorfers, Kaufers des Weinschroterschen Hauses.
8) Im Orig. nach »den« ein unverstiindliehes »wir«.
9) Im Orig. »ze niessen«c.
10) Im Orig. »Inrewe«.
tl) Cber diesen mit dem Zehnten verbundenen Dienst siehe unten.
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Sebald Weinschroter, ein Nurnberger Hofmaler Kaiser Karls IV. x^
der versigelt ist mit unser keiserlichen nuijestat insigel, der geben ist
ze Nuremberg nach Cristus gepurt dreizehenhundirt jar darnach in dem
einun^lsechzigstem 12) jare an der nachsten mitwoch nach des heiligen
Cristus tag (= 30. Dezember) unsrer reiche in dem funfzehenden und des
keisertuins in dem sechsten jare. per dfominum] prepositum de Ingeln-
heim Conr. de Meydberg.
Ditz vidimus und abschrift ist geben und versigelt mit und unter
des lantgerichts des burggrafttims zu Nuremberg anhangendem insigel am
montag vor s. Michels tag des erzengels (= 25. Sept,) nach Crists gepurt
vierzehenhundert und in dem sibenundvierzigisten jare. Jo. Vlmer.
Leider konnen wir dieser Verleihungsurkunde keine naheren An-
gaben iiber Zeit, VVesen und Schauplatz der von Sebald Weinschroter
geleisteten und vom Kaiser so hoch gewiirdigten Dienste entnehmen.
Es liegt nahe, wiederum an die Lieblingsschopfung des Kaisers auf
bohmischem Boden, eben Burg Karlstein und dessen Kapellen zu denken.
Die sparlichen uns iiberlieferten biographischen Daten berichten zwar
nichts hiervon, schloflen aber wohl eine derartige Tatigkeit nicht aus;
im Gegenteil wiirde sich eine solche dem Lebenswerk des Meisters,
dessen Personlichkeit und ScharTen Verfasser im (ibrigen eher fiir Ntirn-
berg selbst in Anspruch nehmen mochte, ohne Zwang einfiigen, wenn
wir einer gleich zu erwahnenden Episode im Leben des Kunstlers grofiere
Bedeutung beilegen wollen.
Betrachten wir zunachst das uns zur Verftigung stehende biogra-
phische Material !
Seboit Weinschroter diirfte einer Nurnberger Familie entstammen,
in welcher kiinstlerische Tatigkeit schon langer heimisch gewesen zu sein
scheint. Einer der fruhesten uns Iiberlieferten Kunstlernamen ist der
eines gewissen »Winschroter maler«I3) der im Jahre 131 1 neben Hein-
rich Wusto, sartor, als Biirge bei der Aufnahme des Nurnberger Neu-
burgers Sifrit G laser erscheint. Er mag der Vater unseres Sebald gewesen
und dieser letztere zu Niirnberg zwischen 13 18 und 1328 geboren sein,
wenn anders unsere Vermutung richtig ist, dafi die unten geschilderte
stiirmische Episode in das Jiinglings- oder doch das erste Mannesalter
") Das ist nach unsercr Zeitrechnung 1360. Die kaiserliche Kanzlei begann
namlich ihr neues Jahr mit Weihnachten, so dafl der Mittwoch darnach filr sie schon
in das Jahr 1361 fiel.
*3) BUrgerverzeichnis vom Jahre 131 1 im K. Kreisarchiv Niirnberg. Der be-
treffende Eintrag lautet: Sifrit Glaser. Fidfejussores] : Heinr[icus] Wusto sartor et Win-
schroter maler ante Michahel[is] Sabb. (= 25. September). Im altesten Acht-
buch der Stadt Niirnberg (gleichfalls im K. Kr. Arch.) heifit es zum Jahr 1307: a festo
Penthcc. ad quinque annos exclusi sunt a civitate . . frater Winschroteri et uxor sua.
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1 6 Albert Gttmbel:
des Ktinstlers fallt. Er beteiligte sich namlich an dem Aufstand der
Handwerker gegen den patrizischen Rat der Stadt Ntirnberg1*) im Jahre
1348 und wurde nach Niederwerfung der demokratischen Bewegung und
der von Karl IV. bewerkstelligten Zurlickfiihrung des Geschlechterrates
am 7. Oktober 1349 auf Lebenszeit 20 Meilen weit von der Stadt ver-
wiesen.J5) Dafi diese Sentenz wieder zuriickgenommen wurde und die
Tore Niirnbergs dem Ktinstler sich wieder offneten, beweist nicht nur
unsere Zehntverleihung von 1360, welche Sebald Weinschroter Btirger zu
Niirnberg nennt, sondern auch noch eine weitere Urkunde, welche den
Meister bereits 1357 wieder in Ntirnberg ansassig zeigt und yielleicht auf
einen schon langeren, vorausgehenden Aufenthalt des Malers in der
Heimat schliefien lafit.16) In dem letztgenannten Jahre, am 20. Dezember,
erkaufte er namlich von Frau Gerhaws, Seybot Pfintzings Witwe, und
deren Sbhnen Hermann und Seybot ein Haus unter der Veste neben
Christan Nadler selig, das er zuvor (vor der Verbannungr) zu Erbrecht
(d. h. in Erbmiete gegen einen gewissen Zins) besessen hatte, als Eigen.1?)
*4) Auch der Gegensatz zwischen Karl IV. und dem wittelsbachischen Hause,
flir welch* letzteres die Handwerker eintraten, spielte eine wichtige Rolle bei dieser
Bewegung.
»5) Lochner, Geschichte der Reichsstadt Niirnberg zur Zeit Kaiser Karl IV. Erster
Teil, Beilage III. Doch liest Lochner, pag. 87, den Xamen falschlich » Sebolt Wege-
schroter«. Milliner in der Urschrift seiner Annalcn (im k. Kreisarchive Niirnberg), dem
das gleiche, heute verschollene Achtbuch vorlag, hat »Sebald Weinschroter«. Es dlirfte
in der Urschrift »Weynschroter« gestandcn haben.
,6) Auch ist sein Name neben nur fttnf andern (unter no Verbannten) im Acht-
buch wieder gestrichen.
J7) Das Haus wird auf der Rtickseite sowohl des Kaufbriefes von 1357 wie der
gleich zu erwahnenden Urkunde aus dem Jahre 1370 von etwas spaterer Hand bezeichnet
als: Vlein Weschlerin haus gelegen pey der schiltroren. Es ist offenbar kein anderes
als das 1493 von Wolgemut erworbene und im Kauf brief des genannten Jahres als die
*Eckbehausung mitsambt dem hindterhauss vndter der Vesten bey der Schiltrciren« be-
schriebene Haus. (Stiidt. Archiv Niirnberg. Lit. 9, fol. 171. Vgl. auch Anm. 7.)
Die Urkunde von 1357 nun selbst lautet folgendermaflen: Ich Heinr. Grozz,
schultheizze und wir . . die schepfen der stat ze Ntirnberg verjehen oflfenlichcn mit
disem brif, daz fiir uns kom in gericht Sebolt Weinschroter, der moler, und
l)racht alz reht waz mit seinen salleuten, hern Vlr. Stromayer, hern Cunratz seligen sun,
hern Berhtold Tucher und hern Erkenprecht Coler, die sagten bei salmanns treu, daz
derselbe Sebolt Weinschroter bracht het mit ainem salbrif, versigelt mit dez gerichtz und
der stat ze Niirnberg anhangenden insigeln, daz im frau Gerhaws, hern Seybot Pfint-
zingcs seligen witibe, Herman und Seibot, ir zwen sun, haben recht und redlich ze
kaufen geben ir aigen unter der burg gelegen, bei hern Cristan Nodler selig, daz vor
dez selben Scboltz erbe gewest were, im und seinen erben ze haben und ze
niessen zu rechtem aigen fiirbaz ewiglichen und heten in dez gelobt ze wern fur aigen
als recht were und wurden auch die vordern salleut ir treu ledig und loz gesagt mit
urteile. darnach trat clar der egen[ant Sebolt Weinschroter und satzt daz aigen mit
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Sebald Weinschrbter, ein NUrnberger Hofmaler Kaiser Karls IV. i 7
Die nachste urkundliche Erwahnung bildet sodann unser kaiserlicher Gnaden-
brief. Auch er deutet darauf hin, dafi der Meister damals seinen dauernden
Wohnsitz in Ntirnberg hatte, ja es liegt dies noch ganz ausdriicklich in den
Worten der Urkunde »und sullen er und sein erben von demselben zehenden
solchen gewonlichen dienst tun in unsrer inren burg ze Nuremberg, als von
alter recht und gewonheit ist, davon ze tun und ze dienen«. Dem In-
haber dieses reichslehenbaren Zehnten oblag namlich die Verpflichtung,
»alle sloss und auch alies ander eisenwerg in der inneren purg ze
Nuremberg, waran daz wer und auch als oft des not geschehe« l8), machen
und bessern zu lassen. Wenn wir nun auch schwerlich annehmen diirfen,
dafi diese Dienstleistung damals noch — in alter Zeit war es ja wohl
sicher der Fall — personlich von dem Zehntinhaber verrichtet wurde,
sondern diese Bestimmung wohl dahin verstehen mttssen, dafi der Nutz-
niefier des Zehnten die Kosten dieser Reparaturen im Innern des
kaiserlichen Schlosses zu tragen hatte, x9) so ware die Verieihung an den
Meister doch nicht verstandlich ohne die Voraussetzung, dafi er damals'
in Ntirnberg dauernd ansassig war.
rechter sal und mit urteil in der obgen[anten] seiner dreier salleut hand, im und vern
Alheiden, seiner elichen wirtine, ze treuen ze tragen und ze behalten und nicht domit ze
tun, dann daz er sie mit gesampter hant ermant nach der stat recht. und dez zu ur-
kunde ist im dirr brif mit urteil von gericht geben, versigelt mit unsers gerichtz und
der stat ze Nurnberg anhangenden insigeln, der geben ist an sant Thomas abent nach
gots gepurt dreuzehenhundert jar und in dem siben und funfzigisten jare.« (H. Ger-
manisches Museum. Orig. Pergt. mit 2 anh. Siegeln, das erstere zerbrochen. Auf die
hier bentltzten 3 Urkunden des Germanischen Museums hatte Herr Archivar Dr. Heerwagen
daselbst die Gttte, mich aufmerksam zu machen).
Die Worte von »darnach trat dar« bis »nach der stat recht« sind rein formelhaft
und deuten nicht etwa auf eine geplante Entfernung des Meisters von Ntirnberg hin.
Wohl aber ware es denkbar, daB dieser das Haus nicht selbst bewohnte, sondern wieder
zu Erbrecht weiter verlieh.
,8) So wird der Inhalt der Verpflichtung in der oben (Anm. 7) erwahnten Ver-
kaufsurkunde tiber den Zehnten vom Jahre 1400 umschrieben. Gemeint ist wohl wirklich
das Inn ere der Burg im Gegensatz zum aufieren Mauerwerk und dessen Eisenbesehliigen,
nicht etwa eine innere Burg im Gegensatz zu einer zweiten, weiter auflen gelegenen z. B.
der burggraflichen Veste.
*9) In dem Revers der Besitzer des Zehnten vom 8. November 1456 (jm Kreisarchiv
Ntirnberg VI. 99/2 Nr. 487) gegentiber Biirgermeistern und Rat der Stadt Xtimberg, als
Pflegern der Reichsveste, wird mit bezug auf diese dem Zehnten anhangige Dienstleistung
gesagt: >so uns dafi (namlich daB eine Reparatur an den Schlossern und dem Eisenwerk
der inneren Burg durch den Baumeister der Stadt vorgenommen worden war) von in
zu wissen getan und [wir] zu zalen ermant [werdenl . . .« Ftir den Fall, dafi die Aus-
steller saumig waren, sollte der Rat die Macht haben, die EinkUnfte aus diesem Zehnten
an sich zu ziehen und sich daraus bezahlt zu machen. Dieser Ertrag war kcin unbe-
deutender. Im Jahre 1455 wurde er sechs zehntpflichtigen Bauern i^egen eine jahrlichc
Abgabe von 5 Simra Korns (-^ 7,15 bayerische SchiifTel zu je 222,36 1) iiberlassen.
Repertorium fur Kunstwisscnschaft, XXVrII. 2
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1 8 Albert Gumbel:
Daselbst diirfte er auch, nicht allzu lange nach jener kaiserlichen
Gunsterweisung, sein Leben beschlossen haben, denn in dem ersten uns
erhaltenen amtlichen Verzeichnis der Niirnberger Maler vom Jahre 1363
erscheint sein Name nicht,20) in einer Urkunde vom 7. Sept. 1370 sodann,
in welcher seine Ehefrau Adelheid das 1357 erworbene Haus an Ulrich
Schirnstorfer weiter veraufiert,21) wird er ausdriicklich als verstorben er-
wahnt. Von dem mutmafilichen Erben seines Namens und seiner Kunst,
Fritz Weinschroter, wird unten noch zu reden sein.
2°) M. S. Nr. 232. Dafi der nicht recht verstandliche (Ubrigens durchstrichene)
Kintrag in der genannten Malerliste »Sebolt molerine man* sich irgendwie auf unseren
Meister bezieht, ist wohl nicht anzunehmen. VVarum sollte sein in anderen Urkunden
erscheinender vollcr Name nicht genannt sein?
2I) Die Urkunde (H Germ. Museum) hat folgenden Wortlaut: Ich Heinrich. Gewder.
schulthfeiss] und wir . . die schepfen der stat ze Nurnberg verjehen offenlichen mit disem
brief, daz fur uns kom in gericht Vlrich Schirnstorfer und bracht als recht wax mit
seinen salleuten hern Seytzzen Holtzschuher, hern Conr. Schiirstaben und hern Fritzen Ort-
lieb, die sagten bei salmans treu. daz im frau Alheyde Weinschroterin het recht und
redlichen ze kaufen geben ir aigen unter der purg gelegen, zenechst am Vlr. Pfintzing,
im und seinen erben ze haben und ze niessen fttrbaz ewiclichen und globt in dez ze
wern fur aigen als recht wer. ez behiib auch dieselb Alheyde Weinschrtfterin ze den
heiligen, als im erteilt wer, daz sic dartiber weder salbrief noch salleut het noch enwest,
dan neden alten salbrief, den Sebalt molcr, ir wirt selig, darilber gelazzen het
und het auch Normals damit nicht getan, daz sie dheinz gescheftz noch kaufs daran
gehindern noch geirren mocht und wurd auch erteilt, ob dhain ander salbrif daniber
funden wurde, der solt weder kraft noch macht haben und solten auch dieselben salleut
irer treu darUber ledig und los sein, und also trat dar der vorgenjant] Vlr. Schirnstorfer
und satzt daz egeschriben aigen mit rechter sal und mit urteil in seiner obgenan[tenj
dreir salleut hant im und frauen Greden, seiner elichen wirtin, daz in treuen ze tragen
und zu behalten und nicht damit ze tun, danne dez sie von in ermant wurden mit ge-
sampter hant nach der stat recht. und dez zur urkunde ist im direr brief mit urteil von
gericht geben versigelt mit dez gerichtz und der stat ze Niirnberg anhangenden insigeln.
Geben am samstag nach sant Egidientag (= 7. Sept.) von Cristus gepurt dreuzehenhundert
jar und in dem sibenzigisten jare. (Orig. Pergt. mit 2 anhangenden Siegeln.) Vgl. auch
Anm. 7.
Ob eine Urkunde vom Jahre 1373, nach welcher eine »Alheid Sebolt Molerin«
einen Jahrtag bei St. Sebald stiftete (Abschrift im Ktfnigl. Kreisarchiv Ntirnberg), dann
ein Eintrag im Salbuch der Kircbe U. L. Fr. vom Jahre 1442 (ebendort), in welchem eine
»Sebolt malerin* genannt wird, sich auf obige Adelheid beziehen, mufl z we if el haft
bleiben. Sie ktinnten auch mit der Ehefrau eines C. Sebolt in Zusammenhang gebracht
werden, der im Meisterverzeichnis von 1363 als »Moler«c genannt wird; da sie in jedem
Falle ein gewisses Interesse bieten, seien sie nachstehend mitgeteilt. Die Urkunde vom
14. Marz 1373 hat folgenden Wortlaut: Ich Heinrich Gewder, schulthfeiss] und wir die
schepfen der stat ze Nuremberg verjehen offenlich mit disem brif, das fttr uns kom in
gericht her Hainrich Fewrer, vicarier auf s. Jacobsaltar in s. Seboltspfarr ze Nlirmberg,
und sprach an Seitzen Weigel und Heinrich Sachssen, vormtinde (= Testaments vollstrecker)
vera Alheiten Sebolt, Molerin, selig umb einen gescheftbrief (= Testament), hetten
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Sebald Weinschrftter, cin Ntirnberger Hofmaler Kaiser Karl* IV. K)
Uberblicken wir obige biographischen Daten, so empfinden wir es
als eine besonders schmerzliche Lticke, dafi uns aus jenem fur den
Kunstler und sein Schaffen offenbar wichtigsten Zeitabschnitt, aus den
Jahren 1350 — 1357, keine Nachrichten vorliegen. Wohin hat der fliich-
rige Meister seine Schritte gelenkt? Unter welchen Umstanden erfolgte
die Berufung an den kaiserlichen Hofr Wann war es dem Kunstler ge-
gonnt, die Tlirme und Mauern seiner Vaterstadt wieder zu begriifien?
Unsere Quellen geben keinen Aufschlufi hieriiber und sind es nur Mut-
mafiungen, die wir aussprechen konnen. Diese werden zunachst an die
Katastrophe vom Herbst 1349 anzukniipfen haben. Dafi die Begnadigung
sie innen von der selben Sebolt Molerin wegen, versigelt mit der stat zu Nur. anhangen-
dem insigel, do stunde ein artikel innen, der stunde im und seiner pfrlinde zu nutz;
dez solten sie im ein abscbrift geben. und derselb artikel stunde von wort zu wort also:
Ich Alheit Seboltin, burgerin zu Nttrmberg, vergiehe offenlichen mit disem brief, das ich
mit verdachtem mut und wolbedrachten sinnen, da ich ezwol getiin mocht, ditz mein gescheft
schik und schaff von wort zu wort als hernach geschriben stet: zum ersten schik ich mein
gUtel zu Hegendorff gelegen, daz da aigen ist, zu der mes.se, die Jacob Cramer leiht,
davon soil man begen mein und des Sebolts jarzeit an dem sampztag nach s. Michels-
tag und auch herrn Bernharts seligen; so sol man kaufen 7 pfuud wachs, ein pfund ze
einem opferlicht und die andern sechs pfund zu den kerzen in den pfarrhof ze s. Sebolt
den neun gesellen jedem zwen schilling haller, jedem vicarier zwen sh. h., dem schul-
meister zwen sh. h., dem mesner einen sh. h., daz soil man jeriglichen tun; daz giitel
gilt zwei sumer korns, zwei herbsthuner, zwei vasnachthiiner, virzig haller zu s. Michels-
tag, vier kess zu pfingsten, vier kes zu wihennachten, sechzig aier zu ostern und waz
da tiber bleibt, das sol volgen dem, der denselben altar inne hat. und da derselb
artikel in dem egeschriben geseheft brief vor uns in gericht also gelesen und verhurt
warde, da bat der obgenant her Hainr. Fewrer zu fragen einer urteil, ob man im des
icht billichen von gericht ein abschrift geben solt, wann er im und seiner pfrUnd zu nlitz
stUnde, die ward im ertailt mit urkunde ditz briefes, der mit urteil von gericht geben
ist, versigelt mit dez gerichtz zu Nur. anhangendem insigel. des sein zcug die ersamen
mann herr Fritz Smugenhofer und herr Fritz Ortlieb. Geben am Montag vor s. Ge[r]drauts
tag etc. 1373.
Demgemafl findet sich unter dem Verzeichnis der Einktinfte der St. Jacobspfrtinde
vorgetragen :
»Item ein gut zu HengendorrT, gelegen bei dem alten perg, gilt 2 siimer korns,
8 kes, 2 herbsthttner, und 2 vasnachthiiner und 40 hlr. und 60 aier und von den richt
man dez Sebolts molers jartag aus als der brif tiber daz gut ausweist.«
Weiter unten im Verzeichnis der Jahrtage findet man:
>Item sabato post Michael, ein jartag Sebolt malers et Alheyd uxoris.«
Der Eintrag im Salbuch der Marienkirche endlich lautet: Es ist zu wissen, das
ein frau, hat geheissen Sebolt malerin, hat geschickt (= vermacht) an das gotzhaus
zu unser frauen vor zeiten ein metzen muhens (— Mohns) ewiger gult aus einem acker
zu Poppenreut und derselb acker get zu lehen von den vom Eglofstein. die wolten sein
nit gonnen und unterwunden sich des ackers flir ein verfallen lehen und haben auch
den acker furbass verliehen dem . . . von Poppenreut, also daz dem gotzhaus mer dann
in dreissig jaren nichtz davon worden ist und auch furbas nichtz mer daraus \virt.«
2*
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20 Albert Gttmbel:
des Meisters schon kurze Zeit nach dem Ausspruch der Verbannung,
etwa auf Bitten des dem Kiinstler schon damals gewogenen Konigs er-
folgt sei, sodafi der wahrscheinlich schon vor Fallung des Urteils aus der
Stadt Entwichene bald hatte dorthin zuriickkehren konnen, ware ja immer-
hin denkbar, da Karl in jener Urkunde vom 2. Oktober 1349, in welcher
er dem neugebildeten Rat die Verfolgung der am Aufstand Beteiligten
gestattete, zwar aussprach, dafi die Ratsherren etwaige konigliche Fiirbitten
ohne Gefahr unberticksichtigt lassen durften, sich aber gieichwohl die
letzte Entscheidung vorbehielt.22) Wahrscheinlicher aber erscheint doch
der folgende Gang der Dinge, dafi niimlich der Ausweisungsbefehl wenig-
stens einige Zeit in Kraft blieb und der Meister in der Tat, vielleicht
mit Weib und Kind — denn auch die Familien der Verurteiiten wurden
nicht in der Stadt geduldet — das Brot der Verbannung essen mufite,
dafi er sodann, sei es nun in Bohmen oder wo sonst, Gelegenheit fand,
die Aufmerksamkeit des Kaisers zu erregen, der den Kiinstler an seinen
Hof zog und dessen machtige Fiirbitte ihm die Tore der Vaterstadt wieder
erschlofi. Wann aber erfolgte diese Riickkehr? Dafi sie wahrschein-
lich nicht erst 1357, sondern schon frliher stattfand, haben wir oben
gesehen; im ubrigen sind wir auf Vermutungen angewiesen. Verfasser
mochte am liebsten an jene Zeit (urn 1355) denken, da Kaiser Karl IV.
seinen seit 1340 gehegten Plan der Erbauung einer Kirche zu Ehren
IT. L. Fr. an Stelle der niedergerissenen Judenschule auf dem Markte in
Ntirnberg zu verwirklichen begann.
Die in den Jahren 1355 — l3&1 errichtete Marienkirche ist recht
eigentlich eine personliche Schopfung des kunstsinnigen und frommen
Fursten. Er fundierte die Pfriinden der drei Geistiichen, gab diesen in
der Person des » precentor des Chorstifts U. L. Fr. zu Prag und dessen
Chorherren, Patron und Visitatoren23\ fand die Anspriiche des durch die
Neugrtindung benachteiligten Pfarrers von St. Sebald ah und beschenkte
die Kirche mit Reliquien, Mefigewanden und K unstwerken. 2*) Mit Recht
nennt ihn daher das Salbuch der Kirche vom Jahre i44 225) ein an-
fang und ein rechter stifter ditz gotzhaus und capellen genant unser
frauen sale<.
Dafi diese Kirche neben bedeutungsvollem plastischen auch reichen
malerischerr Schmuck an ihren Innenwanden aufwies, ist bekannt.26) Ware
") Die Urkunde siehe in Chroniken der deutschen Stiidte Bd. Ill, pag. 332.
*3) Diese enge Verbindung, in welche der Kaiser seine neue Schopfung rait Prag
und Bohmen brachte — selbst Einkunfte aus Bohmen hatte er angewiesen -—, diirfte
auch nach der baugeschichtlichen Seite nicht zu ttbersehen sein.
*4") Murr, Beschreibung der Marienkirche oder Kaiserkapellc, Niirnbg 1804.
a5) Im K. Kreisarchiv NUrnberg.
a6) Essenwein, Der Bildschmuck der Liebfrauenkirche zu NUrnberg, pag. 12.
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Sebald Weinschrtfter, ein Ntirnberger Hofmaler Kaiser Karls IV. 2 I
es nun nicht denkbar, dafi der kaiserliche Auftrag zur Vollendung dieser
Gemalde unseren Meister wieder in die Heimat zurtickgefuhrt hatte?
Sollte nicht hier an diesem, so recht bezeichnend auch > kaiserliche
Kapelle« genannten Gotteshaus Gelegenheit flir einen kaiserlichen Hof-
maler zu jenen »niitzen und getreuen Diensten« gewesen sein, welche
der dankbare Herrscher 1360, also zur Zeit der ungefahren Vollendung
des Baues, an seinem Diener Sebald Weinschroter lobt und belohnt?
Keine Urkunde nennt uns den Baumeister und die Steinmetzen, die
hier im kaiserlichen Auftrag am Werke waren;27) mochte es nun wenigstens
beziiglich des Malers vergdnnt sein, an einen urkundlichen Namen an-
kniipfen zu dtirfen.2*)
Zum Schlusse mochte Verfasser noch eine andere, unsern Meister
bertihrende Frage streifen, die kunsthistorisch gleichfalls das hochste
Interesse bietet; dabei kann er freilich gemafi seiner Absicht, zunachst
an dem historischen Gerippe der Ntirnberger Kunstgeschichte zu seinem
Teile mitzubauen, nur die iiufieren Zusammenhange nach Moglichkeit
erortern.
Es ware namlich in hohem Grade verlockend, in Sebald Wein-
schroter jenen von Thode^) als ^Meister der Przibramschen hi. Families
bezeichneten Vermittler zwischen der alteren Prager Malerschule und der
mit dem Namen Meister Berthoids verknupften und im sog. Imhofschen
Altar gipfelnden Ntirnberger Kunst des ausgehenden 14. und beginnenden
15. Jahrhunderts zu sehen. Freilich gestattet die zeitliche Umgrenzung
einerseits der ktinstlerischen Tiitigkeit Sebald Weinschroters und anderer-
a7j Dafi wir sie unter den »Lapicide« /u suchen hauen, welche die erste Ntirn-
berger Meisterliste von 1363 als solche aufflibrt, ist wohl zweifellos. In diesem Ver-
zeichnis werden genannt: Syman gener Troster (1370), Meister Hanse, H einrich] Reichen-
l>ek (1370), Hjeinrich, Hannbach (1370), l\ Hager (1370), Ott Kberhart (1370), S. Spatzir
(1370), C. Karcl, F. Swentenwein, Heinrich Stainmaizzcl, H einrichj Bheihaim parlir
(1370), Albr. Arg (1370), K. Rossener (1370), Hertel (1370 mit dem Zusatz KandpUtel),
Rausscnperk (1370), Merkel Schedel, (1370), Her man, Eberhart (1370). Die letzten aoht
Namen sind von anderer Hand, also wohl etwas spiiter der ursprlinglichen I.istc angc-
ftigt. Der Beisatz 1370 bedeutet, dali die gleichen Namen auch in der Meisterliste von
1370 wiederkehren. Hervorzuheben i*t. dafi jener Heinrich Keheim , Parlir, welcher
spater beim Bau des schonen Hruiincns eine so groBe Rolle spielt, nicht erst 137S, wie
Baader, Beitrage, I, p. 3, hat, sondern schon um 1363 auftritt.
**) In diesem Zusammenhang verdient vielleicht die Tatsache einige Beachtung,
daB in» Jahre 1370 Arnold von Seckendorf, ein von Kaiser Karl IV. wegen seiner ge-
treuen Dienste mit manchen Gunstbezeugungen bedachter Mann (vgl. Huber, Regcsten
No. 1264 und 6026), einen Hermann Weinschroter fiir die \on ihm gestiftcte St. Wenzels-
pfrtinde in der neuen Marienkirche prasentierte (Regest im K. Kreisarchiv Xiirnberg.
Kcp. 74, Nr. 66.)
*>) Die Malerschule von Ntirnbcrg im XIV. und XV. Jahrh. pag. 47 und 4S.
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22 Albert Gttmbel:
seits des Beginns des selbstiindigen Schaffens Berthold Landauers (um
1396)3°) nur schwer eine unmittelbare Beeinflussung des jtingeren Meisters
durch den alteren anzunehmen. Hier bietet nun die Personlichkeit jenes
F fritz] Weinschrbter, der in dem Meisterverzeichnis der Ntirnberger
Maler vom Jahre 1363 an vierter, in jenem von 1370 an erster Stelle genannt
wird, die Moglichkeit einer ungezwungenen Verbindung. Wir durfen in
ihm wohl unzweifelhaft einen Schuler und den kiinstlerischen Erben Meister
Sebalds erblicken, mogen wir ihn nun im tibrigen ftir einen Sohn oder
jtingeren Bruder des letzteren halten, die Quellen geben iiber diesen
Punkt keinen Aufschlufi. Verheiratet war er mit einer Witwe Elisabeth
Kliigel 3*), welche ihm zwei Stiefsohne Konrad32) und Heinrich Kliigel
zubrachte, auch war sie im Besitze des halben Teiles eines Hauses an
der Ftill, neben Albrecht des Hewgels Haus.33) In den Ntirnberger Steuer-
listen von 1392 und 1397 erscheint Fritz Weinschrbter nicht mehr an
der Ftill, sondern im Hauserviertel »Domus Mafiner« bzw. (1397) »Domus
meister Apothekers« ansassig. Eben diese letztere Nachricht ftihrt uns
nun tiberraschenderweise auf Beziehungen zwischen ihm und Meister
Berthold. Dtirfen wir den Schlufifolgerungen, welche sich hierbei ergeben,
trauen, so waren beide Manner nicht nur Zeit- und Kunstgenossen ge-
wesen, sondern hatten auch in verwandtschaftlichen Beziehungen gestanden.
Es wurden oben die Hauserviertel erwahnt, in welchen Fritz Weinschrbter
1392 und 1397 wohnte. Da ist es nun in hohem Grade bemerkenswert,
dafi genau an der Stelle, wo ihn die Steuerlisten der beiden Jahre auf-
ftihren, von 1400 ab Meister Berthold erscheint. 34) In Betracht kommt
30) Vgl. raeinen Aufsatz in dieser Zeitschrift Bd. 26 : Meister Berthold von Nlirn-
berg, ein Glied der Familie Landauer.
3«) Einer Ell Weinschrdterin vermacht Heinrich Grabner 1404 als seiner Muhme
(=Mutterschwester) ein Leibgeding.
3*) Auch dieser Name ist in der Ntirnberger Kunstgeschichtc nicht unbekannt.
Baader, Beitrage, II, pag. 2 und 12 erwahnt, daB ein C. Kliigel 1392 mit Mai en und
Vergolden am schonen Brunnen beschiiftigt war und 1394 die auf dem Rathaus hin-
genden Armbriiste mit neuen VVappenschildlein bemalte.
33) Diesen Halbteil Uberlieflen die Eheleute am 4. April 1377 ihrem Sohne Konrad,
der die Heimsteuer seiner Ehefrau Gewt im Betrage von 90 fl. darauf anwies. 1383,
am 2. Februar, tat ein gleiches Heinrich Kliigel, der mit Einwilligung seines Stiefvaters
Fritz Weinschroters, Elisabeths, dessen Ehefrau, und Konrads, seines Bruders, seiner
Ehefrau Elisabeth, Fritz Hausner Tochter, »hundert gulden sechshundert pfund haller
alter werungc darauf verschrieb (Urk. im Germ. Museum).
34) Zur Vergleichung setze ich die Namen der Nachbarn bei:
1392 C. Kbtzner
Frantz Goltslaher
F. Weinschrbter
F. Kamenneister
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Sebald Wefatechrttter, em Ntiraberger Hofmaler Kaiser Karls IV. 23
jenes von nun an lange Zeit im Besitzc der Landauersrhen Familie be-
findliche Haus gegeniiber dem Predigerkloster. Die nachste Erklarung
ware wohl ein Verkauf des Weinschroterschen Hauses an Meister Berthold,
dem steht aber entgegen, dafi 1400 der Name Fritz Weinschroter weder
auf der Sebalder35) noch auch der Lorenzer Stadtseite — und eben aus
dem Jahre 1400 besitzen wir auch die Steiierliste filr die Lorenzer Stadt-
viertel — vorkommt An einen Wegzug kann man bei dem seit mindestens
27 Jahren in Niirnberg ansassigen Meister wohl auch nicht gut denken,
Berthold mag jenes Haus ererbt haben und es ware immerhin mog-
lich, dafi seine uns bekannte Ehefrau Anna eine Tochter Fritz Wein-
schroters war. Doch moge auf die Beweiskraft unserer archival ischen
Notiz nach dieser Seite mehr oder weniger Gewicht gelegt werden, zum
mindesten macht sie die Tatsache in hohem Grade wahrscheinlich, dafi
beide Manner in persbnlichen Beziehungen standen, und wer mochte da
nicht am liebsten an das Verhaltnis von Meister und Schuler denken.
Das letzte Wort bei der Prufung aller dieser Zusammenhange kann
freilich nur die stilkritische Untersuchung auf der unverruckbaren Grund-
lage gesicherter Werke der beiden Weinschroter einer- und Berthold
Landauers andererseits sprechen. Doch fehlt es an solchen bisher ganz-
lich. Moge sich die Liicke einstmals schliefien und auch unser Auge den
stets aufsteigenden Pfad verfolgen konnen, den die Nurnberger Malerei
von einem gleichsam noch in die Nebel der kunsthistorischen Sage zu-
riickweichenden Schauplatz — man denke an die Schonhoferfabel —
bis zu den lieblich-ernsten Gestalten der Imhofempore in der Lorenzer-
kirche zurtickgelegt hat!
H. Karoermeister
Relicta S. Wagnerin.
f397 C. KOtzner
Eber filius suus
Hans Tumernicht
F. Weinschroter
H. Camermeyster
F. Camermeyster
S. Wagnerin.
1400 C. Kbtzner
Hanns Staffelstein
Ber[told] Maler
F. Kamermeyster
Relicta S. Wagnerin.
35) Nur eine » Hanns Weinschroterin* wird 1400 auf der Sebalder Seite genannt.
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Tintoretto.
Kritische Studien iiber des Meisters Werke.
Von Henry Thode.
(Fortsetzung.) »)
Q. Die Bilder in den Scuolen.
Der Verherrlichung zweier Scuole, der Scuole von S. Marco und
S. Rocco, hat die grofie Kunst Tintorettos gedient. Die erstere ist seiner
Schopfungen beraubt worden, der zweiten hat ein seltenes Geschick ihren
gesamten ktlnstlerischen Schmuck erhalten. Was der Meister sonst fur
Genossenschaften gemalt, beschrankt sich auf wenige einzelne Bilder.
I. Die Scuola di San Rocco.
Auf die kiinstlerische Bedeutung, welche der Zyklus von Ge-
malden, den Tintoretto in den drei Hauptsalen dieser Bruderschaft aus-
gefiihrt hat, einzugehen, ist hier nicht der Ort. In meiner Monographic
habe ich die entscheidenden Tatsachen, welche jene gewaltige Schopfung
uns zugleich als das umfassendste tiefste Bekenntnis seines Genies und
als den Abschlufi aller malerischen Bestrebungen der Renaissance er-
scheinen lassen, hervorzuheben versucht. Hier handeit es sich, wie in
alien anderen Fallen, so schwer eine solche Beschrankung auch fallen
mag, zunachst nur um ein kritisches Verzeichnis, dem sich aber eine
Erorterung iiber den mir erst neuerdings aufgegangenen geistigen Zu-
sammenhang der im oberen Saal angebrachten Gemalde anschliefien wird.
Eine gewissenhafte Untersuchung der Akten der Scuola, denen eine ge-
nauere Bestimmung der Entstehungszeit der einzelnen Bilder entnommen
werden diirfte, hat noch nicht stattgefunden. Meine Absicht, dieser Auf-
gabe mich im vergangenen Jahre zu unterziehen, wurde durch andere
Verpflichtungen vereiteit, und ich sah mich genotigt, die Nachforschungen,
die sich auch auf die iibrigen Scuole, ftir die der Meister gearbeitet,
erstrecken sollten, aufzuschieben. Wohl diirfte auch hier die HorTnung,
') s. Band XXIII S. 427, Band XXIV S. 7 und S. 426.
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Henrv Thode: Tintoretto.
25
dafl wir Forschungen Gustav Ludwigs umfanglichen Aufschlufi verdanken
werden, keine eide sein. Was sich bis jetzt sagen lafit, ist folgendes:
Durch die Bezeichnung gesichert ist die Entstehung der grofien
Kreuzigung im sogenannten »Albergo« im Jahre 1565. Wollten wir
Ridolfi glauben, so ware die Ausftihrung der Deckengemalde in dem-
selben Raume zeitlich vorangegangen und zwar »um i56o«. Diese
Meinung hat sich dann weiter fortgeerbt. Nun widerspricht ihr aber
eine Mitteilung Vasaris, der ja im Mai 1566 selbst in Venedig gewesen
ist Er sagt: e non ha molto che, avendo egli (Tint) fatto nella scuola di
San Rocco a olio in un gran quadro di tela la Passione di Crista, si
risolverono gli uomini di quella Compagnia di fare di sopra dipignere
nel pal co qualche cosa magnifica usw. Es folgt die Erzahlung von der
Konkurrenz, an weicher » Josef Salviati, Federico Zucchero, che allora era
in Vinezia, Paolo da Verona ed Jacopo Tintoretto « teilnahmen, und
weiter die Beschreibung der Deckenbilder. Danach waren diese also
gleich nach der Kreuzigung, d. h. 1565 und 1566 entstanden. Vasaris
Angabe verdient Berticksichtigung, denn er wird vermutlich von dern
Vorgang selbst in Venedig oder durch seinen Bekannten Federigo
Zuccaro, der im Herbst 1565 in Florenz war, gehort haben, und an der
Tatsache jener Konkurrenz diirfte nicht zu zweifeln sein. 1560 und
wohl auch 1561 hielt sich Federigo in Rom auf, wo er Fresken im
Palazetto des Belvederegartens ausftihrte. Spater — wann wissen wir
nicht genau — ist er nach Venedig gegangen, wo er die Kapelle der
Grimani in S. Francesco della Vigna mit Fresken und einem Altarge
malde (gleichfalls al fresco, in sehr zerstortem Zustande noch erhalten),
das 1564 entstand, ausschmtickte. Dort hatte Battista Franco zu malen
begonnen, weicher 1561 durch den Tod abgerufen wurde. Federigo fiel
die Vollendung zu. Wir durfen annehmen, da das Altarbild 1564 ent-
stand, dafl die Fresken etwa 1563 ausgefiihrt wurden. Im September
1565 ist Federigo wieder in Florenz nachzuweisen.
Der andere Konkurrent Giuseppe della Porta, genannt Salviati,
ist wahrend der Jahre 1563 bis 1565 in Rom gewesen. Vasari bringt
iiber seine Berufung zwei Mitteilungen. Im Leben des Salviati (VII, 46)
sagt er, der Kardinal Emulio habe ihn nach dem Tode des Francesco
Salviati (11. November 1563) nach Rom kommen lassen, damit er dessen
Stelle bei der Ausmalung der Sala dei Re im Vatikan einnehme. Nach der
Schilderung im Leben des Taddeo Zuccaro aber sieht es so aus, als
sei Giuseppe bald nach einem Brierwechsel des Kardinals mit Vasari
(September 1561), also schon 1562, in Rom beschaftigt worden. Zuriick-
gekehrt ware Giuseppe nach Venedig infolge des Todes Pius' IV. (5. De-
cember 1565).
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26 Henry Thodc:
Die Frage: wann befanden sich Federigo Zuccaro und Giuseppe
Porta zu gleicher Zeit in Venedig? ist, wie man sieht, nicht sicher zu
beantworten, da Vasaris Angaben nicht genau genug sind. Es scheint
aber nur das Jahr 1562 denkbar zu sein. Aber — wie oft — hat Vasari,
als er schrieb: Giuseppe sei nach dem Tode des Papstes zurtickgekehrt
vielleicht nur eine plausible, aber willkiirliche Zeitbestimmung gebracht,
und hat in der Tat der Maler schon friiher Rom verlassen. Hierfiir wtirde
sprechen, dafi er in jener Sala dei Re blofi zwei F'resken ausgefuhrt hat
und noch dazu das eine nicht ganz. Dies lafit doch auf einen ziemlich
kurzen Aufenthalt schliefien, ja man mochte vermuten, dafi eine ein-
tretende Bevorzugung Taddeo Zuccaris (Vasari VII. 94) ihn veranlafite,
seine Arbeit aufzugeben. Taddeo aber war noch zu Lebzeiten Pius IV.
als Mitarbeiter in die Sala dei Re eingetreten.
So scheint es mir denn die Wahrscheinlichkeit fur sich zu haben,
dafi jene Konkurrenz fiir die Deckengemalde des Albergo in dem Jahre
1565 stattgefunden hat, und dafi wir Vasari Glauben schenken diirfen.
Die Ausschmtickung des Raumes mit dem grofien Gemalde der Kreuzi-
gung wird eine Neugestaltung der Decke haben notwendig erscheinen
lassen, und es ist nicht unbegreif iich, dafi man Kiinstler zum Wettbewerb
mit aufforderte, die sich gerade in dieser Art dekorativer Kunst, welche
Tintoretto noch fern zu liegen schien, schon ausgezeichnet hatten, wie
Veronese, Zuccaro und Giuseppe Porta, der sich an den Malereien in
der Libreria mitbeteiligt hatte (seit 1556) und der dann bald darauf die
Aufgabe zugewiesen erhielt, die Deck en malereien in der Sala vor dem
Collegio im Dogenpalast auszu'tihren (vollendet 1567 im Juli). — Die
Angabe Ridolns: »um 15604c, die ja sehr unbestimmt ist, erklart sich
nach meiner Meinung daraus, dafi er annahm, wie gewohnlich habe man
auch in diesem»Falle die Ausschmtickung des Saales mit der Decke
begonnen. Da ihre Ausfiihrung, sowie die der Kreuzigung doch langere
Zeit in Anspruch genommen haben mufi, kam er auf eine ungefahre
Datierung des Beginnes der Arbeiten im Anfange der sechziger Jahre.
Ks ist bekannt, wie Tintoretto den Sieg uber die Mitbewerber
davontrug. Statt einen Karton, wie diese anzufertigen, vollendete er
sogleich das Mittelgemalde in Farben und brachte es an Ort und Stelle.
Als die Besteller sich hiertiber beschwerten, erwiderte er: »dies sei seine
Art zu zeichnen, anders wisse er es nicht zu machen, und so sollten
Zeichnungen und Modelle fiir ein Werk sein, damit niemand getauscht
werde. Wollten sie ihm aber die fiir das Gemalde aufgewendete Mtihe
nicht vergtiten, so schenke er es ihnen.« Darauf hin erhielt er den Auf-
trag, auch die anderen Deckenbilder zu malen. 1566 wird er Confra-
tello der Scuola und die Ausschmtickung des Albergo gewinnt wohl bald
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Tintoretto.
27
ihren Abschlufi durch die Gemalde an der Eingangswand: Christus vor
Pilatus, Kreuztragung und Ecce homo, die mit 131 Dukaten bezahlt
worden sind (in welche Summe auch die Kosten der >Doratura< mit ein-
beschlossen waren).
1567, wie es scheint, beginnt die Tatigkeit in der grofien angren-
zenden Sala des oberen Stockwerkes und zwar an den Deckenbildern.
1570 ist eine Zahlung fur die >quadri in sala« verzeichnet. Doch diirfte
die Arbeit nicht sehr vonstatten gegangen sein, was sich daraus er-
klaren wiirde, dafi im Anfang der siebziger Jahre der Meister die grofien
Gemalde ftir die Sala deilo Scrutinio im Dogenpalast: die Schlacht bei
Lepanto und das jiingste Gericht auszufiihren hatte, und dafi von 1574
an ihn die Deckenmalereien dort in der Sala delle quattro porte be-
schaftigten, von alien sonstigen Gemalden (darunter auch die Kartons
fiir die Geschichte der Susanna in S. Marco 1576) abgesehen.
Offenbar nun hat die Hiilfe, welche der heilige Rochus zu Zeiten einer
grofien Pest 1576 gewahrte, die Briiderschaft veranlafit, dem gesteigerten
Kultus des Heiligen durch eine reichere Ausschmuckung der Scuola zu ent-
sprechen. Man hat mit Tintoretto beraten, und dieser reicht am 27. No-
vember 1577 eine (zuerst von Zabeo in seinem Elogio di T. 18 14
bekannt gegebene) Bittschrift ein. Aus dieser geht hervor, dafi bis
dahin blofi die Malereien der »spazi angolari«, d. h. die drei grofien
Mittelbilder der Decke (ob auch die acht kleinen viereckigen Chiaroscuri?)
beendigt waren. Er erhalt 200 Dukaten fiir dieselben und verspricht
nun, auf seine Kosten die Deckengemalde zu vollenden, zehn Wand-
gemalde und das Altarbild zu machen, so wie die Bilder, die noch fiir
die Kirche gewiinscht werden sollten, und verpflichtet sich, jahrlich zum
Rochusfeste drei grofie Gemalde zu liefern, falls ihm eine lebenslangliche
jahrliche Provision von 100 Dukaten gewahrt wiirde. Dieses Anerbieten
wird angenommen und am 3. Dezember 1577 erhalt er die erste Provi-
sionszahlung von 100 Dukaten, die ihm fortan, wie nachzuweisen ist,
bis an sein Lebensende ausgezahit ward. Ridolfi, der einige unrichtige
Angaben hieriiber bringt, weifi zu erziihlen, dafi Tintoretto danach ge-
strebt babe, moglichst bald die Verpflichtung ioszuwerden.
Als Borghini 1584 seinen Riposo verofifentlichte, waren bereits alle zehn
Wandbilder des oberen Saales und die Deckengemalde vollendet. Von
den Bildern im unteren grofien Saale erwahnt er nur: die Anbetung der
Konige, fiigt aber freilich hinzu: >und zahlreiche andere Figuren«. —
Nehmen wir an, dafi Tintoretto den Vertrag eingehalten, so ware bis
zum Jahre 1584 alles vollendet gewesen, bis auf das Altarwerk und die
Heimsuchung an der Treppenwand.
Jedenfalls also dUrfen wir sagen: von 1577 bis 1584 entstehcn die
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28 Henry Thode:
ovalen (und sicherlich auch die kleinen viereckigen) Deckenbilder, sowie
alle Wandbilder des oberen Saales, ferner auch einzelne (wenn nicht alle)
Wandbilder der unteren Sala. Vielleicht ist er mit diesen aber noch
bis 1588 beschaftigt. In diesem Jahre malt er als Abschlufi des Ganzen
das Gemalde fur den von Francesco di Bernardina errichteten Altar, und
nach einer (auch dieses Altarbild betreflfenden) Zahlung das Bild an der
Treppenwand (sopra la porta della scala), d. h. die Heimsuchung.
I. Die Bilder im Albergo.
a. Die Wandbilder.
189. Die grofie Kreuzigung. Bezeichnet 1565 Tempore magnifici
domini Hieronymi Rotae et collegarum Jacobus Tinctorectus faciebat
Das Bild wurde zuerst in drei Blattern 1589 (Venetiis Donati Ras-
cichotti formis) von Agostino Carracci gestochen, dessen Platte nach
Boschini von Daniel Nys gekauft, vergoldet und nach den Nieder-
landen gebracht wurde, dann von Aegidius Sadeler, auch von Elias
Hainzelmann (lebte 1640 bis 1691) und 1741 als Clairobscur von
J. B. Jackson (Richardo Boyle conti de Burlington gewidmet). In
Schleifiheim befindet sich eine geistreiche Variante der Komposition,
skizzenhaft in einer Art Chiaroscuro gehalten (No. 997). Man konnte
hier an eine erste Studie von des Meisters Hand glauben. Der
Gekreuzigte ist rnehr in den Mittelgrund gebracht, neben ihm stent,
die Arme nach ihm ausbreitend, Magdalena. Die Gruppe der Frauen
vorne ist etwas anders gegeben, Johannes ringt knieend die Hande.
Rechts die Annagelung des einen Schachers an das Kreuz in ahn-
licher niumlicher Anordnung, aber die Schergen in etwas monotonen,
gleichartigen Bewegungen. Die Aufrichtung des Kreuzes links ge-
schieht in umgekehrter Bewegung, niimlich so, dafl es nach der
linken oberen Ecke des Bildes zu gerichtet ist, was eine storende
Durchschneidung der Komposition bewirkt. Links und rechts vorne,
allzu symmetrisch angeordnet, je drei Reiter. Die wiirfelnden Soldaten
erscheinen in der Mitte hinten rechts. Die Himmelsfarbe ist sehwarz.
190. Christ us vor Pi la t us. 1st von Andrea Zucchi fiir des Lovisa
> il gran teatro delle Pitture e Prospettive di Venezia - (1720) ge-
stochen worden. (Abb. in meiner Mon. 31, 32). Eine der unver-
gleichiichsten Schopfungcn des Meisters.
191. Die Kreuztragung. Das Bild hat sehr gelitten, und ist nur noch
ein Schatten von dem, was es einst war. (Abb. 33 in meiner Mon.).
192. Ecce homo, liber der Tiire. (Abb. 34 in meiner Mon.).
193. 194. Je ein Prophet (?) in einer Muschelnische stehend, zwischen
den Fensiern,
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Tintorettu.
29
b. Die Deckenbilder.
Die Decke zeigt in der Mitte ein grofleres Rundbild: Glorie des
hi. Rochus, umgeben von vier kleineren Zwickelbildern und Seraphimkopfen.
In dem einschliefienden Rahmen sind je drei langliche Felder: das mit-
telste oval, die beiden anderen viereckig mit Abrundungen, und an den
Ecken befindet sich je ein rundes Feld, welches einen Putto zeigt.
Unter der Decke an den Wanden ein Fries: Putten mit Fruchtkranzen.
In den zwolf langlichen Feldern sind drei Manner und 9 Frauen
dargestellt, alle mit Nimben geschmiickt. Unter diesen Figuren sind ftinf
deutlich als Reprasentationen der Hauptscuole von Venedig zu erkennen,
wie denn ja schon Vasari dies allgemein bemerkt, und zwar in den drei
Feldern tiber der Kreuzigungswand und in den Mittelstticken iiber der
rechten und linken Wand. Die anderen Gestalten sind nicht leicht zu
deuten. Ruskin begniigt sich mit der Gesamtangabe : >allegorische Figuren -.
195. Mittelbild: Gottvater senkt sich zu dem hi. Rochus herab,
der von einem Kranz von Engeln umgeben ist. In den
Ecken vier Seraphimkopfe.
Die langlichen Rahmenbilder.
Uber der Wand mit der Kreuzigung:
196. Mittelsttick : Eine Frau vor Lorbeerzweigen umfafit mit ihren Armen
links einen graubartigen, rechts zwei jtingere Manner. Offenbar Alle-
gorie der Scuola della Misericordia.
197. Links: der liegende hi. Markus. Gemeint ist die Scuola di S.
Marco.
198. Rechts: der liegende Johannes Ev. Die Scuola di S. Giovanni
Evangelista.
Uber der linken Wand:
199. Mittelsttick: liegende Frau mit zwei Kindern, offenbar Scuola della
Carita. Hat durch Leinwandrisse gelitten.
200. Links: auf sie zuschwebende Frau mit ausgestreckten Armen.
201. Rechts: liegende Frau, ein Buch vor sich.
Uber der rechten Wand :
202. Mittelsttick: jugendlicher Krieger in Stahlharnisch. Offenbar Repre-
sentation der Scuola di S. Teodoro.
203. Links: liegende Frau, einen Kelch haltend.
204. Rechts: sitzende Frau, vor der eine Wo Ike schwebt.
Uber der Eingangswand :
205. Mittelsttick: sitzende, mit Rosen gekranzte Frau, in der Hand
Kranze (aus Schilf?) haltend, von Seraphim umschwebt, vor Glorien-
schein und angebetet von den zwei folgenden Figuren:
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»>o Henry Thode:
206. Links: schwebende anbetende Frau.
207. Rechts: schwebende anbetende Frau.
Sieben weibliche Figuren also fordern noch ihre Deutung. Da es
sich nicht urn Heilige, sondern urn Allegorien handelt. liegt es nahe,
an die sieben Tugenden zu denken. Aber nur eine: jene mit dem Kelch,
liefie sich ungezwungen als Glaubec auffassen, die anderen sind doch
zu unbestimmt gelassen, als dass jene Interpretation moglich ware. Oder
aber, man konnte die sieben Werke der Barmherzigkeit, die von den
Scuole gepflegt wurden, sich bier personifiziert denken. Auch dies ist
aus dem gleichen Grunde nicht denkbar. Man wird demnach auf die
Siebenzahl kein Gewicht legen ditrfen, vielmehr betonen mlissen, dafi die
bekranzte Frau (No. 205), wie sie einen Ehrenplatz in der Mitte der einen
Seite hat, auch in der Darstellungsweise besonders ausgezeichnet er-
scheint. Die beiden Frauen neben ihr verehren sie. Die h. Jungfrau, wie
Soravia will, kann nicht gemeint sein. An Venezia zu denken, die von
Tintoretto im grofien Ratssaal ja umgeben von verehrenden gottlichen Frauen,
den Kranz in der Hand, dargestellt war, verbietet die alle Herrscherinsignien
vermeidende Charakteristik der Erscheinung. Ist sie die Reprasentation der
Scuola di S. Rocco, die hier noch besonders erscheint, wenn auch der
Heilige selbst seine Verherrlichung schon in dem Mittelbilde erhalten
hat? Und dtirfen wir die drei Kranze auf die von der Genossenschaft
gepflegten Tugenden beziehenr An der Scuola della Carita, wie wir bei
Sansovino lesen, bezeichnete eine Inschrift von 1566 diese Tugenden ein-
mal als: Caritas, Amor und Humanitas, das andere Mai als Caritas,
Amor und Pietas. Bedenklich bei diesem Erklarungsversuch machen nur
die zur Seite schwebenden anbetenden Frauen und veranlassen, den
allegorischen BegrifT hoher zu fassen, etwa als Humanitas oder Pietas
selbst
Die Rundbilder in den Ecken:
208 — 211 enthalten je einen Putto. Der eine, links von der Kreuzigung,
ist bekranzt und liegend dargestellt, der zweite, rechts, sitzt, eine
Sichel in der Hand, der dritte, links vorn, eilt davon, der vierte,
rechts, ist in schreitender Bewegung.
Der Fries darunter:
212. enthalt die Wappen der sechs Scuole und Putten mit
Fruchtkranzen.
II. Die Bilder im grofien oberen Saale.
a) Die Deckenbilder.
Es sind im Ganzen 21. Drei grofie in der Mitte der Decke auf-
einanderfolgende viereckige Felder bilden die Mittelpunkte ftir die An-
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Tintoretto. ^ I
ordnung der anderen. Letztere sind mittelgrofle ovale oder kleine viereckige
mit ausgebogenen Seiten. Die ovalen flankieren die Seiten der groflen
Mittelfelder, die kleinen viereckigen sind daneben in die Ecken gesetzt.
So ergeben sich also drei grofle viereckige Gemalde, zehn ovale und
acht kleine viereckige.
Die grofien Gemalde:
213. Moses schlagt Wasser aus dem Felsen. Das erste, von der
dem Altar gegentiberliegenden Seite aus gerechnet. (Abb. 6o in
meiner Mon.)
214. Das Wunder der ehernen Schlange. In der Mitte der Decke.
Das groflte der Bilder. (Abb. 68 in meiner Mon.)
215. Die Mannalese. An der Altarseite. Gestochen von Andrea Zucchi
(f 1740). (Abb. 70 in meiner Mon.)
Die ovalen Bilder. In der Mitte:
216. Der Siindenfall. Das erste Bild, von der Seite dem Altar gegen-
iiber aus gerechnet. (Abb. 67 in meiner Mon.)
217. Jonas im Wall fischrachen. Zwischen Moses schlagt Wasser aus
Felsen« und >Eherner Schlange «.
218. Die Op fe rung Isaaks. Zwischen Eherner Schlange und » Man-
nalese «.
(219.) Das Passahfest der Juden. Scheint mir nicht von Tintoretto.
Auf der linken Seite in gleicher Richtung gezahit:
220. Gottvater erscheint Moses. Links neben Moses schlagt Wasser
aus Felsen -. Ruskin: Gottvater erscheint Elias:
221. Vision Ezechiels von der Erweckung der Toten. Links
neben »Eherne Schlange .
222. Ein Engel erscheint Elias und bringt ihm Speise und Trank
(so Boschini). Links neben Mannalese-.
Auf der rechten Seite:
223. Moses' Durchgang durchs rote Meer der Feuersaule fol-
gend. Rechts von Moses schlagt Wasser aus dem Felsen .
224. Jakobs Hi mm els le iter. Rechts neben »Eherne Schlange*.
225. Elisa verteilt Brote. Rechts von >, Mannalese.
Die kleinen viereckigen Felder in Chiaroscuro.
Auf der linken Seite:
226. Die drei Jlinglinge im feurigen Ofen. Links neben Siinden-
fall « (216).
227. Simson, der die Philister erschlagen, trinkt Wasser aus dem
Eselskinnbacken. Links neben Jonas (217).
228. Daniel in der Lowengrube. Links neben Opfer Isaaks.
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32
Henrv Thode:
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Tintoretto. 3 3
229. Melchisedek und Abraham. Thinks neben Passahfest (No. 219).
Auf der rechten Seite:
230. Find ung Mosis. Rechts neben Stindenfall« (216).
231. Samuel salbt Saul. Rechts neben Jonas (217).
232. Himmelfahrt des Elias. Rechts neben Opfer Isaaks (^218).
233. Des Jeremias Vision der verhungernden Juden. So und
nicht als Vision des Hesekiel von den niedergemetzelten Juden
deute ich diese Szene, aus spater anzufuhrenden Griinden. Rechts
neben dem Passahfest (219).
b) Die Wandgemalde.
An der linken Wand: von der Wand gegenuber dem Altar aus
gezahlt.
234. Die Anbetung der Hirten. Gestochen von Carl Saccus (Fiissli).
(Abb. 80 in meiner Mon.) Hat in den Farben gelitten.
235. Die Taufe Christi. (Abb. 82 in meiner Mon.) Das Bild hat sehr
gelitten.
236. Die Auferstehung Christi. Gestochen von Aegidius Sadeler.
(Abb. 91 in meiner Mon.) Wirkt jetzt sehr schwer und trlibe.
237. Das Gebet in Gethsemane. (Abb. 90 in meiner Mon.) Sehr nach-
gedunkelt.
238. Das Abendmahl. (Abb. 89 in meiner Mon.) Gestochen von An-
drea Zucchi, falschlieh benannt: Reicher Mann und armer Lazarus.
Das Blau der Gewander hat sich verandert und ist stumpf geworden.
An der rechten Wand:
239. Die Versuchung Christi. (Abb. 83 in meiner Mon.)
240. Das Wunder am Teiche von Bethesda. (Abb. 85 in meiner
Mon.) Hat sehr in den Farben gelitten.
241. Die Himmelfahrt Christi. (Abb. 92 in meiner Mon.)
242. Die Auferweckung Lazari. (Abb. 86 in meiner Mon.)
243. Das Wunder der Brotvermehrung. Gestochen von Lukas Ki-
lian. (Abb. 84 in meiner Mon.)
An der Fensterwand dem Altar gegenuber:
244. Der hi. Sebastian.
245. Der hi. Rochus als Schutzpatron gegen die Pest.
246. Uber den Fenstergiebeln liegende Figuren, grau in grau.
Endlich auf dem Altare:
247. Der hi. Rochus erscheint, von Engeln umgeben, Kranken,
einem Venezianischen General und dem Kardinal Britan-
nic o, den der Heilige, als seinen Wirt in Rom, durch ein seiner
Rcpcrtorium fiir Kunstwistcnschaft, XXVII. 3
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34 Henry Thode:
Stirne eingepragtes Kreuzeszeichen vor der Pest schtitzte. Das Bild
ist sehr nachgedunkelt (iibermalt?).
Die meisten Besucher der Scuola di S. Rocco, ihre Aufmerksamkeit
auf die wenigen besser beleuchteten Gemalde beschrankend, der Decke
nur einen fliichtigen, oberflachlichen Blick schenkend, durcheilen diesen
Saal, urn so bald als moglich zu der Kreuzigung, dem einzigen, der Be-
achtung wirklich empfohlenen Gemalde zu gelangen. Und den Wenigen,
die sich, etwa durch Ruskin veranlaflt, urn eine deutlichere Anschauung
der Hauptbilder bemuhen, ermangelt doch die Geduld, auch die Einzel-
heiten der Deckenausschiniickung zu prtifen. So konnte es geschehen,
— und selbst mir bei der Abfassung meiner Monographie fehlte es noch
an der geniigenden Vertiefung in jedes Detail — , dafi bis jetzt seit den
Zeiten, da dieses gewaltige Werk ausgefiihrt ward, niemand darauf auf-
merksam geworden ist, wie die gesamte Ausschmuckung des Raumes
einer grofiartigen und neuen originellen Konzeption des Zu-
sammenhanges christlicher Vorstellungen verdankt wird. Wohl
darf ich an dem, was ich friiher schrieb, festhalten: wie in der Six-
tinischen Kapelle, sollte auch hier das Erlosungswerk in seinem ganzen
Zusammenhange veranschaulicht werden; das Leben Christi und Maria
in einzelnen grofien Leinwandbildern, an der Decke des oberen Saales
aber die fur Christi Leben und Wirken vorbildlichen, von Gottes Fur-
sorge fur das erwahlte Volk zeugenden Geschichten des Alten Testaments
(mit der Hauptgestalt des Moses) — aber bei diesem Allgemeinen darf
man nicht stehen bleiben.
Die auffallende Auswahl der Szenen aus Christi Leben, aber auch
deren eigenttimliche Anordnung: die Auferstehung zwischen Taufe und
Gethsemane, die Himmelfahrt zwischen Lazari Auferweckung und Teich
von Bethesda, bewog mich, nach einer Erklarung zu suchen, und diese
ergab sich erst, als mir die Beziehung der einzelnen Wandbilder zu den in
ihrer Niihe befindlichen Deckengemaiden deutlich ward. Letztere gewannen
nun eine hohe Bedeutung flir das Verstandnis: in ihnen muflten die
grundlegenden Ideen des Ganzen zu entdecken sein, und es war voraus-
zusetzen, dafi im besonderen die drei grofien Darstellungen an der Decke
sie enthielten und gleichsam die Themata der gesamten ktinstlerischen
Darlegung offenbarten. Blieb auch die Wahl des Helden Moses, als des
typischen alttestamentarischen Vorbildes Christi bedeutungsvoll, so fiel
doch jetzt bei der Betrachtung ein starkeres Gewicht auf die Taten, die
Moses hier vor unseren Augen verrichtet.
Drei Wunder sind es: die Erschliefiung des Wassers aus dem Felscn,
die Errichtung der ehernen Schlange und der Mannaregen — Wunder der
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Tintoretto.
35
Errettung der Menschheit von dem Tode : die Trankung der Durstenden,
die Heilung der Verwundeten und die Speisung der Hungernden. Der
in Elend und Not verkommenden Menschheit sich erbarmend das Ein-
greifen Gottes, das Sichbetatigen der erlosenden Kraft gottlichen Mit-
leides! Wie konnte es zweifelhaft sein, dafi hierin ein erhabener Hin-
weis auf die Pflichten und Aufgaben eben gerade der Scuola, der Briider-
schaft, die wie alle anderen den Werken der Bannherzigkeit: der Unter-
stiitzung der Armen und der Pflege der Kranken lebte, gegeben ward
und dafi durch die zentrale Anbringung der vom Schlangenbifi Ge-
heilten die besondere Wirksamkeit des Schutzheiligen, des Patrons gegen
die Pest, gefeiert werden sollte! Von realen festen Tatsachen des Le-
bens also, von der Tatigkeit und dem Wesen der Scuola geht der schaf-
fende Kiinstler aus und verherrlicht sie in den Gleichnissen der grofien
vorbildlichen Geschehnisse der hi. Geschichte. Aber von dieser nattirlich ge-
gegebenen, festen Grundlage erhebt er sich zur allumfassenden Schilderung
des christlichen Mysteriums, wie es das irdische Dasein durchdringt und
verklart!
Unter Hunger, Durst und Krankheit wird alle Not und alles Leiden
der Welt iiberhaupt in gedrangter Vorstellung zusammengefafit. Das aufier-
lich Physische verdeutlicht zugleich das Innerliche: Geistige und See-
lische. Die Befreiung von leiblichen Gebrechen veranschaulicht uns die
Erlosung von dem Zwange seelischer Notdurft. Alles leibliche und geistige
Leiden aber ist nur eine Folge unserer Siindhaftigkeit, die voile Befreiung
von Leiden kann daher nur durch die Tilgung der Siinde selbst gewonnen
werden. So bauen sich gleichsain drei Reiche iiber einander auf: die
irdische, im Geiste gottlicher Liebe sich vollziehende Wirksamkeit der
Bruderschaft, die auf Stillung cles Elendes bedacht ist; das Wunderwirken
Gottes vermittelst erwahlter alttestamentarischer Manner, welches die
leibliche Not des erwahlten Volkes stillt (Deckenbilder), und die der
Menschheit in Christus gespendete Kraft, die von der Siinde selbst er-
lost (Wandbilder).
Der Zusammenfassung der leiblichen Not in den drei Erscheinungen:
Hunger, Durst und Krankheit entspricht nun aber die Vorstellung der
drei Segensgaben, welche das Leiden heben: Brot, Wasser und Heilmittel.
In ihnen gewahrt der Kiinstler die anschaulichen Symbole des Erlbsungs-
werkes. Die von der Siinde reinigende Kraft cles Wassers offenbart sich
in dem Sakrament der Taufe, in der wir die Wiedergeburt erlangen, die-
jenige des Brotes in der eucharistischen Spende des Abendmahles, durch
welche wir Christi selbst teilhaft werden. So zu Siegern iiber die Sinn-
lichkeit geworden, werden wir auch zu Herrschern iiber den Tod. Von
der Krankheit dieses Daseins geheilt, gewinnen wir mit dem auferstehenden
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36 Henry Thode:
Christus ein ewiges Leben. Die Tatsachen unserer Heiligung schon auf
Erden durch die beiden Sakramente gewinnt derart in der Gewiflheit
eines seligen Jenseits ihre Besiegelung.
Dies die behandelten Ideen und ihr Zusammenhang, dies der geistige
Gehalt des grofien Werkes, das demnach auch in drei Gruppen von Dar-
stellungen zerfallt. Die eine veranschaulicht die Wunderspende des Le-
benswassers, die andere die des Lebensbrotes — beide schlieflen die
Heilung von der Krankheit des Lebens iui Siege Uber den Tod, in
welchem der Gedanke der Erlosung gipfelt, an bedeutsamster Stelle in
ihrer Mitte, d. h. in der Mitte des Saales, ein.
Ehe wir an eine Deutung des Einzelnen von dem so gewonnenen
Gesichtspunkt aus gehen, ist aber noch hervorzuheben. dafi auch die Ver-
teilung der Bilder aus dem Leben Christi auf die beiden Wande aus
einer bestimmten Anschauung heraus gewonnen sein durfte. So scheinen
die je zwei iiufiersten Bilder an einer und derselben Wand gedanklich
in Beziehung zu einander gesetzt zu sein. Einerseits wird der Spende
irdischer Nahrung an das Christuskind durch die Hirten die Spende
himmlischen Brotes durch Christus an die Jtinger beim Abendmahl ge-
genubergestellt, andrerseits die Zuruckweisung der vom Versucher ge-
forderten Wundertat der Verwandlung der Steine in Brot in Vergleich
gesetzt mit der wunderbaren Vermehrung der Brote. Und weiter diirfen
wir eine Relation zwischen den das Mittelbild einschlieflenden Darstel-
lungen auf jeder Wand gewahren. Der Taufe als der gottlichen Weihe
Christi zum Erdenleben entspricht die Uberreichung des Kelches in Geth-
semane als Weihe zurn erlosenden Tode, und auf der anderen Seite wird
das Wunder der Auferstehung des Lazarus vom Tode mit dem Wunder
der Krankenaufrichfung am Teiche von Bethesda in Parallele gesetzt.
Bei den Mittelbildern : Auferstehung und Himmelfahrt wird die Beziehung
zwischen der einen und der anderen Wand hergestellt
Fassen wir nun die einzelnen Gruppen ins Auge.
Als Vorwort gleichsam zu betrachten ist der Sundenfall an der
Decke. Der Genufi des Apfels bringt die Stinde in die Welt: die ir-
dische Nahrung erscheint hier zum Sinnengenufi entweiht. Mit dieser
Verdeutlichung der Erlosungsbedtirftigkeit der Menschheit erscheinen
geistig in Zusammenhang gesetzt die beiden Wandbilder darunter: die
Geburt Christi und die Zuruckweisung der Versuchung. Das Eingehen
des gottlichen Erlosers in das Menschentum wird in ersterem Bilde ver-
deutlicht durch die Verabfolgung irdischer Nahrung an das Christkind
durch die Hirten. Die Uberwindung sinnlichen Begehrens findet ihre
Veranschaulichung in dem Siege der Askese Christi uber den Versucher,
der von Tintoretto tiefsinnig, wie ich dies in meiner Monographie dar-
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Tintoretto.
37
gelegt habe, als personifizierte freudige Natur- und Lebenskraft gedacht
ward.
I. Gruppe: die Wunderspende des Leben bringenden
Wassers.
In der Mitte des Cyklus von Darstellungen : Moses schlagt Wasser
aus dem ^mystischen* Felsen, aus dem der Gnadenstrom fliefit, und
trankt die Durstigen. Im Fels (Christus) erkannten die Kirchenlehrer
einen Hinweis auf die Eucharistie fur die durch die Taufe aus der
Knechtschaft Befreiten. In dem einen Seitenoval: Gottvater erscheint
Moses und weissagt ihm das Land, in welchem den Israeliten die Be-
friedigung irdischer Notdurft gewahrt werden soli, »darinnen Milch und
Honig fliefit « Das Eingehen in das Land der Verheifiung wurde von
friihchristlicher Anschauung mit der Taufe Christi verglichen. Ja es
wurde im Abendlande (Afrika, Rom) den Neophyten Milch und Honig
dargereicht. In dem anderen Oval: der Durchgang durch die Wasser
des roten Meeres, der schon in altchristlicher Zeit, auf Grund von I. Ko-
rinther 10,2, als Vorbild der Taufe aufgefafit wurde. Das dritte Oval-
bild: Jonas vom Walfische ausgespieen, gehort zu gleicher Zeit unserer
Gruppe und der dritten an, da es in doppeltem Sinne gedeutet werden
kann. In Beziehung zur »Wasserspende« darf es aufgefafit werden als
ein Gleichnis der in der Taufe aus dem Wasser sich vollziehenden
Wiedergeburt
Es folgen die vier kleineren Eckdarstellungen. Die drei Jung-
ling e im feurigen Of en dtirfen hier wohl nicht, wie schon in alt-
christlichen Denkmalern, auf die Auferstehung gedeutet, sondern vielmehr
als die durch die wunderbare Hiilfe eines Engels vor der Verschmachtung
in Feuersglut Geretteten aufgefafit werden. In der Findung Mosis,
der aus dem Wasser gezogen wird, wird die wunderbare Spendung gott-
licher Hiilfe in einem neuen Bilde verherrlicht Die Salbung Sauls
durch Samuel fafit die Vorstellung der Weihe durch das Nafi und
die Hindeutung auf die Taufe Christi zugleich in sich, und bei Simson,
dem nach Uberwindung der Philister aus dem Eselskinnbacken Wasser
fliefit, (denn dies ergibt sich als Inhalt des Bildes bei genauer Betrachtung),
handelt es sich wieder um wunderbare Trankung.
In diesen Zusammenhang hinein gehdren nun die vier dort befind-
lichen grofien Wandgemalde. Zeigt das eine, die Versuchung, die
gedankliche Beziehung zum Stindenfall, so weist es doch zugleich darauf
bin, dafi der von Gottes Geist Erftillte der irdischen Nahrung nicht be-
darf. In der Geburt Christi tritt uns der symbolische Gedanke ganz
besonders auffallig entgegen. Ich habe mir frtiher nie zu erklaren ver-
mocht, wie Tintoretto auf diese eigentiimliche, ganzlich von der Tra-
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38 Hcx^ry Thode:
dition abweichende Darstellungsweise gekommen. In einem Stallgebaude
liegt oben auf einem Heuboden die Jungfrau mit dem Kinde, zwei Frauen
nahen sich anbetend. Die eine halt einen Napf und einen Loffel. Von
unten reichen Hirten Nahrungsmittel hinauf, andere knien anbetend, und
eine Frau, in der Hand einen Teller, weist sie auf einen Brunnen hin.
Der eigentliche Gegenstand der Schilderung also ist die Darreichung von
irdischer Nahrung an das gottliche Kind. Durch die bereits erwahnte
Gegeniiberstellung dieser Handlung und des Abendmahles wird uns der
tiefe Sinn des Bildes erschlossen. Da unmittelbar iiber ihm die Ver-
heifiung Gottes an Moses zu gewahren ist, darf man an jene altchrist-
liche Sitte der Nahrung der Tauflinge (infantes) mit Milch und Honig denken
und damit einen geheimniflvollenZusammenhang auch zwischen der »GeburU
und der Taufe Christi daneben annehmen. Die Beziehung letzteren Ge-
maides zu den Darstellungen an der Decke ergibt sich von selbst. Als
alttestamentarische Typen der Taufe gelten: der Durchgang durch das
rote Meer, das Schlagen des Wassers aus dem Felsen, die Salbung Sauls,
auf die Wiedergeburt weist Jonas hin. Aber auch der sein Bett heim-
tragende Gichtbrtichige wird schon in altchristlicher Zeit in Vergleichung
mit der Taufe gesetzt als eine Symbolisierung der in der Taufe erfolgten
Slindenvergebung, und hieraus, wie aus der Vorstellung des heilenden,
vom Engel bewegten Wassers uberhaupt erklart sich die Wahl des Teiches
von Bethesda als Stoff fur das Gemalde an der Wand gegenuber.
Auch auflerlich sind die Parallelen zwischen »der Taufe « und >>dem
Teiche« veranschaulicht durch die Darstellung zahlreicher Figuren, welche
die Haupthandlung umgeben — dort der Tauflinge, hier der Kranken — ,
in denen die Menschheit uberhaupt reprasentiert erscheint.
So ergibt sich fur die dreizehn beicinander geordneten Gemalde,
deren Mittelpunkt der Wasser aus dem Felsen schlagende Moses ist, ein
in mannigfachen Beziehungen sich ausdriickender grofier einheidicher
Gedanke.
Wir gehen zu der zweiten Gruppe am anderen Ende des Saales tiber.
II. Gruppe: die Wunderspende des Leben bringenden
Brotes.
Die zentrale Stelle an der Decke nimmt hier die Mannalese ein,
in welcher ein Bezug auf die Eucharistie gewahrt wurde. Daneben wird
in dem einen Oval das Passahfest, die Darbringung des Opferlammes,
gezeigt als Vorbild des Abendmahles (i Kor. 5, 6. 7. — 10, 18). In dem
zweiten sehen wir die wunderbare Speisung des Elias durch den
Engel in der Wiiste (1. Konige 19, 5), in dem dritten Elisa, das Volk
(die Hundert) speisend (2. Konige 2, 4), welche Handlung auf die wun-
derbare Speisung des Volkes durch Christus gedeutet ward. Das vierte
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Tintoretto.
39
Oval tragt (wie auf der anderen Seite Jonas) einen zweifachen Sinn in
sich und bezieht sich sowohl auf die III. Gruppe als auf die unsere. Es
veranschaulicht das Opfer Abrahams, das schon in fruhchristlichen
Werken eucharistisch interpretiert wird, und in diesem Sinne gehort es
zu unserem zweiten Kreise von Darstellungen; als Sinnbild des Kreuzes-
todes schliefit es sich der »Ehernen Schlange« an.
In den vier kleineren Eckquadraten linden wir folgende Szenen:
Melchisedek, Abraham Wein und Brot tiberbringend, als Vor-
bild des das Abendmahl spendenden Christus gedacht; Daniel in der
Lowengrube von einem Engel (Habakuk) gespeist, gleichfalls von
Cyprian eucharistisch gedeutet, zugleich aber als Hinweis auf die Auf-
erstehung zur Gruppe III gehorig; Jeremias Vision der verhun-
gernden Juden (Klagelieder 2). Dargestellt ist ein mit wehenden Ge-
wandern machtig an liegenden Figuren vorbeischrei tender Mann, rechts
sieht man eine Flamme. Ich kann dies nur im angegebenen Sinne deuten.
Da heifit es (2, 3): ;>der Herr hat in Jakob ein Feuer angesteckt, das
umher verzehretc und weiter: da sie zu ihren Miittern sprachen: Wo
ist Brot und Wein?, da sie auf den Gassen in der Stadt verschmachteten,
wie die todlich Verwundeten ; (2, 12). Es ist hier also ein Gegenbild
zu dem W'andgemalde darunter: dem Wunder der Brotvermehrung ge-
geben. Endlich die Himmelfahrt des Elias. Hier scheint keine ge-
dankliche Beziehung zum > Brote des Lebens zu sein, sondern nur eine
solche zu der III. Gruppe, der das Bild demnach ausschliefilich angehoren
wtirde. Es sei denn, dafi man in ihm eine Andeutung auf das Gesprach
des Elisa mit Elias unmittelbar vor der Himmelfahrt finden mochte.
II. Konige 2, 9 heifit es: ^>sprach Elias zu Elisa: bitte, was ich Dir tun soil,
ehe ich von Dir genommen werde. Elisa sprach: dafi Dein Geist bei
mir sei zwiefaltig<v. Hat man dies zwiefaltig in mystischem Sinne auf
das Abendmahl bezogen:
Man erkennt in alien diesen Deckenbildern alttestamentarischen
StofTes demnach Vorbilder der Heilstat Christi, die uns in der Mit-
teilung seines Fleisches und Blutes im Brot und Wein die Teilnahme
an seinem Leibe und am ewigen Leben gewahrt. Diese Heilstat wird
durch die vier Wandgemalde veranschaulicht. Das Gebet in Geth-
semane zeigt uns, wie Christus vom Engel den Kelch des Leidens er-
halt, der die Erlosung in sich birgt. Als Gleichnis erscheint daruber der
vom Engel in der Lowengrube gespeiste Daniel. Daneben sieht man
die Austeilung des Abendmahls, die Spende des Unsterblichkeit ver-
leihenden Brotes, das aller Welt bestimmt ist, alien Armen und Miih-
seligen, wie die beiden Figuren vorne andeuten. Dem Abendmahl ent-
spricht auf der Wand gegeniiber das Wunder der Brotvermehrung,
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40 Henry Thode:
das schon in altchristlicher Zeit als Gleichnis auf die Verwandlung von
Brot und Wein bezogen wurde und daneben ist, dem Gethsemane gegen-
iiber, die Auferweckung Lazari dargestellt Dieser Vorgang wird
(vgl. Kraus, Realencyklopadie I, 447) schon vom Dichter Prudentius in
engen Zusammenhang mit der »Brotvermehrung« gebracht. >Bei seinem
Berichte iiber die wunderbare Vermehrung von Brot und Fischen gibt
er zu verstehen, die zwolf von den Aposteln aufgelesenen Korbe hatten
geheimnisvolle Gaben Christi enthalten- Besorgt, durch weitere Besprechung
dieses Geheimnisses das Heilige zu entweihen, ruft er plotzlich den
Lazarus aus dem Grabe hervor, offenbar in der Uberzeugung, hierdurch
den Eingeweihten Wirkung und Bedeutung jener wundervollen Gaben
Christi hinlanglich vorgeftihrt zu haben. « Lazarus bezeichnet »eine
Person, die durch den Genufi von Christi Fleisch und Blut den Keim
der glorreichen Auferstehung in sich nahrt.«
So erscheint auch in der zweiten Gruppe von Darstellungen reich
und feinsinnig ein einheitlicher Gedanke mit alien seinen symbolischen
Beziehungen durchgeftihrt; die Speisung des Hungernden als das Gleichnis
der Mitteilung unverganglichen Lebens durch das eucharistische Opfer
Christi.
Dieses ewige Leben nun aber, das uns durch Wasser und Brot,
durch die Sakramente von Taufe und Abendmahl zugesichert wird, wie
wir in Christi Worten selbst (Ev. Joh. 6, 26 — 64) und von Paulus
(Rom. 6, 3. 4) es ausgesprochen finden, diese Befreiung von aller Krankheit
und Leiden der Leiblichkeit findet seine Veranschaulichung und Ver-
herrlichung in den Darstellungen der Mitte des Saales. Von beiden
Seiten her miinden gleichsam die zwei Gedankenstrome der ersten und
der zweiten Gruppe in der mittleren dritten oder, ein anderes Bild an-
zuwenden, gipfeln die beiden Wellenbewegungen der zwei Vorstellungs-
kreise in dieser Mitte, indem die an diese angrenzenden Gemalde, wie
wir zum Teil schon gewahrt haben, ihrem Gehalte nach in die Idee der
Mittelgruppe ubergehen. Diese Idee ist die Heilung von der Krankheit
des irdischen Lebens und der Siinde durch den Sieg des ewigen Lebens.
III. Mittelgruppe: die Befreiung von Leiden und Stinde durch
das Wunder der Todesiiberwindung. Die erstaunliche Kunst des
Gedanken- und Darstellungsgewebes wird hier ganz besonders ersichtlich.
Da wir alle andern Deckenbilder schon bei Besprechung des ersten und
zweiten Cyklus angefuhrt haben, bleiben scheinbar nur noch die drei
mittelsten tibrig: die grofie Darstellung der ehernen Schlange und die
beiden Ovale mit Jakobs Traum und Hesekiels Vision der Auferweckung.
In der Tat aber gehoren auch die andern zwei Ovale und die vier Eck-
bilder, die demnach hier in neuem Sinne gedeutet sein wollen, mit
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Tintoretto. 4 1
zu der dritten Gruppe. Sie haben also gleichsam ein doppeltes Gesicht:
das eine schaut nach den Seiten, das andere nach der Mitte.
Den Mittelpunkt nimmt das Wunder der ehernen Schlangc ein,
das zu alien Zeiten auf den Opfertod am Kreuz und die Erlosung ge-
deutet ward. Es schliefit also die Vorstellung der in diesem Saale nicht
dargestellten Kreuzigung zugleich mit jener der Erhebung des Erlosers
iiber die Welt des Leidens in sich. Auf den Sieg iiber den Tod weisen
die Ovalbilder hin. Auf den Kreuzestod: die Op fern ng Isaaks, auf
die Erweckung von den Toten die Vision Hesekiels, auf die Auf-
erstehung: Jonas, vom Walfisch ausgespieen und auf die Himmelfahrt:
Jakobs Vision von der Himmelsleiter — alles dieses der Kirche
gelaufige Beispiele.
In den Eckbildern wird, gleichfalls auf Grund schon altchristlicher
Vorstellung, Daniel in der Lowengrube als Typus der Auferstehung,
des Eli as Himmelfahrt als solcher der Himmelfahrt Christi aufgestellu
In Simsons Sieg iiber die Philister erfassen wir die Weltiiberwindung
durch den von gottlicher Kraft Gestarkten, in Sauls Salbung durch
Samuel ein Gleichnis der Weihe Christi zum ewigen, uberweltlichen
Konigtum.
Was wir aber droben nur *wie in einem dunkeln Spiegel * gewahren,
erschauen wir in den Gemalden an der Wand darunter von Angesicht
zu Angesicht: die Auferstehung Christi und die Himmelfahrt
Christi. Auch hier aber tritt uns eine Beziehung der benachbarten
Wandbilder zu diesen Hauptdarstellungen, auch hier ein Ubergang von
den beiden anderen Gruppen zu den mittleren entgegen.
Die Auferstehung befindet sich zwischen der Taufe Christi (links)
und dem Gebet in Gethsemane (rechts). Die Assoziation ist darin zu
finden, dafi die Taufe >das Unterpfand der Auferstehung > genannt wird
(vgl. auch Col. 2, 1 2 und Rom. 6, 3. 4) und der Kelch des Martyriums
die Kraft ewigen Lebens ist. — Die Himmelfahrt aber ist in Beruhrung
gebracht mit der Auferweckung Lazari und mit der Heilung des Gicht-
briichigen, als den hochsten OfFenbarungen der >Herrlichkeit Gottes* in
der gottlichen Vollmacht Christi, der, die Toten erweckend, zu Lazari
Sch wester sagen konnte: Jen bin die Auferstehung und das Lebenv, und
der den Geheilten am Teiche Bethesda mit den Worten entliefi: »Deine
Siinden sind dir vergeben<v.
So findet in der Auferstehungsgewifiheit der Kreis aller an den
Decken und den Wanden des Saales kunstlerisch gestalteten Vorstellungen
seinen Abschlufi. Wie Ringe greifen die drei Gruppen ineinander ein,
unloslich miteinander verbunden, das Mysterium der Erlosung vom
Siindenfall bis zur Himmelfahrt in einen Cyklus von Darstellungen zu-
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42 Henry Tbode:
sammenfassend, wie es einen ahnlichen kauin je gegeben. Keime alt-
christlicher Anschauung und einer kiinstlerischen Bildersprache , deren
Zeugnisse wir in den Katakomben finden, gelangten hier zu reicher Entwick-
lung. Denn die dem Mittelalter gelaufige Synthese des Alten und Neuen
Testaments wird hier einem bestimmten sakramen talen Gedanken
dienstbar gemacht, dessen Konzeption unniittelbar aus der Wirklichkeit,
aus dem Wunsche, die praktische Tatigkeit der Scuola zu verherrlichen,
hervorging. Die irdische Stillung von Durst, Hunger und Krankheit ward
zum Gleichnis fiir die Gewinnung eines unverweslichen Leibes durch
Taufe, Abendmahl und Auferstehung!
So hat denn auch von dieser gedanklichen Seite, nicht blofi von
der kiinstlerischen betrachtet, der Bilderschmuck der Scuola di San
Rocco eine einzigartige Bedeutung fiir die Geschichte der christ-
lichen Kunst, und wir erkennen nun, wie die von mir entdeckte tief-
sinnige Symbolik der beiden grofien Werke in S. Giorgio: die Mannalese
und das Abendmahl aus den Vorstellungen, mit denen sich Tintoretto, von
einem Theologen beraten, in der Scuola beschaftigte, erwachsen ist.2^
Wir fahren mit der Aufzahlung der Gemalde in der Scuola fort,
und treffen, die Treppe zu der unteren Sala hinabsteigend, auf die an
der Wand des Treppenansatz angebrachte
248. Heimsuchung, 1588 als Gegenstiick zu Tizians Verkiindigung
entstanden.
III. Die Bilder in der unteren Sala. Die acht Wandgemalde
enthalten Darstellungen aus dem Leben der Maria und der Kindheit
Christi, sowic zwei Landschaften mit Heiligen.
249. Die Verkiindigung.
250. Die Anbetung der hi. drei Konige. Sehr verschwarzt.
251. Die Flucht nach A gyp ten.
252. Der Bethlehemitische Kindermord. Dieses Gemalde erweckte
bei den Zeitgenossen des Meisters und im folgenden Jahrhundert
wegen der Kiihnheit und dem Reich turn der Motive besondere Be-
wunderung. Aegidius Sadeler, Gertraud Roghman (J. C. Vischer
exc.) und John Baptist Jackson haben es gestochen. Es hat sehr
gelitten.
253. Land sch aft mit der hi. Magdalen a.
254. Landschaft mit der hi. Maria Egiziaca.
255. Die Darstellung im Tempel.
*) Eine ausfiihrlichc J)arlegunjj und Wtirdiguiitf des in der Scuola di S. Kocco
bchandclten I'rograinms bcahsiehtige ii*h an andcrer Stellc /u geben.
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Tintoretto.
43
256. Die Himmelfahrt der Maria. Restauriert nach einer Inschrift
von Antonius Florian anno 1834.
Wir haben unseren Rundgang durch die Scuola di S. Rocco been-
digt und ftihren nun im Folgenden noch kurz die anderen von Tintoretto
fur Scuole angefertigten Bilder an, die sich aber mit einer einzigen Aus-
nahme nicht mehr in den Gebauden bennden.
2. Fur andere Scuole gemalte Bilder.
I. Scuola di S. Francesco. Hier befand sich nach Boschini ein
kleines Bild: die Verkiindigung.
II. Scuola di S. Girolamo (S. Fantino). Heute Ateneo. *Die Ma-
donna erscheint dem hi. Hieronymus. Vgl. unsere No. 32 und die
dort gegebenen Bemerkungen tiber ein von Boschini erwithntes Wunder
des hi. Hieronymus-, sowie die falschlich Tintoretto zugeschriebenen
Deckengemalde.
III. Scuola dei Lucchesi (volto santo) bei den Servi. Hier war
iiber der Tiir des Hofes das Volto santo von Engeln angebetet und
innen eine Maria mit Kind, von Tintoretto in seiner Jugend gemalt
(Boschini).
IV. Scuola di S. Marco. Hier waren in der Hauptsala die vier
groflen *Legenden des hi. Marcus: die Befreiung des Sklaven, 1548,
jetzt in der Akademie (unsere Nr. 13), der Transport der Leiche und die
Errettung des Sarazenen (jetzt im Palazzo reale, unsere Nr. 34, 35), und
die Entdeckung der Leiche (jetzt in der Brera zu Mailand). Diese letzten
drei Bilder im Auftrag des Tommaso da Ravenna 1562 und in den fol-
genden Jahren gemalt — Boschini erwiihnt aufierdem einige Figuren
von Propheten und Sibyllen in gelbem Chiaroscuro, die aber iiber-
malt seien. Temerita di chi lo fece!
V. Scuola dei Mercatanti bei S. Maria dell' Orto. Zuerst von
Ridolfi, zuletzt von Zanetti erwahnt: ein spates Werk, die Geburt der
Maria und (dies nicht von Ridolfi, sondern von Boschini zuerst ge-
nannt): Madonna in der Luft mit Engeln, untcn der hi. Christoph
und ein Portrat, opera squisita.
VI. Scuola de* Sartori bei den Gesuiti. 1m Erdgeschoflraum ein
von Boschini zuerst genannter Fries mit dem Leben der hi. Bar-
bara in kleinen Figuren, von Tintoretto in ganz friiher Jugend (prima
puerizia) gemalt. Zanetti 1797 nennt sie die ersten Arbcitcn Tintorettos.
Ooethe in dem kleinen Aufsatz: Altere Gemalde (Neuere Restaurationen
iri Venedig, betrachtet 1791) erwahnt sie: selbst die nnchherigc tingchcurc
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44 Henry Thode:
Ausdehnung der Kunst hat ihren Beginn von so kleinen Bildern genom-
men, wie es die Tin tore ttischen Anfange in der Schule der Schneider
bezeugen. «
H. Bilder in Privatsammlungen.
Nur wenige Gemalde Tintorettos diirfte es gelingen, heute noch
in venezianischem Privatbesitz, der einst, wie Ridolfis Angaben zeigen, so
reich an Schopfungen seiner Hand war, nachzuweisen. Mir sind bis
jetzt nur folgende bekannt geworden.
Im Palazzo Giovanelli.
257. Francesco Contarini erhalt zum Dank fur seine Vertei-
digung der Stadt Asolo im Jahre 1518 von Abgesandten
derselben ein Banner. Das in Breitformat gehaltene Gemalde
zeigt rechts die Uberreichung des Banners an Contarini durch
einen Greis, links einen grofien Reiterkampf, im Hintergrund eine
Festung und vor derselben ein Feldlager und eine Reiterattacke.
Eine Inschrift besagt: 15 18 die XII. Octobris in rogatis. La fede-
lissima comunita nostra di Asola come per le lettere di quella
hora lette si vede manda per quattro honorati oratori suoi a pre-
sentar uno stendardo al nobile diletto nostro Francesco Contarini
fu de Ser anzolo come a quello che essendo rettor et proveditor
di quella terra si portd come revera die cadaun degno rappresentante
nostro in tutto quel regimento ma precipuamente di constantia et
virtu singulare et di animo intrepido molto ben si confece cum
lanteditta fidelissima terra a conservarla da tanto impeto quanto
fu quello della Cesarea Maesta quando in persona con lesercito
ando alia opugnation loro onde perche sempre e saluberrima la
memoria delle egregie operationi merita grande comendatione la
comunita grata verso il retor suo et quello die esser con segni
d' honore riconosciuto et pero landera parte che per autorita di
questo conseglio sia commesso al soprascritto Francesco Contarini
che allegramente acetar dovea questo incarico predeto non ostante
altra parte che fosse in contrario la qual sintenda suspesa per
questa volta. — Joanes Niger Notarius Curie magioris et (folgende
wenige Worte undeutlich).
Jetzt ist kaum noch etwas von Tintorettos Hand zu erkennen.
1st das Bild von ihm selbst ausgeflihrt gewesen? Die rohe Pinsel-
ftihrung macht daran zweifeln. Domenico diirfte der Maler sein.
Die Kompositionsweise erinnert an die fur die Gonzaga ausgefuhrten
Gemalde in der Miinchener Pinakothek.
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Tintoretto.
45
258. Bildnis des Prokurator Tommaso C'ontarini. Fast in ganzer
Figur, in RUstung und mit rotem Mantel vor rotem Vorhang. Linke
auf Helm, in der Rechten Kommandostab. Bezeichnet: Tommae
Contareno D. M. Proc. amplissimis omnibus summisque reipublice
muneribus terra marique egregie perfuncto effigies. Es ist derselbe
Tommaso, dessen friiher in den Prokuratie, jetzt im Dogenpalast
befindliches Bildnis von uns unter Nr. 84 erwahnt wurde. — Die
Inschrift ist eine Kopie der auf dem Grabmal Tommasos in S.
Maria dell' orto angebrachten (vgl. Cicogna II, 241), also spater
aufgesetzt. Das Bild hat gelitten, war aber schon und echt. —
Andere im gleichen Raume befindliche Portrats sind in Nachahmung
des Tintoretto'schen entstanden.
259. Bildnis eines Nobile. Im Porzellansaale des Palastes (jetzt in
ovalem Rahmen). Vor grauer Architektur und griinem Vorhang.
Kniestiick. Auf einem Tische Biicher. Das Bild ist ganz ein-
geschlagen, konnte aber von Jacopo sein. — Nicht zu verwechseln
mit einem anderen Nobile vor Landschaft ebendort, der von Do-
menico sein diirfte.
Ein hi. Sebastian in derselben Sammlung ist von Domenico,
und eine »Vervielfaltigung der Brote« aus der Schule Jacopos.
Im Besitze der Contessa Giulia Schiavoni-Sernagiotto.
260. Gottvater spricht zu Adam und Eva. Links deren beide
Gestalten in halber Figur, rechts Gottvater, hinter dem Baum der
Erkenntnis schwebend. Landschaft. Mufi herrlich gewesen sein,
ist aber zum Teil retouchiert, zum Teil beschadigt. Befand sich
friiher in S. Trinita und gehort zu den Bildern (unsere Nr. 1 und 2)
in der Akademie. Man vergleiche das dort Gesagte.
Ob das Portrat eines vornehmen Jiinglings, bezeichnet
Paulus Andreae ducis Filius reginae sororis Conjus (sic) von Tinto-
retto hernihrt, ist wohl nicht mehr zu entscheiden. Der Kopf ist
leider tibermalt.
261. Bildnis des Konigs von Frankreich Henri III. Seit kurzem
nach England (?) verkauft. Mir nur nach einer Photographie be-
kannt, danach aber ein besonders schones Portrat. Der Konig in
heller franzosischer Tracht steht (als Kniestiick) nach halb links
gewandt, die Linke auf einen Tisch gestiitzt, die Rechte gesenkt.
Rechts Vorhang, links Saule. Dies ist oflfenbar das vom Konig dem
Dogen Alviso Mocenigo geschenkte Portrat. (Vergleiche dariiber
unsere Nr. 90.)
(Fortsetzung folgt.)
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Das Hauptwerk des Baumeisters Heinrich Schickhardt.
Von Dr. Bertold Pfeiffer.
Seitdem (lurch den Wurttembergischen Geschichts- und Altertums-
verein der handschriftliche Nachlafl des Renaissancebauineisters Heinrich
Schickhardt (1558 — 1634) veroflfentlicht ist, kann jedermann das Wesen
und Wirken dieser gewinnenden Kiinstlernatur, auf welche schon Wilhelm
Liibke aufmerksam gemacht hat, aus den eigenen Aufzeichnungen des
Meisters naher kennen lernen.1^ Dagegen lag es nicht im Plan der er-
wahnten Publikation, vom Stand])unkt des Kunsthistorikers baugeschicht-
lich und stilkritisch auf sein Lebenswerk naher einzugehen.
Hier soil wenigstens die Hauptschopfung Schickhardts, der ehemalige
Neue Hau in Stuttgart, in ein helleres J.icht geriickt werden, da gerade
iiber ihn mancherlei falsche Angaben und unklare Vorstellungen im l"m-
lauf sind. Hat doch iiber den beiden Meisterwerken der Renaissance
in Stuttgart ein seltener Unstern gewaltet. Von dem weitberiihmten
Lusthause sind infolge des Hoftheaterbrandes vorn 20. Januar 1902 we-
nigstens prachtige Reste wieder /u Tage getreten, urn die Erinnerun^
an eine Glanzzeit unserer deutschen Kultur nach drei Jahrhunderten
wachzurufen; dagegen ist der Hauptbau von Georg Beers wtirdigem Sch tiler
und Nachfolger langst einer giinzliehen Vernichtung anheimgefallen.
Ein stolzer und prachtliebender Ftirst wie Herzog Friedrich
(J593 — 1608), mit welchem nach dem plotzlichen Hinscheiden Herzog
Ludwigs die Mompelgarder Seitenlinic des Hauses Wtirttemberg ans
') Handschriften und Han dzcichnungcn do hcr/oglich wurttembergischeu
Baumeisters Heinrich Schickhardt. Im Auftrag des WUrtt. Geschichts- und Alter-
tumsvereins unter Mitwirkung von Haudirektor A. Euting und Professor Dr. Bertold Pfeiffer
herausgegeben durch Dr. Wilhelm Heyd, IMrektor a. D., Stuttgart, I90if. — Vgl. auch
A. Wintterlin, Wiirttembergische Kiinstler in Lebensbildern, Stuttgart 1895, S. 1 — 14;
ferner Bertold Pfeiffer, Heinrich Schickhardt und seine italienischen Keisen, ab-
gedruckt im Kechenschaftsbericht des WUrtt. < 'reschichts- und Altertumsvereins fiir 1900
bis 1903, Stuttgart, 1903, S. 11 — 21.
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Bertold Pfeiflfer: Das Hauptwerk des Baumcisters Heinrich Schickhardt. 47
Ruder kam, konnte und wollte in Bauunternehmungen hinter seinem
Vorganger nicht zurtickbleiben, und Schickhardt, schon bei Lebzeiten Beers
(t 1600) von dem neuen Herrscher bevorzugt, mufi u. a. im Jahre 1597
hinter dem Herzoglichen Schlofi Biirgerhauser, die er in seinein Inven-
tarium (a. a. O. S. 385) naher bezeichnet hat, aufkaufen und niederlegen,
urn Raum zu schaffen fur einen furstlichen Neubau.
Am 16. Marz 1599 erfolgte im Beisein des Herzogs die Grundstein-
legung zum Neuen Marstal Bauw- , welcher sich schrag iiber der
Grundflache der jetzigen Markthalle erheben sollte, zwischen dem Alten
Schlofi und der in einem Straflennamen fortlebenden Miinze; die Oricn-
tierung des Neubaues richtete sich nach der auf die Siidostecke des
Schlosses zulaufenden Stadtmauer, so dafi diese an der Riickseite des
Bauplatzes in geringem Abstand entlang zog. (Vgl. den Prospekt von
Merian 1643.) '
Hatte Schickhardt, urn sich zur Ausftihrung von Monumentalbauten
wiirdig vorzubereiten, schon 1598 eine kurze Studienreise nach Ober-
italien, hauptsachlich ins Venetianische unternommen, so durfte er nun
vom November 1599 bis Mai 1600 den Landesherrn auf seiner Romfahrt
begleiten, die er so anschaulich beschrieben hat, und auf welcher er
noch tiefere Eindrucke von italienischer Baukunst in sich aufnahm.
Kaum zuriickgekehrt, wurde der Meister in Herzog Friedrichs
friihere Residenz Mompelgard (Montbe'liard) gesandt unci dort durch die
Ausgestaltung der Neustadt acht Jahre lang bis iiber des Herzogs Tod
hinaus festgehalten. Er schreibt: Die Abrifi zu dem newen Marstal-
bauw hab ich Anno 1600 zu Mumpelgart gemacht, hah also nebencl
den Miimpelgartischen Gebeiien auch solchen schwehren und kestlichen
Bauw fiehren mtissen. Dorh ging man rtistig ans Werk; zwar mufite
infolge eines Erdbebens am 10. September 1603 ein Teil wieder abge-
tragen werden, aber 1607 kam das Bauwesen glUcklich unter Dach. Die
Vollendung im Innern, welche sich noch jahrelang hinzog, erlebte Herzog
Friedrich nicht. Auch liefi der Nachfolger Johann Friedrich das Ziegel-
dach im Jahre 16 12 durch ein kupfernes ersetzen.
Der Neue Bau hatte eine dreifache Bestimmung: unten war er
Marstal 1, in der Mitte Festsaalbau, oben WarTenmuseum oder nach
damaliger Bezeichnung Riistkammer (so erklart sich auch der Ausdruck
Hamischhaus). Den Zeitgenossen war dieser Renaissancebau besonders
deshalb merkwurdig, weil er von dem monumentalen Charakter ita-
lienischer Bauweise zum erstenraal einen deutlichen Begriff gab. Schon
Joh. Ottinger in seiner 16 10 erschienenen Beschreibung der Festlichkeiten
bei Herzog Johann Friedrichs Hochzeit riihmt ihn als ein koniglich
Werk, machtig und grofi, von schonen, glatten Quaderstein, so kiinftig
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4 8 Bcrtold Pfeiflfcr:
soil der Marstall sein . Unci J. J. Gabelkofer in seiner Chronik \on
Stuttgart (162 if.) nennt ihn einfach uff italienische Manier erbaut*
Aus dem 18. Jahrhundert bietet uns die Kurze Beschreibung
...der Residenzstadt Stuttgart von 1736 wertvolle Angaben iiber die
Einteilung des Baues und die Waffensammlung. Uber die Bestande der
letzteren kann man sich aufs genaueste unterrichten aus dem vom Hof-
marschallamt in das k. Staatsarchiv gekommenen Inventar liber die auf
dem ftirstlichen Neuen Bau in der mittleren und oberen Rist-Cammer
befindlichen Kriegs-Requisiten , ausgefertigt von dem Hofplattner Johann
Jakob d'Argent am 17. Juni 1752 und nochmals ziemlich gleichlautend
am i.Juli 1756. Wir konnen hier nicht naher eingehen und weisen nur
darauf hin, dafi diese Riistkammer, wenn sie noch bestunde, unter den
Sammlungen ihrer Art einen hohen Rang einnehmen wiirde. In der
Beschreibung von '1736 werden die Hauptstiicke in Prosa und mit Reime-
reien vorgefiihrt. Noch im Jahre 1748 gab es Zuwachs, indem »die
Artillerie-Stiicke aus der Erbprinzen-Masse von der Rentkammer erkauft
wurden. Allein zehn Jahre spater war dieser kostbare Besitz des Hauses
Wurttemberg vom Feuer verzehrt; nur ein kleiner Teil wurde gerettet
und ist jetzt im runden Saal des Armee-Museums zu sehen. Zum Gliick
waren andere Schatze, die Mlinzen und Kleinodien, schon 1 75 1 ins Alte
Schlofi geschaflft worden; sie bilden jetzt einen Teil des Kgl. Miinz- und
Kunstkabinetts.
Es wurde fur den Bau verhangnisvoll, dafi er auch zu Festlichkeiten
dienen mufite. Bei den Zuriistungen zu einer franzosischen Komodie,
die Herzog Karl Eugen hier auffuhren lassen wollte, brach am 22. De-
zember 1757 mittags gegen 2 Uhr Feuer aus, und als um 5 Uhr der
Einsturz des kupfernen Daches den Brand erstickte, war eine Haupt-
sehenswiirdigkeit von Stuttgart nach einem Bestehen von kaum ix/2 Jahr-
hunderten dem Verderben geweiht.
Dem Gebaude selbst wurde ein ahnliches Schicksal bereitet, wie
spater dem Lusthause. Das feste Mauerwerk war fast unversehrt, man
hatte das Ganze ohne allzu grofie Kosten wiederherstellen konnen; aber
der Herzog liefi nur die Pferdestalle in stand setzen, alles tibrige 20
Jahre lang als Ruine stehen. Iin Jahre 1774, als die Ubersiedlung der
herzoglichen Bibliothek aus Ludwigsburg nach Stuttgart beschlossen
wurde, versaumte man die Gelegenheit, den Bau hiezu wiirdig zu ver-
wenden. Als es sich 1778 nochmals um die Wiederherstellung handelte,
gab leider der Hauptmann und Architekt Fischer als Leiter des herzog-
lichen Bauwesens die Erklarung ab, der Brand habe den Bau so bescha-
digt, dafi eine Erneuerung nicht weniger Kosten verursachen wiirde als
ein volliger Neubau. Umsonst hielt man im Geheimen Rat dem ent-
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Das Hauptwerk des Baumeisters Heinrich Schickhardt. 4^
gegen, die unteren Stockwerke seien noch wohl erhalten und das Quader-
werk der oberen k&nne auch nicht so schadhaft sein, wie Fischer behaupte,
da er es zur Uberwdlbung des Nesenbaches am Schlofigraben verwenden
wolle, wozu doch nur dauerhaftes Material zu brauchen sei. Der Herzog,
welchem im Hinblick auf die Fortsetzung seines Residenzschlosses jeder
andere Aufwand ungelegen kam, unterzeichnete am 10. April 1778 das
Todesurteil des Neuen Baues mit dem Befehl, »den Abbruch gleich-
baldig zu veranstal ten«.
Es war ein ungewohnlich miihsames Zerstorungswerk, »da samtliche
Quader durch eiserne Klammern miteinander verbunden waren«. Vor
dem Besuch des Grofiftirsten Paul von Rufiland, August 1782, wurde die
ganze Umgebung des Alten Schlosses eingeebnet (daher der Name »Planie«).
Doch scheinen die letzten Grundmauern des Neuen Baues erst 1786 be-
seitigt worden zu sein, wo man im Grundstein eine Kupferplatte mit
eingegrabener Inschrift fand. Ihr Wortlaut war folgender:
»Uff den 16. Martii 1599 hat der durchlauchtig hochgeborn Furst
und Herr Herr Friederich Hertzog zu Wiirtemberg und Teckh, Grave zu
Mumpelgart, Herr zu Heidenheim und Ritter beider koniglichen Orden
in Frankreich und Engelland etc. den ersten Stein an diesem ftirstlichen
Marstall und Rust-Chammerbau lassen legen. Der Allmachtige verleye
Hand darzu, Amen.«
Inwieweit lafit sich nun die iiuflere und innere Erscheinung des
Neuen Baues noch feststellen? Die Stiche von Merian kommen hier
kaum in Betracht. Eine kleine aber wichtige Ansicht von der Nordost-
seite enthalt ein sorgfaltig ausgefiihrter Kupferstich: Einholung der
Leiche der Herzogin Marie Dorothea Sophie, f 1698. Kurz vor dem
Abbruch der Ruine zeichnete der Theatermaler Viktor Heideloff eine
grofiere Ansicht von Siidwesten, jetzt in der konigl. Kupferstich-
sammlung; eine andere Handzeichnung erwarb die konigliche Staats-
sammlung aus dem Nachlafi des Sohnes, Professor Heideloff. Von diesem
bewahrt die Hofdomanenkammer eine Ansicht mit Staffage in Ol, be-
zeichnet » Carlo Heideloff i8o6«. Einen Grundrifi des Gebaudes besitzen
wir nicht, wohl aber in den Schickhardtakten im Staatsarchiv
einen genauen Umrifi, ferner mehrere Lageplane jenes Stadtteils mit
wichtigen Mafiangaben.
Bei E. v. Gemmingen, Heinrich Schickhardts Lebensbeschreibung,
erganzt und herausgegeben von dem Kunstfreund v. Uxkiill, Tubingen
1 82 1, ist Heideloffs Aufnahme zum erstenmal veroffentlicht und dazu
bemerkt: >Schon war dieses Gebaude vorziiglich dadurch, weil man daran
sahe^ wie dieser denkende Kiinstler die Vorzuge einer ihm ganz neuen
Architektur in ihrer FUlle zu ergreifen und sie zu benutzen wufite, ohne
Repertorium fur Kun«twt**cntchaft, XXVII. a
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50 Bertold Pfciaer:
dafl sein gesunder Menschenverstand darunter litt.% Beinahe zwei Menschen-
alter spater hat sich W. Ltibke in seiner Geschichte der Renaissance in
Deutschland urn unseren Meister im ganzen das grofite Verdienst erworben,
ist jedoch der Eigenart dieses vom Erdboden verschwundenen Baues, tiber
welchen er mehr als eine unrichtige Angabe macht und von dem er sogar
eine fehlerhafte Abbildung gibt, zu wenig gerecht geworden. Im Inventar
der Kunst- und Altertumsdenkmale hat E.Paul us den Bau trefflich, aber
als ein gewesenes Denkmal doch mehr andeutend als eingehend behan-
delt. So darf man sich nicht wundern, wenn auswartige Kunsthistoriker
unserer Tage wie Bezold, Die Baukunst der Renaissance in Deutschland,
Stuttgart 1900, S. 125 uber Schickhardts Werk mit ein paar Worten
hinweggehen. Anderseits findet man bei M. Bach und C. Lotter, Bilder
aus Alt-Stuttgart 1896, S. i8ff., die vorhandenen Nachrichten in dankens-
werter Weise zusammengestellt.
Immerhin herrscht bisher liber Gestalt und Einteilung des Baues in
wesentlichen Punkten Unklarheit, welche sich mit entsprechender Be-
nutzung aller Hilfsmittel aufhellen lafit; zugleich ist in stilistischer Hin-
sicht noch manches Neue zu sagen.
Schickhardt hat hier >die von seinem Meister Georg Beer tiberkom-
mene deutsche Renaissance mit der italienischen verschmolzen«-
Es war ein auffallend rein und streng durchgefiihrter Prachtbau: in der
Grundform ein langlichesViereck von 130 Fufi Lange, 80 Fufi Breite
und 68 Fufi Hohe bis zum Kranzgesims, mit vier durch Gesimse ge-
trennten Vollgeschossen, in der Mine der beiden Langseiten und an den
Ecken der stadtwarts gekehrten westlichen von schmalen Risaliten
belebt, welche dort erkerartig mit Giebelchen, hier turmartig mit KuppeL-
dachern und Laternen iiber das Hauptgesims in das hohe Walmdach
hinaufreichten. Besonders originell und lange mifiverstanden war die
Erweiterung der aufieren Ecken durch zwei polygone Wendeltreppen-
tiirme, welche mit ftinf Seiten eines Sechsecks vortraten; in Gliederung
und Bekronung mit den Eckrisaliten zusammenstimmend, gaben sie durch
ihren bewegten Umrifi und Reichtum an Fenstern dem Bauwerk vollends
ein malerisch reizvolles Geprage.
Italienischer Einflufl, aber nicht wie behauptet wurde vorzugs-
weise von Palladio her, zeigt sich vor allem in der horizontalen Glie-
derung des Ganzen, dann in den Pilasterstellungen, Balkonen und
Kuppelabschlussen der Vorlagen, wahrend diese anderseits in ihrer turm-
artigen Schmalheit mit dem Vorherrschen der Vertikale auch wieder
deutsch anmuten, wozu das hohe Walmdach samt den Zwerchgiebeln
der mittleren Risalite trefflich stimmt. Ganz unitalienisch ist auch das
Fehlen eines Sockelbaues und einer groflen Treppenanlage. — Die Zier-
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Das Hauptwerk des Baumeisters fteinrich Schiekharilt. c i
form en geben noch Anlafi zu manchen Beobachtungen. Nach dem
Stich von 1698 lief iiber dem Kranzgesims eine Ballustrade hin; diese
erinnert an die Genuesischen Villen eines Galeazzo Alessi und seiner
Nachfolger. Genua behandelt Schickhardt in seinem Skizzenbuch mit
sichtlicher Vorliebe. Die an Abwechslung reichen Einfassungen und Be-
kronungen der in den Obergeschossen bogenformig ausgeschnittenen
Fenster stimmen im dritten Geschofi in den Tat mit einem Motiv am
Palazzo Cambiaso zu Genua uberein — unterbrochener Giebel mit Kopf,
wahrend beim zweiten und vierten wohl Vorbilder in Bologna (Portico
de' Banchi) und Venedig (Palazzo Balbi) ihm vorgeschwebt haben. Da-
gegen sind die geschwungenen Seitenzierden, welche man auf dem Stich
von 1698 an einigen Fenstern wahrnimmt, eine Eigentiimlichkeit der
deutschen Spatrenaissance.
Doch nun zum Innern! Wie schon bemerkt, fehlt eine grofie
Treppenanlage. Dies hangt auch mit der Bestimmung des Erdgeschosses
zusammen, das als Marstall ganz fiir sich bleiben mufite. Bei HeidelofT
sind den Portalen der westlichen Langseite und der Schmalseite kleine
Freitreppen vorgelegt; einen bodengleichen Zugang zu den Stallungen
haben wir uns auf der Riickseite zu denken. Das Erdgeschofi war
durchweg eingewolbt und prachtig ausgestattet ; zwischen den Abtei-
lungen fur die Pferde waren dorische Saulen angebracht, die Raufen
waren reiche Arbeiten der Kunstschlosserei, dariiber sowie liber den Ein-
gangen sah man Hirschkdpfe mit prachtigen Geweihen, Inschriften usw.
Als Bodenbelag diente eine dicke Bleischicht, welche nach langerer Ab-
nutzung wieder glatt geschlagen wurde. Durch alle Stalle gingen Wasser
kanale, gespeist von einem Druckwerke. — Nach den .oberen Stockwerken
ftihrten Wendeltreppen in den polygonen Tiirmen; meine Vermutung,
dafi es zwei waren, fand ich bestatigt durch eine Stelle im Inventar der
Rtistkammer, wo von »dem hinderen Schnecken« die Rede ist. Wahr-
scheinlich war die Treppe im sudostlichen Turm reicher ausgebildet und
gilt ihr die Beschreibung von 1736: >Das ganze Gebaude aber hat einen
sch6nen breiten und zierlichen Schnecken von sehr vielen Staffeln und
also zugerichtet, dafi man oben Messer oder Stocke einlegen und bis an
die unterste Staffel hinab laufen lassen kann.« Derselben Quelle ent-
nehmen wir folgende wichtige Angabe: »Es begreifft dieser Bau zwei
Ssthl ob einander; der erste ist weit und so grofi als das gantze Ge-
bau, in der Hohe aber ist eine Galerie, darinnen viel Mahlerey und
Zi era then zu sehen.« Sonst wird berichtet, dafi die Galerie von zwolf
Saulen getragen wurde; »hier waren die 12 Monate in Gemalden vorge-
stellt, an der Decke waren Szenen aus der wiirttembergischen Geschichte
gemalt und an den Seiten vielerlei Masqueraden^. An der Wand hingen
4*
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52
Bertold Pfeiffer:
Klirasse ftirstlicher Personen und ein grofies Gemalde der Schlacht bei
Hochstadt, welches Herzog Eberhard Ludwig daselbst anbringen liefi.
Aus einem der erwahnten Lageplane entnehmen wir, dafi dieser
Festsaal wirklich nach Lange und Breite das ganze Gebaude einnahm,
denn das Ausmafi betrug im Lichten 124X74 Fufi, sodafi fiir die Mauer-
dicke je 3 Fufi iibrig bleiben. Und wenn schon aus der Beschreibung her-
vorgeht, dafi der Saal mit seiner Galerie durch zwei Stock-
werke reichte, so wird auch dies bestatigt durch den auf einen anderen
Lageplan beigesetzten Eintrag: »Vom obern Fensterbankh im Saal bifi uf
den Boden 43x/2 Fufl.« Wie bemerkt, befand sich das Hauptgesims
68 Fufi iiber dem Boden, die Gesainthohe der beiden unteren Stockwerke
blieb demnach, wenn wir auch zugunsten des Erdgeschosses etwas zulegen,
jedenfalls unter 40 Fufi. Wir dtirfen dem Saal etwa 30 Fufi Hohe geben;
also hat sichSchickardt hier, wie Elias Holl im Rathaus zu Augsburg,
im Anschlufl an die Italiener von einem Fehler freigehalten, den
man so vielen Schlofibauten der deutschen Renaissance zur Last legen
mufi, dafi namlich die schonsten Sale durch zu geringe Hohenentwicklung
etwas Gedrllcktes an sich haben (Heiligenberg). Und wenn der Ratsaal
in Augsburg wie der des Lusthauses in Stuttgart durch eine immerhin
mehr iippige als stilreine Auszierung hervorragt, so kann dagegen seine
Beleuchtung nur von den Schmalseiten her nicht als besonders gtlnstig be-
zeichnet werden. In dieser Hinsicht mufi ihn der Festsaal im Neuen
Lusthaus entschieden iibertroffen haben, wo nicht weniger als 48 Fenster
in zwei Reihen libereinander unten und auf der Galerie Licht spendeten!
Der obere Teil des Gebaudes enthielt die Riistkammer und zwar
nach d' Argents Inventar eine mit tie re und eine obere; als untere (wie es
scheint, nicht seiner Aufsicht unterstellt) waren also wohl die Emporen
des Festsaals anzusehen. Bei der Aufzahlung werden Gegenstande »inner-
halb der Galerie « und »aufierhalb der Galerie im Gangs unterschieden,
im Gang aber werden wir an samtlichen 24 Fenstera herumgefiihrt —
die in den Treppenttirmen, 10 an der Zahl, sind nattirlich nicht mitzu-
rechnen. Dieser Gang dlirfte von dem langgestreckten inneren Raum
durch Saulen — solche werden erwahnt — und etwa noch durch
Schranken getrennt gewesen sein, sodafi das Ganze einen saalartigen
Eindruck machte. Wenigstens spricht die Beschreibung von 1736 von
einem »oberen Saak, wo sich »zierliche Harnisch usw. in Menge be-
fanden«. — Die »obere« Rtistkammer war im Dachstock in 6 Gangen
und >im Erker gegen dem Schlofi hin(iber« (Aufsatz des nordostlichen
Treppenturms?) untergebracht. Hier befand sich auch ein Modell des
Neuen Baues.
Zum Schlufi versuchen wir noch eine zusammenfassende Wtirdigung
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Das Hauptwerk des Baumeisters Heinrich Schickhardt. c ^
der kleinen Mangel und grofien Vorziige des denkwtirdigen Bauwerkes.
Einem palastartigen Monumentalbau sind vier Vollgeschosse nicht
ganz angemessen. Um so naher ware es gelegen, das Erdgeschofi als
rustizierten Unterbau zu behandeln, wozu schon seine Bestimmung einlud
(wie beim Palazzo del Te in Mantua) und wofur auch bei Palladio die
schdnsten Vorbilder zu finden waren. Trotz alledem hat sich Schickhardt
mit Rustikapfeilern an den Risaliten begniigt.
Sonst aber gibt fast alles von dem Kunstvermogen unseres Meisters
einen hohen BegrirY. Hat doch schon v. Uxklill richtig herausgefiihlt, dafi
Schickhardt, wie Georg Beer, die Fahigkeit besafi, bei der Aufnahme
einer fremden, im grofien und ganzen uberlegenen Bauweise doch
heimische Uberlieferungen und deutsche Eigenart festzuhalten
und aufs glticklichste mit italienischem Stil zu verschmelzen. Gerade
hierin erblicken wir einen besonderen Ruhmestitel der beiden Haupt-
schopfungen der schwabischen Renaissance. Die Vernichtung des Neuen
Baues darf uns nicht abhalten, ihm unter den Meisterwerken der
vorgeriickten, dem Barockstil zuneigenden deutschen Renaissance
eine der ersten Stellen anzuweisen, wenn nicht geradezu die erste. Der
Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses besitzt eine kraftvoll sich auf-
bauende Fassade, reich an malerischer Schonheit; aber es ist kein auf
sich allein beruhendes, rings in sich abgeschlossenes Werk, er wirkt nur
nach der einen Seite hin als Glied eines vielgestaltigen Organismus. Die
Schauseite des Rathauses in Augsburg entbehrt im Gegenteil fast ganz
der belebenden Einzelgliederung und verdankt ihre Wirkung allein dem
wuchtigen Ernst grofi disponierter Massen. Schickhardts Neuer Bau,
nach alien Seiten freistehend, mufi bei reich gegliederter Ge-
samtanlage und maflvoll sch6nen Einzelformen in seinen je nach
dem Standpunkt tlberraschend wechselnden Umrifilinien eine Fulle von
Reizen geboten haben. Er sichert seinem Schopfer einen Ehrenplatz unter
den deutschen Architekten.
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Zur Geschichte der Brancfacci-Kapelle.
Die Familie Brancacci hat das Eigentumsrecht iiber jene Kapelle
in St. Maria del Carmine zu Florenz, die ihrem Namen die Unsterblich-
keit erhalt, rasch genug verloren. Bereits anno 1458 erscheint in einem
Testament der Madonna Frosina die Piero di Ghino die Kapelle als
der » Madonna del Popolo- geweiht.1) Selbst der Name des Stifters
wurde vergessen,2) aber Masaccios Fresken, die wir seiner Kunstliebe
danken, standen das ganze Quattrocento hindurch in hbchsten Ehren,
und als Perino del Vaga, der an der Sonne Raphaels zum Klinstler
gereifte, nach der Arnostadt kam, fragten ihn bei einem gemeinsamen
Besuch der Brancacci-Kapelle die Florentiner Maler, ob die neue romische
Schule diesen Fresken Gleichwertiges an die Seite stellen konnte. Perino
meinte liichelnd, er selbst getraue sich, Besseres zu schaffen. . . .3) All-
mahlich verloren auch die Florentiner ihre Ehrfurcht vor den erhabenen
Toten und das Barock erklarte mit dem Rechte des Lebenden dem
Quattrocento jenen Krieg, dem so viel Herrliches zum Opfer fiel. Im
Hofe von St. Maria del Carmine wurde ein Werk Masaccios von der
Wand heruntergeschlagen und auch die Existenz der einst so viel be-
wunderten Fresken in der Brancacci-Kapelle war arg gefahrdet. Em »Fra
Anonimo« des 18. Jahrhunderts, der in remissibne dei su<>i peccati*
verschiedene Nachrichten iiber die Kirche von St. Maria del Carmine
zusammenstellte, hat uns hieriiber einen Bericht hinterlassen, der inter-
essant genug ist, urn eine unverkiirzte Wiedergabe zu verdienen:*)
... Ma pche v6 io descrivendo queste cose, quando assai meglio e piu
») R. Arch, di St. zu Florenz: »Catal. dci Conventi sopprcssi« N° 113. St. Maria
del Carmine, N° 89, Blatt 33 (tergo) Mazzo 42.
2) Vasari nennt (vita di Masaccio) II. p. 295 start Felice Brancacci Antonio als
Grlinder der Cappella.
3) s. Vasari V. Vita di Perino del Vaga. p. 604 — 6.
4) R. Arch, di St.: Catal. dei Conventi soppressi N°. 113 St. Maria del Carmine
Vol. 7. Libro de* Provenienze p. 114.
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Emil Schaeffer: Zur Geschichte der Brancacci-Kapelle. cr
amplamente sono narrate dal Castaldi nel suo libro delle Cappelle a
carte 44. piutosto riferird ci6 che essendo giovinetto fummi detto da piii
di uno d' nostri vecchi, che si trovaron' sul fatto. II Marchese Ferroni,
Uomo in quei tempi, che pr danari con tan ti, trapassava di gran lunga
le ricchezze di ogni altro Nobile Fiorentino, come quello che sovente-
mente navigando, e mercatando, mentre dimorava in Amsterdam, nell'
Indio Occidentale cioe nell' America, erali di tan to stata favorevole la
fortuna, che riuscisse di potere un grosso peculio amassare. Or qusto
signore s'invoglid forte della nra Cappella della Madonna con idea di
aggrandirla e adornarla in quella guisa che e quella de' Sigri Corsini,
se non forse ancor di vantaggio, ma per recare ad effetto il suo gran-
dioso disegno demolir si volevano le famose pitture di sopra mentovate,
e molte altre variazioni fare, quanto alle Porte pr venire dal Chiostro
in sagrestia e dalla sagrestia in Chiesa, il tutto a spese di do Ferroni.
I nostri Frati tant' e tan to pr avere una supba cappella che adornasse
vi e piu la nra Chiesa, e per acquistare un sepultuario e Benefattore di
quella portata nulla saria calso piu non veder quei mostacci con zimarre,
e mantelloni al antica abbigliati. Ma prvenuta cotal notizia agli orecchi
di Donna Vittoria della Rovere, madre del Gran Duca Cosimo III.
Priora delle nre Tertiarie, e Protettrice amorevole della nostra Cappella,
proibi espressamente, o che ella il facesse di mo to proprio, o come
instigata dall' Accademia de' Pittori, o piu veramente da una nobil
Famiglia, a cui ne giova nc conviene fare il nome, diede ordine espresso
che non si toccassero tali dipinture; il Marchese rispose, che, se non
eravi altra difficolta, egli avria fatte segare con ogni diligenza dal pmo
ordine, ove sono le pitture piu insigni, e gli Artenci assicuravano di
poterne venire a capo senza il minimo detrimento di cotali pitture. Ma
taut' e la Granduchessa ferma qual saldissima colonna nel suo impegno,
non voile a vemn' patto che le mura e le pitture della Cappella fossero
toccate. quindi non potendo il Marchese acconciare et abbelir la Cappella
a modo suo, rivalse altrove il pensiero, et ottene un luogo nella Chiesa
della Nunziata, presso la Cappella della Madonna5) e dalla Cappella, ivi
da Esso fabbricata, benche picciola pche non pote estendersi di vantaggio,
ma pero di ogni sorte e genere d'ornamento richissima dedur si puote,
qual fosse per essere la nostra Cappella, se era lasciato fare. Per lo
5) Laut Andreucci: »La chiesa della Nunziata. « Firenze 1857, p. 54, wurde das
Patronat tiber diese Cappella, die erst den da Gagliano, dann den Ubaldini gehort hatte,
im Jahre 1691 dem Senatore Francesco Ferroni ubertragen. Daraus ergibt sich ein
Datum fill den Bericht des Anonym us. Vittoria della Rovere zahlte damals bereits
69 Jahre. Sie starb anno 1694.
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5 6 Eniil Schaeffer: Zur Geschicbte der Brancacci-Kapelle.
che ella si rimase nella sua squallida antichita, e se non era del tutto
disonorevole a cagione degli ornamenti sopra accenati non era neppure
la piu bella cosa del mondo 6)
Emil Schaeffer.
6) In einem Manuskript der Kiccardiana vom Jahre 1723, Cod. Riccard. N° 2 141
Qu. IV. XXXIX p. 229 f. beklagt sich der Autor (wahrscheinlich Bartolommeo Vanni)
liber den schlechten Zustand der Cappella Brancacci. Bezeichnend genug bewundert er
die Fresken nicht, wie p. 226 f. die Werke Passignanos, um-ihrer Schttnheit willen,
sondern schatit sie lediglich als »antichissime pitturec.
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Zu Felice Felicianos romischen Schriftformen.
Bis in unsere nordischen romischen Kolonien hinein laflt sich auf
den Inschriften der Kaiserzeit das Eindringen jener uniibertrefflichen
lateinischen Monumentalschrift verfolgen, wie sie in augusteischer Zeit
aufgekommen war und wie sie in ihren schonsten Proben an den Triumph-
bogen Roms noch heme lebendig vor uns steht
Die Ausscheidung der in dieser Schrift gehaltenen Inschriften aus
der Masse des Inschriftenmaterials, also die Erkenntnis von der Vorbild-
lichkeit gerade dieser Buchstabenformen und Zeilenfuhrung ist im Quattro-
cento nur allmahlich vor sich gegangen. Am Beginn des 16. Jahr-
hunderts liegt sie in Paciolis und Diirers Proportionsstudien vollendet
vor. Dafi aber auch schon Pacioli einen um mehrere Jahrzehnte alteren
Vorganger hatte, ist durch die Publikation eines Schriftchens des Felice
Feliciano aus einem Manuskript der Vaticana (cod. n. 6852) von R. Schone
nachgewiesen worden. (Ephemeris epigraphica B. I, 1872 p. 255. Die
Abschrift des Manuskripts ist der Ornamentstich-Sammlung des Kgl.
Kunstgewerbe-Museums in Berlin einverleibt. Katalog Nr. 2446.) Schone
weist a. a. O. durch Nebeneinanderstellung der Auseinandersetzungen
Felicianos wie Paciolis die Anlehnung des letzteren an den ersteren
nach. Die vatikanische Handschrift ist durch ein Schluflepigramm des
P. Ramusius datiert: Venedig 1481. Dafi diese Jahreszahl sehr wohl
hineinpafit in den Lauf der Entwicklung, welchen die Lapidarschrift
wahrend der Renaissance im antikisierenden Sinne genommen hat, dafi
man ftir Pacioli auch ohne Kenntnis jenes Manuskripts einen Vorganger
postulieren miifite, erkennt man, wenn man einmal die italienische Plastik
des 15, Jahrhunderts unter dem Gesichtspunkt der Schriftformen verfolgt.
Es ergeben sich dann drei Perioden der Entwicklung, die den drei Dritteln
des 15. Jahrhunderts ungefahr entsprechen und die so zu definieren sind,
dafi in der ersten mancherlei kursive Elemente der Schrift einen etwas
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c^S J°*- Poppelreuter:
ungleichen Charakter geben, daii cliese in der zweiten ausscheiden, dafi
endlich in der dritten jene Monumentalschrift der romischen Triumphbogen
vollig durchdringt.1) Folgende Denkmaler mogen dies illustrieren:
Piero di Niccolos Grabmal des Onofrio Strozzi, f 141 7, in S.
Trinita zu Florenz (Bode, Renaissance-Skulptur Taf. 152) zeigt in S, Z,
X Neigung zum Kursivcharakter.
Donatellos und Michelozzos Grabmal Papst Johannes XXIII. im Bat-
tistero zu Florenz (Bode Taf. 53) gleich nach 1427 vollendet, zeigt sehr
viel mehr lapidare Formen, wendet aber noch Abklirzungszeichen an, ver-
dickt die Hasten ungleichmaflig etc.
Luca della Robbias Sangertribiine, bestellt 1431, zeigt vielfachc
Abklirzungszeichen, Zusammendrangung gewisser Buchstabengruppen zur
Raumersparnis, wie sie der Monumentalschrift fremd ist, z. B. A und V,
und ungleichmaflige Verdickung der Hasten.
Das mittlere Entwicklungsstadium wird am besten dargestellt durch
Bern. Rossellinos Grabmal des Leon. Bruni, f 1444, in S. Croce zu Florenz
(Bode Taf. 315). Kursivformen fallen weg. Die Buchstaben zeigen im all-
gemeinen eine gleichmaflige Strichfuhrung doch die feinen Endausschwei-
fungen fehlen noch. Die Buchstaben werden hie und da noch zusammen-
gedrangt. Das gleiche ist zu bemerken von Des. da Settignanos Grabmal
des Carlo Marzuppini, r 1455, ebenda (Bode Taf. 293).
Auch die Schrift an der Fassade von S. Bernardino in Perugia von
1 46 1 (Bode Taf. 416) ist keineswegs die monumentale, obgleich hier in
der Architektur der Anschlufl an die romischen Fassadeaufschriften naher
gelegen hatte.
Ant. Rossellinos Grabmal des Kardinals von Portugal in S. Miniato
vor Florenz, Auftrag 1461, (Bode Taf. 324) mag den Ubergang zu end-
giiltigen Formen darstellen. Die klassischen Endausschweifungen sind leise
angedeutet, nur die Verteilung der Buchstaben in der Zeile lafit noch zu
wunschen tibrig.
In Minos Grabmal Forteguerri in S. Cecilia in Rom, f 1473 (Bode
Taf. 404) ist es endlich das Alphabet Felicianos und Paciolis, ist es die
klare innere Disposition der Zeilen romischer Monumentalschrift, welche
uns entgegentritt.
Fast noch vollkommener und in der Zeilenfiihrung abgewogener
zeigt sie sich bei Civitale im Grabmal des Dom. Bertini f 1479, im Dom
zu Lucca (Bode Taf. 370).
Felicianos Studien dieser Art und ihre Veroffentlichung mogen nun
doch schon vor dem vatikanischen Manuskript vom Jahre 1481 liegen
*) s. di« Andeutung bci Thausing, Dtirer II pag. 42.
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Zu Felice Felicianos rnmischen Schriftformen.
59
nd als Vorlage unter die Steinmetzen gedrungen sein, bei denen sie
ch im Verlaufe der siebziger Jahre bemerkbar machen. 1st er aber in
iesen seinen Studien der Pfadfinder? 1st er selbst der Ktinstler, der jene
orbildlichen Inschriften aus der Masse herausgefunden hat? Die Unter-
uchungen, welche Mommsen an verschiedenen Stellen der Kapitelein-
eitungen im V. Bande des Corpus Incriptionum Latinarum und Henzen in
len Monatsber. d. Berl. Akad. 1868 p. 382 liber seine Inschriftensammlung
mgestellt haben, geben ihm nicht gerade das Zeugnis grofier Selbstandig-
:eit- Wie er aber hier des Poggio und des Cyriacus von Ancona Nach-
reter ist, so mochte ich auch in iisthetischer Beziehung eine Anlehnung
.ermuten und den Aufschlufi aus zwei Daten herleiten : Im Jahre 1460
xler wenig friiher2) waren Mantegnas Fremitanifresken vollendet und im
Jahre 1463 dedizierte ihm Felice Feliciano seine Inschriftensammlung.
Xatiirlich setzte dieser hier bei dem Kunstler kein inhaltliches, sondern
ein asthetisches Interesse voraus. Und an den Bauten auf Mantegnas
Fresken sehen wir in der Tat friihesten Datums und friiher wie in der
Plastik die romische Monumentalschrift vollendet vor uns. Mantegna
war ihr Wiederentdecker. Jene Dedikation war von Felicianos Seite
eine Respektsbezeugung gerade hierfiir. In der Folge dann suchte er
jenes neue vom Standpunkte des Schreibmeisters aus nutzbar zu machen,
und in den folgenden Jahrzehnten sehen wir sie in der Plastik und, ich
will gleich hinzufugen, bald auch in den Drucken eindringen. Fs sind die
exquisite litere latine antiquaries von welchen Colonna in der Hypnero-
tomachia Poliphili spricht. In des Aldus Offizin werden die Grundsiitze dann
bald auch auf die griechischen Majuskeln angewandt. Dieses Verdienst
Mantegnas wiirde, scheint mir, Tatsache bleiben, auch wenn in Wirklich-
keit das Alphabet in Paciolis Buch von Lionardo gezeichnet sein sollte,
wie man mit grofierer oder geringerer Bestimmtheit annimmt. (Vgl. Miintz,
Renaiss. II p. 816.) Die Auswahl der Vorbilder aus den antiken Stein-
schriften hatte Mantegna getroffen. Feliciano gibt im Gegensatz zu Pacioli
die vertiefte Form der Buchstaben auch fur die Schreibzwecke als
Vorbild und in Wirklichkeit ist dies die Form — also diejenige mit
der Mittellinie in den Hasten — in welcher das klassische Alphabet
in die Dnickoffizinien in den letzten Jahrzehnten des Quattrocento ein-
dringt
Wo hatte Mantegna sich angeregtr In Felicianos Werkchen werden
die Belege fur die vorgefuhrten Buchstabenformen freilich mehrfach aus
des Verfassers Heimatsstadt Verona, dem oberitalienischen Rom des
*) S. Kri stall er Mantegna pag. 67.
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6o Jos. Poppelreuter: Zw Felice Felicinnos romischen Schriftformen.
Quattrocento, angefiihrt Fur Mantegna aber scheint mir auch unter
unserem Gesichtspunkte die Frage aufzutauchen : Hatten nicht die stadt-
romischen Monumentalbauten selbst ihn angeregt, d. h. war er nicht schon
in seinen jungen Jahren einmal in Rom? 3)
Jos. Poppelreuter.
3) s. Thode, Mantegnamonographie p. 85, Portheim, Jahrbuch der Kgl. pr. Kunsts.
1886 p. 216.
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Zur Elfenbeinplastik der Barockzeit.
In seinen »Studien zur Elfenbeinplastik der Barockzeit^,1) in welchen
Dr. Chr. Scherer zum ersten Male die hauptsachlichsten Meister dieses
Kunstzweiges einer eingehenden, kunsthistorischen Betrachtung unterzieht,
berichtet er an erster Stelle tiber Ignaz Elhafen, den er als einen der
tiichtigsten Vertreter seines Faches feiert. Den wenigen Notizen, die
Scherer von den Lebensumstanden des Klinstlers zu berichten weifl, ver-
mag ich noch eine weitere hinzuzufligen, die nicht allein ftir die Er-
kenntnis der Werke Elhafens, sondern mehr noch fiir diejenige der Werke
seines Kollegen am Dtisseldorfer Hofe, namlich des Venetianers Antonio
Leoni von Wichtigkeit ist. Die Nachricht findet sich in einer reich
illustrierten Prachthandschrift, die mir seinerzeit durch gtitige Vermittlung
des Herrn Prof. Dr. Clemen in Bonn von dem Besitzer, Herrn Buchhandler
Pflaum auf der Fahnenburg bei Diisseldorf, in liebenswiirdiger Weise zur
Einsicht und Benutzung auf mehrere Tage liberlassen wurde. Der Ver-
fasser des in franzosischer Sprache im Jahre 1709 geschriebenen, 337
Seiten (Folio) umfassenden Werkes, welches den Titel fiihrt: »Le portrait
du vrai m^rite dans la personne ser. de mons. 1'dlecteur palatini, ist ein
Italiener namens George Marie Raparini, der lange Zeit am Hofe des
Kurftirsten Johann Wilhelm lebte und dort seine Aufzeichnungen machte.
Er berichtet uns in der Uberschwenglichen Ausdrucksweise seiner Zeit von
alien bedeutenden Personlichkeiten, die damals am Hofe des pracht-
liebenden Kurftirsten zu Diisseldorf eine Rolle gespielt haben. Besonders
wertvoll ist dabei das Kapitel, welches der Biographie der glanzenden
Kiinstlerschar gewidmet ist. Nachdem er hier zunachst dem Bildhauer
Ritter Gabriel von Grupello, dem Autor des bekannten Reiterstandbildes
Johann Wilhelms auf dem Dtisseldorfer Marktplatze, einen schwiilstigen
Lobeshymnus gesungen hat, kommt er sodann auf Seite 195 auf die
beiden Elfenbeinschnitzer Leoni und Elhafen zu sprechen. Die Stelle,
die hier unverklirzt wiedergegeben werden soil, lautet:
') Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 12. Strafiburg 1897.
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62 Fcrd. Koch:
Jentens ici que la statuaire reclame deux de ses vaillans Profes-
seurs. J'y cours en diligence. Elle pensait mais faussernent, que la
petitesse de leurs ouvrages me les aurait fait oublier en passant outre,
lorsque je les ay obmis a lendroit ou jay place Ms. le Chev. Gripello
grand seulement clans les grandes pieces. Je n'avais garde de les couvrir
avec le silence, et comme la petitesse n ote pas le prix a ce qui est
beau et qu'elle, au contraire, le releve, etant passe en proverbe parmi
les connaisseurs, que tant plus petit tant plus beau, je parleray en
premier lieu de monsieur Leony natif de Venise et sculpteur en hyvoire.
Ses camayeux, ses bas-reliefs renferment toutes les graces, que l'art
le plus fin scait enfanter. Ses petites figures se tournent et s'arr&tent
en de belles attitudes et propres pour les actions, dans les quelles on
les emploie, elles ont du mouvement et de l'esprit. Les muscles sont
arranges dans leurs assiettes, et sur les muscles les veines se font voir
flottantes avec delicatesse et avec force. Les plis des draperies ac-
compagnent doucement les nudites, elles les couvrent, mais ne les cacheqt
point entierement, suivant lordre des parties du corps, elles s'y jettent
dessus sans se coller sur la chair et sarretent simplement aux jointures
des os pour les indiquer aux regardans.
C'est de ses ouvrages, ce que Ovide disait dans ce fabuleux re'cit,
que le travail surpassait par son excellence le prix de la matiere.
»Materiam superabat opus.< Cet habile statuaire a orne de petites
statues le modele ci devant reppresente dans la medaille du comte Al-
berti. II a sculpte en hyvoire la conversion de S. Paul en des beaux
grouppes de figures et en outre le martyr de saint Laurent, le rapt de
Proserpine, le sacrifice d'Iphigenie et plusieurs autres rares pieces en
consideration, de quoi je lui inscris sa medaille avec les quattres vers
suivans.
Mollia sunt pelago torpentque coralia tunc, cum
De pelago properant artificiumque petunt,
At rigidum dum tractat ebur manus alma Leonis
Mollius est aera fitque vel ipsa caro. (Folgt die Medaille.)
J'ai souvent fait reflexion que, lorsque les Princes et principalement
monseigneur, qui est un fin connaisseur et professeur de rares pieces
de diamans,2) lorsqu'ils en acquierent un de grand prix, ou bien
lorsqu'ils acheptent cmelque rare perle, que sa valeur en augmente de
beaucoup, s'il leur arrive d'en trouver la pareille et que par cet assor-
tissement favorable leur thre'sor soit complet. De mdme en font-ils avec
les excellens hommes. lis cherchent leur semblables, ils les approchent,
a) Er schnitzte selbst in Elfenbein. Raparini S. Si.
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Zur Rlfenbeinplastik der Barockzeit. 6^
afin de faire naitre et dentretenir paririi eux une espece d'emulation
profitable une jalousie de vertu, qui ne manque jamais de les piquer
avec des fortes aiguillons de reputation, pour qu'ils courent d'autant plus
vite a la gloire, ainsi (jue deux tranchans de couteaux s'entre-aiguisent
en se frottant ensemble, de meme <iue deux lignes concourrantes a un
meme point se hatent et sapprochent vers la fin de leur course. Voila
comme font les Gens de vertu, ils sentre-gardent dans la carriere et
croiraient dencourrir sa honte, si aucun deux resterait un demi pas en
arriere. Cette consideration a fait, que son Altesse electorate a tire* de
f Autriche a son service un autre sculpteur en hyvoire, qui s'appelle
Ignace Helhafen. Plusieurs pieces, que jai vu de lui, m'ont porte avec
justice, a lui ouvrir la porte de mdrite, afin quil prenne sa place.
Celui s'est attache* a lecole romaine et observe l'antique dans ses
contures avec beaucoup dattention. Je donne ici son doge en abbr^ge.
Haec tua si vivunt eburis pulcherrima signa a superis donum Pygma-
lionis habes. (Folgt seine Medaille.)
Hier wird also ausdrlicklich bestatigt, was Scherer schon mutmafite,
daiJ Elhafen von Wien aus an den Dusseldorfer Hof berufen wurde.
Leider sagt uns auch Raparini nicht, in welchem Jahre die Berufung er-
folgt ist. Doch geht aus seinen Worten hervor, dafi Elhafen spater als
Leoni nach Diisseldorf gekommen sein mufi. Dieser aber diirfte wohl
sicher erst nach des Kurfursten Vermahlung mit Maria Anna Louise von
Medici, der Tochter Cosimos III. von Florenz, also jedenfalls nicht vor
dem Jahre 1691 in Diisseldorf eingetroffen sein. Elhafens Aufenthalt am
kurfurstlichen Hofe mag demnach in die letzten Jahre des 17. und die
ersten 15 Jahre des folgenden Jahrhunderts fallen. Moglich, dafi er bis
zum Tode des Fiirsten, der im Jahre 1 7 1 6 erfolgte und die ganze Kiinstler-
kolonie in alle Wmde zerstreute, dauerte. 1709, als Raparini seine Auf-
zeichnungen machte, scheint Elhafen wenigstens noch in Diisseldorf ge-
lebt zu haben. Interessant ist nun, was Raparini iiber den Anlafi zu des
Kiinstlers Berufung erzahlt, der Kurftirst habe dem Leoni in Elhafen mit
Absicht einen Rivalen zu geben gedacht, um durch die gegenseitige Kon-
kurrenz den Eifer und die Schaffenslust der beiden Kunstler zu erhohen
und anzufeuern. Wenn wir auch diese Angabe keineswegs als bare
Munze zu betrachten brauchen, so lafit sich doch vielleicht aus ihr etwas
anderes herauslesen, namlich eine spater entstandene, feindselige Haltung
der beiden Meister zu einander. Jedenfalls mufi nach Raparinis Bericht
Leoni ein nicht minder begabtes und bedeutendes Talent als Elhafen ge-
wesen sein. Auch kann man aus der kurzen Charakterisierung ihrer Ar-
beiten eine gewisse Differenz beztiglich ihrer Stilweise herausflihlen. El-
hafen, als ein Anhanger der romischen Schule, d. h. als Vertreter der
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64 Kerch Koch:
Richtung des Bernini und Cortona beobachtete, wie dies ja auch in der
Tat seine Werke erkennen lassen, den weichen Linienflufi »antiker Kon-
turen«. Er bildete mit Vorliebe nackte Figuren und zwar meistens aus
dem Kreise der griechischen und romischen Mythologie. » Seine Manner,
sagt Scherer (S. 13), sind kraftvoll, sehnig und muskulos, zugleich aber
von einer baurischen Plumpheit und Schwerfalligkeit, die sie zu jeder
anmutigen Bewegung unfahig macht. Auch seine Frauen haben voile,
ja tippige Formen, die jedoch gleich weit von der gewaltigen Formen-
fiille Michel-Angelesker Riesenweiber, wie von der urwlichsigen Derbheit
Rubensscher Frauengestalten entfernt sind.. Zu dieser Charakteristik
Elhafenscher Stilweise steht diejenige Raparinis iiber Leonis Formen-
sprache in einem bestimint gezeichneten Gegensatze. Danach besafien
dessen Figuren eine auflerordentliche Grazie und Anmut und eine tiber-
aus geistreiche Art der Stellung und Bewegung. Wahrscheinlich waren
sie schlanker, eleganter und nicht so »baurisch plump « und »schwer-
fallig« als diejenigen Elhafens. Auch miissen sie bei aller Grazie doch
noch eines gewissen realistischen Zuges nicht entbehrt haben. Die
Muskeln waren besonders hervorgehoben und die Adern unter der Haut
zu sehen. Auflerdem scheinen sie mehr bekleidet gewesen zu sein, was
wohl zum Teil die Wahl des dargestellten Stoffes bedingt haben mag,
der anscheinend mehr der biblischen und klassischen Historie entnommen
ist. Raparini nennt uns eine Bekehrung Pauli, eine Marter des hi. Lau-
rentius, einen Raub der Proserpina und eine Opferung Iphigeniens. Doch
hiillten seiner Aussage nach die Gewander den Korper nicht plerartig
ein, dafi sie die Struktur desselben vollig verdeckten, sondern sie be-
gleiteten die Konturen und deuteten die Formen in gewissenhafter Weise
an. Mit Hulfe dieser Kennzeichen diirfte es ja nun den Forschern auf
diesem Gebiete nicht mehr schwer fallen, die von Raparini genannten
Arbeiten Leonis wieder aufzufinden. Wahrscheinlich werden sie, wie auch
die Diisseldorfer Werke Elhafens in das Bairische National-Museum ge-
kommen sein. So wird man zunachst zu untersuchen haben, ob nicht
daselbst die von Scherer dem Elhafen vermutungsweise zugeschriebene
Opferung Iphigeniens, sowie der Raub der Proserpina und damit auch
die Enthaltsamkeit des Scipio, der Heldenmut des Mutius Skavola und
die Erziehung des Bacchus vielmehr dem Leoni zuzuweisen sind. Eben-
so konnte auch vielleicht das Relief der Bekehrung Pauli, welches sich
im Herzogl. Museum zu Braunschweig befindet und nach Scherer von
demjenigen Elhafens in Kremsmiinster verschiedene Abweichungen ent-
halten soil, auf Leoni zuruckzufuhren sein. Doch kann ich diese Unter-
suchungen ja den Herren, die auf diesem Gebiete bewandert sind, iiber-
lassen.
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Ferd. Koch: Zur Elfenbeinplastik der Barockzeit. 65
Was die von Raparini angefiihrten kleinen Statuen fur das Modcll
des Grafen Alberti anbetrifft, so waren hiermit 158 kleine Figtirchen ge-
meint, die Leoni fur ein Treppenmodell gefertigt hatte. das in dein neu
zu errichtenden Residenzschlosse des Kurfiirsten zu Diisseldorf, dessen
riesiger Originalplan von der Hand des Grafen Matthias Alberti8), eines
italienischen Architekten am Hofe Johann Wilhelins, heute noch im his-
torischen Museum der Stadt zu sehen ist, zur Ausfuhrung kommen sollte.
Das Modell, welches leider zu Grunde gegangen ist, bestand nach Ra-
parinis Beschreibung und Zeichnung (S. 170) aus zehn Einzeltreppen, die
zusammen ein Achteck bildeten und in der Mitte einen Weg freiliefien,
der auf 50 Fufi Breite projektiert war. Auf den Stufen standen in ge-
wissen Abstanden die Figuren des Leoni auf hohen Piedestalen. Gru-
pello war fur die spatere Ausfuhrung in Marmor vorgesehen. Ob diese
Figtirchen des Leoni wirklichen Kunstwert besafien, oder nur, wie man
denken mochte, als kleine, fliichtige Skizzen ausgeftihrt waren, mufi da-
hingestellt bleiben. Raparinis Erwahnung und Nachzeichnung des Treppen-
modells konnte allerdings den Gedanken aufkommen lassen, dafi es sich
hier urn ein kleines Kunstwerk gehandelt habe, wie denn derartige Spie-
lereien zu jener Zeit ja gang und gebe waren. Schwerlich aber durften
die Figiirchen Leonis als Modelle und Vorbilder Grupellos bestimmt ge-
wesen sein.4)
Ferd, Koch.
3) Alberti, ein geborener V'enetianer, erbaute auch das Schlofi Bensberg, welches
dem Kurfiirsten als Jagdschlofi diente und heute bekanntlich in eine Kadettenanstalt urn*
gewandelt ist.
4) Leider erfahre ich zu spat, dafi Dr. Scherer in seinem jiingst erschienenen
Buche »EIfenbeinplastik seit der Renaissance* (Monographien des Kunstgewerbes Bd. VIII
S. 20 f.) die oben erwahnten Stlicke dem Leoni nunmehr bereits zurtickgegeben hat.
Wenn somit raeine Notiz in dieser Hinsicht zu spat kommt und uberfllissig erscheint, so
wird sie immerhin als Bestatigung der von Scherer so scharfsinnig aufgestellten Ver-
mutungen und als Nachricht zu der Biographie Leonis und Elhafens nicht unwill-
koramen sein.
Rcpci^orium fur Kunstwissenschaft, XXVII.
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Literaturbericht.
Allgemeine Kunstgeschichte.
Festschrift zum vierhundertsten Jahrestage des ewigen Bundes
zwischen Basel und den Kidgenossen 13. Juli 1901. Im Auf-
trage der Regierung herausgegcben von der Historischen und
Antiquarischen Gesellschaft zu Basel. Basel 1901.
Kin vornehm ausgestatteter Band von 357 Seiten Text in Folio mit
zahlreichen Textabbildungen in Zinkiitzung und Radierung sowie aufierdem
66 Vollbildern in Radierung, Kupferstich, Lithographie, Farbendruck und
Photogravure.
Das Werk schildert im zweiten Teile auf ungefahr 140 Seiten Basels
Bedeutung fur Wissenschaft und Kunst im 15. Jahrhundert und enthalt zu-
nachst einen Aufsatz von Carl Christoph Bernoulli, dem Oberbibliothekar der
Basler Universitatsbibliothek, iiber das geistige Leben und den Buchdruck
im 15. Jahrhundert, der indessen die kiinstlerische Ausstattung der Bticher
nur nebenbei beriihrt. Es folgen aber dann zwei kunsthistorische Arbeiten,
von denen beide namentlich aber die erste mehr als blofl lokales Interesse
verdienen.
Der Abschnitt Malerek enthalt die langst erwartete Publikation
iiber Konrad Witz von Dan. Burckhardt mit achtzehn Vollbildern in
Photogravure, fast alle nach guten Aufnahmen. Eine Ubersicht iiber alle
Denkmaler, die noch von der Geschichte der Malerei in Basel wahrend
des 15. Jahrhunderts Zeugnis ablegen, hiitte dem Titel zwar mehr ent-
sprochen und ware auch von Interesse gewesen, indessen hat sich der
Verfasser dariiber selbst schon friiher, auch im Zusammenhange ausge-
sprochen (Festbuch zur ErofTnung des Historischen Museums in Basel
1894) und er beschrankt sich im wesentlichen darauf, eine neue Ent-
deckung, die bisher nur vorlaufig angekiindigt war mit alien ihren Kon-
sequenzen zum Gegenstand seiner Darstellung zu machen. Er gibt uns
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, J
Literaturbericht. 67
dafur einen der wichtigsten Beitrage, die zur Geschichte der schwabischen
Malerei in der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts in den letzten zwanzig
Jahren erschienen sind.
Die Gemalde, urn die es sich handelt, sind nur zum kleinen Teil
erst neuerdings bekannt geworden. Im Baseler Museum harrte seit langer
Zeit eine Reihe von Bildern der genauern Bestimmung; in den goer Jahren
tauchte dann im Mtinchener Kunsthandel ein Werk auf, das ins Basler
Museum gelangte, obwohl vorerst die Ubereinstimmung mit dem schon
vorhandenen Cyklus nicht bemerkt wurde. Fast gleichzeitig wurde auch
das Gemalde aus dem Nachlafl des Pralaten Straub bekannt, das jetzt
eine Zierde des Straflburger Museums bihlet Die Verwandtschaft dieses
Bildes mit der neuen Basler Krwerbung ist auffallend und war schon
festgestellt, als Burckhardt in zwei beiderseits bemalten Tafeln des Genfer
Muse*e darcheologie, von denen die eine datiert und bezeichnet ist, die-
selbe Hand sowohl wie in den jiingst bekannt gewordenen als wie in
den langst bekannten riitselhaften Gemalden sah. Dazu kam noch eine
Entdeckung von Bayersdorfer im Neapeler Museum.
In der von Burckhardt angenommenen Chronologie ergibt sich nun
folgendes Inventar erhaltener Werke.
Friihwerke.
1. Die acht Tafeln des Basler Museums, die zum alteren Bestand
gehoren. Ftinf mit Goldgrund, Darstellungen von Handlungen, in denen
eine symbolische Vorbedeutung fur die Erlosungsgeschichte gesehen wurde:
Esther und Ahasver, David und Melchisedek, Casar und Antipater, sowie
auf zwei Tafeln: David und die drei Helden, die aus dem Lager der
Philister bei Bethlehem Wasser bringen, ferner: die Einzelgestalt der Syna-
goge, die Einzelgestalt eines Mannes mit Messer und Buch (friiher als
Bartholomaus, jetzt von Burckhardt als alttestamentarischer Priester be-
zeichnet), endlich ein heiliger Christophorus in weiter Landschaft. — Die
Bilder stammen wie ubrigens auch die Holbein in der Karlsruher Galerie
aus der Kunstsammlung des Markgrafen von Baden, die sich bis 1808 in
Basel befand, sie gingen dann in Basler Privatbesitz iiber und haben sich
infolge verschiedener Schenkungen wieder in der oflfentlichen Kunst-
sammlung der Stadt zusammengefunden. Die Annahme, dafi sie aus
einer Kirche in Basel oder der Umgebung kommen, ist damit zwar nicht
geboten, aber doch recht naheliegend. Die fiinf zuerst genannten ge-
horten sicher einem und demselben Altare an, dafi die andern auch da-
zu gehorten, ist wahrscheinlich. Die Mafie stimmen wenigstens ungefahr.
Miindler hatte die Gemalde einst nicht so ganz mit Unrecht als fran-
zosisch-burgundische Schule bezeichnet. Burckhardt selbst fiihrte sie als
5*
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68 Literaturbericht.
Konservator der Galerie im Kataloge friiher als Art des Gerrit van
St. Jans< auf.
2. Das Geiniilde im Museo Nazionale in Neapel. Die hi. Familie
mit der hi. Katharina und Barbara in einem Kirchenraume, in dem eine
freie Wiedergahe des Baseler Miinsters deutlich zu erkennen ist
S p a t w e r k e.
3. Das Bild im Strafiburger Museum. Maria Magdalena und Catha-
rina in eincr gotischen Halle.
4. Das Bild, das im Mtinchener Kunsthandel aufgetaucht ist: Jo-
achim und Anna an der goldenen Pforte im Basler Museum. Von gro-
fierem Format, von den ubrigen Basler Tafeln auch im Stil etwas ver-
schieden.
5. Die Tafeln im Musee darcheologie in Genf. Wahrscheinlich die
beiden Teile eines grofleren Altarfltigels, dessen Gegenstiick verloren ist.
Auf der ehemaligen Innenseite der einen Tafel der Stifter Kardinal Jean
de Brogny vor der Madonna knicend, auf der Aufienseite die Befreiung
Petri, hier am Rahmen das Wappen fles Kardinals. Auf der Innenseite
der anderen Tafel die Anbetung der Konige, aufien Petri Fischzug. Hier
die Inschrift: hoc opus pinxit magister conradus sapientis de basilea
M°CCCC°XLIIII0. Die Bilder stammen aus der ehemaligen Makkabaer-
Kapelle in Genf und sind auch in Genf entstanden, denn die Landschaft
auf dem Fischzug Petri ist eine Darstellung des Genfersees von der
Schweizerseite aus, im Hintergrunde sieht man einen Teil des Saleve.
Dafi ein und derselbe Kunstler diese Gemalde geschaffen, ist kaum
zu bezweifeln, die Hand des Meisters ist leicht erkenndich trotz auf-
fallender Verschiedenheiten der Formgebung und der Ausfiihrung. Eine
Ausnahme macht nur der hi. Christophorus, allein dieses Bild ist stark
restauriert worden und weist immerhin in einigen Kinzelheiten und in der
Gesarntauffassung erhebliche Analogien mit den ubrigen Schopfungen auf.
Aus den Basler Urkunden geht hervor, dafi ein Konrad Witz von
Rottweil, der sich auf Latein v Sapientis c (i. e. Sohn des vSapiens) nannte, in
Basel kurz vor der Mitte des Jahrhunderts tatig war. Er wurde 1434
in die Zunft, 1435 m das Biirgerrecht aufgenommen, kauft im Friihjahr
1443 ein grofieres Anwesen an der Hauptstrafie der Stadt, mufi dann
aber, auch nachdem er 1444 das Bild in Genf signiert hatte, aufierhalb
von Basel sich aufgehalten haben. Er ist vor August 1447 mit Hinter-
lassung von sechs unmtindigen Kindern, aber als wohlhabender Mann
gestorben. Die alteren Kinder scheinen sich indessen dem mundigen
Alter geniihert zu haben. Daraus schliefit Burckhardt, dafi Witz sich im
Beginne der 30 er Jahre, noch vor der Aufnahme in die Zunft, verhei-
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Literaturbericht.
6q
ratet hat, im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts geborcn wurde und in
dcr Vollkraft seiner Jahre gestorben ist. Ungefahr dasselbe Ergebnis
erhalt man auch dann, wenn man die Verheiratung in die Zeit der Auf-
nahme in Zunft und Burgerrecht, also um 1435 ansetzt. Konrad Witz
ist also einige Jahre junger als Roger van der Weyden und Jaques Daret
gewesen, aber schon fruh, bald nach Jan van Eyck gestorben.
Diese Entdeckung, die schon seit einigen Jahren in Fachkreisen be-
kannt war, hat im Verein mit der Publikation des Moserschen Al tares
in Tiefenbronn, dem Bekanntwerden der Gemalde von Hans Multscher
in Sterzing und namentlich denen von 1437, jetzt im Berliner Museum,
die bisherigen Anschauungen iiber die Entwicklung der schwabischen
Malerei im 15. Jahrhundert vollstandig umgestoflen.
Bisher nahm man an, dafi erst in den sechziger Jahren sich in
Oberdeutschland ein der niederlandischen Kunst verwandter Naturalis-
mus ausgebreitet habe und zwar vielfach unter direktem Einflufi des
Roger van der Weyden. Nun zeigen aber die Werke des" Witz schon
ganz unverkennbar die neue Richtung, man hatte sie unbedenklich etwa
um zwei Jahrzehnte spater angesetzt. Wir erfahren zu gleicher Zeit, dafi
sie in Basel entstanden sind und von einem oberdeutschen Meister
stammen, und es ist nicht zu verkennen, dafi nicht erst Roger, sondern
schon Jan van Eyck und die frtihen Werke des Meisters von Flemalle
auf die oberdeutsche Kunst gewirkt haben.
Aufierdem hat, wie Burckhardt glaubhaft macht, Konrad Witz in
Basel gar nicht allein gestanden. Im Museum der Stadt befinden sich
zwei Tafeln, die aus einer abgebrochenen Kirche von Sierenz, einem Dorfe
an der Bahnlinie Basel — Miilhausen stammen: Martin, den Mantel mit
dem Bettler teilend, und Georg, den Drachen tbtend. Burckhardt sucht
hier dieselbe Hand wie in dem Gemalde von Donaueschingen mit den
beiden hi. Einsiedlern Antonius und Paulus. Dieses Bild ist 1445 datiert.
die Jahrzahl wurde friiher trotz ihres echten Aussehens* angezweifelt,
Heute hat das Datum nichts befremdliches mehr und es dient im Gegen-
teil zur genaueren Einordnung jener beiden Basler Bilder. Das Kolorit
des Donaueschinger Bildes steht mir zwar etvvas heller in Erinnerung
als das der Gemalde aus Sierenz, trotzdcm scheint mir Burckhardt recht
zu haben. Zu den ganz auffallenden Analogien im Stil, die schon die
Abbi ldung zeigt, kommt noch der Umstand, dafi auf dem Donaueschinger
Bilde im Hintergrunde das Spalentor in Basel in seinem damaligen Zu-
stande abgebildet ist. Diese Kombination oflnet nun aber wicder eine vveitere
Perspektive. Burckhardt weist auf die ganz frappante Ubereinstimmung
der Landschaft in einem Stiche des Meisters E. S. von 1467, Johannes auf
Patmos, mit den Landschaften dieses Basler Meisters von 1445 hin.
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7 o LiteTaturbericht.
Mil ailed cm gewinnt nun auch der Umstand, dafi Stephan Lochner
aus Meersburg bei Konstanz stammt, dafi ein Hance de Constance in
den Diensten Philipps des Guten erwahnt wird, eine neue Bedeutung fiir
die Geschichte der schwabischen Malerei.
Nicht beistimmen konnen wir dagegen den Ansichten des Verfassers
iiber die Entwicklung des Konrad Witz und namentlich nicht mit der An-
sicht, dafi die Beriihrung des Meisters mit der flandrischen Kunst nur
eine oberflachliche gewesen sei. Dafi das Bild in Strafiburg und das in
Basel mit Joachim und Anna beide zu den reiferen und spateren ge-
horen und mit den Genfer Tafeln eine Gruppe bilden, ist nicht zu be-
streiten. Auch das hat Burckhardt richtig eingesehn, dafi Jan van Eyck
und der Meister von Flemalle auf Witz gewirkt haben. Der Verfasser
sieht aber blofi vorubergehende Anlehnungen in einzelnen Werken in dem
Neapeler Bilde an Jan van Eyck und in dem Strafiburger an den Fld-
raailer und findet in den iilteren Basler Bildern noch lediglich eine Kunst
»aus Eigenem«, eine Richtung der schwabischen Malerei, die den Stam-
mescharakter noch unberiihrt bewahrt hat und nur dem allgemeinen
Streben nach starkerer Naturwahrheit gefolgt ist. Unseres Erachtens ver-
rat nun Konrad Witz wohl eine sehr individuelle Auffassung in Aus
druck, Gebarde und Gestalt und seine rauhe Grofie ist oberdeutsche Eigen-
art. Aber die Darstellung von Raum und Form, die Art der plasti-
schen Modellierung ist diejenige, die die Bruder van Eyck in die Malerei
eingefiihrt haben.
Mir scheint es nicht glaubhaft, dafi diese neue Art der Darstellung
ein drittes oder viertes Mai in der Weltgeschichte erfunden worden ist;
die Leistung scheint mir zu grofi; die Natur ist sparsam im Hervorbringen
von Genies, die so viel leisten konnen. Ich wiirde mich nicht wundern,
wenn eines Tages bekannt werden sollte, dafi auch Masaccio von der
epochemachenden Arbeit der Niederlande gelernt habe. Anderseits bedingt
aber auch die Heriibernahme einer solchen neuen Darstellungsart weit
mehr als das Erlernen eines Kunstgriffes. Sie erfolgt nicht ohne tief-
greifende Umwandlungen — auch im Denken und Fiihlen. Doch wird
man solchen Erwagungen keinerlei Bedeutung beimessen. Uberzeugender
diirfte der Hinweis darauf sein, dafi sich uberall, auch in den alteren
Basler Bildern des Konrad Witz, die deutlichen Spuren eines direkten
Einflusses von Seiten des Flemaller Meisters finden: in der Wahl der
Farbenakkorde, im Wurf der Falten, in der Art, wie diese mit geraden, im
spitzen Winkel sich treffenden Linien gezeichnet sind, in der Freude am
Spiel der Schlagschatten und selbst in der Art des Sitzens. Das Bild
in Neapel, in dem Burckhardt den Einflufi des Jan van Eyck zugibt.
diirfte iibrigens aufierdem das friihste unter den erhaltenen sein.
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Literaturbericht. y I
Konrad Witz verliert dadurch fur uns nicht an Interesse. Das
friihe Erfassen des Neuen und die ungeschwachte Kraft und Selbstandig-
keit innerhalb der neuen Richtung geben ihn als einen der grbflten
deutschen Maler des Jahrhunderts, ebenbiirtig einem Moser und einem
Pacher, zu erkennen. Der Kunstler ist eher hbher einzuschatzen als Dan.
Burckhardt glaubt. Auch Pacher und Diirer wufiten zuerst unter ihren
Landsleuten und am selbstandigsten die Fortschritte einer fremden Kunst,
wenn auch einer anderen, zu verwerten.
Der letzte Abschnitt der Festschrift »Bau kunst, Bildhauerei^
von Karl Stehlin halt, wie die Darstellung der Malerei, nicht genau,
was der Titel verspricht. Eine Anzahl von den wichtigsten Schopfungen
des ausgehenden Mittelalters haben schon frtiher eingehende Wiirdigungen
erfahren, die Bauten des 15. Jahrhunderts am Minister vom Verfasser
selbst, das Rathaus in einer Monographic von Alb. Burckhardt und Rud.
Wackernagel. Allein es fehlte auch so nicht an hervorragenden Leistungen,
die einer Beschreibung lohnten, sodafi die erste Halfte der letzten Ab-
handlung der Festschrift ein wertvolles Bild spatmittelalterlicher Bau-
tatigkeit bieten konnte. Es ist hochstens das zu bedauern, dafi der
verfugbare Raum zur Kiirze nbtigte.
Fast alle Aufgaben der Baukunst, welche in einer mittelalterlichen
Stadt iiberhaupt vorkommen, sind, wie der Verfasser hervorhebt, wenigstens
durch ein gutes Spezimen vertreten. Stehlin beginnt mit einem Wohnhaus,
dem »Bischofshof«, der Residenz der Bischbfe, einem Bau, der unter den
mittelalterlichen Schopfungen dieser Art am besten erhalten und aufler-
dem, auch nach dem Umbau im 15. Jahrhundert, als das erste Wohnhaus
der Stadt gait, da hier die durchreisenden Konige und Kaiser einquartiert
wurden.
Es folgen der Fischmarktbrunnen, ein Meisterwerk spatgotischer
Zierarchitektur. Das bekannte Spalentor, die Kapelle auf der alten
Brlicke, das Karthauserkloster und die Leonhardskirche. Der Verfasser
gibt aufier der Beschreibung der alten Teile und einem kurzen Abrifi
dessen, was tiber das Leben der ausftihrenden Meister bekannt geworden
ist, auch eine fachkundige knappe Wiirdigung des kunstlerischen Problems
und der kunstlerischen Lbsung, wobei er stets ein besonderes Interesse
den Proportionen zuwendet. Wegen der vorziiglichen Dispositionen
und Verhaltnisse widmet er auch der alten Fassade des Rathauses noch
einen kurzen Abschnitt. Die Erbrterungen sind begleitet von mehreren
Textillustrationen und 16 Vollbildern, einer Photogravure nach zwci
photographischen Aufnahmen des Fischmarktbrunnens und 15 Photolitho-
graphien nach Zeichnungen, von denen die meisten Originalaufnahmen
des Architekten R. Visscher van Gaasbeek sind.
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7 2 Literaturbericht.
Der Abschnitt uber die Plastik ist besonders der vorziiglichen Ab-
bildungen wegen wertvoll. Das meiste, was aus dem 15. Jahrhundert
iiberhaupt noch erhalten ist, wurde abgebildet, aber es ist nicht viel, im
Bildersturm ist fast alles zugrunde gegangen. Von Werken der Holz-
plastik scheinen in Basel vorher auch solche von grofiem Werte vor-
handen gewesen zu sein. Stehlin verzeichnet einige urkundliche Notizen,
aus denen wenigstens das hervorgeht, dafl erstaunliche Summen ftir
Schnitzaltare bezahlt wurden; allein von Holzskulpturen mit figurlichen
Darstellungen sind heute nur einige Chorstiihle und einige Medaillons
an holzernen Decken nachweisbar und plastische Werke in Stein sind
auch sehr selten.
Immerhin konnte auf zehn Tafeln eine interessante Auswahl geboten
werden. Von 1428 bis 15 12 ist fast jedes Jahrzehnt vertreten. Ein
kurzer Text begleitet die Tafeln, dessen Inhalt, wie ausdrticklich hervor-
gehoben wird, auf Dan. Burckhardt zuriickgeht.
Man erhalt angesichts der abgebildeten Denkmaler den Eindruck,
der auch durch die sonst noch erhaltenen nicht modifiziert wird, dafi
in Basel keine selbstandige Bildhauerschule bestanden hat, dafi vielmehr
oberdeutsche Meister verschiedener Richtungen in der Stadt tatig gewesen
sind. Auch stammt nichts von dern, was erhalten ist, von einem Kiinstler,
der ahnlich wie Konrad Witz seiner Zeit vorausgeeilt war. Das Hervor-
ragendste sind ohne Zweifel die beiden Schopfungen aus der ersten
Halfte des Jahrhunderts, die Chorstiihle der Karthause und die des
Miinsters. Unter den Werken, die am Schlufi des 15. Jahrhunderts und
am Beginn des 16. entstanden sind, flndet sich nichts, was dem Besten
in Niirnberg, Augsburg oder Ulm gleichgestellt werden konnte, und doch
ist einiges unter dem Erhaltenen, wie das Grabmal des Wolfgang von
Uttenheim (von 1501) und die Medaillons eines Zimmers in der Karthause,
offenbar den hervorragendsten Kraften anvertraut worden, die gerade zu
haben waren.
Der Stil, der in Deutschland ftir den Schlufi des 15. Jahrhunderts
charakteristisch ist, der mit den eckigen Linien und scharfen Briichen im
Faltenwurf, macht sich erst in den siebziger Jahren zugleich mit dem
Einflufl des Meisters E. S. geltend, wahrend er in der Malerei schon mit
Witz auftritt. Die reizenden Steinreliefs am Fischmarktbrunnen von 1468
waren in Augsburg und Niirnberg, geschweige denn bei den Niederlandern
schon zwanzig bis dreifiig Jahre friiher moglich. Die Hauptfiguren des
Brunnens, die noch weit alterttimlicher sind, werden allerdings von den
Verfassern wohl mit Recht als die tlberreste eines alteren an derselben
Stelle einst vorhandenen Werkes bezeichnet.
Eine xeitlichc Bestimmung der Schopfungen, die nicht durch ein
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Literaturbericbt. 7 3
Datum oder eine urkundliche Notiz festgelegt sind, ist natiirlich hier,
wo so wenig erhalten ist, sehr schwierig; gegen die Datierungen der Ver-
fasser diirfte deshalb hochstens das vielleicht gesagt werden, dafi die Chor-
stiihle des Miinsters wohl zu spat angesetzt wurden; sie sind wohl nicht
in der Mitte des Jahrhunderts, sondern schon vor 1430 entstanden. Die
scharfe individuelle Durchbildung der Kopfe, die mit Recht hervorgehoben
wird, habe ich doch schon um 1400 audi in Oberdeutschland nament-
lich an hervorragenden Grabsteinen vielfach gefunden. Bei dem Chor-
gestiihl des Miinsters ist aber der Gesamtcharakter der grofieren Gestalten,
die Haltung der Figuren wie der Lauf der Falten, noch der fur das
14. Jahrhundert charakteristische. Dies legt die Vermutung doch sehr nahe,
dafi die Arbeiten nicht etwa wie die Bilder des Witz unter den an-
regenden Einfliissen entstanden sind, welche die fremden Kiinstler wahrend
des Konzils brachten, dafi die Chorsttihle vielmehr fur die kommende
Kirchenversammlung bestellt worden sind.
Am Schlusse der Abhandlung widmet Stehlin noch einige wenige
Worte den Hauptzweigen des Kunsthandwerkes, der Goldschmiedekunst,
Kunstschlosserei und der Glasmalerei, und jede Gattung wird durch je
eine Tafel illustriert. Hier ist indessen der Wunsch berechtigt, denselben
Gegenstand in viel weiterem Umfange, wenngleich in ahnlich knapper
Form und sachkundiger Art behandelt zu sehen. Das vorhandene
Material hatte es gestattet, diesen Gebieten einen eigenen Abschnitt von
ahnlichem Umfang wie der liber die Malerei oder der iiber die Bau-
kunst zu widmen.
Heinr. Alfr. SchmiiL
Architektur.
Gustave Clausse. Les San Gallo Architectes, Peintres, Sculpteurs,
M^dailleurs, XVe et XVIe siecles. Tome premier: Giuliano et
Antonio l'Ancien. Paris, Ernest Leroux 1900. LV und 404 S. in
gr. 8° mit 45 Illustrationen in Holzschnitt, Lichtdruck und Photogravure.
In dem vorverzeichneten Buche liegt der crste Band einer Publika-
tion vor uns, die samtliche Mitglieder der Sangallodynastie in drei Banclen
behandeln soil. Ehe der Verfasser an sein eigentliches Thema herantritt,
hat er es fur notig erachtet, uns in einem auf 55 Seiten ausgesponnenen,
mit der dorischen Wanderung (!) beginnenden Allgemeinen Uberblick<;
iiber den Ursprung der Renaissance zu unterrichtcn. Seine Ausfiihrungcn
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74
Literaturbericht.
gipfeln in der These, sie sei — sowohl zur Zeit des Augustus als im
1 6. Jahrhundert — nichts anderes gewesen >als das Wiederauftauchen, die
Erneuerung, die notwendige Nachahmung dessen, was das Zeitalter des
Perikles erfunden hatte, und habe alle kiinstlerischen, literarischen und philo-
sophischen Formeln reproduziert, deren Wiege die Antike gewesen war
(S. X und XLIII). Nachdem der Verfasser fur seine folgenden Ausfiihrun-
gen sich und uns auf dieses sichere Fundament gestellt hat (wobei wir
nebenher man dies bisher Unbekannte erfahren, z. B. dafi die Christen sich
ftir die Bedurfnisse ihres Kultus der romischen Basilika bemachtigt hatten
und wahrend vieler Jahrhunderte keine anderen Vorbilder fur ihre Kirchen
suchten (S. XLIV); dafi man bis auf die Zeit, die zwischen der Regierung
der Kaiser Otto I. und Friedrich II. liegt, herabsteigen miisse, um einige
wichtige Modifikationen in der Architektur zu konstatieren [ipsissima verba!
S. XLV]; dafi zur Zeit Niccolo Pisanos die deutschen Architekten in
Italien tiberwogen [S. LII] u. a. m., erachtet Clausse es des weiteren fur
notwendig, uns in mice (auf 39 Seiten) die Geschichte der Mediceer und
der romischen Papste von Nikolaus V. bis Klemens VII. vorzufuhren.
Welcher Genauigkeit er sich dabei befleifiigt, mag man daraus entnehmen,
dafi er z. B. die Errichtung der Sakristei von S. Lorenzo dem Cosimo Medici
zuschreibt (S. 8), ihm den Titel: pater patriae bei Lebzeiten zuerkennen
(S. 9) und seine Sonne Piero und Giovanni 1472 bezw. 1461 sterben lafit
(statt 1469 und 1463, S. 11), dafi er Giuliano da Sangallo zum Nach-
folger Giulianos da Majano in Neapel macht, Lorenzo de Medici das
Verdienst zuschreibt, dem 1468 verstorbenen Sigismondo Malesta nach
L. B. Albertis Tode (1472) zur Fortsetzung des Baues von S. Francesco
den Piero della Francesca empfohlen zu haben (S. 17), dafi er die kiinst-
lerische Erziehung Lorenzos (geb. 1449) dem Donatello und Brunelleschi
(gest. 1445) imputiert (S. 18), Cosimo I. mit Margaretha, der natiirlichen
Tochter Karls V. vermahlt sein lafit (S. 24), Innozenz VIII. die Errichtung
der Fontana Trevi zuschreibt (S. ^^) und ihn die Arbeiten am Chor von
S. Peter fortfUhren lafit (S. 34).
Indem der Verfasser endlich an seine eigentliche biographische Auf-
gabe herantritt, versichert er uns mit nicht geringem Selbstgefuhl : >en
recueillant a Florence et a Rome, dans les archives des paroisses (!) et
des particuliers \}.)f dans les bibliotheques et clans les riches collections,
des dessins tons les documents qu'il nous a etc permis de decouvrir,
l'erreur nest plus possible, et nous pouvons donner notre travail
comme exact (S. 45). Welche Bewandtnis es mit diesen Behauptungen
habe, moge der Leser aus den folgenden Daten entnehmen:
Den von Milanesi in seinem Stammbaum des Geschlechtes der
Sangallo als lavoratore di terra (Jandlicher Arbeiter. Ackerbauer) qualifi-
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Literaturbericht.
75
zierten Ahnen Stefano macht Clausse zum Topfer ^S. 52)! S. 54 und 57
bedauert er, »apres des recherches actives et infructueuses« nicht in der
Lage zu sein, iiber die ktinstlerische Tatigkeit von Giulianos Vater
Francesco da Sangallo irgend eine Auskunft geben zu konnen, da >aucun
document ne vient donner dedications precises a ce sujet •. Wir ver-
sichera den Verfasser vom Gegenteil und konnen als Ergebnis unserer
Forschungen anfuhren, dafi Francesco in den Jahren 1447 und 1454 bei
Arbeiten im Anitslokale der Notare und in S. Maria de' Servi nachweisbar ist;
an beiden Orten hat er sich als »legnaiuolo« (Tischler und Intarsiator)
betatigt1) Dies diene vorlaufig zum Ersatz fur die melodrama tische
Szene zwischen ihm und Cosimo Medici, womit unser Verfasser seine
Ausfiihrungen S. 54 ausschmuckt, sich auf eine vage Bcmerkung Vasaris
(IV, 267) sttitzend.
Viel macht unserm Verfasser der Tod Giul. da Majanos zu schaffen.
S. 55 lafit er ihn 1450 — S. 217 im Jahre 1470 sterben — und doch
hatte er das richtige Jahr (1490) schon Milanesis Vasariausgabe (IX, 256) ent-
nehmen konnen, die er ja sehr wohl kennt. Ist doch sein ganzes Opus
nichts sonst, als eine — allerdings ofter (lurch Mifiverstandnisse und
Fluchtigkeiten entstelite — Paraphrase derselben ! S. 58 erfahren wir —
leider ohne Angabe der Quelle fur diese vollig neue Nachricht — , dafi
die Bruder Sangallo mit den fast gleichalterigen Sohnen Pieros de' Medici
erzogen worden seien ! S. 60 wird — trotz aller Forschungsresultate
E. Miintzs, dessen Bande doch Clausse haufig citiert — Giul. da Majano
als Erbauer des Pal. di Venezia angegeben; S. 62 der Anteil Sangallos
an der Benedictionsloggia vollstandig ignoriert,2) und seine Rtickkehr nach
Florenz ftir Ende 147 1 angesetzt »pour assister aux derniers moments de son
protecteur Pierre de Medicis > (der 1469 gestorben war!). Auf der gleichen
Seite wird ihm die Beteiligung an der Verteidigung von Castellina falsch-
lich zugeschrieben, dagegen die durch ihn vorgenommene Befestigung von
Colle di Valdesa ignoriert. Das 1480 von Giuliano gelieferte Modell
') 1447, die 30 martii. Spesc fatte pro reactamento et ornamento audientie:
Francisco Bartoli legnaiuolo pro banco seu scanno audientie libr. 18 sol. 17 (Atti
del Proconsolo, Stanziamenti a. a.)
1454 adj XII settembre. L'opera di convento: Lire due pagamo a Francesco
di Bartolo lengnaiuolo posto de dare al libro nero segn° p, c. 231, porto giuliano suo
ligliuolo, sono per parte di magior somnia d'avere per piu opere di maestro a messo
nellavorij di lengname di casa a libro detto . . . L. ij — . (Ssa Annunciata, Libro d'En-
trata e Uscita, N° nuovo 6S9 a c. 222).
*) Ftir die Begriindung der im folgenden gegebenen Berichtigungen der Angaben
von Clausse verweisen wir auf unseren »('hronologischen Prospekt des Lebens und der
Wcrke Giulianos da Sangallo* im Beiheft zum Jahrbuch der k. |)reufi. Kunstsamm-
lungen, 1902.
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7 6 Literaturbericht.
von S. Maria de' Servi wircl (S. 64) als ein Entwurf zum Airsbau der
Kirche gedeutet, wahrend diese ja dazumal langst vollendet war. Wenn
(S. 66) fiir den Chor nach Albertis Tode Bettino als Architekt namhaft
gemacht, und das Chorgesttihl dem Francione zugeschrieben wird, so
handelt es sich hiebei um eine Verwechslung mit dem hinter der Kapelle
der Ss. Annunziata liegenden kleinen Oratorium. Das aufs Jahr genau
fixierte Datum fiir die Sassettigraber in der Trinita, das Clausse S. 70
mit 1482 angibt, wird wohl schwerlich durch ein urkundliches Zeugnis
zu stiitzen sein. Gegeniiber den Ausfuhrungen, womit er S. 75 und
79 ff. die Autorschaft Giulianos an der Citadelle von Ostia gegen die
inschriftlich beglaubigte Baccio Pontellis verficht, ist einfach darauf zu
verweisen, dafi ftir die Jahre 1483 — 86, in denen der Bau in Ostia ent-
stand, die Anwesenheit Giulianos in Florenz feststeht; Clausse freilich
lafit (S. 81) ihn erst 1485 dahin zuruckkehren und behauptet Pontelli,
den er noch immer als >constructeur et restaurateur de toutes les e'glises
de Rome« qualifiziert, sei erst seit 1487 in papstlichen Diensten, obwohl
er eine Seite vorher ein Breve von 1483 angefuhrt hatte (nach Miintz^,
das ihm die Aufsicht der Arbeiten am Hafen und der Hafenfeste von
Civitavecchia tibertragt. S. 107 ist als Jahr der Verehelichung Sangallos
statt 1480 falschlich i486 angegeben, S. 108 gleichfalls unrichtig seine
Beteiligung an der Befestigung von Sarzana behauptet, S. 113 statt 1492
falschlich 1487 — 88 als Zeitpunkt des Baues von S. Maria Maddalena
de' Pazzi (Klosterhof), S. 125 das Jahr 1453 als Beginn des Baues von Pal.
Pitti durch Brunelleschi (gest. 1446!), S. 127 der 16. April 1444 als dessen
Todesdatum, S. 142 das Jahr 1520 ftir die Ausftihrung des grofien Kloster-
hofes an S. Spirito durch Alfonso Parigi (geboren um 1600), ebendort
1489 statt 1485 als Baubeginn fiir Poggio a Cajano, S. 149 Baccio Pontelli
als Architekt des Porticus von S. Pietro in vincoli, ebendort 1490 als
Baubeginn fiir den Klosterhof durch Sangallo angefuhrt, obwohl dessen
Anwesenheit in Florenz gerade fiir dieses Jahr urkundlich feststeht (woher
iibrigens die so bestimmte Fixierung des Jahres?); S. 174 endlich wird
fiir die Autorschaft Giulianos an der Capp. Gondi in S. Maria Novella
das alte Sepultuario von 1617 angezogen, wahrend diese Angabe zuerst
bei Finelli (1790) sich findet.
Nicht fiir Lorenzo de' Medici (wie S. 184 behauptet wird) sondern
fiir Lodovico il Moro war das Modell des Palastes bestimmt, das Sangallo
nicht 1490, sondern 1492 nach Mailand brachte. Von der Schenkung
eines Palastes an Portinari durch Fr. Sforza ist nichts bekannt; das Haus
in Via Bossi, das Portinari als Agent Cosimos de' Medici bewohnte, war das
diesem durch den Herzog verehrte und von Michelozzo ausgebaute.
S. 1 c>3 rT. wird mit grofier Hartnackigkeit die Fabcl Vasaris betrefYs der
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T.iteraturhericht. 7 y
Dccke von S. Maria Maggiore verteidigt, wobei unscrm gelehrten Autor
das Mifigeschick passiert, fur die beiden Besuche, die Alexander VI. der
Kirche 1493 und 1498 macht, Burckhardts Cicerone« statt seines
quattrocentistischen Namenvetters Burchard Diarium als Quelle zu
zitieren! De Angelis dient ihm als Quelle, urn Sangallo den Altartaber-
nakel von S. Maria Maggiore zuzuteilen, wo doch Gnoli dessen Ent-
stehung im Jahre 1463 — 64, also zu einer Zeit nachgewiesen hat, die
vor den erst 1465 begonnen fruhsten Aufenthalt Sangallos fill It, und Mino
da Fiesole als dessen Meister heute von niemandem angezweifelt wird.
S. 202 spricht Clausse von quelques restes d'une facade posterieure «
die von dem fiir Julius II. in Savona erbauten Palaste noch einzig ubrig
sein sollen. Dem entgegen rnussen wir fesstellen, dafi die ganze riick-
wartige Fassade in ihrem ursprunglichen Zustande unversehrt dasteht.
Woher S. 210 das Datum des 8. Mai 1497 fiir die Riickkehr Sangallos
aus der Gefangenschaft zu Pisa geschopft ist, bleibt uns ein Ratsel, —
es ist dasjenige der Wiederwahl seines Bruders Antonio zum Capomaestro
fiir den neuen Saal des Palazzo vecchio; er und nicht Giuliano — wie
Clausse behauptet — entwirft die Deckenkonstruktion fiir denselben.
S. 215 fiihrt der Verfasser, sich auf die Portata der Brucler von 1498
berufend, audi das Landgut in Empoli und das Haus in Via San Gallo
als ihr Eigentum an, obwohl beide — gerade laut der Angabe in ge-
nannter Portata — seit 1491 schon verkauft sind. Als Beginn der
Kuppeleinwolbung in Loreto gibt Clausse (S. 218) >le courant de l'annee
1498^ an, — wir besitzen dafiir das genaue Datum des 19. September
1499; S. 220 lafit er Sangallo an einem Wettbewerb fiir S. Francesco al
Monte teilnehmen (in Wahrheit handelt es sich urn ein Gutachten, wie
dem drohenden Einsturz der Kirche vorzubeugen sei), betraut ihn mit einer
Sendung nach Empoli pour diriger l'artillerie de l'armee frangaise<
(einige Kanonen, die Karl VIII. dort liegen gelassen hatte, sollten ins
Mugello geschaft werden!), zitiert S. 222 zur Erhartung eines Datums die
Zeitschrift II Buonarroti, statt Milanesis Lettere di Michelangelo Buonarroti,
lafit Sangallo 1504 Arbeiten an der Engelsburg ausfiihren (S. 223, wovon
bisher nichts bekannt war) und ihn kurz darauf, also zehn Jahre, bevor
diese Tatsache eintrat, zum Chefarchitekten von S. Peter emennen.
Die von Clausse an den Beginn von 1506 oder ans Ende von 1505
gesetzte Abreise Sangallos von Rom (S. 225) fand tatsachlich zwischen
dem 6. Juli und 8. Novenmber 1507 statt; fiir seine S. 230 behauptete
Autorschaft an S. Maria dell' Anima lafit sich nur Letarouilly als Quelle
anfiihren; dafi die Zeichnung der Nische fiir den Laokoon in der Albertina
nicht von Giuliano (wie S. 238 zu lesen ist), sondern von Antonio her-
riihrt, glauben wir erwiesen zu haben (s. unsere »Handzeichnungen Giu-
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7 8 Literaturbericht.
lianos da Sangallo, Stuttgart 1902 S. 88 Anm. 2); dafl er Julius II. nicht
zur Belagerung von Mirandola begleitet habe (S. 250), wird durch seinen
Aufenthalt Ende 15 10 in Florenz und Anfang 1511 in Pisa aufier Frage
gestellt, ebenso der ihm 151 1 imputierte Aufenthalt in Rom durch
den Nachweis, dafi er 1 5 1 1 und 1 5 1 2 in Pisa und Florenz verweilte.
Nicht am 1. August 15 15 ixS. 256s), sondern schon ein Jahr vorher
wurde Raffael zum Baulciter von S. Peter ernannt, nicht 1444
(S. 259), sondern 1446 starb Brunelleschi; nicht »peu de temps apres ,
sondern zwanzig Jahre darauf folgte ihm Cosimo de' Medici ins Grab,
und nicht Michelozzo (sondern Ant. Manetti) vollendete den Bau von
S. Lorenzo; Giovanni, Cosimos jiingerer Sohn, starb nicht en bas age
sondern immerhin schon 40 Jahre alt im Jahre 1461.
Antonio da Sangallo hat ebensowenig wie Giuliano etwas mit dem
Wiederaufbau der Festungswerke von Sarzana zu tun (S. 291); dafiir,
dafi er fiir seinen Bruder die Arbeiten am Kloster von S. Pietro in vincoli
und an der Decke von S. Maria Maggiore (!) uberwacht hatte (S. 292
und 308), war bisher keine Quelle bekannt (freilich gibt auch der Ver-
fasser keine an!), und ob sich die Zahlungsvermerkc vom Jahre 1519 fiir
die 15 16 begonnenen Arbeiten an der Rocca von Montefiascone (S. 308)
nicht vielmehr auf Antonio da Sangallo il giovane beziehen, der vielfach
in jener Gegend mit Kirchenbauten beschaftigt war, ware erst durch
nahere Prtifung der Urkunden zu entscheiden. Dafi endlich der Pal.
Avignonesi (Lucilla) in Montepulciano mit grofierem Rechte dem Vignola
als Antonio da Sangallo (S. 265) zugeschrieben werden darf, wird eine
aufmerksame Betrachtung seiner Details (Konsolen unter den Fenstern des
Obergeschosses) aufier Zweifel stellen. —
Wir aber stellen uns nach alledem, was vorstehend ausgefiihrt ist,
verwundert die Frage: zu welchem Zwecke werden Bticher, wie das vor-
liegende, geschrieben?
C. v. Fabriezx.
Malerei.
Carl Aldenhoven. Geschichte der Kolner Malerschule. Liibeck.
Verlag von Joh. Nbhring 1902, 452 S.
Der Gesellschaft fur rheinische Geschichtskunde verdanken wir eine
Publikation, die in 130, von Joh. Nohring hergestellten, Lichtdrucken
das Material zum Studium der altkolnischen Malerei in der glucklichsten
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Literaturbericht.
79
Art darbietet. Der Textband zu dieseui Mappenwerk, als dessen Verfasser
Carl Aldenhoven allein genannt wird, wahrend er in Gemeinschaft mit
Ludwig Scheibler fllr die Auswahl der Tafeln verantwortlich ist, enthalt
weit mehr als erlauternde Bemerkungen und fiihrt nicht rnit Unrecht
den stolzen Titel „Geschichteu. Die erfolgreiche Bemiihung des Ver-
fassers, seine Arbeit nach Inhnlt und Form zu einem runden, liickenlosen
Ganzen zu gestalten, hebt das Werk statdich heraus aus der kunstwissen-
schaftlichen Literatur, die in der Hauptsache aus Vorschlagen, Versuchen,
Anmerkungen und Beitragen besteht. Allerdings fiihrt der Wunsch, den
Zusammenhang iiberall herzustellen, zuweilen zu Konstruktionen, zur Her-
stellung von Briicken, die dem Gedanken, aber nicht der Anschauung
gangbar sind. Die Liickenhaftigkeit der Yorstellungen, soweit sie der
Liickenhaftigkeit des Materials entspricht, sollte ruhig eingestanden
werden. Der Verfasser freute sich seines Themas, der tausendjahrigen
Geschichte der kolnischen Malerei und gab in geschickter Vor-
tragsart den leeren Zeiten ein Scheinleben — leeren Zeiten in dem
Sinne, dafi eine Anschauung von der spezifischen kolnischen Gestaltung
durchaus nicht zu erlangen ist. Vergleichsweise reich an Form und
Farbe sind nur zwei Jahrhunderte, die Zeit von 1370 bis 1570.
Das von Ludwig Scheibler geordnete Material beherrscht der Verfasser
vollkommen und beriicksichtigt dariiber hinaus mit grofler Sorgfalt und
Genauigkeit alle Angaben, Bestimmungen, Hypothesen und Hinweise,
mit denen Firmenich-Richartz und andere die Kenntnis zu fordern sich
bemiiht haben. Er hat fast jedes Monument, auf das in der Literatur
irgendwie aufmerksam gemacht worden war, mit eigenen Augen gepriift —
nicht nur die Tafelbilder, sondern audi Wandmalereien, Miniaturen,
Kupferstiche, Holzschnitte, Glasmalereien und selbst Werke der Nadel-
kunst. Nur Zeichnungen hat er nicht in Betracht gezogen.
Die Vorarbeit Scheiblers bildet liberal 1 das gesunde Fundament,
auf dem der emporstrebende Bau dieser ,,Geschichteu steht. Am wenigsten
bot sie zu den ersten Kapiteln. Mit den Streitfragen, die sich an den
Namen des Meisters Wilhelm hangen, hat Aldenhoven sich besonders
harte Arbeit gemacht. Das Ergebnis seiner Bemiihung ist hochst nutzlich,
selbst fur den Fall, dafi er in diesen Kontroversen auf der falschen
Seite stehen sollte. Fur die klare Darlegung des Prozesses sind wir sehr
dankbar. Der Standpunkt des Verfassers war nicht unbekannt.
Im Klaren-Altar wird beobachtet, wie zu dem Meister, der im her-
gebrachten Stile des 14. Jahrhunderts arbeitet, ein Meister tritt, der Neues
bietet, ein Maler von aufierordentlicher ScharTenskraft. In der Art des
jiingeren Meisters, von ihm, aus seiner Werkstatt, von seinen Schtilern
und Nachfolgern sind all' die Bilder geschaffen, die man unter dem Namen
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So Literaturbericht.
des Meisters Wilhelm zusammengestellt hat, wie die Madonna mit der
Wickenbliite (iiber die sich Aldenhoven merkwtirdig verschamt aufiert)
und andere Schopfungen, die als erste Bliite den Freund der kolnischen
Malerei erfreuen. Das Datum des Klaren-Altares ist nicht bekannt.
Zum Jahre 1470 riihmt der Limburger Chronist einen kolnischen Maler
Wilhelm mit auffalligem Lobe. Aldenhoven mochte nun an der Hypothese
festhalten, die in dem jungeren Meister des Klaren-Altares eben diesen
Wilhelm der Chronik sah. Wenn dagegen geltend gemacht worden ist,
der Wilhelm der Chronik kbnne niemand anders sein als ein in den Ur-
kunden nachweisbarer Wilhelm von Herle, der schon 1378 gestorben sei,
mit diesem friihen Todesdatum aber vertriige sirh nicht, was wir von
dem grofien Erneuerer der kolnischen Malerei sahen, so antwortet der
Verfasser, es sei nicht ausgemacht, dafi der bertihmte Wilhelm mit dem
frtih verstorbenen Wilhelm von Herle identisch sei, und, gesetzt dies ware
festgestellt, wiifiten wir iiber die Entstehungszeit der in Betracht kommenden
Monumente so wenig Sicheres, dafi wir uns auch auf die Umdatierung,
eine Revision unserer Zeitvorstellungen, einlassen konnten.
Wichtiger als dieser Streit um den Namen ist die Gruppierung des
Bildermaterials. Aldenhovens Versuche, ausschauend nach Osten und
nach Westen, nach Frankreich und nach Bohmen eine historische Er-
klarung des Neuen zu geben, das der sogenannte Meister Wilhelm in
Koln scharTt, sind sehr anerkennenswert, am Ende aber ergebnislos. In
dieser Periode der festen Typik, bei dem internationalen Charakter der
gotischen Formensprache ist es schon schwer, die verschiedenen land-
schaftlichen Ausdrucksweisen zu unterscheiden und bei dem Mangel an
gesicherten Daten noch schwerer, den Lauf der Anregungen zu erkennen.
Die Festigheit des Urteils wachst bei der Betrachtung der folgen-
den Generationen. Der Verfasser wagt sich an eine Chronologie der
Schopfungen, die uns von Stephan Lochner erhalten sind. Das j tings te
Gericht im Kolner Museum mit seiner vergleichsweise naturalistischen
Gestaltung im Sinne der vlamischen Meister betrachtet er als ein Jugendwerk
Stephans, indem er annimmt, dafi der Meister aus seiner oberrheinischen
Heimat die kecke Naturbeobachtung, die Neigung zur Plastik und Be-
obachtung des StofTlichen mitgebracht, in Koln dann in eine mehr
kolnische Weise gewandelt habe. Das beriihmte „Dombilda und die
Madonna im Rosenhag seien spatere Werke des Meisters.
Der „Meister der hi. Sippeu, dessen Verhaltnis zu den Nieder-
landern, im besonderen zu Hugo van der Goes scharfer bestimmt werden
kann, der „Meister des Marienlebens," der „Meister der Glorifikation
Maria" werden in der Hauptsache so beurteilt, wie Scheibler sie beurteilt
hat. Die klaren Linien, die Scheibler gezogen hat, werden mit lebhafter
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Literaturbericht. 8 1
Schilderung ausgefiillt. Der „Meister der hi. Bartholoniaus" wird seiner
Herkunft nach als Oberdeutscher aufgefafit
Bei der Besprechung des „Severinsmeisterstt verlafit Aldenhoven zu
seinem Schaden den Weg, den Scheibler gegangen ist, und schlagt das
Werk dieses Meisters in unglucklicher Art auseinander, anscheinend ohne
selbst an seiner neuen Gruppierung Befriedigung zu finden. Flir den be-
sonderen Meister, der die Folge der Ursula-Legende geschaffen haben
soil, wird vergeblich ein fester Platz neben dem Severinsmeister gesucht.
Aldenhoven hatte, wie es scheint, die Absicht, in ihm einen Schtiler und
Nachfolger des Severiners zu sehen, bis er zu der ErkennXnis kam, dafi
die Ursula-Legende altertiimlicher ware als die Werke, nach denen er
den Hauptmeister charakterisiert. Der Gang der Untersuchung bewegt
sich in falscher Richtung. Wer mit den altesten Werken beginnt, wird
notwendig durch das ganze fest zusammengeschlossene Werk, wie Scheibler
es aufgestellt hat, von Glied zu Glied gefuhrt werden, nur dafi das eine
oder andere Bild als Schulgut oder Arbeit eines Nachfolgers abgetrennt
werden kann.
Dafi die figurenreiche Kreuzigung im Kolner Museum (mit den
Wappen der Familien Quattermart und Zywelgin) noch immer als
hollandisch betrachtet wird, dafi daraus Schltisse auf die Herkunft des
Severiners gezogen werden, ist verwirrend. Die Tafel hat mit Geertgen
tot St. Jans nichts zu tun und ist ein schlecht erhaltenes Jugendwerk des
kolnischen Malers.
Bartel Bruyn und sein schwacher Sohn werden auf Grund der
sorgfaltigen Monographic, die wir Firmenich-Richartz verdanken, mit ge-
rechtem Urteil besprochen.
Mehr Bemerkungen gegen einzelne Behauptungen zu richten und Hin-
zufiigungen zu dem reichen Material zu machen zogere ich. Da der Verfasser
seine Aufgabe in grofiem Stil unternommen hat, mochte der Referent lieber
mit einem runden Kranz als mit einem stacheligen Straufi quittieren. Mehr in
der Welt der Gedanken als im Reich der Formen sich bewegend, mehr er-
zahlend als malend, argumentierend als demonstrierend hat der Verfasser die
Geschichte der kolnischen Malerei geschrieben — aber, wie auch immer,
er hat sie geschrieben. Da zu der Vollstandigkeit, die geriihmt wurde,
eine ubersichtliche Disposition, eine klare und anmutige Redeweise
kommt, die selbst liber die diirren Strecken der Beschreibungen sanft
hinwegftihrt, so ist mit diesem Bande ein Kompendium, ein Handbuch
gegeben, so ntitzlich und erfreulich wie kaum ein anderes Werk tiber
einen anderen kunstgeschichtlichen Abschnitt.
Fricdlander.
Repcrtorium fiir Kunstwissenschnft, XXVII. 6
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Mitteilungen tiber neue Forschungen.
Die Bliite der Stickerei und Teppichweberei in Mailand zur Zeit
der Renaissance wird durch eine grofie Anzahl urkundlicher Nachrichten
illustriert, die Fr. Malaguzzi Valeri aus den reichen Bestanden des Mai-
lander Staatsarchivs zusammengestellt hat (Ricamatori e Arazzieri a Milano
nel Quattrocento ini Archivio storico lombardo 1903 Heft 1). Die fruheste
betreflfende Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1456, doch mufi dazumal
die Stickindustrie in Mailand und in der Lombardei im Allgemeinen bei
dem hochentwickelten Kleiderluxus schon in Bliite gestanden haben.
1459 tritt uns in Pietro Mazolino ein Meister entgegen, der sich urn die
Einbiirgerung der Sammt- und Seidenweberei Verdienste erworben hatte,
1463 der Sticker Antonio da Rosate; unter den Glaubigern der Herzogin
Bianca Maria Sforza finden sich nach ihrem Tode (1469) sechs Sticker,
darunter Giov. Pietro da Gerenzano niit 2000 Dukaten aufgezahlt. Er
sowohl wie sein Sohn Niccold werden auch nach Neapel gesandt, um
ftir den dortigen Hof Arbeiten auszufuhren. Niccold erwirbt sich die
Zufriedenheit der Prinzessinnen in so hohem Mafie, dafl eine derselben
an den Herzog von Mailand brief lich sein Lob mit den Worten berichtet:
»che non solo a boccha ma col pensiero non haveresseno saputo ne
imaginare meglio« (dd. 18. Mai 1473). In den Jahren 147 1 — 77 finden
wir Bart, da Magnago und Giov. Donato Litta mit Herstellung von Pferde-
decken und Gewandern ftir Pagen der herzoglichen Hofhaltung beschaf-
tigt; ein Giac. Rocchi, recamatore milanese arbeitet ftir Giovanni Bentivo-
glio; Giovanni Crivelli (vielleicht der Vater des Goldschmiedes Giampiero?)
hat 1475 eine Forderung von 440 Lire an den Hof fur gelieferte Sticke-
reien, und Ende des Jahrhunderts erscheinen als Glaubiger des Erzbischofs
von Mailand ftir gleiche Arbeiten Giul. da Trocazano, Filippo ricamatore
u. a. m. Unter den auswartigen Meistern, die in Mailand beschaftigt sind,
findet sich 1454 ein Bonifazio di Leonardo aus Florenz und ein Giov.
Battista aus Viterbo. Der Ruf der Mailander Sticker ist weit tiber clie
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Mitteilungen liber neue Forschungen. 8?
Grenzen ihrer Heimat verbreitet. Brant6me in seinen Vies dcs Dames
Galantes singt ihnen hohes Lob und stellt sie iiber alle andcren Meister.
Wir finden sie denn auch in Ferrara, Rom, Mantua, Urbino wieder, hin-
gegen liefert die erstere Stadt zu Ende des 15. Jahrhunderts der Lombar-
dei einen bertihmten Sticker in der Person des Spaniers Surba oder Sorba ;
er arbeitet ftir Beatrice, die Gattin Lodovicos il Moro zu ihrer grofien
Zufriedenheit, und ihre Schwester, die Markgrafin Isabella von Mantua,
bietet ihm 200 Ducaten Jahresbesoldung, wenn er in ihre Dienste treten
wolle.
Die Teppichmanufaktur Mai lands erfreute sich keines geringeren
Rufes: Bettino da Trezzo (i486) und spater Lancino Curzio besingen sie
in italienischen und lateinischen Versen. Sie scheint durch Meister Johann
von Burgund 1450 in Mailand eingebiirgert worden zu sein. Bald findet
er Rivalen in dem Flamen Levin Hersella und den Pikarden Giovanni
di Felice, Pietro Alont, Guglielmo Barvere und Niccolo — wie aus einem
interessanten Schreiben der letzteren vom 17. Juni 1463 an die Herzogin
zu entnehmen ist In einem andern Briefe an den herzoglichen Geheim-
schreiber Cicco Simonetta vom 28. April 1468 geschieht eines deutschen
Meisters Luigi Erwahnung, der in Parma und Lodi gearbeitet hat. In
der Folge wuchs die Bedeutung der Teppichweberei mit der Vervoll-
kommnung des technischen Verfahrens und der Verfeinerung des Ge-
schmacks. Einfliisse des Orients, Frankreichs, Flanderns wirkten dabei
fordernd mit Kiinstler von Namen wie Ambrogio de Predis liehen ihre
Mitwirkung bei der Ausflihrung von Wandteppichen. Andererseits lernen
wir den Reichtum und die Mannigfaltigkeit der in Rede stehenden Er-
zeugnisse heute nur noch in ihren Reproduktionen durch den Pinsel der
Maler in ihren Gemalden kennen, da leider die Originate zumeist ver-
loren gegangen sind. —
So kam es, dafi nicht nur Mantua, Ferrara, Urbino, Rom, Neapel die
Kunst der Mailander Meister in Anspruch nahm, sondern dafi sie sogar
aus Frankreich Auftrage erhielten. Von einem solchen merkvvurdiger Art
berichtet ein Dokument v. J. 1472, das unser Verfasser publiziert. Es
sollte ftir die »gallerie du Roy« — wo, wird nicht gesagt — eine An-
zahl von Arazzi hergestellt werden mit Portratgruppen zu je vier, die in
folgenden Kategorien vereinigt werden: les grands, les glorieux, les
cornars (?), les importuns, les fins, les menteurs, les facheux, les foux, les
crieux, les ivrognes, les sots, les ladres, les coqs, les hipocrites, les rapor-
teurs, les laids, les amoureux, les anes, les blandimens, les eveques, les
prothonotaires usf. Fur jede Gruppe sind die Namen der Darzustellen-
den angegeben, so z. B. unter den Trinkern Monseigneur d'Orle'ans, unter
den Eigensinnigen der Konig und Monseigneur le Bastard, unter den
6*
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3 i Mitteilungcn liber neue Forschungen.
Dummkopfen Monseigneur de Nemours und de Chaumont. Leider hat
sich von der interessanten Suite nichts bis auf unsere Zeit erhalten.
a v. f.
Die Baugeschichte von S. Sebastiano in Mantua, worin dessert ge-
nialer Schopfer L. Batt. Alberti zuerst die Planform des griechischen
Kreuzes in die Architektur der Renaissance einfuhrte, wird durch einige
jiingst von Fr. Malaguzzi und St. Davari veroffentlichte urkundliche Nach-
richten aus den Mailander und Mantuaner Archiven wesentlich aufgehellt
(Rassegna d'Arte I, 13 und 93). Der Bau war 1460 unter Leitung Luca
Fancellis begonnen und in den nachsten Jahren eifrig gefordert worden.
Aus einem Briefe des Kardinals Francesco Gonzaga an seinen Vater, den
Marchese Lodovico, vom 16. Marz 1473 erhellt, dafi er dazunial noch nicht
geweiht (ne consecrato ne habituato al culto divino) war. Wenn es in
deinselben Briefe wTeiter heifit: »attento che per essere fatto quello edifizio
sul garbo antiquo non molto dissimile da quello viso fantastico de rnesser
Baptista di Alberti, io per ancho non intendeva se l'haveva a reussire
in chiesa o moschea o synagoga«, so gibt dies ein merkwlirdiges Zeugnis
daftir, wie die Neuerung Albertis selbst im Kreise der entschiedenen
Forderer der Renaissance mit Kopfschtitteln aufgenommen wurde. An-
fangs 1478 sollte an die Einwolbung des Hauptraumes mit Gips und
Cement (ceso e calcistrutto) gegangen werden, als der Marchese Federico,
der seinem am n. Juni 1478 verstorbenen Vater in der Regierung ge-
folgt war, den Bau einstellte. Indessen horen wir, dafi noch im folgen-
den Jahre die Gesimse der Vorhalle versetzt wurden. Nach neunjahriger
Pause wird am 22. September 1488 die Kirche, von der zu beftirchten
ist, dafi sie »ob eius imperfectionem in dies ruere et minari ruinam ac in
brevi ad nihil urn deventuram esse« vom Markgrafen Gianfrancesco den
Augustiner Chorherren iiberwiesen, damit sie dieselbe »perfecte repararent
et complerent«. Diese scheinen indessen vorerst an den Bau des Klosters,
das sie aufnehmen sollte, gegangen zu sein; denn erst vom 12. Juni 1499
datiert der Vertrag, den sie mit dem schon 1497 als in Mantua ansassig
und durch den Markgrafen mit Strafienanlagen betraut nachweisbaren
Architekten Pellegrino Ardizoni da Porto abschliefien »ad elevandos et
fabricandos muros Ecclesie Sancti Sebastiani et ad fabricandam dictam
croseram (crociera, QuerschirT, hier wohl fur »Vierung« gebraucht) que
debeat esse incrustata smaltata et stabilita omnibus eorum sumptibus et
laboribus«. Auf die hierauf vorgenommenen Arbeiten bezieht sich denn
auch ein leider nicht datiertes, aber dem vorstehenden nach von 1499
oder einem der folgenden Jahre herriihrendes Gesuch der Chorherren,
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Mitteilungcn tibcr neue Forschungen. 85
worin sie in Anbetracht dessen, dafi sie »gia piu di passati hanno inco-
menzato ad ornare el tempio de S. Sebastiano, videlice per smaltarlo et
salegarlo« (verputzen, verkleiden und pflastern), urn die RUckerstattung
von Bauniaterial bitten,' das der Markgraf fur seine eigenen Bauten von
ihnen entliehen hatte. — Welchen Umfang die durch Pellegrino ausge-
fiihrten Arbeiten gehabt haben, ist den betreffenden Urkunden nicht garrz
klar zu entnehmen; soviel aber scheint doch festzustehen, dafi an der
Plananlage Albertis dadurch nichts geandert wurde. C. v. F.
Die sog. Dalmatica Karls d. Gr. im Schatz von S. Peter macht
Arduino Colasanti, der junge italienische Kunstgelehrte, dessen Abhandlung
iiber das Tagebuch Pontormos wir jiingst im Repertoriuin (XXVI, 95)
besprachen, zum Gegenstande einer im Nuovo Bullettino di Archeologia
Cristiana (1902, VIII, 155 fT.) verbffentlichten Studie. Es handelt sich dabei
vorzugsweise um die Feststellung ihres Ursprungs, iiber den die Meinungen
bisher auseinandergehen. Dafi sie mit Karl d. Gr. nichts zu tun habe,
ergibt sich einmal aus ihrer von den Dalmatiken des 9. Jahrhunderts ab-
weichenden Form, dann aber auch daraus, weil sie in den Inventaren
des Kirchenschatzes von S. Peter erst seit 1489 vorkommt, wahrend das
sehr exakte Verzeichnis vom Jahre 136 1 noch eine andre Dalmatica auf-
fiihrt, die mit der in Rede stehenden nicht identifiziert werden kann.
Ob sie nun aber, wie Labarte will, der Wende des 1 o. zum 1 1 . Jahr-
hundert, oder nach Didrons Meinung dem Ende des 12. angehort, oder
ob sie gar, laut der Ansicht von Dobbert, Strzygowski und Braun, ins
15. zu setzen sei, ist die Frage, deren Entscheidung unser Verfasser an-
strebt. Selbstverstandlich mufi er dabei von der relativ vollstandigsten
uns vorliegenden Entwicklungsreihe der byzantinischen Kunst, den Mi-
niaturen, ausgehen. Die eingehende Pruning ihres Entwicklungsganges
nach ikonographischer und stilistischer Seite, die wir an dieser Stelle
wegen der Kompliziertheit der dabei in Betracht kommenden Faktoren
nicht resumieren konnen, fiihrt ihn zu dem Ergebnis, die Dalmatica von
S.Peter dem Ausgange des 11. oder Beginne des 12. Jahrhundert zuzu-
weisen, als der Epoche, in der die um die Mitte des 9. Jahrhunderts
unter der Dynastie der Mazedonier initiierte Renaissance der byzanti-
nischen Kunst ihren Hohepunkt .erreicht hatte, um alsbald die schiefe
Ebene zu betreten, auf der sie unaufhaltsam der Entartung in Manier
und ihrem volligen Untergang entgegeneilte. Dieses, auf dem Wege sti-
listischer Analyse erzielte Ergebnis wird andrerseits durch die Nachrichten
bestatigt, die uns iiber die Entwicklung der Webekunst bei den Byzan-
tinern uberliefert sind: aus den betreffenden, vom Verfasser mit Fleifi
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86 Mitteilungen tiber neue Forschungen.
zusammengetragenen Daten ergibt sich, dafi die Eroberung von Byzanz
im Jahre 1204 und die Begrundung des lateinischen Kaisertums daselbst
der dazumal zu hoher Vollendung gelangten Industrie ein plotzliches
Ende bereiteten, und es den nach Nicaea verdrangten Herrschern des
griechischen Kaisertums nicht gelang, sie dort wieder zu Bliite zu bringen.
Und wenn wir lesen, dafi Michael Palaeologos nach Wiedererobenmg von
Konstantinopel 1261 die Kirche der hi. Sophia mit kostbaren Teppichen
beschenkte und spater deni Papste Gregor X. goldgestickte Kirchenge-
wander mit figtirlichen Darstellungen verehrte, so mlissen wir annehmen,
es seien dies die letzten Uberreste solcher aus fruheren Zeiten gewesen.
Denn ein Inventar vom Ende des 14. Jahrhunderts, das den Kirchen-
schatz der Cappella Palatina in Palermo verzeichnet, der doch an Pro-
dukten byzantinischer Webekunst reich sein muflte, ftihrt blofi ein einziges
unter dreifiig Paramenten auf, das vielleicht mit Figurenstickereien ge-
schmiickt gewesen sein mochte. C. v. F.
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Bei der Redaktion eingegangene Werke.
Baumgarten, Fritz. Der Freiburger Hochaltar. Straflburg. J. H. Ed.
Heitz. M. 5.
Bergner, Heinrich. Kirchliche Kunstalterttimer in Deutschland.
Lieferung i und 2. Leipzig. Chr. Herm. Tauchnitz. Etwa 5 Lieferungen
zu M. 5.
Brach, Albert. Nicola und Giovanni Pisano und die Plastik des 14.
Jahrhunderts in Siena. Straflburg. J. H. Ed. Heitz. M. 8.
Dodgson, Campbell. Catalogue of early german and flemish wood-
cuts in the British Museum. Vol. 1. London. British Museum.
Diilberg, Franz. Friihollander I. II. Die Altarwerke des Cornelis
Engelbrechtszoon und des Lukas van Leyden. Haarlem.
H. Kleinmann & Co. XXV Taf. mit Text M. 40.
Fechheimer, S. Donatello und die Reliefkunst Straflburg. J. H. Ed.
Heitz. M. 6.
Halsey, Ethel. Gaudenzio Ferrari. (Great Masters in Painting and Sculp-
ture.) London. George Bell & Sons. 5/.
Hampe, Ph. Ntirnberger Ratsverlasse liber Kunst und Klinstler.
2 Bande. Quell enschriften, N. F. XI u. XII. Wien. Karl Graeser & Kie.
Hobson, R. L. Catalogue of the collection of English Pottery in
the British Museum. London. British Museum.
Kossmann, B. Der Ostpalast, sog. „Otto Heinrichsbau" zu Heidel-
berg. Straflburg. J. H. Ed. Heitz. M. 4.
Kunsthandbuch fiir Deutschland. Herausgegeben von der General-
verwaltung der K. Museen. 6. Aufl. Berlin. Georg Reimer. M. 12.
Olsen, Richard. Die Arbeiten der Hamburger Goldschmiede Jacob
Mores, Vater & Sohn. Hamburg. Verlagsanstalt, Aktiengesell-
schaft (vorm. J. F. Richter). M. 7.50.
Puckler-Limpurg, Graf Siegfried. Die Nurnberger Bildnerkunst um
die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts. Straflburg. J. H. Ed.
Heitz. M. 8.
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88 Literaturbericht.
Rathgens, H. S. Donato zu Murano und ahnliche venezianische
Bauten. Berlin. Ernst Wasmuth.
Rdttinger, H. Hans Weiditz der Petrarkameister. Straflburg. J. H.
Ed. Heitz. M. 8.
Rudolph, Heinrich. Der Ausdruck der Gemtitsbe wegungen des
Menschen. Textband und Atlas. Dresden. Gerhard Kuhtmann.
M. 48.
Schaeffer, Emil. Das Florentiner Bildnis. Mtinchen. Verlagsanstalt
F. Bruckmann A.-G. M. 9.
Stegmann, Hans. Meisterwerke der Kunst und des Kunstgewerbes
vom Mittelalter bis zur Zeit des Rococo mit 100 Tafeln in
Lichtdruck. 1. Lieferung. Lubeck. Bernh. Nohring. 10 Lieferungen
zu M. 4.
Volkmann, Ludwig. Grenzen der Kiinste. Dresden. Gerhard Kiiht-
mann. M. 6.
— Naturprodukt und Kunsthandwerk. 2. Aufl. Dresden. Gerhard
Klihtmann. M. 6.
Whistler, Zehn Uhr-Vorlesung (Ten o'clock). Deutsch von Th. Knorr.
Strafiburg. J. H. Ed. Heitz. M. 1.
Witt, Mary H. The German and Flemish Masters in the National
Gallery. London. George Bell & Sons. 6/.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei.
Von O. Wulff.
I.
Duccio und die Sienesen.
Der treibenden Kraft des Individualismus verdankt Italien den
Aufschwung, der seine Kultur seit dem 13. Jahrhundert im unaufhalt-
samen Zuge zur Sonnenhbhe der Renaissance emporhebt Von dieser
Seite betrachtet, behalt der Satz, dafi auch die Kunst der Renaissance
ihre Wurzeln bis ins Ducento hinabsendet, seine voile Berechtigung.
Von der gotischen Kunstblute des Nordens unterscheidet nichts die
gleichzeitige italienische so tief wie das Hervortreten der Kunstlerindivi-
dualitaten und die individuelle Abwandlung, die der Grundstil der Epoche
in ihren Werken erleidet. Wenngleich nach der herkommlichen kunst-
geschichtlichen Periodenabteilung das Ducento und Trecento in richtiger
Wurdigung des formalen Zusammenhanges der Stilbildung theoretisch
der mittelalterlichen Kunstentwicklung zugerechnet zu werden pflegt, so
bedingt der eben betonte Umstand doch fiir Italien auch einen wesent-
lichen Unterschied der herrschenden Betrachtungsweise. Sie ist hier
nicht mehr darauf gerichtet, allgemeine stilgeschichtliche Durchschnitte
zu gewinnen, sondern wird — viel frtiher als im zisalpinen Kunstgebiet —
eine individualisierende. Doch will diese Methode hier zum mindesten
nicht vollig zureichen. Weshalb, — ist nicht allzu schwer zu erkennen.
Die assimilierende Gestaltungskraft eines Niccold, die plastische Energie
eines Giovanni Pisano und selbst Giottos nahezu unbeschrankte Aus-
drucksfahigkeit hat doch noch immer die Herrschaft des Typus in der
JMenschendarstellung der italienischen Vorrenaissance zur Voraussetzung.
Damit bricht erst der Naturalismus des Quattrocento. Auch wo die
kunstlerische Phantasie der grofien Ducentisten und Trecentisten neu ge-
staltet, arbeitet sie mit seltenen Ausnahmen nicht in unmittelbarem An-
schlufi an die Natur, sondern in freier Umbildung gegebener Formen.
Wird das auch kaum bestritten werden, so ist man doch nicht gewohnt,
Repcrtorium fiir Kunstwissenschaft, XXV1L y
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00 O. Wulff:
ftir die Epoche nachdrucklich die Frage zu stellen, wie viel von dem
Stil der einzelnen Kunstler der Personlichkeit oder der allgemeinen
Kunststromung gehort. Es wird vielmehr fast alles der ersteren zugute
geschrieben, und sie erscheint noch unabhangiger, als sie es in Wahrheit
ist. Auf der anderen Seite steht dem das sonderbare Ergebnis gegen-
tiber, dafi bei der Mehrzahl der Richtung gebenden Meister die erste
Stilbildung und z. T. sogar die weitere Stilentwicklung dunkel, wenn
nicht gar ratselhaft erscheint, trotzdem sie sich gleichsam vor unseren
Augen in ihren datierten Hauptwerken entwickeln, — eine Unklarheit,
die hauptsachlich aus der ungentigenden Berticksichtigung jener typischen
Grundlagen ihrer Kunst entspringt Wie sich unter diesem Gesichtspunkt
das Niccold-Problem zu klaren scheint, ist hier unlangst angedeutet
worden.1) Ftir die Malerei des Trecento soil im nachfolgenden eine
erganzende Analyse der allgemeinen Stilfaktoren versucht werden, aus
denen die individuelle Kunstweise der ftihrenden Meister der beiden
toskanischen Schulen, Duccios und Giottos, und, soweit es sich in Kiirze
begriinden lafit, auch ihrer Nachfolger erwachst.
Die italienische Malerei des ausgehenden Ducento und der ersten
Halfte des Trecento fordert eine solche Betrachtung vom generellen stil-
geschichtlichen Standpunkt geradezu heraus. Hat sich doch die gotische
Formensprache in Italien noch weniger als in Deutschland aus dem ein-
heimischen mittelalterlichen Stil entwickelt. Sie dringt von aufien herein
und trifft in der zeichnenden Kunst nicht einmal mehr auf die reinen
Aufierungen des nationalen »Kunstwollens«, welche sich dort seit dem
zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts beobachten lassen,*) sondern be-
gegnet einer anderen bereits zur Vorherrschaft gelangten fremdlandischen
Kunststromung, — der »maniera greca« Vasaris und seiner Vorlaufer.
Das Ergebnis dieses Zusammentreffens konnte nur ein Mischungsprozefi
sein, und als ein Mischungsprodukt stellt sich in der Tat die trecen-
tistische Malerei in ihren Anfangen dar. Mag sich alsbald auch die
gotische Komponente immer mehr auf Unkosten der byzantinischen ver-
grofiern, so blieb doch die durch jene erste Verquickung gewonnene Dar-
stellungsform, in die von beiden Seiten gewisse Gestaltungsprinzipien
und Typen eingegangen waren, ftir die Stilbildung der Trecentomalerei
von dauernder Tragweite.
Wesentlich anders malt sich freilich der stilistische Umschwung
in den kunstgeschichtlichen Urteilen der altesten italienischen Kunst-
») Rep. f. K. VV. 1903, S. 428. Der sinnstorende Lapsus S. 437, Z. 15 >monu-
mentalen« (statt »malerischen«) sei hier berichtigt.
») Thode, Rep. f. K. W. 1890, S. 9 u. 17.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. gi>
schriftsteller. In der einseitigen, aber selbst heute noch nicht vollig
iiberwundenen Anschauung befangen, die den neuen Stil als rein person-
liche Schopfung des grofien Bahnbrechers Giotto betrachtet, sprechen sie
nur von einer Verdrangung oder Ersetzung der griechischen Manier durch
die nationale und moderne. So stehen bei Ghiberti (Comment II, 2 u. 3) in
der Charakteristik Cimabues und Giottos einander die Satze scharf gegen-
iiber: »Cimabue tenea la maniera greca«, — » Giotto arrecd l'arte naturale«.
Noch schroffer ist die Antithese bei Cenno Ceninni (Tratt. c. 1) gefafit, der
offenbar die in der Schule Giottos herrschende Auffassung zum Ausdruck
bringt: » Giotto rimutd Tarte del dipingere di greco in latino e ridusse
al moderno.« Beide taten damit der maniera greca bitteres Unrecht an,
der die neue Kunst denn doch mehr Dank schuldete, als sie es wahr-
haben wollte. Vor allem aber empfanden sie, von denen der eine noch
ganz, der andere mit einem Fufie in der ausgehenden Gotik stand, in
dieser keineswegs die gleichermafien zeitlich bedingte Stilphase, ge-
schweige denn etwas seinem Ursprunge nach Fremdartiges. Erst Vasari,
der bereits auf die fortlaufende Ehtwicklung der nationalen Kunst der
Friihrenaissance auf der Grundlage bodenwiichsiger Naturanschauung bis
zu deren Idealisierung im hohen Stil des Cinquecento zurtickblicken
konnte, hat das deutliche Geftihl ihrer Verschiedenheit von der » maniera
barbara«, der Gotik, gewonnen. Er erkannte klar deren Zusammenhang
mit der Kunst des Nordens als das grundlegende Element des trecen-
tistischen Stils, welches diesem sein eigenartiges von der » maniera greca«
nicht minder abweichendes Geprage gibt. Bei allem Lobe ftir Giotto und
die Pisani bleibt er als geschworener Feind der Gotik in der Wiirdigung
der kiinstlerischen Gesamtleistung der Epoche (Proemio alia parte 2») doch
ungemein kiihl. Ohne sein asthetisches Werturteil zu teilen, werden wir,
die noch weitere Zusammenhange tibersehen, das kunstgeschichtliche mit
der namlichen Einschrankung, dafi auch er den fruchtbaren Beitrag der
byzantinischen Komponente verkannte, nur unterschreiben konnen.
Dank den neueren Forschungen ist es immer klarer zu Tage ge-
treten, dafi schon ungefahr seit Mitte des Ducento, — in der Baukunst
noch frtiher, — ein kraftiger Strom gotischen Einflusses Italien durchflutet,
der immer starker anschwellend um die Wende des Jahrhunderts jede
andere Neugestaltung siegreich verschlingt, wenn wir auch seinen Weg
erst in der Architektur genauer verfolgen konnen. 3) Wie er in der
Bildnerei das an der Antike sich entfaltende, nach starkerem Lebens-
ausdruck ringende plastische Empnnden des Italieners in seinen Bann
zwingt und wie dieses sich der im gotischen Figurenaufbau enthaltenen
3) Enlart, Les origines frang. de l'archit. gothique en Italic Bibl. des Ec. fr.
LXVI. 1894.
7*
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92
O. Wulff:
Kontraposte bemachtigt, um eine Ftille eigenartiger formaler Gedanken
daraus abzuleiten, das bildet das wichtigste Entwicklungsprinzip im
SchafFen Niccol6 Pisanos und seines Sohnes und der damit verbundenen
Stilwandlung. Aber die Frage, wie sie selbst von der Gotik ergriffen
worden sind, lafit sich vor der Hand nur durch Vermutungen beant-
worten. Sicher ware es durchaus verfehlt, sie zu ersten Missionaren der
Gotik in Italien zu stempeln. Diese hat wohl von verschiedenen Seiten
her und ziemlich gleichzeitig an mehreren Punkten Fufi gefafit. So
hatten gotische Formen in die romische Cosmatenschule sehr friih Ein-
gang gefunden, — das beweisen die Graber Hadrians V und Clemens' IV in
Viterbo — vielleicht dank dem Einflufi Neapels, wo wir trotz des ganz-
lichen Verlustes der Denkmaler aus der Zeit der ersten beiden Anjous
eine Enklave franzosischer Kunst vorauszusetzen berechtigt sind. Ein
Zeugnis von dorther ausgehender Einwirkungen auf Rom hat sich uns
in der Statue Karls I. im Konservatorenpalast erhalten, vermutlich aus
Anlafi eines seiner Konsulate von ihm den Romern geschenkt, die ich
weder fur das Werk eines Cosmaten, noch eines Toskaners, sondern in
ihrem ungeschlachten, aber vollig freien Naturalismus und ihrer ausge-
sprochen gotischen Gesamthaltung nur ftir die Arbeit eines franzosischen
Steinmetzen oder eines von solchen geschulten Suditalieners zu halten
vermag. Aufier dem sliditalienischen Zentrum mag Oberitalien eine uns
noch nicht viel greifbarere Vermittlerrolle gespielt haben. Auch diirfte
der Seeverkehr Pisas mit Slidfrankreich gotische Krafte nach Italien ge-
zogen haben, — der so stark mit Frankreich zusammenhangenden neuen
Monchsorden und ihrer regen Bautatigkeit nicht zu vergessen. Endlich
ist mit der Importware der Kleinkunst, namentlich der franzosischen
Elfenbeinschnitzerei, zu rechnen.4)
Am schwersten fallt es, bestimmte Ausgangspunkte ftir die Stil-
wandlung der Malerei herauszufinden. Die leichtere Ubertragbarkeit
4) Ein greifbares Beispiel der Anlehnung an einen offenbar dadurch vermittcltcn
nordfranzosischen Typus (vgl. Museum. 1903, S. 65) bietet die Elfenbeinmadonna Giovanni
Pisanos aus der Domsakristei von 1299. In einer Epoche, in der standig fremde Ein-
fltisse hineinspielen, sind wir am wenigsten berechtigt, wie L. Justi, Jahrb. d. k. Preufl.
K. S. 1903, S. 263 versucht, ein solches Werk ohne Riicksicht auf die Urkunden aus
einer scheinbar folgerichtigen Entwicklung der Kttnstlerindividualitat heraus umzudatieren.
Auch die Entstehungszeit der Berliner Madonna ist verkannt, weil Justi sich durch die
schweren Gewandmassen Uber ihre schlanken Proportionen (vgl. die hohe Gtirtung) hat
tauschen lassen, die sie zusammen mit Bewegung und Bildung von Hals und Kopf
vielmehr in die Nahe der Statue der Arena und der »Pisa« der Domkanzel verweisen.
Fransenbesatz und die Haarbehandlung des Kindes sind der Prateser Madonna nicht
wegen zeitlicher Niihe, sondern wegen der gleichartigen Bestimmung fiir Nahsicht
verwandt. Das Kostlim des Kindes aber kommt von der Elfenbeinstatuette her.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. g?
ihrer Erzeugnisse ermoglichte eine gleichmafiigere Aufnahme der maleri-
schen Typen der Gotik. Zweifellos wurde die Tafelmalerei fur Italien
friih eine Tragerin gotischer Formensprache. Hand in Hand mit der
neuen Form des kirchlichen und hauslichen Andachtsbildes, dem Trip-
tychon, mufi diese schon in den letzten Jahrzehnten des Ducento ver-
mutlich von Oberitalien her allmahlich Verbreitung gefunden haben.
Eine so stilreine Leistung wie die grofie Tafel des Pacino di Buona-
guida vom Jahre 1310 in der Akademie zu Florenz, eines von Giotto
sichtlich ganz unabhangigen und viel formelhafteren Meisters, auf den
mit Recht noch unlangst hingewiesen worden ist, 5) lafit fur das Altar-
blatt auf eine schon gefestigte gotische Kunstlibung vor Giottos Em-
greifen schliefien.
Der Hauptanstofi kam jedoch schwerlich von dem Tafelbilde und
seiner auf das Reprasentative beschrankten Darstellungsform, wo es auch
zuerst die neue Stilfarbung angenommen haben mag. Es spricht viel-
mehr alles ftir einen entscheidenden Einflufi der Miniatur auf die Ent-
stehung des trecentistischen Freskenstils, sowie auch in zweiter Linie auf
die erste Entwicklung des Tafelbildes. Dafi die Buchmalerei im 14. Jahr-
hundert mit beiden Techniken durch enge Beziehungen verkntipft ist,
konnte man sich nie ganz verhehlen, und besonders in den neuerdings
durch Schmarsow angeregten Forschungen zur Malerei des Trecento hat
ihr Einflufi wiederholt Beriicksichtigung gefunden, wahrend man bisher
mehr gewohnt war, sie nur als den nehmenden Teil anzusehen. Wir
wollen einen weiteren Schritt in dieser Richtung wagen. Um eine ganz
sichere Grundlage dafiir zu gewinnen, mufite freilich zuerst die Ver-
breitung des neuen, gotischen Illuminierstils, der um Mitte des 13. Jahr-
hunderts in Nordfrankreich entsteht, seine entwicklungsgeschichtliche Dar-
stellung gefunden haben. Fiir ein solches Unternehmen wiirde aber, wie
ein besserer Kenner des Materials selbst eingesteht, »kaum ein Menschen-
alter« ausreichen.6) Und sogar bei einer Beschrankung auf Italien wiirde
es einer breit angelegten Untersuchung bediirfen, die bei dem anscheinend
recht luckenhaften Material vielleicht nicht einmal allzu ergebnisreich
ausfallen diirfte. Soviel steht im allgemeinen fest, dafi in der zweiten
Halfte des Ducento allmahlich iiberall in Italien die franzosische Orna-
mentik und mehr oder weniger auch die franzosische Illustration in den
Buchschmuck eingedrungen war. 7) Dagegen scheint mir wegen des
ungleichmafiigen Erhaltungsbestandes das von Dvorak eingeschlagene,
5) Schubring, Zeitschr. f. christl. K. 1901, S. 364.
*) Dvorak, Jahrb. der K. Samml. d. Allcrh. K. Hauses, 1901, S. 37.
7) Dvorak, a. a. O. S. 62 und Mittlg. des Inst f. bsterr. Gesch. Forschg. Erg.
Bd. VI, S. 795 fF.
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94 O. Wulff:
vorderhand »einzig mogliche« Verfahren, den Lokalschulen nachzugehen,
noch keineswegs ein liberzeugendes Endurteil iiber deren gegenseitiges
Verhaltnis zu ermoglichen. Zu sparlich sind vor allem die Beweismittel
flir seine Schlufifolgerung (Dvorak, a. a. O. S. 8ioff.), dafi eine gewisse
Handschriftenreihe, in der die gotische Miniatur eine Vermischung mit
der byzantinischen verrat, die weit tiber die Nachahmung griechischer
Vorbilder bis zur Aneignung einer anderen technischen Behandlung hin-
ausgeht, in letzter Linie aus Siena abzuleiten sei. Wenn auch der zier-
liche sienesische Stil und die aus- (bezw. um-)gebildete glanzende sienesische
Technik im eigentlichen Trecento die Buchmalerei in Neapel ebenso oder
gar noch starker durchdringt, wie fast im ganzen iibrigen Italien, so diirfte
jene Richtung doch weit eher hier entsprungen sein, wo ein griechisches
Kulturgebiet mit lebendiger literarischer und zweifellos auch ktinstleri-
scher Produktion, wie Dvorak (a. a. O. S. 808) selbst hervorhebt, so nahe
lag. Es bleibt unbewiesen, dafi der gesamte Miniaturenstil Sienas schon
im Ducento eine so bedeutende Sonderentwicklung genommen hatte.
Nach Dvorak (a. a. O. S. 816 ff.), der in jener Einwirkung des plastisch
modellierenden griechischen Miniaturenstils den eigentlichen Anstofi zur
Ausbildung der malerisch raumhaften Darstellungsweise in der sienesischen
Buchmalerei sieht, lag dort vor Giotto der Mittelpunkt der neuen Be-
wegung. »Andere Lokalschulen in Toskana und Umbrien entwickeln,« —
und diese Feststellung eines genauer Unterrichteten ist fur uns nicht un-
wichtig — den Ducentostil (zwar) »selbstandig«, aber nicht »besonders
pragnant«.8) Ihnen wird in dieser Hinsicht keinerlei Verdienst eingeraumt,
wie Dvorak (a. a. O. S. 65) tiberhaupt der Miniaturmalerei im Umwand-
lungsprozefi der Auffassungsweise des Bildes keine bedeutsame, geschweige
denn eine fiihrende Rolle zuerkennt, sondern an der hergebrachten An-
schauung festhalt, dafi die monumentale Malerei den Weg gewiesen habe,
dem dann auch die Miniatur folgt. Fur das eigentliche Trecento trifft
es gewifi zu, dafi die erstere alsbald die Fuhrung tibernahm und dafi
die letztere nur im Wetteifer mit ihr den Gipfel ihrer Vollendung er-
reichte, fur die ersten entscheidenden Anfange aber bleibt es eine un-
bewiesene und keineswegs selbstverstandliche Annahme. Worauf es uns
ankommt, ist die Beantwortung der Frage, ob nicht die gotische Miniatur
in Italien, sei es in Siena, sei es in einer anderen Schule, eine gewisse
Vorarbeit bei der Entstehung einer raumhaften und plastischen Bild-
auffassung geleistet hat. Auf dem Wege der Durchforschung der Hand-
schriften lafit sich das freilich, wie bemerkt, vorlaufig nicht beweisen.
Es steht uns jedoch das methodisch umgekehrte Verfahren often, das
*) Dvorak, a. a. O. S. 813 u. Jabrb. d. K. S. usw. S. 65.
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Zur StilbilduDg der Trecentomalerei. qt
aus der Wirkung auf die Ursache zuriickschliefit. Wir werden .zu unter-
suchen haben, ob nicht die frtihesten trecentistischen Historienbilder (im
kunstgeschichtlichen, nicht im streng chronologischen Sinne) der Wand-
und Tafelmalerei Elemente enthalten, welche deutlich ihre Herkunft aus
der Miniatur verraten.
Wenn man die Fragestellung so fafit, stofit man sogleich auf eine
Grundtatsache, die nicht zu ubersehen ist. Mit dem gotischen Stil zieht
in die italienische Malerei ein ganz neuer Farbengeschmack ein. Helle,
lebhafte ungebrochene Farben, das Zinnober und Mennigrot und alien
voran das Kobaltblau beherrschen das Bild neben Chromgelb, blassem
Griin und wenig Violet, wahrend Weifi und dunkle Farbentone sparsam
verwendet werden und namentlich die letzteren kaum untereinander, da-
gegen gem mit Blafirosa oder -gelb und einem lichten Braun in Ver-
bindung treten. Alle drei Techniken haben mit einigen im Wesen der
Freske bedingten Beschrankungen daran teil. Die Tafelmalerei erzielt
die hochste Mannigfaltigkeit. Dieser Umstand allein wtirde hinreichen,
um die Voraussetzung eines urspriinglichen Abhangigkeitsverhaltnisses der
grofien von der Buchmalerei zu begrtinden. Denn jene bunte Farben-
gebung mit dem charakteristischen Vorwalten der hellen reinen Grund-
farben ist der italienischen Miniatur schon im Ducento eigen und kann
daher nicht aus der Tafel- oder gar aus der Wandmalerei iibernommen
sein, wie auch vom entgegengesetzten Standpunkt zugegeben wird (Dvorak,
a. a. O. S. 797). Ja, sie hat sich vielleicht schon im 12. Jahrhundert,
wie es scheint, in Oberitalien entwickelt und nicht erst unter dem Ein-
flufl der franzosischen wesentlich abweichenden Farbenskala,9) wenn diese
auch zu einer starkeren Verwendung des Blau und Rot, das sie ebenso
bevorzugt, — allerdings in dunklerem (bezw. hellerem) Ton, — die An-
regung geboten haben wird. Die lebhafte koloristische Behandlung der
byzantinischen Miniatur deckt sich keineswegs damit und kann vollends
nur in der o. e. Handschriftengruppe, also hochstens in Siena und in Neapel
eine maflgebende Einwirkung getibt haben. Der neue Farbengeschmack
ist aber schon in den letzten Jahrzehnten des Ducento in der Buchmalerei
von Bologna, das vor Siena der Mittelpunkt der Stilentwicklung in der
Miniatur war, vollkommen durchgedrungen (Dvorak, a. a. O. S. 812).
Die heitere Farbenfreude, die den Beschauer aus den Malereien eines
Franco Bolognese und Oderisi da Gubbio »anlachte«, hat ihren Widerhall
in den Worten Dantes in der bekannten Stelle des Purgatorio (XI, 79)
9) Sie begegnet uns z. B. schon in der dem Ende des 12. oder Anfang des 13.
Jahrhunderts entstammenden Handschrift der Annalen von Genua des Casaro im Louvre
(ausgestellt als Nr. 985); vgl. im Ubrigen Dvorak, a. a. O. S. 8i2ff. und Jahrb. der
K. S. usw. S. mff.
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96
O. Wulff:
gefunden. Wir dtirfen ihr entnehmen, dafi auch Oderisi, der nach
neuerem archivalischen Nachweis schon 127 1 in voller Tatigkeit ist,10)
dem franzosischen Vorbilde folgte. Dantes Verse wiegen als kunst-
geschichtliches Zeugnis einigermafien den Verlust der Werke dieses be-
riihmten Miniators des Ducento und seines erfolgreichen Nebenbuhlers auf.
Eine wie viel hohere Bedeutung die Miniatur um die Wende des
Jahrhunderts besafi, als sie trotz ihrer technischen Verfeinerung im Tre-
cento zu behaupten vermochte, wird am schlagendsten durch den Umstand
beleuchtet, dafi sie — , wenigstens in Siena zweifellos, — auch von alien
groflen Meistern geiibt wurde. Simone Martini, von dessen Tatigkeit als
Miniator wir die deutlichste Vorstellung haben,11) hat sich ihr schwerlich
erst im Alter zugewandt. Davon zeugt zur Gentige sein gesamtes frtiheres
Schaffen. Von den beiden Lorenzetti verrat sich besonders bei Pietro
in der Vorliebe flir reiche Goldzier und Musterung der Stoffe die Schulung
durch die Buchmalerei, Ambrogio ist aber in technischer Hinsicht von
ihm nicht zu trennen, wenn er sich auch zu einer durchaus selbstandigen
breiteren Naturauffassung erhebt. Flir den Begrlinder der Sienesischen
Schule, Duccio, wird die Beschaftigung als Miniaturmaler durch die
Zahlungsurkunden der stadtischen Kassenvenvaltung verblirgt Leider fehlt
gerade seine Leistung in der Reihe der erhaltenen Buchdeckel der Bicherna
und Gabella, die uns jetzt in vortrefflicher Wiedergabe vorliegt und in
ihrer allmahlichen Wandlung die Einfliisse widerspiegelt, welche in Siena
auf die Buchmalerei einwirken. Wahrend das al teste dieser typischen
Titelbilder den Monch am Zahltisch noch in der etwas derben Auffassung
der nationalen Richtung des friiheren Ducento wiedergibt, lafit sich sehi
bald die schlankere gotische Figurenbildung und einfache, aber aller
Harten bare StofTbehandlung, dazwischen gelegentlich (bei Duccios Vor-
ganger Diotisalvi) auch eine Annaherung an die (toskanische) maniera
greca beobachten.12) Doch ist von einer Einwirkung byzantinischer Minia-
turen nichts zu bemerken. Wir sind daher keineswegs berechtigt, uns mit
Dvorak (a. a. O. S. 8 1 1) Duccios Art in der Miniatur nachAnalogie jenesMisch-
I0) Zimmermann, Giotto, S. 395; Giorn. di Erudiz. artist. 1873, S. 4; Dvorak,
Mittlg. d. Inst. u. s. w. S. 812.
") Aufler den von Petrarca bezeugten oder fiir ihn bestimmten Malereicn ist ihm,
und zwar auch seiner Spatzeit, neuerdings mit guten Grlinden der frtiher grundlos
Giotto zugeschriebene Codice di S. Giorgio im Archiv von S. Peter, ein Glanzstiick
trecentistischer Buchmalerei, von Herraanin, Scritti vari a Em. Monaci per l'anno XXV
del suo insegn. Roma, 1901, zugesprochen worden, nachdem Dvorak a. a. O. S. 811
Zimmermanns Attribution an Oderisi mit Recht abgelehnt hat. Eine altere Arbeit
Simones konnte wohl die im Louvre ausgestellte InitialfUllung mit der Verktindigung sein.
,a) Lisini, Le tavolette dip. di Bicherna e di Gabella, Siena, 1901, t. I, II, III,
VII und IX.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. ny
stils einiger jtingerer Handschriften vorzustellen. FUr die sienesische Buch-
malerei lag am wenigsten Anlafi vor, griechische Hilfe in Anspruch zu
nehmen, hangt der Buchschmuck doch aufs engste mit Sprache und Schrift
zusammen. Sicher erscheint nur, dafi die gorische Miniatur, welche auch
in Siena die Grundlage der Uluminierkunst bildete, bereits in den Gesichts-
kreis Duccios getreten war und im entscheidenden Zeitpunkte der trecen-
tistischen Stilbildung einen wirksamen Faktor im Kunstleben Sienas bildete.
Sollte Giotto, dessen kiinstlerischen Ausgangspunkt wir a priori nicht
festlegen dtirfen, sich ganz unabhangig von diesem wichtigen Zweige des
ducentistischen KunstschafTens entwickelt haben? Dagegen spricht, von
alien Beziehungen abgesehen, die wir in seinen Werken zur Miniatur blofi-
zulegen versuchen wollen, schon der Umstand, dafi diese in dem seiner
Bedeutung nach immer noch unterschatzten Traktat des Cennini nicht
nur ihren festen Platz einnimmt, sondern geradezu darin den Ausgangs-
punkt des mit aller Folgerichtigkeit entwickelten Lehrgangs des Mal-
verfahrens bildet (vgl. Tratt. c 10 u. 157). An dem wird nichts geandert
dadurch, dafi die Benutzung alterer schriftlicher Anweisungen ftir die Illu-
miniertechnik in diesem Teil des Traktats nachgewiesen ist (Dvorak a. a. O.
S. 816), denn es bleibt aufierst unwahrscheinlich, dafi erst die strenge
Descendenz der Giottoschule, der Cennini angehort, die Miniaturmalerei
den Aufgaben des Malers zugefugt habe.
In ihren selbstandigeren Zweigen, dem Tafelbilde sowohl wie der
Freske, wurde die italienische Malerei bis gegen den Ausgang des Ducento,
der die Wendung brachte, von der maniera greca beherrscht. Die For-
schung hat die einzelnen Vorstofie dieser letzten und folgenreichsten
Invasion des byzantinischen StUs schon klarer herausgearbeitet.I3) Die
Kunstzentren Italiens wurden zu verschiedenen Zeitpunkten und von ver-
schiedenen Seiten von ihr getroffen, sie erhielten daher die fremde Kunst-
form in nicht ganz gleichartiger Reife. In die unmittelbarste Beziehung
zu Byzanz kam Toscana durch die Vermittlung Pisas, dessen Handel mit
Konstantinopel wahrend des lateinischen Kaisertums noch eine betrachtliche
Steigerung erfuhr.x4) Dafi damit ein starker Kunstimport Hand in Hand
ging, unterliegt keinem Zweifel. Aufier den sparlichen Resten griechischer
Tafelbilder, deren massenhafter Untergang sich durch ihre geringe spatere
Schatzung erklart, bezeugt das nicht nur die Haufigkeit griechischer
Namensbeischriften, sondern auch die Technik und die Ubernahme tech-
nischer Ausdrticke wie »Ancona« (== sixwv). x5) Aber auch die Berufung
x3) Vgl. Thode, a. a. O. S. i8flf. und Zimmermann, a. a. O., S. I76ff.
h) Heyd, Geschichte des Levantehandels im M. A., S. 320.
*5) Die Ableitung des VVortes ist von Ilg, Quellenschr. zur K. Gesch. I. S. 141
festgestellt. J. Burckhardt, Beitr. zur K. Gesch. von Italien S. 2 1 ff.f bringt den Ausdruck
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98 O. Wulff:
oder Einwanderung griechischer Kiinstler wird im Einzelfalle durch die
Namensform (vgl. Thode, a. a. O. S. 19) beglaubigt und darf nicht ein-
mal mehr flir die Cappella Gondi einfach unter die Fabeleien Vasaris ver-
wiesen werden, nachdem die Moglichkeit ihrer Entstehung vor dem Jahre
1279 aufgetaucht istl6) Ja, man mufi diese fremde Hilfe ftir die Wand-
malerei in viel weiterem Umfange bezogen haben. Wie ware sonst die
griechische Freskotechnik nach Toskana gelangt, deren sich Cimabue
und sogar noch Giotto (bezw. der Meister der Franzlegende) in Assisi be-
dienen.x7) Die toskanische maniera greca mit ihren anhaltenden Nach-
schliben steht ganz auf der Stufe der gleichzeitigen byzantinischen Kunst
mit ihrer gesteigerten malerischen Tendenz. Sie stellt sich als die folge-
richtige Fortsetzung des Stils der sizilischen Mosaiken dar und als die
Vorstufe der Mosaiken der Kachrije-Djami sowie der altesten Athosfresken
(Watopadi und Karyas). Es fehlt ihr noch die deutlichere Herauslosung
der Figur im Raume, zu der die byzantinische Monumentalmalerei wahrend
ihrer kurzen Nachbliite unter den ersten Palaologen einen entschiedenen
Anlauf nimmt und die sie durch die Verkleinerung und schlankere Bildung
der Gestalten im Verhaltnis zur Szene und durch Entwicklung der Stand-
flache bis zu einem gewissen Grade erreicht. Als wertvolles Erbteil der
vorhergehenden Epoche bewahrt diese Stilphase ein um so besseres Ver-
standnis flir den dekorativen Wert der Flachenprojektion der Gestalten
und Gruppen. Unter der starken Spannung des religiosen Gefiihls ge-
winnt die dem Ducento besonders zusagende erregte Ausdrucksweise der
griechischen Malerei bei den toskanischen Nachahmern ein machtigeres
Pathos und die Formensprache einen schwereren Charakter. In den Werken
eines Giunta Pisano und Cimabue haben die byzantinischen Typen ganz
wie bei Niccold Pisano etwas von der leidenschaftlichen, gewaltsamen Art
der Zeitgenossen Dantes angenommen. In liberlebter, karrikierter Form
wirkt diese nationale Auffassung byzantinischer Vorbilder noch im Kuppel-
mosaik des Andrea Tan nach.
Stilgetreuer als in Toskana hat sich, dank der bevorzugten Technik,
die byzantinisierende Kunststromung in Rom entfaltet, freilich ohne einen
ebenso ausgepragten, von anderen Richtungen klar geschiedenen Typus
ohnc crsichtlichcn Grund in Gegensatz zur Bildform der maniera greca. Die von ihm
hervorgehobene Tatsache, da6 das aus dem Norden kommende FlUgelaltarbild in Italien
nur im Hausgebrauch seine bewegliche Zusammensetzung bewahrt, als Aufsatz des Hoch-
altars hingegen zur zusammenhangenden Tafel mit architektonischer Abteilung wird,
beweist gerade die Rtickwirkung der alteren auf die neue Bildform, welche in dem Cber-
gange der sprachlichen Bezeichnung auf die letztere ihren Ausdruck findct.
l6) Brown, Rep. f. K. W. 1901, S. 130.
»7) Bertaux, S. Maria di Donna Regina e l'arte Senese a Napoli nel sec. XIV,
p. 102.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 99
herauszubilden. Daselbst pflanzt sie sich in einer Mosaizistenschule fort,
die eine etwas altere Tradition vertritt Denn ihr Ursprung fallt mit der
Berufung griechischer Meister aus Venedig durch Honorius III. zur Restaurie-
rung der Mosaiken von S. Paolo f. le m. im Jahre 1 2 1 8 zusammen (Zim-
mermann, a. a. O. S. 120). Trotz fehlender Zwischenglieder sind Jacopo
Torriti und Pietro Cavallini als ihre Auslaufer zu betrachten, die in ihren
Bildern aus dem Leben Marias in S. M. Maggiore und S. M. in Trastevere
auf dem Boden der byzantinischen Ikonographie des i2.Jahrhunderts stehen.
Doch schon bei dem ersteren mischt sich ganz leise in der Kronung
Marias in Komposition und Typen (besonders der Monche, aber auch der
Jungfrau selbst), vollig unverkennbar aber bei Cavallini gotischer Einflufi
ein. Nicht auf die kaum greifbaren Anregungen der Antike, sondern aut
das gotische Vorbild ist der Fortschritt zu einfacherer und naturlicherer
und zugleich plastischerer Darstellungsweise in den neu entdeckten Welt-
gerichtsfresken von S. Cecilia zuruckzuflihren.18) Die Gewandbehandlung
bietet ein unverkennbares Kennzeichen dessen. Vasaris Urteil Uber Ca-
vallini, dafi er »giotteske und griechische Manier« vermischte, triflft ins
Schwarze, wenn wir die erstere weniger personlich als die gotische ver-
stehen. Noch starker bricht diese bei den jiingsten Cosmaten, besonders
bei Giovanni Cosmas durch. Nicht nur der architektonische Aufbau seiner
Grabdenkmaler und der Faltenzug seiner plastischen, sondern auch der
Gewandstil seiner Mosaikfiguren ist z. T. in hohem Grade von dem neuen
Stil beeinflufit. Keineswegs jedoch vertritt diese Lokalschule eine unge-
triibte lateirtische Tradition (Zimmermann, a. a. O. S. 248 ff.). Ein Mosaikbild
wie die Halbfigur der Maria uber dem Siidportal von S. M. in Aracoeli zeigt
vielmehr kaum ein Jahrzehnt friiher auch sie noch von byzantinischer
Auffassung beherrscht. Schon vor Giottos Eingreifen vollzog sich auch
in der schwacher pulsierenden romischen Kunst ein langsamer Ausgleich
zwischen den beiden Kunststromungen des Ducento. Allein fur die Genesis
der trecentistischen Malerei wurde nicht Rom entscheidend, sondern das
ungleich kuhnere Vorgehen, wie die fiihrenden Meister Toskanas die
Formen zu verschmelzen und die Gestaltungsprinzipien zu vermitteln wuflten.
Bei keinem Meister wird die Kreuzung der Stile so offenbar,
wie bei dem Begninder der Schule von Siena, bleibt es bei einer so
aufierlichen Vermischung ihrer nur allzu deutlich auseinanderfallenden
Elemente. Duccios reifste Schopfung, ftir uns zugleich der Prtifstein seines
gesamten Schaffens, entbehrt noch durchaus einer wahren klinstlerischen
Synthese der verschiedenen Prinzipien, wie sie Giotto verhaltnismaflig frtih
,8) Ftir den antiken Einflufi ist Hermanin, Le Galerie naz. V, p. 60 ff. eingetreten.
oo-i04'7
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100 O. Wulff:
vollzieht. Es bedurfte dazu einer weit hoheren inneren Gestaltungskraft,
die Duccio bei aller rastlosen Bemtihung und einer unleugbaren Findig-
keit in der Steigerung der gegebenen Mittel doch abgeht Duccio ist ein
Sammelgeist, ein Kompilator der malerischen Anschauung, der wie die
Biene jeder Blume ihre Sufle abzugewinnen trachtet Und weil er von
beiden Seiten ungefahr gleichviel nahm, konnte unter seiner Hand nur eine
scheinbare Bildeinheit entstehen. Doch trotz der inneren Widersprtiche
wurde diese dank ihrem bunten Reichtum und dem in ihr ausgesprochenen
Wollen der bestimmende Ausgangspunkt fur die nachfolgenden Kunstler
Sienas. Durch die Lorenzetti erhielt sie die hochste, ihrem Wesen nach
mogliche Durchbildung und Erweiterung. Die Art, wie bei Duccio die
heterogenen Elemente zu einem solchen Ganzen zusammengewoben sind,
stellt einen der merkwurdigsten Falle der Entstehung einer neuen Kunst-
form dar.
Die Behauptung, dafi Duccio nach beiden Seiten abhangig erscheint,
wird vielleicht im ersten Augenblick befremden. Ein ausdrticklicher
Hinweis auf gotische Ztige, die in seiner Kunst enthalten sind, ist
wenigstens noch nirgends gegeben, mbgen sie auch manchem Forscher
bei Betrachtung des Dombildes schon aufgefallen sein. Man ist ge-
wohnt, ihn nicht viel anders als Cimabue im Gegensatz zu Giotto,
als den konservativeren Fortsetzer der alteren Tradition anzusehen, der
die maniera greca mit grofierer Nattirlichkeit und Anmut und mit dem
Ausdruck einer innigeren religiosen Empfindung zu erfullen wufite. Das
ist insoweit richtig, als die ikonographische Grundlage der Szenenge-
staltung bei Duccio in der Hauptsache fast durchweg die byzantinische
bleibt.x9) Aber in der kiinstlerischen Ausgestaltung des ikonographischen
Schemas flicht er eine Menge von Kunstelementen ein, die den gotischen
Stilcharakter mehr oder minder rein zur Schau tragen. In einigen wenigen
Bildern findet sogar eine Vermittlung zwischen den Kompositionstypen
statt, oder das Verhaltnis liegt gar umgekehrt. Das auffalligste Beispiel
dafiir bietet die Anbetung der Konige auf der Predella. Von diesen
kniet, wie auf gotischen Elfenbeinen, der erste, wahrend die beiden anderen
im Gesprach vor der Hohle dastehen, die der griechischen Geburtsszene
entlehnt ist. Es sind, den Greis ausgenommen, ganz abendlandische
Typen, ja sogar Maria sieht auf keinem anderen Bilde der byzantini-
sierenden Hauptgestalt der Ancona so wenig ahnlich. Daneben halten
Trofiknechte, deren beweglich unsicherer Stand und Kleidung auf die
niederen griechischen Volkstypen zurlickweisen (vgl. die Kreuztragung),
edle Ritterrosse am Zligel. Die Konige freilich tragen zum gotischen
*9) Vgl. besonders Dobbert, Die Sienes. Malerschule. Dohme's K. u. Kttnstler, L
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Zur Stilbildung der Ttecentomalerei. IOI
Kostiim Kronen, die offenbar wieder aus einem byzanrinischen Vorbilde
tibernommen sind, nur sicher aus keiner Magieranbetung, da solche da
niemals vorkommen. Ein Blick auf die Hollenfahrt Christi bei Duccio
belehrt uns liber ihre Herkunft. Er fand sie in einer griechischen Vor-
lage der letzteren, aus der er sichtlich den gekronten David mitsamt dem
Heiland, welcher Hades niedertritt, und die Mehrzahl der Figuren ge-
schopft hat, wahrend die Anordnung dieser Szene der schon friih im Abend-
lande festges tell ten Kompositionsweise folgt20) Es zeigt sich hier zugleich,
dafi die Predella jedenfalls spater gemalt ist Wenn wir von Duccio nichts als
jenes Predellensttick besaflen, so konnte bei ihm nur von einem byzan-
rinischen Nebeneinflufi oder, wie bei Simone Martini, von Nachwirkungen
griechischer Kunsttradition die Rede sein. In der Szenenfolge des Dom-
bildes erscheint es wie ein Vorbote von dessen Ritterromantik. Auch
die Vertreter weltlicher Gewalt, Pilatus und Herodes, haben in Haltung
und Tracht wenig von der byzanrinischen Erscheinung bewahrt, die in den
Gruppen der Priester und der begleitenden Volksmenge noch unverandert
geblieben ist Nicht die weitarmelige, reiche Dalmatika und Chlamys,
sondern eine klirzere, nur mit goldenem Halseinsatz verzierte Tunika und
der vor der Brust gespangte gotische Mantel mit den feinen Litzen dient
ihnen als Bekleidung. Die Zackenkrone oder ein goldener, zweifellos
der Antike abgeborgter Kranz schmuckt das Haupt Weitere Beachtung
verdient die Einflihrung des gotischen Crucifixus mit dem eingesunkenen
Leibe und den heraustretenden Knieen, dessen Ftifie mit einem Nagel
angeheftet sind und dessen Locken lang herabhangen (alles ganz wie in
der gotischen Elfenbeinplastik), in die Kreuzigungsszene, welche sich im
ubrigen durchaus nach dem Schema des historischen Kreuzigungstypus
der griechischen Kunst aufbaut und daher in einer Reihe von Figuren
und Motiven mit der Freske Cimabues in Assisi und den Reliefs der
Kanzeln Niccold Pisanos, weitgehende Ubereinstimmungen zeigt 2I) Eine
Bevorzugung von Motiven der abendlandischen Ikonographie findet aufier-
dem im Abendmahl statt, wo Christus Judas den Bissen hinreicht aa) Und
uberwiegt auch weitaus die Masse der Bilder, welche sich im wesentlichen als
rein griechische Komposition darstellen, besonders in den Vorereignissen der
Passion (Einzug in Jerusalem, Fufiwaschung, Gethsemane, Verrat usw.)
wie auch in dem ganzen Nachspiel (der Kreuzabnahme, Grablegung, der
Myrrhophoren, des Ganges nach Emmaus), so bleibt es doch ein ver-
«°) Vgl. Haseloff, Eine Thtiring.-Sachs. Malerschule des 13. Jahrhunderts. S. 158.
41) Es ist die im Malerbuch vom Berge Athos (§ 251) festgesetzte Bildredaktion.
M) Dobbert, Rep. f. K. Wiss. 1895, S. 373; a. a. O. S. 11, entscheidet er sich ohne
zwingenden Grund ftir eine weniger einfache Deutung.
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102 O. Wulff:
schwindend seltener Fall, wenn sich einmal, wie in dem » Noli me tangere«,
wirklich kein einziger unbyzantinischer Zug entdecken lafit.
Nehmen wir die Gestaltenbildung zum Mafistab und ihre augen-
falligste Signatur, das Gewand, so drangt sich einmal die Beobachtung
auf, dafi fast samtliche Fiifie, soweit sie nicht unbeschuht sind oder San-
dalen tragen, selbst die, welche in den hohen Stiefeln der byzantinischen
Volkstracht stecken, die gotische Bildung zeigen, und zwar oft genug mit
ihrer charakteristischen Deformation, der scharfen Spitze und der starken
Verdickung dahinter. Diese Verzerrung, die bei der Fufiwaschung sogar
die abgebundenen Sandalen betrifft, hat Duccio schwerlich dem Leben
abgesehen. Sie beweist vielmehr schlagend, dafi er als Miniaturmaler ge-
wohnt war, in solchen Formen zu arbeiten. Nirgends findet sich dagegen
die den Byzantinern eigne unnatlirliche Verkleinerung des Fufies. In der
Gewandbehandlung gehen deutlich zwei einander fremde Prinzipien ein-
her. Der Kunstler bemtiht sich mit schwachem Erfolge, sie gelegentlich
zu verschmelzen. Sie durchdringen sich nicht, weshalb, ist leicht zu ver-
stehen. Von der einen Seite iibernahm Duccio das in Byzanz umstili-
sierte an tike Ideal gewand ohne ausgepragten StofFcharakter. Diesem motiv-
reichen, mit straffen Ziigen, die in spitzem Winkel zusammenlaufen, knitt-
rigen Zwischenfalten, Zickzacksaumen und gescharften Zipfeln arbeitenden,
durchaus linearen Gewandstil stand die an den schweren Wollstoff ge-
bundene gotische Gewandbehandlung gegentiber mit ihren zusammen-
hangenden Fl&chen, groflen gebauschten oder einfach brechenden Falten,
vorwiegend transversalen Schwingungen und geschlangelten Saumen, welche
nur dem Spiel der gerundeten Linie Raum gewahren. In den kleinen
Bildern der Ruckseite und der Predella herrscht eine ziemlich strenge
Scheidung. Apostel, Pharisaer, sowie die Gestalten aus dem Volke und
zumeist auch die Frauen tragen byzantinische Gewander. Allerdings
verraten besonders die kurzen Tuniken oft ein Bemiihen, die Motive zu
runden. Sie erscheinen deshalb nicht selten wie aufgeschiirzt. Uberhaupt
verfahrt der Meister nicht ohne Uberlegung. Wie sich die Schlangen-
linien der Saume mit dem Faltengeschiebe verbinden, das tritt an den
grofieren Einzelfiguren der Ancona und Predella noch deutlicher zu Tage.
Auf dem Hauptbild zeigt das abendlandische Kostiim der lateinischen
Schutzheiligen, die in der vorderen Reihe knieen, rechts eine sorgfaltig jnoti-
vierte Vermischung, links die ziemlich reine gotische Manier. Agnes und
Katharina, deren Kopfe den abgewandelten griechischen Madonnentypus
wiederholen, hat der Kunstler vollends ein unverfalschtes gotisches Ge-
wand umgehangt und die gotische Haltung gegeben. Auch der Evan-
gelist Johannes, der mit dem Taufer und den Apostelflirsten einer durch-
aus byzantinischen Typenreihe angehort, ist in ein solches gehlillt. Fiir
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 103
die Ubertragung des gotischen Stilprinzips auf das byzantinische Kostiim
bietet die Gestalt Davids neben dem Predellenstiick der Darstellung im
Tempel wohl das merkwurdigste Beispiel. Er tragt die auf der rechten
Schulter gespangte Chlamys — nicht einmal das Tablionum ist iibersehen,
wenn auch grtindlich miflverstanden. Auf der r. Seite, wo sie sich offnet,
fallt sie mit breiter Borte steil herab, vom linken Arm aber, liber den
sie aufgenommen ist, entwickelt sich die doppelte Schlangenlinie der
schmalen Goldlitzen. Der griechische Typus des koniglichen Propheten
mit dem runden Vollbart und dem halblangen Haar besafi eine zufallige
Ahnlichkeit mit dem gotischen Ideal des blUhenden Mannesalters.
Darin lag eben ftir Duccio ein Anreiz, die Figur ins Zeitgenossische zu
iibersetzen, und die Chlamys setzte dem geringen Widerstand entgegen,
wird sie doch von jeher in der byzantinischen Kunst einer groflflachigeren,
mehr stofflichen Charakteristik unterworfen. Die feinen Goldlinien der
Saume kehren, bald einfach geschwungen, bald reizvoll bewegt, nie scharf
geknickt, an den Gewandern Marias und — gegen alle byzantinische
Gewohnheit — Christi wieder, die in der tibrigen Faltengebung noch
aufs deutlichste ihre ungotische Herkunft erkennen lassen, sodafi vielfach
Widersprtiche entstehen. Man bemerke z. B., wie bei Christus im Ver-
hor vor Kaiphas die tiefen Langfalten den geraden Ablauf des goldenen
Saumes gar nicht brechen. Der Mantel der Gottesmutter hat sich,
an der Hauptgestalt der Ancona bereits geglattet und in grofie, ge-
schweifte Faltenztige gelegt. Nur am Boden und vor der Brust sieht
noch das goldgelichtete Gefaltel hervor, das sich an Duccios Madonna
mit vier Heiligen in der Akademie (No. 23) auch tiber den Mantel aus-
breitet. Christus gibt er es, wie schon von anderen bemerkt worden
ist,23) mit bewufiter Unterscheidung in den letzten beiden Bildern der
Rtickseite, wo er als Auferstandener erscheint. Die Annaherung der Ge-
wandung an die neue Stilrichtung wird ftir den Kunstler das Mittel, um
die gottlichen Idealtypen gleichsam zu verjlingen, wahrend seine Gestaltungs-
kraft kaum ausreichte, die Gesichtsztige in gleicher Weise umzubilden, oder
der Greis sich nicht entschlieflen mochte, mit der alteren Tradition ganz
zu brechen. So hat sogar der Gekreuzigte trotz des engen Anschlusses
an ein gotisches Vorbild (s. o.) byzantinischen Gesichtsschnitt Byzantinisch
bleibt im wesentlichen auch die Bewegung der Gestalten mit ihren leb-
haften Contraposten, ihren Kopfwendungen und der starken Gestikulation.
Das kompilatorische Verfahren Duccios macht eine strengere Pruning
des Verhaltnisses, das zwischen seinen Figuren und ihrer Umgebung be-
steht, vollends greifbar. Seine Behandlungsweise der landschaftlichen und
*3) Perat^. Gaz. des b. arts, 1893. IX. S. 198.
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104 °- WuIff:
architektonischen Szenerie ist neuerdings vortrefflich erortert worden.2^
Die Ergebnisse dieser Untersuchung konnen wir fast in alien Punkten
annehmen, ohne doch ganz in das Gesamturteil und in Kallabs Lob ein-
zustimmen. Denn es bleibt eine Reihe von Widersprlichen aufzudecken,
die er tlbersehen oder fur zu unwesentlich gehalten hat Voile Einheit-
lichkeit haben nur die Szenen, welche sich in freier Natur abspielen.
Das ist auch nicht anders zu erwarten, da Duccio nach Kallabs Nachweis
in der Gestaltung der Landschaft auf durchaus byzantinischer Grundlage
stent. Ich mochte sogar bezweifeln, dafi ihm ein betrachtliches Verdienst
an der Fortbildung des Landschaftsbildes der in Aufsicht dargestellten
Bodenstufen und Bergkuppen gebiihrt. Es besteht allenfalls darin, dafi
er diese Berglandschaft durch einen klarer zusammenhangenden Bau und
kraftigere Belichtung zu starkerer perspektivischer Wirkung erhebt Schon
die byzantinische Miniatur des 9. — 13. Jahrhunderts verstand es, die Ge-
stalten, wie z. B. bei Duccio im Gebet in Gethsemane, iiberzeugend in
den Mittelgrund hineinzustellen, 25) ja, in den Mosaiken der Kachrije-
Djami (Chorakirche) findet sich bereits eine Art perspektivischer Trennung
der Griinde (Verkiindigung an die Hirten). Duccio verwendet geschickt
die ansteigenden Bodenabsatze, so z. B. um uns bei den hochgeturmten
Gruppen in der Kreuzigung einen naturlichen Stand vorzutauschen, (was ihm
nur halb gelingt, weil er die Fufipunkte der hinteren Figuren verdeckt). In der
Regel begntigt aber auch er sich mit der »angeschobenen Bergkulisse«.
Wenn er ihr in der Komposition der Frauen am Grabe und des »Noli
me tangere« selbst asthetische Wirkungen abzugewinnen weifi, so hat er auch
darin nur das gegebene Motiv, wie den Grabesfelsen in der ersteren, zu
grofierer Bedeutung erhoben. Das einzige Beispiel, dafi er das landschaft-
liche Bild selbstandig aufbaut, bietet der Einzug Christi in Jerusalem.
Hier verfahrt er jedoch ganz anders, und das ist bezeichnend, weil es
sich dabei in der Hauptsache um eine Architekturdarstellung handelt
Besteht in der landschaftlichen Bilderreihe eine logische, wenn auch
teilweise nur fiktive Beziehung zwischen Figur und Umgebung, so ver-
schwindet diese Bildeinheit bei scharferer Beobachtung mit einem Schlage
in der weit umfanglicheren Folge der Szenen, die im Innenraume
oder vor einem architektonischen Hintergrunde spielen. Die sich bei
langerer Betrachtung immer mehr aufdrangenden Widersprliche entspringen
dem Fortschritt, der in der Wiedergabe dieser Art des Schauplatzes und
der Architektur erzielt ist. Er ist von Kallab (a. a. o. S. 35) ausgiebig be-
leuchtet worden. Kallab hat nicht behaupten wollen, dafi Duccio geradezu
»4) Kallab, Jahrb. d. K. Samml. d. Allerh. K. Hauses. 1 90 1, S. 39.
*5) Vgl. z. B. die Geburtsszene des Menol. Vrat. bei Beifiel, Vat. Miniat. Taf. XVI.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 105
der Erfinder des Systems sei, das hier durch Erweiterung und Zusammen-
fassungeinerSumme von »iiberkommenenDarstellungsmitteln« aus deralteren
Tradition »herausgehoben« erscheint. Dafi er es in der Tat nicht ist, kann
um so weniger zweifelhaft bleiben, als Kallab sicher mit Unrecht dazu neigt,
jene Elemente in erster Linie aus der byzantinischen Kunst herzuleiten.
Mit den architektonischen Hintergrunds- oder Seitenkulissen der letzteren
aber hat Duccios Biihne so gut wie nichts geinein. Hochstens Einzel-
motive wie den Akanthuskarnies (im Hause des Pilatus) u. a. m. mag er
ihr entlehnt haben. Bis zur Darstellung der Decke und damit des ge-
schlossenen Innenraumes hat es die seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts
stockende Kunstentwicklung in Byzanz selbst, wie Kallab nicht klar ge-
nug be ton t, iiberhaupt nicht gebracht Duccio hingegen lafit uns nicht
weniger als viermal in einen solchen Raum hineinsehen. Die Flucht-
linien der Decke und die seltenen des Bodens konvergieren und bringen
dem Auge die Vertiefung zum Bewufitsein, wenn auch nicht in dem vor-
gestellten Mafie und ohne dafi Horizont und einheitlicher Verschwindungs-
punkt festgelegt werden. Es ist noch fast dieselbe, in den ersten
Anfangen befangene .Raumperspektive, — ein charakteristisches und kon-
struktiv bedeutsames Motiv darin sind die Wandkonsolen — , wie sie
Giotto (bezw. der Meister der Franzlegende) in Assisi hat Die Frage,
wo ihr Ursprung liegen mag, wollen wir daher erst dort erortern. Nichts
spricht fUr ihre Entstehung auf der Grundlage der maniera greca.
In eine ganz andere Richtung weisen denn auch die viel zahl-
reicheren Szenen, in denen Duccio nur einen Teil des Schauplatzes als
bedeckten Raum, und zwar durchgehends als eine von links gesehene
offene Halle wiedergibt. Wir finden da die bis an den vorderen Bild-
rand vorgerlickten dtinnen Sttitzen, wie sie in den rein gotischen Ar-
chitekturen der Trecentomalerei schon von Giotto an typisch sind, in
Gestalt der in der italienischen Gotik so beliebten gedrehten Saulen.
Einmal (bei der Bestechung des Judas) ist es e^ne tiefer zuruckgeschobene
Pfeilerhalle mit Kreuzgewolben und daneben ein Polygonalbau, beide
wieder von durchaus italienischem Charakter. Dazu kommt, dafi die
Mehrzahl der Tiiren und Fenster bei Duccio den gotischen Spitzbogen,
seltner den Rundbogen oder einen viereckigen Rahmen aufweisen. In
der vollig nach byzantinischem Schema komponierten » Darstellung i. T.« ist
der Kuppelbaldachin zu einem gotischen Ciborium geworden. Kurz, die
gesamte Architektur tragt zeitgenossisches Geprage, auch wo sie nur Aufien-
ansichten darbietet, wie bei der Verleugnung Petri und dem Einzug des
Herrn. Da ist es freilich nicht zu verwundern, dafi die byzantinischen
Figurengruppen sich darin nicht ganz zurechtfinden und die Gebaude
gleichsam dahinterstehen. Sind es doch Gruppierungen mit engem
Repertorium fur Kunstwissenschaft, XXVIL 3
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106 O. Wulff:
flachenhaften Kontakt, den der Kiinstler nicht in ein raumliches Hinter-
einander umzusetzen wufite. Die Figuren stellen sich eben trotz ihrer
plastischen Modellierung im Grunde nicht als raumftillende Grofien dar.
Was die griechische Kunst nicht vermag, ja lange vermeidet, namlich
plastische Vorstellung durch zeichnerische Mittel der Verktirzung und
durch Wendungen zu erwecken, blieb auch Duccio mehr oder weniger
versagt. Kaum, dafi es ihm, z. B. in der Kreuzigung, gelingt, ein paar
Einzelgestalten im reinen oder noch sehr zaghaften verlorenen Profil in
Rlickenansicht von der Gesamtgruppe loszulosen. Die byzantinische Malerei
gebraucht das erstere aufierst selten und kennt das letztere so gut
wie gar nicht. Um nur die augenfalligsten aus diesen Gegensatzen ent-
springenden Ungereimtheiten hervorzuheben, so beginnt die ganze Bau-
konstruktion inanchmal erst hinter der den Vordergrund ausfiillenden
Menschenmenge, so z. B. beim Hause des Herodes, dessen Thron doch
schwerlich aufierhalb des Gemaches gedacht ist und (einseitig) ebenso bei
der letzten Verleugnung Petri. Noch ofter werden einige Figuren in un-
moglicher Weise vor jene vorderen Saulen herausgeschoben, so bei der
Verspottung Christi und der Vorfuhrung und Anklage. (s. unten) im Hause
des Pilatus. Dafi die Gruppen als Ganzes tibernommen sind, beweist vor
allem die durchaus typische Fufiwaschung, sowie das Abschiedsgesprach
mit den Elf, die mitten im Zimmer in ungleicher Hohe auf dem Boden
sitzen, offenbar weil der ganze Figurenkomplex einem griechischen Vor-
bilde, das auf bergigem Landschaftsgrunde eine ganz andere Szene (ver-
mutiich die Anrede an die Elf im Gethsemanegarten) darstellte, entlehnt
ist In beiden Fallen wiederholt sich der eben bemerkte Fehler, aber
nur auf der rechten Seite. Hauptsachlich durch das Mittel der Deckungen
und durch allerlei geschickte Griffe bemiiht sich Duccio, solche Mangel
zu verschleiern und die Raumwirkung zu verstarken, verwickelt sich aber
dabei oft in noch schlimmere Widersprtiche. Hier hangt auf einem durch
das Zimmer gezogenen Balken ein Gewandsttick, dort wird ein Sitz schrag
hingestellt, der wieder eine kleinere Gruppe deckt, wie der Thron des sein
Gewand zerreifienden Kaiphas oder das Tribunal des Pilatus, leider nur
in ganz konventioneller und auf einen anderen Standpunkt berechneter
Perspektive. Und die unglaubliche Einzwangung der Bewegungen in die
Raumlichkeit, wie bei der Handewaschung des Pilatus, wo der weit hinten
— man weifi nicht, worauf — stehende Diener ihm das Wasser um die Saule
herum iiber die Hande giefit, u. a. m. in der Geifielung und Verspottung
beweist am besten, dafi die Kompositionen urspriinglich unabhangig von
ihr und dafi ihre Figuren in viel unbestimmterer raumlicher Beziehung
zu einander gedacht waren.
Auf Duccios unverkennbare Vorliebe ftir Durchbrechungen der
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 107
Wande und Durchbliclce in Nebenraume durch offene TUren mit per-
spektivisch gesehenen Flligeln, ein byzantinisches Motiv, hat schon Kallab
hingewiesen. Die haufigste Art der Raumerweiterung durch ein an-
schliefiendes, orTenes, mitunter tieferes Gemach oder einen Hof (Geifielung,
Christus vor Herodes), dient ihm zur Unterbringung seiner figurenreichsten
Gruppen, aber diese ttirmen sich in einem Grade auf, der zu dem wenig
ansteigenden Boden in gar keinem Verhaltnis steht, ja, es widerfahrt
dem Kunstler, z. B. bei der Verhandlung des Pilatus mit dem Volke und
den daneben befindlichen Bildern, dafi nur die wenigen vornean stehenden
Gestalten Fiifie haben, obgleich die hintere Bodenlinie dazwischen
durchlauft Das ist die Folge eines bekannten byzantinischen Prinzips
des Gruppenaufbaus, das eben nicht auf klare Raumgestaltung und vor
allem nicht auf konkrete Wiedergabe der Standflache berechnet ist und
darum nie dem Augenschein so handgreiflich widerspricht Diese mit-
samt den Innenraumen und offenen Hallen ist also sichtlich hinzugefiigt
Denn Duccios Architektur beruht in ihrem konstruktiven Zusammenhange
auf dem Gestaltungsprinzip der gotischen Miniaturmalerei, auf das wir
werden zurtickkommen miissen. Er gebraucht mit anderen Worten auch
daflir fertige Grundschemata. Eine bessere raumliche Figureneinstellung
ist nur in zwei Fallen erzielt, bei der ersten Verleugnung Petri im Hofe
und beim Abendmahl, und zwar mit Hilfe von Rticken- und Profilansichten
und starker Aufsicht auf den Tisch (bezw. die Sitze), und bei der zweit-
genannten Szene weisen die Parallel en (Naumburg) und das ikonogra-
phische Motiv (s. o.) auf abendlandische Anregungen hin.
Es ist also alles in allem mehr ein Aneinanderfiigen und die aufierste
Ausnutzung der ihm gelaufigen Mittel der Uberschneidung und einiger
perspektivischer Verktirzungen, wodurch Duccio seiner unleugbaren Raum-
empfindung Ausdruck zu geben weifl, als wirkliche Raumgestaltung. Am
vollkommensten ist ihm das in der Szene des Einzugs Christi in Jerusalem
gelungen. Indem er hier die schragen Linien der Architekturen schein-
bar eine Wendung machen und den Beschauer durch das offne Stadttor
in die Strafie blicken laiit, vor der Stadtmauer im Mittelgrunde ein mit
Baumen bestandenes Sttick Felsboden ausbreitet und die Kindergruppen
darauf durch die Einfriedigung des Weges deckt, die den Vordergrund
begrenzt, iiber den Stadtzinnen endlich die feme Domkuppel zeigt, wird
der Blick wirklich von Plan zu Plan in die Tiefe gezogen. Man liber-
sieht anfangs vollig, dafi die Abstande und die Lage der aufieren und
inneren Ansichten nicht tibereinstimmen, dafi der Vordergrund von rechts
und der Mittelgrund mit dem Stadttor von links gesehen erscheint, weil
Duccio ftir die perspektivische Harmonie der Fluchtlinien die planimetri-
sche des parallelen Verlaufs der bedeutsamsten Geraden einsetzt und
8»
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108 O. Wulff:
so dem Auge eine andere Art asthetischer Befriedigung bietet. Noch
weniger wird man dessen gewahr, dafi die Bewegung der Figuren eigent-
lich doch eine friesartige bleibt und dafi das Auftlirmen der Gruppe rechts
allein den Anschein erweckt, als kame die Menge Christus entgegen den
Weg herab. Die Illusion hort dagegen sogleich auf, wenn man durch
Verdecken der tibrigen Teile einen dem ikonographischen Typus ent-
sprechenden Mittelstreifen in der Hohe des Herrn mit seinem Reittier
ausschneidet.
Das zuletzt betrachtete Bild stellt wohl die fortschrittlichste Leistung
Duccios in der Wiedergabe des Schauplatzes, wie er ihn z. T. von der
Miniaturmalerei ubernahm, und seiner Verquickung mit der griechischen
Figurenkomposition dar. Eine Fiille von Anregung ist davon ausgegangen.
So widerspruchsvoll das ganze System erscheint, so fruchtbar wurde es
als Keim einer sich daraus entwickelnden bildmafligen Darstellungsweise.
Seine Entstehung verdankt es durchaus der merkwtirdigen, empfanglichen
Natur des Kunstlers, der aus jeder Richtung die brauchbaren Elemente
herauszuholen verstand. Dafi er im allgemeinen an der byzantinischen
Ikonographie festhalt, ist begreiflich. Bot sie ihm doch zweifellos die
reichere und pathetischere Ausgestaltung der Passionsszenen. Die Uber-
einstimmungen mit dem Malerbuch (s. o.), besonders aufFallig bei der
Szene des Begrabnisses der Maria (§ 354), bei der die echt griechische
Legende jeden Gedanken an die Prioritat des Westens filr die Kunst-
darstellung ausschliefit, beweisen, dafi die Vermittlerrolle dabei nicht etwa
die griechische Miniatur, sondern die Tafelmalerei erflillt hat Mit seiner
Technik und seinem Kolorit wurzelt ja Duccio durchaus in dieser.26) Trotz-
alledem ist seine reifste Schopfung in ihrem Stilcharakter, wie in ihrer
die Mitte zwischen Ancona und Triptychon haltenden aufieren Bildform
das Ergebnis einer Kunstmischung.a7) Nur langsam mag ihn die gotische
»6) Vgl. Dobbert, Jahrb. der kgl. Pr. K. Samml. 1885, S. 163.
*7) Dobbert, a. a. O. S. 155 ff. scheint mir in der Annahme ausgebildeter gotischer
Zierformen filr das Dombild zu weit gegangen zu sein. Die nach ihm in eine oberste
Reihe zu versetzenden Apostelfiguren sind nach Perate a. a. O., I, S. 104 u. X, 177, von
der Haupttafel untrennbar. Die Hinaufrlickung der Grabtragung Marias und der Thomas-
szene erscheint fraglich und ist nicht notwendig, da die Vermehrung der oberen Bilder
auf 8 statt 7 we der durch den erhaltenen Bestand noch durch ein Zeugnis gefordert
wird. Die in der Zahlungsnotiz (Milanesi, Doc. per la storia del Parte Senese, I S. 178)
erwahnten Engel dUrften als GiebelfUllungen unmittelbar tiber dieser Bildreihe aufgesessen
haben, wie bei dem Bilde der Akademie No. 23. Dann bekommen wir eine weit einfachere
Form. Auf die Zahl von 34, die Duccio fUr 38 bezahlt werden, kommt man annahernd
(26 = 30. und 7 nebst Engeln) unter der Voraussetzung, dafi die Predella dam als noch
unberiicksichtigt blieb (s. o.), wahrend Dobberts Zahlung (die Sienes. Malerschule, S. 26
und a. a. O. S. 158) gerade der Berechnung widerspricht, nach der die gr5fieren Bilder
der RUckseite nicht filr einfach gezahlt wurden.
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Zur Stilbildung der Trecentomalcrei. 109
AufTassungsweise in ihren Bann gezogen haben. Bei der Madonna Ru-
cellai, deren Zuschreibung an Duccio heute durch archivalische Beweis-
grtinde gesichert ist (Brown, a. a. O.), lassen sich nur am Mantelsaum
und in den Blendbogen des Thrones die ersten Anzeichen davon wahr-
nehmen. Alle Bedenken, die noch Thode (a. a. O., S. 38), wie Schnaase
hier zum mindesten den Einfiufi Cimabues anzunehmen bestimmten, losen
sich unter der Voraussetzung einer solchen Entwicklung des Kunstlers.
Man versteht dann leicht, dafi Maria hier noch das gottliche Kind von
byzantinischem Kopftypus, feierlich strengem Ausdruck und z. T. byzan-
tinischer Gewandung, auf dem Dombilde dagegen einen zarten blond-
lockigen Knaben in gotischem veilchenblauen Mantelchen halt und wa-
rum hier in ihren eignen Ziigen die Schwingung der Brauen und die
Kriimmung der Nase abgeschwacht ist. Die stilistischen Differenzen der
beiden Tafeln beruhen eben nicht auf individuellen, sondern auf viel
allgemeineren Zusammenhangen. Zwischen sie schieben sich die Nummern
23 und 24 der Akademie in Siena als Mittelglieder mit wachsendem
gotischen Einflufi ein (vgl. besonders das Kind), wahrend die leider
sehr uberarbeitete Tafel No. 20 mit den drei Franziskanern (von auffallend
byzantinischem Gesichtsschnitt) wohl noch vor die Madonna Rucellai fallt.
Wie Duccio auf das Durchdringen der Gotik in der sienesischen
Malerei hemmend eingewirkt hat, das offenbart sich deutlich bei seinen
jungeren Zeitgenossen, besonders bei dem ungleich schopferischer veran-
lagten Simone Martini. Dessen fruhestes Werk, die Maesta im Palazzo
pubblico, bezeugt, dafi Simones Kunst aus einer anderen Wurzel entsprossen
ist Simone kommt aus der Miniaturmalerei, — die er, wie bemerkt,
nachweislich bis in sein Alter hinein austibt, — anscheinend unmittelbar zur
Freske. Aber Duccios Dombild hat auch auf ihn seinen Eindruck nicht
verfehlt Eine Reihe byzantinisierender Heiligennguren hat er diesem nach-
gebildet Und wenn sich bei ihm zwei durchaus verschiedene Engel-
typen nebeneinander vorfinden,2*) so gehort der eine wieder Duccios
Schule an, der andere dagegen ist nach Proportion, Gesichtsbildung und
Kostiim der gotische, wie wir ihn auch bei Giotto antreffen. Gotisch
ist aber vor allem diese hochaufgerichtete schlanke blondhaarige Madonna
selbst mit dem Schleier und der Krone und mit dem schonen Falten-
zuge im golddurchwirkten Gewande. Allein wo ist sie ein Jahrzehnt
spater geblieben? So unglaublich es scheint, so hat Simone (nicht etwa
Memmi) in der Verkiindigung der Uffizien wie in den Madonnen von Pisa
(schon 1320) und Orvieto Duccios Madonnentypus aufgenommen und
fortgebildet und nicht gerade zum Vorteil. Der ritterliche Heilige da-
*•) A. Goschc, Simone Martini, S. 17.
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IIO O. Wulff:
neben hat dieselben geschwungenen Brauen, und eine Zwitterbildung ist
nicht minder die hi. Julitta. Nicht einmal in der Verkundigung in Ant-
werpen hat sich Simone von diesem Typus befreit, ja der Engel kommt
dort Duccio noch naher. In seinen religiosen Kompositionen bewahrt
Simone hier und auf den verwandten Tafeln in Paris und Berlin 29) noch
manche andere Gestalt seines Vorgangers. Sein Gekreuzigter steht dem des
Dombildes so nahe, als ware er von Duccio selbst gemalt. Simone aber
wendet hier und ahnlich in der Kreuzabnahme auch dessen hochgebaute
Kompositionsweise auf seine eignen abweichenden Figurentypen an, ob-
gleich er es versaumt, diese Hohe der Gruppen durch Verdeutlichung
des ansteigenden Bodens zu begrlinden. Der Gesichtsschnitt Christi bleibt
derselbe auch in der selbstandiger komponierten Kreuztragung. Wie
hier die Volksmenge aus dem Tor herausdrangt, das zeigt wohl etwas
kraftigere Tiefenbewegung, was freilich drei Jahrzehnte spater nur in der
Ordnung ist. Um so auflfallender ist die miniaturenhafte, wenngleich voll-
kommen korperliche Wiedergabe des Stadtbildes. Die Gruppierung bleibt
dieselbe. Wie kommt es denn, dafi derselbe Meister in seinen friiheren
Marti nsfresken in Assisi die Gestalten viel besser hintereinander auf gleicher
Bodenhohe aufzustellen weifi, also ganz nach Giottos Art? Nicht etwa
unter dessen Anregung, sondern , augenscheinlich, weil es fur diesen Stoff
andere Vorstufen gab, und zwar Miniaturen. Daher besteht hier zwischen
Figur und architektonischer Umgebung auch ein logisches Verhaltnis.
Allerdings ist fur Simones Architekturen die nicht unzutrerTende Beob-
achtung gemacht worden (Gosche, a. a. O. S. 50), dafi die Gestalten mehr
vor diesen Hintergriinden als darinnen stehen. Duccios Verfahren ent-
spricht dem, wie bemerkt, durchaus und es erklart sich daraus, dafi fur
ihn eine Ubertragung solcher Raumdarstellung auf andere Kompositionen
so leicht moglich wrar. Die gotische Miniatur hatte eben in Italien schon
um die Wende des Ducento in der Konstruktion der architektonischen
Szene einen bedeutenden Fortschritt erzielt, aber die Einstellung der
Figur in die Tiefe war noch eine mangelhafte. Immerhin begegnen wir
in Simones Martinsfresken doch nie jenen schreienden Fehlern Duccios.
Dagegen hat er die Raumdarstellung selbst kaum erheblich vervollkommnet,
er ist vielleicht sogar mehr als Duccio auf der gegebenen Grundlage
stehen geblieben. Wir finden auch bei ihm die bis an den Bildrand vor-
geschobenen dtinnen Stutzen, die Erweiterung der Innenraume durch
einen anschliefienden tieferen Nebenraum u. a. m., kurz dieselben Sche-
mata, aber nichts wesentlich Neues.
»9) Vgl. Schubring, Jahrbuch der K. Pr. K. Samml. 1901, S. 141 flf., der sie sogar ftir
Bestandteile eines Triptychons halt.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 1 1 1
Erst die Lorenzetti nehmen Duccios Bestrebungen mit aller
Energie auf, und Ambrogio bringt sie mit einem weit besseren Verstand-
nis fur den Zusammenhang von Gestalt und Umgebung zu einem flir
seine Zeit sehr bedeutenden Abschlufi. 3°) Mit Vorliebe geben sie schrage
Straflenprospekte und statten diese ganz anders mit Motiven aus, die
der Wirklichkeit abgelauscht sind. Die Innenraume gewinnen an Tiefe
und die Figuren bewegen sich darin ohne Schranken. In einem der
Bildchen aus der Nikolauslegende (gegen 1335) in der Akademie zu Florenz
wagt Ambrogio sich sogar aus freier Anschauung heraus an das perspek-
tivische Problem der Untensicht und zeigt uns vom Standpunkt des
gleichsam in eigner Person verkleinerten und auf der vor das Bild pro-
jizierten Standflache gedachten Beschauers durchaus folgerichtig von den
hinten sitzenden Personen einer Tischgesellschaft im Obergeschofi nur
die Kopfe und die halbe Brust tiber der Tafel. Zur einheitlichen zen-
tralperspektivischen Auffassung freilich hat er es in Unkenntnis ihres
Grundgesetzes nicht gebracht Um so bewunderungswlirdiger bleibt seine
Leistung. In den Architekturen erinnert hier nichts weiter als die konven-
tionelle Durchbrechung der Vorderwand und die Einstellung eines schlanken
Saulchens in den Ausschnitt an ihre Herkunft. Mit lebendigem plastischen
Gefuhl hat Pietro oder Ambrogio 31) auch Duccios gedrangte und aufgetiirmte
Figurengruppierung in der Kreuzigungsfreske in Assisi in ein greifbares
Gettimmel von Menschen- und Pferdeleibern umzusetzen gewufit. Immer-
hin bewahren selbst die Lorenzetti in ihren religiosen Wandgemalden eine
geschlossenere Gruppenbildung. Sie mit Simone in Zusammenhang zu
bringen ist nur insofern rich tig, als auch sie zweifellos — wenn auch
vielleicht nur Pietro unmittelbar32) — aus der Miniatur hervorgehen, wo-
raus sich eine gewisse Typengemeinschaft mit jenem erklart Und sie
3°) Ftir Pietro laflt sich das um so bestimmter aussprechen, wenn ihm, wie ich
glaube, das Altarbild des hi. Augustin in Siena (S. Agostino) gehort. Nach Figuren-
bildung und Architekturkonstruktion ist es fraglos einem der Brlider, schwerlich einem
Schtiler, zuzuweisen, jedenfalls aber weder Simone noch Memmi, deren Namen bisher
dam it in Bezug gebracht wurden. Pietros Art kommen namentlich die beiden Propheten-
busten in den Zwickelmedaillons sehr nahe (vgl. die Heiligen auf der Tafel von
S. Ansano, die zwei Kleriker auf dem Bildchen der Bestatigung der Carmeliterregel in
der Akademie, sowie die »Thebais«).
31) Schmarsow, Festschr. zu Ehren d. K. hist. Inst, in Florenz, S. 154, halt an
Pietro fest (ebenso Schubring, Rep. f. K. Wiss. 1899), wahrend Dobbert, Die Sienes.
Malerschule, S. 46 ff., fttr Ambrogio eintritt. Eine zusammenfassende Untersuchung tiber
die Lorenzetti ist eine dringende und dankenswerte Aufgabe.
3*) So auch Schubring, a. a. O. S. 8, dem ich nur darin nicht zustimmen kann,
dafi Simones Architekturbehandlung im Gegensatz dazu den reinen Freskenstil vertritt.
Wenn Schmarsow, a. a. O. S. 155 betont, dafi Pietro nicht >Mtthe hat, wie der Miniator
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H 2 O. Wulff : Zur Stilbildung der Trecentomalerei.
behaupten diese Typen Duccio gegeniiber mit viel grGflerer Selbstandigkeit
Von Pietros frtihesten Madonnen geht die aus S. Ansano (1329) mit der
Maria der Maesta Simones zusammen, wahrend die der Pieve in Arezzo
(schon urn 1320) den etwas abweichenden Grundtypus derselben Gesichts-
bildung in seiner ursprtinglichen Reinheit und grdfieren Lieblichkeit dar-
stellt, die in seinen spateren Bildern in der Akademie von Siena und in
den Uffizien vielleicht unter dem Einflufi Giottos und in denen Ambro-
gios wohl in Annaherung an die Antike abgewandelt wird. Auch unrer
den mannlichen Heiligen uberwiegen bei den Lorenzetti abendlandische
Typen, die an Simone erinnern. Das griechische Element erscheint fast
abgestreift. In einzelnen Heiligengestalten der o. a. Tafeln Pietros in
Arezzo und S. Ansano ist es jedoch ahnlich wie bei Simone (in den
Tafeln zu Orvieto u. Pisa), wenngleich nur noch starker, aber in einer
schwer zu analysierenden Weise assimiliert Und in dieser Auffassung
leben die byzantinischen Ideale in der sienesischen so gut wie in der
florentinischen Kunst, in die sie z. T. aus ihr ubergehen, fort und wirken
noch bestimmend ein auf die Auswahl und Idealisierung der Modelle,
nach denen die Quattrocentisten die Apostel, den Taufer und gewisse
Heilige malen.
DieEntwickelung des malerischen Stils in Siena bis zu seiner bleibenden
Auspragung tiberblickend, erkennen wir, wie zwei Klinstlergenerationen an
dem Verschmelzungsprozefi der heterogenen Kunstformen und -prinzipien
arbeiten, die Italien im Laufe des Ducento aufnimmt Die freie Neu-
schopfung, der ktinstlerischen Phantasie der Epoche noch ein wenig ge-
wohntes Ding, gewinnt erst bei Ambrogio Lorenzetti, neben Giotto un-
bestreitbar dem Grofiten des Trecento, einen lebhafteren Zug.
die Enge seiner Anschauung zu erweitern*, — »sondern das summarische Verfahren
der Freskotechnik usw. mit der Feinheit des Tafelbildchens zu vertauschen*, so scheint
mir die zu klein geratene Hand der Altenburger Madonna ganz so wie bei Giotto (s.
Fortsetzung) doch viel eher flir das erstere zu sprechen, wahrend die Malweise allein
schwer das Gegenteil bewcisen kann.
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Die Handzeichnungen der Uffizien in ihren Beziehungen
zu Gemalden, Skulpturen und Gebauden in Florenz.1)
Zweiter Aufsatz.
Von Emil Jacobsen.
Die wichtige Gruppe von Handzeichnungen, die nachweisbare Be-
ziehungen zu bekannten Kunstwerken haben, kann uns in zweifacher
Hinsicht ntitzlich sein. Erstens, indem sie uns einen Einblick in die
Genesis der Kunstwerke verschafft, die Intentionen der Ktinstler im Ganzen
aufklart, das Wachstum oder die Entfaltung ihrer Ideen enthlillt und uns
dadurch einen wichtigen Beitrag zum vollen und tiefen Verstandnis der
Kunstwerke iibermittelt ; zweitens dadurch, dafi sie, indem die Blatter
durch ihre Beziehungen sich als echte Studien der betreffenden Meister
kundgeben, die Basis ftir unsere ganze Handzeichnungskunde bildet Nur
sind hier einige Klippen zu vermeiden, namentlich die: Nachzeichnungen
ftir Vorzeichnungen zu n eh men.
Doch auch die Beziehungen dieser Nachzeichnungen sind von keiner
geringen Wichtigkeit Sie zeigen den Geschmack des Kiinstlers, was ihn
reizte oder imponierte, die Eindrticke, die er festhalten mochte, die
Richtung seiner ktinstlerischen Tendenzen und, wo die Ricordi sich haufen,
offenbaren sie die Hauptstromungen der ktinstlerischen Impulse und zeigen
den Geschmack der Zeit. Man glaube auch nicht, es handle sich hier
nur um die kleinen KUnstler; auch die grofiten haben Ricordi gemacht.
Nicht selten werden die Erinnerungen zu Aneignungen. Bekannte
Gestalten gehen nur leicht vermummt von einem Kunstwerk zum andern
hintiber. Die Faden laufen hin und her: Einfliisse, die man sonst nicht
«) Dieser Aufsatz wurde schon im April 1903 der Redaktion dieser Zeitschrift
eingereicht. Er ist also unabhangig von dem mehrere Monate spater erschiencnen
Werk von Bernhard Berenson: The Drawings of the Florentine Painters. London,
Murray 1903. Ich bedaure, da6 es mir jetzt bei der Korrektur nur in sehr beschranktera
Mafle mttglich ist, dies grundlegende Werk zu berlicksichtigen. Ich werde doch,
namentlich wo unsere Anschauungen divergieren, darauf in den Fufinoten aufmerksam
machen.
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114 Emil Jacobsen :
ahnen wtirde, sind mit der Hand zu greifen. Dem Beschauer enthfillt
sich das ganze Kunstgewebe der Zeit gleichsam von seiner verborgenen
Seite. Man blickt hinter die Kulissen.
Dann gibt es noch Zeichnungen, die Beziehungen zu verloren ge-
gangenen Kunstwerken haben. Diese hat unsere moderne Kunstwissen-
schaft sehr wenig oder fast gar nicht beachtet, im Gegensatz zur Archao-
logie, der jede Andeutung auf untergegangene Kunstwerke, sei es auf
geschnittenen Steinen, auf Kameen, auf Spiegeln, Vasen, Mtinzen oder
anderswo, von hSchstem Werte ist Was ist hier nicht noch zu retten!
Ich komme bei meinen Untersuchungen mehrfach auf solche zu sprechen.
Aber man sollte diese Sache systematisch betreiben und die diesbezug-
lichen Angaben unserer Quellenschriften mit den Handzeichnungen in den
verschiedenen Sammlungen vergleichen. Man wird liberhaupt bald er-
kennen, dafl das vertiefte Studium der Handzeichnungen der Kunst-
forschung ganz neue Perspektive eroffnen wird.
Nachfolgende Untersuchungen bilden die P'ortsetzung oder Erganzung
zu den in meinem gleichnamigen Aufsatze vom Jahre 1898 schon ent-
haltenen. Ich habe den Gegenstand auch wohl hiermit nicht ganz erschopft,
doch hoffe ich, dati mit meinen Beziehungen, welche ich auf mehr als
das Doppelte gebracht habe, von dem was friiher bekannt war, das Wesent-
lichste getan ist. Einige Zusatze zu den Notizen meines friiheren Auf-
satzes, sowie Berichtigungen von einigen Angaben, die mir jetzt nicht
mehr haltbar erscheinen, teile ich in untenstehender Note mit. In mehreren
Fallen sind auch die Rahmen und Nummern geandert worden, was eben-
falls unten angegeben ist
Denjenigen, die meinen friiheren Aufsatz flir das Studium der Hand-
zeichnungen benutzen wollen, kann ich nicht genug empfehlen, zuerst
diese Note zu berlicksichtigen2.)
») Die voranstehenden Nummern beziehen sich auf die laufenden Nummern in
meinem friiheren Aufsatz.
1. Die leichte Skizze eines Apollo, offenbar aus dem 16. Jahrh., macht auch die
Echtheit unserer Studie verdachtig. Wahrscheinlich Kopie.
5. Ahnliche Engel tummeln sich auch oben in der »Geburt Christie der National
Gallery. In Nr. 187, Rahmen 55 glaube ich eine nicht erkannte Studie zu diesem
beriihroten Bilde nachweisen zu konnen. Die Zeichnung stellt drei aus einem Buch
singende Engel dar, wie sie im Bilde auf dem Dach der Htitte erscheinen. Dort
schweben sie, wahrend sie hier knieen. Der Meister hat sie wohl erst schwebend gedacht.
8. Die Zeichnung ist nicht von Rafael lino del Garbo. Sie hat nach meiner
jetzigen Ansicht keine Beziehung zu seiner Auferstehung (wie es vom Katalog und mir
selbst angenommen worden), dagegen zu einem umbrischen, dem Perugino nahestehen-
den Bilde im Besitze des F. A. White Esq. (ausgestellt in der New Gallery 1893). Die
schlafende Figur rechts kommt im Bilde genau so vor.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 1 1 5
15. Die Auffindung des Skizzenbuches Soglianis hat hier Klarung gebracht.
Nicht allein gehSrt ihm die auch jetzt vom Katalog unter dem Naraen »La vergine che
da la cintola a S. Tommaso* Nr. 178 angefUhrt ist, sondern meiner Ansicht nach auch
jedenfalls der obere Teil von der dem Fra Paolino inttimlich zugeschriebenen, sehr uber-
malten Assunta, Nr. 1 74. Die Zeichnung ist jedoch ganz ohne Beziehung zu diesen Gemalden.
24. 25. 26. Nach meiner jetzigen Ansicht Nachzeichnungen nach Skulpturen auf
dem.Grabmal von S. Pietro in Rom.
27. Von Giovanni Antonio da Brescia.
28. Lies Rahmen 43.
29. Diese Zeichnung weicht namentlich in der Beinstellung des Bambino vom
Uffizienbild ab und hat in dieser Hinsicht groflere Ahnlichkeit mit dem Schulbild in der
kleinen Galerie der »Innocenti«. Es ist also keine Kopie nach jenem Gemalde, wahr-
scheinlich Kopie dagegen nach einem, wohl nicht mehr existierenden Entwurf von Fra
Filippo Lippi. Da die Technik nicht wie angegeben Silberstift, sondern Bleistift ist,
mufl sie frilhestens aus der letzten Halfte des 16. Jahrhunderts stammen. Dafl eine
Falschung beabsichtigt war, ist mtfglich, aber nicht zu beweisen.
30. Kopie.
34. Schule Ghirlandajos. Zu vergleichen mit einem vom Rttcken gesehenen
J tingling ira Fresko »Zach arias schreibt den Nam en « in S. Maria Novella.
37. Hier findet sich auch ein Ricordo nach Uccellos Schlachtenbild in den Uffizien:
das nach hinten ausschlagende Pferd. Andere Studie im Louvre.
40. Lies Nr. 494.
41. 42, 43. Konnen auch Beziehungen haben zu der grofien »Thronende Ma-
donna* im Pitti.
48. Lies Rahmen 127.
49. 50. Gehen aus. Siehe dagegen Nr. 40 und 84.
51. Kopie nach dem Bilde, doch kaum wie B. Berenson meint von Sogliani zu
seinem Bild in San Niccolo del Ceppo. Zu diesem befindet sich namlich eine echte,
dem Fra Bartolorameo irrtUmlich zugeschriebene Studie in der Albertina, sowie andere
hier in den Kartellen.
52. Jetzt richtig als Granacci ausgestellt.
57. Die Beziehung, vom Katalog angenommen, kann ich nicht mehr zugeben.
59. Nicht Perugino.
60. Kopie. Ich nenne hier eine dem Palma Giovine zugeschriebene Version
(Nr. 1872) nach dem Bilde. Feder.
70. Lies Rahmen 479 Nr. 793.
81. Diese Vermutung wird durch eine auf einem Arazzo im Museo Civico zu
Pisa sich befindende mit unserer Zeichnung tibereinstimmende »Pallade* bestarkt. Vgi.
die Abbildung in Miscellanea d'Arte 1903 Heft VIII.
85. Kopie.
86. 91. 92. Auch Beziehungen zu den Heiligen Familien in der Galerie Corsini
in Rom und in der Coll. Cook zu Richmond. Scheint jedoch Kopie nach einem dieser
Bilder.
95. Lies Andrea del Sarto. Kopie nach einer Zeichnung.
106. 107. 108. Wahrscheinlich Kopien von Gianicola Manni.
110. Lies Rahmen 260. — 122. Lies Nr. 609. '
124. Das Gemalde, jetzt in den Uffizien, gehort in die Schule von Botticelli.
125. Lies Nr. 557. Kopie, wahrscheinlich von Fra Paolino. Ich nenne hier
noch einige Rotelkopien nach. dem Fresko Nr. 6784 und 6785.
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1 1 6 Emil Jacobsen :
Handzeichnungen zu Gemalden in der Akademie.
Albertinelli: Verkiindigung. Nr. 169.
205 (Rahmen 133 Nr. 453). Zwei Studien zu einer Verkiindigung
mit begleitenden Engeln, dem Fra Bartolommeo mit Recht zugeschrieben
(Braun Nr. 60), 3) aber von Albertinelli als Vorlage fiir das obengenannte
Bild benutzt. Fiir den Gabriel hat er sich wohl auch an eine schone
Studie von Fra Bartolommeo angelehnt (Rahmen 109 Nr. 462), die vom
Katalog irrtiimlich in Beziehung zum Verktindigungsengel im kleinen
Altarchen in den Uffizien gesetzt wird, wie ich es schon in meinem
friiheren Aufsatz bemerkt habe.
Fra Bartolommeo. Madonna mit dem Kinde. Nr. 171.
206 (Nr. 6837). Schwarzkreidestudie zum Bilde.
Fra Bartolommeo: Erscheinung der Madonna vor S. Bern-
hard Nr. 66.
207 (Rahmen 553 Nr. 1780). Grofie Kartonzeichnung der Hiero-
nymus und Johannes. Die Beziehung ist nicht ganz sicher, doch wahr-
scheinlich, nur befremdet die Grofie der Figuren. Schwarzkreide, weifi gehoht
Botticelli: Thronende Maria. Nr. 85.
208 (Rahmen 54 Nr. 202). Draperie befestigender Engel.
Studie fiir den Engel rechts. (Braun Nr. 132.) Im Bilde ist nur Kopf
und Arm sichtbar. Feder getuscht, weifi gehoht. Dieselbe Studie ist
wohl noch benutzt zu dem draperiebefestigenden Engel in der » Madonna
mit Engeln« in der Ambrosiana zu Mailand. Die Beziehungen nicht
vom Katalog erwahnt.
Botticelli: Allegorie des Frtihlings. Nr. 80.
209 (Rahmen 74 Nr. 159). Filippino zugeschrieben. Auf diesem
127. Lies Rahmen 104. — 132. Lies Rahmen 104. — 135. Kopie. — 138. Nicht
von Andrea del Sarto. — 143. Ist jetzt ausgestellt. — 147. Lies Rahmen 152. — 151. Hat
keine Beziehung zu der Vorhalle der Annunziata. Ist tiberhaupt abweichend. Ist sie
Friihwerk wie Berenson meint? Die Architektur ist sehr Bramantesk, andererseits finden
sich merkwUrdige Anklange, namentlich im Landschaftlichen an Cesare da Sestos An-
betung der Kbnige in der Galerie zu Neapel, sowie auch an die aus der Werkstatt
Signorellis stammende Anbetung der KOnige im Louvre, hier auch im Figtirlichen. —
153. Lies Rahmen 67 Nr. 129. — 156. Spate Kopie. — 158. Lies Rahmen 152.
176. Nach meiner jetzigen Ansicht von Piero di Cosimo, dessen Zeichnungs-
weise, wie schon Morelli bemerkt hat, grofie Ahnlichkeit mit Ghirlandajo hat
177. Lies Nr. 294.
181 — 183. Das Original Pontormos, worauf diese Studien sich beziehen, befand
sich in der Coll. Doetsch. Das Altarbild in San Michelini in Visdomini, wenn auch
allgemein als Original betrachtet, ist eine auf Papier gemalte Kopie.
187. Nicht ausgestellt.
203. Diese interessante Zeichnung ist nicht langer ausgestellt.
3) Braun wird immer hier nach dem Katalog 1887 zitiert.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 1 1 y
Blatt sieht man eine Figur, die als eine Studie nach dem Merkur, wenn
auch im Gegensinn erscheint Von einem von Filippino stark beeinflufiten
Schtiler oder Nachahmer Ghirlandajos, dem auch die mannlichen stark
an Filippino anklingenden Aktstudien in Rahmen 72 und 73 zuzuschreiben
sind. Silberstift, weifi gehoht auf grauem Papier. 4)
Cigoli: Martyrium des hi. Stephanus. Nr. 206.
210 (Rahmen 547 Nr. 828). Grofier Karton zu diesem Bilde.
Aquarell. Zwei Federzeichnungen habe ich schon in meinem frtiheren
Aufsatze erwahnt Nr. 995, 998, 1003 (getuschte Federzeichnungen,
sind die ersten flUchtigen Entwtirfe zu diesem umfangreichen Gemaide,
dessen Entstehung wir vom ersten Keim durch sechs verschiedene Skizzen
und Vorlagen belauschen konnen.
Lorenzo di Credi: Anbetung der Hirten.
211 (Nr. 14518). Kopie nach dem rechten Teil. Feder getuscht
Agnolo Gaddi zugeschrieben : Grofies Poliptychon. Nr. 127.
212 (Nr. 1). Wie ich mich jetzt iiberzeugt habe, Kopie nach dem
Tempelgang Marias aus der Predella zum obengenannten Altarwerk.
Feder getuscht. Die Zuschreibung des Altarwerkes geht auf Vasari zurtick.
Der Vergleich mit seinen Fresken in Santa Croce und im Dom zu Prato
laflt jedoch die Zuschreibung als zweifelhaft erscheinen. Diese Ankona
scheint vielmehr von dem Meister zu sein, der das Triptychon in den
Uffizien N. 26, bezeichnet Bernardus de Florentia gemalt hat Vielleicht
ist dieser identisch mit Bernardo Daddi.
Dom. Ghirlandajo: Anbetung der Hirten. Nr. 195.
213 (Rahmen 93 Nr. 431). Kopf der hi. Jungfrau. Lionardo
mit Fragezeichen zugeschrieben. Vorzeichnung ftir den Kopf der Maria
in obengenanntem Bilde. Die Beziehung, die, soviel ich weifi, nicht fruher
erkannt worden ist, ist wichtig als Beweis fiir die Richtigkeit der Ansicht
WickhofTs, nach welcher einige der bekannten Draperiestudien von genau
derselben Technik Ghirlandajo und nicht Lionardo zuzuschreiben sind.
Leinwand. Aquarell, weifi gehoht. 5) (Braun Nr. 432, Brogi Nr. 1873.)
Dom. Ghirlandajo: Thronende Madonna. Nr. 66.
214 (Rahmen 58 Nr. 285). Studie zum Kopfe der Madonna. Auch
nicht frfiher erkannt Silberstift, weifi gehoht, gelbliches Papier. (Braun
Nr. 248.)
Fra Filippo Lippi. Anbetung des Kindes Nr. 82.
215 (Rahmen 68 Nr. 157). Knieende Maria, das Kind an-
betend. Feder, weifi gehoht auf braunem Papier. Filippino Lippi zu-
4) Nach Berenson David Ghirlandajo.
5) Berenson, der die Beziehung nicht erkannt hat, schreibt das Blatt dem soge-
nannten Tommaso zu.
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jig Emil Jacobseh :
geschrieben. Diese Gruppe kommt genau so vor in der Geburt Christi
von Fra Filippo Lippi, Nr. 88 in der Akademie. Auch der felsige Hinter-
grund ist angedeutet. 1st sie eine Vor- oder Nachzeichnung ? Die Figur
Marias erscheint plumper und breiter als auf dem Gemalde. Ich bemerke,
dafi die Gruppe auch mit dieser Hauptgruppe in einem ganz ahnlichen
Bilde der Berliner Galerie tibereinstimmt Pesellino hat in seinem hiesigen
Predellenbild in der Nativita das Christkind, wie es auf dem Gemalde
und in der Zeichnung erscheint, mit geringer Anderung benutzt Es ist
auffallend, dafi die Beziehung zum Bilde bis jetzt nicht erkannt worden ist6)
Michelangelo: David.
216 (Nr. 18734). Leicht hingeworfene Skizze eines linken Armes.
In der Hand ein Stein. Der korrespondierende Arm der Statue ist der
rechte. Ein Wachsmodell in Casa Buonarroti zeigt jedoch, dafi Michel-
angelo erst umgekehrt verfahren wollte. Riickseite: Korperstudie, Schwarz-
kreide. (Vergleiche: Rivista d'Arte 1904. Heft II. Nuovi disegni sconosciuti
di Michelangelo. Von P. N. Ferri und Emil Jacobsen.)
217 (Nr. 5 23). 7) Studie nach der Statue von Band inelli mit meh-
reren Versionen und anderen Figuren. Feder. Eine andere Studie habe
ich friiher erwahnt Hier sind noch eine Rotelstudie, dem Pontormo
irrttimlich zugeschrieben, Nr. 6634 und eine andere nach den Beinen
Davids, Schwarzkreide, Nr. 158 12, zu nennen.
Thronende Madonna mit Heiligen. Nr. 170. Fra Paolino
zugeschrieben.
218 (Rahmen no Nr. 1285). Weibliche Heilige in Profil, gegen
links gewandt, von Fra Bartolommeo. Das genannte Altarbild ist eine
Kopie, wahrscheinlich von der Hand Fra Paolinos, von der bertihmten
thronenden Madonna in der Louvregalerie, was seltsamerweise Von den
beiden respektiven Galeriekatalogen unerkannt geblieben ist Die Zeichnung
hat also Beziehung zu dem Bilde in der Louvregalerie und nur eine in-
direkte zu der Kopie in der Akademie. Schwarzkreide, weifi gehoht und
quadriert (Braun Nr. 78. Brogi Nr. 1938.) Andere kleinere Studie zu
derselben Figur in den Kartellen Nr. 371. Schwarzkreide. Die Be-
ziehung Nr. 1285 zu dem Louvrebild nicht friiher erwahnt8)
6) Die Zuschreibung an Neri die Bicci seitens Berenson hat mich nicht iiberzeugt.
7) Wo kein Rahmen angegeben, ist die Zeichnung nicht ausgestellt. Die Nummein
der Kollektion Santarelli haben ein S zugefttgt, die Architektur und Omamentbiatter
respektive ein A und ein O. Diese beiden letzten Kategorien sind nur ausnahmsweise
beriicksichtigt.
8) Es gibt hier viel mehr Studien zu Gemalden im Louvre als diejenigen, die
vom dortigen Katalog genannt werden. Auf einige komme ich im Laufe meines Auf-
satzes zu sprechen. Ein interessantes Blatt mochte ich jedoch hier nennen. Es findet
sich im Rahmen 59 unter Nr. 288 und stellt zwei Engelkopfe dar. Es wird dem
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc 119
Fra Paolino: Beweinung Christi. Nr. 176.
219 (Nr. 6846). Schwarzkreidestudie zum Bilde.
Perugino: Beweinung Christi. Nr. 56.
(Rahmen 170 Nr. 127F.) Granacci: M&nnlicher Kopf. Dieser
Kopf scheint auf Perugino zuriickzugehen. Der hi. Greis rechts im oben-
genannten Bilde hat vielleicht als Vorbild gedient. Doch kommen bei
Perugino solche Greisenkopfe in vielen Gemalden vor.
Perugino: Christus im Olgarten. Nr. 53.
220 (Rahmen 1O4 Nr. 553). Auf der Vorderseite dieses Blattes die
schon erwahnte geistvolle Kopie (nicht Studie) nach der Heimsuchung
Albertinellis in den Uffizien. Vergleiche Nr. 51 Note 1. Diese Annahme
wird dadurch bestarkt, dafi auf der Riickseite sich ein anderer Ricordo
namlich nach obenstehendem Bilde befindet (Vorderseite Braun Nr. 1.
Brogi Nr. 1820.)
Pesellino: Predella. Nr. 72.
221 (Nr. 689 S). Enthauptung eines Heiligen. Kopie nach dem
Martyrium von S. S. Cosimo und Damiano. Wahrscheinlich von Rosso
Fiorentino. Rotel.
Jacopo Pontormo: Kreuzabnahme. Nr. 183.
222 (Nr. 66 11). Skizze fiir die Christusngur. Schwarzkreide.
223 (Nr. 6670). do. Rotel.
224 (Nr. 6689). do. Rotel.
225 (Nr. 15 661). do. Schwarzkreide.
Jacopo Pontormo: Christus in Emmaus.
226 (Nr. 18508). Ricordo nach dem Bilde, wahrscheinlich aus dem
17. Jahrhundert. Bleistift mit Bister getuscht Von dem Bild gibt
es im Palazzo Vecchio eine Wiederholung von Rosso, die in eine Serie
von Passionsgeschichten gehort, welche ich schon in meinem Aufsatz tiber
die Louvregalerie erwahnt habe.
Andrea del Sarto: Vier Heilige. Nr. 76.
227 (Rahmen 160 Nr. 640). M£nnlicher Kopf, nach links gewandt
Studie zu einem der Heiligen. Schwarzkreide. (Brogi Nr. 1734.)
228 (Rahmen 149 Nr. 293 F). Rotelstudie fur die Hande von einem
der Heiligen.
Andrea del Sarto: Predella. Nr. 77.
229 (Rahmen 154 Nr. 281 F). Frau mit einem Teller. Nicht,
Ghirlandajo zugeschrieben ist aber von Bastiano Mainardi und zwar Studie zu dem
bekaixnten Marienbild Nr. 1367. Wiederholungen dieses beliebten Bildes in der Neapler
Galerie bei dem FUrsten Lichtenstein und anderswo. Auf der RUckseite ein Christuskopf.
Auf dies seltene Blatt und seine Beziehung machte ich schon in einer Sitzung des
Kunsth. Institut in Florenz, den 19. Mai 1903 aufmerksam.
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120 Emil Jacobsen:
wie angegeben, Studie ftir die Salome in der Hinrichtung Johannis im
Scalzo, sondern vielmehr eine Nachzeichnung und vielleicht eher von der
Figur in obengenannter Predella als von der im Fresko. Der Katalog
bemerkt nicht und es scheint auch sonst nicht bekannt, dafi das Predellen-
sttick die Komposition im Scalzo genau wiederholt. Diese Zeichnung
wurde vielleicht benutzt fur den Arazzo mit der Scalzodarstellung, welche
im grofien Saale des Pal. Vecchio hangt Die Salome dort weicht von
dem Fresko ab. Schwarzkreide. (Nach Berenson von Sogliani, was ich
nicht zugeben kann.)
Sogliani: Himmelfahrt Marias. Nr. 178.
Schwarzkreide,
weifi gehoht
230 (Nr. 1 7 046). 9) Studie zu Johannes dem Taufer
231 (Nr. 6794). do.
232 (Nr. 6840). do.
233 (Nr. 17020). do. Rotel.
234 (Nr. 17031).^ Vielleicht Studie zu San Giovanni Gualberto
2 35 (Nr. 6835). / unc* San Jacopo. Schwarzkreide.
Hof der Akademie.
Michelangelo: Der Evangelist S. Matthaus.
236 (Rahmen 147 Nr. 233 F). Michelangelo mit Fragezeichen zu-
geschrieben.
Auf diesem Blatt mehrere Studien: ein Apostel in Profilstellung
(Feder), scheint Kopie nach einer Studie zu obengenanntem Bildwerk in
der Malcolm Collection im British Museum. Eine nackte mannliche
Figur (Schwarzkreide), eine andere kleinere (Feder) scheinen auch Kopien
zu sein. Zweifelhafter ist es, ob dies auch der Fall sei mit den ganz
kleinen Federskizzen zu einer sitzenden Madonna, die das stehende Kind
zwischen den Knien halt Diese haben nicht, wie allgemein angenommen
wird, Beziehung zu der Madonna in Brtigge, sondern zu einer anderen
von dem Meister geplanten Madonna fiir das Doppeldenkmal der Medici.
Siehe die Kopie nach einem Entwurf Michelangelos in der Albertina
(Alb. Publ. Nr. 861) und eine andere in den Uffzien. Es gibt Beispiele,
dafi auf ein Blatt mit echten aber unscheinbaren Studien, Kopien von
anderer Hand hinzugeftigt werden, vielleicht in der Hoffnung, dadurch
dem Blatt grofiere Importanz zu verleihen.
237 (Nr. 18729). Michelangelo. Si tzende, nackte Figur, welche
den stark gekiirzten rechten Arm in die Hohe hebt, wahrend sie mit der
9) Ich bemerke, dafi die Nuramern von 16989 bis 17077 im neuentdecktcn
Skizzenbuch sich befinden. Fiir die Beziehungen der im Buche enthaltenen Studien bin
ich Professor Ferri zu grofiem Danke verpflichtet. Er hat mir mit der Feststellung der-
selben mit grofler Einsicht vorgearbeitet.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 121
Linken einen* Gegenstand, wahrscheinlich ein Buch halt, das auf ihrem
Knie ruht Schwarzkreide.
Diese Zeichnung gehort in die, sowohl in der Tagespresse wie in
den Kunstzeitschriften vielfach erwahnte Serie unbekannter Blatter von
Michelangelo, die es mir, in gemeinsamer Arbeit mit dem verdienstvollen
Leiter des Florentiner Kabinetts Prof. P. N. Ferri gelungen ist, in der
Uffiziensammlung nachzuweisen. Wir haben im ganzen 18 Blatter mit
etwa 60 Studien publiziert Siehe: Disegni sconosciuti di Michelangelo.
Miscellanea d'Arte 1903 Nr. 5 — 6 und ferner: Nuovi disegni sconosciuti
di Michelangelo. Rivista d'Arte 1904 Heft II. Diese Zeichnungen, die jetzt
alle offentlich ausgestellt sind, befanden sich noch vor einigen Monaten
zum grofien Teil in einer Mappe mit der Aufschrift: Disegni di Figura
di poco conto, andere in Kartellen mit den Aufschriften : Copie da An-
drea del Sarto und Copie da Michelangelo. Dieser Fund dtirfte um so
grofieres Interesse haben, als von dem frtiheren Bestand nur zwei oder
drei Blotter mit Sicherheit als echt bezeichnet werden konnen.
Die obengenannte Zeichnung ist vielleicht eine Studie zu S. Mat-
thaus, dem einzigen der zwoif Apostel, welchen Michelangelo, wenn
auch in unfertigem Zustand hinterlassen hat. Andererseits hat die Be-
wegung der Figur viel Analogie mit einem Moses im Begriff die Tafeln
zu zerschmettern. Hiertiber vergleiche: Appendice all articolo: Disegni
sconosiuti di Michelangelo. Rivista d'Arte II p. 37.
Handzeichnungen zu Gemalden und Skulpturen in den
Uffizien.
Albertinelli: Heimsuchung. Nr. 1259. (Predella.)
235 (Rahmen 135 Nr. 465). Dem Fra Bartolommeo zugeschrieben.
Es scheint bis jetzt nicht bemerkt worden zu sein, dafi diese Zeichnung
Entwurf zu einem der Predellenbilder, namlich zu der »Darstellung im
Tempel« von obengenanntem Bilde ist und zwar zu der ganzen zentralen,
aus sieben Personen bestehenden Komposition. Der Oberpriester tragt
in der Zeichnung keine Tiara. Auch fehlt der links hineilende Engel
mit dem Rauchgefafi, dagegen befinden sich rechts auf der Zeichnung
zwei Engel, die nicht in der Predella vorkommen. (Braun Nr. 1 1 3.) Alber-
tinelli hat hier eine Skizze von seinem Compagno verwertet
Ich mochte hier auf eine grofiere Anzahl leicht hingeworfene an-
mutsvolle Federzeichnungen von einem ganz eigentiimlich weltlichen, ja
koketten Charakter aufmerksam machen. Sie sind alle trotzdem dem
frommen Monch zuzuschreiben. Mehrere dieser stellen Christus mit der
Samariterin dar, so Rahmen 128 Nr. 491 (Brogi 1990); Rahmen 131
Repertorium fur Kunstwissenschaft, XXV1L q
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122 Emil Jacobsem
Nr. 1205 (Brogi 1993); Rahmen 136 Nr. 1139 (Br°g* I991);10) andere
Engelsreigen, Rahmen 135 Nr. 1203; Anbetung des Kindes, Rahmen 136
Nr. 480. Man konnte den Klinstler, wenn man seinen Namen nicht
wiifite: »Meister der aufgebundenen Draperien« taufen, denn alle die dar-
gestellten hlibschen Frauengestalten haben ihre weitlaufigen Gewandungen
kokett in einem Knoten aufgebunden. Morelli glaubt in diesen Studien
Friihzeichnungen des Frate zu erkennen. Es gibt jedoch in unserer Samm-
lung ein merkwtirdiges Blatt, Rahmen 109 Nr. 1269 (Braun 100, Brogi
1 947), welches zeigt, dafi er in seiner Jugend ganz so ktthn und breit
gezeichnet, wie in seiner spateren Zeit Diese Zeichnung stellt ein Baccha-
nal oder genauer, eine Anbetung der Venus dar, die so, wie Tizians Dar-
stellung, an die sie erinnert, auf die »Gemalde« des Philostratus zurtick-
geht Diese sinnlich ausgelassene Skizze ist doch zweifellos in einer
Epoche geschaffen, die derjenigen vorangeht, in welcher Savonarola seinen
Einflufi auf ihn 'austibte. Eine frUhe Zeichnung ist auch die in grofiem
und breitem Stil entworfene Studie zum Christus in dem von Albertinelli
vollendeten Jtingsten Gericht (Rahmen 109 Nr. 455). Wir konnen hier-
durch feststellen, dafi Bartolommeo in derselben Epoche beide Stilarten
angewendet hat, so dafi seine Frlihzeit durch jene feine Manier nicht
besonders charakterisiert wird.
Man kann nicht leugnen, dafi diese ganze Serie von leicht hin-
gezeichneten, graziosen, ja mitunter frivolen Federzeichnungen bei dem
Meister, der uns sonst durchgangig durch Ernst und Wucht imponiert,
etwas hochst Uberraschendes hat. Ja, sie bieten uns ein psychologisches
Problem, dessen Klarung bis jetzt noch nicht einmal versucht worden ist.
Auf Albertinelli haben diese Zeichnungen den grfcfiten Einflufi gehabt
Mehrere hat er ftir seine Gemalde benutzt. Ich habe schon, aufier der
oben angegebenen, ein Blatt, worauf zwei Studien zu Verktindigungen mit
begleitenden Engeln ftir seine Verkiindigung in der Akademie genannt.
Siehe Nr. 205. Namen tlich die obere Studie stimmt genau mit der un-
gewohnlichen Komposition uberein. Ich fuge noch hinzu, dafi die Kopf-
typen genau mit denen bei Albertinelli libereinstimmen. Man vergleiche
den Madonnenkopf auf Nr. 479 (Rahmen 136) mit der hi. Barbara im
Altarwerke im Museo Poldi, den Kopf des knieenden Gabriel auf Nr. 453
(Rahmen 133) mit dem der hi. Katharina auf demselben Altarchen. —
Endlich bemerke ich, dafi ich unter den dem Fra Bartolommeo zu-
geschriebenen feinen Federzeichnungen unter Nr. 452 in Rahmen 135 zu
meiner nicht geringen Uberraschung die genaue Vorlage ftir Bacchiaccas
*°) Eine hierhergehtfrige Studie im Mttnchener Kabinett. Reproduziert in »Hand-
zeichnungen alter Meister in Mtlnchen« Blatt 115.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 123
Anbetung der Kfcnige in der Galeri Crispi gefunden habe. Hier hat
Bacchiacca, statt Lucas van Ley den zu kopieren, eine Zeichnung des
Frate sich angeeignet und genau in seinem Gemalde reproduziert
Es gibt auch hier eine Reihe Federzeichnungen von Fra Barto-
lommeo von einem wesentlich verschiedenen Charakter, indem sie sich in
Freiheit, Breite und Grofie seinen Schwarzkreidestudien nahern. Eine leichte
Federskizze dieser Art habe ich schon in meinem vorigen Aufsatz erwahnt,
Rahmen 132 Nr. 1239 (Brogi 1974). Ich ftige hier hinzu, dafi sich auf
dieser Skizze hinter der Magdalena noch eine Gestalt erhebt und zwar
eine weibliche, die sich auf dem Gemalde nicht findet. Nach Vasari be-
fanden sich urspriinglich zwei stehende Figuren auf dem Bilde, die jetzt
nicht mehr da sind: die Apostel Petrus und Paulus. Das stimmt nicht
mit der Skizze; der Maler kann jedoch spater seine ursprtingliche In-
tention geandert haben.11) Das Gemalde wird sehr bewundert und ge-
wifi mit Recht zu den empfundesten und grofiartigsten Schopfungen des
Meisters gerechnet Aber nach Vasari ist das Werk nur dem Entwurfe
nach von Fra Bartolommeo, die Ausfuhrung dagegen von Bugiardini.
Darauf hat man sehr wenig Acht gegeben. Hochstens werden die zwei
Figuren, die nicht mehr da sind, auf seine Rechnung gesetzt Am
liebsten m6chte man ganz ignorieren, dafi dieser unbedeutende Maler,
dem Vasari recht eigentlich die Rolle des Hanswursten unter den Malern
spielen lafit, Anteil an dem schonen Gemalde haben konnte. Und doch
hat er es gehabt In der Gewandung Magdalenas, die einen so grofien
Platz im Bilde einnimmt und auch in der des Johannes begegnet uns
ein kaltes Rot und kleinliches Gefelt, das dem Frate fremd, aber
charakteristisch fur Bugiardini ist11)
Federigo Baroccio: Madonna del Popolo Nr. 169.
239 (Nr. 10950). Echte Studie zu der Gruppe links unten. Ge-
nannt Kopie nach RafTael von einem Anonimo del Secolo XVII.
240 (Nr. 4293). Ricordo nach demselben Teil. Schwarze und
rote Kreide. 17. Jahrhundert
Fra Bartolommeo: Thronende Maria. Grofies Chiaroscurobild.
Nr. 1265.
241 (Rahmen 119 Nr. 478). Uberlebensgrofier Kopf der Ma-
") Es dtlrfte nicht bekannt sein, dafi in der Kommunalgalerie zu Prato in einem
Nebensaal eine grofie Kopie nach dem Bilde, wie es ursprflnglich aussah, sich befindet.
Hier sieht man beide Gestalten sich ttber die Grappe neigen.
n) Der grttfite Teil, der in den Uffizien sich befindenden Zeichnungen von Barto-
lommeo, befand sich einst in Skizzenbiichern, die in dem Inventar der beim Tode des
Krate hinterlassenen Gegenstande genannt werden. Siehe F. Knapp: Fra Bartolommeo
della Porta. Halle 1903, S. 275.
9*
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124 Emil Jacobsen:
donna. Scheint Studie sowohl fiir die Madonna hier, wie in der grofien
Thronenden Madonna im Pitti. Schwarzkreide. Die vielen Studien, die
auf eininal sowohl zum Altarbild hier, wie zu dem im Pitti Beziehung
haben, deuten darauf hin, dafi die beiden Gemalde in der namlichen
Epoche entstanden sind. Schwarzkreide. (Braun Nr. 106, Brogi 1934-)
242 (Ramen 117 Nr. 517). Studie zum Heiligen aufierst links, an-
geblich Bildnis des Fra Angelico. Schwarzkreide, weifi gehoht. (Brogi 1748.)
243 (Nr. 413). Studien zu Engelkindern. Rotel. Andere Studien
in Miinchen.
Fra Bartolommeo: Altarchen. Nr. 1161.
244 (Nr, 17075). Studie nach der Verklindigung von Sogliani. Das
Altarchen, jetzt ein Diptychon, bildete ursprunglich die Fltigel eines
kleinen Madonnareliefs von Donatello und wurde Vasari zufolge von
Piero del Pugliese bei dem Frate bestellt Es wird allgemein als ein
ausgezeichnetes Miniaturwerk des Meisters bewundert Es fragt sich, ob
della Porta tiberhaupt zur Miniaturmalerei angelegt war; weder seine
sicheren Zeichnungen noch seine Gemalde lassen darauf schliefien. Sein
Compagno Albertinelli war es dagegen und in hohem Grade, was schon
sein Altarchen im Museo Poldi-Pezzoli beweist Dieser mufi sich auch
intensiv mit dem Werkchen beschaftigt haben, denn was alles hat er nicht
daraus geschopft Der Vorgang von der Darstellung im Tempel wiederholt
sich ziemlich genau, nur umgekehrt, in der Predella der Heimsuchung;
da begegnet uns auch derselbe Typus der Madonna (mit Stirn und Nase
in einer Linie), ebenfalls der des plumpen grofikopfigen Bambino. Die
Landschaft in der Geburt Christi hat ganz denselben Charakter wie die
Landschaft in der Nativita von der Predella, ebenso auch wie im Tondo
mit der Heiligen Familie Nr. 365 im Pitti. Die beiden Engel hinter
Maria in ihrer gegenseitigen Haltung, Front- und Profilstellung sind ganz
so wie in der Verklindigung in der Akademie. Endlich erblickt man
auf den Grisaille-Darstellungen der Innenseite die offene Tiir im Hinter-
grund, die einen nicht fehlenden Zug bei den Verkundigungen Alberti-
nellis bildet; auch ist die Stellung der Jungfrau fast ganz dieselbe wie
in der Verklindigung in der Akademie, nur dafi sie in dem einen Biide
vor, in dem andern hinter dem Betstuhle steht. Ich bemerke noch, dafi
ahnliche Miniaturwerke mir zwar von Albertinelli, aber nicht von dem
Frate bekannt sind. Verkundigungen waren fur Albertinelli recht eigent-
lich Spezialitat; dagegen hat Fra Bartolommeo, soviel ich weifi, nie eine
eigentliche Verklindigung gemalt (die im Louvre ist, wie bekannt, dies
riicht). Aus alledem schliefie ich, dafi Albertinelli der Mitarbeiter des
Frate gewesen ist, namentlich dlirfte die Ausfiihrung der grau in grau
gemalten Verklindigung ihm zukommen.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 125
Das schone Werk ist von der gemeinsamen Bottega der beiden
Meister ausgegangen, was Wunder also, dafi es dem berlihmteren der-
selben allein zugeschrieben wurde.
Giovanni Bellini zugeschrieben: Beweinung Christi in Chiar-
oscuro. Nr. 583.
245 (Rahmen 294 Nr. 595). Vorlage fUr eine der Figuren, die im
Bilde mit einem Turban bekleidet ist Derselbe Kopf begegnet uns
wieder in Catenas »Beschneidung Christi « in Padua, hier ohne Turban.
Ich bemerke, dafi die Zeichnung viel geistvoller ist und jedenfalls grofieren
Anspruch auf Echtheit hat als das Chiaroscuro-Gemalde. Feder, getuscht
und weifigehoht auf grauem Papier. (Brogi i836.)x3) Ob Catena auch
das Chiaroscurobild ausgeftihrt hat?
Giov. Biliverti. Josephs Keuschheit
246 (Nr. 2171 S). Erste Idee zu diesem Bilde oder zu seiner Version
in der Akademie. Schwarzkreide.
247 (Nr. 2075 S). Studien zum Kopfe Josephs. Schwarze und rote
Kreide.
248 (Nr. 2075 S). Studie zum Kopf von der Frau Potiphars.
Schwarze und rote Kreide.
Botticelli: Anbetung der Konige. Nr. 3436.
249 (Rahmen 53 Nr. 210). Die Zeichnung scheint Vorlage zu
einer Predella mit der Anbetung der Konige. Die Gruppe Maria mit
dem Kinde hat Ahnlichkeit mit der in dem Eremitagebild, vornehmlich
aber mit der vor wenigen Jahren aufges tell ten, sehr verwandten spateren
Anbetung in den Uffizien. Ein Motiv aus dieser Zeichnung (Brogi 16 13)
hat RafTael in seiner Predella in der Galerie des Vaticans benutzt, namlich
den lassig auf ein Pferd sich stlitzenden Jtingling. Diese Entlehnung ist
bemerkenswert, um so mehr, als die Kronung Marias, wozu diese Predella
gehort, wahrscheinlich vor seinem florentinischen Aufenthalte entstanden
ist.1*) Dasselbe Motiv hat Peruzzi benutzt in seinem Wandgemalde in
S- Maria della Pace zu Rom, hierzu eine Studie in unserer Sammlung,
Rahmen 243, Nr. 1245**. Uber die Anbetung in den Uffizien habe ich
in der Gazette des Beaux Arts ausfiihrlich berichtet. Ich fiige noch
hinzu, dafi die ganze Hauptgruppe mit dem hi. Joseph in einem kleinen
"3) Ich erlaubc mir hier auf eine Zeichnung aufmerksam zu machen, die sich
in die florentinische Schule verinrt hat, vielmehr aber venezianisch und dem Giara-
bellino sehr verwandt ist. In Rahmen 34, Nr. 1123 unter dem Namen Ant. Pollajuolo
befindet sich eine Kreuzigung zwischen Maria und Johannes. Die feine getuschte Feder-
zcichnung ist sehr verwandt mit dem Stil des frtihen Gio. Bellini unter dem Einflufl
Wantegnas. Man vergleiche sie mit der Kreuzigung im Museo Correr.
*4) Nach Berenson ist die Zeichnung von Amico di Sandro.
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126 Emil Jacobscn:
Schulbild vom Anfang des 16. Jahrhunderts, Nr. 58 in den Uffizien wieder
vorkommt. Dies beweist, dafi diese Gruppe nicht im 17. Jahrhundert
ganz neu gemalt ist, sondern von Botticelli so angelegt wurde.x5)
A. Bronzino: Christus in der Vorholle. Nr. 1271.
250 (Nr. 13842). Vorlage zu, oder was wahrscheinlicher erscheint,
Kopie nach dein Gemalde. Ich bemerke, dafi das Bildnis Pontormos
dasjenige sein mufi, welches an der rechten Schulter Christi sich zeigt.
Der Kopf ganz unten links wird gewohnlich aber irrtlimlich als sein
Bildnis bezeichnet. Schwarzkreide.
A. Bronzino: Frauenbildnis. Nr. 1346.
251 (Nr. 18482). Karton zu dem Bildnis. Schwarzkreide. In
einer Mappe mit der Aufschrift »Scarti di poco conto« gefunden. In
dieser Mappe noch mehrere Kartons zu Bildnissen von Bronzino. Ich
nenne Nr. 18352 und Nr. 18 361.
Bronzino, Allessandro Allori: Kreuzigung. Nr. 12 13 und
Miniatur Nr. 3442.
252 (Nr. 14 761). Der Gekreuzigte mit zwei Engeln. Studie fur
das Bild. Feder. Anonimo del Sec. XVII zugeschrieben. Die soge-
nannte Miniatur ist eine Kopie nach dem Bilde, das auf eine Vorlage
von Michelangelo zuriickgeht. Im Louvre befindet sich ein dem Michel-
angelo zugeschriebenes Blatt mit einer ahnlichen Komposition, das aber
durch seine schlechte Erhaltung schwer zu beurteilen ist Eine andere
Studie mit ahnlicher Komposition in der Coll. Malcolm im British Museum.
L. Cigoli: Martyrium des hi. Laurentius. Nr. 57.
253 (Rahmen 427 Nr. 974*). Entwurf ftir das Bild. Feder getuscht
Das Bild befindet sich etwas versteckt im Korridor, der zum Aufzug fiihrt
254 (Nr. 2006 S). Feder. (Nr. 2001 S). Schwarzkreide und Rotel.
255 (Nr. 2002). Feder und Rotel. Drei andere Studien zum Bilde.
256 (Nr. 2049 S). Version des Bildes. Schwarze und rote Kreide,
L. Cigoli: HI. Franziskus, die Wundmale empfangend.
Nr. 1 172.
257 (Nr. 10 11). Studie zum Heiligen nebst anderen Figuren, die
nicht im Gemalde sind, aus welchem Grunde die Beziehung wohl nicht
erkannt worden ist. Feder getuscht. Die Darstellung des hi. Franciscus
war eine Spezialitat des Meisters. In den offentlichen Galerien in Florenz
befinden sich ein halbes Dutzend solcher Darstellungen, darunter drei
grofie Bilder.
15) Nach Herbert Home geht dies Bildchen doch nicht auf diese Anbetung,
sondern auf ein untergegangenes Fresko im Palazzo Vecchio zuruck. (The Burlington
Magazine, 1903.)
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. I2y
258 (Nr. 2543 S). Andere echte Studie zum Bilde, dem Carlo Dolce
zugeschrieben. Schwarze und rote Kreide.
Lucas Cranach: Bildnis Martin Luthers. Nr. 838.
259 (Rahmen 386 Nr. 2285 F). Lucas Cranach zugeschrieben.
Bildnis Martin Luthers. Kopie nach obengenanntem Gemalde.
Schwarze und rote Kreide, weifi gehoht.
Lorenzo di Credi: Christus mit der Samariterin. Nr. 1313.
260 (Rahmen 83 Nr. 507). Draperiestudie zu einer sitzenden Ge-
stalt Ich glaube, dafi diese Studie fiir die Gewandung Christi gedient
hat Richtig im Katalog dem Credi zugeschrieben, die Beziehung aber
nicht erw&hnt. Silberstift, weifi gehoht auf rosa Papier.
Jacopo Empoli: Erschaffung Adams. (Nr. 25.)
261 (Rahmen 424 Nr. 922 F). Studie fiir das Bild. Feder und
Schwarzkreide getuscht.
262 (Rahmen 423 Nr. 958 F). Studie zu Gottvater. Schwarzkreide,
weifi gehoht auf braunem Papier.
Girolamo Genga: Martyrium des hi. Sebastian. Nr. 1205.
263 (Rahmen 51 Nr. 1167). Maniera del Signorelli genannt. Bliste
eines Bogenschiitzen. Das Blatt ist vielmehr dem Genga zuzuschreiben
als Studie zum obengenannten Bilde und zwar ist die Buste mit ihrer
Bewegung der Oberarme zu einem, der Kopf zu einem anderen Schiitzen
verwendet. Rbtel, weifi gehoht. Die einzige dem Genga hier zuge-
schriebene Zeichnung (Rahmen 279) ist eine Kopie. Dagegen befindet
sich eine echte Studie fiir die Predella in Bergamo in den Kartellen.
Dom. Ghirlandajo: Thronende Maria. Nr. 1297.
264 (Rahmen 93 Nr. 437). Lionardo genannt. Draperiestudie
von Dom. Ghirlandajo. Hat eine gewisse Ahnlichkeit mit dem Gewande
der thronenden Maria in der Sala Lorenzo Monaco, ohne doch mit Sicher-
heit als Studie fiir dasselbe betrachtet werden zu konnen. Aquarell, weifi
gehoht, auf Leinwand. (Braun 437, Brogi 16 18.)
Dom. Ghirlandajo: Anbetung der Konige (Tondo). Nr. 1295.
265 (Rahmen 61 Nr. 316). Draperiestudie zu einer knieenden
Gestalt Von dem Meister sehr haufig benutzt, zu einem knieenden Konige
hier, sowie auch zu einem solchen im kleineren Tondo im Pitti; ferner
zu einem der Konige im grofien Altarwerk der Innocenti und zu einem
hi. Papst in der Thronenden Madonna in der Akademie. Silberstift,
-weifi gehoht und getuscht, auf rotem Grund. Dem Ghirlandajo richtig
zugeschrieben, die Beziehungen jedoch nicht erkannt. (Brogi 1756.)
Francesco Granacci: Himmelfahrt Marias. Nr. 1280,
266 (Rahmen. 83 Nr. 508). Lorenzo di Credi zugeschrieben: Zwei
knieende Figuren. Diejenige rechts Studie zu S. Michael im obengenannten
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128 Emil Jacobscn:
Altarwerk. Silberstift (Von Berenson Granacci richtig zugeschrieben,
die Beziehung jedoch nicht erkannt)
Filippino Lippi: Anbetung der Konige. Nr. 1257.
267 (Rahmen 80 Nr. 145). Draperiestudie fiir den links knieenden
Stifter, namlich Piero Francesco de Medici. Schwarzkreide, weifi gehoht.
Dem Filippino richtig zugeschrieben, die Beziehung jedoch nicht erwahnt,
268 (Rahmen 66 Nr. 128). Knieende drapierte Figur im Profil,
nach links. Feder und Silberstift; weifi gehoht Wahrscheinlich Studie
zu einem der Konige, wenn auch im Gegensinn. (Brogi 1670.) Diese
knieende Gestalt, hier als Konig, begegnet uns wieder in der grofien
Madonna zwischen SS. Franciscus und Hieronymus in der National-
galerie zu London, dort jedoch als der hi. Biifier.
Franciabigio: Thronende Madonna zwischen Johannes d.
T. und Hiob. Nr. 1264.
269 (Rahmen 165 Nr. 648). Andrea del Sarto. Kopf eines jungen
Mannes mit portratartigen Ztigen. Rotel. Dieser Kopf hat Ahnlichkeit
mit dem Kopfe des Taufers auf obengenanntem Gemalde. Nach Vasari
ist dieser Johannes das Selbstbildnis des Klinstlers. Ich vermute, dafi
Andrea in dieser Studie das Bildnis seines Freundes und Compagno ge-
geben hat. Nach dem Katalog dagegen Vorlage fiir einen Johannes d.
Taufer.
Lionardo: Verktindigung. Nr. 1288.
270 (Rahmen 93 Nr. 420). Lionardo zugeschrieben. Draperie-
studie. Hat grofie Analogie mit dem unteren Teil der Gewandung des
Gabriels. Aquarell, weifi gehoht, auf Leinwand.
Michelangelo: Heilige Familie. Nr. 1139.
271 (Nr. 6807). Granacci (unter den Zeichnungen von Fra Paolino).
Die Maria am Boden hockend zwischen zwei Heiligen. Das Christkind
liebkost Johannes. Schwarzkreide. Die Gestalt Marias geht auf das
Doni-Tondo zurtick. Die Adoration Granaccis dem Michelangelo gegen-
tiber hat fast sein ganzes Malerwerk gepragt. Wie bekannt, wurde er
hierftir schlecht belohnt, indem Buonarroti ihn, Bugiardini und mehrere
andere in der sixtinischen Kapelle einfach vor die Tiir setzte. — Auf
der Rlickseite eine, spater zu erwahnende, erste Studie fiir das Madonnen-
bild im Pitti.
Jacopo Pontormo zugeschrieben: Venus mit Amor. Nr. 1284.
272 — 274 (Nr, 6534, 6586, 6655). Studien zu einer ruhenden Frau.
Spatstil Pontormos. Die Ausfuhrung des Gemaldes deutet ebenso sehr
auf Bronzino als auf Pontormo. Es gibt in Rom und Neapel mehrere
Exemplare dieser Darstellung, zu welcher, Vasari zufolge, Michelangelo
den Karton geliefert hat
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 1 20
Pontormo: Martyrium des S. Mauritius.
275 — 277 (Nr. 6518, 6675, 6722). Studien flir den Reiter rechts.
Schwarzkreide.
Guido Reni: Madonna della Neve. Nr. 3394.
278 (Rahmen 479 Nr. 1573 F). Studie zu dem linken Fufi der
Madonna. R6tel.
Guido Reni: Maria mit dem Kinde und Johannes Nr. 998.
Kleiner Tondo.
279' (Rahmen 479 Nr. 794). Studien ftir das segnende Christus-
kind. Rotel. Die Schtilerkopie Nr. 793 ist frliher erwahnt.
280 (Nr. 1649.) A. Sirani. Kopie. R6tel.
Rubens' Schule. Kleine Kopie nach Tizians Bacchanal in
Madrid. Nr. 719.
281. (Nr. 7383 S) Tizian. Erster Gedanke ftir das Bacchanal in
Madrid, sowie fiir das in London. Ich benutze diese Gelegenheit, welche
diese kleine vlamische Kopie mir bietet, um auf ein kostbares, ganz un-
bekanntes Blatt von Tizian aufmerksam zu machen. Es befindet sich in
der Santarelli-Kollektion unter eine Unmenge von Zeichnungen, die Tizian
und seiner Schule zugeschrieben, aber bis jetzt von keinem Forscher ernst
genommen sind. Beide Studien in Rotel und von hochster Leichtigkeit
und Anmut
A. Sal ai no (zugeschrieben): HI. Anna selbdritt Nr. 211.
282 (Rahmen 93 Nr. 429). Vorlage ftir das Haupt der hi. Anna,
wenn auch von einer feineren Hand als das Gemalde. Getuschte Feder-
zeichnung, weifl gehoht und getuscht. Dem Lionardo mit einem Frage-
zeichen zugeschrieben. Schlecht erhalten. (Brogi 1472.)
Sodoma: Martyrium des hi. Sebastian. Nr. 1279.
283 (Nr. 9380). Jacopo da Empoli. Ricordo im Gegensinn.
Schwarzkreide.
284 (Nr. 272 S). Kopie. Rotel.
Sogliani: Conception. Nr. 63 (friiher in der Hospitalsammlung
von S. Maria Nuova).
285 (Rahmen 109 Nr. 354). Kopf eines Monches. Schwarz-
kreide. Fra Bartolommeo zugeschrieben. Studie zu S. Bernardo, rechts
auf der Conception. Eine andere Studie ist erwahnt in meinem fruheren
Artikel unter Nr. 129. Diese ist vielleicht von Toschi, der die Con-
ception in einem Bilde nachgeahmt hat, das sich auf dem ersten Altare
rechts in S. Spirito befindet
286 (Nr. 16989). 1 0 ,.
o /xt on r Studien zu San Gregonus. Schwarzkreide.
287 (Nr. 17038). J B
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130
Emil Jacobsen:
288 (Nr. 6831).
289 (Nr. 17008).
290 (Nr. 17 025).
291 (Nr. 17 017).
das Knie stemmt.
292 (Nr. 6822).
293 (Nr. 6834).
294 (Nr. 6839).
295 (Nr. 6855).
296 (Nr. 228 S).
297 (Nr. 17074).
298 (Nr. 17073).
Andere Studien zu San Bernardo.
Studie zu dem Heiligen, der ein Buch gegen
Studien zum Apostel links
(Johannes Ev.?).
Studie zum Adam.
Entwurf zum ganzen oberen Teil des Bildes. —
Alle Schwarzkreide, weifi gehoht. Wir haben hier einen ganzen Studien-
kreis, vierzehn Skizzen zum Bilde, ohne einige Zeichnungen mitzurechnen,
die wohl als nicht benutzte Skizzen zu betrachten sind.
Sogliani: S. Brigida teilt die Ordensregel aus. Nr. 62 (frilher
in der Hospitalsammlung).
299 (Nr. 17032). Studie flir die Nonne, die die Regel empfangt,
sowie auch eine Skizze fiir die hi. Brigida.
300 (Nr. 17047). Studie zu einem knienden Monch im Profit
Beide aus dem Skizzenbuch. Schwarzkreide, weifi gehoht
301 (Nr. 6781). Studie fiir den Kopf der Nonne zu aufierst links
auf dem Bilde. Schwarzkreide.
Sogliani: Kreuztragung. Nr. 7 5 (friiher in der Hospitalsammlung).
302 (Nr. 17070). Skizze fiir das ganze Bild. Schwarzkreide,
weifi gehtiht.
Sogliani: Dreieinigkeit (im Magazin).
303 (Nr. 17007).
304 (Nr. 17 010).
305 (Nr. 17 on).
306 (Nr. 6796). Studie fiir San Jacopo. Schwarzkreide, weifi gehoht
Sogliani: Verkiindigung (aus der Hospitalsammlung).
307 (Rahmen 84 Nr. 512). Lorenzo di Credi zugeschrieben.
Verktindigungsengel. Wesentlich Draperiestudie. Silberstift, weifi gehoht.
Dieser Engel begegnet uns in einem Gemalde im Dom zu Volterra, welches
gewohnlich Scuola Toscana genannt wird. Es steht Albertinelli am nach-
sten, doch hat die Jungfrau Anklange an Lorenzo di Credi. Die Tiir im
Hintergrunde, wodurch Ausblick in die Landschaft, ist ein charakte-
ristischer Zug ftir Albertinelli. In Soglianis Skizzenbuch benndet sich eine
Skizze nach dem segnenden Gottvater oben. Auf kGrundlage dieser Skizze
Studien zu der knienden Magdalena.
Schwarzkreide, weifi gehoht.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 131
wird diesem Meister jetzt die Version (ohne Landschaft) aus der Hospital-
sammlung von S. Maria Nuova hier in den Uffizien zugeschrieben, die
frtther als ein Albertinelli gegolten hat.
In Soglianis Skizzenbuch befinden sich nicht allein Originalskizzen,
sondern auch Studien nach verschiedenen Meistern, sodafi das Vorhanden-
sein der Skizze vom erscheinenden Gottvater nicht allein als Beweis fiir
seine Autorschaft gelten kann. Am Lesepult Marias befindet sich aber
friiher in halbverwischten goldenen Lettern folgende Inschrift, auf die man
nicht aufmerksam geworden ist: ADM Orate pro pictore CCCCCXVL
Wahrend Orate etc auf Albertinelli deutet, zeigt das Datum, dafi er das
Gemalde nicht gemalt haben kann. Das Bild scheint also in der Tat
eine Kopie von Sogliani nach Albertinelli zu sein.
Wir sehen hier, wie Studien und Gemalde von Lorenzo di Credi,
Albertinelli und Sogliani sich zu einem Knoten verschlingen, der nicht
so leicht zu Ibsen ist.16)
Tintoretto: Hochzeit zu Cana. Schulwiederholung. Nr. 617.
308 (Nr. 13006). Mannliche Figur mit einer Vase. Sehr freie
und breite Studie zu diesem Bilde. Das Original in der Sakristei von
S. Maria Salute in Venedig. Schwarzkreide.
Tizian: Battaglia di Cadore. Nr. 609. (Kopie nach dem
Fresko.)
309 (Nr. 12915). Galoppierender Reiter. Schwarzkreide. Studie
zu oder Kopie nach dem originalen, jetzt untergegangenen Deckengemalde
im Palazzo Ducale. Die Zeichnung besitzt vorztigliche Qualitaten. Ob
echt oder Schulkopie wage ich doch nicht zu entscheiden. Eine andere
angebliche Studie ist friiher unter Nr. 63, erwahnt.
Paolo Uccello. Schlacht bei Romano. Nr. 52.
310 (Nr. 17 621). Dies Blatt, welches ich in einer Mappe mit
Lucido-Kopien ohne nahere Angabe vorfand, ist dadurch interessant, dafi
es offenbar sehr prazis ausgefiihrte Kopien nach Studien Uccellos und
zwar zu obengenanntem Schlachtenbilde enthalt Zwei Reiter sind dar-
gestellt (das Pferd des einen schlagt nach hinten aus, fast genau wie im
Bilde, wenn auch im Gegensinn), und zwei Pferde ohne Reiter, von aus-
gesprochenem Uccelleskem Typus. Alles in starker Verktirzung. Die
Reiter tragen Helme mit hohen Federbiischen geschmiickt, wie auch im
Bilde. Feder auf braunrotem Papier. Eine andere Studie zu demselben
Bilde ist friiher erwahnt
,6) Nach Fritz Knapp (Fra Bartolommeo della Porta, S. 262) steht auf der Rtick-
seite der Verktindigung in Volterra: Bartholomeo me fece Agnolo. Berenson scbreibt die
Studie Nr. 512 zum Verktindigungsengel dem Albertinelli zu.
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1^2 Emil Jacobsen: Die Handzeichnungen der Uffizien etc.
311 (Nr. 85 O). Giovanni da Udine zugeschrieben, doch wahr-
scheinlicher von Poccetti. Skizze zu einem Deckengemalde in den Uffizien
(liber dem Altargemalde Nr. 48 vor dem Eingange zur Scuola Toscana,
erster Korridor). Feder getuscht Es findet sich eine ganze Serie von
Kopien nach den Deckengemalden vom Schlufi des 17. Jahrhunderts vor.
Paolo Veronese: Verktindigung.
312 (Nr. 17270). Ricordo von Gabbiani. Schwarzkreide, weifi
gehoht.
Daniele da Volterra: Kindermord. Nr. 1107.
313 (Nr. 202 S). Entwurf zum Gemalde. Feder getuscht und Rotel.
314. Fiinfzehn Studien fur die Plafonds des zweiten Korridors der
Galerie. Die Maler waren Cosimo Ulivelli, Angelo Gori, Mosini,
Tonelli. Zweite Halfte des 17. Jahrh. Feder getuscht und Schwarzkreide.
(Fortsetzung folgt.)
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Zur Gelnhausener Kaiserpfalz.
Von Karl Simon.
Die Gelnhausener Kaiserpfalz ist das Problem unter den deutschen
Pfalzbauten romanischen Stils. Zwar auch liber das Kaiserhaus in Goslar
und das Landgrafenhaus der Wartburg gibt es Kontroversen, aber eigent-
lich nur iiber die Datierung, und in beiden Fallen glaube ich das 12. Jahr-
hundert als Entstehungszeit zur Evidenz nachgewiesen zu haben. (Vergl.
meine Studien zum romanischen Wohnbau in Deutschland. Straflburg,
Heitz 1902.)
Aber die iibrigen Pfalzen: Dankwarderode, Seligenstadt, Wimpfen,
um nur die wichtigsten zu nennen, bieten solche Schwierigkeiten nicht
oder kaum. Da kann es sich in der Datierung nur um Abweichungen
von verhaltnismaflig geringftigiger Art handeln. Und in der Ausftihrung
reihen sie sich ungezwungen in die gleichzeitigen Bauten ihrer Umge-
bung ein.
Bei Gelnhausen liegt die Sache insofern anders, als die Schwierig-
keiten nur betreffs der Datierung gesehen worden sind. Seit Hundes-
hagen war die Annahme allgemein, dafl die Gelnhausener Pfalz um n 70
fertiggestellt war, da aus diesem Jahre (25. Juli) eine Urkunde Friedrich
Barbarossas datiert, die die neugegriindete Ansiedelung mit Freiheiten
ausstattet (. . . nos apud castrum Geylnhusen novam villam fundantes . . .).
In einer anderen Urkunde erteilt er »seinen treuen Kaufleuten von G.«
besondere Vergtinstigungen. Der Schlufi lag nahe, dafi diese Grtindung
mit dem Neubau der Pfalz in Beziehung stehe, und dieser gleichzeitig
erfolgt sei. Von seiten der Kunsthistoriker war wohl einiges Mifitrauen
gegen diese Datierung vorhanden, und daraus ist wohl auch der wunder-
liche Einfall Essenweins zu erklaren, das Portal des Palas sei »nach-
traglich eingegeftigt« worden. Nachdriicklich ist erst vor kurzem dieser
Datierung entgegengetreten Ludwig Bickell in dem schonen Inventarwerke
des Kreises Gelnhausen. — Die Sachlage ist kurz folgende:
Im Jahre 1158, vor Juni, verkauft Erzbischof Arnold von Mainz,
um die Burg Gelnhausen erwerben zu konnen, Gtiter des Klosters Al ten-
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134 *^ar* Simon:
mtinster und gibt ihm zum Ersatz andere Einklinfte. Zu diesem Zwecke
hat er mit dem gesetzmafiigen Besitzer einen Vertrag geschlossen (. . . pro
quodam castro Gelenhusen nuncupate comparando . . . cum legittimo
possessore illius pactum fecimus. Hess. Urk.-Buch II, Bd. I, No. 96). Wer
dieser Besitzer war, wissen wir nicht. Aber noch in der Zeit mindestens
um 1 187 ist der Kaiser noch nicht in dem Besitz der ganzen Burg,
sondern die Halfte gehort dem Erzbischof von Mainz. In einer Urkunde,
die in die Jahre 1187 — 11 90 gehort, erwahnt namlich Erzbischof Kon-
rad die Verluste, die der Mainzer Stuhl erlitten hat, und unter diesen
Verlusten befindet sich auch die Halfte der Burg Gelnhausen. Medietas
etiam castri Gelnhusen cum medietate omnium attinencium domno im-
peratori infeodata fuit Bickell folgert daraus die Unmoglichkeit, dafl
vorher mit dem Neubau der Burg begonnen worden ist Das geht m. E. zu weit.
Wenn Friedrich nun gerade auf der ihm gehorigen Halfte . der Burg den
prunkvollen Palasbau ausfuhren liefi? Schon um nachdrticklich zu zeigen,
dafl er sich die andere Halfte nicht entgehen lassen werde? Darauf hin-
gearbeitet hat er sicher langst, schon seit 1170, wo er die neue An-
siedelung begriindet und mit Freiheiten ausstattet, wahrend die Burg,
in deren Nahe sich die neue Ansiedelung erhob, dem Erzbistum gehorte.
Oder ist sie iiberhaupt nie ganz in dessen Besitz gewesen? Ist die Ab-
sicht, von der Erzbischof Arnold spricht, die Burg zu erwerben, nur halb
gegliickt? Hat sich der Kaiser schon damals mit der Halfte der Burg
belehnen lassen? • Die Urkunden wiirden dem nicht widersprechen. Frei-
lich findet die Gelnhausener Reichsversammlnng, in der die Acht gegen
Heinrich den L6wen ausgesprochen wird (1180), »in territorio Magun-
tino« statt, und ebenso wird eine Urkunde vom 3. Marz 1182 »in terri-
torio Maguntino apud Geilnhusen« ausgefertigt (Stumpf, Reg. 3, No. 381).
Wahrscheinlich ist es also nicht, dafi um diese Zeit der Neubau
fertig war. Aber eine Unmfcglichkeit ist es nicht ftir die Zeit bald nach-
her. Es ist doch sehr zu beachten, dafl den Reichstagen von 11 80 und
1 182 noch zwei weitere (1184 und 1186) folgen, und dafi Friedrich Barba-
rossa 1 189 das Osterfest in Gelnhausen begeht. Man wird daraus schlieflen
miissen, dafi er sich hier einigermafien heimisch fuhlte. Nun ist hier
eine Pfalz aus dieser Zeit vorhanden; was liegt naher, als dies beides zu-
sammenzubringen und anzunehmen, dafi Barbarossa den Neubau, wenn
nicht vollendet, so doch begonnen hat, der dann etwa von Heinrich VL
zu Ende geftihrt ist! Auch die Vollendung der Pfalzen in Nimwegen
und Kaiserswerth wird ihm von seinem Vater ans Herz gelegt, wie aus
einem noch erhaltenen Briefe hervorgeht Aber freilich, eine Entschei-
dung ist aus den Urkunden mit Sicherheit nicht zu gewinnen.
Nun, wo die Urkunden schweigen, werden die Steine schreien. Das
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Zur Gelnhausener Kaiserpfalz. 135
1st ein gewohnlicher Trost in der Geschichte der Architektur. Aber er
verfangt nicht uberall; so auch hier nicht. 1st es schon schwierig, nur
aus den Bauformen das Jahrzehnt des Entstehens richtig zu erkennen, so
liegen die Verhaltnisse bei Gelnhausen noch besonders eigenartig, worauf
bisher noch nicht geachtet worden ist Und das ist zunachst wichtiger
als die Datierungsfrage, die hier nur gestreift werden sollte. — Zunachst
aber ein kurzes Wort tiber die ganze Anlage.
Die Pfalz, wie sie sich heute darbietet, wird von einer grofien Ring-
mauer umschlossen, die aufier einem Pfbrtchen auf der Ostseite nur durch
den Torbau auf der Westseite einen Zugang gewahrt Ein einfaches, im
Rundbogen geschlossenes Tor — Kragsteine dartiber deuten an, dafi
ehemals ein erkerartiger Vorbau den Zugang schlitzte — fiihrt in das
Inhere einer zweischiffigen Halle, deren Gewolbe auf zwei stammigen
Saulen ruhen. Das Obergeschofi ist heute ohne Dach und vtillig zerstort
Aber es war gleichfalls gewolbt und wies in der Mitte zwei stiitzende
Saulen auf. Nach Westen zu liegen zwei kleinere rundbbgige Fenster,
deren eines zugleich den Austritt auf den erwahnten Vorbau vermittelte,
nach Osten Fenster, fur die Bickell nicht ohne Wahrscheinlichkeit Kreis-
form annimmt An die rechte Seite des Torbaues schliefit ein mach tiger
Turm aus Buckelquadern an, wahrend der bis auf die neueste Zeit an-
genommene entsprechende Turm auf der linken Seite von Bickell als
unmoglich erkannt worden ist
An die Nord-Ostecke der Torhalle stofit nun der eigentliche Palas,
von West nach Ost gehend, dessen Riickseite zugleich von der Ring-
mauer gebildet wird. Erhalten sind nur Front- und Rtickseite, die Schmal-
seiten sind verschwunden. Aus dem Zustand der Frontseite ergibt sich,
dafi aufier dem Untergeschofi, zuganglich durch eine breite rundbogige
Ttir, noch zwei Obergeschosse vorhanden waren. Das erste 6ffnete sich
nach dem Hofe zu in den wundervollen Arkaden von doppelt hinterein-
ander gestellten Saulen zu beiden Seiten des Eingangsportals. Vom zweiten
Obergeschofi ist nur ein Bogenansatz erhalten. Auf der Rtickseite befindet
sich in der HShe eines ersten Obergeschosses die bekannte, reich aus-
gestattete Kaminanlage, daneben ein grofieres Fenster. Die 6stliche Schmal-
seite des im Lichten 12,44x27,55 m messenden Baues hatte, wie Aus-
grabungen erwiesen, einen rechteckig nach aufien springenden Vorbau,
dessen Fundamente 2 m lang, 3 m breit waren. Eine Erklarung dafur
steht noch aus; der Gedanke an eine Schornsteinanlage befriedigt nicht
recht Aber auch ein exedrenartiger Ausbau im Innern ist nicht recht
wahrscheinlich.
Von Bickell veranstaltete Ausgraburigen haben nun auch die Richtig-
keit der Hundeshagenschen Aufnahme erwiesen, dafi links der iiberein-
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1^6 Karl Simon:
ander liegenden Portale in Erd- und Obergeschofl zwei Raume, rechts
einer vorhanden waren. (Die Aufnahme bei E. Forster in seinen Denk-
malen der deutschen Baukunst usw. gab eine andere Einteilung.)
Vor ihnen lief in der ganzen L&nge des Gebaudes ein Gang, nach
aufien abgeschlossen durch die erwahnten Saulenstellungen. Nattirlich
sind diese Einteilungen durch die Ausgrabungen mit Sicherheit nur
fur das Untergeschofl zu behaupten; sie haben aber fur das erste Ober-
geschofl wegen der Verteilung der Arkadenoffnungen alle Wahrscheinlich-
keit fur sich.
Ftir das zweite Obergeschofl fehlen alle Anhaltspunkte. Ich sehe
in ihm den Hauptsaal en thai ten, den man bisher immer im ersten Ober-
geschofl gesucht hat Hier mufi aber der Raum recht klein gewesen
sein, und ich sehe keinen Anlafi zu solcher Beschr£nkung. M. E. ist das
nur eine von den Folgen der General isierungswut, die gerade das Burgen-
wesen an sich hat erfahren miissen, wo oft ein wenig Mittelhochdeutsch,
verbunden mit romantischer Begeisterung ftir das »altdeutsche Rittertum*
und — die Kenntnis von Heinrich Leos Aufsatz in Raumers historischem
Taschenbuch gentigte, um »die« romanische Burg oder »den« Palas den
entziickten Lesern bez. Horern vor Augen zu zaubern.
Im Kaiserhaus in Goslar und der Burg Dankwarderode liegt der
Hauptsaal allerdings im ersten Obergeschofl — denn es gab kein zweites.
Beim Landgrafenhause der Wartburg ebenso; als aber hier das zweite
Obergeschofl aufgesetzt wurde, erhielt dieses in seiner ganzen Lange
den Hauptsaal. Ebenso war offenbar auch in dem Gelnhausen be-
nachbarten Miinzenberg der Saal im zwei ten Obergeschofl. Am wich-
tigsten fur die Entscheidung jedoch wird eine Zeichnung des Schlosses
Kaiserslautern von 1706, das von Barbarossa gebaut, 1158 vollendet
war. Im zwei ten Obergeschofl sind fortlaufende Arkadenstellungen sicht-
bar, die dieses als den Hauptraum enthaltend kennzeichnen. Vielleicht
haben wir uns die Aufienseite in Gelnhausen ahnlich vorzustellen. Ganz-
lich verfehlt scheint mir die Idee Bickells zu sein, der den Saal iiber
der Eingangshalle sucht Ganz abgesehen von den Grofienverhaltnissen
ware dieser Platz mehr als unschicklich. Von der unteren Halle nur
durch eine schmale Treppe, vom Hauptgebaude durch allerhand wink-
lige Zugange erreichbar, wahrscheinlich schlecht beleuchtet, zugleich der
Raum ftir den Wachter, wenn er mit vor dem Tor Stehenden zu ver-
handeln hatte. Der Tradition nach war dieser Raum eine Kapelle,
was durchaus glaubhaft ist Die Lage iiber dem Tor begegnet haufig
(Hagenau u. a. a, O.). Auch die fehlende Apsis und die zweischiffige
Anordnung kann nicht beirren (s. Bd. XXV dieser Zeitschr. S. 44). Das
Natiirliche und durch die verwandten Bauten durchaus Gemeinsame ist
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Zur Gelnhausener Kaiserpfalz. t^j
der Hauptbau, und in diesem das zweite Obergeschofi. Damit wiirden
auch Gedanken der Art, dafi es »im Reichssaale der Gelnhausener Pfalz
verhaltnismafiig recht dunkel gewesen sein mlisse« (Alwin Schultz in
seinem »H6fischen Leben«), wahrscheinlich ihre Bench tigung finden. Was
der kreisrunde Bau, dessen Fundamente siidostlich vom Hauptbau Bickell
aufgedeckt hat, gewesen ist, ist nattirlich schwer zu sagen. Bickel ver-
mutet darin die Kapelle. Vielleicht war es aber eben nur ein Turm, wie
er im Innern einer Burganlage oft begegnet (Wartburg, in ahnlicher
Stellung zum Hauptbau. Ebenso in Barbarossas Schopfung Kaiserswerth
der »Clevesche« Turm durch einen gemauerten Bogen mit dem Haupt-
bau verbunden).
Was der Gelnhausener Pfalz ihre hervorragende Stellung unter den
deutschen Pfalzbauten sichert, ist die klare Gliederung des Ganzen und
die reiche dekorative Behandlung im einzelnen. Schon an der Hofseite
der Kapelle wird dies deutlich. Von den als Widerlager gegen den
Schub der Gewolbe dienenden Saulen (bez. einer Konsole) steigen senk-
rechte, dann rechteckig umbiegende Rundstabe auf, die jeden der Tor-
eingange einrahmen und den Abschlufi des Untergeschosses bilden.
Dariiber war im Obergeschofi eine vollig selbstandige Gliederung durch-
geftihrt, von der nur noch die Ecklisenen und eine Mittellisene mit ihren
reichen attisierenden Postamenten erkennbar sind. So werden die beiden
Geschosse streng von einander geschieden, und es wird angedeutet, dafi
sie nichts miteinander zu tun haben.
Noch mehr tritt dies Streben nach einer straffen Gliederung am
Hauptbau hervor. Erd- und erstes Obergeschofi werden durch ein atti-
sierendes Gesims geschieden. Es besteht aus zwei PfUhlen mit da-
zwischen liegender, durch je ein Plattchen vermittelter Hohlkehle und
ruht auf rechteckiger Deckplatte. Zugleich bildet es aber die Einfassung
des oberen Eingangsportals und biegt an den Ecken nach innen um.
Eine solche feinsinnige Anordnung ist im ganzen deutschen Wohnbau
der Zeit unerhort Auch ein trennendes Gesims zwischen den einzelnen
Stockwerken ist durchaus nicht immer vorhanden, nur im Goslarer Kaiser-
hause, an den Klostergebauden in Carden a. M., und an der jetzigen
Stadtapotheke in Saalfeld. Bei sonstigen Privathausern (Koln, Aachen)
treten nur Fensterbriistungsgesimse auf. Jede Gliederung fehlt in Miinzen-
berg, am romanischen Rathaus in Gelnhausen und dem spaten Vianden,
^wahrscheinlich auch in Seligenstadt (Kaiserpfalz), wahrend beim Land-
grafenhaus der Wartburg das Gesims zwischen erstem und zweitem Ober-
geschofi wohl nur das ehemalige Abschlufigesims des ganzen Baues war.
Eigentlimlich ist in Gelnhausen auch, dafi jede Arkade durch Ab-
rundung der Einlafiecke der vorspringenden Mauer in einen Rahmen
Repertorium fiir Kunstwissenschaft, XXVII. IO
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I <* 8 Karl Simon:
gefaflt ist, der offenbar auch ftir die Einteilung des zweiten Obergeschosses
mafigebend gewesen ist So wird die Zusammengehorigkeit der beiden
Obergeschosse gegeniiber dem untergeordneten Zwecken dienenden Erd-
geschofl klar herausgehoben.
Etwas Ahnliches begegnet sonst nirgends an Burg- oder Privat-
bauten; erst am Laienrefektorium in Maulbronn konnte man eine, aber
auch hier nicht schlagende Analogie entdecken (Paulus: Maulbronn 3. Aufl.
Taf. II). Erinnern konnte man auch an die rechteckigen Umrahmungen
liber den Tragern des Mittelschiffes in Kirchen, die von Hirsau beein-
flufit sind (Hildesheim, S. Godehard, S. Michael, Paulinzelle, Hamersleben,
Maulbronn, Seckau usw.), oder an rechteckige Umrahmungen von Portalen
(Gelnhausen, St Peter, Erfurt, Petersbergkirche u. a.).
Endlich sind bemerkenswert in Gelnhausen die Kampfergesimse, die
sich an der ganzen Frontseite des Baues entlang ziehen, unterbrochen nur
durch Arkaden und Portal. Schon die Regelmafiigkeit der an alien vier
Seiten herumgefiihrten Skulpturen an den Kampfern fallt auf; und nicht
nur diese sind skulpiert, sondern auch die feste Mauer zu den Seiten des
Portals und die Abschlufiwande haben solche skulpierten Gesimse. Fur
die eigentlichen Kampfergesimse aber an der Frontseite fehlen Analogien
in Deutschland fur den Profanbau und auch fur den Sakraibau vollig.
Haufig dagegen sind sie an kirchlichen Denkmalern Englands und be-
sonders Frankreichs, ftir das sie geradezu ein Charakteristikum bilden
(Dehio-Bezold Bd. I, S. 706).
Nur kurz sei auf die genauen Verhaltnisse hingewiesen, in denen
der Bau im ganzen wie in seinen einzelnen Gliedern entworfen ist
(S. meine Studien a. a. O. S. 162 f.) Derartiges ist bei den tibrigen Pfalz-
bauten nicht nachzuweisen, und bei der geringeren Gliederung derselben
hatte man, wenn man Verhaltniszahlen in Anwendung bringen wollte,
nicht so ins einzelne gehen konnen wie hier. Aber ich zweifle uber-
haupt bei diesen an dem Vorhandensein derartiger Tendenzen. Nicht zu
bezweifeln sind sie dagegen an der sog. Klosterfaktorei in Carden au M.,
wo schon Prill auf sie aufmerksam gemacht Auch Privathauser haben
hier und da wohl derartige Ansatze. So kann man von Gelnhausen nur
sagen, dafi es darin unter den Burgbauten einzig dasteht
Auch das Fenster an der Rtickseite des Palas ist eigenttimlich.
Vorn am Eingang, zu dem zwei Stufen zu Seitenbanken hinaufliihren,
zwei Saulen mit attischer Basis und skulpiertem Kapitell, dartiber ein
Rundbogen; in diesen fiigte Hundeshagen einen Fiillungsbogen mit skul-
piertem Relief ein, gleichfails getragen von zwei schwacheren Saulen auf
hohen Postamenten.
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Zur Gelnhausener Kaiserpfalz. 139
Aufien sind noch die Basen von je einer Saule an den Seiten, eine
dritte in der Mitte des Fensters erhalten, sodafi man sich von beiden
Saulen Rundbogen ausgehend denken mufi, die auf einer mittleren zu-
sammentrafen; die Anlage ist auffallend reich. Die aufleren Saulen
scheinen erst spat aufzukommen (Gutenfels a. Rh., Wimpfen a. B., auf
anderem Gebiete: Maulbronn, Paradies u. a.).
Was von jeher am meisten Bewunderung in Gelnhausen erregt hat,
ist der Reichtum an geschmackvollster Ornamentik, der in verschwende-
rischer Ftille iiber den verhaltnismafiig kleinen Bau verstreut ist An
den Kapitellen der Vorhalie, den Wandpfeilern der Kapelle, endlich an
den Kapitellen der Doppelsaulen des Hauptbaues, am Portal, den Ge-
simsen und Kaminen. Kein Pfalzenbau, auch nicht die verhaltnismafiig
reich ausgestattete Wartburg kann darin mit Gelnhausen miteifern. Nicht
das Rathaus in Gelnhausen selbst oder das nahe Miinzenberg, oder die
ungefahr gleichzeitige Bischofspfalz in Regensburg. Alles ist derber, un-
feiner. Von den Spatkindern dieser Gattung, Wimpfen und Seligenstadt,
ganz zu schweigen.
Die ganze Arbeit ist anders. Uberall in Gelnhausen ist der feste
Grand des Steins gewahrt, nirgends ein Loslosen vom Grunde. Trotzdem
ist die Behandlung voll und kraftig, das Relief markig herausmodelliert
Es erinnert an Arbeiten in feuchtem Ton oder in geschnittenem Eisen,
so besonders der Kleeblattbogen des Portals. Ich wtifite in ganz Deutsch-
land in Sakral- oder Profanarchitektur kein Beispiel fur die gleiche Be-
handlung zu nennen.
Auch in den Einzelheiten fallt manches aui. Die ornamentale Be-
lebung einer Flache wie an dem Kamin ist in Deutschiand unerhort
Man hat dabei an orientalische Vorbilder gedacht (Schnaase, Dohme u. a.).
Aber das Motiv des Flechtwerks lafit nahere Einfltisse als wirksam an-
nehmen: Italien und Prankreich. Die Verwandtschaft mit dort Vorhan-
denem gentigt vollkommen zur Erklarung, wahrend der Charakter arabischer
Ornamentik ein vollig anderer ist
Hier am Kamin findet sich auch das Motiv des Zickzacks, der in
Deutschiand offenbar nicht einheimisch ist; die Stellen seines Auftretens
sind bald aufgezahlt Am wichtigsten und der in Gelnhausen auftretenden
Form am ahnlichsten sind die Beispiele von St Peter in Gelnhausen, in
Miinzenberg und an der Wildenburg, in Worms am Dom und St Andreas
und am Portal des Bamberger Doms. Woher das Motiv kommt, ist schwer
zu sagen; sowohl in England wie in Frankreich tritt es haufiger auf, in
England oft in gehaufter Anwendung. An einem Profanbau am Chateau
de Simiane (Sudfrankreich) (Revoil III, pi. IX.); in Oberitalien scheint es
fremd zu sein; aus eigener Anschauung kann ich es nur fur die Fassade
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140
Karl Simon:
von S. Paolo a ripa in Pisa anftthren. (Nach Mitteilungen von Herrn Dr.
Schubring auch ftir Bitonto, Stidttir, und Ban, S. Niccola.) Eine direkte
Beziehung zwischen Pisa, wo Friedrich Barbarossa ja ofter war (so 1162),
und Gelnhausen anzunehmen, diirfte recht gewagt sein. Naher liegt da
noch Frankreich, wo der Zickzack auch an der Vorhalle von S. Denis
erscheint (Dehio-Bezold, Taf. 153, 8).
Der Stierkopf, wie er in Gelnhausen an einem Kapitell vorkommt,
ist meines Wissens in Deutschland auflerordentlich selten; ich vermag
ein einziges Beispiel daflir namhaft zu machen: ein Saulenkapitell am
Portal der Kirche in Wechselburg (Kunstdenkm. im Kgr. Sachsen, H. 14,
S. 109). Fiir Italien gentigt es, an die Fassade von S. Marco in Venedig
zu erinnern.
Nicht ohne Analogie, aber doch ftir Deutschland hauptsachlich auf
das Elsafi beschrankt ist an den Basen der Arkadensaulen die Verbindung
der Eckknollen untereinander durch zierliche Linienmotive; sonst begeg-
net man dem besonders haufig in Frankreich (Burgund und Provence).
Weniger wichtig ist vielleicht das zweimalige Auftreten von Kopfen tiber
den Kapitellen in Gelnhausen, obgleich auch das in Deutschland selten
zu sein scheint (Schwab. Gmiind, Schalloffnungen der Ttiren von St Jo-
hann); in Frankreich war es wohl haufiger (Kirche St Guilem du Desert
[Hdrault], Revoil I, pi. XL).
Nicht zu iibergehen ist endlich die zweischiffige Eingangshalle der
Pfalz, die in Deutschland bei Burgenbauten bis jetzt ohne Beispiel ist,
Dagegen begegnet man ihr bei deutschen Klostern: in Maulbronn und
in Eberbach (Rheingau), und hier ist auch die Herkunft klar; denn
in dem Zisterzienser-Mutterkloster Citeaux ist sie gleichfalls vorhanden.
Verwandt damit ist der ehemalige doppeltorige Eingang in Cluny mit
kronenden Saulchenstellungen darliber. Eigenttimlich sind auch in Geln-
hausen die Saulen aufien an dem Erdgeschofi einer ofFenen Halle als
Widerlager ftir das Gewolbe. Ganz ahnlich wie in Gelnhausen findet
sich dies an der Vorhalle von S. Benoit s. Loire, die noch ans Ende des
n. Jahrhunderts zu setzen ist (Dehio-Bezold). In Wechselburg, wo die
Vorhalle auch gewissermafien zweischiffig ist, wird der Schub der Ge-
wolbe durch inner e Saulen aufgefangen, nicht durch auflere.
So zeigen sich an der Gelnhausener Pfalz verschiedentlich Erschei-
nungen, ftir die es in Deutschland an Analogien fehlt Sie weisen weniger
nach Italien — ftir die Pfalzbauten in Oberitalien fehlen uns die Denk-
maler — als nach Westen, nach Frankreich. Ftir einzelnes werden sich
vielleicht mit wachsender Kenntnis der Monumente noch Analogien aus
dem eigentlichen Deutschland beibringen lassen, im ganzen wird man zu
der Anschauung kommen miissen, dafi hier fremde Einfltisse in starkstem
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Zur Gelnhausener Kaiserpfalz. 1^!
Mafie wirksam gewesen sind, — mogen sie direkt gewirkt haben oder in-
direkt, etwa durch die Bauten Barbarossas im Elsafi, die ja eine natiir-
liche Vermittlung abgeben wtlrden. Am ehesten mochte ich an Burgund
denken. Nicht nur die politische Verbindung Friedrichs I. mit Burgund
durch seine Heirat mit Beatrix wtirde darauf hinftihren. Jedenfalls west-
Hche Einfltisse konnen nach dem Stande unseres Wissens fast allein in
Frage kommen. Zeigt sich doch schon an der kaiserlichen Neuenburg
in der Schweiz die reiche Ffille ornamentalen Schmuckes, ohne dafi die
Anlage sonst Verwandtschaft mit Gelnhausen hatte. Es mag schmerzlich
sein, auf die Gelnhausener Pfalz als einen Ruhmestitel rein und spezifisch
deutscher Architektur zu verzichten ; so lange die vorhandenen Schwierig-
keiten nicht anders gelost werden, wird man bei ihr, wenn nicht im Plan,
so doch in der Ausftihrung fremde, wahrscheinlich franzosische oder we-
nigstens franzosisch geschulte Hande als tatig annehmen milssen.
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Aus Peter Vischers Werkstatt/)
Von Otto Buchner. f
Durch das Hauptwerk Peter Vischers, das Sebaldusgrab, hat sich
die Aufmerksamkeit mehr seinen plastischen Arbeiten zugewandt, als den
zeichnerischen, d. h. den in Zeichenmanier durchgefiihrten ziselierten
Messingplatten. Und doch nehmen diese im Lebenswerk des Klinstlers
einen groflen Raum ein. Aber es ist erklarlich, dafi die letzteren ihrer
Bedeutung nach leicht unterschatzt werden, geben sie doch heute, nach-
dem jahrhundertelang die Fiifle iiber die im Boden eingelassenen Platten
gegangen und viele Einzelheiten abgeschliffen sind, in der Mehrzahl
kaum einen Begriff von ihrer einstigen Scharfe. Allein auch die durch
Dielenbelag geschiitzten, heute an den Wanden der Kirchen aufgerich-
teten Platten wirken selten erfreulich fur das Auge, da sie scharfer
Farbenkontraste ermangeln und nur selten durch Patina die Zeichnung
gehoben wird. Deshalb ist auch die photographische Reproduktion
dieser Platten nicht leicht. So kommt es, dafi diese Denkmale des
kunstreichen Nurnbergers nur zu leicht Ubersehen, oder wenig beachtet
werden.
Nur wenige dieser Platten bieten durch besonders gltickliche Patina
Ausnahmen, so z. B. die des Johann von Heringen im Erfurter Domkreuz-
gang. Das ist eine Schopfung von fesselndster Wirkung und Eigenart, vor
der man vergifit, dafi man sich einem Erzeugnis der Metallplastik
*) Folgenden Aufsatz entnehme ich dem Nachlafl meines jlingst verstorbenen
Freundes Dr. Otto Buchner-Weimar. Der Verfasser, dessen Arbeit seit Jahren vorzugs-
weise der deutschen Grabplastik gewidmet war, hatte sich schon langer mit den aus
der Vischer -Werkstatt hervorgegangenen Werken beschaftigt und gehofft, die gewonnenen
Resultate einst in groflerem Zusammenhang niederlegen zu konnen. Leider war ihm
dies nicht vergbnnt und hat sich nur diese eine Abhandlung so gut wie druckfertig
vorgefunden.
Ich folgc einem Wunsche des Vrerstorbenen, wenn ich seine Studien an dieser
Stelle veroffentliche. Die wenigen Anderungen, die ich vorgenommen habe, sind rein
sUlistischer Natur und bertihren in keiner Weise den eigentlichen Stoff und dessen Zu-
sammenstellung. Dr. Valentin Scherer.
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Aus Peter Vischers Werkstatt.
M3
gegeniiber befindet, sondern sich vor eines jener anziehenden siid-
deutschen Clair -Obscur Blatter des sechzehnten Jahrhunderts versetzt
glaubt Ein solches Werk flofit uns grofie Achtung auch vor dem zeich-
nerischen Konnen Peter Vischers ein und wir lernen den Meister von
einer neuen Seite kennen.
Die Technik der gravierten Platten hat ohne Zweifel Peter Vischers
Vater, Hermann Vischer d. A., schon getibt Man hat ihm, wohl mit
Unrecht, die Erzplatte Bischofs Jakob III. in Gnesen zugeschrieben,
deren Ktinstlermonogramm eine entfernte Ahnlichkeit mit dem Vischer-
schen Angelhaken hat Doch ist die Platte ftir Hermann ktinstlerisch
zu schwach. Mit einiger Wahrscheinlichkeit dagegen nimmt man fur
ihn in Anspruch die Grabplatten des Bischofs Johann von Desser
(t x455) m Ftirstenwalde, der Bischofe Peter Novag (f 1456) und
Rudolf von Rfidesheim (f 1482) im Dom von Breslau. Bei diesen
Platten, sowie der des Lukas von Gorka (f 1475) *m Dom zu Posen
treten nur die Kopfe in flachem Relief aus dem gravierten Hintergrund
hervor, gleichsam schtichterne Anfange und Ubergange zur Reliefplatte,
beziehungsweise zum Rundgufi. 1479 ^8t die Platte des Bischofs
Andreas IV. von Buin im Dom zu Posen. Allen diesen Platten ist
gemeinsam eine feierliche, representative Auffassung, sowie die strenge
architektonische Gebundenheit, die Einpassung der Dargestellten in eine,.
an den Seiten und zu Haupten tiberreich und unruhig gebildete, durch
hineingestellte Figuren belebte Portalnische. Die beiden letzteren Platten,
von Bergau, (Zeitschr. f. d. hist. Gesellschaft f. d. Prov. Posen II 179), noch
fur Hermann Vischer d. A. in Anspruch genommen, sind neuerdings von
Kohte (Posen, Zeitschr. VII) Peter Vischer selbst zugeschrieben worden,
wie es scheint, ohne zwingenden Grund, denn die Werke schlieflen sich
stilistisch zwanglos zu einer Kette aneinander. Dafi Peter Vischer seinem
Vater, der 1487 starb, bei diesen Platten geholfen haben kann, ist nicht
ausgeschlossen ; genug, dafi er die Herstellung gravierter Platten bei
seinem Vater gelernt, und dafi gerade auf diesem Gebiet die Vischer-
sche Hiitte vortreflfliches geleistet hat
Jedoch hat sich Peter von der Tradition seines Vaters allmahlich
freigemacht und hat, soweit das publizierte Material sich uberschauen
lafit, in der Art seiner Zeichnung wie Auffassung einen Wandel durch-
gemacht Unter den Platten unterscheidet sich namlich eine Gruppe,
gebildet von Herzog Friedrich dem Guten in Meifien (f 1464),
Bischof Dietrich von Bocksdorf in Naumburg (f 1466) und Hunold
von Plettenberg in Erfurt (f 1475), v6llig von den mit mehr oder
"weniger Sicherheit Hermann Vischer zugeschriebenen Werken durch ihre
vornehme, nach formaler Abklarung strebende Ruhe. Dieser Gruppe
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144
Otto Buchner:
kann noch die Platte des Kurftirsten Ernst zu Meifien (f i486) an-
gegliedert werden. Ihrem Geist nach sind * sie weit von den architek-
tonisch gegliederten Platten verschieden, indem sie die Personlichkeit
als solche stark hervortreten lassen und die Zutaten nach Moglichkeit
zurtickdrangen. Die Art der Zeichnung, vor allem der Faltenwurf ist
durchaus nlirnbergisch ; sollte ein bestimmter Meister genanht werden,
so kame allenfalls Wilhelm Pleydenwurff in Betracht Es sind also
Werke, die — bei letzterem ist es fraglich — wohl noch zu Lebzeiteh
Hermanns entstanden, doch anderen Geist atmen; Werke, die ich in die
Friihzeit Peter Vischers legen mochte.
Noch sehen wir nicht klar genug in des Meisters Entwicklungs-
gang, jedoch scheint es gestattet, aus der vorhandenen Uberzahl plasti-
scher Werke von vornherein anzunehmen, dafl Peter sich deshalb der
Gravierungstechnik nicht so stark zugewendet hat, weil ihm die plastische
Gestaltung mehr »lag« als die zeichnerische. In Posen findet sich noch
die Platte des Felix Paniewski (f 1488), dann geht in den neunziger
Jahren die Erzeugung gravierter Platten stark zuriick zugunsten von
Reliefplatten. Es beginnt die fabrikmaflige Herstellung von Grabplatten
flir hohere Geistliche und Domherren. Zeitlich zwar, aber nicht der
Entstehung nach steht an der Spitze dieser Entwicklung das Denkmal
des Bischofs Sigismund von Wurzburg (f 1457) und weiter das des
Bischofs Dietrich IV. von Meifien (f 1476), das, ganz abgesehen
von stilistischen Griinden, durch das Vorkommen der gleichen Evange-
listen-Symbole in den Ecken des Rahmens mit den Platten flir Probst
Bernhard Lubranski zu Posen (f 1499) und den Kanonikus Stein
zu Erfurt (f 1499) ungefahr datiert erscheint. In die neunziger Jahre
fallen ferner von grofieren Werken das Grabmal des Bischofs Johann IV.
von Breslau, die umfangreiche, viel Arbeit verschlingende Tumba des
Erzbischofs Ernst von Magdeburg, in das erste Dezennium des
sechzehnten Jahrhunderts die Vorbereitungen filr das Sebaldusgrab,
sowie die Tumba des Grafen Hermann VIII. von Henneberg. Und
gerade wahrend die Vischersche Hlitte dank der Hilfe der Sonne Peters
eine erstaunliche Arbeitsleistung entfaltet, die aber mehr auf plastischem
Gebiet iiegt, setzt nun, von ihr unabhangig und stilistisch kaum im Zu-
sammenhang mit ihr und dem vorher Geleisteten, eine reiche zeichne-
rische Tatigkeit ein, d. h. eine erhohte Produktion von gravierten Platten,
die mit der Tradition Hermann Vischers und den Jugend werken Peters
nichts mehr zu tun hat
Nicht auf einmal offenbart sich diese zeichnerische Hohe, sondern
sie setzt zuerst bescheiden ein und entwickelt sich schrittweise zu immer
grofierem Reichtum, um dann ganz plotzlich abzubrechen. An der
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Aus Peter Vischers Werkstatt.
145
Spitze dieser Entwicklungsweise steht die rein ornamental gehaltene
Grabplatte der Anna von Katzenelnbogen (+ 1494) in der Elisabeth-
kirche zu Marburg, 1496 laut erhaltener Rechnung in die Steinplatte
eingelegt Damit ist ein wichtiges Datum gegeben. Ein an den Ecken
von Wappen unterbrochener, reich ornamentierter Rand umschliefit ein
grofles Mittelwappen. Die Gufitechnik ist bereits vortrefFlich. * Die
Ornamentik hat kaum mehr etwas mit der spaten Gotik gemeinsam,
sondern gemahnt an die fruhe Dtirersche Formgebung, wie sie sich in
der grofien Holzschnittpassion zeigt. Ranken und Blatter in lebhafter
Bewegung und Gegenbewegung umziehen die Wappen, dazwischen sind
Tiere eingestreut. Ganz vortrefflich ist der Wappenmantel, dessen
Zaddeln sich in sprtihender Bewegung ineinanderschlingen. Nur eine
feine gotische Randleiste, in der sich ein Zackenblatt um einen Stab
rankt, erinnert noch an die altere Tradition der Vischer-Htitte, kommt
sie doch ganz ahnlich auch am Denkmal des Lukas Gorka vor.
Reicher ist die Ornamentik ausgebildet beim Grabdenkmal des
Philipp Callimachus in Krakau (f 1496). An ein Mittelrelief, den
Verstorbenen in liebevoll ausgestatteter Gelehrtenstube darstellend, schliefien
sich seitlich pilasterartige Ornamentstreifen mit graziosem Ranken- und
Blattwerk. Putten und Tiere treiben sich spieiend in diesem Gewirr
umher; eine formale Abklarung ist kaum vorhanden. Das Ganze wirkt
unruhig, jugendlich unreif, aber eingegeben von ubergrofiem Gestaltungs-
reichtum, der sich nicht genugtun kann. Ebenso frisch wirkt das
Mittelsttick selbst mit seinen nicht immer gegliickten Verktirzungen und
Proportioned Der Faltenwurf ist unruhig bewegt, fast barock. Wiirde
das Werk spater zu datieren sein, miifite man an die Mitwirkung des
Hans Vischer denken.
Als vollig graviert, und zwar mit starken etwas schematisierten
Kreuz- und Querlagen der Linien schliefit sich an die Platte des Bischofs
Ulrich von Gorka (f 1498) zu Posen, allerdings noch stark unter
der Einwirkung der Architektur stehend und sehr unruhig im Detail.
Der Bischof, im Kopf durchaus typisch und unpersonlich, halt Stab und
Buch und steht auf zwei Lowen; hinter ihm ist ein Teppich ausgespannt,
dariiber offnet sich der Blick in eine Kirche. Seitlich wird die Gestalt
flankiert von Iibereinandergestellten Baldachinen mit je drei Heiligen-
figiirchen. Sehr merkwiirdig ist die dreifache Bekronung zu Haupten
des Bischofs; es sind melonenffcrmige Kuppelbauten, im Detail noch an
die Spatgotik anklingend, aber in gewisser Weise als Vorstufe zur Be-
kronung des Sebaldusgrabes wirkend. Das Gesamte ist uberlastet mit
Einzelheiten, dazu etwas trocken und pedantisch durch die allzu grofie
.Gewissenhaftigkeit,
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146 Otto Buchner:
Eine formale Abklarung beginnt erst einzutreten mit der Grabplatte
Herzogs Albrecht des Beherzten (f 1500) in Meifien. Hier wird
die Durchmodellierung des Gesichts einfacher und klarer. Und nun
folgen sich, den Todesdaten nach eng aneinandergereiht, die Platten, die
das Beste, was auf diesem Gebiet in Deutschland je geleistet worden
ist, reprasentieren. Herzog Albrecht steht an der Spitze dieser vortreff-
lichen Reihe, die vertreten ist durch:
Amalie v. Bayern (f 1502) in Meifien,
Johann v. Heringen (f 1505) in Erfurt,
Kardinal Friedrich Kasimir (f 15 10) in Krakau,
Herzogin Sidonie (f 15 10) in Meifien,
Herzog Friedrich (f 15 10) in Meifien,
Andreas Szamutolski (f 151 1) in Samter.
Als eng verwandt, aber nicht so eingehend durchgefiihrt ist inner-
halb dieser Reihe noch zu nennen die Platte des Eberhard von Raben-
stein (f 1505) zu Bamberg.
Auf Einzelheiten einzugehen, bedarf es hier nicht In dieser Reihe
oflfenbart sich eine solche zeichnerische Hohe und Vollendung, wie sie
die spater entstandenen Werke der Vischerwerkstatt nicht mehr erreichen.
In alien diesen Platten tritt sieghaft eine Freiheit und Frische der Er-
findung hervor, eine souverane Beherrschung der Graviertechnik, eine
so vornehme Art der Zeichnung, dafi man bereits frtiher einzelne der
Stticke, als viel zu gut fur Peter Vischer, auf Entwiirfe Diirers zuriick-
gefuhrt hat. Wohl nicht mit Recht, aber andererseits ist eine indirekte
Einwirkung von Diirer her gar nicht zu verkennen. Bei Besprechung des
Denkmals des Johann von Heringen (Zeitschr. f. christl. Kunst 1903
S. 162 ff.) habe ich versucht, kurz zusammenzufassen, wie sehr sich hier
Dtirersche Art in der Auffassung sowohl, wie der Einzelausfuhrung deut-
lich zeigt. Aus der Liniengebung des Gesichts und der HSnde spricht
mit Uberzeugender Klarheit Diirerscher Geist Und vergleicht man die
Platte des Heringen mit der des Kardinals Friedrich Kasimir in
Krakau und des Andreas Szamutolski zu Samter, so findet man,
dafi hier keine zufalligen Beziehungen zu Dtirer vorwalten, sondern ein
ganz bewufiter Anschlufi an dessen Kunstart, eine von 1500 ab etwa
bis 1 5 1 1 sich steigernde Meisterschaft und formale Abklarung. Wie es
scheint, folgt man in der Vischerschen Werkstatt den Bahnen Diirers mit
grofier Aufmerksamkeit, und kann dies umsomehr, als Diirer und Vischer
einander im hdchsten Grade wesens verwandt sind. Betrachten wir jedoch
die Zeichnung der Platten, so sehen wir, dafi die engen Beziehungen
weit tiber Wesensverwandtschaft und zeitgenossischen Einflufi hinausgehen.
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Aus Peter Vischers Werkstatt.
M7
Suchen wir hierftir eine Erklarung, so ist vor alien Dingen zu be-
achten, dafl diese — nennen wir sie dttrerische — zeichnerische H6he
um 15 1 1 abbricht Was nachher geschaffen wurde, ist, wenn nicht
Dutzendware, so doch charakterlos und schwach im Vergleich zu den
vorgenannten Werken. Die grofle Energie der Linienftthrung, die Mannig-
faltigkeit und der Reichtum der Motive, die (iberzeugende FrischS und
Kraft der Dargestellten ist vorbei. Ein kennzeichnendes Werk ftir diesen
Rtickgang, oder, richtiger gesagt, Verfall ist die von der Forschung seit-
her nicht berticksichtigte Platte des Abtes Georg von Reichenau
(f 1519) zu Mittelzell. Die Gravierung ist sehr zart und sauber, aber
es fehlt jegliche Originalitat. Konventionell schaut der Abt mit ' den
bei Vischerschen Dutzendplatten durchweg starren Augen drein. Die
Zeichnung verrat gewifl noch gute Tradition, aber sie ist typisch und
lafit kalt Wichtig ist das Werk, weil sich an der Befestigungs-Spange
des Sudariums ein ineinandergeschlungenes Ktinstlermonogramm befindet,
dessen Buchstaben AHNSF nicht anders als Hans F(ischer) zu deuten
sind. Denn die Platte ist entschieden vischerisch und beide Lesarten
des Namens Fischer und Vischer kommen vor.
Das ist ein wichtiger Anhalt dafiir, dafl Hans Vischer nichts mit
der vorbesprochenen Reihe bedeutungsvoller Monumente zu tun hat; er
ware dazu auch zu jung gewesen, ist er doch zwischen 1488 und 1490
geboren. Man mag also die Platte zu Mittelzell als eines seiner ersten
selbstandigen und daher auch signierten Werke betrachten.
Ob Peter d. J. an den Platten beteiligt war, erscheint auch zweifel-
haft. Soweit sich dessen Bild durch mtihsame Kombination rekonstruieren
lafit, ist er durchaus Erbe der vaterlichen Tradition, d. h. vornehmlich
Plastiker. Seeger hat in seiner Studie tiber Peter d. J. wenigstens die
zeichnerische Seite nicht beriihrt.
Wir kommen daher zu Hermann d. J., der wie Neudorffer berichtet,
»mit Gieflen, Reiflen, Maflwerken und Konterfeien wie der Vater gar
kunstlisch gewesen «. Das Geburtsjahr Hermanns steht nicht fest, Seeger
nimmt i486 mit einem Fragezeichen an. Da Hermann aber 15 13 ver-
heiratet mit Ursula Mag genannt wird, konnen wir sein Geburtsjahr ge-
trost um 1483 ansetzen. »Als ihm seine Hausfrau mit Tod abging, zog
er Kunst halben auf seine eigenen Kosten gen Rom und bracht viel
ktinstlische Ding, die er aufgerissen und gemacht hat, mit, welches seinem
alten Vater wohlgefiel, und den Brudern zu grofler Ubung kam.« Diese
Reise mufl zwischen 15 13 und 15 16 fallen; tiber die aus ihr erhaitenen
Handzeichnungen berichtet Weizsacker, Jahrb. der kgl. Preufl. Kunstsamm-
lungen XII, S. 50 ff. Neudorffers Nachrichten bestatigen sich also, und
die Handzeichnungen von 15 15/16 zeigen, dafi Hermann viel Sinn ftir
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148 Otto Buchner:
Architektur hatte und mit offenen Augen die Reriaissancebauten wie die
Antike studiert hat. Interessant sind vor allem die Entwtirfe zum Se-
baldusgrab, an dem unterdessen sein Vater, nachdem er 15 14 zum Fort-
setzen der Arbeit angehalten worden war, fleifiig weiterarbeitete. Im
Winter 15 16/17 ist dann der nach Ntirnberg zurtickgekehrte Hermann
»in seinen besten Tagen bei Nachts unter einem Schlitten elendiglich
und erbarmlich umkommen* — ein schwerer Schlag fiir den Vater, seinen
so hochbegabten Sohn verlieren zu mtissen.
Wir haben aufier den Handzeichnungen im Louvre kein beglaubigtes
Werk Hermanns erhalten; aber auf seine Tatigkeit wirft doch der Urn-
stand Licht, dafi, wie bereits betont, die oben besprochenen Gruppen
von gravierten Grabdenkmalern, deren letztes Todesdatum 151 1 ist,
plotzlich abbricht und dafi wir den Beginn der Reise Hermanns nach
Italien um 15 14 ansetzen mtissen. Dies ist kein Zufall, sondern
diese Tatsachen stehen in enger Beziehung zueinander. Es
ware dies nicht der Fall, bliebe die Produktion gravierter Platten auf
der Hohe. Diese aber verringern sich im Gegenteil an Qualitat sowie
an Quantitat. Daher mtissen wir Hermanns d. J. Werke in jener
Entwicklungsreise von 1496 — 1511 suchen. Nur in dieser Zeit
offenbart sich eine erhbhte kunstlerische Potenz, ein Schwung und ein
Feuer, die mit den ruhigeren und geschlosseneren Werken Peters, des
Vaters, in gewissem Gegensatz stehen.
Es kann hier vorerst auf eingehendere Behandlung dieser Platten
verzichtet werden, umsomehr, als die Trennung dessen, was noch vom
Vater beeinflufit und was von Hermann selbst gegeben wird, sehr
schwierig ist. Nur sei hervorgehoben, dafi sich hier zumeist eine archi-
tektonische und perspektivische Durchbiidung findet, dafi eine grofie
Ftille dekorativer Einzelheiten vorhanden, und schliefilich auch die Por-
trait-Wiedergabe nicht so typisch und konventionell ist, als die sonstigen
Werke der Vischerhtitte. Auf diese Denkmaler-Reihe lafit sich also
wohl NeudorrTers oben angefiihrtes Lob des jtingeren Hermann anwenden.
Und was die Formensprache betrifft, die sich in Einzelheiten wie Ge-
sichts- und Handmodellierung, abgesehen von der Gesamthaltung auf-
fallig zeigt — man vergleiche die Figur Herzog Albrechts des Be-
herzten -Meifien, oder die Szamutolskis etwa mit den Figuren des
Paumgartner-Altars — so ergeben sich, auch in der Verwendung von
Ziermotiven, solche auffalligen Beziehungen zu Dtirer, dafi es als ver-
lockende Aufgabe erscheint, diesen Verwandtschaften im einzelnen nach-
zusptiren.
Eine Erklarung dieser Erscheinung ware sofort gegeben, wenn sich
feststellen liefie, dafi Hermann d. J. etwa Schuler Dtirers war. Konnten
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Aus Peter Vischers Werkstatt.
149
wir dies mit Bestimmtheit behaupten, so ware mit einem Schlage die
Sachlage geklart und wir wtiflten, woher in der Vischer-Htitte der
Diirersche Einflufi, der sich tibrigens selbst auf die Ornainentik des Se-
baldusgrabes erstreckt, stammt Was die Annahme einer Schiilerschaft
Hermanns bei Diirer untersttitzen wtirde, ist die unbestreitbare Tatsache,
dafi der jfingere Binder Johannes Vischer, seinem ganzen Formenschatz
und seiner Gewandbehandlung nach, nicht Lehrling seines Vaters ge-
wesen sein kann, sondern bei einem frankischen Holzschnitzer, als welcher
Stofi sowohl wie Krafft in Betracht kommen konnte, in die Schule ge-
gangen sein mufi. Ersichtlich hat also Vischer daftir Sorge getragen,
dafi seine im Verlauf von anderthalb Jahrzehnten geborenen Sohne nach
den verschiedensten Richtungen ausgebildet wurden. Nur Peter d. J.
scheint, soweit seine Werke sprechen, direkter Schiiler und Erbe der
kOnstlerischen Tradition des Vaters gewesen zu sein.
Inwieweit die M6glichkeit vorliegt, aus dem Charakter der im
Louvre erhaltenen Zerchnungen Hermanns Rlickschliisse auf ein etwaiges
Schul verbal tnis zu Dtirer ziehen zu konnen, entzieht sich meiner Be-
urteilung. Ist es der Fall, so mtifite die vielbesprochene Diirersche Hand-
zeichnung mit dem Entwurf eines Grabdenkmals fur ein ritterliches Ehe-
paar (Romhild-Hechingen) auch noch einmal in den Kreis der Betrachtung
gezogen und auf ihre Echtheit genau gepriift werden. Ist es nicht der
Fall, so kann nur angenommen werden, dafi der junge Hermann mit
grofiem Eifer und Geschick sich aus Dtirers Holzschnitten und Kupfer-
stichen dessen Zeichenart angeeignet und in des Vaters Werkstatt ver-
wertet hat Dafi bei der schonsten Platte, der Herzogin Sidonie, der
feierlich gebundene Faltenwurf an den ruhigen Linientlufi und die abge-
klarte Gewandverteilung des Vaters Peter gemahnt, ist nur ein Beweis
daflir, dafi letzterer, so grofie Freiheit er seinen Sohnen auch gelassen
hat, doch dank seines tiberlegenen Stilgeftihls in der Lage war, mit
seinem grofien Konnen einzuspringen und auf die uberschaumenden Sohne
benihigend zu wirken. Es mindert aber keineswegs des Vaters Ruhm,
dafi, rein als Zeichner, ihm einer seiner Sdhne, von denen nur Hermann
in Betracht kommt, tiber den Kopf gewachsen zu sein scheint. Moge
es weiteren Forschungen gelingen, durch genaue Vergleichung der vor-
handenen gravierten Platten diese Hypothesen zur Gewifiheit zu erheben!
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Der Altarschrein
oder Hochaltar in der Kirche zu Schortens bei Jever.
Von Prof. Fr. W. Riemann.
Die Kirchen in den Nordseemarschen sind keine architektonischen
Kunstbauten. Entsprechend den einfachen Lebensverhaltnissen der Be-
wohner bestehen die meist dem 12. bis 14. Jahrhundert entstammenden
Kirchenbauten aus einem schlichten, meist sogar ohne Sockel und Gesims
und ohne jegliche Gliederung aufgeftihrten Hauptschiff. Die unteren Teile
sind gewohnlich aus Granitsteinen, die sich als Findlinge im Gelande
vorfanden, die oberen Partien aus grofien im Feldbrand hergestellten Back-
steinen aufgeftihrt. Die schmalen, schiefischartenartigen Fenster verraten
noch heute den ehemaligen Nebenzweck der Kirchen als befestigter Zu-
fluchtsstatten wahrend der fehdereichen Zeit ihrer Griindung. Die alten,
jetzt in der Regel verbauten, iiberaus niedrigen Kirchentore deuten den-
selben Zweck an. Hie und da kann man fiber diesen alten Toren noch
die Spuren abgebrochenen Mauerwerks bemerken, die darauf hindeuten,
dafi sie ehedem von sogenannten Schwalbennestern oder Pechnasen iiber-
ragt waren, durch deren Gufllocher man auf die andringenden Feinde
kochendes Wasser, siedendes Ol oder Pech gieflen konnte. Auch im
Innern der Kirchen bemerkt man vielerorts an den Mauern noch die An-
zeichen, dafi friiher zur Erleichterung der Verteidigung nicht ganz in der
Hohe der Fenster ein Rundgang angebracht war, entsprechend der Wehr
oder Letze bei Burgbauten. Oft auch begegnet man in den Kirchen
Brunnenanlagen, die, ursprtinglich angelegt, um den Belagerten Trinkwasser
zu sichern, in spateren Zeiten bei verderblichen Sturmfluten den Kirchspiels-
leuten in weitem Umkreis oft das einzige geniefibare Trinkwasser lieferten.
An das Hauptschiff, dessen Lange durchschnittlich die dreifache
Breite betragt, schliefit sich im Osten meist eine nach dem Schiff sich
offnende Chornische an. Schiff und Chor sind gewohnlich durch den
hierorts Evangelienboden genannten Aufbau getrennt, der seinen Zugang
vom Chor aus hat.
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Der Altarschrein in der Kirche zu Schortens.
*5*
1st der Baustil der Kirchen schmucklos und schlicht, so scheint da-
gegen ihre Ausstattung nicht von jeher eine so einfach nuchterne wie
heutzutage gewesen zu sein. Durch der Zeiten Ungunst aber, besonders
durch die Beraubung der Kirchen zur Zeit des Ubergangs aus der katho-
lischen zur evangelischen Religion, hat sich fast nichts bis auf die Gegen-
wart erhalten. Nur die originellen Taufsteine sind als Alterttimer aus
der Griindungszeit der Kirchen noch vielfach bemerkenswert Daneben
finden sich aus dem 15. bis 17. Jahrhundert stammend in vielen Kirchen
noch manche beach tenswerte Kunstwerke der Holzschnitzkunst, Altar-
schreine, Hochaltare und dergl., die vielfach mit zu den edelsten und
originellsten Werken dieses Kunstzweigs gez£hlt werden dfirfen.
Sie besitzen allerdings sehr verschiedenen Kunstwert; neben Schnitze-
reien landlicher Kunstiibung ist viel Werkstattarbeit vorhanden, aber auch
Skulpturwerke, denen noch der personliche Hauch des klinstlerisch schaf-
fenden Meisters anzuhaften scheint. Durch unfeinen, fingerdicken, in den
Farbentonen oft unharmonischen Anstrich von der Hand bauerlicher Maler
entstellt, ist ihr Wert vielfach unbeachtet geblieben und schon manches
durch Farbe entstellte Kunstwerk achtlos bei Seite geschoben worden.
Einen Altarschrein von nicht unbedeutendem Kunstwerk besitzt die
Kirche zu Schortens bei Jever. Die Schnitzereien sind hier vor wenigen
Jahren von dem sie entstellenden Uberzug aufgetrockneter Olfarbe ge-
reinigt worden, wobei freilich auch die ursprungliche Ubermalung der
Skulpturen geschwunden ist Jedoch ist die Reinigung in so schonender
und geschickter Weise ausgeftihrt worden, dafi das Schnitzwerk in keiner
Weise gelitten hat und jetzt dem Beschauer in den braunen Farbtonen
alten Eichenholzes in verjtingter Schonheit entgegenstrahlt.
Der 2,10 m hohe Schrein besteht aus einem 2,80 m breiten Mittel-
schrein und zwei Fltigelschreinen von halber Breite, aber gleicher Hohe
wie der Mittelschrein. Die Flugel waren frtiher beweglich und zum Schutz
der Schnitzereien gegen Sonne, Staub und gewaltsame Beschadigung zum
Zusammenschlagen eingerichtet, sind aber spaterhin festgestellt und mit
einem Aufbau versehen worden. Dadurch gewann das Kunstwerk das
Aussehen eines Hochaltars, der bei einer Breite von 5,60 m mit Ein-
rechnung des eigentlichen Altars eine Hohe von 4,60 m besitzt Der
1,07 m hohe, 2,73 m breite und 1,20 m tiefe Altar ist aus grofien Feld-
brandsteinen roh aufgemauert und entbehrt einer Deckplatte. Auf dem-
selben ist hinten ein 0,42 m tiefer und 0,70 m hoher Aufsatz aus Eichen-
holz angebracht, auf welchem der Altarschrein seinen Platz gefundet hat
Die AYandungen der Schreine sind aus starkem Eichenholz gezimmert,
das durch Wurmfrafi nur wenig gelitten hat Die gleichfalls eichene
Rlickwand ist nicht mit Nageln aufgeheftet, sondern als Fiillung einge-
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»5*
Fr. W. Riemann :
lassen. Auf der Riickseite ist der Mittelschrein rait Bandeisen an zwei
eichenen, in die Erde eingelassenen Standern befestigt, die durch Strebea
festen Stand erhalten.
Der Mittelschrein und die beiden Fltigel sind abgeteilt in 3 1 Facher
zur Aufnahme der plasiischen Gruppenbilder. Der Mittelschrein besitzt
deren 13, die Fliigel je 9; letztere sind von gleicher Grofle und entsprechen
darin den aufleren 6 Fachern des Mittelschreins. In der Mitte desselbert
ist ein grofierer Raum von 1,98 m lichter Hohe und 1,20 m Breite aus-
gespart fur die Hauptdarstellung, die Kreuzigung Christi. Zu beiden
Seiten derselben dienen je drei 25 cm breite Skrinien tiber einander zur
Aufnahme von 6 Einzelfiguren und daneben sind wieder iiber einander
je drei Skrinien, wie oben schon gesagt, in den Maflen derjenigen der
beiden Fliigel, 41 cm breit und 58 cm hoch.
Alle Skrinien sind mit oben vorgesetzten, kunstvoll geschnitzten,
gotischen Spitzbogen und Fufileisten mit Verzierungen gleichfalls in goti-
schem Stii versehen. Vor den senkrechten Scheidewanden der einzelnen
Facher, zwischen den vorgesetzten Spitzbogen und Fufileisten, erheben sich
fjreistehende, spiralformig gewundene Saulchen mit vierkantigen Sockeln,
deren Kanten nach vora gerichtet sind. In zweidrittel Hohe sind sie mit
zierlich geschnittenen, gotischen Spitzdachern versehen. Diese architek-
tonischen Verzierungen des Schreines sind bei der Zartheit der Schnitze-
reien leider sehr beschadigt Sie zeigen aber auch in der Verstiimmelung
noch deutlich die manierierten Formen des spatgotischen Stils, dessen
spielenden Charakter z. B. in den spiralformig gewundenen Fialen der
Schnitzer mit bewunderungswiirdiger Geschicklichkeit zura Ausdruck ge-
bracht hat Sie geben den Beweis, dafi dieses Werk der Werkstatt eines
Meisters der Holzschnitzerei entstammt.
Die Einzelfiguren in den 6 Skrinien zu beiden Seiten der Haupt-
darstellung gehoren, genau genommen, nicht zu dem Zyklus der plastischen
Darstellungen dieses Altarschreins. Sie stellen den Martyrer Stephanus,
die Jungfrau Maria und die Apostel Petrus und Paulus, Jakobus und
Johannes dar. Dafi der Martyrer Stephanus mit unter diesen Figuren stent,
findet seine Erklarung in dem Umstand, dafi er der Schutzpatron der
Dorfkirche in Schortens war. Diese Figuren sind sehr verschieden ge-
arbeitet Wahrend Petrus und Paulus, Jakobus und Stephanus im Ent-
wurf und in der Technik das Messer des Meisters verraten, lafit sich bei
Maria und besonders bei der Figur des Johannes die handwerksmaflige
Arbeit des Gesellen oder Lehrlings kaum verkennen. Bei ihnen ist die
Gewandung offenbar nach der Zeichnung des Meisters geschnitzt, aber
ohne sorgfaltige Modellierung; den Gesichtern aber vermochte das Messer
des schtilerhaften Schnitzers lebenswarmen Ausdruck nicht zu verleihea
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Der Altarschrein in der Kirche zu Schortens.
153
Wenn der Altarschrein der Kirche des nahen Klosters Ostringfelde,
campus Sanctae Mariae in Ostringia, entstainmte, wie irrtiimlich behauptet
wird, konnte man wohl erwarten, dafi der Statuette der Jungfrau Maria,
der Schutzpatronin des Klosters, vom Schnitzer grofiere Sorgfalt in der
Ausfiihrung zugewendet worden ware.
Die Figuren bestehen aus je einem Stuck eichenen Wurzelstockens
welches auf der Ruckseite, den Korperformen entsprechend, ausgehohlt
ist, offenbar um den Schrein nicht unnotig zu beschweren. Dem Johannes
fehlt die angesetzte linke Hand, die ursprtinglich mit einem Zapfen be-
festigt war.
Die 25 plastischen Gruppenbilder geben zusammen mit der grofien
Kreuzigungsgruppe des Mittelschreins eine fortlaufende Darstellung der
Passion Christi vom Einzug in Jerusalem bis zur Ausgiefiung des heiligen
Geistes und Christi Erhohung zur Rechten des Vaters, derartig, dafi die
Kreuzigung gerade die mittlere Darstellung ist
Packend ist vor alien Dingen die grofie Hauptgruppe des Mittel-
schreins, Christus am Kreuz, zu beiden Seiten die Schacher, am Fufie
des Kreuzes Kriegsknechte, Juden, die heiligen Frauen und Jiinger, zu-
sammen 25 Personen und 7 Pferde, Christus und die beiden Schacher
nicht mitgezahlt. Wirkungsvoll wiedergegeben durch das Messer des
Schnitzers ist der Kontrast zwischen dem in Geduld der Erlosung von
seinen Leiden entgegenharrenden Gestalt des Heilands und den verzerrten
Gestalten der Schacher mit ihren verrenkten Gliedern, von denen der linke
schmerzerfullt aber reumiitig dem Tod entgegensieht, der rechte aber trotz
aller Schmerzen und den Tod vor Augen Frechheit und Rohheit nicht
vergessen zu haben scheint. In den romischen Kriegsknechten treten uns
keine romischen Legionare und in den unterm Kreuz versammelten Juden
keine Semiten entgegen, sondern derb naturalistisch durchgefUhrte Typen
aus den untersten Klassen deutscher Stadte, an harte Arbeit und ernstes
Leben gewohnte Manner, deren harter Sinn durch die Leiden der Ge-
kreuzigten sich nicht erregt Auffallig sind jedem Beschauer die aufier-
gewohnlich starken Nasen. Die Proportion der einzelnen Figuren lafit
manches zu wiinschen tibrig, die Pferde und Reiter sind durchweg noch
recht ungeschickt gestaltet. Die Personen sind zwar in Gruppen zu-
sammengestellt, jedoch mangelt manchen die lebendige Wechselbeziehung
zu einander.
Vorztiglich gelungen ist dem Messer des Meisters der mildernste
Ausdruck der Frauen: wirkungsvoll wiedergegeben ist der ergreifende
Schmerz der zusammenbrechenden Maria, welche Johannes stiitzt. Die
-weibiichen Figuren sind zart und tiberschlank, Biiste und Htifte zierlich
ausgearbeitet Die Faltung der Gewander ist zum Teil geschickt der
Repertorium fiir KunstwissenschaTt, XXVII. I j
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*54
Fr. W. Riemann :
Natur abgelauscht, in der Querfaltung jedoch meist knitterig und in
mechanischer Weise ausgeftihrt Das aber geht aus der ganzen Komposition
mit Gewifiheit hervor, dafi das fast 2 m hohe und 1,25 m breite Kunst-
werk aus der Werkstatt eines nicht nur technisch gut geschulten Meisters
hervorgegangen ist, sondern eines Ktinstlers, der im Geiste des Reforma-
tionszeitalters tief von dem darzustellenden Gegenstand in seiner Phantasie
ergriffen, mit seiner Gestaltungskraft um den edelsten und wtirdigsten Aus-
druck seiner Darstellungen rang.
Neben den typischen Figuren fallt sofort eine in die Augen, welcher
vom Meister offenbar absichtlich Portratahnlichkeit gegeben zu sein scheint.
Es ist die Gestalt des an den Fufi des Kreuzes gelehnten Mannes, der
weder zur Gruppe der Kriegsknechte, noch zu den Juden zu gehoren
scheint Die Werkstattmiitze auf dem lockenumwallten Kiinstlerhaupt,
schaut er, was bei keiner der tibrigen Figuren der Fall ist, mit geist-
erftilltem Auge den Beschauer an, als wollte er sich liber den Eindruck
seines Kunstwerks unterrichten. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir
in dieser Figur das Portrat des Meisters dieses vortrefflichen Werks der
Holzschnitzkunst erkennen.
Im tibrigen ist diese gewaltige Gruppe aus drei Stticken wohl zu-
sammengefiigter, eichener Wurzelstocken geschnitzt, nur die H&nde sind
meistens einzeln gearbeitet und mit Zapfen angefiigt. Mehrere Reiter sind
vom Pferde abhebbar und aus diesem Anlafi ihre Kfcrperhaltung recht
ungeschickt wiedergegeben.
In den je 12 Skrinien von 0,41 m Breite und 0,58 m Hohe des
linken und rechten Fltigelschreins und der drei aufieren Facher des
Mittelschreins befinden sich dann je 12 Gruppendarstellungen aus der Zeit
vor und nach der Kreuzigung. Jede ist aus einem Sttick eichenen Wurzel-
stockens geschnitzt und bequem dem Schrein zu entnehmen. Der Reihe
nach stellen sie nachstehende plastische Gruppen dar:
1. Das erste Bild stellt den Einzug in Jerusalem dar; Jesus reitet
auf der Eselin, das Volk breitet die Kleider vor ihm auf den Weg; ihm
zur Rechten folgen zu Fufi die Jiinger, von denen drei zu sehen. Sechs
Personen, ein Esel.
2. Die zweite Gruppe, das Abendmahl, zeigt in der Mitte Christus
und in schllchtemem Versuch ktinstlerischer Perspektive, aber in wohl
bemessenen Proportionen die 12 Jiinger um den Tisch geschart Der
Meister hat den Augenblick erfafit, wo Christus mit Judas in die Schiissel
tauchend in die Worte ausbricht: »Der mit mir in die Schiissel taucht,
wird mich verraten.«
3. In der dritten Gruppe ringt Jesus im Gebet in Gethsemane,
wahrend hinter ihm die drei Jiinger in Schlaf versunken liegen.
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Dcr Altarschrein in der Kirche zu Schortens.
"55
4. Durch lebendige Charakterisierung tiberrascht die Gefangennahme
Christi. Nach der Flucht seiner Jtinger gibt er sich den Kriegsknechten
gefangen, die sein ruhiges Eingestandnis »Ich bins« geradezu verwirrt
Sechs Personen.
5. Die folgende, sieben Personen enthaltende Gruppe » Judas verrat
den Herrn durch einen Kufi« fesselt durch die beiden Hauptfiguren. Judas
tragt fast die Zuge des Diirerschen Christus, wahrend dieser im Hinter-
grund weniger hervortritt.
6. Die nachste Gruppe gibt die Darstellung von Matth. XXVI, 68
»Weissage uns, Christe, wer ist es, der dich schlug?« Flinf Personen.
7. Christi Geifielung. Fiinf Personen.
8. Christus vor Pilatus. Joh. XVIII, 38. »Ich finde keine Schuld
an ihm.« Sechs Personen.
9. Die Darstellung » Christus mit der Dornenkrone* ragt hervor
durch die Lebendigkeit der Schilderung, zeigt aber auch, dafi an dem
Werke nicht der Meister allein tatig war, sondern dafi offenbar mehrere
Gesellen uiit daran gearbeitet haben, deren Anteil jedoch nicht scharf
bestimmt werden kann. Die Proportionen der nackten Korper der teuf-
lischen Knechte sind hier wie in Gruppe 7 ganz andere als in den meisten
tibrigen. Vier Personen.
10. Die nachste Gruppe zeigt Pilatus, wie er seine Hande in Un-
schuld wascht. Fiinf Personen.
11. Der mit dem Kreuze beladene Christus bricht unter der Last
desselben zusammen, die rohen Schergen zwingen Simon von Kyrene, den
sein Reisehut als Fremdling erkennen lafit, das Kreuz zu tragen. Vier
Personen.
12. In der letzten Gruppe vor der Kreuzigung, die Kriegsknechte
losen um Christi Kleider, ist wieder die handwerksmafiige Arbeit nicht
zu verkennen, andererseits aber zeigt sie auch den Versuch, starke Ver-
renkungen durch das Schnitzmesser zur klinstlerischen Darstellung zu
bringen. Flinf Personen.
In den zwolf Gruppendarstellungen nach der Kreuzigung fand der
Meister fiir sein Messer eine ihn mehr ansprechende Aufgabe. Man
forderte von ihm nicht mehr die Darstellung roher Gesellen mit gefalliger
Ziige baren Gesichtern, sondern die Darstellung von Personen mit geisti-
gerem Gefiihlsausdruck. Darum suchte der Meister seine Kopfe individu-
eller zu gestalten ; manche Einzelheiten der Charakterisierung hat er sogar
mit sichtlicher Liebe der Natur abgelauscht. Neben der trefflich durch-
gebildeten Modellierung versteht er es, den Gesichtern seiner Figuren tiefen,
seelischen Ausdruck zu geben, besonders aber offenbart er feinen Sinn fur
die Darstellung weiblicher Anmut in seinen Frauengestalten.
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156
Fr. W. Riemann :
i. und 2. Vorziiglich gearbeitet sind die beiden Gruppen der Kreuz-
abnahme, fiinf Personen, und der Grablegung, sieben Personen. Sie stellen
sich den besten Darstellungen anderer Meister wtirdig zur Seite; scheinen
auch mehrere Einzelheiten eine gewisse Nachlassigkeit zu verraten, so
zeigt sich doch in der ganzen Komposition die tiichtige, plastische Kunst
des Meisters.
3. Die Darstellung der Auferstehung Christi, sowie die seiner Himmel-
fahrt (10), erinnern lebhaft an die gleichen Darstellungen im rechten
Fliigel des Hochaltars in der Frauenkirche zu Krakau, die von Veit Stofi
geschnitzt sind. Die Ahnlichkeit in der Komposition hat offenbar ihren
Grund und ist fur die Bestimmung der Entstehungszeit nicht ohne Be-
deutung. Bekanntschaft des Meisters mit oberlandischer Kunstiibung
scheint danach nicht ausgeschlossen, moglich, dafi er als Geselle sud-
deutsche Meister kennen gelernt hat
4. 5. 6. Individualistische Zlige zeigen auch die Skulpturengruppen
der Hollenfahrt Christi, iin Hintergrund hollische Flammen, deren Dar-
stellung an die aus dem Kloster Ostringfelde stammenden Reliefs in der
Friedhofskapelle in Jever erinnert, vier Personen; der mit ihren Spezereien
zurn Grabe kommenden Frauen, denen der Engel erscheint, drei Personen,
und der Maria Magdalena, welcher der auferstandene Christus als Gartner
begegnet, zwei Personen. Joh. XX, 15.
7. Den Betrachter iiberrascht ferner die lebendige Charakteristik der
in Emmaus eingekehrten beiden Jiinger und des sie belehrenden Heilands.
Drei Personen.
8. sowie die Individualisierung des unglaubigen Thomas, zwei
Personen.
9. und das die Erscheinung des Heilands in Galilaa darstellende
Gruppenbild, elf Jiinger und Christus. Matth. XXVIII, 1 7.
10. Der Ahnlichkeit der Darstellung der Himmelfahrt mit dem grofien
Werk von Veit Stofi ist schon Erwahnung geschehen.
11. Von alien Einzelgruppen fesselt aber keine mehr als die Dar-
stellung der Ausgiefiung des heiligen Geistes. Die elf Jiinger, auf deren
Gesichtern seelischer Ausdruck nicht zu verkennen ist, um die Jungfrau
Maria geschart und erflillt vom heiligen Geist, scheinen wirklich in
innerer geistiger Wechselbeziehung zu stehn. Schade, dafi von einer der
schonsten und effektvollsten Figuren die obere Halfte abgebrochen und
verloren gegangen ist.
12. Die letzte Darstellung zeigt Christus zur rechten des Vaters
tronend, anbetende Engel ihm zur Seite, wahrend Menschen und Tiere
auf Erclen in frommer Andacht emporschauen.
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Der Altarschrein in der Kircbe zu Schortens. icy
Uber die Herkunft dieses durch die grofie Zahl und die Ausflihrung
der plastischen Gruppen gleichmafiig die Bewunderung herausfordernden
Kunstwerks lafit uns der Altarschrein selbst vollig im Ungewissen. Weder
am Schrein noch an den Skulpturen, die daraufhin bei ihrer ktirzlichen
Reinigung genau untersucht worden sind, findet sich irgend welcher Hin-
weis, der Aufschlufi iiber Entstehungszeit und den Meister geben konnte.
Auch die Kirchenbticher und Chroniken htillen sich in Schweigen. Der
Umbau, wodurch der Altarschrein in einen Hochaltar umgeschaffen wurde,
geschah im Jahre 1666, wie die Inschrift: »Anno 1666 hat Johann Gunther
Tormin dies Altar zur Ehre Gottes repariren lassen«, besagt. In diese
Zeit verweisen auch die Namen der beiden Pastoren, unter denen die
Instandsetzung geschah, Hermann Tiling 1652 — 69 und Henrikus Becker
1654 — 79, sowie das Wappen Anton Giinthers oben im Aufbau. Damit
ist aber keine Andeutung der Entstehungszeit der Skulpturen des Hoch-
altars gegeben.
Der manieriert gotische Stil der Verzierungen verweist auf die erste
Halfte des 16. Jahrhunderts als Entstehungszeit ebenso wie die Ahnlichkeit
einzelner Gruppen mit Kunstwerken von Veit Stofi uns den Hinweis auf
einen Meister seines Zeitalters an die Hand gibt
Oberdeutsche Arbeit kann der Schrein jedoch nicht sein, denn
nirgends findet man daselbst Altare mit einer so groflen Zahl plastischer
Gruppen, die nur Flandern, der Niederrhein und das norddeutsche Kiisten-
land aufzuweisen haben. In gleicher Weise verweist das Material, Eichen-
holz, auf einen norddeutschen Meister, denn im Siiden ist hauptsachlich
Lindenholz zur Bildschnitzerei zur Verwendung gekommen. Auch der
Stil der einzelnen Figuren ist norddeutsch.
Die vermutungsweise geaufierte Ansicht des Pfarrers Kirchner zu
Schortens, vielleicht konne der Schrein dem Kloster Ostringfelde ent-
stammen, hat Sello Veranlassung gegeben, in seinen Stud. z. Gesch. v. O. u. R.
(S. 8), die die Sachlage entstellende Behauptung vorzutragen »der Altar-
schrein (des Klosters Ostringfelde) soil in die Schortenser Kirche gebracht
worden sein. (Bericht des dortigen Pastors). «
Die Klosterkirche zu Ostringfelde wurde im Mai 1609 auf herr-
schaftlichen Befehl abgebrochen; in den erhaltenen jeverschen Rentei-
rechnungen dariiber weist kein einziger Posten darauf hin, dafi den
Schortensern ein Altarbild daraus verkauft sein konnte. Eigenmachtig aber
-werden sie vorher den Schrein der Klosterkirche kaum haben entnehmen
konnen. Es ist demnach nicht der geringste Anlafi vorhanden fur die
Annahme, dafi derselbe dem Kloster entstamme. Ja die geschichtlich
rnehrfach hervortretende Rivalitat zwischen Kloster- und Dorfkirche konnte
eher zur gegenteiligen Ansicht Anlafi geben. Ebenso wenig ist die Ver-
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*5«
Ft. W. Riemann :
mutung berechtigt, dafi die Skulpturen des Schreins von den Klosterleuten
geschnitzt sein konnten. Abgesehen davon, dafi Ostringfelde Nonnen-
kloster war, wiirde die Grofiartigkeit der Komposition und die Schwierig-
keit der technischen Ausfiihrung der sicher mangelhaften technischen
Fertigkeit der Nonnen oder Kleriker uniiberwindliche Schwierigkeiten in
den Weg gelegt haben.
In der Groflherzoglichen Alterttimer - Sammlung befindet sich ein
Dokument (iber die am 16. Oktober 15 13 durch den Bischof Christoph
von Konstanz erfolgte Einweihung eines Altars in der Dorfkirche zu
Schortens, wobei der ehrwtirdige Bischof die Kirche mit einer echten
Reliquie beschenkte. In Abschrift ist die Urkunde auch im Grofih.
Archive vorhanden. Stellt man die aus dem spatgotischen Charakter der
architektonischen Verzierungen des Schreins sich ergebende Entstehungs-
zeit mit dieser Urkunde zusammen, so kann wohl kaum ein Zweifel dar-
tiber obwalten, dafi der in der Urkunde erwahnte Altar der eben be-
sprochene Hochaltar ist Denn auch die Reliquie, eine vollig einge-
trocknete Hand, hat sich daselbst noch erhalten. In Vergessenheit ver-
sunken ist jedoch der Name des Meisters, dessen Beifall suchendes Portrat
vielleicht die am Kreuz lehnende Figur vergegenwartigt
Wenn wir nun auch den Namen des Ktinstlers nicht zu erkunden
vermogen, so ist es doch vielleicht moglich, den Schleier iiber die
Herkunft des Kunstwerks zu luften.
Es ist oben schon erwahnt worden, dafi Altare mit so zahlreichen
plastischen Gruppen nur an der Nordseekiiste von Flandern bis Jutland
sich vorfinden. Es sind aber nicht nur Altarschreine und Hochaltare, die
man in den alten Friesenkirchen antrifft, fast keine Kirche entbehrt des
Schmuckes alter Schnitzereien ganzlich. Bald sind es Schreine oder
Kasten mit einzelnen Darstellungen aus der Heilsgeschichte, in Holz ge-
schnitzt oder in Kunststein ausgearbeitet, bald sind es Statuetten der Apostel
oder des Schutzpatrons der Kirche, welche die Aufienseite des Evange-
lienbodens schmiicken, oder das kiinstliche Schreinwerk des Orgelbodens
zieren. Der Friese hatte sichtbares Wohlgefallen an dergleichen aus
knorrigem Eichenholz geschnitzten »Puppen«. Wohlhabende Bauern waren
gem bereit zur Stiftung eines oder mehrerer Apostel zur Ausschmtickung
der Kirche, besonders wenn es ihnen gestattet wurde, ihren Namen dar-
unter zu verewigen. In vielen Kirchen bekommt man noch heute viel-
leicht den Apostelftirsten Petrus mit der Unterschrift »Johann Gerriet
Griepenkerl«, oder den Paulus mit der Beischrift »Jan Hinrich Dirksen*
zu Gesicht. Die Spender glaubten auf diese Weise zugleich flir ihr Seelen-
heil und ihr bleibendes Gedachtnis zu sorgen und dazu den Holzschnitzern
ihrer oder einer benachbarten Gemeinde Verdienst zu schaffen. Auch
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Der Altarschrein in der Kirche zu Schortens.
159
ihre Wohnungen liebten sie mit Eichenholzschnitzereien zu schmiicken.
So sind beispielsweise Pieselschnitzereien aus dem Warfplatz Remmers von
Seediek, des treuergebenen Rates der letzten Herrin von Jever, Fraulein
Marias, 15 17 — 75, auf die Wartburg gewandert, wo sie Verwendung fanden
zur Erganzung der Holzschnitzereien der Burg der alten Landgrafen von
Thtiringen.
Durch rege Nachfrage gefordert, bildete sich schon im 15. Jahr-
hundert im Kiistengebiet der Nordsee die Holzschnitzkunst als gewerb-
licher Beruf aus. Die Altarschreine in Sillenstede und Oldorf reichen
bis in diese Zeit zurtick. Das vielfache Vorkommen auf die Schnitzkunst
beziiglicher Familiennamen weist noch darauf hin. Es gab Familien, in
denen die Kunstfertigkeit auf Kind und Kindeskinder vererbte, wie das
Beispiel der Familie Munstermann aus Golzwarden in Butjadingen zeigt,
die dann zur lohnenderen Verwertung ihrer Kunsterzeugnisse nach Hamburg
iibersiedelte. Aus der gewerbsmafiigen Herstellung dieser Schnitzereien
durch einheimische Meister erklart sich der Reichtum an solchen in den
friesischen Kirchen und zugleich die aufierordentliche Verschiedenheit des
Kunstwertes derselben.
Mit der Einflihrung der Reformation schwand die Anregung zu
kiinstlerischem ScharTen ftir kirchliche Zwecke; sie erwachte im Verlaufe
des 30jahrigen Krieges zu einer vonibergehenden Nachbltite. Spater nicht
mehr befruchtet durch ktinstlerischen Geist sank dieser Kunstgewerbs-
zweig von der erlangten Hohe herab. Er erlosch zwar nicht ganz, be-
gntlgte sich aber mit der Herstellung geschnitzter Truhen und Schranke,
die noch heute gern gekaufte Hausgerate sind.
Die verschiedentlich ausgesprochene Meinung, dafi die Skulpturen
des Altarschreins in Schortens an Ort und Stelle, oder in der Nachbar-
schaft, vielleicht von den Klosterleuten in Ostringfelde geschnitzt worden
seien, diirfte demnach, dahin abgeandert, dafi sie von einem einheimischen
Meister hergestellt worden sind, sich nicht allzuweit von der tatsachlichen
Wahrheit entfernen. Schwerlich aber werden die Ostringfelder Nonnen,
obwohl sie als geschickte Stickerinnen bekannt waren, sich mit der Her-
stellung von Holzschnitzereien befafit haben.
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Zu Giorgione.
In den „Monatsberichten iiber Kunst und Kunstwissenschaft", 1903,
p. 1 f., habe ich iiber den Meister von Castelfranco gesprochen. Ich
fUhle mich nun veranlafit, iiber die Madonna mit den HH. Rochus und
Antonius von Padua in Madrid (Katalog von 1900 Nr. 341) noch
nachtraglich zu berichten, die von so grofien Kennern wie Morelli
und Frizzoni ftir einen unzweifelhaften Giorgione erklart wird. Vgl.
dariiber Lermolieff, die Galerien zu Mtinchen und Dresden 1891, p. 279,
und Frizzoni im Archivio storico, 1893, p. 461, und L'Arte 1902, p. 299,
wo Abbildungen beigefugt sind. Ich hatte dies Gemalde aus Mangel
an Autopsie nicht berlihrt. Da ich jedoch, wie die Dinge in MUnchen
leider liegen, schwerlich zu einer Reise nach Spanien gelangen werde, so
will ich hier doch meine Meinung aufiern. Photographien sind ja
tauschend und diirfen nur mit Vorsicht benutzt werden, aber in diesem
Falle ist die Sache hinlanglich klar, so dafi man doch wohl blofi nach
der Abbildung urteilen kann. Meiner Ansicht nach ist das Madrider
Bild, das friiher sonderbarer Weise dem Pordenone zugeschrieben war,
eine Anfangsarbeit Tizians, die womoglich noch friiher fallt als die
„Zigeunermadonnaa in Wien. (Letztere ist ja auch von Venturi zu Un-
recht dem Meister von Castelfranco zugeschrieben - worden.) Dafi Ein-
fliisse von Giorgione vorliegen, kann ja niemand verniinftiger Weise be-
zweifeln, aber doch ist das Ganze durchtrankt von Tizianischem Geiste;
iiberall offenbart sich schon der spatere grofle Ktinstler, dessen Empfin-
dung in jeder Form des Gemaldes so quillt, dafi sie die letzten Schalen
des 15. Jahrhunderts zu sprengen im Begriffe ist Giorgione besitzt eine
andere Formensprache. Was E. Schaffer in seinem Buche „Das Floren-
tiner Bildnis", (Mtinchen 1904), p. 188, von dem Cowmo Bronzinos sagt,
kann man geiindert auch von Tizians spanischer Madonna sagen: „Solche
Bewegungsmotive verklinden fanfarengleich das Ende des Quattrocento
und das Nahen der Hochrenaissance in der Lagunenstadt."
Ich mochte hier junge Kunsthistoriker auffordern, die wichtige Sache
allseitig einem Studium zu unterziehen und mit Hilfe von Abbildungen
zu erlautern. Das reiche Werk Tizians bietet Stoff in Hiille und Fiille
dazu. Wilhelm Schmidt.
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Zu Herry met de Bles.
Bei Durcharbeitung der im Archiv des Germanischen Museums
befindlichen Korrespondenz, die sich in den Jahren 1629 und 1630
zwischen dem kurflirstlichen Kammerrat Wiguleus Widmann und dem Niirn-
berger Ratsherrn Lucas Friedrich Behaim wegen Uberlassung verschiedener
Diirer'scher Bilder an den Kurflirsten Maximilian I. entspann, stiefi ich
auf eine Kiinstlernotiz, die in anderem Zusammenhange und unter einem
lediglich auf den Briefwechsel beziiglichen Obertitel vielleicht schwer
auffindbar bleiben wiirde, deren Kenntnis aber doch vielleicht fiir den
einen oder anderen Forscher von Interesse sein konnte, so dafi eine an-
spruchslose Wiedergabe der betreffenden Notiz wohl gerechtfertigt er-
scheinen dtirfte.
Bei den mannigfachen Erkundigungen, die der kunstliebende Kur-
fiirst wegen alter, vorzugsweise Dlirerscher Bilder in Niirnberg eingeholt
hatte, mufi ihm wohl von irgend welcher Seite die Nachricht zugegangen
sein, dafi eine Dtirersche Kreuzabnahme1) zum Preise von 1000 Gulden
nach Frankreich verkauft worden sei. Um sich nun zu vergewissern, ob
dies wirklich der Fall ist,- lafit er seinen Kammerrat Widmann noch ein-
mal in dieser Angelegenheit nach Niirnberg schreiben. Der Wortlaut
des auf diese Anfrage hin erfolgten Bescheids liegt uns nun zwar nicht
vor; immerhin wissen wir, was die Hauptsache ist, wenigstens den Inhalt
des von Lucas Friedrich Behaim abgesandten Antwortschreibens. In Nr. 4
der Behaimschen Kopierbticher, die gleichzeitig mit den Widmannschen
Briefen in den flinfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Besitz
des Germanischen Museums Ubergegangen waren, linden wir namlich
unter dem 24. Dezember 1629 den Eintrag: »Ditto Widmann ferner be-
antwortet, die abnehmung so nach Frankreich gen Parifi komen, seye nicht
des Dtirers, sondern von des Niderlanders Cibetto handt, vmb A.(nno)
23 vmb 600 fl. dahin verkauft, seye bei den Lumagis alda, nicht zweiflend
da es ihro Dhlt begehre, sie es leichtlich erlangen khundt.«
Daraufhin hat dann Widmann wieder vom Kurflirsten den Auftrag
bekommen, weitere Nachrichten tiber diesen Cibetta einzuholen; und das
*) Cber dieses Bild gedenke ich demnachst einige Nachweise beizubringen.
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1 62 Alfred Hagelstange:
tut er denn auch in einem vom 10. Januar 1630 datierten Briefe an
Lucas Friedrich Behaim, in dem er diesen urn Auskunft bittet »Erstlich
ob der Cibetta der dz stukh gemolt mit der Abnembung Cristi so p.
600 fl. taxirt wurde, ein berhuembter Maler. Sekundo Ob Er vor dem
Albrecht Durrer, oder tempore des Diirrers gelebt, oder ob Er pictor
modernus, also noch lebe, oder Wan Er gestorben, Was Er ftir einen
Meister gehabt, vnd Wo er gewohnt«
Auf diese Anfrage bezieht sich die Notiz vom 12. Januar 1630, im
gleichen Kopierbuche, wo es heifit: »Herr Wiguleus Widmann Hof-
cammerrath vn Castner zu Mtinchen auch Pfleger zu Mosptirg wirdt beant-
wortet, dafi ich auf d. Churfrl. Dhlt. gnaedigsten fernern befehl wegen
des Cibettae erkundigt, vnd soviel in erfahrung gebracht, das Er wegen
des Kauzels so seinen stukhen loco signi beigesetzt wirdt, also genannt
wird, sonsten aber sich Henricum Blesium schreibe inmassen nachfolgende
Disticha zu erkennen geben.
Henrico Blesio, Bovinati, Pictori
Pictorem vrbs dederat Dionatum Ebuvonia, pictor
Quern proximis dixit poeta versibus
Ilium adeo artificem patriae situs ipse, magistro
Aptissimo, vix edocente fecerat
Hanc laudem invidit vicinae exile Bovinum,
Et rura doctum pingere Henricum dedit
Sed quantum cedit Dionato exile Bovinum,
Joachime, tantum cedit Henricus tibi.1)
Aufi welchen erscheint wo Er geborn, gewohnt und vermuthlich ge-
storben. Den Meister wisse man alhier nicht, konne aber neben andern
vmbstenden besser im Niederlandt erkundigt werden. Die Pictura der
abnehmung Christi werde von etlichen hie gelobt, von etlichen aber ftir
ihr Churfrl. Dhlt zu gering geachtet Die wahre beschaffenheit konne
von Parifi erlangt werden. Alle so mit hern Haimbl correspondirt, wissen
nicht dafi sie eines solchen stukhes halben ihm zugeschrieben hatten.«
Uber den Verbleib des hier mehrfach erwahnten Bildes lafit sich
leider nichts sagen; denn unter den vielen Gemalden, die man heute mit
Recht oder Unrecht dem Herry met de Bles zuschreibt, finden sich wohl
») Diese ftir die damalige Zeit sehr charakteristischen, schlechten Verse in
denen eine Parallele gezogen wird zwischen der Kunst eines Patinir und der des Bles,
sind von anderer Hand auf einen an dieser Stclle in das Kopierbuch eingefligten Zettel
geschrieben, der auf der Rlickseite die Adresse aufweist: »Herrn J oh an Hainrich Thenn
zuhandenc
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Zu Herry met de Bles. 1 63
viele Anbetungen der Konige, auch einige Kreuzigungen, aber nicht eine
einzige Kreuzabnahme. Fiir den Fall, dafi das Bild nicht verloren ge-
gangen ist, bleibt daher nur noch die Annahme tibrig, dafi es vielleicht
unter irgend einer anderen Bezeichnung in einer 6ffentlichen oder privaten
Sammlung aufbewahrt wird; denn die dritte Moglichkeit, dafi eventuell
die Angaben unserer Korrespondenz falsch sein konnten, dlirfte doch wohl
von der Hand zu weisen sein. Alfred Hagclstange.
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Literaturbericht.
M a 1 e r e i.
Valentin Schercr. Die Ornamentik bei Albrecht Diirer. Straflburg,
Heitz 1902 (38. Heft der „Studien zur Deutschen Kunstgeschichte").
Ein bestimmtes Gebiet aus Diirers Kunst wird herausgenommen
und eingehend betrachtet. Zu bemangeln waren an dem Buch nur
Aufierlichkeiten; der Autor fallt manchmal in den Ton der Festrede,
manchmal auch des Schulmeisters. Namentlich aber ist er etwas zu
breit, zu ausflihrlich, und Ausfuhrlichkeit in rein formalen Dingen wird
leicht ermiidend. Nicht als ob nicht alles Hand und Fufi hatte, was ge-
sagt wird: ich meine nur, es hatte manches blofi angedeutet, manche
seitenlange Auseinandersetzung gespart und der selbstandigen Betrach-
tung des Lesers iiberlassen werden konnen — so wird das Buch mit
seinen 135 Seiten nicht so viel gelesen werden, wie es die Sache ver-
dient. Im tibrigen aber, und das bleibt maflgebend, ist es sehr sorg-
faltig und besonnen gearbeitet, hiitet sich vor Abschweifungen und ko-
ketten Behauptungen, begniigt sich mit dem Feststellen von Tatsachen,
auch wenn sie nicht blenden. Die Werke mit Ornamenten werden her-
ausgesucht und das Ornamentale genau beschrieben und analysiert, wo-
bei der Verfasser einen guten Blick fur das Wesentliche und Treibende
zeigt. Die entscheidenden Beobachtungen werden auf jeder Stufe for-
muliert und im Sperrdruck dem Leser eingepragt.
Es wird so eine bestimmte Kurve festgestellt, deren Kenntnis unter
Umstanden fur die Bestatigung oder Verfeinerung der Chronologie von
Wert sein kann. An einer Stelle glaubt der Verfasser einen wichtigen
Baustein zur Biographie Dtirers liefern zu konnen, in Sachen der be-
rlihmten, alljahrlich aufs Neue bewiesenen ersten italienischen Reise,
Ein Ornament der Grofien Passion glaubt er ableiten zu mtissen aus den
Dekorationen der Eremitanikapelle zu Padua; ich finde indessen die
Ubereinstimmung nicht so stark, dafi man — bei der leichten liber-
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Literaturbericht 165
tragbarkeit ornamentaler Details — aus dieser Ahnlichkeit ein durch-
schlagendes Argument entnehmen mtifite.
Die Hauptsache ist, dafi der Leser, der sich die Zeit nimmt das
Buch zu lesen und die Dtirerschen Werke daneben zu legen (11 Tafeln sind
iibrigens beigegeben), die ganze Entwicklung der Dtirerschen Ornamentik
begleitet, von den Jugendwerken bis zu den Prachtstticken der spaten
Zeit, und dafi er dabei gezwungen wird, ganz genau zu sehen, wahrend
ja leider vielfach das moderne Auge, durch die Uberladenheit der
Fabrikmobel und Stuckfassaden ermtidet, gerade das Ornament nur ganz
im allgemeinen Eindruck zu sehn pflegt.
Die Entwicklung nun der Dtirerschen Ornamentik geht parallel mit
der Entwicklung seines Form- und Liniengeftihls. Diesem Zusammen-
hang ist der Verfasser — absichdich oder unabsichtlich ? — nicht nach-
gegangen. In jeder Kunstepoche, bei jedem grofien Meister ist ja das Or-
nament der reinste, gleichsam destillierte Ausdruck des Empfindens fur
Form und Linie (vorausgesetzt, dafi ein selbstandiges Empfinden daflir
da ist). Bei Kiinstlern oder Kunstepochen, deren Interesse hauptsach-
lich der Farbe, dem Ton, dem Licht gilt, spielt das Ornament keine
grofie Rolle; wo es aber aufForm und Linie ankommt, offenbart es uns
das Wesen des kunstlerischen Instinkts. Nun ist gerade Dtirer ein
Linienktinstler schlechthin, man kann sagen, die Linie beherrscht bei ihm
das Empfinden mehr als bei alien anderen Meistern; daher er auch,
alles in allem, der grofite Zeichner ist Farbe, Licht, Okonomie der Bild-
flache, selbst Tiefengliederung stehen gegen dies Linienempfinden zurtick.
Es ist klar, dafi dcshalb das Studium seiner Ornamentik von hoher
Wichtigkeit ftir uns ist Freilich mit einer Abschwachung : er ist nicht
unabhangig im Formenschatz, und er verwendet fremde Formen auch
nicht immer mit souveraner Unbefangenheit, sondern oft mit der be-
scheidenen Absicht, dem Fremden nahezukommen. Aber die Originalitat,
das eigene Empfinden, bricht doch immer wieder durch. Die ganze
Entwicklung, von den frtihen knorrigen undisziplinierten Gebilden durch
die feinen klaren Formen der mittleren, stark italienisch beeinflufiten Zeit
hindurch, bis zu den breiten reichen Gestaltungen der spateren Jahre —
diese ganze Entwicklung zeigt uns denselben Gang, wie die Geschichte
seiner Zeichen- und Stichtechnik, seiner Linien- und Formgebung im all-
gemeinen, Wenn man ein Ornament vergleicht mit einem Baum oder
einem Gewand oder blofi einer Strichgruppe aus gleicher Zeit, so findet
man alles getragen von derselben kunstlerischen Empfindung. Diese Zu-
sammenhange aufgesptirt und kurz aber deutlich dargelegt, vielleicht am
Schlufi des Buches, das hatte es interessanter noch und wertvoller ge-
macht — wenn anders wir uns nicht mit antiquarischen Feststellungen
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1 66 Literaturbericht.
begnilgen wollen, sondern nach Verstandnis ffir die kiinstlerische Empfin-
dung der alten Meister streben. Ludung Justi.
Karl Rapke. Die Perspektive und Architektur auf den Durer-
schen Handzeichnungen, Holzschnitten, Kupferstichen und
Gemalden. Strafiburg, Heitz 1902 (39. Heft der „Studien zur Deut-
schen Kunstgeschichte").
Was hier im allgemeinen gesagt wird, ist rich tig, aber keineswegs
iiberraschend : dafi namlich Diirer in seinen frfiheren Jahren die Perspek-
tive noch nicht beherrscht, falsch zeichnet, dafi er dann um 1503
perspektivische Studien beginnt, und eine Anzahl Gesetze, die wichtig-
sten, kennen lernt, die er von da an befolgt; bei Skizzen naturlich
nicht in genauer Konstruktion, sondern nur nach dem Augenmafi.
Jeder der sich die Sachen einmal daraufhin angesehen hat, kennt
diesen Tatbestand; man braucht gar nicht Doktor der Philosophic zu sein,
jedes Schulkind sieht das, was Rapke mit eingezeichneten Linien nach-
weist. Sobald der Zeichner die perspektivischen Grundgesetze kennen
lernt, richten sich alle architektonischen Sttlcke in die Hauptaxen des
Bildes ein, wahrend sie vorher zufallig wie in der Natur dastehen, ohne
klare Beziehung zur Bildflache. Ubrigens hatte sich alles was richtig
ist, bequem auf drei Seiten sagen lassen, anstatt in einem Buche.
Rapke beschrankt sich aber nicht auf die Feststellung des ein-
fachen Tatbestandes und auf ein Beiwerk von unnotigen Abschweifungen,
sondern er greift in die Datierungen Dlirerscher Werke kiihn hinein;
und zwar in unbestreitbare, auch von ihm selbst nicht bestrittene Datie-
rungen. Auf die genauere Entwicklung von Dlirers perspektivischen
Kenntnissen geht er nicht ein, aber er hat, offenbar a priori, eine Idee,
was Dtirer zu jeder Zeit ungetahr gekonnt habe, und danach datiert er
um, anstatt aus den datierten Sachen seine Vorstellung von jener Ent-
wicklung zu bilden. Die beiden Schlofiansichten der Albertina werden
einfach bezweifelt, weil sie zu Rapkes Ideen nicht passen. Datierte Blatter
aus dem Marienleben, aus der Grofien Passion werden kurzerhand um
zehn Jahre anders datiert als darauf stent Bei Diirers Gemalden sind
ja die Daten manchmal durch Restaurierung verandert und diirfen aus
zwingenden Stilgriinden bezweifelt werden, bei Zeichnungen sind sie
zuweilen von fremder Hand oder von ihm selbst spater irrtumlich auf-
gesetzt Bei Holzschnitten fallen aber solche Moglichkeiten fort. Rapke
meint, der Stock sei so lange liegen geblieben, sei „vielleicht noch ein-
mal tiberarbeitet" und dann datiert worden. Wie iiberarbeitet man einen
DUrerschen Holzstock? So heifit es z. B. beim Abendmahl: Johannes
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Literaturbericht. 1 6 7
liegt noch an Jesu Brust, und das Gewolbe ist ungeschickt verktirzt,
also 1500 statt 15 10. Aber ein Gewolbe in Untersicht richtig zu
zeichnen ist doch viel schwieriger als ein paar rechtwinklig aneinander
stoflende Wande. Andre Gewolbe derselben Zeit sind ebenso schlecht
verktirzt, z. B. in der Basler Zeichnung von 1509. Rapke halt es auch
flir einen Fehler, dafi auf den Seiten der Bogen hoher geht als in der
Mitte, er scheint nie ein entwickeltes gotisches Gewolbe gesehen zu
haben. Man diirfte doch nicht eine so einschneidende Umdatierung
wagen ohne Kenntnis von Dlirers allgemeiner Stilentwicklung. Das ganze
Blatt ist durchaus im Charakter von 15 10: das zeigt die Formgebung,
die Gewandung in schwerem StofT mit breiten Fl&chen, die Lichtfiihrung.
Das alles konnte schliefilich noch bei der spateren Ausfiihrung eines
Entwurfs von 1500 hineingekommen sein, obgleich dann Dtirer doch wohl
auch das Gewolbe geandert hatte, wenn Rapkes Idee von seiner dama-
ligen Perspektivkenntnis richtig ware! Aber die Komposition selbst w&re
in frtlherer Zeit unmdglich: namentlich die feine Anwendung der vorn
breitflachig schliefienden Figuren, von denen aus das Auge in die Tiefe
geht; das Zusammennehmen der Jiinger rechts und links von Christus,
so dafi die Hauptfigur Luft um sich hat; das Verhaltnis der Figuren zum
Rahmen, die Raumtiefe der Gesamtanordnung, die freie Stellung der
Figuren zu einander und ihre geschickte Verbindung; Reichtum, Sicher-
heit und Kontrastierung der Bewegung, die Verktlrzungen; auch die Typen.
Ahnlich ist es mit der Hollenfahrt, die unglaublicherweise wegen der
phantastischen Teufel zurtickdatiert wird.
Nun geht es auch an die Kleine Passion. Der dramatische Ton,
der Einrlufi der Passionsspiele sei wie in der Groflen Passion, daher
konne unmoglich die eine Forge 1500, die andere erst 1509 — n ent-
standen sein! Dazu werden die Blatter einzeln durchgesprochen und
getadelt, wobei gerade die reifsten flir unfrei erklart werden. Auf einigen
werden perspektivische Fehler entdekt, die jedoch z. T. nur kleine Nach-
Iassigkeiten sind (im Holzschnitt wohl begreiflich), z. T. daher riihren,
dafi Rapke seine Linien nicht genau zieht Der geneigte Leser kennt
die Kleine Passion genau genug, wir brauchen ihn nicht damit zu lang-
weilen, die Ubliche, meist von Dtirer selbst gegebene Datierung von alien
Seiten her neu zu beweisen.
Eine wichtige Frage, zu deren Beantwortung Rapke nichts bei-
bringt, ist die nach der Anregung und nach den Quellen ftir Dtirers per-
spektivische Studien.
Die Anregung geht vermutlich, ebenso wie die Anregung zu den
Proportionsstudien, auf Jacopo de' Barbari zuriick, doch laflt sich ein
Beweis dafUr nicht bringen.
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1 68 Literaturbericht.
Zu der Kenntnis der Quellen ist ein tatsachlicher und sehr inter-
essanter Beitrag bereits geleistet, aber Rapke wohl unbekannt geblieben.
Wie Lichtwark („Ornamentstich der Renaissance") gesehen hat, ist der
Hintergrund auf der Darstellung im Tempel, dem Holzschnitt des Marien-
lebens, nach einer perspektivischen Musterzeichnung des Jean Pe'lerin
(Viator) gezeichnet, mit einem Miflverstandnis, das uns die seltsame
Architektur des Blattes erklart Pelerins perspektivisches Musterbuch er-
schien 1505 und diese Ausgabe war in Ntirnberg bekannt, da nach ihr
die Ubersetzung Glockendons von 1509 gemacht ist (vgl. Mitt, des freien
deutschen Hochstifts 1892 S. 204 — 211). Glockendon gibt Pelerins Text
im Auszug wieder, selbst mit einzelnen Phrasen, und fast alle Beispiele —
doch jener Innenraum fehlt merkwlirdigerweise; sollte da ein pikanter
Zusammenhang vorliegen ?
Die Kenntnis dieser Entlehnung ist ftir uns von grofiem Interesse,
sie steht auf einer Linie mit den Entlehnungen nackter Figuren aus
italienischen Stichen, die Dtirer ganz einfach in seine eigenen Blatter
hinein kopierte, in den friiheren Jahren, als er noch mit der Bewaltigung
des Aktes rang; jetzt also, beim Beginn der Perspektivstudien, eine analoge
Erscheinung.
Aufier dieser historischen Frage, an die Rapke nicht herangeht,
gibt es noch eine wichtigere, ktinstlerische, an die er ebenfalls nicht
riihrt: wie wirken die perspektivischen Studien auf Diirers Komposition
im allgemeinen, wie wirkt die Gewohnung an eine gesetzmaflige Ge-
staltung des architektonischen Raumes auf die Erfindung und Gestaltung
der Figuren und auf deren Einordnung in den Raum? Eine sorgfaltige
Auseinandersetzung und Beantwortung dieser Fragen h£tte dem Buch
Existenzberechtigung verliehen. Ludwig Justi.
Dr. Hedwig Michaelson. Lucas Cranach der Alter e. Untersuchung
iiber die stilistische Entwicklung seiner Kunst Mit $$ Abbildungen.
Beitrage zur Kunstgeschichte, neue Folge, XXVIII. Leipzig, E. A. See-
mann, 1902, 140 S.
Nachdem Fraulein Dr. Michaelson in mehreren Aufsatzen niitzliche
Ergebnisse der mit Eifer betriebenen Cranachstudien ver6flfentlicht hat,
stellt sie in der vorliegenden grofieren Schrift, ihrer Doktordissertation,
viele Beobachtungen liber Gemalde Cranachs zusammen und ordnet das
Material mit der Absicht, die Stilentwicklung — die Verfasserin sagt:
stilistische Entwicklung — zu schildern.
Die inhaltreiche Einleitung ist in der Hauptsache polemisch, gegen
Flechsig gerichtet Die bekannte Hypothese — der 1537 gestorbene
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Literaturbericht. 1 69
Sohn des alteren Lucas Cranach Hans habe einen betrachtlichen Teil
der dem Vater zugeschriebenen und fast alle ehemals als Arbeiten des
Pseudo-Grunewald betrachteten Werke zwischen 15 16 und 1537 ge-
schaffen und sei in dieser Periode der leitende Meister in der Cranach-
schen Werkstatte gewesen — diese Hypothese wird bekampft Mit No-
tizen, die nicht ungeschickt aus den Urkunden herausgesucht sind, wird
wahrscheinlich gemacht, dafi der alte Meister die Herrschaft in den Han-
den behalten, dafi Hans nur als Schiiler, als Geselle wie andere auch, an
der Arbeit teilgenommen habe. Eine zweite Persbnlichkeit, die neben
Lucas dem Alteren neue kiinstlerische Probleme und Losungen hinzu-
gebracht habe, vermag die Verfasserin nirgends zu erkennen. Diese
Auffassung erscheint mir rich tig. Ausgeschlossen ist aber nicht, dafi die
ktinftige Forschung auf den Wegen, die Flechsig eingeschlagen hat, dazu
kommen wird, die Arbeit des Hans Cranach zu eakennen. VieJleicht hat
Flechsig sogar das Richtige getroffen, als er einige in AscharTenburg be-
wahrte, fiir Albrecht von Mainz geschaffene Altarwerke dem Sohne
Cranachs zuschrieb, nur dafi er mancherlei Andersartiges hinzufugte, Ar-
beiten des Vaters und Arbeiten anderer Schiiler, und dafi er die meisten
dieser Malereien Uberschatzte.
Mehrere Einwendungen, die die Verfasserin gegen Flechsigs Auf-
stellungen macht, scheinen mir treffend zu sein, so auch das Bedenken
in Hinsicht auf das Geburtsdatum Hans Cranachs. Mit dem Jahre
1500 etwa ist dieses Datum wohl wesentlich zu frith angenommen. Eine
Mitwirkung des Sohnes vor 1525 ungefahr diirfen wir wohl nicht erwarten.
Auf die Einleitung, die den alten Cranach fiir die ganze Zeit seiner
Wirksamkeit als den ftihrenden Meister, den Leiter seiner Werkstatte
wieder einsetzt, folgt in mehreren Abschnitten die Darstellung der Cranach-
schen Stilentwicklung. Die etwas pedantische Gliederung, — in vier Pe-
rioden, 1504— 1511, 1512— 1518, 1519—1532, 1532 — 1553 — macht
es auch dem geduldigen Leser schwer, das Ganze, die Richtung der Stil-
bewegung im Auge zu behalten. Innerhalb jeder Abteilung werden die
inschriftlich datierten Werke aufgezahlt, Undatiertes stilkritisch angereiht;
die Eigenschaften jeder Periode werden, etwas aufierlich, wenn auch zu-
meist zutreffend geschildert (1. Faltengebung, 2. Landschaft usw.). Die
Richtung eines Weges kennt man noch nicht, nachdem ein sorgfaltiger
Beobachter die Teile des Weges nacheinander beschrieben hat. Man mufi
auf einen hoheren Punkt steigen und die Weglinie als ein Ganzes betrach-
ten. Auf den hoheren Punkt fiihrt die Verfasserin leider nicht Und
was sind das fiir Perioden? — Ja, wenn diese Abschnitte jeweilig durch
einen neuen Impuls, eine iiberraschende, vorher schlummernde Aufierung
der Individualist bestimmt wiirden! Ist dies aber irgendwo nicht der
Repertorium Air Kunstwissenschaft, XXVII. 12
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Literaturbericht.
Fall, so ist es in Cranachs Entwicklung nicht der Fall, die tiberhaupt
keine Entwicklung, sondern eher das Gegenteil davon ist
Die hier empfehlenswerte Methode war: zuerst eine Schilderung
der Cranachschen Kunst nach den Schopfungen, die vor 1510 etwa ent-
. standen sind, sodann eine Schilderung des Werkstattbetriebes. Die
» Entwicklung « hier ist nichts anderes als das langsame Absterben einer von
ihren natiirlichen Nahrquellen — der Naturbeobachtung und der Empfin-
dung — sich entfernenden, urspriinglich gesunden Kunstubung. Cranach
leitete nicht sowohl eine Werkstatt, in der der Personlichkeit Be-
tatigungsfreiheit gewahrt blieb, wie vielmehr einen Fabrikbetrieb, der
das KunstscharTen im eigentlichen Sinn ausschlofi.
Gewifl ist es niitzlich, die Cranachschen Bilder auf ihre Qualitiit
hin scharf zu prtifen, nur mufl man nicht an die Mbglichkeit glauben,
durch Abtrennung des Schulgutes das Werk eines frei scharTenden Meisters
wiederzugewinnen. Des Meisters Arbeit ging in dem Betriebe auf und
unter. Ich fUrchte, die Verfasserin des vorliegenden Buches teilt diese
Auffassung nicht und hat eine andere als die angedeutete Methode schon
deshalb wahlen miissen, weil ihr Urteil iiber die Kunst Cranachs von dem
meinigen abweicht. Ich finde in ihren Wertbestimmungen das Bild von
1504 »die Ruhe auf der Flucht nach Agypten« eben so sehr unterschatzt,
selbst mifiachtet, wie alles, was nach 15 18 entstanden ist, iiberschatzt Die,
wie ich glaube, irrtiimliche Auffassung tritt vielleicht am scharfsten hervor
in der Bemerkung, dafi zwischen 15 18 und 1532(1) die Kunst Cranachs
sich »von der Herbheit zu kostlicher Bltite« entfalte.
Wenn die Verfasserin die nicht inschriftlich beglaubigten Werke
von 1503, die Klage unter dem Kreuze in Schleifiheim und das Bildnis-
paar in Niimberg und Rudolstadt als Arbeiten Cranachs nicht anerkennt,
so hangt dieser Irrtum mit dem Grundirrtum eng zusammen.
Im einzelnen bieten die Notizen iiber die Bilder Cranachs viel
Belehrung. Manches bisher wenig beachtete Werk wird an richtige Stelle
eingereiht, hochst nlitzliche Vorarbeit zu einer Biographie geleistet
Fritdlandcr.
J. A. F. Orbaan. Stradanus te Florence. Amsterdamer Dissertation.
Rotterdam 1903. 95 S.
Man kann in der kunstgeschichtlichen Forschung, ob sie der Kunst
Italiens oder der Niederlande gewidmet ist, die gleiche Erscheinung
beobachten: dafi dem grofiten Eifer, mit dem alle Auflerungen der
aufsteigenden Kunst behandelt werden, vollige Teilnahmlosigkeit an
der verfallenden gegenlibersteht. Und doch bietet die niederlandische
Malerei des 16. Jahrhunderts das klinstlerisch gewifi unerfreuliche, kunst-
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Literaturbericht. I y I
geschichtlich darum doch hochst beachtenswerte Schauspiel, dafi die
kunstlerischen Vorstellungen eines weit entlegenen Landes die Kunstiibung
einer durch Lebensgewohnheiten und Traditionen durchaus verschiedenen
Nation vorlibergehend beherrschen und die gesunden Keime einer na-
tionalen Kunst fast vollig zu ersticken drohen.
Unter den vielen wenig ansprechenden Erscheinungen, die solche
Mischung fremdartiger Elemente zeitigt, ist Johann Stradanus aus Brtigge
gewifi der unerfreulichsten eine, doch als Typus wichtig und wohl
wert, dafi einmal die Gegenwart sich wieder mit ihin beschaftige. Einst
gefeiert (woftir die zahlreichen Stiche nach seinen Arbeiten ein Zeugnis
abgeben), dann vergessen, bis vor nicht langer Zeit der Prafekt der
Laurenziana die Serie seiner Zeichnungen zu Dantes Gedicht publizierte.
Wer einmal den Arbeiten des Flandrers in Florenz nachgegangen
ist und z. B. die Altarbilder in Sta. Croce, St. Spirito, Maria Novella oder
der Annunziatenkirche der Beach tung wert fand, wird sich davon ttber-
zeugt haben, dafi Stradanus, wie kaum ein anderer unter den Landsleuten,
dem italienischen Einflufi unterlegen ist. Die formale Gestaltung, die
Farbengebung unterscheidet sich bei ihm kaum von der Art irgend eines
anderen Malers aus Vasaris Kreise und uberhaupt aus der Schar der
Kiinstler, die der erste Grofiherzog von Toscana um sich vereinigte.
Der Verfasser, in der richtigen Erkenntnis, dafi hier das Allgemeine
wich tiger ist, als das Einzelne, hat in den sechs Abschnitten seines Buches
ein sehr lebendiges und anschauliches Bild von dieser Kunsttatigkeit,
die fast allein dem Ruhm Cosimos I. diente, entworfen, indem er sich
der gedruckten und ungedruckten Quellen — Vasaris, Borghinis, Lapinis.
einerseits, der Rechnungs- und Verwaltungsbucher des medicaeischen Hofes
andrerseits — sorgfaltig bedient. An alien grofien Unternehmungen jener
Tage hat Stradanus seinen Anteil. Er arbeitet mit Vasari am Schmuck
der Zimmer des einstigen Signoriepalastes, er liefert Kartons fiir die Go-
belinfabrik (u. a. die Serie der Jagdstiicke flir Poggio a Cajano, die selbst
Montaignes Aufmerksamkeit erregen); bei dem Katafalk zu Ehren Michel-
angelos, an dem Triumphbogen anlafilich der Vermahlung des Francesco
Medici und bei dem Einzug der Christine von Lothringen ist er beteiligt.
Die Akademie, die der Herzog ins Leben ruft, ist der getreue Ausdruck
dieser phrasenreichen Kunst, die fiir ihre von Literatur diktierten Erfin-
dungen von den grofien Meistern, die nunmehr alle ins Grab gestiegen
sind, die Formen zusammenborgt. Auch Stradanus gehort zu ihrer Schar.
In der Schilderung Orbaans gewinnen diese Dinge, die nur mangels
Interesses an den etwa noch erhaltenen Kunstwerken dieser Zeit in weite
Perne gertickt sind, neues Leben. Es werden uns die Ursachen klar, wes-
wegen die Begeisterung der Zeitgenossen so gar keinen Widerhall bei
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172
Literaturbericht.
uns zu wecken vermag. Wir sehen inmitten dieser wenigstens nach ihrem
Umfang groflartigen Tatigkeit nebst andern Flandrern Stradanus, dem der
Autor die richtige Stellung als Mitarbeiter am Werk — denn die Leitung
liefi Vasari nicht aus Handen — angewiesen hat
Stradanus hat sein Heimatland nur besuchsweise wiedergesehen.
Er war zu sehr Italiener geworden, um dauernd im Norden zu leben.
In Florenz ist er 1605 gestorben: die Barbarakapelle der Annunziaten-
kirche zeigt bis zur Gegenwart den mit der Biiste geschmuckten Grab-
stein, gewidmet »Joanni Stradano Belgae Pictori clarissimo*.
G. Gr.
Graphische Kunst.
Hermann Egger. Kritisches Verzeichnis der Sammlung archi-
tektonischer Handzeichnungen der K. K. Hofbibliothek zu
Wien. I. Teil mit 5 Tafeln und 20 Textillustrationen. Wien 1903,
K. K. Staatsdruckerei. 78 S. gr. 40.
Der bisher bekannte Bestand an architektonischen Handzeichnungen
von Kiinstlern der Renaissance und der folgenden Jahrhunderte hat sich
in jiingster Zeit durch Kenntnisnahme der Sammlung, die die Wiener
Hofbibliothek von Arbeiten dieser Art besitzt, nicht unwesentlich
vermehrt. Da um dieselben fast nur die Beamten der Anstalt ge-
wufit haben, so kann man wohl von einem Fund sprechen. Ihn den
Kreisen der Interessenten naher bekannt zu machen, ist die Absicht der
vorstehenden Publikation. Der Name ihres Verfassers ist den Fach-
genossen nicht neu; hat sich doch H. Egger bei ihnen durch eine,
im Jahrbuch der kaiserlichen Kunstsammlungen veroffentlichte Studie
auf das vorteilhafteste eingeflihrt, die den Nachweis erbringt, dafi das
sog. Skizzenbuch Bald. Peruzzis in der Kommunalbibliothek zu Siena
nicht aus Original zeichnungen des Meisters, sondern aus blofien Kopien
nach solchen besteht, die ein bisher unbekannter junger Architekt in den
achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts zu Rom zusammentrug. Im Nach-
hange zu seiner Studie lieferte Egger auch zuerst ein ausfiihrliches •Kri-
tisches Inventar« des genannten Skizzenbuchs.
Seine vorliegende Arbeit nun gibt sich blofl als der erste Teil des
Verzeichnisses der Handzeichnungen der Hofbibliothek; in einem zweiten,
dessen Erscheinen der Verfasser in baldige Aussicht stellt, will er die
auf Monumente der Renaissance, namentlich St Peter und den Vatikan
beztiglichen Blatter und den ebendort bewahrten Nachlafl Franc. Borro-
minis kritisch bekannt machen. In unserem ersten Teil aber verzeichnet
er blofl die 331 Blatter, die Aufnahmen antiker Baudenkmaler enthalten;
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Literaturbericht 173
zum grofiten Teile stammen sie aus clem 1769 fUr die Hofbibliothek
angekauften » Atlas « des bekannten Kenners und Sammlers Philipp von
Stosch (169 1 — 1757) und von ihin rtihrt wahrscheinlich auch schon ihre
jetzige Anordnung nach topographischen Gesichtspunkten her. Ebenso
ist eine Anzahl Blatter direkt in seineni Auftrage von Kiinstlern, wie
Pier Leone Ghezzi, Edme Bouchardon, J. J. Preisler und M. Tuscher an-
gefertigt, die nachweislich ftir ihn gearbeitet haben. Uber die Her-
kunft der tibrigen, wahrscheinlich aus einzelnen Nachlassen zusammen-
gekauften Zeichnungen hat sich bis jetzt nichts ermitteln lassen. Fest
steht nur, dafi die friihsten davon noch aus den beiden letzten Dezennien
des 15. Jahrhunderts herriihren: es sind 43 Blatt zumeist Grundrisse der
bekanntesten rorriischen Bauten, von ihrem unbekannten Zeichner nicht
selbst aufgenommen, sondern gewifi zu groflem Teil nach alteren Auf-
nahmen kopiert und nachtraglich an Ort und Stelle (iberpriift bez. rekti-
fiziert Ein zweiter Anonymus aus dem 1. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts
hat nur 3 Blatt geliefert, ein dritter vom Jahre 15 13, dessen Darstellungs-
art an Palladio erinnert, ist mit einem ganzen Tacuino von 19 Blatt
vertreten. Interessant ist ein anonymer franzosischer Architekt der sech-
ziger Jahre des 16. Jahrhunderts, der in 39 Blattern die entsprechenden
Zeichnungen des jetzt im Kunstgewerbemuseurn zu Berlin aufbewahrten
bekannten Skizzenbuches aus der Sammlung Destailleur kopiert hat. Es
folgen noch ftinf andere anonyme italienische Architekten aus der zweiten
Halfte des 16. Jahrhunderts, sodann aufler den oben namentlich Ange-
flihrten noch Borromini, die beiden Rainaldi, der Theaterdekorateur Franc.
Ferrari, Gaet Piccini und der Antwerpener Landschafter Nieuwelandt.
Als Unikum verdient das bez. Blatt mit einer Ansicht des Ko-
losseums von Giov. Maria Pomedello (urn 1534) besondere Anfuhrung,
nicht weniger die Kopie eines Anonymus aus dem 17. Jahrhundert nach
einem verlorenen Entwurf Michelangelos ftir das Doppelgrabmal der
Medici. Einer der Anonymi hat (vor 1598) eine Ansicht Roms von
S. Sabina aus aufgenommen, — ungefahr von dem gleichen Punkt aus,
wie der Zeichner des Codex Escorialensis auf seinem Fol. 45 v; — ein
anderer gibt eine aufierst sorgfaltige und getreu gezeichnete Ansicht der
nordlichen Schmalseite des Septizoniums, interessant weil die bisher be-
kannten Aufnahmen nur die Ost- und Siidostansicht geben; ein dritter
den Grundrifi eines Zentralbaues in Palestrina, — desselben den auch
Bald. Peruzzi gezeichnet, und dem dann Bramante bei seinem Entwurf
ftir die Kronung des Torrione di Niccolo V. gefolgt ist.
Zu den Illustrationsmustern aus dem Bestande der in Rede stehen-
den Sammlung, die H. Egger mitteilt, hat er auch drei Proben aus dem
bisher fast noch unbekannten Skizzenbuche Francescos de Ollanda in der
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I * a Literaturbericht.
Bibliothek des Escurial hinzugefiigt, das dieser wahrend seines italienischen
Aufenthaltes 1538 — 1545 angelegt hat, Proben, die uns den Kunstler
als ungewohnlich flotten Zeichner enthiillen — die Darstellung des Innern
von S. Costanza ist eine perspektivische »tour de force « — und auf den
ubrigen Inhalt seines Tacuino hochst neugierig machen. Hoffentlich
wird uns auch davon noch eine Reproduktion beschert, wie eine solche
ja von seinem Nachbar, dem Codex Escorialensis, fiir nachste Zeit, eben
durch Dr. Egger bevorsteht.
C, v. Fabriczy.
Topographic.
L'Amministrazione delle antichita e belle arti in Italia. Luglio
1901 — Giugno 1902. Rom 1902. 312 S.
Der vorliegende Band, herausgegeben vorn Unterrichtsministerium,
bildet den zweiten Band einer Publikation, in der Carlo Fiorilli, Leiter
der Abteilung, welcher die Uberwachung des ktinstlerischen Besitzes Italiens
zusteht, Rechenschaft iiber die sorgende Tatigkeit eines Jahres ablegt.
Der erste Abschnitt berichtet tiber dasjenige, was zur Erhaltung und
Sicherung einzelncr Monumente geschehen ist Abschnitt II handelt von
archaologischen Ausgrabungen, der folgende von den Museen und Gale-
rien (Anderung in der Anordnung, Erwerbungen). Der vierte Abschnitt
bespricht einzelne Kunstgegenstande, die aufgefunden sind, oder deren
Verkauf teils gestattet, teils verweigert wurde. Dann folgen Notizen liber
moderne Kunst, die Kunstakademien etc., am Schlufl der Wortlaut des
Gesetzes vom 12. Juni 1902, das fur die Zukunft liber die Ausfuhr von
Kunstwerken entscheiden soil, sowie des Gesetzes liber den freien Ein-
tritt in die Museen. Die Anordnung der ersten Abschnitte ist nach
Provinzen und Kommunen.
Fur den Kunsthistoriker ist diese Publikation wegen der vielfachen
Angaben iiber Werke in der Provinz wichtig, die wenig bekannt, vielleicht
in der Literatur noch gar nicht besprochen worden sind. Es wird sich
daher empfehlen, den Band darauf hin durchzusehen: man wird fiir jedes
Gebiet interessante Notizen finden. Leider fehlt ein Index der KUnstler-
namen, die Durchsicht zu erleichtern.
Man ersieht aus der Veroflfentlichung mit Genugtuung, welche rege
Tatigkeit die Generaldirektion unter Fiorilli entfaltet, und wie sie ihre Auf-
merksamkeit den Denkmalern aller Landesteile zu gute kommen lafit. Oft
teilt sie sich mit Provinzial- und Kommunalverwaltungen, Kapiteln und
Privaten in die Kosten, die zur Sicherung eines Monuments erfordert werden.
Hiitte man all dem Glauben geschenkt, was seinerzeit nach dem Einsturz
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Literaturbericht.
175
des Campanile von San Marco laut wurde (besonders in englischen und
deutschen Zeitungen), man hatte glauben miissen, es geschahe im neuen
Italien nichts fur den alten Besitz. Diesem voreiligen Urteil treten hier
auf hunderten von Seiten knapp gefafite Tatsachen entgegen.
Bei jeder Kritik, mit der man gerade Italien gegeniiber so leicht
bei der Hand ist, soil man beriicksichtigen, dafi einmal die Zahl der
Monumente grofier ist, wie in irgend einem anderen Lande, dafi zu ihrer
Erhaltung eine relativ sehr geringe Summe zu Gebote steht und dafi man
nicht in kurzer Zeit wieder gut machen kann, was Geringschatzung in
vergangener Zeit verschuldet hat Daraus ergibt sich, dafi noch sehr viel
zu tun bleibt, hier Kirchen in ihrem Bestand zu sichem, dort Skulpturen
und Gemalde von Schmutz zu befreien und restaurieren zu lassen. Wie
oft handelt es sich dabei selbst um Werke ersten Ranges, denen die Fiir-
sorge des Staates noch nicht zu teil wurde. Und nun erst, wenn man
die Aufgaben noch weiter steckt und die systematische Aufdeckung der
etwa noch unter der Tunche verborgenen Reste der Freskenzyklen ins
Auge fafit: welche Fiille von Arbeit und welche Kosten wiirden dann
erwachsen.
Wer aber nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun will, nicht
das Idealbild dessen, was moglicherweise geschehen konnte, mit dem ver-
gleicht, was unter gegebenen praktischen Bedingungen ausfiihrbar ist, der
wird mit Anerkennung und Dank besonders an denjenigen nicht sparen,
dessen Verdienste um die Wissenschaft eine deutsche Universitiit vor
kurzem erst durch Verleihung des Doktorgrades honoris causa offentlich
anerkannt hat. G. Gr.
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Ausstellungen.
35. Winterausstellung der konigl. Akademie in London,
4. Januar bis 12. Marz 1904.
Entsprechend frliheren Ausstellungen hatte das Komitee versucht,
eine bestimmte Gruppe von Kunstwerken aus englischem Privatbesitz in
mdglichster Vollstandigkeit zusammenzubringen. Diesmal waren >italie-
nische Bronzen» auserwahlt. Eine Sammlung von Werken des Thomas
Lawrence sollte den englischen Localpatriotismus befriedigen. Dazu kam
eine Anzahl Gemalde alter Meister, unter denen die italienische Schule
besonders giinstig vertreten war. Der Aufstellung und der Anordnung
im Katalog folgend beginne ich niit diesen letzteren Stiicken, um den
interessantesten Teil, die Bronzen, am Schlufi ausfuhrlicher zu besprechen.
Auf die wenigen Altniederliinder kann ich verzichten. Die besten
StUcke waren auf der Briigger Ausstellung, so die jetzt bei George Salting
befindlichen Bilder aus der Sammlung Somze'e: Nr. 4, die schone
Madonna des Meisters von Flemalle, interessant in der scharfen Linien-
fiihrung und eigentumlich unplastischen Auffassung bei grofien Farb-
flachen in lichter, zarter Tonung, und Nr. 5, der kleine Hieronymus von
Gerhard David. Sehr barock und nachgcdunkelt ist der Lucas van
Leyden (Nr.- 9. Lady Pirbright). Der sogenannte Diirer, Portrat seines
Vaters, (Nr. 10. Marquefi of Northampton, von Lady Ashburton) erschien
mir wie eine englische Imitation ctwa aus dem Anfang des iq. Jahr-
hunderts. Vor Jahren sah ich einmal eine Reihe iihnlicher Stticke mit
gleichem braun-gelblichen Karnat auf farbigem Grund, flach und marklos.
Interessantes boten die Italiener. Eine Enttauschung zwar waren
die beiden »Fra Filippo Lippi« (Nr. 14 u. 25, beide bei Lord Methuen).
Der erstere, ein hiibsches kleines Madonnenbild mit zwei Heiligen ist
nur eine Schiilerarbeit mit starker Anlehnung an des Meisters Kronungs-
bild in der Akademie zu Florenz (1442), dem die beiden reizenden
Engel rechts und links am Throne entnommen sind. Die ungeschickte
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Fritz Knapp: iyy
Anordnung, die angstliche Zeichnung und der Mangel an Kdrperlichkeit
besonders bei den iiberschlanken Figuren der Maria und des Kindes
sprechen gegen seine Autorschaft Das Bild nahert sich der Auffassung des
Pesellino, ohne jedoch dessen Finessen in der Lichtftihrung zu besitzen.
Auch das andere Bild mit den 3/4 lebensgroflen Figuren der Verkiindi-
gung hat nichts von Feinheit der Tonstimmung, die gerade Filippo Lippi
zu einem der ersten Vorkampfer zarter Farbharmonie und malerischer
Raumentwicklung machte. Da ist nichts von seinen ansprechenden hellen
in Licht gelosten Farbtonen und der einfachen, aber bestimmten Zeich-
nung. Die Nationalgalerie bewahrt in der Verkiindigung (Nr. 666) eine
allzu herrliche Verarbeitung des gleichen Motives von des Meisters Hand,
als dafi die Schwachen unseres Stiickes nicht sofort auffallen miifiten.
Ganz abgesehen von der bedeutenden Vergroberung in der Zeichnung
sind die Farben um einen Ton tiefer gestimmt. So ist aus einem feinen
Zinnober im Mantel des Engels hier ein mehr orangefarbenes, aufdring-
liches Rot geworden. Dort hat sich ein fein silberstrahlender Gesamt-
ton uber das Ganze gelegt den kleinen Raum mit Licht fullend, hier ein
Herausfallen des Details, z. B. der harten rot und weifl getonten Fliesen.
Die kahlen, bleichen Wande sind korperlos; sie erscheinen unmassiv, nicht
fest genug, den Raum abzuschliefien, und landkartenartig flach ist die
dunngemalte, bleiche Fernlandschaft; ohne die Intimitat, mit der gerade
Filippo Lippi seine Grtinde behandelt und stille Waldwinkel den kiihlen
Fernsichten vorzieht Endlich jedoch sprechen die derben, realistischen
Formen des fetten Stifters links ftir einen spateren Meister, als der mir
Fra Diamante am plausibelsten erscheint.
Von anderer Schonheit war Filippino Lippi's heilige Familie im
Kniestiick (Nr. 13. Edw. Perry Warren; Abb. bei Berenson, Studies of
Italian Art Bd. II), unbedingt das Meisterstiick der Ausstellung. Im ersten
Moment wirkten die Verallgemeinerung der Formen und jene an's Barock
erinnernde Absonderlichkeiten, die Filippino auf den Bildern seiner letzten
Jahre zeigt, abstofiend. Bald jedoch begannen die Farben ihren Chorus
anzustimmen. Nicht umsonst waren die Gewander aufgebauscht Uber-
herrscht wird das Ganze von einem prachlvollen, magisch leuchtenden
Blau des durch reiche Faltenlagen belebten Mantels der Maria, dem ein
Krapplack im Kleid kraftig entgegensteht. Die Farben im Gewand der
Margarete rechts in griin-blau, oder bei dem Joseph links in hellgelb und
hellrot waren zur gleichmafiigen Belebung der Bildflache wichtig. Nicht
energisch vertieft durch piastische Gestalten wirkt das ganze fliichenhaft.
Die Korperformen werden in ihrem bleichen, grtingrauen Karnat ganz
ziiriickgedrangt und die P'alten der Gewander sind beliebig geworfen
ohne realistische Absicht auf piastische Wirkung. Die Farben selbst
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iy8 35- Winterausstellung in London.
wirken ganz korperlos in den hellen viel mit weifi verriebenen Tonen.
In magischem Licht erscheint ein reiches Farbenbild. Die mit aufler-
ordentlicher Bestimmtheit verfolgte Absicht des Kiinstlers, sich von der
Gebundenheit an die feste Form loszulosen zu einem reinen im Licht
belebten Kolorismus, giebt dem Filippino eine besondere Bedeutung.
Dafl er in diesem Streben verlassen dasteht in Florenz uhd keine Nach-
folger findet, ist sein Schicksal.
Gegeniiber dieser grofien, einheitlichen Wirkung, die schon an
nachcinquecentistische, an barocke Effekte erinnert, tragt das Tondo des
Pier di Cosimo (Nr. 35, Artur Street) noch einen ganz quattrocentisdschen
Charakter. Stammt es doch aus jener Epoche, in der die Plastik in
einem gewaltigen Ansturm gewissermaflen auch die Malerei fiir sich er-
obern wollte. Vorrocchio hatte die Fiihrung (ibernommen, Leonardo,
Lorenzo di Credi, Doin. Ghirlandajo folgen, bis Michelangelo selbst die
von Leonardo gegebenen Ansatze zu einer, wenn auch massiven Gruppen-
komposition verwirft und nur die plastische Figur noch gelten lafit Dafi
Pier di Cosimo selbst ein energischer Streiter gcgen diese Richtung
werden sollte, ahnen wir nach unserem Bilde nicht. Lorenzo di Credi's
Einflufi zeigt sich in den schweren, runden Falten des hellblauen Mantels
der Maria. Die bleichen, mit grau gemischten Fleischtone erinnern an
Ghirlandajo, ebenso wie die sehr reiche Landschaft In den feinen
Lichtstimmungen liber der rotlich getonten Hausergruppe links vor dem
dunstigen See, vor dessen in blauer Feme sich losenden Horizontalen
ein romantischer Felsblock aufsteigt, ebenso wie in der reichen Bliiten-
welt entwickelt Piero seinen intimen Charakter und feinen Sinn fur land-
schaftliche Reize. Seine koloristischen Neigungen vererben sich ja auf
seinen Schliler Andrea del Sarto, dem gliinzendsten Vertreter des Kolo-
rismus in Florenz. Auch von diesem in England seltenen Meister war
ein sitzender Johannes da (Nr. 21. Lord Methuen). Aus der letzten Zeit
des Meisters stammend zeigt das kleine Bild eine entwickelte rein male-
rische Auffassung, welche freilich zurtickgedrangt wird weniger von dem
starken Formgeftihl als vielmehr von einem kraftigen koloristischen Em-
pfinden. Es beginnt die Auflosung der Form im Licht, im Raume. In ein
dammriges Braun gesetzt scheint der fliichtig hingeworfene Korper, dem
jede scharfe Zeichnung fehlt, nur ein Spiel des weichen Halbiichtes um
flaumige Formen. Das Karnat ist warm, aber, leider mochte man sagen,
setzt da der Kolorist der strahlenden Kraft des Fleisches ein helles
Zinnober im Mantel und ein Gelb im Fell, auf dem Johannes sitzt, ent-
gegen, so dafi die Wirkung einer lebhaften Farbigkeit jene Lichteffekte
tibertrumpft. Von den tibrigen, als florentinisch bezeichneten Bildern
geben wir folgende Liste:
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Fritz Knapp4 I y q
Nr. 17. (Henry Wagner) Madonna; sienesisch.
Nr. 20. (Marquefi of Northampton) Madonna auf Engeln, Botticelli ge-
nannt; nur Schulbild, hart und trocken.
Nr. 22. (Earl of Powis) Madonna, nicht Fra Bartolommeo sondern
Andrea Brescianino.
Nr. 26. (W. C. Cartwight) S. Lukas; nicht Albertinelli, sondern romische
Schule von 1530.
Nr. 34. (Lord Methuen) Angelo Bronzino; Katharina in Halbfigur, flau
und ohne die plastische Kraft der guten Werke des Meisters,
fruhere Zeit.
Xr. 35. (Lord Methuen) nicht Fra Bartolommeo, schwachlich oberitalienisch.
Mehr beachtenswert waren im Saale III eine hlibsche, leicht ge-
maJte Ruhe auf der Flucht des Baroccio (Nr. 63. Earl of Powis). In
einer Madonna des Ridolfo Ghirlandajo (Nr. 70. Lord Methuen) ist das
Schema von Raffaels Madonna im Griinen, die in ein Dreieck gezwangte
Gruppe von drei Figuren, ansprechend aber nicht sehr geistreich ge-
^eben. Es zeigt sich da nur wieder die Charakterlosigkeit, die Unfreiheit
ines sich alien moglichen Einfliissen hingebenden schwachen Kiinstlers.
)fe Malweise ist flau in hellen Farben, bleichem Karnat, matter . Formen-
ebung. Ganz raffaelisch ist hier nichts von der Farbenpracht zu finden,
e Ghirlandajo auf seinen von Lionardo oder Pier di Cosimo beein-
ifiten Bildern der Nationalgalerie entwickelt. Im Anschlufi an die
orentiner mochte ich einen hochst interessanten Parmegianino erwahnen,
ie sitzende Dame darstellend (Nr. 75. Hampton Court). Das Bild ist
interessanter Beweis fur den gewaltsamen Einflufi, den Michelangelo auf
Kunst seiner Zeit austibte. Es mufi aus der letzten Zeit des Parme-
lino sein, der hier, wie kaum je in gleich rauher Weise seinen ersten
rer, den grofien Correggio, verleugnet. Wo ist da audi nur eine Spur
dessen herrlichem Sfumato. Hart, bleich, grau ist das Karnat; das
* Gewand ist aus prachtigem, schwarzem von Goldfaden durchwebtem
; hart dahinter eine graue Wand und durch eine Tiir der Blick auf
grell beleuchtete Gruppe stark bewegter, scharf gezeichneter Frauen.
xndere, Parmegianino genannte Portrat eines jungen Mannes (Nr. 82.
of Sutherland) ist eher venezianisch, vielleicht von Giuseppe Salviati.
Von italienischen Bildern anderer Schulen seien erwahnt das schon
rigen Jahre ausgestellte Portrat des jungen Federigo Gonzaga von
a (Nr. 12. Arthur W. Leatham), glanzend und elegant gemalt in der
iden, bleichen Farbe mit glatt polierter Oberflache.
. (Andrew Carnegie) Lorenzo Costa, eine hlibsche heilige Familie,
1 Halbfigur; nachgedunkelt; niedlich das ungeschickt gestellte Kind.
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l8o 35- Winterausstellung in London.
Nr. 18. (Lady Pirbright) Sodoma, heilige Familie; hart mit schwarzgrauen
Schatten, in Anlehnung an Quercia's Brunnenrelief; identifiziert mit
einer Madonna in S. Francesco zu Siena, welche nach Vasari im Stile
von Quercia's Reliefs gemalt sein soil.
Nr. 39. (Mrs. J. P. Richter), Madonna, Sodoma genannt, wohl Pacchiarotto.
Nr. 11. (Andrew K. Hichens) Madonna in Halbfigur mit Stifter; Rondinelli,
nicht Bellini (die Inschrift falsch).
Nr. 41. u. Nr. 43. (Marquefi of Northampton) Carlo Crivelli, Einzelfiguren
der Heiligen Georg und Domenikus. Ersterer interessant in einem
hellgelb und hellblau gestimmten Kolorit bei bleichem Karnat. •
Nr. 27. (Marquefi of Northampton) Landschaft. Kopie nach Giorgione.
Nr. 17. (Henry Wagner), Madonna, sienesisch, nicht florentinisch.
Nr. 28. (Marquefi of Bath) eine Kampfszene (Truhenbild); eher Alunno
di Domenico, nicht Pinturicchio.
Nr. 32. (Marquefi of Northampton) schones, in braun gehaltencs mann-
liches Portrat; nicht Giorgione sondern schon als Pordenone bekannt
Die sechs dem Veronese zugeschriebenen Szenen der Judit mit
Holoiernes (Nr. 29 — 31, und 36 — 38, Lord Methuen) sollen doch nur
von Bonifazio Veronese (?) sein.
Nr. 40. (Marquefi of Northampton) mannliches Portrat ist vielleicht Ma-
rescalco.
Nr. 42. (Fr. Cavendish Bentinck) ein grofies Heiligenbild, Moretto genannt;
aber nur von Schlilerhand, etwas venetianisch.
In dem dritten Saale war noch eine htlbsche kleine heilige Familie
von Tizian (Nr. 72, Marquefi of Bath), abgerieben aber lebendig in der
Zeichnung. Auch die ofters wiederkehrende Blondine in karminrotem
Gewand, Violante genannt, von Paris Bordone (Nr. 73, Earl of Radnor),
ist echt, wenn auch etwas abgerieben. Der Kinderkopf (Nr. 87, Marquefi
of Northampton) ist nur eine Kopie nach Tizian's Alfonsina Strozzi in
der Berliner Galerie.
Von einer Besprechung des fiir das lokalpatriotische Interesse
wichtigsten Teiles der Ausstellung, der Werke des Thomas Lawrence
(Saal II und Saal IV) rnochte ich hier absehen. In der langen Reihe
wirkten diese schlecht gezeichneten und auch koloristisch nicht gerade
fein behandelten Bildnisse ermtidend, erntichternd. Nichts von dem
feinen Helldunkel Gainsboroughs oder der festen Zeichnung und kraftigen
Charakterisierung Reynold's. Freilich in einigen der Damenportrats in
ganzer Figur hat \die gestellte Theaterpose doch etwas imponierendes,
grofiartiges. Neben der ktihlen, schweigsamen Wtirde der in braun und
rotlichen Tonen gehaltenen grofien Dame, Lady Hood (Nr. 104), zeigte
Mrs. Farren (Nr. 106) in ihrem weifi und lichtblau gehaltenen Kostiim
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Fritz Knapp: 181
mit dem neckischen Seitenblick der Blondine auf den Beschauer eine
heitere, natiirliche Frische. Leider konnte ich mich nicht weiter in die
Seek des Kiinstlers vertiefen. Solche machtigen Stiicke fast iiberlebens-
grofkr Figuren sind zu arrogant. Die grofie Pose vermag nicht alles zu
ersetzen, ebensowenig wie Schonheit der Dargestellten oder ihre Bedeut-
sainkeit, von der die Unterschrift spricht, geniigen. Dazu vermochte ich
auch nicht dekorative Werte zu entdecken.
Andere, grofiartigere Effekte tibten dagegen einige van Dycks aus,
so die beiden groflen Gegenstlicke aus seiner mittleren Zeit: Karl I. und
Konigin Henriette Marie (Nr. 74 und Nr. 78, Marquefi of Northumber-
land). Hier entfaltet ein bedeutender Maler seine Pracht. Das Licht
flutet in vollen Wellen und in aufierordentlicher Weichheit tiber das
seidene Gewand der Konigin. Harter in den Farben (in gelb und hell-
biau, das Karnat etwas rotlich, da die Oberflache etwas abgerieben)
virkt das imposante Doppelportrat des Lord John und Lord Bernhard
tuart (Nr. 76, Earl of Dornley), aus van Dycks letzter Zeit (ca. 1638).
on den iibrigen drei van Dyck gegebenen Bildern kann weder die in
?iB und blauseidenes Kosttim gekleidete Grafin von Northumberland
r. 65, Arthur. Sanderson) noch das Portrat des Gaston, Herzog von
leans (Nr. 85, Earl of Radnor) als eigenhandige Arbeiten gel ten. Die
Ibfigur einer Magdaiena dagegen schien mir, wenn auch verdorben und
, doch echt Von Rubens war zwar kein Portrat, aber eine mit P. P. R.
dchnete grofie Berglandschaft mit dem Blick auf den Escorial da
66, Earl of Radnor). Etwas planmafiig als Fernsicht gefafit, hat sie
? eigentlich malerischen Reize.
Von Hollandern war sehr wenig vorhanden. Genannt sei das schone
it einer Dame in Schwarz (Nr. 77 Marquefi of Northampton), Rem-
t genannt, von van der Heist. Aufierordentlich sauber und glatt gemalt,
em heUen, leuchtenden Karnat — das Fleisch ist etwas flammig —
He Figur kiihl vor grauem Grund. Es fehlt die verbindende Luft,
urn, was schon gegen Rembrandt spricht. Dazu tragt die Dame
xi Busen dieselbe grtingelbe Schleife, welche sich auf einem van
1st genannten Frauenportrat der Berliner Sammlung (Nr. 825 A)
Velasquez' Portrat seines Farbenreibers J. de Pareja (Nr. 79
Radnor) ist nach Justi das bessere von zwei in England befind-
xempl aren dieser interessanten Malstudie, welche der Kunstler
bung flir das Papstportrat in Rom gemacht hat.
:h den Kern der Ausstellung bildet eine Zusammenstellung von
ronzen der italienischen Renaissance. Es ist noch nicht lange,
Jahre her, dafi Liebhaber sich dieser »Spezialitat« zuwandten.
telte wohl an tike Bronzen, Terrakotten etc. Sie schienen inter-
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1 82 35» Wintcrausstellung in London.
essanr, wie alles aus der Erde gewtihlte, alles antike im 19. Jahrhundert und
man vergafi, dafi die alten italienischen Palaste und Hauser noch voll waren
von ahnlichen Stticken spaterer Zeit. Man imitierte tiberall antike Stlicke
und beach tete nicht all die schonen Nachbildungen der Antike aus der
Renaissance. So sind die Museen leer von Bronzen, wenn nicht der Zufall
dies oder jenes Stuck hingebracht hat. Und selbst da, wo man schone
Sammlungen, zumeist aus altem furstlichen Besitze besitzt, wie im Bargello
zu Florenz, standen die besten Sachen noch bis vor kurzem verstaubt
und schmutzig in dunklen Schranken. In Berlin benutzte man die gute
Gelegenheit und in kurzer Zeit ist eine der besten Kollektionen von
Bronzen zusammen gekommen. Hier zuerst macht sich eine wirklich
bewufite Direktive nach historischen Gesichtspunkten bemerkbar. Frtiher
hatten Sammler die Bronzen nur als Dekorationsstucke mit aufgenommen.
Zur kiinstlerischen Wertschatzung kam es erst nach ernstlichem Studium der
Friihrenaissance. Einen wirklichen Einblick in die Entwicklung der Technik,
der Stile u. a. kann man eigentlich nur in Florenz und Berlin bekommen.
Da die Meister der Bronzen zumeist unbekannt sind, beeintrachtigte der
Mangel an Anhaltspunkten, welche dem nicht gerade flir diese Spezialitat
trainierten Beschauer doch fehlten, die Wirkung der Ausstellung. Der Urn-
stand, dafi die Stucke nach Sammlern geordnet waren, schadete nichts,
da alles sehr schon ubersichtlich aufgestellt war. Die Masse war schon
zu bewaltigen und den Liebhabereien der oder jener Sammler zuzu-
schauen, gab diesen mehr malerischen als historischen Ordnungen einen
neuen Reiz. Die Hauptsammler waren J. Pierpont Morgan mit 42 Stuck
(Vitrine A, E, L, N, O), George Salting mit 26 Stuck (Vitrine C), (andere
z. T. hochst interessante Stiicke beider Sammler befinden sich noch im
S. Kensington Museum, wo ihre Kollektionen vorlaufig aufgestellt sind);
Alfred Beit hatte 31 Stuck (Vitrine F), S.E.Kennedy 41 (Vitrine G, M),
J. P. Heseltine 12 (Vitrine H, J), William Newall 18 (Vitrine I), Julius
Wernher 13 (Vitrine B), J. H. Fitzhenry 5 Stuck (Vitrine D, K) ausgestellt
Gleich der verschiedene Zweck der Bronzen erschwert die Be-
trachtungsweise. Neben Stlicken, die rein dekorativen Zwecken und dem
Gebrauche dienen sollten und die vielleicht von Goldschmieden verfertigt,
wie Kleinodien sorgfaltig behandelt und ziseliert waren, standen Roh-
giisse nach Wachsmodellen, die von grofien Kiinstlera garnicht fur den
Bronzegufi, sondern rein zu Studienzwecken oder als Vorlagen fur
groflere Arbeiten bestimmt waren. Manchmal ist erst spater, von anderer
Hand der Bronzegufi gemacht, aber oft genug wird die Bronze vom
Meister selbst ausgefiihrt sein und als Entwurf flir den Besteller gedient
haben. Derartige Stticke finden sich besonders haufig in Plorenz,
wo die Grofikunst ja am langsten die Hohe bewahrt hat und am
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Fritz Knapp: 183
spatesten zum Kunstgewerbe herabgestiegen ist. Eines der interessan-
testen Vergleichsbeispiele bietet eine kleine Davidfigur von Donatello,
— unziselierter Rohgufi — in Berlin, wozu sich die nach dem Wachs
ausgeftihrte lebensgrofie Marmorstatue in Florenz (Casa Martelli) befindet.
Dagegen zu kiinstlerischem Selbstzweck waren die beiden Glanzstticke der
Ausstellung, zwei verschiedene Herkulesstatuetten des Ant. Pollajuolo
(E, 6 u. F, 22) angefertigt. Wahrend erstere noch keine Spur von Behand-
lung der Oberflache zeigt, ist das zweite, bedeutendere Stiick sorgfaltig aus-
gearbeitet Uberall befinden sich Ziseluren an den Fleischteilen sowohl,
wie in den stranigen Haaren der grofien Periicke und am Untersatz. Eine
dunkle, jetzt abgegriffene Lackpatina war tiber das ganze gezogen. Wir
mtissen daher vermuten, dafi hier wirklich die Bronzestatuette ein
eigenes Kunstwerk sein sollte. Dafiir spricht auch der Sockel und
ebenso der Meister, aus dessen Werkstatt noch andere. kleine Bronzen
hervorgegangen sind. In dekorativem Sinne sind beide Stiicke ebenso
wenig geniigend, wie sie schon sind fur den intimen Beobachter als
Schopfungen eines energischen Realismus. Neben dem echt Pollaju-
olesken Manirismus in den Proportionen — lange Glieder, eine breite
Brust und schwacher Leib — eine prachtvolle, etwas iibertriebene
Muskeldurchbildung, wie wir sie in gleicher Kraft und Wucht nur bei
Michelangelo noch finden. Eine dritte Statuette (A, 15), ebenfalls ein
Herkules mit Keule, ausruhend mit hoher gestelltem linken Fufl, tragt in
den runden weichen Formen und untersetzten Verhaltnissen mehr den
Charakter Verrocchios. Eine Parisfigur ((), 2), sorgfaltig durchgearbeitet
und vergoldet scheint dagegen auch auf Pollajuolo zuriickzugehen. Die
langen Glieder, die spitzen Kniee und der herbe Ausdruck sprechen da-
fur. In Berlin befindet sich eine verwandte Figur, etwas voller, unter-
setzter, in Blei, die vielleicht als Originalstudie zu gelten hat.
Auf den Begriinder italienischer Bronzeskulptur, auf Donatello geht
ein kleiner Putto mit erhobenen Armen (I, 1 5), mit fein ziselierten Fltigeln
und dichten Haarlocken zuriick. In das Cinquecento dagegen gehort ein
sitzender, pissender Knabe (H, 1). Der Name Bertoldos war bei einer ziem-
lich plumpen Athletenfigur mit dicken Schenkeln und untersetztem Korper-
bau (E, 8) genannt; wohl nicht mit Recht, da des Kunstlers Eigentiimlich-
keiten: straffe Muskulatur, glatte Oberflache und scharf gezeichnete Ge-
sichtsztige sich nicht zeigen. Auch die Patina ist zu hell ftir den
Donatelloschtiler, dessen sehr kupferhaltige Bronzen eher ins rotliche
oxydierten, wenn der dicke Lack abgegriffen wird. Eine grofie, dem
Verrocchio zugemutete Figur des David mit dem Haupt des Goliath
(L) kann ich mir nicht als Florentiner Quattrocento vorstellen in der
glatten Formgebung der schlecht proportionierten Gestalt mit dem kleinen
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184 35« Winterausstellung in London.
Kopf unci den schlecht durchgearbeiteten Gelenken. Ein Schule Dona-
tellos genannter Kupido (A, 14) gehort in das 16. Jahrh.; ein gleiches
Exemplar mit vergoldetem Haar befindet sich in der Sammlung Carrand,
Florenz. Die florentinisch oder sogar Pollajuolo genannte Gruppe des
Herkules und Antaeus (I, 13 und in gleicher Strenge im Bargello) stammt
wohl aus Padua, ebenso der in direkter Anlehnung an die Antike ent-
standene kleine schlangenbandigende Herkulesknabe, (H, 4, sehr schones
Exemplar; weniger gut B, 5). Bei beiden ist die Patina paduanisch.
In die Ubergangsperiode des florentiner Quattrocento zum Cinque-
cento gehort die fein bewegte Figur eines nackten Mannes (Adam?) mit
Spaten (F, 28). Ein unziselierter Vollgufi, vielleicht nach einem nicht zum
Gufi bestimmten Wachsmodell ausgefiihrt, zeigt die Gestalt in den schlanken
Formen und gedrehten Gelenken noch die nervose Pose des Verrocchio,
wahrend aus der starken kontrapostlichen Bewegung ein von Michelangelo
bewegter Geist spricht. Spater ist eine kleine Nachbildung vom Bacchus
des Michelangelo (I, 4). Auf ein lionardeskes Pferd (bessere Exemplare
in Modena u. Berlin) war ein Bologna-artiger Reiter (ein ahnlicher im
Bargello) gesetzt (E, 18). Die Bezeichnung Riccio war wohl ein Ver-
sehen. Nur eine spatere Nachbildung nach Cellinis Ganymed ist A, 5.
Die Patina sieht verdachtig aus. Besser dagegen erschien eine schone
Gruppe Merkur mit einem am Boden sitzenden Knaben, der ihm die
Fliigelschuhe binden soil (N). Es sind die schlanken Formen des
Cellini bei einer weicheren Fleischbehandlung. Die dunkle Lackpatina
ist mit Olfarbe spater grtin ubermalt Die sitzende Venus die sich die
Sandale am rechten Fufi lost von Cellini (?) durfte natiirlich nicht
fehlen (F, 29). Aufierordentlich frisch und lebendig ist ein auf einer
Schildkrote reitender Triton, vor dem ein kleiner Triton sitzt (I. 14).
Interessant durch die Datierung (1545) ist ein besonders schtfnes
Exemplar dieser offenbar aus Florenz stammenden Darstellung. Bei
anderen Wiederholungen fehlt der Tritonputto. Die Formen sind straff
und elegant, die Zeichnung der bewegten Figur sicher, die Patina hell
mit dem dtinnen Lack der spateren Renaissance. Aus gleicher Zeit ein
sitzender gut bewegter Vulkan, einen Pfeil schmiedend (A, 4). In die Zeit
des Manierismus gehort ein herkulisch gebauter Johannesknabe (I, 17).
Florentinisch, um 1520 — ev. venezianisch, unter florentinischem
Einflufi — ist eine hubsche sitzende Madonna (C, 4). Weiche Formen,
schone einfache Faltenlage des vollen Gewandes, das bewegte Kind im
Schofie gut durchmodelliert und dunkle Patina. Endlich sei noch hin-
gewiesen auf eine Reihe sitzender Figuren (C, 8; F, 9, 27; H, 5) iiber deren
Zusammengehorigkeit mit anderen Stuck en bei Salting, in Paris, Berlin etc.
W. Bode in seiner Publikation genauer berichten wird. Sie gehoren wohl
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Fritz Knapp: igg
in die spate florentiner Renaissance aber sicher nicht dem Verrocchio,
dem sie manchmal noch gegeben werden.
Nicht gleich glanzend wie die Florentiner waren die Paduaner und
Venezianer vertreten. Von Riccio waren aufier einigen der oft wieder-
kehrenden Leuchterhalter und Tintenfasser (C, 25; E, 3, 19) beach tens-
wert ein knieender Ritter, vermutlich Vittore Capello (C, 7). Sehr fein
und elegant gearbeitet zeigt sich der scharfe Schnitt und das zierliche
Ornament der sp&teren Zeit Vorziiglich ist eine Lampe, Faun mit
Ziegenkopf (I, 18) mit schwerer dunkler Patina, weniger gut ein Negerkopf
als Lampe (G, 2) und ein Satyrskopf (C, 3). Arion die Guitarre spielend
(G, 8) ist nur eine mafiige Wiederholung des schonen Stiickes im Louvre.
Aus friiher Zeit, paduanisch, ein gut durchgearbeiteter verkiimmerter
Knabe, sitzend und sich zurlickneigend (E, 16). Vielleicht paduanisch
ist ein sehr schoner mannlicher Kopf, »R6mischer Redner« (K, 1), dessen
kraftige Charakteristik auf Donatello zurtickgeht, wahrend die weiche,
malerische Fleischbehandlung ftir spatere Zeit und fur Padua oder
Venedig stimmt Von anderen paduanischen Sachen seien genannt: Frauen-
figur liegend neben Globus, Zirkel etc. (Architektur?) (C, 5), der Deckel
eines Tintenfasses, ca. 1540; ein kraftig gebauter Neptun (H, 5) mit er-
hobener Linken die den Dreizack hielt (falschlicherweise als Henker
bezeichnet).
Von verschiedenen lowenbandigenden Herkulesgestalten tragt I, 9
noch den Charakter vom Ende des Quattrocento — eine Gruppe, die
eigenttimlicherweise gerade in London und nur dort ofters wiederkehrt.
1, 1 gehort schon zu den hochcinquecentistischen, stark von der romischen
Antike beeinflufiten Stucken. Die ubertriebene Muskelentwicklung, die
kurzen Arme, der kleine Schadel dieser schonen Figur erinnern recht an
den Herkules Farnese, nach dem auch eine kleine Imitation zu sehen
war (A, 3), freilich mit rasiertem Bart. Ahnlich aussehende Herkules-
gestalten (F, 6 u. H, 2), erstere besonders schon auf dreiseitigem Sockel,
sind wohl venezianisch. Eine kleine Imitation der Laokoongruppe (I, 10)
gehort noch in die erste Zeit des Cinquecento. Eine dem Antinous im
Vatikan nachgebildete Figur (G, 23) leitet tiber zu einer Reihe von Imita-
tionen der klassischen Antike, bei denen zumeist schlanke Figuren, elegante
Posen gewahlt sind. Ein ausruhender, nackter Mann, Meleager genannt
(I, 2), ist das beste Exemplar einer oft wiederkehrenden Figur. Zierliche
Grashalme sind auf dem kleinen Sockel eingraviert. Wie alle diese
eleganten Figuren gehort sie nach Oberitalien (Padua, Modena). Fur eine
ahnliche, aber scharfer gezeichnete Figur (E, 12; Originalbux Berlin), lafit
sich als Autor Francesco da S. Agata nennen, dessen voile Namens-
bezeichnung eine sehr verwandte Buxrigur in der Wallace Sammlung tragt
Repertorium fur Kunstwisscmchaft, XXVII. 1 3
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1 86 35 • Winterausstelhing in London.
Das feinste jedoch an Grazie und zarter Beweglichkeit entwickelt
ein Venezianer in einer kleinen, auf der Weltkugel als Tintenfafldeckel
stehenden nackten Frau mit verbundenen Augen, die Facke) in der erho-
benen Hand (E, 2). Schwarze Patina iiber den trotz aller Schlankhcit
weichen Formen. Steifer, altertumlicher ist eine hiibsche stehendc Vcnus-
figur, vergoldet (J, 5); voller eine sitzende nackte Frau mit Schlange
(C, 22). Sehr charakteristisch ftir die eigne malerische Auffaasung der
Venezianer ist ein Johannes der Taufer (F, 16), Gegentiber den kraftig ge-
zeichneten Herkulesgestalten des Pollajuolo fallt hier die starke Mifi-
achtung der Silhouette und die Vernachlassigung der Form aufc Eine
dtirre Gestalt ohne Bewegung; breit hangt das Fell herunter, dessen
lange Falten ein gewisses Lichtspiel erzeugen. Venezianisch erschien
mir auch die reizende Gruppe eines Knaben, der den schlafenden Amor
tiberrascht (F, 24); ein besonders schones und fein ziseliertes Exemplar
dieses (in anderer Gruppierung oder der Knabe allein C, 18; Berlin etc)
ofters wiederkehrenden Stiickes. Das Kissen tragt die ftir Sansovino cha-
rakteristischen, geschweitfen Ornamentschleifen. Von Allesandro Vittoria
mag eine Mosesfigur (O, 4) sein.
Unter den secentistischen Stticken ist besonders die prachtvolJe
Reiterfigur des Pietro Tacca (I, 16) beach tenswert. Es ist der Entwurf
zu einem Denkmal Philipps IV. in Madrid, zu welchem Velasquez ein
Portrat des Konigs dem Tacca geschickt haben soil,
Natiirlich waren auch einige Antiken dazwischengekommen, so
eine sehr feine sitzende Frau, halbbekleidet (J, 6), ein trompeteblasender
Kupido (F, 15) und eine kleine stehende Frau (F, 26).
Zum Schlufi sei noch das reizvollste StUck der ganzen Ausstellung,
die bemalte Terrakottabiiste eines Mad ch ens (aus Windsor Castle) er-
wahnt, welche neuerdings von W. Bode dem Conrad Meit zugeschrieben
wird. Frisch und heiter lacht uns das kraftige, runde Gesicht, mit den
frohlichen blauen Augen an und man mag zuer&t garnicht die farblosen,
stilisierten Bronzestatuetten italienischer Hand ansehen nach diesem ge-
sunden Realismus deutscher Kunstauffassung.
FrU* Knapfi*
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Mitteilungen tiber neue Forschungen.
Ein neues Bild Tizians, das Diego Sant'Ambrogio jiingst aufgefunden,
bespricht er in zwei Artikeln der Lega Lombarda (vom 10. August und
7. September 1903). Es befindet sich auf dem Landsitz der Familie
Berra in Montagnola iiber Lugano, wohin es aus fiirstlich Gallitzin-
schem Besitze gelangte, und stellt eine etwa ftinfzehnjahrige, vornehme
junge Dame in ganzer Figur und reicher Kleidung als Schaferin zwischen
einer danischen Dogge und zwei weidenden Schafen auf dem Hintergrund
einer groflkonzipierten Waldlandschaft vor. Das Halsband der Dogge
tragt das Datum 1553 und der Rand des Bildes die Inschrift:
Ego Titianus Vecelli Imaginem
Hanc De Supremo Imperatoris Mandato
Diebus IX Perficere Debui MDLIII.
Der Entdecker des Gemaldes bringt es in Zusammenhang mit einer
Korrespondenz zwischen Kaiser Karl V. und seinem Gesandten in Venedig
Francesco Vargas (Vasari VII, 481). Unterm 31. Mai 1553 fragt der
Kaiser an, ob Tizian gewisse Bildnisse, die zu vollenden er nach seiner
Abreise aus Augsburg sich verpflichtet habe, fertiggestellt oder wie
weit er damit gekommen sei — und Vargas antwortet unterm 30. Juni
1553, der Meister sei mit der Ausfiihrung der bestellten Bilder beschaf-
tigt. Sant'Ambrogio stellt ferner die Vermutung auf, unser Bild mochte
eine der elf, samtlich von Tizian portratierten Tdchter Ferdinands I. dar-
s tell en u. z. die 1534 geborene Prinzessin Eleonora (die ja 1548 und
1550 zur Zeit der beiden Aufenthalte Tizians in Ausgsburg bezw. Inns-
bruck im Alter der Dargestellten stand). Dafi von ihr, aufier dem
Familienbilde, worauf sie der Meister im Kreise der El tern und Ge-
schwister dargestellt hatte, aufierdem ein Einzelbildnis gemacht wurde, glaubt
der Verfasser damit erklaren zu konnen, dafl es sich eben zu jener Zeit
una die Verheiratung Eleonorens mit dem Kurftirsten von Sachsen
handelte und ihr Portrat fiir den in Aussicht genommenen Brautigam
13*
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1 88 Mitteilungen liber neue Forschungen.
bestimmt gewesen sein mochte. (Die Verbindung kam nicht zustande und
Eleonore heiratete erst 1561 den Herzog Wilhelm von Mantua.) Die
Ausstellung des in Rede stehenden Bildes auf der Esposizione di
Arte Sacra ed Antica zu Bellinzona im Herbst 1903 wird wohl einem
oder dem andern kompetenten Kenner Gelegenheit geboten haben, es
genau zu prtifen, und so konnen wir hoffen, bald Naheres und Sichereres
darliber zu erfahren. C. v. K
Ein neues Basrelief von Giov. Ant. Omodeo fiihrt uns ein Artikel
Diego Sant'Ambrogios in der Lega Lombarda vom 1. Juni 1903 vor. Es
war ursprlinglich als Ex-voto in die Kathedrale von Pavia gestiftet und
wurde dorther bei Gelegenheit ihrer jlingsten Restauration in unsern Tagen
in einen Vorsaal im bischoflichen Palast iibertragen. Es stellt auf einer
Marmortafel von 0,50 cm Breite auf 0,60 cm Hdhe die Madonna in ganzer
Gestalt mit dem Kinde auf dem Arme dar, das, in der Linken die my-
stische Taube haltend, mit der Rechten den h. Rochus segnet, der zu
seiner Seite stehend in frommer Geberde zu ihm aufblickt Er halt mit
der Rechten ein Inschriftsband mit der Legende darauf: Salvum a deo
qui dictum est, wahrend seine Linke das faltenreiche Gewand von dem
nackten Bein entfernt. Dies geniigt, um die Gestalt als jene des ge-
nannten Heiligen sicherzustellen, mag hier auch der traditionelle Pilger-
hut und Stab, sowie der treue Begleiter mit dem Stiicke Brot im Maul
fehlen. Die ganze Szene ist in einen offenen Portikus mit perspektivisch
sich vertiefender Rosettenflachdecke verlegt; am rechten Rande der Tafel
sehen wir einen Baum, in dessen Wipfel ein Adler sitzt Im Sockel der Tafel
aber, der sie streifenfdrmig nach unten zu begrenzt, hat der Kttnstler die
beiden nackten Figuren der Voreltern einander gegeniiber sitzend, mit
gegen den Baum der Erkenntnis (der die Mitte einnimmt) gestemmten
Beinen gebildet, ohne indes in dessen Zweigen auch die Schlange dai-
zustellen. Eine jedenfalls ungewohnte Art der Komposition der bekannten
Szene. Unser Basrelief aber wird wohl erst nach dem Jahre 1478 ent-
standen sein, als nach einer heftigen Pestepidemie in Brescia, deren Auf-
horen der besonderen Vermittlung des h. Rochus zugute gehalten wurde,
sein Kultus in der ganzen Lombardei eine ungewohnte Ausdehnung ge-
wonnen hatte. C. v. F.
Ein Brief Antonio Averulinos, genannt Filarete. Das folgende
Schreiben, das im Carteggio Mediceo des florentiner Archivs (Filza XIV
Nr. 478) bewahrt wird ist der Aufmerksamkeit der Forscher bisher ent-
gangen — wenigstens haben wir es nirgends erwahnt, geschweige denn
veroffentlicht gefunden:
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Mitteilungen ttber neue Forschungen. !8o
Ricordo auoi pigello didire apiero chemi mandasse lamisura deloro
palazzo eancora cosi uno poco congittato Iafacciata difuori ecosi ancora
disalorenzo aver (sic, statt: avessi) caro auere lemisure se possibile fusse
seno almeno Iafacciata dinanzi inche modo ara aessere per poterlla inna-
rare (?) e cosi dealcuni altri nostri edifitij et racomandetemi asua magni-
ficenza Antonius architectus
Ritrarre la testa del S[ignor]. che ha p[iero].
Der Brief ist an Pigello Portinari, den bekannten „Prokuristenf des
mediceischen Bankhauses zu Mailand gerichtet. Er scheint vorlibergehend
in Florenz gewesen zu sein, und Averulino richtet nun, — wohl von
Mailand aus — die Bitte an ihn, er moge ihm bei Piero de Medici die
Mafie. bezw. Zeichnungsskizzen vom Palast der Via Larga, von S. Lorenzo
und von einigen anderen Florentiner Bauten auswirken. Offenbar wollte
er sie fur seinen Architekturtraktat verwenden. Diese Voraussetzung er-
laubt auch das fehlende Datum des Briefes annahernd zu bestimmen.
Es fallt jedenfalls vor 1464 (Abschlufl des Architekturtraktats) und nach
1457 (mit welchem Jahr der zweite Aufenthalt Filaretes in Mailand be-
gann). Schwieriger ist es flir die Nachschrift eine plausible Deutung
zu finden. Vielleicht mochte unter der „ testa del Signore" das Marmor-
relief Francesco Sforzas (Museo Nazionale in Florenz Nr. 143) zu ver-
stehen sein, das ja aus altem Mediceerbesitz stammt. Aber wozu bedurfte
Averulino einer Zeichnung desselben, und wie erklart sich die sonder-
bare stilistische Fassung der Nachschrift, die nicht wie ein Ersuchen an
Pigello, sondem vielmehr wie ein Vermerk ftir sich selbst klingt?
C. v. F.
Ein Bild von Luciano da Laurana. Schon Prof. v. Reber (Sitzungs-
berichte der MUnchener Akademie, 1889 Bd. II S. 47 rT.) hatte das unter
Piero della Francescas Namen gehende perspektivische Architekturbild
der Galerie zu Urbino dem bertihmten Erbauer des dortigen Herzogs-
palastes zugeschrieben, ohne indes nahere Griinde ftir diese Attribution
beizubringen. Solche gibt nun der Triestiner Architekt C. Budinich, von
dem wir eine Monographic iiber Laurana zu erwarten haben, in einer
kleinen, unlangst erschienenen Schrift (Un quadro di Luciano Dellauranna,
Trieste 1903). An zwei in den oberen Ecken des gedachten Tafelbildes
benndlichen gemalten Schildchen entdeckte er namlich die Reste einer
Inschrift, und zwar an dem linken (in drei Reihen iibereinander) die
Buchstaben QT, O und LAA, an dem rechten aber (gleichfalls in drei
Reihen) AGLA, 147., und VRANNA. Das letzte Wort scheint in der
Tat nur auf den Namen des beriihmten Architekten bezogen werden zu
konnen. Ubrigens hat schon Bern. Baldi einiger Bilder desselben Er-
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190 Mttfeilungen ttber neuc Forechungett.
w&hnung getan, „nelle quali sono tirate con ragioni di prospettiva e
colorite alcune scene, dimostranti chegli avesse bonissimo disegno ed
acconciamente dipingesse". Der Verfasser ist hiernach geneigt, dem
Laurana auch die architektonische Vedute im Berliner Museum (Nr. 1615,
Art des Piero della Francesca), sowie ein Pendant derseiben, das mit
der Sainmlung Massarentt nach Amerika kam, zuzuteilen. Dagegen mochte
er fiir die beiden bekannten Bildchen in Pah Barberini (reprod* im Arch,
stor. dell'arte 1893 p, 416), die Schmarsow (Meiozzo da Forll, Berlin 18S6
S. 107 und 392, b) dem Laurana, A. Venturi dem Fra Carnovale ni-
geteilt hat, die erstere Attribution nicht aufrecht erhalten, da ihm die
Details der Architektur fur Laurana zu unbedeutend, ja geradezu zu roh
erscheinen. C. v. F.
Fine sorgfaltige Zusammenstellung der weit zerstreuten italienischen
historischen Forschung gibt Prof. K. Schellhass in Heft 1 und 2 des
sechsten Bandes der »Quellen und Forschungen aus italienischen
Archiven und Bibliotheken«, die das preuflische historische Institut
in Rom herausgibt (Rom, Loscher, 1903). Der Stoflf ist fblgendermaflen
tibersichtlich gruppiert: I. Italienische Pubiikationen. A. Akademien und
Universitaten. B. Vertfffentlichungen historischer Gesellschaften. C Ar-
chive und Bibliotheken. Dann Bericht tiber neue BUcher: Quellen,
politische Geschichte, Kultur-, Kunst-, Literaturgeschichte usw.; Nozze-
Publikationen. II. Auslandische Pubiikationen. So knapp gefaflt die
Angaben sind, so enthalten sie doch die notwendigste Aufklarung zur
Orientierung. Wer aus Erfahrung weifi, wie schwer sich eine Ubersicht
tiber die in zahllosen Archivi, Riviste (es sind deren fast neunzig aus-
gezogen) und Gelegenheitsbroschtiren verstreute Forschung Italiens ge-
winnen l&fit, wird dieses wertvolle Hisfsmittel willkommen heifien. Es
sol! in den folgenden Banden der » Quellen und Forschungen « alljahriich
eine solche Ubersicht publiziert werden. G. Gr.
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L
ni
Nekrolog.
In Arthur Strong, der am 18. Januar im 41. Lebensjahre gestorben
ist, verliert die kunstgeschichtliche Forschung einen eifrigen, selbstlosen
Forderer und einen kenntnisreichen und verstandnijvollen Mitarbeiter.
Neben seiner Berufetatigkeit als Professor des Arabischen am University-
College in London und als Bibliothekar des House of Lords hat er sich
stetig und eingehend mit kunstwissenschafdichen Studien beschaftigt In
seiner Stellung als Bibliothekar des Herzogs von Devonshire und als
Verwalter seiner reichen Kunstsammlungen, als Berater vieler Besitzer
alter Kunstschatze in England fand er reichlich Gelegenheit, sein reges
Interesse fiir Kunst zu betatigen. Von den zahlreichen von ihm ge-
planten kunstgeschichtlichen Veroffentlichungen hat er nur die beiden
Prachtwerke fiber die Zeichnungssammlungen des Lord Pembroke und
iiber die von Chatsworth zum Abschlufi bringen konnen. Von der Arbeit
an einer neuen englischen Ausgabe von Crowe und Cavalcaselles Werk
uber die italienische Malerei, von der bereits zwei Bande erschienen sind,
ist er durch den friihen Tod abberufen worden. P. A".
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/?2-
Bei der Redaktion eingegangene Werke.
A Guide to the English Pottery and Porcelain. With 15 Plates
and 158 Illustrations. British Museum. 1/.
Dammrich, Johannes. Ein Klinstlerdreiblatt des XIII. Jahrhunderts
aus Kloster Scheyern. Strafiburg. J. H. Ed. Heitz. M. 6.
Daun, Berthold. Veit Stoss und seine Schule in Deutschland,
Polen und Ungarn. Leipzig. Karl W. Hiersemann. M. 10.
Gilman, Benjamin Jves. Manual of Italian Renaissance Sculpture
(as illustrated in the collection of casts at the Museum of Fine
Arts Boston).
Kehrer, Hugo. Die »heiligen drei K6nige« in der Legende und
in der deutschen bildenden Kunst bis Albrecht Diirer.
Strafiburg. J. H. Ed. Heitz. M. 8.
Klassiker der Kunst. I. Raffael. 202 Abbildungen. II. Rembrandt
405 Abbildungen. Leipzig und Stuttgart Deutsche Verlagsanstalt
M. '5 und M. 8.
Orbaan, J. A. F. Stradanus te Florence 1553 — 1605. Rotterdam.
Nijga & Van Ditmar.
Ostwald, W. Malerbriefe. Beitrage zur Theorie und Praxis der
Malerei. Leipzig. J. Hirzel. M. 3.
Stengel, Walter. Das Taubensymbol des hi. Geistes. Strafiburg.
J. H. Ed. Heitz. M. 2.50.
Weber, Ludwig. San Petronio in Bologna. Beitrage zur Bau-
geschichte. Leipzig. E. A. Seemann. M. 3.
Weizsacker, Heinrich. Catalog der Gemaldegalerie des Stadtischen
Kunstinstituts in Frankfurt am Main. Zwei Abteilungen in
einem Bande mit 38 Nachbildungen von Gemalden und Carton-
zeichnungen alterer und neuerer Meister in Lichtdruck. Frank-
furt a. M. August Ostenieth. M. 12.
Witting, Felix. Westfranzosische Kuppelkirchen. Strafiburg. J. H.
Ed. Heitz. M. 3.
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Gli artisti nella poesia del Rinascimento.
Fonti poetiche per la storia dell' arte italiana.
Di Arduino Colasanti.
In tutti i tempi relazioni multiformi unirono l'arte italiana alia
letteratura. Gli artisti di ogni secolo non furono di solito degli eru-
diti e dei letterati nel senso preciso del la parola; ma neppure furono
uomini incolti. Ebbero Tanimo aperto alia vita del loro tempo, e alia
poesia domandarono talvolta consolazione e gloria. Alio stesso modo
i poeti rivolsero spesso il loro sguardo alle arti figurative, e, quando
non pretesero di dettar loro principii generali e norme speciali, ne
trassero ispirazione e pretesto per i loro componimenti. Ma nessuno ancora
si e curato di ravvicinare sistematicamente la poesia alle arti del suo
tempo, per osservare quale particolare atteggiamento essa abbia assunto
dinanzi ai piu celebrati lavori della pittura e della scultura, e per rice*r-
care fino a qual punto lo storico dell' arte possa interrogare il documento
poetico, per trarne un lampo di luce in mezzo alle tenebre dei secoli
lontani.
La leggenda ha spesso riuniti in un solo ricordo i grandi scrittori
e gli artisti di uno stesso tempo, e molto si e scritto su le relazioni
fra Dante e Giotto. Qualunque sia il valore del racconto che li vorrebbe
associati a Padovae in Assisi, certo dopo di loro la tradizione continua
e si afferma sempre piu, fino ad assumere una importanza speciale nel
Rinascimento.
Nelle corti, che erano il convegno di tutti i progressi e di tutte
le eleganze, poeti ed artisti assai sovente avevano occasione di incontrarsi
e d'intendersi. A torno al principe, fra lo sciame dei cortigiani, in mezzo
ai lavori della diplomazia e alle cure dell' amministrazione, precettori,
umanisti, ingegneri, architetti, tappezzieri, copisti, miniatori, si agitavano
e si confondevano. La poesia non poteva dunque rimanere estranea agli
influssi determinati da queste particolari condizioni di vita; in un tempo
in cui, con un impulso sociale unico, tutte le tendenze miravano a
Repertorium fiir Kunstwisseiuchaft, XXVII. 1 4
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Arduino Colasanti:
tradurre nelle forme rinnovate le antiche idealita dei padri e le piu
luminose tradizioni della bellezza, non era possibile che i poeti dimenti-
cassero i pittori, gli scultori e gli architetti loro contemporanei.
Ma quanti fra loro hanno saputo guardare serenamente ai nuovi
miracoli dell' arte e hanno inteso il segreto di quelle energie che dalle
umili chiesuole dell' Umbria, dalle corti tripudianti di corruzione e di
gloria, dalle alcove circondate di tesori e di mistero segnavano una nuova
strada all' avvenire?
Solo dal confronto di una rilevante quantita di materiale poetico e
possibile trarre sicure conclusioni. Quei capitoli, quei sonetti, quelle elegie,
quegli epigrammi che a volte tanto poco dicono di per se stessi, riuniti
insieme e coordinati. si completano a vicenda e assumono un significato
di cui non pu6 sfuggire il valore. E subito vien fatta una considerazione:
l'argomento esce dai confini della critica d'arte propriamente detta, per
far luogo ad un ordine piu complesso d'idee; le poesie dedicate ad
artisti o glorificanti i loro lavori, qualunque sia il loro valore particolare,
costituiscono un genere di componimento ben definite, obbediente a
formule determinate e con limiti gia stabiliti. Per modo che proprio la
causa della loro insufficienza serve a dar loro una fisionomia per la quale
si distinguono da ogni altra poesia.
II carattere principale di quei versi consiste nella mancanza di sincerita.
Mentre l'arte sedeva gia degnamente a canto alia scienza, che da tempo
aveva conquistato il suo posto, il significato delle sue forme sfuggiva ancora
ai critici improvvisati, che sfogavano la loro platonica ammirazione nella
vacuita delle viete formule assiduamente ripetentisi; e tutto lo spirito
dell* indipendenza, tutto Timpeto della vita che si agitavano e palpita-
vano dentro i simulacri dell' arte nuova, costituivano un elemento inaffer-
rabile per la retorica laudativa dei mille poeti d'ltalia.
L'espressione piu sincera sentimento per cui tutti gli aspetti dell'
attivita umana si confondevano nella mente degli Umanisti come in una
fantasmagoria ci e fornita dall' anconitano Ciriaco,1) che, cercando nei
suoi viaggi gli avanzi dell' arte antica, fuse in una sola impressione e
in un* unica imagine le splendide porte del Battistero di Firenze, le
opere di Donatello, le collezioni del Niccoli e del Marsuppini, i piu
grandi cittadini del tempo e i dotti piu reputati.
*) Per i viaggi di Ciriaco Anconitano cfr. Scalamontius, Vita Kyriaci Anconitani,
p. 91 e 92; Colucci, Antichita Picent, Fermo, 1872; Zippel, Giunte e correnioni ai
Voigt, Firenze, Sansoni, 1897; De Rossi, Inscriptions Christians, IL, 1; Ziebarth,
Cyriacus von Ancona als Begrunder der Inschriftenforschungen (Neue JahrbUcher /.
das klass. Altert. 1892).
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Gli artisti nella poesia del Rinascimento. iqc
Cid che nelle opere di un artista vi ha di caratteristico, gli elementi
della sua personality quel fare che lo distingue da tutti gli altri, tutto
cid sfugge aH'intelligenza dei poeti del Rinascimento, la cui preoccu-
pazione e quella di lodare sempre, senza trovar mai una di quelle ima-
gini che sono l'espressione di una convinzione sinceramente maturata.
II difetto di criteri positivi per il giudizio critico si rispecchia
principalmente nei confronti istituiti talvolta fra artista e artista. II poeta
Ulisse ci mostra il Pisanello e Jacopo Bellini in gara tra loro per un
ritratto di Lionello d'Este e, pur dando la palma al Bellini, presenta il
Pisanello come un artista famoso, in atto di contendere con la Natura
per tradurre su la tela l'effigie di Lionello.
Questo concetto dell' artista in lotta con la Natura si ritrova in
tutti i poeti che nel Rinascimento hanno scritto di cose d'arte. Naturam
vincere e la gran frase, cosi questo motto che avrebbe dovuto esprimere
l'entusiasmo di una generazione, la quale, dopo tanti secoli, ritrovava il segreto
di riprodurre la verita, di lottare con essa, di farne la propria divisa,
nei versi di Giovanni Filotteo Achillini, negli epigrammi di Urceo Codro,
nelle selve di Battista Mantovano, nelle elegie dei due Strozzi, in tutta
quella produzione poetica che sembra cosi estranea alle lotte feconde del
sentimento e dell' idea, diventa niente piu che una vuota formula per
crogiuolarvi l'ipocrisia delle piu esagerate adulazioni.
Non e difficile rintracciare altri motivi, i quali costituiscono il fonda-
mento comune dei componimenti poetici dedicati ad artisti e ad opere
d'arte del Rinascimento italiano.
Dopo che Simone Martini ebbe eseguito il ritratto di Laura, il
Petrarca si rivolse all' amico in due sonetti e ne lodd 1'opera, per
trovar modo di celebrare le bellezza della donna sua, che non e cosa
mortale, ma tolta dal cielo e diffonde intorno a se luce e benedizione.
L'esempio non and6 perduto e durante i secoli XV e XVI il motivo
si ripete sempre, quando identica o poco di versa si present6 l'occasione.
Antonio Tebaldeo, la cui poesia si occupava volentieri di cose e di
awenimenti di poco con to riguardanti la sua Flavia, per darvi con
combinazioni stranamente ricercate una lusinghiera interpretazione, si rivolge
a Ercole Grandi che aveva ritratta l'effigie della sua donna, gli muove
rimprovero, poiche egli trovava la bellezza di lei non traducibile dal
pennello, fosse pure di Zeusi o di Apelle, e canta innamorato:
Solo il cor mio sa farla come e bella. *)
*) Ammettendo una ipotesi gia espressa da altri, volemmo identificare l'amata del
Tebaldeo con la cosi detta Madonna Laura, erroneamente attribuita a Giovanni Bellini
nella Galleria Capitolina di Roma (A. Colasanti, in Nuova Antologia, 1903, p. 279).
Ma, dopo nuovi stndi e confronti, sembra di poter affermare che quello squisito ritratto
e opera di Lorenzo Costa e non di Ercole Grandi.
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lo6 Arduino Colasanti:
Serafino Aquilano, inviando alia sua dam a il ritratto che il Pin-
toricchio gli aveva eseguito, probabilmente allorche furono insieme in
Roma, alia corte di Alessandro VI, trae argomento dal quadro per lamen-
tare in quattro sonetti il fuoco della passione amorosa che lo consumava
e la crudelta di colei che, con la sua bellezza, si era impossessata non
solo della sua anirna, ma di tutta la sua persona, racchiudendo l'effigie
di lui nel breve giro delle sue dolci pupille.3)
Serafino, con una di quelle imagini in cui e l'espressione piu schietta
di tutta l'artificiosita della sua poesia, si era ri vol to al Pintoricchio, dicen-
dogli, se volesse ritrarre il suo aspetto con successo, di ricercarne il riflesso
nella persona di madonna; ma poiche non era dato a sguardo mortale di
contemplar lei senza rimanerne abbagliato, consigliava al pittore di
Pinger serrati i perigliosi sguardi
Ritrarre il resto e dir ch' era dormendo.
Lo stesso concetto ripete Francesco Maria Molza nel suo sonetto
diretto a Giulio Romano, che si apparecchiava a dipingere il ritratto della
sua bella. L'abitudine di facili amori non aveva inaridita la galanteria del
poeta modenese, ed egli si interessava meno di quello che sembrasse
del dipinto che stava per cominciare il suo amico Giulio, pur di
raccomandare a costui di dare spirito alia divina figura di madonna e
di poter soggiungere:
Ma piu tosto che '1 tuo ivi non lasce,
Giulio, tern' io, pero che in quel bel seno
Mirar senza morir Amor ne togli.
Cosi uno stesso motivo si ripete a traverso una straordinaria varieta
di forme; Ercole Strozzi trae pretesto da una statua d'Amore addor-
mentato, per celebrare le bellezze di Lucrezia Borgia, 4) e alia fonte comune
attinge Bernardo Tasso, quando, pregando Tiziano di eseguire il ritratto
per una bella donna, si preoccupa sopra tutto di enumerare e di esaltare
le grazie e le seduzioni che facevano lei unica al mondo.
Questo ciclo, a considerar bene, e assai piu largo di quello che
possa sembrare a prima vista. Gia, in molte descrizioni di pitture greche,
3) Of ere dello elegantissimo poeta Serafino Aquilano, Venezia, MDXXV1
p. 1 1 e. segg.
4) Strozii poetac pater ct Jilius, Parisiis, 1530, p. 88 e segg. II Cupido descritto
da Ercole Strozzi nei suoi epigrammi corrisponde ad un' altra statua del Dio d'Amore posse-
duta da Isabella d'Este (Lange, Der Cupido des Michelangelo in Turin, »Zeitschrift
fur bildcnde Kunst* 1883, e Venturi, II Cupido di Michelangelo, »ArcJuvio storico
dell' arte« 1888) e accese l'ira e l'invidia di Mario Equicola, il quale, indignato che si
volesse gareggiare con Isabella, si ripromise di prendesi qualche fogo e ne scrisse in-
tanto alia Marchesana di Mantova, mostrando di desiderare per amore di lei poco meno
che la palma del martirio (Luzio, / precettori d' Isabella d'Este, per nozze Renier —
Campostrini, 1877).
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Gli artisti nella pocsia del Rinascimento. loy
Pausania si era arrestato a trattare del soggetto dell' opera d'arte e
aveva fatto delle divagazioni in questo senso, guardandosi bene dall' entrare
nel merito della esecuzione pittorica, intorno alia quale la sua prosa si
aggira con sottili avvolgimenti. Mold secoli piu tardi Ausonio, il quale
scrisse numerose poesie per artisti e per le loro opere, quasi sempre
sembra anche lui curarsi poco del valore e del significato intrinseco del
lavoro del pittore o dello scultore.
La poesia diventa allora pretesto per esprimere in qualche modo un
sentimento interessato, un mezzo ingegnoso dell' adulazione e della diffa-
mazione, una variazione qualunque di un motivo ripetuto in altro tono.
L'epigramma Sub Valentiniani Iittiioris sigfto marmorco non e altro che
una lode ai meriti del Cesare rappresentato ; Ausonio celebra la pittura
di un leone ucciso per cantare la forza di Graziano, e in tre epigrammi
In Statuatn Rufi sfoga il suo malumore contro il retore Rufo, dicendo
che niente somigliava a lui piu di quel la statua sorda, muta e priva
di cervello. E come nei due epigrammi per un ritratto di Medea, eseguito
da Timomaco pittore, si crede in obbligo di fare delle divagazioni psi-
cologiche intorno all' eroina di Colco, come in un idillio scritto per un
Cupido dipinto appeso alia croce fa una lunga esposizione dei casi
d'Amore, cosi, rivolgendosi ad un pittore, il quale aveva in animo di
ritrarre la sua allieva Bissula, gli mostra le difficolta che dovra superare
l'arte sua, per riuscire a riprodurre con verita le divine bellezze della
fanciulla. 5)
La tradizione non interrotta di questa forma di adulazione nel
Rinascimento giunge fino all' Aretino.
Le stanze del Molza per il ritratto di Giulia Gonzaga eseguito da
Sebastiano del Piombo, non sono che una continua esaltazione della no-
bilissima dama,6) e un elogio di Federico Gonzaga e l'elegia di Niccold
5) Migne, Patrologiae cursus computus. Series latina, Parisiis, 1846, XIX,
825 e segg.
6) Delle stanze di diversi illustri poeti raccoltc da M. Ludovico Dolce, Venezia,
Giolito de' Ferrari, MDLXIII p. 109 — 138. Intorno a questo ritratto si e formata una
piccola letteratura (Cfr. Bruto Amante, Giulia Gonzaga contessa di Fondi e il movimento
religioso femminile nel secolo XVI. Bologna, Zanichelli, 1896, p. 137). Ma io non
posso convenire col Bruto Amante che il ritratto di Giulia Gonzaga sia quello conser-
vato nella galleria Staedel a Francoforte. A parte che l'identificazione fu stabilita in
base al criterio fallace di una somiglianza di paesaggio, resta il fatto che, gia quando il
Bruto Amante scriveva, il ritratto di Francoforte da nessuno era piu ritenuto opera di
Sebastiano del Piombo. Attribuito al Sodoma dal Morelli, (Ler.molieff, Kunstkritische
Studien uber italienische A/alerei, Die Galerien zu M'unchen und Dresden, Leipzig,
Brockhaus, 1891, 109.) con la stessa attribuzione fu pubblicato dal Frizzoni (M. Frizzoni,
Arte Italian a nel Rinascimento, Milano Dumolard, 1891, t. VII, p. 123.) riteniamo che
si debba piu tosto restituire al Parmigianino, suo vero autore.
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108 Arduino Colasanti:
D'Arco per il ritratto di quel principe.7) Ma l'Aretino riduce il motivo
ad una maniera sistematica, per gabellare l'adulazione piu grossolana e
quei complimenti che ci sembrano ridicoli nella loro esagerazione.
Dotato di un alto sentimento dell' arte, Pietro Aretino ornd le pareti
delle sue stanze con quadri, statue e bronzi; per la sua anima anelante
il piacere, il godimento estetico era un bisogno non meno vivo del ma-
teriale. Sono note le sue relazioni con Andrea Veneziano, col San-
sovino, con Sebastiano del Piombo, con Tiziano, con Michelangelo, con
Giulio Romano, col Vasari e con altri artisti famosi.8) Tutti costoro ebbero
cari i consigli dell' Aretino, il quale, quando nelle sue prose discorre di
quadri, anche dallo stile ricercato e ricco di iperboli lascia trasparire
la viva impressione che l'opera d'arte faceva in lui. Ma questi pregi
rari di conoscitore e di amatore nei sonetti si smarriscono, e la vuota,
implacabile retorica domina quei brevi componimenti, in cui la medesima
adulazione serve per il pittore e per il soggetto da lui rappresentato.
7) Nicolai Archi Comitis Numcrorum libri IV, Veronae, MDCCLXII, p. 22 — 23.
— Probabilmente il poeta accenna a qualche copia del ritratto che Tiziano esegui per
Federico Gonzaga nel 1530 e che, collocato nella Camera d'arme del palazzo del mar-
chese insieme con un quadro di Giulio Romano, con una copia di Andrea del Sarto
dal Giulio II di Raffaello e con un ritratto del marchese fanciullo, preso dallo stesso
Sanzio, (Pungileoni, Elogio storico di Raffaello Santi, Urbino, 1829 p. 182) vi rimase
fino al 1627, come si rileva da un Inventario della collezione Gonzaga (D'arco Delle arti
e degli artefci di Mantova, Mantova, 1859, II, 159). D'altra parte converra notare
che, oltre Raffaello, (Cfr. Vasari, Le Vile, ed. Sansoni, IV, 331; Campori, Notizu e
do cum en ti per la storia di Giovanni c di Raffaello Santi, in Gazette des beaux arts,
1872, p. 357 e segg. ; Gruyer, Essai sur les fresqucs de Raphael au Vatican, Paris,
1858, I, 96; Id. Raphael peintre de portraits, I, 224, 225; Ady, in The Portfolio, London,
1895, P- x8; LuRZio e Renier, Mantova e Urbino, Torino, Roux, 1893, p. 200—201,
nota; inoltre tutti i biografi di Raffaello) anche il Francia ritrasse l'effigie di Federico I
di Mantova e che intermediario fra lui e la marchesana Isabella fu Girolamo Casio de*
Medici. (Luzio e Renier, Coltura e rclasioni letterarie d' Isabella a" Este Gonzaga, in
Giorn. star, della Ictt. ital. vol. 30, p. 63; Venturi, Lorenzo Costa, in Arch, stor. dell'
arte, 1888, p. 253; Luzio, Federico Gonzaga ostaggio alia corte di Giulio II, in
Bollettino della Societa romana di Storia Patria, 1887, p. 59 — 60.) Questo ritratto
del Francia si trova ora nella collezione di A. E. Leatham in Londra e fu esposto al
Burlington Fine arts Club nel 1903 (Cfr. Langton Douglas, in Arte, 1903, p. 107 — 108;
L. M. Richter, Drci verschollcne, kurzlich wiedergefundene Meisterwcrke, in Zeit-
schrift fur bildende Kunst, Agosto 1903).
8) Cfr. Lettere dell' Aretino, Parisiis, MDCIX ; Basciiet, Documents incdits tires
des Archives de Mantoue, in Archivio storico italiano, s. Ill, v. Ill, p. II, 129 sgg.; V.
Rossi, Pasquinate di Pietro Aretino e anonime, per il conclave e I'elezione di Adriano VI,
Palermo-Torino, Clausen, 1891; Taine, Voyage en Italic, Paris, Hachette, 1876, II;
Luzio, Pietro Aretino nei suot primi anni a Venezia e la corte dei Gonzaga, Torino,
Loescher, 1888; DumeSaNIL, Histoire des plus celebres amateurs italiens, Paris, 1853;
Lettere all' Aretino, ed. Serassi.
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Gli artisti nella poesia del Rinascimento. jog
Isoliti motivi ritornano; in genere il sonetto si riduce a una descrizione
delle qualita fisiche e morali del personaggio che e servito da modello
a Tiziano; sono lamenti delle Natura che si vede superata dall' arte;
e tutto cid impaccia la feconda originalita del genio poetico dell' Aretino
e intorpidisce la sua ispirazione di critico sincere Vuol dire che nella
prosa l'Aretino si era trovato con la sua anima dinanzi alia realta ed e-
sprimeva l'impressione vergine, cosi come l'aveva sentita; nella poesia
aveva tutta una tradizione da rispettare e la tirannia del passato spinse
lui, fiero dispregiatore della servilita signoreggiante nelle lettere e del
l'artinciosita che guasta la natura, a stemperare il sentimento nelle formule
che trovd gia determinate.
Da cid deriva la poca importanza che ordinariamente hanno tutte
le poesie le quali nel primo Rinascimento furono dedicate agli artisti e
ai loro lavori. Molte volte esse non servono ne pure a rivelarci con sin-
cerity i criteri estetici dell' eta in cui furono scritte, perche mancano di
schiettezza e di originalita. La tradizione ha soffocata l'osservazione; per
ritrovare la genialita sarebbe occorso dimenticare il passato e liberarsi
dalle pastoie della scuola.
Cid non comportava la spirito dei tempi, ma, all1 infuori di questa
condizione, nessun connubio era possibile fra una poesia la quale doman-
dava ogni ispirazione all' accademia e alia pedanteria della servile
imitazione, e un' arte che nella dignita delle proprie forme si preoccu-
pava sopra tutto di tradurre un pensiero e una passione.
E pure da un accurato esame delle poesie che nei secoli decimo-
quinto e decimosesto furono dedicate ad artisti non derivano soltanto
considerazioni di critica letteraria. Per quanto poco originali, per quanto
poco sinceri, quei componimenti poetici sono pur sempre documenti contem-
poranei e lo storico dell' arte non pud trascurarli in nessun modo. I
difetti, per i quali non e permesso di servirsene senza una sana prepa-
razione critica, sono comuni a molte altre fonti poetiche di cui la storia
si serve. Determinare le cause della loro insufficienza, distinguere l'osser-
vazione personale e schietta del poeta dal materiale della tradizione, a
cui tutti piu o meno hanno attinto, vuol dire anche stabilire fino a qual
punto quelle poesie possono fornire dati positivi per la storia dell' arte
e in qual modo convenga interrogate, perche dal viluppo dei motivi comuni
e delle parole banali scaturisca qualche lagrima di vero.
Molte notizie che possediamo su gran parte delle opere d'arte del-
l'antichita le dobbiamo unicamente a letterati e specialmente ai poeti.9)
9) Overbeck, Die antiken Schriftquellen zur Gesch. der bildenden Kunstc bet
den Griechen, Leipzig, 1868.
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200 Arduino Colasanti:
Nell' antica Roma gli artisti passavano per uomini di condizione in-
feriore, dei poveri diavoli, dei Graeculi.10) Seneca diceva di non poter
mettere nel novero delle arti liberali la pittura, la scultura, le arti di lusso;
Valerio Massimo, abbassando con i suoi pregiudizi una delle piu illustri
famiglie patrizie, osava scrivere che Fabio pittore doveva il suo nome a
uno studio disonorante, ?>sordido studio«, e Marziale non era piu rispet-
toso con gli architetti, quando consigliava Lupo a fare di suo figlio
un banditore pubblico o un architetto, se il fanciullo avesse mostrata una
debole intelligenza. Ma ben diverso era il culto dell' arte nell' antichita
greca. L'opera di un artista di grido ispirava il genio degli scrittori,
sopra tutto dei poeti, e l'antologia greca, sol tan to a proposito della
famosa Vacca di Mirone, contiene non meno di trentasei epigrammi.
E se spesso la fantasia del letterato si lasciava trasportare dall' ammirazione,
come, per esempio, in Libanio, antico retore, che descrive l'Apollo di
Dafne, presso Antiochia, in atto di cantar sulla cetra nell* ora del meriggio
le lodi della terra, pure talvolta, e basta citare il de Genio Soeratis
di Plutarco, si teneva conto dell' esecuzione di un' opera d'arte con veri
criteri critici, e sovente si avevano preziose descrizioni, in cui lo scrittore
si spogliava della sua personality, per guardare oggettivamente e ripro-
durre con la parola cid che Tarte aveva creato con i suoi mezzi.
Assai piu tardi, tra la fine del sec. XIII e il principio del XIV,
uno strano poeta imperiale di Costantinopoli, Manuel Philes, descrisse
numerose opere d'arte nei suoi epigrammi, che sono di una grandissima
importanza nello studio della iconografia bizantina.11)
Questa obiettivita noi ritroviamo nei sonetti di Gian Paolo Lomazzo,
i quali abbondano di particolari che a volte son preziosi elementi per
ricostruire le vicende della vita di taluni artisti e quelle delle loro opere.
Descrivendo, per esempio, la tavola dei Magi dipinta da Cesare daSesto,12)
egli non solo ci fa sapere che quell' opera fu eseguita per le suore
di Messina, ma forse ci permette anche di identificare il dipinto con
quello che attualmente si conserva nel Museo di Napoli.
Lo studio delle opere di Gaudenzio Ferrari ci persuade che il Lomazzo
non ando lungi dal vero, allorche not6 fra le caratteristiche di quel pittore
la fine e divota spiritualita delle sue figure ;x3) e quando il medesimo
,0) F. Mallay, Etudes sur I'antiquitc, p. 161.
") Sontag, Untcrhaliungen fur Freunde der alten Liter aturt p. ioo — 119.
Manuelis Philac Carmitia> Parisiis, MDCCCLV — LVII.
™) Gio. Paolo Lomazzo, Rime, Milano, P. G. Pontio, 1587, p. 99.
»3) Id. op. cit. p. 95. II Lomazzo ebbe una particolare predilezione per Gau-
denzio Ferrari che colloco sopra al Correggio e annovero fra i sette pittori meravigliosi
della terra. Cio sembra dar credito alia tradizione che vuole il Lomazzo figlio di una
sorella del Ferrari.
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Gli artisti nella poesia del Rinascimento. 201
poeta ci mostra Polidoro da Caravaggio intento a disegnare scene di
sacrifici, battaglie e trionfi con chiaroscuro, x4) noi vediamo veramente
quell' artista intento a ricopiare antichi bassorilievi, come fu suo costume
e a studiare con Tamico Maturino da Firenze gli effetti del cosl detto
sgraffiato.l5) Un altro sonetto del Lomazzo per il Lanino, nel quale si
descrive il ritratto del marchese di Pescara16), ci fornisce i dati di fatto
per riconoscere, all' occorrenza, un dipinto smarrito e alio stesso tempo ci
fa sapere che anche Bernardino Campi, ricordato col solo cognome in
una poesia di Luca Contile,1?) ritrasse Tefngie dell' illustre Francesco
Ferrante.
Ma questo del Lomazzo, che agli artisti dedic6 la maggior parte
delle sue poesie, appare a dir vero un esempio isolato ne il poeta fece
scuola. Pittore egli stesso, vedeva e giudicava le opere d'arte con
occhio esperto e sicuro, e questa e la principale ragione che rende le
sue poesie cosi serenamente oggettive. Come — per esempio — si
potrebbe pensare ad un progresso della critica d'arte — chiamiamola
cosi — poetica, quando contemporaneamente al Lomazzo mille altri
cantano degli artisti e delle loro opere senza mostrarcene, in un baleno,
la visione, e quando si pensa che Torquato Tasso nel 1582, dedicando
tre sonetti a un ritratto di Marfisa d'Este eseguito dal Nuti, non sa
fare altro che sfoderare tutto il solito materiale dell' erudizione e del-
l'accademia?18)
Ai versi del Lomazzo si possono in qualche modo ravvicinare quelli
di Girolamo Casio de' Medici. Arricchito nel commercio delle gioie,
quando voile sacrificare alle Muse col suo pessimo e gonfio stile, il
Casio sembrd portare nella poesia quel buon senso e quel senno pratico
che avevano propiziato il suo commercio e a cui il nuovo vate doveva
una fortuna invidiabile. Sgrammaticato e tronfio, egli tratta il verso con
pretensioni dottorali, ma pur tuttavia butta giu a casaccio notizie e giu-
dizi che, tra le vacuita e gli strafalcioni della sua forma strampalata,
conservano spesso un fondo prezioso di osservazione. Solo a lui dobbia-
mo in fatti la notizia di un busto eseguito da Alfonso Mantovanox9)
h) Gio. Paolo Lomazzo, op. cit. 94. »5) Ibid. p. 114. «*) Ibid. p. 116.
*7) Rime degli Accademici Affidati di Pavia, Pavia Girolamo Bartoli, MDXLV,
p. 232. Tanto il sonetto del Lomazzo, quanto quello del Contile sono sfuggiti ai biografi
della famiglia dei pittori Campi e al D'Arco {Delle arti e degli artefici di Mantova,
Mantova, G. Agazzi, 1857).
l8) Gtornale storico della letteratura italiana, XX, p. 413.
»9) Libra intitolaio Cronica, ove si tratta di Epitaphii di Amore e di Virtute.
Composto per il magnifico Hieronimo Casio De Medici; MDXXV, 61—62. Non e
indicato il luogo di stampa, ma probabilmente il libro fu pubblicato in Roma, ove nel
1525 il Casio si era condotto.
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202 Arduino Colasanti:
per Camilla, figliadiGiampietro Gonzaga, e, nella oscurita in cui sono awolte
la vita e la produzione dello scultore20) — di cui era ricordata soltanto
la statua eseguita per Pietro Pomponazzi 21) — le parole del Casio non sono
poca cosa. Legato in amicizia con molti potenti del suo tempo, l'an-
tico gioielliere si adatta anche a interporre la sua mediazione presso gli
artisti,22) e cosi in questi affari, come nei giudizi espressi nei suoi
versi, l'istinto di amatore non l'inganna quasi maL II Francia, Raffaello,
Leonardo da Vinci, Gian Cristoforo Romano, il Mosca orafo, Ombrone
da Fossombrone, Bramante, il Boltraffio e molti altri artisti, insieme con
qualche ignoto gioielliere, pagano il loro tributo alia ispirazione del poeta;
il quale, parlando del Crevalcore, 23) se pure non e stato sedotto da un
motivo che trae la sua origine da un aneddoto dalla tradizione riferito
a Zeusi, ci dipinge la maniera del pittore, noto a noi per un opera
sola, con parole quasi simili a quelle usate dall' Achillini.2*)
Ma non sono soltanto le poesie in cui piu schietto apparisce il
giudizio dell' autore quelle che possono fornire elementi preziosi alio
storico dell' arte. Adogni poeta il quale parli di artisti awiene, anche in volon-
tariamente, di ricordare particolari biografici e opere che, o ci erano ignote del
tutto, o pure, gia conosciute per vie diverse, ricevono un maggiore chiari-
mento dalla nuova testimonianza. Lo scultore Cristoforo Geremia ci e
noto piu per i versi che dedicd a lui Felice Feliciano25) antiquario
»°) Secondo il Necrologio di Mantova sarebbe morto addi 17 aprik 1599 »de
febrc*.
ai) Cfr. Codde, Mctnoric biografiche, Mantova, 1831; D'Arco, Delle arti e degli
artefici di Mantova, Mantova, 185 1, I, 85 — 86.
»») Delia sue relazioni con i Gonzaga parlano il Fantuzzi, (Scrittori bolognesi
III, 159) e il Lancetti (Poeti Laureati, p. 394). Dell'amicizia con Isabella d'Este,
Luzio e Renier, (Coltura e relazionc letter arie d' Isabella d'Este Gonzaga, in Giorn. stor.
della lett. Hal. v. 38, 56 e segg.). Per il meccnatismo del Casio cfr.: G. Giordani,
Delia venuta e dim or a in Bologna di ClcmenleYll, Bologna 1842, p. 52; Luzio-Renier,
art. cit. ; Venturi, Lorenzo Costa, in Archivio stor. dell'arte, 1888, p. 141; Id., Gian
Cristoforo romano, ibid., p. 118; Id., Quadri di Lorenzo di Credi ecc, ibid. p. 278;
Yriarte, Isabella d'Este et les artistes de son temps, in Gazette des beaux arts, Serie III,
vol. XIII, p. 27; G. Geremia, Sulla vita e sulle opere di Girolamo Casio, Palermo,
Montaina, 1902, a cui e ignota gran parte della bibliografia citata.
*3) Non solo gli dedico un epigramma, ma in una lettera a Isabella d'Este Gonzaga
descrisse un quadro »pieno de fructi facto per Antonio da Crevalcore tra nui in questo
exercitio singularissimoc Archivio storico dell' arte, 1888, p. 287.
*4) Dice in fatti costui nei Viridario
Nei trar dal ver si vale il Crevalcore
Che qual Zeusi gli ocei gabba coi frutti.
»5) Spinelli, Versi del 400 e del 600 attinenti a pittori od a cose a* arte tratti
da mss. Estensi, Per nozze Mazzioli-Veneri, Carpi, 1892, p. 8.
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Gli artisti nella poesia del Rinascimento. 203
Veronese *&) che per le sue opere ; e di Ombrone da Fossombrone, pittore
dozzinale, il quale ai suoi tempi dovette la celebrita piu all' umore
stravagante e alia originalita del carattere che ai suoi meriti artistici,
gli storici non sapevano nulla, fino a che la scoperta di alcune rime
dello Squarzdla non permise di ricostruire alia meglio la sua bislacca
personalita.27) Con gli otto sonetti del poeta veneziano, con l'epitafno
di Girolamo Casio18), con gli epitaffi di Panfilo Sasso*9) e di un anonimo
del codice marciano latino XII, 210 (a c 407) non solo si pud seguire
rielle sue peregrinazioni attra verso 1' Italia l'artista, cacciato da una parte
per i suoi debiti, dall' altra per l'immoralita criminale delle sue azioni,
ma e dato anche di farsi una giusta idea del suo valore e del nome
che, dopo morto, dovette lasciare di se nei luoghi per i quali era passato.
II canzoniere dello Squarzdla, che cita spesso i nomi di pittori a
noi assolutamente sconosciuti, e per la storia dell' arte importante sopra
tutto la dove illustra qualche awenimento della vita di Gentile Bellini 3°),
che ci apparisce perseguitato dalla mortale inimicizia dell' auto re 3*), e
dove mostra che Vittorio Carpaccio, per commissione di Alvise Contarini,
ritrasse in caricatura Teffigie del poeta.
Ma di due altri ritratti si accresce la serie della opere del Carpaccio,
median te un sonetto di Girolama Corsi Ramos 3a) e uno strambotto adespoto
•*) Felice Feliciano si fece chiamar sempre Veronese, e Veronese e detto nella
didascalia del sonetto citato ; pure il Muratori {Novum thesaurum veterum inscriptionum,
Mediolani, 1739 — 42, praef.) dubito che Verona fosse la sua patria, avvertendo che in
una copia della raccolta d'iscrizioni, fatta dal Ferrarini, reggiano, nel sec. XV, l'autore
chiama suo concittadino il Feliciano. II Tiraboschi (Biblioteca Modenese, Modena, 1782,
II, p. 261 — 62) fece esaminare l'autografo del Ferrarini e non vi trovo nessuna menzione
di Feliciano, percio continuo a chiamarlo Veronese, supponendo che il Muratori fosse
rimasto vittima di un equivoco.
*7) V. Rossi, // Canzoniere incdito di Andrea Michieli detto Squarzola 0 Strazzbla
in Giorn. stor. della lelt, ital. XXVI, p. 51.
**) Op. cit. p. 46. Dall' epitaffio del Casio si rileva che, quando nel 1506 Giulio II
apparve sotto le mure di Bologna, Ombrone da Fossombrone se la svigno a Milano e
ivi raori. Ma, gia prima di recarsi a Bologna, il pittore era stato a Milano presso il
Moro, occupato non tanto nelT arte sua, se dobbiamo credere alio Squarzola, quanto in
piu umili e disonorevoli servigi. (Cfr. il sonetto inedito del cod, est, VIII, D. C. nel
catalogo degli It. n. CCCLXXXIV, a c. 184, dove il poeta dice, rivolgendosi a Ombrone:
tua figlia e scritta a* capi de' sestieri. Ai quali ufficiali era, fin dal sec. XIV, affidata
la sorveglianza del meretricio.)
♦9) Pamphili Saxi poetae Lepidissimi, Brescia, Mirinta, 1499.
30) V. Rossi, art. cit. p. 47, 48.
3«) Che il rancore dello Squarzola contro Gentile Bellini traesse origine da qualche
satira dell' artista si puo argomentare dagli avvertimenti che Andrea credette di dover dare
a Vittorio Carpaccio, quando Alvise Contarini commise a questo pittore un ritratto del poeta.
3a) Giornale storico della lett. it. vol. XV.
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204
Arduino Colasanti:
e anepigrafo, il quale ricorda un ritratto di Antonio Vinciguerra eseguito
dal grande pittore veneziano. 33) Dove ora si trovino questi ritratti non ci
e dato di sapere, come non ci e nota la sorte della caricatura dello
Squarzdla, ma non e inutile aver rintracciata una fonte di studio, di cui
un giorno potra valersi qualche fortunato scopritore.
L/importanza della Cronaca rimata di Giovanni Santi34) per la storia
dell' arte fu gia dimostrata.35) Non meno notevole e il Viridario di
Giovanni Filotteo Achillini, in cui e fatta una rassegna delle bellezze di
Bologna e degli uomini illustri che vi avevano sortiti i natali. Fra questi
il Francia e indicato non solo nella sua qualita di pittore e di orafo,
ma anche come scultore, Ercole Grandi vi e citato ben distinto da Ercole
Roberti, di Guido Aspertini si ricordano il ritratto di Galeazzo II
Bentivoglio e altre opere. A proposito di questo ritratto, di cui non si ha
nessuna notizia, come nulla si sa degli altri lavori di Guido Aspertini,
possiamo affermare per merito dell' Achillini che esso non perl in quella
sommossa del 1507 in cui, insieme col palazzo Bentivoglio, andarono
distrutte moltissime opere d'arte; poiche l'Achillini, correggendo di sua
mano un esemplare del Viridario datato 15 13 e introducendo numerose
e profonde varianti nel testo, forse per preparare una nuova edizione
del suo poema, non si curd di modificare il passo ove l'opera di Guido
e ricordata come tuttora esistente36)
Di non piccolo momento sono le poesie di Pietro Aretino per la
vita di molti artisti e specialmente di Tiziano. In mezzo alle frasi so-
nanti e alle digressioni prolisse sono notizie a volte importantissime, che
non ci sarebbe dato di conoscere in altro modo; in esse si conserva spesso
il ricordo di opere oggi smarrite, e, all' infuori del materiale di cui gia
si sono serviti gli storici dell' arte, converra ricordare un sonetto del
1543,37) che ci permette di aggiungere alle opere del Vecellio un ritratto
di Isabella Massola, eseguito in quell' anno o in quello antecedente, e
si dovra anche notare che i versi in cui 1'Aretino descrive il proprio ri-
tratto permisero al Luzio di mettere per lo meno in dubbio una identi-
33) A. Colasanti. Due strambotti incditi per Antonio Vinciguerra e un ignoto
ritratto di Vet tor Carpaccio (Repertorium fur Kunshvisscnschaft, XXVI, 1903,
p. 198;.
34) Holtzinger, Fedcrtgo di Montefeltro duca di Urbino, Cronaca di G. Santi,
Stuttgart, 1893.
35) Gave, Carteggio inedito d artisti, Firenze, Molini, 1839, I, 348 51; Passavant,
Rafael von Urbino und sein later G. Santi, Leipzig, Brockhaus, I; Dennistoun, Memoirs
of the Dukes of Urbino, London, 1851, II, 456 e segg.
3f>) G. F. Achillini, // Viridario, Bologna, Hieronymo di Plato Bolognesc, MDXIH*
L'esemplare annotato si conserva nella Biblioteca Universitaria di Bologna (XVII-O, VI, 21.)
37) P. Aretino, Latere, Parisiis, MDCIX, III, 25.
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Gli artisti nella poesia del Rinascimento. 205
ficazione data per sicura dal Crowe e dal Cavalcaselle. 38) I sonetti di messer
Pietro e di altri rimatori hanno altrettanta importanza per la cronologia
della vita di Tiziano. Come spiegare in fatti che, mentre tutti gli storici
dell' arte al primo ritratto di Filippo II assegnano la data del 1550 e forse
del 155 1, di quel dipinto si parla in vece in una poesia del 1548
e con termini cosl chiari da non lasciar dubbio che il poeta abbia
conosciuto almeno uno studio o un abbozzo del ritratto stesso? E quando
fu compiuto e dove e andato a finire il ritratto del Pontano, che,
ignoto al Crowe e al Cavalcaselle, e ricordato in un' elegia e in alcuni
epigrammi del conte Niccol6 d'Arco?39) Chi mai aveva avuto notizia di
un ritratto di Cosimo Gerio vescovo di Fano, eseguito dal Vecellio e ram-
men tato unicamente in un sonetto di Antonio Beccadelli da me pubblicato?4°)
Ecco, per esempio, alcune quistioni alle quali, se pure non ci e
dato di poter ora rispondere esaurientemente, non potra sottrarsi chi per
l'awenire voglia dire su Tiziano la parola definitiva.
Anche alle opere del Vasari conviene ora aggiungere un ritratto
della Barozza che, non citato dall1 autore nell' autobiografia, ci e descritto
in un sonetto dell' Aretino,*1) e che fu eseguito verosimilmente nell' anno
1542, allorche, chiamato dalla Compagnia della Calza, il pittore si reed
a Venezia per decorare gli scenarii della Talanta e in quella citta lavord
per molti nobili signori che gli affidarono numerose commissioni.
Un epitaffio del Casio su Bramantino, in cui si dice che il pittore
lavord in Milano sua patria fino alia morte di Ludovico il Moro, ci per-
suade a poire tra il 1508 e il 1509 la data del viaggio dell' artista
a Roma.
Abbiamo gia accennato alia scarsezza di notizie su Guido Aspertini,
di cui il Vasari scrisse che »esegui ragionevoli opere «. Tanto piu ai versi
gia noti di Giovanni Filotteo Achillini non si pu6 fare a meno di ravvicinare
quelli meno conosciuti del portoghese Enrico Caiado,*2) del Guidalotti 43)
3*) Crowe e Cavalcaselle, Tiziano, la sua vita e i suoi tempi, Firenze, 1877,
I, 284; A. Luzio, Pietro Aretino nei suoi primi anni a Venezia e la corte dei Gonzaga,
Torino, 1888, Doc. V.
39) Nicholai Archi Comitis, Numcrorum ecc. ed. cit p. 54 — 57.
4°) A. Colasanti, Sonetti inediti per Tiziano e per Michelangelo ', in Nuova
Antologia, marzo 1 903, p. 279.
4») P. Aretino, Letter e, ed. cit. II, 305.
4») Malvasia, Felsina pittrice Bologna, 1678, I, 146.
43) II Guidalotti in un sonetto rammenta la morte di Guido Aspertini, ma egli,
alia sua volta, era gia morto nel 1505, come apparisce da uno dei Rotuli editi da
U. Dallari, in cui il nome del Guidalotti, annoverato fra i docenti dello studio bolognese
per il 1505 — 1506, in seguito al decesso del poeta fu cancellato e sostituito con quello
di Gaspare d'Argile. Del resto gik il Fantuzzi aveva scritto che il Guidalotti mori
giovane il 17 agosto 1505, (l'opinione del Fantuzzi era stata a buon diritto accettata
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206 Arduino Colasanti:
e di Urceo Codro. 44) Costui nella sua dimora in Bologna fu amico
di molti artisti e specialmente del Francia, il quale, per commissione
del Bentivoglio, ne ritrasse l'effigie. A dir vero, di questo ritratto ci
danno qualche notizia il Bianchini,45) lo stesso Codro in una lettera
diretta a G. B. Palmieri il 15 aprile del 1498 *6) e Filippo Beroaldo il
Giovane nell' Epistola con cui dedic6 al Protonotario Bentivoglio Tedizione
delle opere del maestro di Copernico. 47) Ma io penso che non sara forse
inutile aggiungere a queste testimonianze i versi che Virgilio Porto 4*) e
il Codro scrissero su l'argomento, tanto piu che finora essi, insieme col
ritratto di cui fanno parola, sono sfuggiti ai biografi del Francia.
Non sempre e possibile trovare una soluzione alle quistioni che, nel*
l'esame del materiale poetico, sorgono ad ogni passo. Francesco Maria
Molza dirige un sonetto a Giulio Romano che si apparecchia a dipingere
un ritratto della sua amante,49) ma noi non sappiamo ne pure se quel-
l'opera ebbe mai compimento. II Flaminio5°) dedica un epigramma a un
ritratto di Reginaldo Polo, e si pud bene affermare che il cardinale inglese
non era uomo da affidare le sue commissioni a qualche pittore dozzinale;
ma del dipinto ricordato dal celebre umanista chi oggi potrebbe dir
nulla? Ecco nuovi problemi che la critica presto o tardi potra risolvere,
e basta averli accennati per intendere quanto la storia dell' arte possa
giovarsi di un genere di fonti finora ricercato da pochissimi.
La poesia non e solo un' espressione geniale della fantasia e del
sentimento, ma rientra nell' ordine complesso dei fenomeni sociali,e poiche
si giova degli elementi piu varii, poiche trae ispirazione da tutte le forme
nelle quali la vita si rivela, anche quando appare meno spontanea e
piu stretta dalle pastoie della tradizione, non pud sottrarsi agli in-
da Luzio e Ren IE r, La coltura e le relazioni letterarie di Isabella d'Esle Gonzaga, in
Giorn. stor. della lett. it. XXXVIII, p. 47) e di cio in parte ci porge testimonianza Costanza
da Fano, nei suoi Colcctanea, stampati nel 1508, dove il Guidalotti e ricordato come
morto in giovanile eta. Possiamo star certi a questo modo che Guido Aspertini usci
di vita prima dell' ottobre 1505 e che ben si appose il Venturi {Lorenzo Costa,
in Archivio storico dell' arte, 1888, p. 241) quando, da altri argomenti, trasse la con-
vinzione che egli non poteva aver dipinto nel 1 506 col fratello Amico nell* oratorio di
S. Cecilia in Bologna.
44) Urcei Codri Opera, Parisiis, Jehan Petit, 1515, fo. CLI1I.
45) Bianchini, Codri Vita, p. 6.
46) Dal contesto della lettera apparisce che il ritratto fu eseguito sul principio
di quell' anno.
47) Nell* edizione di Basilea. In fine del volume.
4*) V. Porto, Opera, p. 429. L'epigr. e riportato dal Malagola {Vito di U. Codro,
Bologna, 1878, p. 197).
49) Rime diverse, Vinegia, appresso Gabriel Giolito De Ferrari, p. 113.
5°) Carmina quinque illustrium poetarum, Venetiis, MDLVI1I, p. no.
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Gli artisti nella poesia del Rinascimento. 207
flussi del tempo e delle idee che la fecondano. Potra essere piu o meno
bella, piu o meno originate, ma conservera sempre dentro di se, ad ogni
modo, qualche memoria degli awenimenti e degli uomini, in mezzo ai
quali ha germogliato. Lo storico ricerca questi elementi sparsi, questi
brevi accenni che pur talvolta dicono molto, li ravvicina ad altri ricordi
e cosl vede disegnarsi lentamente, ma in modo sicuro, la successione dei
fatti nel tempo.
Nelle raccolte di Rime del quattrocento e del cinquecento, nelle
biblioteche, negli archivi pubblici e privati esiste una grande quantita di
questo materiale, magari gia interrogato per altri scopi, ma ignoto, in
gran parte, alle ricerche degli storici dell'arte. Occorre trar fuori questo
tesoro nascosto, radunare le memorie spesso informi, coordinarle, confron-
tarle fra loro, determinare fino a qual punto sono credibili, e, finalmente,
collocarle vicino alle altre molteplici fonti di studio, le quali ci sono
fornite dalla tradizione, dagli atti e dalle scritture.
Solo allora ci sara possibile intendere tutto il valore e il significato
vero di certe notizie che altrimenti sembrerebbero inconcludenti e, con
tutta la loro retorica stantia, appariranno degne di minute indagini anche
le poesie dedicate agli artisti e alle loro opere.
Perche di tutto deve giovarsi la storia, che negli umili documenti, come
nei grandi, ricerca un atomo di vero e sente agitare il palpi to della vita.
Saggio di bibliografia delle fonti poetiche per la storia
dell'arte italiana.*)
Alfonso Mantovano. Epitaffio di Girolamo Casio: »Del Pomponazzo
Mantouan Peretto«
In: Girolamo Casio dey Medici, Libro intitulato Cronica, oue si
tratta di Epitaphii di Amore e di Virtute, MDXX, p. 617.
Allori Alessandro. Sonetto di Benedetto Varchi: »Caro Alessandro
mio, ch'al primo fiore«
In: Sonetti di M. Benedetto Varchi, Fiorenza, Torrentino, MDLV, I, p. 1 22.
Andrea Veneziano. Tre pasquinate attribuite a Pietro Aretino: a) » Monte
mena in conclave el suo Pasquino« b) »C....! i poeti
•) Per la maggiore intelligenza del presente Saggio Bibliografico converra
tenere presente che il nome stampato in grassetto e quello dell' artista; seguono l'indica-
zione della poesia col nome dell' autore in corsivo, la didascalia e il primo verso. Da
ultimo Tindicazione della pubblicazione da cui la poesia fu tratta.
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208 Arduino Colasanti:
han tratto terno e sino« c) »Or che Cornaroun gaudio ha
nunziato*
In: V, Rossi, Pasquinate di Pietro Aretino ed anomine per il
conclave e l'elezione di Adriano VI, Palermo-Torino, Clausen,
1891, p. 20, 21, 22, 43, 44.
Angelo Orafo. Epigramma di Girolamo Casio: »Musico per ragion,
uoce e instromento«
In: Girolamo Casio de* Medici, Libro intitulato Cronica ecc, p. 47 r.
Aspertini Guido. Epigramma di Enrico Caiado: »Prisca suos laudet,
laudet pictura magistros«
In: Malvasia, Felsina pittrice. Vite de' pittori bolognesi, Bologna,
1678, I, p. 146.
— Epigramma di Urcco Codro »Pro effigie Galeatii Bentiuoli« : »Bentiuola
ex Gente princeps Galeatius hie est«
In: Urcei Codri Opera, Parisiis, Petit, 15 15, f. CLIII
— Sonetto di Diomede Guidalotti: »Meritamente si dolea di morte«.
In: Malvasia, op. cit. I, p. 146.
Bandinelli Baccio. Sonetto di Benvenuto Cellini: »Cavalier se voi fussi
anche poeta«
In: Panzacchi, II libro degli artisti, Milano, Cogliati, 1902, p. 274.
Bazzi Antonio. Epigramma del Morani: »Nunc mihi pulchra venus
tenui dat vescier aura«
In: C. Faccio, G. Antonio Bazzi, Vercelli, Gallardi e Ugo, 1902, p. 199.
— Ottave di Filolauro di Cave: »Se '1 Sodom a, se '1 Ricio e Mat-
theo Tosto«
In: Filolauro di Cave, Dialogo Amoroso, Siena, 1533.
Bacchiacca Francesco. Sonetto di Benedetto Varchi: » Antonio, i tanti
e cosi bei lavori«
In: Sonetti di M. Benedetto Varchi, ed. cit. I, p. 124.
Bellini Jacopo. Due Sonetti del poeta Ulisse: a) »Quanto che gloriar
te puoy bellino«. b) »Quando il Pisan fra le famose im-
prese«
In: Venturi, Jacopo Bellini, Pisanello und Mantegna in den
Sonetten des Dichters Ulisse (Kunstfreund, I, 19).
— Sonetto di Gioz>anni Testa Cillctiio: »Io sard sempre amico a
dipinctori«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico del secolo XV (Arte e storia,
febbraio 1897, p. 27).
Bellini Gentile. Sonetto di Andrea Squarzbla: »Da tutti son la gigantea
chiamata«
In: V* Rossi, Canzoniere inedito di Andrea Michieli detto
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Saggio di bibliografia delle fonti poetiche etc. 209
Squarz61a o Strazz61a (Giornale storico della letteratura italiana,
XXVI, 1 e segg.).
— Epigramma di Raffacllo Lorenzini »Gentili Bellino pictori«: »Gen-
tilem Venetum Bellini sanguine magni«
In: Carmina illustrium poetarum italorum, Florentiae,
MDCCXXVI, vol. XI, 468.
— Sonetto di Giovanni Testa Cillenio: »Io sar6 sempre amico a* di-
pinctori«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico ecc luog. cit.
Bellini Giovanni. Epigramma di Raffacllo Lorenzini »Johanni Bello
Bellino pictori clarissimo«: »Qui facis ora suis spirantia, Belle,
tabellis«
In: Carmina illustrium poetarum italorum ed. cit XI, 469.
— Sonetto di Giovanni Testa Cillenio: »Io sar6 sempre amico a di-
pinctori«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico, ecc. luog. cit.
— Due sonetti di Pietro Bembo: a) » O imagine mia celeste e
pura«; b) »Son questi quei begli occhi; in cui mirando«
In: M. Pietro Bembo, Rime, Vinegia, Gabriel Giolito De' Ferrari,
MDLXIIII, p. 2i, 22.
Betti Bernardino detto Pintoricchio. Quattro sonetti di Serqfino Aqui-
lano: a) »Unico Bcrnardin lopra e syncera<v b) O ritratto dal
ver tu sei pur diuo v c) »Se lopra tua di me non ha gia
molto« d) »Mando el ritracto mio qual brami ognhora«
In: Opere dello elegantissimo poeta Serqfino Aqnilano, Vinegia,
Melchiorre Sessa, MDXXVI, sonetti n. 24, 25, 26, 27, p. n e segg.
Boldu Giovanni. Sonetto di Giovanni Testa Cillenio: »Io sard sempre
amico a' dipinctori«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico, ecc. luog. cit.
Boltraffio G. Antonio. E p i t a f f i o d i Girolamo Casio : »L'unico elieuo
del Vinci Leonardo«
In: Girolamo Casio de' Medici, Libro intitulatoCronica ecc. p. 46.
Bramante Donato. Sonetto di Baldassarre Taccone » contra Bramantem«:
»Bramante come can dreto me latra«
In: Biblioteca Vittorio Em. Roma, Cod. Sessor, 2077, c. 74 v.
— Epigramma adespoto: »Bramante giace qui in questo fosso«
In: Biblioteca Nazionale di Firenze, Cod. Magi. VII, Var. Poes. 9, 720,
c. 298 v.
Per i sonetti di Gaspare Visconti cfr. Luca Beltrami, Bramante poeta^
Milano, Colombo e Cordani, 1884.
Bronzino Angelo. Due Sonetti di Benedetto Varchi\ a) »Non pensare,
Rcpcrtoriura fiir Kunstwissen*chaft, XXVII. I c
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2io Arduino Colasanti :
Bronzin, che duol m' apporte« b) »Ben potete, Bronzin, col
vago altero«
In: Sonetti di M. Benedetto Varchi, ed. cit., I, p. 62, 122.
— Capitolo dello stesso: »S'io dovessi, Bronzin, perdere un occhio«
In: II priino libro delle opere burlesche del Berni, del Casa, del Varchi
ecc. Usecht, Broedelet, 1 77 1, p. 170.
Buonarroti Michelangelo. Elegia di Battista Spagnnoli »De Cupidine
marmoreo dormiente, Silvula ad Elisabellam Mantuae Marchionis-
sam«: »Progenies Veneris tanta puer inclyte fama«
In: J. Baptistae Mantuani Carmelitae, Opera omnia, Antuerpiae,
apud J. Bellerum, 1576, I, 374.
— Epigramma di Niccolb d* Area »De Cupidine dormiente, apud Illustriss.
Isabellam M. Mantuae«: »Te puerum vexare cave, Cytherea,
protervum«
In: Nicolai Archi cotnitis, Numerorum libri IV, Veronae, MDCCLXI1,
P- 159-
— Sonetto di Benedetto Varchi*. »Ben vi devea bastar chiaro
sculptore«
In: Sonetti di M. Betiedetto Varchiy ed. cit. I, p. 92.
— Sonetto di F. M. Molza: »Angiol terren, che Policleto e Apelle*
In: Poesie di Francesco Maria Aloha, Milano, 1808, p. 189.
— Epigramma d\ Evangelista Magdaleno Capodiferro »DeMichaeleBonaroto
Ethruscosculptore« : »Praxitelem vivos duxisse e marmore vultus^
In: Janitschek, Ein Hofpoet Leo's X. tiber Kunstler und Kunst-
werke (Repertorium f. Kunstwissenschaft, 1880 p. 57).
— Due epigrammi di G. B. Strozzi il vecchio: a) »La Notte che tu
vedi in si dolci atti«, b) »Bellezza ed onestate<^
In: E. Panzacchi, II libro degli artisti, Milano, Cogliati, 1902,
p. 221, 222.
— Sonetto di Giovanni delta Casa: »Nuovo fattor di cose eterne
e magne«
In: M. Buonarroti, Rime e prose, Milano, Silvestri, 182 1, p. 89.
— Sonetto di Angelo di Costanzo: »Angel che ogni altro ingegno
avanzi e passi«
Ibid. p. 90.
— Sonetto di Francesco Bini: »Angiol terrestre, il cui divino
ingegno«
Ibid. p. 90.
— Sonetto di Bernardino Rota: »Ch'io sia Rota qual voi, cortese
amore«
Ibid. p. 92.
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Saggio di bibliografia delle fonti poetiche etc. 2 11
— Sonettodi Gandolfo Porrino : »Buonarroti sovran, che uomini e dei«
In: Die Gedichte des Michelangelo Buonarroti iibersetzt und
biographisch geordnet von Walter Robert- tornow, Berlin, 1896, p. 78.
— Tre sonetti di Benvemito Cellini: a) »Tra l'alte moli e sacri
templi udia«, b) »Solo una fronda della tua corona«, c) »Ogni
uom dice per certo ch'io ho torto«
In: Benvenuto Cellini, I trattati dell' oreficeria e della scultura,
Firenze, Le Monnier, 1857, p. 328, 358, 374.
— Madrigale dello stesso: »Lector benigno '1 Boschereccio scriue«
Ibid. p. 395.
— Due sonetti di Ludovico Beccadelli, a) »Tentar con pennadi spiegare
in carte« b) »Teco in terra dal cielo, angelo puro«
In: A. Colasanti, Sonetti inediti per Tiziano e Michelangelo
(Nuova Antologia, marzo, 1903).
— Due sonetti dello Stesso: a) »Con passo infermo e bianca falda
al volto«, b) »Se quando l'alpi e la tedesca neve«
In: Die Gedichte des Michelangelo Buonarroti, iibersetzt und bio-
graphisch geordnet von Walter Robert- tornow, Berlin, 1896, p. 188, 190.
Cam pi Bernardino. Sonetto di Luca Contile: <; Quando del valoroso
aspetto attero«
In: Rime degli Accademici Affidati di Pavia, Pavia, Bartoli, MDXLV
p. 232.
Caradosso. Sonetto di Bernardo Bellincioni: »Si ben non lega al ramo
la Natural
In: Scelta di Curiosita letterarie inedite o rare, dal secolo XIII
al XVII. Le Rime di Bernardo Bellincioni, Bologna, Romagnoli,
1876, p. 106.
Carpaccio Vittorio. Due sonetti di Andrea Squarzbla: a) »Dovendomi,
ritrar, Vettor Scarpazzo« b) »Due man depinte in foglio
di papiro«
In: V. Rossi, II canzoniere inedito di Andrea Michieli detto
Squarzdla ecc, luog. cit. p. 50 — 51.
— Strambotto adespoto anepigrafo: » Victor mio caro di tal nome
degno«
In: A. Colasanti, Due strambotti inediti per Antonio Vinciguerra
e un ignoto ritratto di Vettor Carpaccio (Repertorium ftir
Kunstwissenschaft, XXVI, p. 198).
Carrucci Jacopo. Sonetto di Befiedetto Varchi: »Mentre io con penna
oscura, e basso inchiostro«
In: Sonetti di M. Benedetto Varchi, ed. cit., I, p. 248.
Cavalli G. Marco. Epigramma di Battista Spagnnoli »Ad Marcum Cabal -
15*
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212 Arduino Colasanti :
lum nobilem fictorem«: »Ipse nee est fictus, vivit Franciscus
in auro«
In: J. B. Mantuani Carmelitae, Opera Omnia, ed. cit. Ill, p. 316.
Cellini Benvenuto. Sonetto di Paolo del Rosso: »Mirando in croce
affisso il Redentore«
In: Due Trattati, uno intorno alle otto principali arti del
l'oreficeria, l'altro in materia dell' arte della scultura, com-
pos ti da M. Benvenuto Cellini, Firenze, Panizzii e Peri, MDLXVIII,
appendice.
— Otto epigrammi anonimi: a) » Litis quidquid erat peritiores*
b) »Quod stupeant homines viso occisore Medusae^
c) Phidiaca, Celline, -manu spirare metalla« d) »Natura
artis erat; sed postquam Pefsea fudit« e) »Nunc natura
parens spectabat Persea et una« f) »Hoc quodcumque
vides, Persei memorabile signum« g) »Discedens olim su-
peris Cellinus ab astris« h) Aspicis ut torvo miratur lu-
mine Perseum«
Ibid, appendice.
— Sonetto di Benedetto Varchi: »Valor, del gran Cellin l'alta opra
visto.«
Ibid, appendice.
— Altro sonetto dello Stesso: »Sacrosanto Signor, chi ben pon
mente«
In: Sonet ti di M. Benedetto Varchi ', ed. cit. p. 123.
— Sonetto di Michelangelo Vivaldi: «Gia la fera troncastiorrida testa*
In: Benevefiuto Cellini, I trattati dell' oreficeria e della scultura
nuovamente stampati da G. Milanesi, Firenze, Le Monnier, 1857,
p. 404.
— Sonetto adespoto: »Chi scorse o scorgera, prisco o moderno*
Ibid. 204.
— Due sonetti del Bronzino: a) »Giovin altier, ch'a Grove in aurea
pioggia« b) »Ardea Venere bella; e lui ch'in pioggia«
Ibid. 405.
— Sonetto di Paolo Mini: »Nuovo Miron, che con la dotta mano«
Ibid. 406.
— Sonetto di Matteo Ghirelli: »Se in alta nube, e'n ricca pioggia
d'oro«
Ibid. 406.
— Due sonetti anonimi: a) »Gia con Tali fraterne alzato a volo«
b) »Goditi il gran colosso, antica Rodi,«
Ibid. 407.
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Saggio di bibliografia delle fonti poetiche etc. 213
— Sonetto di Lelio Bonsi: »Poscia che da vostra opra, ch'ogni avara«
Ibid. 408.
— Due sonetti di Antonio Allegretti: a) »Cellino, or si che superato
avete« b) »Celebrd gia fra' pittor Polignoto«
Ibid. 408 — 409.
— Sonetto di Domenico Poggini: »Si come '1 ciel di vaghe stelle
addorno«
Ibid. 409.
— Nove sonetti anonimi: a) »L'alto valor che in l'onorato petto«
b) »Non bisogna, Cellin, che piu t 'industri« c) »Tra quei
monti piu ch' altri ornati e belli« c) »0 del ciel giu fra noi
ben tu venuto« e) »I1 mio Lisippo, il inio Prigotel solo«
f) »Felice e piu che avventurato '1 nido« g) L'Affrica e
l'Asia e tutta sottosopra« h) »Quella degna virtu ch'al cor
s'apprende« i) »Com 'acceso vapor, ch'in aria piglia«.
" Ibid. 410 — 414.
Corradini Lodovico. Sonetto di Giovanni Testa Cillenio: »Io sard
sempre amico a' dipinctori.«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico, ecc. luog. cit.
Cossa Francesco. Due epitaffi di Ludovico Bolognini: a) »Qui si vi-
xisset diutius, superasset Apelleui.« b) Querere Cossam
debuero nee perdere desi?«
In: Gozzadini, Memorie per la vita di Giovanni II Bentivoglio,
Bologna, 1839, P« J92'
— Sonetto di Angelo Michele Salimbeni: »Conyienchedal piacer la
voglia lenti.«
In: Art, 15 febbraio — 1 marzo 1888.
— Sonetto di Sebastiano Aldrovaldi: »S'el ciel consent! mai ch'un
alto ingegno«
Ibid.
— Sonetto di Giovanni Testa Cillenio: »Io sard sempre amico a'
dipinctori«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico, ecc. luog. cit.
Crevalcore (da) Antonio. Epitaffio di Girolamo Casio: »Da Crevalcor
mestro Antonio, dotato«
In: Girolamo Casio dey Medici, Libro intitulato Cronica, ecc. p. 46.
Cristoforo Geremia. Due Sonetti di Felice Feliciano Veronese: a) »Felix
Felicianus Veronensis. Claro et peritissimo viro Christophero Hie-
remia Sculptorum splendori, Salutem dicit.« : » Chi mai celebre-
rebbe il grande inzigno« b) » Felix Felicianus Veronensis. Ad
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214
Arduino Colasanti:
commendationem famosissimi sculptoris Christophoris Hyeremiae* :
»Non fu mai Policleto, in alabastro«
In: Spinelli, Versi del 400 e del 600 attinenti a pittori od a cose
d'arte, tratti da Mss. Estensi. Per nozze Mazzoli-Veneri, Carpi^
1892, p. 8, 9.
Flosini Antonio. Elegia di Evangclista Magdalcno Capodiferro »D. M.
Antony Flosini Architectoris« : »Coelum gessit Atlas, arcesque,
laresque deorum«
In: Janitscliek, Ein Hofpoet Leos X. ecc. (luog. cit)
Forti Giacomo. Sonetto di Giovanni Testa Cillenio: »Io sard sempre
amico a' dipinctori*
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico eu., luog. cit.
Franceschi (dei) Piero. Sonetto di Giovanni Testa Cillenio: »Io sard
sempre ainico a' dipinctori.«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico, ecc. luog. cit
Giancristoforo Romano. Epitaffio di Girolamo Casio: »I1 cultor Gioan-
christofalo Romano«
In: Girolamo Casio de' Medici, Libro intitulato Cronica, ecc. p. 46.
Grandi Ercole. Elegia di Daniello Fini: »In laudem Herculis Grandii pic-
toris rarissimi«: »Pictorum prisci narrant monumenta poetaec
In: M. Gualandi, Memorieoriginali italianerisguardanti le belle
arti, Serie V, p. 67 — 69, Bologna, 1844.
— Sonetto dxAntonio Tebaldeo: »Qual fu pictor si temerario e stolto*
In: A. Tebaldeo, Poesie, Modena, Dionysio Bertocho, MCCCCLXXXXVIIII.
Leonardo da Vinci. Due sonetti di un anoniino che si nasconde sotto
lo pseudonimo di Prospettivo Milanese: a) »Per tribuire solo ima-
fatico.« b) »Victoria Vince et vinci tu victore*
In: Antiquarie prospetiche romane composte per prospectiuo
Melanese depictore, senza luogo di stampa. (Per questo rarissimo
incunabulo, ignoto all' Hain, al Brunet, al Panzer, al Mittaire, al
Graesse e ad altri bibliografi, cfr. Gori, Intorno a un opuscolo raris-
simo della fine del sec. XV, Roma, Salviucci, 1876).
— Epitaffio di Girolamo Casio: »Vinta Natura da Leonardo Vinci*
In: Girolamo Casio de' Medici, Libro intitolato Cronica, ecc. p. 46.
— Sonetto di Bernardo Bellincioni: »Di che ti adiri? Achi invidia
hai, Natura?*
In: Scelta di Curiosita letterarie inedite o rare, dal sec XIII
al XVII. Le Rime di Bernardo Bellincioni, ed. cit p. 72.
— Due sonetti di Enea Irpino: a) »fe questa quella umana e vera
forma« b) »Qual nobile e sublime alto intelletto«
In: B. Croce, Un canzoniere d'amore per Costanza D'Avalos
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Saggio di bibliografia delle fonti poetiche etc. 215
duchessa Francavilla (Atti della Accademia Pontaniana, XXXIII,
memoria n. 6).
— Due madrigali dello stesso: a) »Mirand'il Vincio in se Madonna,
ratto.« b) »Chiaro e gentil mio Vincio, invan dipinge.«
Ibid.
Luciani Sebastiano. Epistola di Francesco Berni »A fra Bastian del
Piombo«: »Padre, a me piu che agli altri, Reverendo«
In: II primo libro delle opere burlesche del Berni, del Casa,
del Varchi ecc, Usecht, Broedelet, 1771, p. 27.
— Stanze di Francesco Maria Molza: »Se cosl dato a' vostri tempi
Homero«
In: Delle stanze di diversi illustri poeti raccolte da M. Ludovico
Dolce, Vinegia, Giolito De' Ferrari, MDLXIII, 109—138.
Mantegna Andrea. Sonetto del poeta Ulisse: »Ulixes pro Andrea Man-
tegna pictore. dicto squarzono. pro quadam monialj«: »Quando
fortuna e il ben disposto cielo«
In: Venturi, Jacopo Bellini, Pisanello und Mantegna ecc.
luog. cit
— Sonetto di Felice Feliciano » Felice ad Andria antedicto compatre del
Rev. mo Cardinale Mantuano pregandolo si voglia adoperar per lui
di aconzarlo col dito monsignore secondo il parlamento auto in-
sieme«: »Dio te dia pace Andria speranza antica«
In: Spinelli, Versi del 400 e del 600 ecc. p. 7 — 8.
— Sonetto di Filippo Nuvolone »Per Philippum Nuvolonum vir. clar. ad An-
dream Mantegnam pictorem« : »Convere che il figliol di Citarea«
In: Spinelli, Versi del 400 e del 600 ecc. p. 7.
— Elegia di Battista Mantovano »In Andream Mantiniam pictorem«:
»Sicut Agaenorei surgunt ubi cornua tauri«
In: J. B. Mantuani Camielitac, Opera omnia, ed. cit. Ill, 260, 261.
— Epigramma di Girolamo Casio: »I1 caualier Mantegna, che a'
pittori«
In: Girolamo Casio de* Medici, Libro intitulato Cronica, ecc. p. 46.
Marco Zoppo. Sonetto di Giovanni Testa Cillenib: »Io sard sempre
amico a' dipinctori*
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico ecc. luog. cit.
Mazzoni Guido. Due Epigrammi di Ludovico Eliano: a) »Venatorem
avium Regem, Paganine, putasti.« b) »Qui? Rex bissenus
Ludovicus nominis huius«.
In: Anatole de Montaiglon, Sur deux statues de Louis XII., par
le sculpteur modenais Guido Paganino (Archives de Tart
francais, XII annde, XII serie, t. II, p. 229).
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2 1 6 Arduirio Colasanti :
Mosca Annibale. Epi taffi o di Girolamo Casio : »OrafoAgostinMosca,
eZoilero«
In: Girolamo Casio cU? Medki, Libro intitulato Cronica ecc.
p. 47 v.
Ombrone da Fossombrone. Due sonetti di Andrea Squarzbla: a) »Om-
brone, tu vuoi pur starti in.Bologna.« b) »Io sono un
Cristo che rinega Idio«
In: V. Rossi, II canzoniere inedito di Andrea Michieli ecc. luog.
cit. p. 51, 54.
— Sonetto di Antonio Camtnelli detto il Pistpia: »Colui che questo
Cristo ha fabbricato«
In: Rime edite e inedite di Antonio Camtnelli detto il Pistoia,
per cura di A, Cappelli e 5. Ferrari, Livorno, Vigo, 1884, p. 147.
— Epigramma di Panfilo Sasso: »Quisquis pictorem credit te fal-
litur, Umbro«
In: Pamphili Saxi poetae lepidissimi, Opera, Brescia, Misinta, 1499.
— Epitaffio di Girolamo Casio: »Ombron da Fossombron vice
pittore*
In: Girolamo Casio de* Medici, Libro intitulato Cronica ecc. p. 46 v.
Petrucci Pandolfo. Elegia di Evangel ista Magdaleno Capodiferro »de
Venere picta ad focuiri Pandulphi Petrucij Senensis. Faustus et
Venus interloquuntur« : »Cur geminos tecum non ducis Cypria
amores?«
In: Janitschek, Ein Hofpoet Leos X., ecc. luog. cit.
— Epigramma dello stesso »de eadem Venere« : »Indoluit Juno depicta
et Cypride Pallas;«
Ibid.
Pippi Giulio. Sonetto di F. M. Molza: »Da la piu ricca vena il piu
pregiato«
In: Rime diverse, Vinegia, Giolito De Ferrari, p. 113.
— Epigramma di Niccolb d' Arco: »Ad Julium Romanum« : » Dum Minci
ad rivam veteres, Juli, advehis artes^
In: Nicolai Arc hi Com it is, Numerorum ecc, p. 114.
Pisanello. Epigramma di Leonardo Dati »In laudem Pisani pictoris«:
» Inter pictores nostri statuere poetae«
In: Vasari, Gentile da Fabriano e il Pisanello, ed. critica a cura
di Adolf 0 Venturi, Firenze, Sansoni, 1896, p. 35.
— Poemetto del Guarino: »Si mihi par voto ingenium fandique
facultas«
In: Vasari, Gentile da Fabriano e il Pisanello, ed. cit p. 40.
— Due Sonetti di Angiolo Galli a) »Per parte del Mco. S. Octo al Pisanello
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Saggio di bibliografia delle fonti poetiche etc. 217
pictor. i442«: »Se Cimabd cum Gretto et cum Gentile« b) »pro
eodem supradicto Mo. Octo. (al. S. Duca di Milano)«: »Chi vol del
mondo mai non esser privo«
In: Vasari, Gentile da Fabriano ecc. ed. cit. p. 49.
— Elegia di Tito Vespasiano Strozzi »ad Pisanum pictorem praestantissi-
mum«: »Quis, pisane, tuum merito celebrabit honore«
In: Vasari, Gentile da Fabriano ecc. ed. cit. p. 53.
— Elegia del Basinio »Basinius ad Pisanum pictorem ingeniosum et
optimum*: »Qui facis ingenuas rerum, pisane, figuras«
In: Vasariy Gentile da Fabriano ecc. ed. cit. p. 96.
— Elegia del Porcellio »Porcellus vates romanus in laudem Pisani
pictoris«: »Si qua per ingenium et dignitos divina putamus«
In: Vasari, Gentile da Fabriano ecc. ed. cit p. 61.
— Carme di Giuseppe Castaglione »Ad Thomam Davalum de Inici
Davali numismate Josephi Castalionis carmen «: »Etsi virtutis cel-
sam contendis ad arcem«
In: Vasari, Gentile da Fabriano ecc. ed. cit. p. 67.
Poggini Domenico. Sonetto di Benedetto Varchi: »Voi che seguendo
del mio gran Cellino«
In: Sonetti di M. Benedetto Varchi, ed. cit. I, 264.
Pollaiuolo Antonio. Terzine di un Anonimo, che si nasconde sotto lo
pseudonimo di Prospettivo Milanese'. »Eui una tomba di corpo
fusario«
In: Antiquarie prospetiche romane ed. cit. n. 112 e segg.
Raibolini Francesco. Ottava di A. M. Salimbcni: »Ma fra gli orafi
nostri io dird il Franza«
In: Epitalamio nelle pompe nuziali di Annibale Bentivoglio,
Bologna, 1487.
— Epigramma di Niccolb Burzi: »Ex multis en palma viget: tibi
Candida phama«
In: N. Burtii, Musarum: nympharumque: ad summorum deorum
epytomata, Bononie, MCCCCXXXXVIII.
— Elegia di Urceo Codro »Ad Galeatium Bentiuolium de imagine Codri.«
»Ditibus in thalamis quos tu, clarissime princeps,«
In: Urcei Codri, Opera, ed. cit. f. CXV.
— Epigramma dello stesso »De imagine sua: »Si Codrus tibi notus
est, viator«
Ibid. f. CLII.
— Epigramma di Virgilio Porto \ »Pallia sic steterant, venerandus
imagine macra«
In: V. Porto, Opera, p. 425.
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2i8 Arduino Colasanti:
— Epitaffio di Girolamo Casio: »Franza Felsineo, Orafo e pittore*
In: Girolamo Casio de Medici, Libro intitulato Cronica ecc, p. 46.
Raibolini Giacomo. Epigramma di Enrico Caiado »De effigie Hieronymi
Cassii«: »Cassius hac duplex vivit sub imagine: et ipse est«
In: A/a/ago/a, Delia vita e delle opere di Antonio Urceo Codro,
Bologna, 1878, p. 252, nota.
Riccio Antonio. Sonetto di Giovanni Testa Cillenio »Io sard sempre
ainico a' dipinctori«
In: Corrado Ricci, Un sonetto artistico, ecc. luog. cit
Salviati Francesco. Capitolo del Berni »A1 Re di Francia«: »Cristia-
nissimo Re, dopo i saluti«
In: Berni, Opere Burlesche, lib. Ill, p. 29 — 36.
Sansovino Jacopo. Sonetto di Pictro Arctino: »Chi vol veder quel
real pensiero«
In: P. Arctino, Letter e, Parisiis, i6oq, II, p. 191.
— Epigramma di Evangelista Magdaleno Capodiferro »De statuis P.
Coricij«: »Virgine quam genitus, quam tot miranda peregu
In: Janitsclick, Ein Hofpoet LeosX. ecc. (luog. cit.)
Cfr. anche Coryciana (ed. Blossius Palladius Ro.). Impressum Romae,
apud Lu. Vincentinum St. Laurentium Perusinum Mense Julio 1524.
Sanzio Raffaello. Sonetto di Antonio Tebaldeo: »Cas tig lion mio, su-
bitamento il nostro«
In: G. Campori, Faits et documents pour servir a l'histoire de
Giovanni et Raphael Santi d'Urbino (Gazette des beaux arts,
1872, p. 353 e segg.).
— Epigramma di Cclio Calcagnini »Raphaelis Urbinatis«: »Tot proce-
res Romam tarn longa extruxerat aetas«
In: Passavant, Raffaello d'Urbino e il padre suo Giovanni Santi,
trad. Guasti, P'irenze, Le Monnier, 1882, I, 387.
— Due epigrammi di Evangelista Magdaleno Capodiferro: ^>D. M.
Raphaelis Urbinatis« a) >Dum multis vitam pictura traderet
Umber*, b) »Infelix patria et nimium crudelibus iris«
In: Janitsclick y Ein Hofpoet ecc. (luog. cit.).
— Epi gramma di Baldassarre Castigliofie : » S o 1 a tuos referens vul-
tus Raphaelis imago*
In: B. Castiglione, Poesie volgari e latine corrette, illustrate ed
accresciute di varie cose ineditc, Roma, 1760, p. 178.
— Epigramma dello stesso »In morte Raphaelis pictoris«: »Quod la-
cerum corpus medica sanaverit arte«
In: Carmina quinque illustrium poctarum, Venetiis, MDLVIII,p.4!-
— Epitaffio di Girolamo Casio: »Ben uisse mentre uissc e morto uiue«
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Saggio di bibliografia delle fonti poetiche etc. 210
In: Girolamo Casio de' Medici, Libro intitulato Cronica ecc. p. 46 r.
— Sonetto dello Stesso »Per Raphael da Urbino«: »Se cerchi di saper
chi in questo sasso«
Ibid. p. 46 v.
— Epitaffio di Niccolb d*Arco »Raphaelis Urbinatis pictoris epitaphium«:
»Pictor eram: nomen Raphael mi: patria cultum«
In: Nicolai Arc hi Comitis, Numerorum ecc, p. 115.
— Epitaffio di Ludovico Ariosto: »Huc oculos (non longa mora est)
hue verte; meretur,«
In: L. Ariosto, Carminum, lib. II.
Suardi Bartolomeo. Epi taffi o di Girolamo Casio : »Lo architetoBra-
mante in Milan nacque«
In: Girolamo Casio dey Medici, Libro intitulato Cronica, ecc.
p. 64 v.
Tassi G. B. Sonetto di Benedetto Varchi: »Tasso, ben so che '1 Tribol
vostro e mio«
In: Sonetti di M. Benedetto Varchi, ed. cit. I, p. 79.
Tura Cosimo. Elegia di Tito Vespasiano Strozzi »Ad Cosmum pic-
torem«: »Ecce novis Helene consumitur anxia curis«
In : Strozzii poetae pater et filius, Parisiis, 1530, Eroticon, lib. Ill, p. 157.
Ubaldi Angelo. Due epigrammi di Evangelista Magdaleno Capodiferro
a) »Angelo Ubaldo« : »Deinocriti vix esse atomos, Ubalde,
putabam« b) »de Angeli Ubaldi Medusa«: »Praxitele haud
opus est: Ubaldae te ora Medusae«
In- Janitschek, Ein Hofpoet Leos X. ecc. (luog. cit)
Vasari Giorgio. Sonetto di Pietro Aretino: »L'arte e fatta Natura,
e chi nol crede«
In: P. Aretino, Lettere, ed. cit. II, p. 305.
— Sonetto di Benedetto Varchi: »Lattanzio, se '1 mondo ha nuovo
Filippo«
In: Sonetti di M. Benedetto Varchi, ed. cit. I, p. 262.
— Sonetto di Michelangelo Buonarroti: »Se coi colori o con lo stile
avete«
In: Die Gedichte des Michelangelo Buonarroti, ecc. ed. cit.
p. 182.
Vccellio Tiziano. Quindici sonetti di Pietro Aretino: a) »Togli il lauro
per te, Cesare e Omero« b) »Se il chiaro Apelle con la
man dell'arte« c) »L'union de' colori; che lo stile« d) »Quel
senno illustre, quel valore ardente« e) »Chi vol veder
quel Titiano Apelle« f) »Furtivamente Titiano e Amore«
g) »Questo e l'aureo, il bello, il sacro volto« h) »Quello
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2 20 Arduino Colasanti: Saggio di bibliografia dellc fonti poetische etc.
intento di magno e di sincero* i) »Di man di quella
Idea che la Natura« 1) »La effigie adoranda della pace«
m) »Questo e Titian del secolo stupore« n) »Chi mai
non vidde e veder vuol l'altera« »Questo e il Varga,
dipinto e naturale« p) »Divino in venusta fu Raffaello*
q) »Poi che l'inclito duce Trivisano«
In: Pietro Aretino, Lettere, ed. cit. I, 179; 180;. II, 190; 155; 314;
m> 35; v> 53; 105; 288; VI, 102; 193; 203; 205.
— Sonetto di Bernardo Tasso: »Ben potete con l'ombre e coi
colori«
In: Pietro Aretino, Lettere, ed. cit., I. 181.
— Sonetto di Niccolb Franco: »Datevi buona voglia, Titiano*
In: Mazzucclielli, La vita di Pietro Aretino, Padova, Giuseppe
Comino, 1741, p. 142.
— Sonetto di Antonio Beccadelli: »S'a la mi a penna, come al
vostro stile«
In: A. Colasanti, Sonetti inediti perTiziano e per Michelangelo,
luog. cit.
— Elegia di Niccolb cTArco: »Salutat Pontani effigiem« »Salve, magne
senex, cui tarn felicia coeli«
In: Nicolai Arc hi Comitis, Numerorum, ecc. p. 54.
— Quattro epigrammi dello stesso: a) »Hospes, his vivi effigiem
post fata poetae« b) Quaenam haec effigies? — Pontani. —
Anne ipse revixit?« c) »Magnum Pontanum natura effinxerat
olim« d) »Ter felix, Pontane, potes, ter maxime, dici*
Ibid. p. 55 e segg.
— Due sonetti di Giovanni Della Casa: a) »Ben veggo io, Titiano, in
forme noue« b) »Son queste, Amor le vaghe treccie bionde*
— In: M. Giovanni Della Casa, Rime e prose, Fiorenza, Giunti, 1572,
p. 19.
Verrocchio Andrea. Dalle stanze di Luigi Pulci per la Giostra di Lo-
renzo il Magnifico: »E mi parea sentir sonar Miseno«
In: C. de Fabriczy, Andrea del Verrocchio ai servizi de' Medici,
(Arch. stor. dell'arte, 1895, p. 163) Circa 1' attribuzione delle
Stanze a Luigi Pulci cfr. G. Volpi, Le stanze per la giostra di
Lorenzo de' Medici, in Giorn. stor. della lett. ital., vol. XVI,
p. 361; R. Truffi, Ancora delle stanze per la giostra de Medici,
Ibid. XXIV, 187; Gaspary, Storia della letteratura italiana,
traduz. Rossi,II, parte I, 354 — 55; Mazzoni, in Propugnatore,
Nuova Serie, v. I, parte I, 146 e segg.; Id., II Poliziano e l'Uma-
nesimo [La Vita Italiana nel Rinascimento, II, p. 250].
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei.
Von O. Wulff.
II.
Giotto und seine Nachfolge.
Liefi die Analyse des Dombildes von Siena (s. S. 99 ff.) erkennen,
welch' tiefgehende Bedeutung dem Zusammentreffen der gotischen und
der byzantinischen Kunststromung fiir die malerische Stilbildung der
sienesischen Schule zukommt, so werden wir der Fragestellung nicht aus-
weichen dtirfen, wie sich Giotto mit den beiden das Ducento beherr-
schenden Kunstrichtungen auseinandergesetzt hat. Vielleicht, dafi sie uns
den Schliissel ftir das Verstandnis auch seiner Stilentwicklung liefert. In
der Fruchtbarkeit eines Gesichtspunktes liegt jedenfalls eine gewisse Ge-
wahr fiir seine Richtigkeit
Ein ganz anderes Bild scheint sich da zu ergeben, doch keineswegs
lautet die Antwort auf unsere Frage, dafi Giotto als ein Unabhangiger
ganz aus sich selbst geworden sei. So mochte man heute vielleicht am
liebsten denken, nachdem die Tradition von der Lehrerschaft Cimabues
mit Recht fast allgemein aufgegeben ist, ohne dafi es doch gelungen
ware, einen anderen tiberzeugenden Stammbaum seiner Kunst aufzu-
stellen. Die jiingsten Versuche begegnen sich in der zunachst nicht
ganz unwahrscheinlichen — , Ubrigens auch nicht ganz neuen, — Ab-
leitung seines Stils aus Rom. 33) Wie sie aber im besonderen, nam-
lich hinsichtlich seines Verhaltnisses zu Pietro Cavallini, zu vollig ent-
gegengesetzten Annahmen geftihrt haben, so leuchtet auch wenig ein, dafi
mit diesem und mit Giovanni Cosmas wirklich die fiir Giottos erste
Entwicklung mafigebenden Personlichkeiten erkannt seien. Von anderer
Seite'wird gar die Grundvoraussetzung solcherVermutungen, seine Urheber-
33) Zirnmermann, Giotto I, S. 287 u. 307; Hermanin, Le Galerie nazionali Vf.
p. 14 Vgl. Strzygowski, Cimabue und Rom, S. 189.
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22 2 O. Wulff:
schaft an der Franzlegende von Assisi, in Frage gestellt.34) Dem kritischen
Zweifel mufi daher das erste Wort der Entgegnung gelten.
Was den letztgenannten Forschern als Hauptbeweissttick dient, ent-
scheidet m. E. gerade zu Giottos Gunsten — , das urkundlich von ihm
im J. 1298 fur den Kardinal Stefaneschi gemalte Triptychon in der
Sakristei von S. Peter. Sehen wir von den aus der Vergleichung mit den
Franzbildcrn zu gewinnenden allgemeinen Kriterien liber die Raumauf-
fassung u. dergl. bis zur Besprechung des Freskenzyklus ab. Ein paar
Einzelbeobachtungen reichen allein hin, um die Zuversichtlichkeit der
gegnerischen Behauptung zu erschuttern. Schon Strzygowski hat be-
merkt, dafi die Darstellung der Kreuzigung Petri auf der Riickseite des
romischen Tabernakels (r. Fliigel) eine deutliche Abhangigkeit von der
Freske (Cimabues?) verrat, die im nordlichen Querschiff von S. Francesco
den gleichen Vorgang schilderi. Dagegen konnte man einwenden, dafi
hier eine allgemeinere Tradition vorliege oder dafi dadurch hochstens eine
Bekanntschaft Giottos mit dem alteren Bilde bewiesen werde. Doch die
Wahrscheinlichkeit eines rein zufalligen Zusammenhanges verringert sich
mit der Wahrnehmung, dafi derselbe Triptychonfliigel in dem als Giebel-
ftillung dienenden Rundbildchen des Abrahamsopfers ein weiteres Zeugnis
fiir das Nachwirken in Assisi empfangener Eindrlicke bietet Der stark
byzantinisierende Kopf des Patriarchen, seine Haltung und die Form der
geschwungenen Waffe erinnern aufs lebhafteste an die dortige Freske eines
Cimabueschulers. Den Isaak freilich hat der Kunstler schon der ganz
anderen Raumbedingungen wegen in abweichender Stellung und nach
seinem Geschmacke als schreienden Buben dargestellt. Allein das romische
Altarbild beriihrt sich auch mit Giottos eignen Malereien in S. Francesco,
und zwar in einem so bedeutsamen Punkte, dafi jede weitere Ausflucht
abgeschnitten wird. Der hochst eigenartige Madonnentypus des Taber-
nakels findet seine allernachste Parallele zu Assisi in dem Medaillon der
Gottesmutter mit dem Kinde liber dem Eingange, das einen mit den
vier Franzbildern aufs engste zusammengehorigen Bestandteil des male-
rischen Fassadenschmucks bildet. 35) Allerdings ist es stark ubermalt,
aber die Hauptlinien des Kopfes haben dabei keine wesentliche Ver-
anderung erfahren. Wir finden hier wie in Rom denselben breiten Umrifi
mit dem gerundeten Untergesicht, dieselbe keilformige, gerade abgestutzte
Nase mit sehr kleinen Flligeln. Auch entspricht Lage- und Grofienver-
34) Kallab, Jahrb. d. K. Samml. d. Allerh. K. Hauses. 1901, XXI, S. 41 A. 1; B«-
renson, Florent. Painters, p. 114 (deutsche Ausg., S. 135 hingegen wird sie anerkannt);
F. Mason Perkins, Giotto (Gr. Masters in p. a. sc), p. 71.
35) Auch Zimmermann, a. a. O. S. 319 weist das Madonnenbild , wenngleich
zweifelnd, Giotto zu, wie schon Thode, Franz von Assisi, S. 464.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 2 2^
haltnis der Augen und des Mundes, deren Form in Assisi wohl von
einem Restaurator etwas korrigiert worden ist. Der Kopf des Kindes
scheint grtindlich erneuert zu sein, und zwar etwas zu klein. Die derbe
Gestalt des Knaben aber kommt dem gewohnlichen Typus bei Giotto, z. B.
in Padua und sogar noch bei der Madonna der Akademie, ganz nahe.
In Rom allein halt Maria einen zarten, gewickelten Saugling im Arm, eine
Auffassung, der wir nur noch einmal: in S. Francesco, — allerdings an
ganz anderer Stelle — begegnen. Das »wohlgestaltete Knablein« im
Arm des Franziskus beim Weihnachtswunder von Greccio sieht dem Saug-
ling des Triptychons ahnlich genug und ist offenbar dessen Prototyp,
wenn der auch zu starkerer Belebung, die im Altarbild erforderlich war,
eine Hand frei und in den Mund gesteckt hat. Sogar auf die Frage, wo
Giotto jenes merkwurdige Madonnenideal, das weder byzantinisch noch
gotisch ist, aufgelesen haben kann, gibt wieder eins der letzten, wohl
nicht ganz eigenhandig, aber doch zum Teil von ihm selbst gemalten
und jedenfalls entworfenen Bilder der Franzlegende die erwiinschte Aus-
kunft. Wir sehen bei der Aufbahrung des Heiligen oben auf dem Lett-
ner, zweifellos getreu der Wirklichkeit, ein Muttergottesbild von alter-
tiimlicher Komposition und tibereinstimmendem Kopftypus abkonterfeit
In der Portiuncula also hat Giotto eine solche alte Ancona mit der bis
ins 1 2. Jahrhundert beliebten streng symmetrischen Haltung gesehen, und
jahrelang ist er in der Darstellung der Ziige Marias durch ihren schweren
romanischen Stil bestimmt worden. liber seine Autorschaft an der Franz-
legende kann nach diesen Wahrnehmungen fur einen Unbefangenen kaum
ein Zweifel tibrig bleiben. Es kommt aber bekanntlich noch etwas hin-
zu, was jeder irreflihrenden Hyperkritik Einhalt gebietet
Das Tabernakel von S. Peter ist nicht das einzige Werk Giottos,
das ihn mit dem Freskenzyklus von Assisi verknlipft. Wer ihm diesen ab-
spricht, setzt sich uber die signierte Tafel des Louvre aus S. Francesco
in Pisa hinweg, d. h. er mutet uns entweder den Schlufl zu, Giotto habe
sich hier an die Schopfungen eines Anonymus fast mit der Gewissen-
haftigkeit eines Schiilers angeschlossen, oder er mufi umgekehrt schliefien,
der Meister der Franzbilder habe jenes Werk Giottos nachgeahmt. Das
letztere ist anscheinend Kallabs Ansicht, da er das Louvrebild unmoglich
iibersehen haben kann, wenngleich er nirgends darauf Bezug nimmt. Mit
der Zuschreibung der Franzlegende an Giottos Schule wtirde dann die
Schwierigkeit in der Tat, wenn das nicht eine Tauschung ist (s. u.), von
selbst hinwegfallen. Allein die Franzlegende ist, wie alle bisherigen Unter-
suchungen gezeigt haben, nicht etwa als eine spatere Erweiterung von
der tibrigen malerischen Ausschmiickung der Oberkirche loszulosen, vor
allem nicht an den Langswanden der ersten zwei Joche und an der
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224
O. Wulff:
Fassadenwand (s. u.). Es mtifite also nach Ausschmiickung des Chores und
QuerschifFs eine Unterbrechung von i — 2 Jahrzehnten stattgefunden haben,
wahrend der entweder diese Teile oder gar die mit ihren oberen Fresken
(Jakobs- Josephs- und Passionsszenen) inhaltlich aufs engste zusammen-
hangenden Malereien der sogen. Cimabueschule in den letzten beiden
Jochen ebenfalls noch nicht in AngrifT genommen waren. Das eine ist
so unwahrscheinlich wie das andere. Aber selbst wenn man sich mit
einer solchen Annahme abfinden wollte, so kann doch die ihrer breiteren
Technik nach schon tiber das romische Triptychon erheblich fortge-
schrittene, friihestens im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts entstandene
Tafel des Louvre 36) unmoglich als Vorlage der entsprechenden Bild-
werke in Assisi angesehen wcrden. Sie zeigt vielinehr entwickeltere
Darstel lungs form en (s. u.), und die Vergleichung im einzelnen lehrt, dafl
die Zusatze sowohl wie die Auslassungen auf ihrer Seite liegen. In den
drei Predellenszenen ist die Figurenbildung eine schlankere. Franziskus
selbst hat bereits die zartere Gestalt, die auf die Bardikapelle voraus-
deutet. Nur im Hauptbilde stimmt der Typus noch fast ganz mit dem
von S. Francesco uberein. Der Ausdruck burgt dafiir, dafi die Harte und
Einfalt des Mienenspiels mit dem typischen Stirnrunzeln audi in Assisi
auf Giottos Rechnung zu setzen ist, wenngleich Restauration sie verscharft
haben mag. Dafi der Begleiter des Heiligen in der Stigmatisationsfreske
fortgelassen ist, erkliirt.sich aus der Notwendigkeit, im Altarbild die
Hauptfigur ins Representative zu steigern, wodurch audi das Verhaltnis
zur Umgebung sich von Grund aus andern mufite. Und die dramatische
Auffassung verliert hier das Befremdliche uberhaupt nur unter der Vor-
aussetzung gewollter Anlehnung an ein beliebtes Vorbild. Beim Traum
des Papstes ist der Fehler, dafi Franz auf dem Paviment des Portikus der
wankenden Lateransbasilika steht, vermieden und die Gestalt des Petms
zur Verdeutlichung des Gedankens hinzugeftigt, bei der Predigterlaubnis
ist der perspektivische Fehler der Konsolenkonstruktion (s. u.) berichtigt,
die Gruppe der Knieenden weniger aufgetiirmt, dagegen ein fur die Tiefen-
entwicklung sehr wirksamer Kopf eines papstlichen Klerikers fortgeblieben.
Wenn Giotto, seine eignen Kompositionen bessernd, einmal auch einen
solchen guten Zug opfert, so erscheint das angesichts des verkleinerten
Mafistabes unschwer begreiflich, wahrend die Annahme des umgekehrten
Abhangigkeitsverhaltnisses in den vorhergehenden Fallen zu lauter Un-
wahrscheinlichkeiten fiihrt.37) Dafi er — , jedenialls auf Wunsch der Be-
3*) Dieses Verhaltnis und eine solche Entstehungszeit des Louvrebildes hat schon
Thode, a. a. O. S. 128 ff., 144, 152 und Giotto, S. 139 festgestellt; vgl. auch Schubring,
Zeitschr. f. christl. K., 1901, S. 364.
37) Etwas ganz anderes ist es, wenn ein spaterer Giottist in Florenz selbst Giottos
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 225
steller wegen der Beriihmtheit seines Jugendwerkes, — sich selbst im
ubrigen bis zu den Gesten der meisten Nebenfiguren herab kopierte,
spricht zugleich gegen eine Wiederholung aus freier Erinnerung. Es miissen
ihm vielmehr, wie schon Schubring (a. a. O. S. 362) bemerkt hat, zum
mindesten seine Skizzen, — wahrscheinlich sogar ausgefiihrte Vorlagen
von iibereinstimmendern Format als Gmndlage fiir die Predella des
Louvrebildes gedient haben. Die Auswahl der Szenen ist vom Stand-
punkt des Ordens durchaus verstandlich, trifift sie doch lauter Hohepunkte,
in denen das Wesen und Wirken des Heiligen hervortritt. Sie gehoren
auch in Assisi zum Besten, wenn audi dort noch genug des Gleich-
wertigen danebensteht.
Wir sind somit nach wie vor berechtigt, den Ausgangspunkt der
kunstlerischen Entwicklung Giottos im Zyklus der Franzlegende von
Assisi zu suchen. Dann drangt sich aber sogleich die alte Frage auf,
ob sich sein Anteil an der malerischen Ausschmiickung von S. Francesco
auf das Heiligenleben beschrankt und wenn nicht, wie derselbe von der
Arbeit seiner Vorganger abzugrenzen sei. So verschiedene Ansichten
dariiber ausgesprochen worden sind, in gewissen allgemeinen Schlufi-
folgerungen decken sie sich. Man ist sich dariiber einig, dafi die Ge-
wolbe und Wandfelder der beiden letzten Joche vor dem Altarraum durch
Klinstler byzantinischer Tradition ausgemalt sind, unter denen sich Ver-
treter der toskanischen maniera greca, seien es Schuler Cimabues oder
nicht, und ein aus der romischen Mosaizistenschule hervorgegangener
Meister38) — in dem vorletzten Gewolbfeld und den Bildern der Stid-
wand — zu erkennen geben. Diese Malerei greift auf der Nordseite
noch auf die Llinetten der beiden vorderen Joche tiber. Allerdings lafit
sich das nur ftir die im nachsten (bezw. zweiten) Wandfelde dargestellte
Vertreibung aus dem Paradiese mit Bestimmtheit aussprechen. Die
sparlichen Reste der Geschichte Kains und Abels erlauben kein ganz
sicheres Urteil. Doch ist das von geringem Belang.
Von der Bilderfolge des unteren Streifens werden die Jakobsszenen
im zweiten Joch seit Thode wohl einstimmig Giotto zugeschrieben. Die
Josephsbilder im vorderen sowie die vier Fresken der Passion an der Siid-
wand (teilweise auch die dariiber befindlichen Szenen aus der Jugend-
geschichte Christi), Himmelfahrt und Geistesausgiefiung an der Fassaden-
Freske des Tanzes der Salome ziemlich getreu, aber vergrobernd abschreibt; vgl. Schub-
ring, a. a. O. S. 366.
38) Nach Crowe u. Cavalcaselle, Hist, of paint, in It. II. p. 4; Frey, Jahrb.
d. Kgl. P. K.-Samml. 1885, S. 117, Strzygowski, a. a. O. S. 179 fF. u. Thode a. a. O.
S. 248 ff. Rossuti; nach Zimmermann, a. a. O. S. 272 Torriti; nach Hermanin, a. a. O.
p. 109 Cavallini.
Repcrtorium fiir Kunstwissenschaft, XXVII. 1 6
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226 O. Wulff:
wand sollen nach Thode (a. a. O. S. 251) von Giotto, nach Zimmermann
(a. a. O. S. .317) von einern unbekannten Kiinstler nach Giottos Entwurf,
nach Hermanin (a. a. O. S. 113) endlich von Giotto unter dem Einflufi
Cavallinis ausgefiihrt sein. Eine Reihe unleugbarer Beziehungen ist zwischen
ihnen und den Franzbildern hervorgehoben worden.39) Es ist deshalb ent-
schieden folgerichtiger, einen einzigen ausftihrenden Kiinstler fiir alle diese
Bilder anzunehmen, und das ist audi nach meiner Uberzeugung Giotto
selbst. Die Scheu, den Umfang seiner Leistungen so betrachtlich aus-
zudehnen, kann einen vermittelnden Ausweg, fiir den ein stilistischer An-
halt fehlt, nicht rechtfertigen. Das byzantinische Element ist fast liberall
(s. u.) gleich stark und auch nirgends starker als in den Jakobszenen.
Aber weder die Annahme Thodes, dafi Giotto sich aus Cimabues
Schule heraus unter dem Einflufi der Antike und dank eigner freier
Naturanschauung entwickelt habe, noch die Kreuzung seiner Kunst mit
der personlichen Art eines anderen Ktinstlers, sondern eine viel einfachere
Tatsache erklart die Stilmischung. Die individualisierende Kunstbetrachtung
geht auch hier fehl, indem sie fur einen solchen Einflufi nimmt, was nur
ikonographische Typik ist. Giotto hat fiir diese Fresken byzantinische
Vorlagen benutzt, und zwar, gerade so wie der Meister des Abrahams-
opfers und des Baues der Arche, Miniaturen. Ein untriigliches Merkmal
dessen bildet die Randeinfassung der ersten Jakobszene, das Stufen-
zickzack, eine der beliebtesten Rahmenbordtiren griechischer Miniaturen
des 10. — 13. Jahrhunderts. Giotto hat sich dabei, wo wir nachpriifen
konnen, ziemlich genau an diebyzantinischen Kompositionen angeschlossen,
so z. B. bei der Himmelfahrt. Obwohl halb zerstort, lafit der gesamte
untere Teil der Szene auf den ersten Blick die typische symmetrische
Anordnung der griechischen Ikonographie erkennen. Nur Christus, der
hier dieselben Ziige aufweist wie in der Halbfigur der zwolften Franz-
freske, ist nach abendliindischer Auffassung im Profil aufschwebend wieder-
gegeben. Giottos plastisch empfundene schlanke Gestalten wollen freilich
in solchen Kompositionen ihren Platz nicht recht ausfullen, trotzdem er
tiberwiegend an der faltenreichen Gewandbehandlung der Vorlagen fest-
halt. Diese zeigen sogar die gegiirteten Hemden Jakobs wie des kla-
genden Jtinglings in der Grablegung. Der jugendliche Kopftypus des
ersteren, an dem der Maler der Franzlegende unfehlbar erkannt wird,
kehrt hier am knienden Johannes wieder. Die in byzantinischer Weise aus
der Felslandschaft heraustretende Greisin zeigt die fiir Giotto so charak-
teristischen beiden horizontalen Stirnfalten. Durch die Vertiefung des
seelischen Ausdrucks hat Giotto, wie Zimmermann (a. a, O. S. 287 u. 317)
treffend ausfiihrt, uberhaupt diesen Kompositionen ein ganz neues Leben
39) Vgl. Thode, a. a. O. S. 252 ff.; Zimmermann, a. su O. S. 286.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 227
eingehaucht. Er hat sich, wie bemerkt, zweifellos auch manche Anderungen
erlaubt, ja das Bild der Geistesausgiefiung mit der vorderen Reihe der
Riickenfiguren ist im wesentlichen nach gotischer Auffassung und mit
gotischen Architekturformen aufgebaut, nur die Apostelkopfe tragen z. T.
byzantinisches Geprage.4°)
Nach alledem erscheint Giotto als ein in gotischer Formanschauung
geschulter Ktinstler, der dort die Arbeit aufnimrnt, wo ein Cimabue-
schiiler oder anderer Meister der maniera greca stehen geblieben war.
Dafi er sie nach gleichartigen Vorlagen fortftihrt, spricht fur einen ge-
wissen Zusammenhang zwischen ihm und seinen Vorgangern, er ist aber
jedenfalls erst hier in ihren Kreis eingetreten und mag dann mit der
Vollendung der gesamten Malerei betraut worden sein. Die Franzlegende
ist ja zweifellos erst zuletzt auf der unteren vortretenden Mauer, die zum
Ersatz des Triforiums einen Laufgang tragt, ausgefuhrt. Allein, wenn
Giotto im zweiten Joch zu malen anfing, wie die natiirlichste Annahme
bleibt, wer hat dann das Gewolbfeld des ersten mit den Gestalten der
vier Kirchenvater ausgeschmuckt, die keinem byzantinisierenden Meister ge-
horen konnen, vielmehr das Gotischste in der ganzen Kirche sind. Daraut
hat schon Thode die selbstverstandliche Anwort gegeben: Giotto.
Zwischen ihnen und der Franzlegende bestehen vielleicht noch innigere
und z. T. dieselben Beziehungen wie zwischen dieser und der besprochenen
byzantinischen Bilderreihe.4i) Wir finden in den Papst- und Bischofs-
kopfen beim Traum des Innozenz und Gregors IX., bei der Erlaubnis der
Predigt u. a. m. ganz verwandte Typen wieder und erkennen im jugencl-
lichen Franziscus der erstgenannten Szene einerseits und im Jakob andrer-
seits die jungen Begleiter des Augustin, Ambrosius und Gregor wieder.
Dazu kommen nicht nur Ubereinstimmungen in den Architekturen
des Heiligenlebens mit der Cosmatenarbeit der Nischen, Pulte, Sessel
und Bticherschreine der Kirchenvater, sondern wir sehen auch vor allem
hier wie dort dieselbe Art der Modellierung der Kopfe mit hellen Licht-
linien und Reflexen. Sie ist aber in dem Deckenfelde noch viel sorg-
fal tiger und die ganze Farbengebung bunter und gesattigter. Die
Restauration hat diese vielleicht noch verstarkt, aber kaum etwas Fremdcs
hinzugetan. Solche Unterschiede haben Zimmermann (a. a. O. S. 282) u. a.
4°) Ebenso Thode, a. a. O. S. 251. Die byzantinischc Ikonographie hat ein ganz
anderes Schema (ohne Riickenfiguren) ftir die Szene. Die Architektur mit den Konsolen-
nischen zeigt zudem dieselbe Konstruktion wie in der Predigterlaubnis und bestatigt
so Giottos Urheberschaft; vgl. die Abb. bei Auber, Zeitschr. f. b. K., 1898, S. 294.
41) Thode, a. a. O. S. 251 ff. ; Zimmermann, a. a. O. S. 281 u. 286 flf. Dafi die
Gewolbfreske gar keine Byzantinismen enthalte, kann ich jedoch nicht zugeben. In der
strahnigen Bartbehandlung bei den Greisen und im Reichtum der Untergewander an straffen
Faltenzilgen bei gotischen Grundmotiven wirken die Vorlagen der Jakobsszenen nach.
16*
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2 28 O. Wulff:
veranlafit, wieder einen Mittelsinann einzuschieben, den man in der Person
des Giovanni Cosmas erkennt.4*) Es wiirde zu weit ftihren, mich hier mit
Zimmennanns Auffassung von diesem Klinstler und der nationallateinischen
Kunststromung des 13. Jahrhunderts in Rom eingehender auseinanderzu-
setzen. Eine deutliche Filiation liegt nicht vor. Der gewohnte Fehlschlufl
auf personliche Beziehungen aus ganz allgemeinen stilistischen Zusammen-
hangen kehrt hier wieder. Wenn aber Zimmermann Giotto deshalb aus-
schalten zu mltssen glaubt, weil der Meister der Gewolbefreske ein
fertiger Kiinstler sei, der nichts neues mehr zu sagen habe, so ist das
kein durchschlagender Grund. Man darf nicht tibersehen, dafi wir es
zweifellos mit traditionellen Typen zu tun haben. So weit eine Durch-
geistigung derselben moglich war, ist sie in den feinen Beziehungen der
Haupt- zu den Nebenfiguren, vor allem im Ausdruck des Aufhorchens
und der gespannten Aufmerksamkeit des Begleiters des hi. Augustin und
in dem gedankenvollen Ausdruck der Kirchenvater selbst in reichem Mafie
vorhanden. Die plastische Klarheit des Aufbaus, wie z. B. jene Neben-
figuren hinter ihren Tischchen sitzen, hat nur Giotto. Peinlich genaue
Durchbildung aller Formen aber ist in den seltensten Fallen ein Kenn-
zeichen eines Meisters, der am Abschlufi seiner Entwicklung stent, viel-
mehr in der Regel eines Anfangers. Doch hier hat sie noch einen
anderen Grund. Der Meister, der die Kirchenvater gemalt und in soldier
Hohe alle Einzelheiten der Mobel, des Schreibgerates, die Falten der
Lederhandschuhe und gar die Stoffstruktur der blassgelben Mitra des
Augustinus mit aller Genauigkeit wiedergegeben hat, 43) kann nur ein Minia-
turist gewesen sein, wie die Bilder selbst ins Grofie umgesetzte Miniaturen
sind, aber selbstverstandlich nicht byzantinische, sondern gotische.44) Seine
Gotik ist keine unselbstandige Fortsetzung franzosischen Stils, sondern
eine temperierte von der Art, wie sie in Rom herrscht Es fehlt der
eigentliche Faltenschwung der Gewander.
Fing Giotto an den Langwanden des zweiten Jochs zu malen an
und ging er von beiden Seiten allmahlich gegen die Fassade vor, so
4») So schon Strzygowski, a. a. O. S. 179 u. 189, der auch Giotto bereits als
dessen SchUler ansah, dessen Beweisfiihrung mir aber ebenso wenig zwingend erscheint.
Dagegen hat schon Thode, a. a. O. S. 251 ff. die Einheitlichkeit aller dieser Malereien
ebenso treffend erkannt, wie den durch sie hindurchgehenden Zwiespalt. Dieser ist aber
m. E. durch die von Thode, Giotto, S. 19 noch immer festgehaltene Ableitung Giottos
aus der Richtung Cimabues nicht zu erklaren.
43) Man vgl. damit die Wiedergabe solcher Details mit feinster Pinselspitze im
Codice di S. Giorgio (s. S. 96 A. 1 1).
44) Im letzten Grunde sind es allerdings wohl Nachbildungen der bvzantinischen
Typen der schreibenden Evangelisten mit ihrem architektonischen Beiwerk. Wie diese
selbst ins Gotische tibersetzt wurden, dafiir bietet der Cod. di S. Giorgio Proben.
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Zur Stilbildung der Trccentomalerei. 22 o
sind das Gewolbefeld des ersten und die von ihm untrennbaren Fresken
der Bogenlaibungen desselben45) ungefahr gleichzeitig entstanden. Die
peinlichere Ausarbeiiung, die hier und besonders an den Jakobsbildern
noch zu sptiren ist, legte er als Freskeninaler bald ab, daher ist in der
Franzlegende seine Formengebung schon eine ziemlich ausgeglichene. Die
Technik hat er erst von seinen byzantinisierenden Vorgangern, neben denen
er wohl noch eine Zeit lang tatig war, erlernt. Spater wendet er die
dunkle Untermalung, die in Assisi iiberall hindurchblickt, nicht mehr an. *6)
Wer vor die Franzlegende hintritt, wird, so lange die verstreuten
byzantinischen Reminiszenzen unbemerkt bleiben, an denen es nun um-
gekehrt in ihr keineswegs fehlt,47) zuerst gewifi einen klaffenden Unterschied
gegenliber jener oberen Freskenserie der beiden ersten Joche empfinden.
Warum erscheint sie so ausgesprochen gotisch, oder, wie die Meisten
vielleicht lieber sagen werden, so lateinisch und so frei von der griechischen
Tradition? Wenn Giotto, wie man bis heute glaubt, erst hier den Stoff
vollkommen neu zu gestalten hatte, so waren noch viel stiirkere Anklange
an die byzantinisierenden alt- und neutestamentlichen Bilder in S. Francesco
zu erwarten. Der Gegensatz ist so grofi, weil dieser Freskenzyklus oflfen-
bar auf der gegebenen Grundlage der Buchillustration beruht Dann
ist es audi leicht zu verstehen, warum die Vergleichung der alteren Dar-
stellungen der Franzlegende in der Tafel- oder Wandmalerei so wrenig
Bertihrungspunkte mit den Fresken Giottos ergeben hat.48) Dafi das
Ducento noch eine andere Redaktion in der Miniatur besessen hat, ge-
winnt schon angesichts der Tatsache, dafi Giottos Erzahlung an Bonaventuras
Lebensbeschreibung des hi. Franz anschliefit, eine hohe Wahrscheinlich-
keit. Es mufi illustrierte Viten des Franziskus gegeben haben, so gut
wie die Wirksamkeit des Ordens von der Buchmalerei zum Gegenstand
der Schilderung gemacht worden ist.49) Es liegt mir fern, den gesamten
Zyklus von Assisi auf solche Vorbilder zuruckfuhren zu wollen. Manche
Szenen tragen unverkennbar den Stempel augenblicklicher originaler Er-
findung, andere mag Giotto umgestaltet haben. Die psychologisch-
dramatische Vertiefung des StorTes ist fraglos sein eigen. Aber ftir cine
45) Thode, a. a. O. S. 19 m. Abb.; Zimmermann, a. a. O. S. 283.
46) Vgl. Bertaux, S. Maria di Donna Regina e 1'arte Senese a Xapoli nel Xlll
sec, p. 102.
47) Zum (romischen?) Christustypus vgl. Zimmermann, a. a. O. S. 291 und 313.
Seine niederfahrende Bewegung (12 Fr.) und das Himmelssegment sind echt gricchische
Motive, denen weitere Hinweise auf die (Jakob iihnlichen) K('i{)fe der YViichtcr in der 6,
die Magier in der n, hier, in der 2 und 3 Freske auch auf die Faltengebung hinzuzu-
fUgen sind; vgl. auch Tikkanen, Der maler. Stil Giotto's, S. 24.
48) Vgl. die Zusammenstellung bei Thode, a. a. O. S. no ff.
49) Vgl. eine solche Darstellung bei Plon, S. Francois.
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230 °- WulflF:
Reihe von Bildern, wie jene Hauptmomente aus dem Erdenwandel des
Franz, welche die Tafel im Louvre wiederholt, werden Typen vorhanden
gewesen sein, die von ihm nur mit starkerem Lebens- und Anschauungs-
gehalt erfullt worden sind. Sie heben sich daher aus der Reihe der
ubrigen durch eine besser abgewogene Koinposition heraus. Allein der
ausschlaggebende Grund, den Meister der Franzlegende, d. h. fur mich
Giotto, aus der Miniatur herzuleiten, mufi durch die Betrachtung der
ersteren allein zu erbringen sein, wenn wir nicht fehl gehen. Hermann Grirnm
hat bereits — , freilich ohne jede Begriindung, — Giotto als Miniaturisten
angesprochen!5°) Nur in den Malereien von Assisi konnte er den Beweis
dafiir sehen.
Gleich das auflere Format der Fresken und die dadurch bedingte
ganz unmonumentale Zerlegung jedes Wandfeldes in drei Hochbilder ent-
springt der Gewohnheit des Miniaturisten, seinen Rahmen der Blattseite
anzupassen. Wie viel besser wirken dicse crsten Schopfungen Giottos noch
als Illustration des modernen Buches im Vergleich mit seinen spateren
Wandgemalden.51) Das Grofienverhiiltnis der Figur zum Bildfelde ist
demgemafl nichts weniger als auf dekorative Wirkung berechnet. Nament-
lich im ersten Bilde ist dieselbe viel zu klein genommen, ein Vcrgreifen
im Mafistabe, das schwer erklarlich erscheint, wenn die Komposition
erst fiir die gegebene Wandflache entworfen ware. Hatte ein anderer
oder gar Giotto selbst bereits als Miniaturist den Stoff gestaltet, so kann
er sich sehr wohl im An fang iiber die Notwendigkeit einer Anderung
seines Stils noch nicht klar gewesen sein. Nicht weil es zuletzt,52) sondern
weil es zuerst und im engeren Anschlufl an eine Miniatur entstanden ist,
weicht das erste Bild (Franziskus, durch den Irren verehrt) von den fol-
genden crheblich ab. Die sorgfaltige Durchbildung aller Einzelheiten,
besonders in der Architcktur, bestiitigt das wieder. Auch in der zweiten
Freskc ist die Bergformation der Landschaft und das Kleinleben der
Vegetation weit eingehender behandelt als in den spateren Landschafts-
darstellungcn (14. und 19. Freske), so dafi man darin sogar eine bestimmte
Ortlichkeit zu crkennen geglaubt hat. 53) Die Gestalten sind hier schon
betrachtlich grofier geworden, und Giotto steigert in der Folge noch
ihr Mali, urn gelegentlich wieder etwas zuruckzugehen (5. und 9. Freske).
Ein gewisses Schwanken lafit sich bis zuletzt beobachten, ohne dafi das
grundsatzliche Verhiiltnis der Figur zur Buhne eine Veranderung erfahrt
5°) H. Grimm, Das Lebcn Michelangelos, S. 10.
51) Vgl. die ganzseitigen Reproduktionen bei Perkins, a. a. O. p. 12 — 15, 25 flf., 31 ff.
52) Wie Zimmermann , a. a. O. S. 359 den auffalligen Tatbestand erklaren zu
mUssen glaubte; vgl. bei Frey a. a. O. S. 121 ahnliche iiltere Aufstellungen.
53) Kallab, a. a. O. S. 41; Sehubring, Das Museum, 1903, S. 34.
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Zur Stilbildung dcr Trecentomalerei. 231
Es wird einzig durch das Bestreben bestimmt, die Architektur in einem
der Wirklichkeit moglichst entsprechenden Grofienwert wiederzugeben.
Auffallend ist der Mangel zentraler Komposition. Nur in wenigen Szenen
steht Franz in der Mittellinie, und auch da kann man kaum von monu-
mentaler Anordnung sprechen, — weil die Gestalt meist isoliert ist und
dann urn so schwacher wirkt, wohlverstanden, als forrrialer Flachenwert,
denn Giotto weifl ihn tiberall durch bedeutsamen Ausdruck und durch die
Blickflihrung als Protagonisten hervorzuheben. Das Hauptrnittel seiner
dramatischen Schilderung bietet die Gegenuberstellung getrennter Einzel-
figuren oder Gruppen (1. und 5. Freske), er scheut selbst bei diirftigstem
szenischen Hintergrund keine Lticken (8. bis 12. Freske), ja er sucht sie
fast. Er ist ganz von raumlich-plastischer Empfindung beherrscht, stellt
seine Figuren meist auf gleicher Bodenhohe auf und fiihrt die Deckungen
vollkommen richtig durch. Er entwickelt dadurch viel mehr Raumtiefe,
als seine schmale Btihne zu enthalten scheint. Dafi wir uns diese aber
tiefer vorzustellen haben, beweist u. a. schlagend die starke Verkleinerung
der Gestalten in den Stadttoren von Arezzo bei der Teufelaustreibung.
Hier tritt der umgekehrte Fall wie bei Duccio ein, dafi sich die Kopfe
der Hintergrundsfiguren nicht liber, sondern unter statt auf dem normalen
Horizont (d. h. in Augenhohe der vorderen) befinden.
Giotto geht mit seinen beschrankten Mitteln im Weihnachtswunder
von Greccio sogar auf realistische Wiedergabe eines bestimmten Raumes
aus, indem er uns in den Chorraum der Portiuncula hineinftihrt.54) Uber-
haupt ist ein Schnitt nirgends zu sehen, am wenigsten jedoch vor dem
Weihnachtsbilde, das die erste Stelle an der Fassade einnimmt. Die Fort-
schritte, welche sich in den nachsten Szenen zeigen,55) kann der Kiinstler
sehr gut im Verlauf seiner Tatigkeit in Assisi gemacht haben, z. T. sind
sie wohl aucji, wie bemerkt, auf die Benutzung einzelner schon durch-
gebildeter Kompositionen zurtickzufiihren. Giottos kiinstlerische Grund-
richtung andert sich in S. Francesco nirgends, vielmehr entwickelt sie sich
in fortwahrender Steigerung bis zu cinem kritischen Punkte. Ist schon
beim Streit mit dem Vater eine ansehnliche Zahl sich deckender Gestalten
54) Nur so ist die von Thode, a. a. O. S. 140 und Zimmermann, a. a. O. S. 333
hervorgehobene Abweichung von dcr Legendc in der Verlegung des Wunders in eine
Kirche, d. h. auf den Schauplatz der spateren regelmafligen Wiederholung der Feier, zu
verstehen. Dafl die Portiuncula geraeint ist, verblirgt die Obereinstinimung mit der 22.
Freske, wo sich dasselbe Knizifix, von vorn gesehen, vom Lettner herabneigt, und damit
zugleich Giottos Urheberschaft an der letzteren (s. o.). Eine Parallelc bietet die 4 Freske;
vgl. Thode a. a. O. S. 124.
55) Die von Zimmermann, a. a. O. S. 334 bemerkten Fortschritte betrcffen Un-
wesentliches oder erklaren sich durch die allmahliche (jberwindung der anfanglichen
Unsicherheit bei der Umsetzung der Vorbilder oder Skizzen in den groCen MaBstab (s. o.).
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232 O. Wulflf:
zu einer Gruppe zusammengeschlossen, so wird sie iin Weihnachtswunder
noch bedeutend vermehrt. Zugleich wird hier die bereits bei der Vertreibung
der Teufel versuchte Bewegung aus der Tiefe heraus mit Entschiedenheit
aufgenommen. Beim Tode des Edlen von Celano setzen sich beide Ten-
denzcn, wenngleich noch maflvoll, fort. In der Predigt vor Honorius
strebt Giotto, einen iihnlichen Vorgang wie bei der Szene der Predigt-
erlaubnis in klarster raumlicher Gruppierung zu gestalten. Wahrend
Franz und der Papst sich dort fast im Profil in den Bildhalften gegen-
iiberstanden und nur der letztere und sein Gefolge perspektivische Reihen
bildeten, die Kopfe der Monche hingegen nach traditionellem Prinzip
mehr tibereinander aufgereiht waren, ist jener nun fast in die Mitte und
mehr in die Vorderansicht geriickt und die Richtungen der Sitzenden
schliefien sich hinter ihm im Winkel zusammen. Bei der Erscheinung dcs
Franziskus in Aries wird der bedeutend angewachsene Zuhorerkreis durch
Schragstellen der mit Riickenfiguren, vor denen noch zwei Reihen anderer
am Boden sit/en, besetzten Bank in umgekehrter Richtung erweitert. Die
Verlangerung der Wandkonsolen dient als das entsprechende, aber keines-
wegs aquivalente Mittel, um die Raumdarstellung selbst zu steigem.
Giottos Gruppen sprengen dieselbe Buhne, die Duccios Figurenmassen
nicht zu fiillen vermogen. Er entwickelt durch sie mittels Wendungen
und Richtungskontraste eine ungleich grofiere Raumillusion, als die ge-
gcbene Hneare Konstruktion zu erzeugen vermag. So diirfte denn audi
die mitunter mafllose Haufung der Gestalten in den nachfolgenden Szenen,
die sich auf den Tod des Heiligen beziehen, Giottos eigenster Absicht
entsprungen sein. Allerdings glaube auch ich nach der 19. Freske eine
gewisse Wandlung der Stilformen zu sehen, aber wieder nicht einen jahen
Wechsel, der uns berechtigen wlircle, den gesamten Schlufi des Zyklus
dem Meister abzusprechen.56) Eine starkc Beteiligung von Schtilern, die
sich ihm wahrend seiner oftenbar doch mehrjahrigen Arbeit zugesellt
haben cliiiTten, scheint mir die Abweichungcn ausreichend zu erklaren.
Es sind sichtlich mehrere fremde Hande zu erkennen, eine solche z. B.
beim Abschied der hi. Klara vom toten Franz, wieder eine andere bei
den letzten Szenen mit den uberschlanken Gestalten. Dazu kouimen
Restaurationen, die z. T. unverkennbar ins 15. Jahrhundert weisen, wie
z. T. die seitlichen Vordergrundsfiguren beim Unglaubigen an der Bahre
des Toten. Giotto hat jedoch namentlich an diesen niichstfolgenden
Szenen gewifi noch mehr oder weniger Anteil und jedenfalls die Entwriirfe
geliefcrt, wenn auch die ausftihrenden Krafte die Schuld trifft, dafi manche
56) Wie Perkins, a. a. O. p. 83, der in der 20. bis 28. Freske nur SchUler-
arbeit sieht; vgl. Thode, a. a. O. S. 255 u. Zimmermann , a. a. O. S. 348 fT., der ganz
eigenhandige Ausfiihrung annimmt.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 233
Deckungen, — so z. B. beiui Tode des Heiligen, — nicht klar genug
wirken. Schwerlich hatte er sonst in der Vollreife seines Monumental-
stils die Grunddisposition und die Hauptmotive unter Kontamination
der letztgenannten beiden Szenen in der Bardikapelle wiederholt. Aber
wie tritt dort gegen andere Kompositionsprinzipien zuriick, was in Assisi
fast als das Hauptproblem erscheint, an dem er arbeitet, eine immer
groflere Menge von Gestalten in liberzeugender, korperlich raumlicher
Tiefenaufstellung auf die Flache zu bringen! Viel zu folgerichtig wird
dieses Ziel hier verfolgt, als dafi man ihm die Schlufiszenen, in denen in
gleicher Absicht die Mittel Uberspannt werden, ganz absprechen oder
an irgend einer Stelle eine langere Unterbrechung seiner Tatigkeit an-
nehmen konnte.
Werfen wir nun einen genauer priifenden Blick auf die Raum-
gestaltung selbst — es handelt sich in erster Linie um die des Innen-
raumes — , die vor allem gegen Giottos Urheberschaft an der Franzlegende
geltend gemacht wird. 57) Soil sie doch eine Stufe bezeichnen, welche
nicht vor dem ersten Jahrzehnt des Trecento von der italienischen Malerei
erreicht worden ist. Das System Duccios wird dabei anscheinend als
die schon gewonnene Voraussetzung derselben angesehen. Ist wirklich
die raumliche Konstruktion in Assisi so viel weiter fortgeschritten, als
die des sienesischen Meisters? Worin soil diese Uberlegenheit bestehen?
Und wo kann der Ausgangspunkt der Grundschemata liegen, die hier
wie dort zur Anwendung kommen, wenn Duccio nicht ihr Erfinder ist,
wie Kallab doch meint, ohne in irgend einer Richtung eine Vermutung
zu aufiern. An die Miniaturmalerei zu denken, will uns wieder ein
anderer Schiiler WickhofTs verwehren, wenn er annimint, dafi erst Giottos
Vorgang und die neue RaumaufTassung des monumentalen Stils der
italienischen Miniaturmalerei jene Richtung auf das malerisch Raumliche
gegeben habe, die sie angeblich von der franzosischen prinzipiell unter-
scheidet.58) Kallab und Dvorak vertreten sichtlich denselben Standpunkt,
wenn der erstere (a. a. o. S. 39) den Fortschritt, der sich -in Italien um die
Wende des Jahrhunderts in der Raumdarstellung vollzieht, auf die Ver-
einheitlichung der von der spatantiken Kunst z. T. durch byzantinische
Vermittlung tiberkommenen perspektivischen Mittel zuriickfuhrt. Denn
nach Dvorak (a. a. O.) fand man erst in Italien, wo das in Frankreich
ausgebildete neue (»zeichnerische«) Darstellungsvermogen mit dem neu
erwachten Interesse fur altchristliche, byzantinische und antike Kunstwerke
57) Kallab, a. a. O. S. 41 Ax) wcist sie ins erste oder zweite Jahrzehnt des
Trecento; vgl. jedoch Anm. 78.
5«) Dvorak, Jahrb. d. K. Samml. d. Allerh. K. Hauses 1901. XXII. 65 und
Mittlg. d. Inst. f. osterr. Gesch. Forschung. 1897, S. 819.
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234 °- Wulff:
Hand in Hand ging, .den Weg vom gotischen Zeichenstil zuun plastisch-
malerischen der spaten An tike « oder >zum Naturalismus der Gesamtauf-
fassung« statt der »stilisierten Gebundenheiu, in der die franzosische
Miniatur trotz aller Bereicherung durch neue Naturbeobarhtung bis zur
Mitte des 14. Jahrhunderts stecken blieb. Es liegt mir fern, die fordernde
Einwirkung der antikby/antinischen Tradition auf die Neuschopfungen
der italienischen Malerci bestreiten zu wollen, wir werden vielmehr aut
ein wichtiges von dieser Seite aufgenommenes Element unsere Aufmerk-
samkeit zu richten haben. Aber es ist bisher nicht gelungen und wird
schwerlich gelingen, ganz bestimmte Typen der architektonischen Raum-
lichkeit aufzuweisen, die das Ducento oder Trecento als Ganzes von der
Antike oder von Byzanz aufgenommen hatte. Denn es fand dort teils
unzusammenhangende, teils viel zu komplizierte und daruin nicht entwick-
lungsfahige Gebilde. Dagegen liegen in der gotischen Miniatur, und
zwar schon in der franzosischen auf ihrer friihesten Stufe, unverkennbare
Ansatze einer Raumbildung vor, die wir bei Duccio wie bei Giotto auf
eine hohere Stufe gebracht sehen. Ein Ausblick nach Paris gibt hier
schon wichtige Erkenntnisse, trotzdem wir noch nicht imstande sind, die
Filiation zwischen dem An fangs- und Endpunkte der Entwicklungsreihe
aufzudecken.
Eassen wir deshalb einmal die Raumbehandlung ins Auge, wie sie
z. B. der beruhmte iin sechsten oder siebenten Jahrzehnt des 13. Jahr-
hunderts vollendcte Psalter Ludwigs des HI. (Bibl. nat. N. 10,525) bietet
Jede seiner ganzseitigenMiniaturen ist in ein und denselben architektonischen
Rahmen eingeschlossen. Dieser baut sich innerhalb der ornarnentalen
Bordtire in Gestalt von zwei, auf drei schlanken Saulchen (zweien am
Rande und einem mittlcren) ruhenden, unter je einem Wimperg zu-
sammengefaflten Doppelarkaden auf. Dariiber lauft die Obermauer eines
gotischen LangschirTs mit seinen Fenstern hin. Die Zwischenstiitzen in
beiden Arkaden sind fortgelassen, urn das iibrigbleibende Bildfeld nicht
noch mehr zu zcrsplittern, gelegentlich fallt selbst die mittlere Haupt-
stiitze fort, um einevollkommeneYereinheitlichung desselben zu ermoglichen.
Das ganze Rahmenwerk ist augenscheinlich noch fur sich gedacht, denn
Wolkenfransen an den gotischen Bogen zeigen an, dafi innerhalb desselben
ein idealer Raumausschnitt liegt. In diesem entf;ilten sich nun die Szenen
nicht etwa als reliefartige Kompositionen, sondern in ciner durchaus korper-
lich-raumlichen Anordnung, deren einziges Darstellungsmittel freilich die
Uberschneidung bleibt, die daflir eine um so reichere Anwendung findet
Die Formen dec ken sich z. B. im Kampfgetiimmel bis zu fiinffacher
Gliedertiefe, sie stehen vor und hinter Architekturen, Zelten und Boden-
erhebungen, welche an fangs sparlich, dann immcr reichlicher in eine oder
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 235
beide Arkaden eingestellt werden, sodafl mituntcr voin Goldgrund wenig
tibrig bleibt.59) Das Streben, Korper- und Tiefenvorstellung zu erwecken,
ist handgreiflich. Wenn audi die malerisch-plastische Modellierung fehlt,
die erst die italienische Miniatur gewirmt, so ist es jedenfalls falsch, daraus
einen prinzipiellen Gegensatz abzuleiten. Hier liegt vielmehr nur erne In-
kongruenz von Kunstwollen und Kunstinitteln vor, die friiher oder spater
auch ohne italienischen Einflufl zur Vervollkommnung der letzteren gefiihrt
haben wiirde. Mit der Entfaltung plastischer Auffassung in der Bildnerei
hebt die Gotik in Frankreich an, dieselbe wird alsbald auch in der
Malerei zur treibenden Kraft. In der Tat erfiillen ja jene Saulchen des
architektonischen Rahmens irn Ludwigspsalter genau denselben Zweck,
wie das Stabwerk an den Konigsgalerien der Kathedralen, sie betonen
auch fur die Miniatur den vorderen Abschlufl des Raumes, die nachste
mogliche Uberschneidung der Korper. Das Ganze ist daher doch von
Anfang an mehr als blofle Umrahmung. In der Plastik genligte die
Herstellung einer dem Korpervolumen entsprechenden flachen Raumschicht,
die in der Riickwand von selbst ihren Abschlufi findet, in der Malerei
fand die einmal belebte Vorstellung kein solches Hemmnis und konnte
kiihner in die Tiefe gehen. Unfehlbar gerat das Bild mit der Architektur
alsbald in raumlichen Widerspruch oder Zusammenhang, das erstere z. B.
schon im Ludwigspsalter, wenn (f. 13 v.) die Himmelsleiter hinter dem
Schlafer aufsteht, oben hingegen sich an die gotische Dachbildung an-
lehnt. Weit bedeutsamer aber sind die Falle, in denen gcwisse Bild-
elemente, namlich die in den Raumausschnitt eingestellten Architekturen,
mit dem Rahmen eine Art Verbindung eingehen. Diese erscheinen im
Ludwigspsalter in der Regel noch als unabhangige Bauten, die oft nur
aus einem flachen offenen Bogen bestehen, welcher eine rautenformige
gemusterte Innenwand sehen liifit. Dann wachsen Zinnen, endlich Giebel-
dacher iiber dem Bogen auf. Die Einstellung nimmt jedoch von Anfang
an auf den Architekturrahmen Rlicksicht, indem fast jeder Bau genau
eine halbe oder ganze Doppelarkade desselben fiillt. Im ersteren Fall wird
manchmal die fehlende Zwischenstlitze (s. o.) der Rahmenarchitektur
herabgefiihrt, um zusammen mit der mittleren die seitliche Begrenzung
des Tapetenmusters zu ubernehmen, und es bleibt nur der hochhinauf-
geriickte Zinnenabschlufi von dem eingestellten Bau ubrig(f.3ob). So entsteht
der Eindruck, als wenn das Rautenmuster den Hintergrund der Halb-
arkade der Rahmenarchitektur selbst bilde. Schiefilich wird eine, ja
werden beide Doppelarkaden bis zur Spitze hinauf mit dieser Tapete
59) Vgl. Omont, Psautier de S. Louis, pi. IV, V, XI, XVII, XXIX, XXXVIII,
XLVI, XLVIII, LIV, LXIV, LXVII und Lecoy de la Marche, Lcs Mscr. et la Miniature,
p. 203 u. 205.
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236 O. Wulff:
ausgekleidet (f. 1 1 b u. a.). Einzelne Miniaturen, wie die in ihrem Garten vor
solchein Hintergrunde badende Bathseba (f.85b),verraten freilich, dafi es sich
hier zunachst wohl inehr um eine dekorative Spielerei handelt. Aber wie
leicht konnte ein solches Bild als Darstellung eines einheitlichen Gebaudes
aufgefaflt werden, dessen Inneres man zugleich mit dem aufieren Ober-
bau, d. h. im Ludwigpsalter jener gotischen Kirchenflucht, sieht Dafi
das sicher geschehen ist, dafUr spricht die Parallele der Initialen, deren
Grundfitllungen um die Gestalt des Konigs durch Lilienornament oder
andere Musterung sichtlich bereits die Bedeutung der RUckwand eines
Zimmers angenommen hat, sobald uns z. B. Jesse auf seinem Bette mit
dariiberhangendem Vorhang in einem so geflillten quadratischen Rahmen
begegnet.60)
Kehren wir nun zu einer naheren Betrachtung der architektonischen
Raumformen Giottos in Assisi zurtick und halten wir sie mit denen
Duccios und Simone Martinis zusammen, so geben sie sich in der Haupt-
sache unschwer als konkreter ausgestaltete Neubildungen, entstanden auf
der Grundlage jener z. T. dekorativen, z. T. noch ganz unentwickelten
Architekturen der franzosischen Miniatur zu erkennen. Der Zusammen-
hang mit ihr verrat sich besonders in der Franzlegende augenfallig durch
die in verschiedenen Raumtypen vorkommende ornamentale Musterung
der Wande bis zu halber Hohe oder noch hoher. Ist sie auch als ein
vorgehangter StofT charakterisiert, so lafit doch die sparliche, das Ornament
fast gar nicht brechende Faltengebung keinen Zweifel daran, dafi sie auf
das alte Tapetenmuster der Miniatur zurtickgeht. Weder Duccio noch
Simone bewahren eine Spur davon, Giotto hingegen fiihrt sie sogar in
die nach byzantinischen Vorlagen ausgefiihrten Jakobsszenen ein. Die
anschauliche Zurlickschiebung der RUckwand durch die Einftigung der
Decke ist der entscheidende Schritt gewesen, der die trecentistischen
Architekturen von den primitiven Vorstu fen der franzosischen Miniatur
getrennt hat. Damit gewannen sie ihre Selbstandigkeit. Wir verstehen
dann leicht, wie die Malerei zu dem Kompromifi gekommen ist, gleich-
zeitig Aufien- und Innenansicht der Gebiiude zu zeigen, — was als spontane
Erfindung, an die Kallab (a. a. O. S. 33 flf. u. 27) zu denken scheint, eine dem
Entwicklungsgrundgesetz aller Kunst, das >Kontinuitat« heifit, wider-
sprechende Erscheinung ware. Die siiulenahnlichcn Stiitzen und der Hinter-
grund waren das Gegcbene, sie sind nur fiir die Anschauung klar auseinander
getreten, und die ersteren behalten ihren Platz am vorderen Bildrande.
Dafi die perspektivische Raumdarstellung von der Deck'e ihren
A us gang nimmt, daftir ergibt sich die Probe aus der Wahrnehmung,
6°) Vg\. Omont, a. a. O. pi. I.XXK ff.; Lccoy de la March e, a. a. O. p. 177; das
wird auch von Dvorak, a. a. O. S. 66 ancrkannt.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 237
dafi die Fluchtlinien des Bodens anfangs entweder gitnzlich
fehlen, mit Absicht verschleiert oder doch nur zaghaft angedeutet
werden. Ihre klare Durchftihrung wird, besonders in Siena, erst sehr all-
mahlich gewonnen, und in demselben Mafie wachst die Standflache empor.
Wo der entscheidende Fortschritt erzielt worden ist, das bleibt zu-
nachst eine oflfene Frage, nur so viel ist von vornherein wahrscheinlich,
dafi Italien das Hauptverdienst daran hat Vielleicht laflt sich noch eine
bestimmtere Vermutung (s. u.) wagen. In Assisi, nicht minder aber bei
Duccio und Simone liegen bereits mehrere Formen, deren unterscheiden-
des Merkmal die Deckenbildung darstellt, nebeneinander, die schon als
Ergebnis einer reicheren Entwicklung erscheinen. Die deutlichste Teziehung
zu den primitiven Grundtypen offenbart die Wiedergabe des Rauines als
gewolbte Halle, in die wir durch drei offene gotische Arkaden hinein-
sehen. Ich mochte darin die alteste, moglicherweise schon in Frankreich
gefundene Form erblicken, da sie sich gleichsam organisch aus der
gotischen Scheinarchitektur ergibt und das geringste perspektivischc
Konnen voraussetzt. Gait es dabei doch nur, die Gewolbrippen von
einem Bogenansatze zum anderen, der ihren imaginarcn gegenuberliegen-
den Endpunkt verdeckt, durchzufiihren, wobei es auf Richtigkeit der Kurve
sehr wenig ankam. Bei Giotto (irn Konzil zu Aries) und Simone Martini
(beim Tode des hi. Martin) tritt uns schon eine durch Sichtbarmachung
der Ansatzstellen des Hintergrundes vervollkommnete Bildung entgegen.
Duccio gebraucht dieses Schema gar nur (bei der Bestechung des Judas)
als Hintergrundsarchitektur in Schragansicht und mit Rundbogen
(weil sein Bau sonst zu hoch geraten ware) und beweist damit seine
Abhangigkeit von der einfacheren Vorstufe, die bei Giotto und Simone
auch schon eine empirische perspektivische Verschiebung der Rippen
in den Seitenarkaden aufweist. Aufgegeben ist bei beiden, also hier offen-
bar schon in der italienischen Miniatur der aufiere Oberbau, was wohl be-
greiflich erscheint, denn er hatte bei Ausgestaltung der gesamten Bild-
breite als Innenraum weiter keinen Zweck. Wo man aber, wie Duccio,
diese Deckenbildung fUr einen Teilbau anwendet, stellt sich das Dach
nach der allgemeinen Regel, die fiir solche beobachtet wird, wieder ein.
Allein bei der Darstellung kleinerer Gebaude und Hallen wenden alle
drei genannten Meister gewohnlich schon die flache Decke an, so z. B.
Giotto beim Traum des Innozenz und beim Traum und Gebet des hi.
Franz, Duccio am Hause des Pilatus, Simone in den Funeralien des hi.
Martin. Trotzdem leiten solche Raumgebilde sichtlich ihre Herkunft von
den im Ludwigspsalter noch unter die dekorative Architektur eingestellten
nur eine Bildhalfte oder noch weniger fullenden offnen Hausern und
Hallen mit den Flachbogen ab, an denen sich auch dort schon die Ein-
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2 38 O. Wulff:
fiihrung von Zwischenstiitzen beobachten lafit (Simsons Tod, f. 62). Da-
durch, dafi sie mit den Hauptarchitekturen zusammenwuchsen, sind auch
die letzteren bis an die Bildflache vorgertickt.
Ob die Einftihrung der flachen Decke, die diese Umbildungen und
Verquickungen schon zur Voraussetzung haben, zuerst an den Teilbauten
oder fur den einheitlichen Innenraum erfolgt ist, werden erst weiter-
gehende Untersuchungen feststellen konnen. Vor der Hand lafit sich
nur eine allgerneine Vermutung dariiber aussprechen, auf welchem Wege
man dazu gelangt ist. Zwei Details weisen ihr die Richtung. Bei Duccio
sowohl wie bei Giotto drangt sich die Beobachtung auf, dafi diese Decken-
bildung ineist in der Begleitung von Konsolen auftritt, und zwar in
Assisi mit dem (iberfallenden Akanthusblatt der romischen Architektur.
Wir haben es da also vielleicht wirklich mit einer aus der Anschauung
antiker Architekturmalerei, in der Kallab die Hauptgrundlage der trecen-
tistischen Raumkonstruktion sieht, entspringenden Anregung zu tun. Nicht
durch Vermittlung der byzantinischen Kunst, die dergleichen kaum uber
die altchristliche Zeit bewahrt hat, sondern aus romischen Vorbildern diirfte
das Motiv aufgenommen sein. Es bot im Kleinen ein Gesamtbild per-
spektivisch verkUrzter Glieder mit den dazwischenliegenden Teilflachen
des Gebalks und liefi sich leicht durch gleichzeitige Verwendung im Gegen-
sinne zur Gesamtansicht einer von konvergierenden Fluchtlinien durch-
setzten Decke ausgestalten. Man versteht dann leicht, warum stets bei
Duccio und einmal auch bei Giotto (im Konzil zu Aries) die Konsolen
(bier in der Umbildung zu halben Gurtbogen) bis an die Bildflache
heranreichen. Es ist das die primitive Grundform, die Duccio ganz
konservativ und schematisch bewahrt, Giotto durch eine reichere Ab-
wandlung ersetzt. In genetischer Beziehung ist die Raumbildung in
Assisi allerdings zum Teil fortgeschrittener, das beweist aber nichts ftir
die Chronologic Dafi sich Giotto hier noch in tastenden Versuchen
bewegt, lafit die mifigliickte Anbringung der Konsolen bei der Predigt-
erlaubnis erkennen, wo sich diejenigen der Ruckwand mit den benachbarten
der Seitenwande in einer Vertikale begegnen, welche als Verlangerung
der Ecke der Wande selbst erscheint, wahrend sie der Bildmitte etwas
naher liegen mtifite (wie im Louvrebilde). Und vor allem zeigt das
zweite charakteristische Detail, wie nah gerade Giotto noch dem Aus-
gangspunkt des ganzen Systems steht. Es fallt auf und stimmt ganz zur
frtiheren Beobachtung, dafi wieder regelmafiig bei Duccio61), aber sogar
6l) Bei Duccio in der Mehrzahl der Bilder auf der Rilckseite der Ancona, bei
Simone bei den Kuncralien des hi. Martin, doch entfernt sich schon der erstere gelcgentlich
recht weit von der primitiven Grundform, wcnn er einmal im Hause des Pilatus den offhen
Dachstuhl darzustellen unternimmt.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 239
noch bei Simone Martini eine Kassettendecke von einer oder wenigen
Reihen vorliegt. Giotto hat diese ebenfalls, wenngleich nur in den
kleineren Teilbauten und den aus solchen zusaminengesetzten sehr mannig-
faltigen Innenraumen der letzten Fresken, in den o. a. (7. u. 18. Fr.) hin-
gegen schon eine glatte Decke. Daflir lauft aber bei ihin eine zweireihige
Kassettendecke Uber den Bildern. die gesarnten Wande entlang, getragen
von den die einzelnen Szenen trennenden gemalten Saulen, und dartiber
ein richtiger Konsolenfries mit Gesims, sodafi gleichsain vor der Malerei
noch eine Raumschicht geschaffen ist, mit einem Wort die gleiche Kon-
struktion, die wir bei Duccio in das Bild selbst aufgenommen sehen und
von der offenbar auch Giotto ausgegangen ist. Und wenn irgendwo, so
ist hier eine Erwagung tiber ihren Ursprung am Platze.
Es ist mit Recht namentlich von Zimmermann auf das reich aus-
gebildete dekorativ architektonische Gertlst der Fresken Giottos besonderes
Gewicht gelegt und aus dem oflfenbaren Anschlufi desselben an die Cos-
matenarbeit im Verein mit der unbestreitbaren Bekanntschaft Giottos mit
romischen Denkmalern in Rom die kiinstlerische Heimat Giottos ver-
mutet worden. Wenn wir es hier mit einer ganz neuen und selbstandigen
Erfindung fur die Monumentalmalerei zu tun hatten, so ware das unstreitig
der nachstliegende Schlufi. Allein es ist ungleich wahrscheinlicher, dafi
es auch daflir Vorstufen gab, und zwar schwerlich in der Wandmalerei.
Allzu deutlich ist gerade in Assisi die enge Beziehung der cosmatischen
Ornamentik zu den aus der gotischen Miniatur hervorgegangenen Formen
der architektonischen Raumkonstruktion. Dafi auf ihrem Boden die Aus-
bildung der Flachdecke aus jenen antiken Elementen sich vollzogen hat,
beweist ihre nicht nur bei Giotto, sondern auch bei Duccio vorliegende
Vereinigung mit den diinnen Saulchen, Oberbauten u. a. Motiven der
Gotik, beweist vor allein auch die uberraschend schnelle Verbreitung,
die das ganze System gefunden hat Um die Wende des Ducento ist
es da, man weifi nicht woher. Das erkl&rt sich nur, wenn die bahn-
brechende Neuerung sich von einem Zentrum verbreitete durch die be-
weglichste Kunst, die Buchmalerei. Fur Giottos Herkunft aus einer
Miniatorenschule aber haben sich uns schon schwerwiegende Griinde er-
geben. Da verdient es doppelt Beach tung, dafi gerade die Gewolbfreske
der vier Kirchenvater, die nach Typus und Ausfiihrung am allerdeut-
lichsten die Abhangigkeit von einer solchen Vorlage verrat, auch das
reichste Beiwerk im Cosmatenstil enthalt Diirfen wir nun daraus allein
auf Rom schliefien, wo fur die Voraussetzung einer selbstandigen Illu-
minierschule jeder Anhalt fehlt? Siena und Bologna mit ihrer ganz
anderen Ornamentik kommen vollends nicht in Frage. Dagegen wohl
eine dritte Schuie, die wir nicht vergessen diirfen, weil wir von ihr noch
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240
O. Wulff:
kaum eine Anschauung haben, — die umbrische. Umbrien beherrschen
die Cosmaten weithin im Tibertal, das hinauffiihrt bis Gubbio, dessen
»Ruhm« Oderisi war. Dafi dort eine solche Biicherdekoration entstehen
konnte, dafi in der umbrischen Miniatur zuerst Innenraume mit einer
daraus gewonnenen Flachdecke dargestellt wurden und dafi Giotto dort
seine erste Schule durchgemacht hat, ist eine Folge von Moglichkeiten,
die alle Besonderheiten der Fresken von S. Francesco erklaren wiirde.
Aber lassen sich daftir Beweisgriinde beibringen? Dafi Vasari (Vita di
Giotto) Oderisi einen Freund Giottos nennt, wiegt an sich nicht viel,
es konnte wie seine Beziehungen zu Cimabue aus der Stelle bei Dante
(Purg. XI, 79) gefolgert sein, wo der Miniator sein Schicksal mit dem Er-
folge Giottos uber jenen vergleicht. Mehr Beach tung verdient schon
der Uinstand, dafi ein Petrus Oderisi geradezu als Urheber von Cos-
matenarbeit bezeugt ist, ein Roberto Oderisi als neapolitaner Lokal-
meister. 6*) Das spricht immerhin ftir ziinftige Verbreitung des Namens.
In erster Linie ist aber doch zu betonen, dafi schon der StorT der Franz-
legende dieser friih bertthmten Illuminierschule wahrhaftig nahe genug
lag. Dort eine Redaktion voraussetzen, auf der Giotto fufit, ist daher
nicht allzu ktihn. Glticklicherweise findet sich nun aber auch ein ge-
wisser Anhaltspunkt, an den die ganze Deduktion sich iin Endresultat
ankniipfen lafit, und durch den die Hypothese an positiver Bedeutung
gewinnt.
Von Oderisis eigenen Arbeiten oder solchen seiner Schuler scheint
nicht ein Blatt mehr erhalten.63) Eine Nachfolge hat man dennoch bei
einem so gefeierten Meister anzunehmen alle Ursache. Und so konnen
Elemente seiner Kunst recht wohl noch ein Jahrhundert an Ort und
Stelle fortgelebt haben. Sie finden sich augenscheinlich noch bei Otta-
viano Nelli,64) einem Ktinstler, dessen Gestaltenbildung schon tiber das
Trecentistische* gereift und derjenigen Gentiles verwandt erscheint Um
so mehr befremdet die absonderliche Einordnung der Figuren seines
Hauptwerkes, der Madonna in S. M. Nuova zu Gubbio, in eine ganz
flache Nische mit gemalter Umrahmung. Diese aber besteht aus zwei
6») Des Grabmals Clemens' IV (f 1268); Cicerone. 8. Aufl. I. S. 103. n; zu Roberto
Oderisi vgl. Berenson, Rep. 1900, S. 448.
63) Dvorak, Jahrb. usw. S. 65 beschriinkt sich hinsichtlich der umbrischen Schule
leider auf die S. 94 wiedergegebene Bemerkung und bringt gar (Mittlg. usw. S. Su)
Oderisi in die engste Beziehung zur Bologneser Miniatorenschule, wahrend Dantes Zeugnis
(Purg. XI, 79) vielmehr auf einen gewissen Gegensatz zu dieser schlieflen laflt. Vasari
besafi angeblich Arbeiten Oderisis wie Franco Bologneses (Vita di Giotto).
*4) Obige Voraussetzung trifft vollkommen mit dem Urteil Crowe und Caval-
caselles, Storia della pitt. in It. IX, p. 51 ff. Uber diesen Meister zusammen, die auch das
miniaturenhafte Element in der Madonna von S. M. Nuova bcreits erkannt haben.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 241
gewundenen, reich figurierten gotischen Saulchen, die eine schmale
Kassettendecke mit Akanthuskarnies tragen, wiederholt also das kohstruktive
Motiv der Dekoration von S. Francesco, ftir das man hier schwerlich eine
andere iiberzeugende Ableitung nachweisen wird. Dafi es der Tradition
der Miniatur entstammt, bestatigt vollends der Hintergrund, der nicht als
einfacher Goldgrund, sondern in einem Muster durchgefubrt ist, welches
auffallende Ahnlichkeit mit dem Tapetenornament in Giottos Freske der
Erscheinung des hi. Franz vor dem schlafenden Gregor hat. Und eine
Spielerei wie die Reliefspirale liegt ganz in der Richtung der Cosmaten-
kunst, wenngleich ein plastisches Beispiel nicht bekannt scheint, und
gemahnt an Giottos Nachahmung der Trajanssaule in Assisi. Alles das
ist so eigenartig, dafi man die Zusammenhange schwer bestreiten kann.
Wenn aber den sich hier ergebenden Schllissen einige Beweiskraft inne-
wohnt, so deutet alles darauf hin, dafi Oderisis Stil wohl einen engeren
Zusammenhang mit franzosischen Vorbildern hatte, womit die Beziehung
der von ihm geiibten Kunst auf Paris bei Dante in bestem Einklang stent
Es schien mir moglich und daher geboten, der Zurlickfuhrung des
frtihen Stils Giottos auf die Miniatur eine bestimmtere Richtung zu geben.
Nur so kann diese Betrachtung vielleicht neuen Untersuchungen einen
Ausgangspunkt bieten. Wenn die Kunstgeschichte aufhoren wolite, mit
den Wirkungen verlorener Grofien wie Oderisi zu rechnen, so wtirde sie
nur den Schein der Exaktheit wahren. Wie jede Hypothese so wird
auch diese ihre Berechtigung dadurch zu erharten haben, ob sie sich zur
weiteren Klarung der Tatsachen dienlich erweist. Der Grundgedanke
bleibt aber auch ohne jene weitergehenden Vermutungen bestehen. Zu
seinen Gunsten spricht zunachst noch manches in den bisher unbeachtet
gelassenen Bildern der Franzlegende, die uns nicht in einen Innenraum
oder doch in keinen geschlossen gedachten hineinsehen lassen. Die
Naturszenerien in S. Francesco sind von Kallab (treffend?) als naturalisierte
Umbildungen der traditionellen Landschaft der maniera greca charakte-
risiert worden, mit der sie nur noch eine entfernte Ahnlichkeit besitzen.
Eine Entwicklung von grofierem Reichtum und mannigfaltigerer Durch-
bildung der Einzelheiten zu vereinfachter Zusammenfassung grofier Formen
lafit sich selbst in den wenigen Beispielen (2, 14, 19 Freske) nicht ver-
kennen. Giotto bedient sich aber ungleich haufiger, wo er den unbe-
deckten Raum wiedergibt, einer anderen weit einfacheren Form, namlich
eines niedrigen Bodenstreifens, an den Architekturen u. a. m. dicht herange-
rtickt erscheinen, obwohl sie, wie uns das Wunder von Arezzo beweist, mit-
unter in einer betrachtlichen Entfernung gedacht sind. Dazwischen
klaflfen Lticken, die der blaue Grund ftillt, am auffalligsten in der Vogel-
predigt, wo zwei Baume zur Andeutung des Schauplatzes ausreichen
Repcrtorium fiir Kunstwissenschaft, XXVII. j n
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t42 O. Wulflf:
mlissen. Wir haben es also hier mit einer abstrakteren Raumdarstellung
zu tun, der Giotto gerade durch den horror vacui klinstlerische Wirkungen
abzugewinnen weifi, besonders wenn er den Beschauer in ein himmlisches
Bereich entrticken will, wie bei den Visionen von den Stiihlen und der
feurigen Wolke. Diese Darstellungsweise ist aber von Grund aus un-
monumental. Sie beweist am klarsten, dafl Giottos Kunstabsichten hier
noch weit entfernt sind von dem Streben, die gesamte Bildflache dekorativ
auszugestalten, wenn er das auch instinktiv in seinen glucklichsten Kom-
positionen einigermaflen erreicht Eine solche Raumgestaltung wider-
spricht namentlich dem byzantinischen Stilprinzip, das bei bildmafiigem
Zusammenschlufl entweder die Standflache ansteigen laflt oder den Hinter-
grund durch Architektur und Landschaft abzuschliefien sucht Im ein-
zelnen soil darum der Ursprung mancher zum Teil recht phantastischen
Architekturgebilde, wie der freistehenden Apsiden und Nischen, Baldachine
u. a. m. aus griechischen Anregungen nicht bestritten werden.65) Solche
sind der Miniaturenschule, aus der Giotto kommt, sicher nicht fremd
geblieben, hatten aber offenbar bereits eine starke Umbildung in die
antikisierenden Cosmatenformen erfahren (s. o. Anm. 44). Selbst seine
Gewolbe entwickelt Giotto gelegentlich aus der Form der einfach oder
doppelt geschwungenen Konsole (11. u. 16. Freske). Mehrere Teilbauten
oder Gerate werden nicht selten in verschiedenen Ansichten auf einem
Bilde vereinigt und hochstens, wie bei Duccio (s. S. 107 ft*.), durch den
Parallelismus der Linienrichtungen in Harmonie gebracht (Vision von den
himmlischen Stiihlen). Von einem festen Standpunkt kann aufier bei zu-
sammenhangenden Innenraumen noch weniger die Rede sein als von ein-
heitlichem Horizont Dieser liegt im geschlossenen Raum anscheinend
hoch, im unbedeckten hingegen ziemlich tief,66) wie die bemerkenswerte
Vorliebe flir die Untersicht erkennen laflt, welche immer darauf abzielt, die
vorkragenden Dacher, die Decken der Loggien, ja der nur wenig iiber
oder gar unter Augenhbhe der Figuren befindlichen Vorhallen (des Tempels
von Assisi und der Lateranbasilika) sichtbar zu machen. Ebenso er-
scheinen gleichsam vom Standpunkte der Gestalten des Bildes die oberen
Dachflachen in vortreff licher perspektivischer Verschiebung bis zur volligen
Unsichtbarkeit. Die noch in den Evangelistenfresken Cimabues fest-
gehaltene Aufsicht auf das Gesamtbild einer Stadt schlagt bei Giotto in
dem Wunder vor Arczzo in das gerade Gegenteil um. Ist dergleichen
aus einer noch so kraftigen Entwicklung eines Talents begreiflich oder
zwingt es nicht eher zur Annahme einer ganz anderen Grundlage? Gewifi
65) Zu den einzelnen Motivcn vgl. Volkmann, Bildarchitekturen. Berlin, 1900.
(l)ivs.), der aber dem genetisehen Problem gar nicht nachgegangen ist.
(/>) \)\c<c L'ntersebiede hat Kallab a. a. O. S. 35 flf. zu wenig berticksichtigt.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 243
ist der Meister der Franzlegende, wie nicht zuletzt sein unverkennbares
Streben nach Wiedergabe zeitgenossischer Bauten beweist, von lebendig-
stem Wirklichkeitssinn erfullt, doch (iberlieferte und an sich wohl brauch-
bare Formen sind ein nicht so leicht abzustreifender Hemmschuh. Ihm,
d. h. Giotto, wurde aber der schnelle Aufschwung erleichtert, weil er
auch ftir solche Szenerien augenscheinlich von der ungleich natlirlicheren,
wenn auch vielleicht noch wenig entwickelten Raumbehandlung der
Miniatur ausging. Vergleichen wir nur diese im Ludwigspsalter, so findet
sich alles schon dort im Keime ganz ahnlich vor: der niedrige Boden-
streifen, auf den Baulichkeiten, Figuren u. a. m. unbektimmert um klaffende
Zwischenraume hingestellt sind, und vor allem der obere Abschlufi selbst
groflerer Architekturkomplexe im reinen Profil mit Vermeidung der Aufsicht
auf hochliegende Flachen.67) Einige Fortschritte dartiber hinaus mogen
Giottos Vorganger schon in der italienischen Miniatur erzielt haben.
Scheint sich Giottos Ursprung aus der Miniatur nach alien Richtungen
zu bewahrheiten, so soil darum nicht behauptet werden, dafi sein Stil
sich in Assisi nicht schon gewaltig tiber sie hinaus entwickelt habe. Das
hat er unleugbar, nur nicht ins Monumentale, geschweige denn ins Deko-
rative. Giottos Ziel ist vielmehr in S. Francesco reinstes Wahrheits-
streben, in gewissem Sinne Illusion. Die Realitat des Geschehens will
er mit alien Mitteln geben. Vor einem platten Realismus freilich, an
dem Simone manchmal nahe genug vorbeistreift, bewahrt ihn sein un-
vergleichlicher dramatischer Sinn. Die Konzentration der Handlung, die
dramatische Geberde, die konkrete Ortsbezeichnung und die Versuche
der Wiedergabe kiinstlicher Beleuchtung, die weitgehende Berllcksichtigung
der natiirlichen Grofienverhaltnisse von Figur und Umgebung und nicht
zum mindesten die klare Einstellung der ersteren in den Raum, alles
dient dem einen Zwecke. Durch diese, die er dank seinem sicheren
Blick fur die greifbare korperliche Form, aus der auf die Deckungen
(bezw. Uberschneidungen) gegriindeten Method e der Buchmalerei heraus-
bildet, nicht durch die Raumkonstruktion an sich iibertrifft er Duccio,
wenngleich er auch die letztere geistvoller und ktihner handhabt Hier
tauscht in der Tat einmal individuelles Vermogen liber die Mangel der
Entwicklungsstufe. Und immer schwierigere Aufgaben stellt er sich in
Assisi, immer mehr soil das Bild umfassen, — zuletzt fraglos zu viel.
Das ist der kritische Punkt
Wegen dieser offenkundigen Entwicklung eben, wird man vielleicht
einwenden, kann der Meister der Franzlegende nicht der Giotto sein, der
*7) Vgl. die Stadtdarstellungen u. a. Beispiele bei Omont, a. a. O. pi. XL VI,
LXXXV1I, LXXXIX. Duccio hingegen gibt im Gange nach Emmaus eine solche nach
byzantinischer Weise mit Aufsicht.
17*
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244 °- VVulff:
in der Arena im Vollbesitz eines reifen Monumentalstils erscheint. Wer
so urteilt, moge aber zuerst die Gegenfrage beantworten: gibt sich etwa
der Meister des Tabernakels von St. Peter leichter in der Scrovegnikapelle
zu erkennen? Der Maler des romischen Altarwerks aber ist noch durch-
aus der Giotto, der von Assisi kommt. Nicht auf das Hauptbild des
thronenden Christus, dem allerdings ein monumentales, aber sehr primi-
tives Schema gotischer Malerei zugrunde liegt, wie es noch ein Orcagna
im Paradiese anwendet, mit der Hauptfigur in voller Ansicht und den
symmetrisch verteilten Reihen von Engelkopfen ist dabei Gewicht zu
legen, noch weniger auf die isolierte Madonna zwischen den Aposteln,
sondern auf die noch wenig beachteten Rlickseiten der Fliigel mit den
Martyrien des Petrus und Paulus. Da hat sich der Meister wie zuletzt
in Assisi die Aufgabe gestellt, die Menge in klarer raumlicher Aufstellung
zu geben. Er verschiebt die vorderen Gestalten paarweise oder in mehr-
gliedriger Reihe so gegeneinander, dafi perspektivische Tiefenrichtungen
entstehen, lafit andere durch den Wechsel der Wendungen gleichsam ein
Stlick Raum umstehen (Gruppe mit Paulus), wendet, allerdings nicht ganz
folgerichtig, Verkleinerung an, lost einzelne ganz heraus (der Henker,
Magdalena), schlieflt sie hinten zu gedrangten Gruppen (Krieger) zusam-
men, schichtet sie in Planen oder trennt sie durch die Figuren der Rosse,
ja durch Architekturen. Wo Uberschneidungen entstehen, verfehlt er
nie, klare Durchblicke zu geben, und in diesen ist alles voll Leben.68)
Aber selbst die Bewegung aus der Tiefe finden wir wieder. Die vor dem
Blutgeruch zuriickscheuenden Pferde bei der Enthauptung drangen aus
dem Bilde heraus. Und damit nicht genug, auch die Berglandschaft er-
innert hier in ihrem beiderseits ansteigenden Bau und in dem Aufblick
zu der rechts die Hohe kronenden Rotunde aufs lebhafteste an die
68) Wegen der durchaus gleichartigen Figurenaufstellung mochte ich die kleine
Kreu/.igung der Berliner Galerie (N 1078 A), die auflerdem einc Reihe echt giottesker
Elemente aufweist, flir ein nicht viel spiiteres eigenhandiges Werk halten; vgl. Die Gem.-
Gal. zu Berlin. It. Schulen d. 14. Jh. S. 2 (Schubring). So kommt die Frauengestalt
mit den zurtickgeworfenen Handen auch bei der Kreuzigung Petri vor, die gedr&ngten
Gruppen der Krieger des Hintergrundes mit den flachen Gesichtern in beiden Martyriums-
szenen des Tabernakels. Der Pferdetypus mit den langen, schmalen Kopfen ist der
gleiche. Eine einheitliche Gesamtstimmung, bei der selbst die Tiere nicht teilnahnilos
bleiben, und ein ganz giottesker-physiognomischer Ausdruck beherrscht auch das Berliner
Bild. Der Gekreuzigte kommt dem der Arena sehr nahe mit Ausnahme der Proportionen,
dieselbe aufierste Schlankheit des Akts aber zeigt wieder der Petrus am Kreuz, bei dem
der Goldgrund trotz der raumhaften Anordnung der Gestalten ebenso tief herabreicht.
Die etwas harte Farbe ist hier wie dort vor allem Triigerin der Raumwerte. Den Aus-
schlag gibt, was man gerade zun'achst einzuwenden haben konnte, die zu klein geratenen
Hande der Kinder und Krieger, in Rom auch des Henkers, die nur aus der Gewohnung
des Miniaturisten an einen kleineren MaOstab zu verstehen sind.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 245
Szenerie der Mantelspende in S. Francesco. Die mehr zusamrnenfassende,
das Vielerlei unterdriickende Formengebung von Fels und Biiumen ent-
spricht dabei ganz der in der Stigmatisationsfreske erreichten Stufe. In
der wirksamen Art der Beleuchtung kommt ein treflfliches Hilfsmittel
hinzu, urn die Aufsicht durch Verktirzung der schwach ansteigenden
Flache zu ersetzen. Kurz, aus allem spricht das gleiche Ringen nach
Illusion. Und zeugt nicht auch das Zereinonialbild des Papstes Boni-
fazius VIII., der das Jubilaumsjahr 1300 verkiindet, wie es uns eine Zeich-
nung der Ainbrosiana noch als Ganzes, nach dem Vergleich mit dein
erhaltenen Teil zu urteilen, offenbar recht genau wiedergibt,^) von dem
gleichen Streben, sich der Wirklichkeit im vollen Umfange zu bemachtigen.
Man kann es mit demselben Rechte wie so manche Freske der Franz-
legende eine vergrofierte Miniatur nennen.
Und doch war es in Rom, wo Giotto die Erleuchtung kam. Frei-
lich nicht der romische Aufenthalt an sich brachte die Umkehr. Dafl
Giotto schon frtiher dort gewesen ist, macht die wirklichkeitsgetreue Dar-
stellung der Lateranbasilika, der Trajanssaule und des Septizonium nicht
ganz unwahrscheinlich. Seine »Lehrzeit« braucht er deswegen dort noch
lange nicht durchgemacht zu haben, so wenig wie der ktinstlerische Fort-
schritt innerhalb der Franzlegende dazu nbtigt, einen Zwischenaufenthalt
in Rom anzunehmen. Es war vielmehr eine ganz bestimmte Aufgabe,
die eine neue Erkenntnis in ihm ausloste und zwar dank der Berlihrung
mit einer von der seinen grundverschiedenen Kunstweise, zu der sie den
Anlafl bot. Wenn auch die Annahme, dafl Giotto nicht der alleinige
Schopfer des Mosaiks der Navicella gewesen sei,7°) sich auf kein aus-
drtickliches Zeugnis stiitzen laflt, so liegt es doch auf der Hand, dafl er
sich in einer ihm bisher ganz fremden, auch spater nie wieder von ihm
getibten Technik einer Hilfskraft und dabei zugleich des Rates eines er-
fahrenen Mosaizisten wie Cavallini oder eines anderen Meisters der
romischen Schule bedienen mufite. Es muflte ihm bald klar werden, dafl
im Mosaik mit seinen bisherigen Kunstmitteln keine Wirkung zu erzielen
war. Und wenn es ihm nicht schon bei der Anschauung der alten und
neuen Apsisbilder Roms wie Schuppen von den Augen fiel, so hatte sich
schwerlich eine ausfuhrende Hand fur eine Vorlage gefunden, die den
Bedingungen der Technik nicht angepaflt war. Die Navicella steht
— nicht zufallig! — als erste wahrhaft monumentale Komposition Giottos
*9) Vgl. die Abb. nach der in der Ambrosiana bewahrten Zeichnung bei Zimmer-
mann, a. a. O. S. 403.
7°) Thode, Giotto, S. 60; vgl. Clausse, Basil, ct mos. II, p. 412. Die Notiz aus
detn sogen. vatikanischen Nekrolog, dessen Angabe (»per manus ejusdem — pictoris«)
aber kaum wbrtlich zu nehmen ist, vgl. bei Zimmermann, a. a. O. S. 3S9, A. 3.
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246 O. Wulff:
da. Vor der Kopie bei den Cappucini (von 1629) verdient das Mosaik,
obgleich es selbst nicht viel mehr als einige Streifen des Goldgrundes
von seinem urspriinglichen Bestande bewahrt und seinerseits nach
der ersteren restauriert ist,7i) in dieser Hinsicht unbedingt den Vorzug.71)
Hier hat sich die geschlossenere Anordnung der Figuren offenbar auf Grund
der Hauptlinien des Originals erhalten. Sie fallen reliefartig fast die
ganze untere Halfte der Gesaintflache und sind auf drei Plane verteilt,
wahrend das gewaltige Segel mit den Windgottern auf Wolken die obere
einnimmt Giotto hat zwar dadurch, dafi er die letztere leerer Hefi, den
weiten Luftraum und durch sehr gliickliche Anordnung des Horizonts
und Durchblicke die unendliche Meeresflache dem Beschauer vollkommen
flihlbar gemacht, aber das Schiff und die beiden Reihen der Gestalten
hat er in reinster Parallele gegeben. Es hatte hier nahe genug gelegen,
sie zusammenzuballen und die Bewegung aus der Tiefe kommen zu lassen.
Trotzdem bringt er einmal durch das Auseinanderziehen der Figuren,
zweitens durch die noch durchaus seinem friiheren Schaffen entsprechende
Verrlickung der Hauptfiguren an den Bildrand die Blickrichtungen unter
eine seitliche Dominante. Der Fischer wird links als Gegengewicht
eingefuhrt und so der vorderste Plan hindurchgelegt, in der Mitte aber
geoffnet. Die Bedeutung der Mittellinie des Bildes ist darum nicht ver-
kannt, Giotto hat ihren asthetischen Wert vielinehr aufs glticklichste aus-
genutzt, indem er den Mast in ihre Nahe brachte und durch seine Ab-
weichung von ihr in mafiiger Schraglage das Schwanken des Schiffes trotz
seiner fast wagerechten Parallelstellung auszusprechen wufite. Es ist klar,
dafl er seine Kunst hier bewuflt auf neue Prinzipien gestellt hat, aber
mit Bewahrung seiner eigenen Typen, Stellungen (namentlich auch des
Petrus in der Kopie) und seines Gewandstils, ja sogar fruchtbarer Elemente
seiner Komposition. Und doch verrat sich in der Anordnung Christi in
vollster Vorderansicht zum Beschauer bei ganz seitlicher Aktion die der
altchristlich byzantinischen monumentalen Tradition entspringende An-
regung, nur hat Giotto ihr eine auf den Einzelfall berechnete hohere
Wirkung abgewonnen, denn die Hilfe, die der Herr Petrus gewahrt, er-
scheint dadurch als eine im Vorbeigehen mit spielender Wunderkraft sich
vollziehende Tat
Dafi diese Abklarung seines Jugendstils der Beruhrung mit der ro-
mischen Mosaizistenschule und mit ihren byzantinischen Typen zu ver-
danken ist, beweisen die schon von Zimmermann (a. a. O. S. 320) hervor-
7«) Zur Geschichte der Zerstcirung und Emeuerung des Mosaiks vgl. Zimmennann,
a. a. O. S. 390.
7*) Wie auch Zimmermann, a. a. O. S. 393 anerkennt, dessen Erlautening der
Einzelmotive zu vergleichen ist. Pie Evangelisten hiilt er mit Recht ftir spjitere Zutat
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Zur Stilbildung dcr Trcccntomalcrci. 247
gehobenen — , freilich in ganz anderem Sinne gedeuteten, — Beziehungen
zwischen Cavallinis Mosaikbildern aus dem Leben Marias in der Apsis
von S. Maria in Trastevere (1291) und einzelnen Elementen in Giottos
Kunst.73) Zimmermann ist (a. a. O. S. 327 ff.) so weit gegangen, dem
damals kaum 24jahrigen Giotto die Entwiirfe, ja die Kartons dieser
ftiosaiken zuzumuten. Seinen Hauptbeweis bilden eine Reihe von Typen,
welche bei beiclen Meistern vorkommen. Allein die Ubereinstimmungen
sind teils durchaus nicht so enge, — das gilt vor allem fUr den Engel-
und den starker byzantinisierenden Christustypus Cavallinis, — teils rein
ikonographischer Natur, und zwar z. T. in Typen von zweifellos byzan-
tinischer Herkunft, wie sie schon a priori weit eher bei Cavallini zu er-
warten sind. Daher ist es bezeichnend, dafi sie uns bei Giotto erst in
den Fresken der Arena oder frtihestens im romischen Tabernakel be-
gegnen. Was will es besagen, wenn der Paulus aul dem letzteren eine
allgemeine Ahnlichkeit mit dem des Widmungsmosaiks von S. M. in Traste-
vere hat! Giotto hatte alien Grund, sich dem damals in Rom, wenn
nicht noch weiter, gangbaren Typus des Apostelfursten anzuschlieflen, und
an einer individuellen Farbung des Kopfes, der die byzantinische Scharfe
sehr abgemildert zeigt, fehlt es seinem Paulus wahrhaftig nicht. Echt
byzantinisch aber ist vor allem der Greisentypus mit dem langen in
Strahnen aufgelosten Bart Simeons (und des ersten Magiers) bei Cavallini, 74)
der in den Arenafresken als Simeon und Hohepriester in mannigfal tiger
Abwandlung wiederkehrt, ferner der Joseph, entfernt diesem und dem
Joachim Giottos verwandt, — byzantinisch endlich das rundkopfige Kind
mit den kahlen Schlafen, das wohl auch auf Giottos spatere Auffassung
des Christusknaben nicht ganz ohne Einwirkung geblieben ist Dagegen
schlagt in den Mosaiken nirgends der allgemeine, so charakteristische
Kopftypus Giottos durch, wie es doch bei umgekehrtem Abhangigkeits-
verhaltnis zu erwarten ware. Die weiblichen K6pfe bieten die vollkom-
menste Gegenprobe darauf, es sind verwasserte byzantinische Gesichter
mit geschwungenen Brauen und kleinem Mund. Die Komposition, der
nach Zimmermanns eigener Wahrnehmung durchweg das griechische
ikonographische Schema zugrunde liegt, ist nur gleichmafiiger abgewogen,
die Harte auch darin gemildert. Von »hoherer Belebung« sehe ich wenig.
Weder in der Verkiindigung, noch in der Darstellung im Tempel sprechen
die Geberden mehr aus als in irgend einer besseren griechischen Malerei.
Was bleibt da von Giotto, der in jedem Werk eine ganz andere Ur-
spriinglichkeit beweist, noch tlbrig? — Etwas sehr Auffalliges, scheint es
zunachst, denn doch.
73) De Rossi, Mus. cristiani; vgl. jedoch Hermanin, a. a. O. p. 88 u. 106.
74) Vgl. Dobbert, Jahrb. d. Kgl. Pr. K. Samml. 1894, S. 214.
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248 O. Wulff:
In der Szenerie bemerken wir unleugbar ganz ahnliche Architek-
turfonnen, so z. B. das merkwlirdige Gebaude mit vorspringenden Fliigeln
und Soller darttber in traditioneller Aufsicht (Darstellung i. T.), sowie die
in den Cosmatenstil umgebildeten Gerate (Ciborium ebenda, Thron in
der Verkundigung), dazu (in der Anbetung) sogar eine allerdings recht
klimmerliche Berglandschaft mit Burg (oder Kloster?) auf der Hohe.
Solche Ziige gerade diirften schon Vasari (Vita di Giotto) bestimmt haben,
Cavallini zu Giottos Schuler zu machen. Die wahre Losung des Ratsels
ist wieder schwerlich in individuellen Beziehungen zu suchen. Vielmehr
dtirfte, bevor Giotto aus Assisi nach Roin kam, die Miniaturenschule, aus
der er hervorgeht, die rornische Kunst bereits beeinfluflt haben. Um
1 29 1 erscheint aber dieser Einflufi bei Cavallini noch ungleich schwacher.
Trotzdem ist in dem verraterischen Rautenmuster der Vorhange in der
Geburtsszene das miniaturenhafte Element unverkennbar. Und noch viel
wichtiger ist, dafl sich hier auch die Kassettendecke schon vorfindet, —
aber in wie zaghafter Anwendung. Noch fehlt dem Raume selbst wie
im griechischen Vorbild (z. B. in der Kachrije-djami) die Decke, die
Rtickwand allein ist als eine Art Pfeilerstellung, zwischen der die Vor-
hange befestigt sind, von ihr iiberspannt. Wenn nun in alledem auch
unmoglich ein Beweis ftlr Giottos Einflufi gesehen werden kann, —
der ftir seine Abstammung von der romischen Kunst liefie es sich
umgekehrt wohl geltend machen. Und wenn jemand zu zeigen vermag,
dafl in Rom eine selbstandige Miniaturenschule, von der wir bisher
nichts wuflten, bestand, — so will ich dem nicht widerstreiten. Viel
wahrscheinlicher bleibt mir vor der Hand, dafl es die umbrische Schule
Oderisis war, welche die rornische Provinz beherrschte und der Gotik
in der Malerei Eingang verschaffte, dafl sie aber allerdings mit der Cos-
matenkunst in einem engen Verbal tnis des Austausches von Formen und
Ktlnstlerkraften stand. Wenn wir bedenken, dafl die Cosmaten bei der
Herstellung von Bischofsstiihlen, Altarschranken u. dgl. gewifl nicht ohne
zeichnerische Entwurfe auskommen konnten, mogen diese auch noch so
inkorrekt gewesen sein, so stellt sich die Architekturzeichnung als die
gegebene Vermittlerin zwischen den antiken Formen und der Malerei
dar, und diese braucht gar nicht unmittelbar an malerische Vorbilder
der Antike angekniipft zu haben. 75) Die gotische Miniatur aber ist es
erst gewesen, die jene Motive verallgemeinert und dadurch ftir die Zwecke
der Darstellung ausgebildet hat und deren rtickwirkenden Einflufi wir in
den romischen Mosaiken vom Ende des Ducento spiiren. Das erklart
75) Dasselbe gilt viclleicht von der Schragansicht der Teilbauten, durch die sie
erst ihre voile Korperlichkeit gewonnen haben, wenngleich daftir schon die verbreiteten
Bildarchitekturen der byzantinischen Kunst die Anregung gebotcn haben mbgen.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 249
zugleich, wie die neue Errungenschaft schon im ersten Jahrzehnt des
Trecento Allgemeingut geworden ist In Rom besitzen wir dafiir ein
noch viel deutlicheres, dem Auftreten Giottos um die Jahrhundertwende
hochstens gleichzeitiges monumentales Zeugnis. In einein solchen Denk-
mal schon seinen personlichen Einflufl erkennen zu wollen, hat seine Be-
denken.
Deshalb glaube ich auch, dafl Vasaris Zuschreibung der Fassaden-
mosaiken von S. M. Maggiore an seinen Freund Gaddo Gaddi wieder
einzig und allein auf der Beobachtung gewisser allgeineiner Ahnlichkeiten
der Bilder mit Giottos Kunst beruht. Sobald wir seine Angabe fallen
lassen, liegt gar kein Grund vor, die Kunstlerinschrift des Rossuti auf
den von Engeln umgebenen Christus zu beschranken.76) Sie steht am
Mittelstlick, gilt aber wie in S. M. in Trastevere fiir das Ganze. Die un-
gleich eher als Gaddos Werk anzusehende Kronung Marias im Dom zu
Florenz ist mit diesen Mosaiken schwer zusammenzureimen. Dort hat
mehr das goldgelichtete Gewand, hier das Antlitz der Jungfrau mit dem
Kinde oder neben Christus in der Aureole byzantinischen Typus bewahrt,
doch ist es der abgemilderte romische. Die himmlischen Gestalten sind
aber auch die einzigen noch byzantinischen Elemente, alles iibrige ist
hier Gotik. Einige Anklange an Giottos Figuren (Traum des Innocenz)
in dem ersten Schlafer und besonders in dem am Boden sitzenden
Wachter oder im thronenden Papst sind ganz allgemeiner Art und be-
weisen nur, dafi die Miniatur fiir solche Szenen eben schon recht aus-
gebildete Typen besafi. So ist denn auch wieder das Rautenmuster da.
Diese Mosaiken geben uns wohl (iberhaupt die beste Vorstellung von
der Stufe, die die Illuminierkunst wahrend Giottos Lehrzeit erreicht hatte.
Die Raumkonstruktion, die mit ihrer Vorliebe fiir die iiber Eck gestellten
Gewolbe, ftir Durchblicke auf dahinterliegende Wolbungen oder Wande
mit Spitzbogenfenstern, fiir die hohen die obere Bildhalfte ausfiillenden
Oberbauten fast noch mehr an Simone Martini und Duccio erinnert, weist
in den zu steil von unten gesehenen Kassettendecken, in der Vorliebe
fiir den Rundbogen, und vor allem in der Cosmatendekoration doch
7*) So schon Schnaase, VII, S. 325; De Rossi, a. a. O. Gesch. d. bild. K. Crowe
u. Cavalcaselle, vgl. Hist, of p. in It. II p. 24, folgen noch hinsichtlich Gaddis ziemlich
kritiklos Vasari. Die Engeltypen im Widmungsmosaik (Rossutis) und den ubrigen Bildem
stimmen sehr wohl zusammen und zum Stil der romischen Schule (Torritis). Das
Wappen seines G5nners Colonna weist dahcr eher ins Ducento, start dafl es Vasaris
Datierung 1308 bestatigt. Die Obereinstimmungen mit den Franzfresken verraten keinen
engeren Zusammenhang. Vgl. am besten liber alles die erschopfenden Auseinander-
setzungen von Frey, a. a. O. VI, S. 134 flf., wenngleich auch er, durch die Zwie-
spaltigkeit des Mischstils getauscht, in der Annahmc zweier Meister und daher in der
Beschrankung der alteren Datierung auf die oberen Mosaiken befangen blieb.
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2 co *")• VVulff: Zur Stilbildung dcr Trecentomalerei.
engere Ubereinstimmungen mit den Architekturen der Franzlegende auf,
hat aber weder deren Mannigfaltigkeit, noch ihre Klarheit. Noch findef
sich keine einzige Fluchtlinie des Bodens darin. So ist auch die Grup-
pierung in der Huldigungsszene derjenigen der Predigterlaubnis in Assisi
nicht unahnlich, so steht die zweireihige Volksmenge im Schneewunder
wie dort auf fast gleicher Bodenhohe, und dennoch ermangelt die Dar-
stellung jenes klarenden plastischen Aufbaus, den Giotto durchfuhit
Die sich deckenden Figuren sind dicht hintereinander in die unklare,
wenngleich sehr anschauliche Raumlichkeit hineingesetzt.
Wir haben es also offenbar nicht mit unverstandenen Anregungen
Giottos, sondern mit einer in genetischer Beziehung unmittelbar hinter
ihm zurlickliegenden Kunststufe zu tun, und es ist begreiflich, wenn der
von ihm erzielte Fortschritt die toskanische Malerei bald uber diese er-
hob. Fur die Anfange und, namentlich in Siena, sogar noch ftir die
ersten Jahrzehnte des Trecento ist aber mit jener breiten Unterstromung
der Miniatur zu rechnen. Aus dieser verborgenen Wurzel ist der doppelte
Stamm der Florentiner und der sienesischen Kunst erwachsen. Nur da-
durch erklart sich das Gemeinsame in beiden, trotzdem der letzteren ein
byzantinisches Reis aufgepfropft wurde. Dafl sich ein neuer Stil zuerst in
der Kleinkunst, wenn wir die »arte, che alluminare e chiamata«, dazu
rechnen diirfen, formt, daftir bietet die Kunstgeschichte noch manche
Parallele, ja es ist noch die Frage, ob wir darin nicht den gesetzmafiigeren
Hergang der Stilbildung, in der Malerei wenigstens, zu erblicken haben,
gerade wie die einzelne Bildidee zuerst in der kleinen, konzentrierten
Skizze Gestalt gewinnt Entfaltung bleibt auch in der bildenden Kunst das
Grundgesetz alles poetischen Schaffens.
(Schlufi folgt.)
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Die Handzeichnungen der Uflfizien in ihren Beziehungen
zu Gemalden, Skulpturen und Gebauden in Florenz.
Zweiter Aufsatz.
Von Emil Jacobsen.
(Fortsetzung.)
Antike Bildwerke.
Der Dornauszieher. Antike Marmorkopie. Nr. 138. Haupt-
exemplar in Bronze im Konservatorenpalast zu Rom.
Aufler der in meinem friiheren Aufsatze erwahnten befinden sich
hier noch andere Studien:
315 (Rahmen 16 Nr. 394). Ignoto Artefice del Secolo XV zuge-
schrieben. Silberstift, weifl gehoht. Auf demselben Blatt eine inannliche
Aktstudie.
316 (Nr. 204). Hier ist der Dornauszieher, zusammen mit einer
mannlichen Aktstudie in Rotel, dem Lionardo irrttimlich zugeschrieben.
317 (Nr. 9077). Version des Dornausziehers. Rotelstudie von Gio-
vanni da San Giovanni.
318 (Nr. 14799). Studie nach der Figur. Feder.
319 — 322 (Nr. 16869, 16887, 16910, 17444). Rotelzeichnungen
sitzender Jlinglinge, nicht von derselben Hand und verschieden, aber alle
im Motiv auf den Dornauszieher zurtickgehend.
Auf den Eindruck, welchen diese Figur auf die Renaissancektinstler
gemacht hat, habe ich schon in meinem friiheren Aufsatz hingewiesen.
Ich bemerke noch, dafl aufler der Nachbildung von Brunelleschi sich im
Bargello vier Bronzenachbildungen befinden, darunter eine recht drollig
aussehende weibliche Version. Die Figur erscheint auch auf einem Tische,
in einem dem Bronzino zugeschriebenen Bildnis im Palazzo Corsini,
Nr. 206. Im Berliner Museum sieht man von Bellano einen sitzenden
Bauernjungen mit zerrissenen Hosen als Dornauszieher. In einer Terrakotta-
statuette des sitzenden hi. Hieronymus im South Kensingtonmuseum wird
das Motiv des Dornausziehers teilweise reproduziert (vgl. H. Mackowsky:
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2C2 Emil Jacobsen:
Verrocchio S. 49 Abb. 22). Fur diese teilweise Benutzung des Motivs gibt
es noch mehrere Beispiele. Marco da Ravenna hat die Figur gestochen.
Im Bade kauernde Aphrodite. Nr. 145. Kopie einer Marmor-
statue eines bethynischen KUnstlers Dadolos aus der Mitte des 3. Jahr-
hunderts v. Chr.
323 (Nr. 8167). Stefano dellaBella. Studie nach der Statue. Feder.
Stefano erinnert in seiner flotten, geistreichen Zeichnungsweise mitunter an
Rembrandt, mitunter an Callot. Mit Rembrandt teilt er auch die Vor-
liebe fur turbanbekleidete Orientalen.
Im Bargello eine Version in Bronze von Giovanni da Bologna. Davon
wieder eine kleinere Wiederholung.
Laokoongruppe. Kopie von Bandinelli nach dem Original
in Rom.
324 (Nr. 14785). Bandinelli: Rotelstudie nach dem Original. Zwei
andere Studien frtiher erwahnt
325 (Rahmen 149 Nr. 339*). Beinstudien nach dem rechts sitzen-
den Jtingling, an Pontormo anklingend, aber von Andrea del Sarto.
Rotel. Die Gruppe kam erst im Jahre 1531 nach Florenz. Diese Studien
konnen jedoch nach dem Original in Rom gemacht sein. Wahrend,
wie schon im friiheren Aufsatze bemerkt wurde, der Dornauszieher die
Quattrocentisten von Brunelleschi ab sehr beschaftigte, hat die Laokoon-
gruppe besonders den spateren Renaissancekiinstlern imponiert Nicht
etwa deshalb, weil das einfache aus dem Leben gegriffene Motiv des
Dornausziehers, das doch zu einer so komplizierten Formengestaltung
Gelegenheit gibt, dem Geschmack der Kiinstler des 15. Jahrhunderts mehr
zusprach, sondern aus dem einfachen Grunde, weil die Laokoongruppe
erst im Jahre 1506 ausgegraben wurde. Als Zeugnis ftir den Eindruck,
welchen diese Gruppe auf die spateren Renaissanceklinstler machte, finden
sich allein im Bargello drei kleine Bronzenachbildungen. Eine derselben
wird vom Katalog dem Jacopo Sansovino, von Venturi dagegen dem
Antonio Elia aus Fadua zugeschrieben. Sie ist dadurch interessant, dafi
sie vor der Restauration gemacht ist (ohne den rechten Arm Laokoons und
den des jlingeren Knaben). Die Restauration fand erst unter Clemens VII
von Montorsoli, spater im 17. Jahrhundert von Cornachini statt, die aber
bekanntlich als falsch erkannt wurde. Im Bargello befindet sich noch
der altere Knabe allein als Statuette. Ferner zwei von der Gruppe
inspirierte Umbildungen in sehr realistischem Sinne. Hier ist der eine
Sohn auf das rechte Bein des Vaters, der andere ruckwarts gefallen.
Marco da Ravenna hat die Gruppe auch vor der Restauration gestochen.
Ferner erwahne ich folgende Studien, die wohl zum Teil auf das
Original zuriickgehen:
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Die Handzeichnungen der Uffuien etc. 253
326 (Nr. 6581). Pontormo. Kopf eines Greises mit einem Aus-
druck von Leiden. Inspiriert vom Laokoon. R6tel.
327 (Nr. 274). Schwarzkreidestudie.
328 (Nr. 14535). Andrea (wohl eher Jacopo) Sansovino. Schone
Kopie nach Laokoon (ohne die S6hne).
329 (Nr. 14 149 und 14156). Trevisani, Schwarzkreidestudien
nach dem Kopfe Laokoons.
330 (Nr. 17 651). Kopie nach der ganzen Gruppe. Schwarzkreide.
Diese Kopie bietet uns ein Ratsel. Sie ist namlich scheinbar vor der
Restauradon gemacht: die rechte Hand des jiingeren Knaben, die Finger
der rechten Hand des alteren Knaben sowie der Schlangenkopf nahe der
linken Hand Laokoons fehlen. So hat aber die Gruppe nie ausgesehen.
Auch nicht Bandinellis Kopie. Diese wurde zwar nach dem Brande in den
Uffizien den 1 2. August 1762 restauriert, aber wie es ja noch zu erkennen ist,
stirnmen die damals erlittenen Beschadigungen nicht mit der Zeichnung.
Statue des aufgehangten Marsyas. Nr. 155.
331 (Nr. 1 6 821). Rotelkopie aus dem 17. Jahrhundert.
332 — 333 (Nr. 14 812 und 14 813). Federstudien von Stefano
della Bella.
334 (Nr. 17683). Studie nach dem Bildwerk. Rotel getuscht
335 (Nr. 18589). Ricordo nach der Statue vor der Restauration.
Wahrscheinlich von A. All or i. Schwarzkreide.
336 (Nr. 18730). Michelangelo: Studie nach der Statue. Rotel.
Vergleiche Rivista d'Arte 1904. II.
Wie den Archaologen bekannt ist, gibt es zwei Typen von dem auf-
gehangten Marsyas, den sogenannten weifien und den roten, die beide hier
reprasentiert sind. Der rote Typus so genannt nach dem rotlichen Marmor,
der gewahlt wurde, um den Blutandrang nach der Haut zu schildern. Es
ist nun bemerkenswert, dafl, wie aus dem Altertum von dem weiflen
Typus viele, von dem roten sehr wenige Exemplare erhalten sind, auch in
der neuen Zeit von dem weifien Typus eine ganze Reihe Nachzeichnungen
zu notieren sind, wahrend mir von dem roten Typus bis jetzt keine ein-
zige Zeichnung zu Gesicht gekommen ist. Diese spatere in realistischem
Sinne gemachte Statue hat weniger gefallen als jene frtihere und idealere,
obwohl sie, wenigstens was das Exemplar hier betrifft, grofieren Kunst-
wert beanspruchen kann. x7)
Niobidengruppe.
337 (Nr. 9610S). Giro Ferri. Studie nach dem Kopf der Niobe.
Schwarzkreide und Rotel.
»7) Dieser Marsyas war auch das Vorbild Raflfacls fiir seine Darstellung an der
Decke der Stanza della Segnatura.
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2^4 Emil Jacobsen:
338 (Nr. 14 810). Stefano della Bella.
Die Niobiden .malerisch zusaminengestellt, wie sie wohl einmal im
Garten der Villa Medici zu Rom aufgestellt waren. Wie auch hier mit
vielen zu der Gruppe nicht gehorenden Statuen. Auf diese Federzeichnung
geht gewifl F. Perriers Kupferstich zuriick. Feder.
Votivrelief an Dionysos. Nr. 336.
339 (Nr. 14 818). Stefano della Bella. Studie nach einer der
tanzenden Manaden. Silberstift.
An tikes Op fer. Marmorrelief. Nr. 14. (Zimmer des Hermaphroditen.)
340 (Rahmen 272 Nr. 12 18). Im Katalog »Antikes Opfer« ge-
nannt, der eigentliche Gegenstand dieser groflen Federskizze aber nicht
erkannt. Es ist namlich eine Kopie nach einem Entwurf RafFaels flir
den Arazzo, welcher Paulus und Lukas in Lystra darstellt Dem Stil
nach in der Art von Penni. Das im Blatte dargestellte antike Opfer hat
Raffael obengenanntem Relief entnommen und im Gegensinn fur seine
Komposition verwendet.
Ringergruppe (Tribuna).
341 (Nr. 16 810). Studie nach der Gruppe aus dem 17. Jahr-
hundert Schwarzkreide, weifi gehoht.
Doryphoros. Nr. 52.
342 (Nr. 16804). Kopie vor der Restauration. XVI. Jahrhundert
Schwarzkreide, weifi gehoht.
Herkuleskind als Schlangentoter. Nr. 310.
343. (Nr. 18674). Kopie aus dem Schlufl des XVI. Jahrhunderts.
Schwarzkreide.
Sarkophag mit dem Raub der Leukippiden. Nr. 62.
344 (Nr. 5977 s). Stefano della Bella. Feine Federzeichnung in
seinem Skizzenbuch (1636).
Statue der Pomona. Nr. 74.
345 (Nr. 16819, 16820). Kopien der Pomona: Hore des Herbstes.
Vorbild der Primavera von Botticelli. (Vergl. A. Warburg: Sandro Botticellis
»Geburt der Venus « und »Friihling« S. 34). Schwarzkreide und R6tel.
Sarkophag mit dem Fall Phaetons. Nr. 129.
346 (Nr. 17 351). Leonardo Cungi zugeschrieben. Der Fall des
Phaeton. Feder. Nach der beriihmten von Vasari erwahnten Zeichnung
von Michelangelo, die der Meister dem Tommaso Cavalieri schenkte, die
spater in den Besitz des Kardinals Farnese kam und jetzt in Windsor ist
Diese Kopie gibt mir zu der Bemerkung Gelegenheit, dafi die
Zeichnung von Michelangelo oflfenbar von obengenanntem Sarkophag, der
wohl einmal im Garten der Medici gestanden hat, inspiriert ist Selbst der
Schwan ist hier dargestellt. Die Kopie gehort in eine grofie Serie von geist-
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 2ee
reichen Kopien nach Michelangelo, die dein L. Cungi, den Vasari in dieser
Eigenschaft sehr riihmt, zugeschrieben werden. Die bekannte Feder-
zeichnung eines Damons, angeblich Studie zum Jtingsten Gericht, und
hier dem Meister zugeschrieben, diirfte wohl auch von Cungi sein. l8)
Statue des sogenarinten Schleifers (Tribuna).
347 (Nr. 531). Ban din el li. Blatt mit verschiedenen Studien.
Darunter auch eine Kopie nach dem Schleifer. Rotel.
320 (Nr. 16981). Kopie aus dem 17. Jahrhundert. Schwarzkreide.1 9)
Handzeichnungen zu Gemalden in der Galerie Pitti.
Albertinelli: Anbetung des Kindes. Nr. 365.
349 (Rahmen 105 Nr. 549). Oben auf dem Blatt eine Rolle mit
Musiknoten und unter diesen die Inschrift » Gloria in eccelsis Deo«.
Diese Rolle mit der Inschrift kommt genau so oben im Bilde vor. Die
Draperiestudie unter der Rolle ist gewifl eine Studie zu dem mittleren,
die Inschrift haltenden Engel. Die beiden Putten rechts kommen nicht
im Gemalde vor. Die Beziehung ist nicht frliher erkannt
Christoforo Allori: Judith mit dem Kopf des Holofernes.
Nr. 96.
322 (Nr. 909). Studie fiir die Hand Judiths (mit dem Schwert).
Schwarzkreide.
35°— 352(^.7803,7824, 7828). ErsteGedanken fiir die Judith. Feder.
353 (Nr. 1501S). Sehr ausgefuhrte Vorlage fiir den Kopf Judiths.
Schwarzkreide und Rotel.20)
355 (Nr. 913). Studie zu Judith. Schwarzkreide und Rotel.
356 (Nr. 7954). Ein erster Entwurf zu Judith. Schwarzkreide.
,8) Auf diesen Sarkophag geht auch eine Plakette von Moderno, Exemplar in
Bargello Nr. 423 (Moltnier Nr. 191), zuriick.
x9) Ich mochte hier auf einen Band mit Zeichnungen aufmerksam machen, aus
der Mitte des 18. Jahrhunderts stammend, mit der Aufschrift: La Galleria di Firenze
nel sec. XVIII. Derselbe enth'alt miniaturartig ausgefuhrte Kopien von Kunstwerken
aller Art, die sich damals in den Uffizien befanden. Als Zeichner nennen sich Giuseppe
Magni, Francesco Marchesi, Gaetano Negri und Giuseppe Sacconi. Diese Miniaturen,
sehr bemerkenswert durch die Feinheit der Ausflihrung, sind in museographischer Hin-
sicht von Wichtigkeit, da sich darunter Abbildungen von Kunstwerken befinden, die
gegenwartig weder in den Uffizien noch in dem Museo Nazionale nachgewiesen werden
kftnnen. Die Zeichnungen (Schwarzkreide und Feder), als Geschenk fiir einen Ftirsten
bestimmt, sind katalogisieit unter Nr. 4579 — 4588 bis.
*°) Diese Zeichnung von pastellartiger Wirkung scheint die Geliebte des Klinstlers
• darzustellen. Es wird berichtet, dafl Christoforo seine Geliebte als Judith dargestellt
hat. Das Bildnis stellt eine junge Frau von fast unheimlicher Schonheit dar, wovon die
Judith nur cine verkleinerte und verslifllichte Kopie ist.
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256 Emil Jacobsen:
Christof. Allori: Ospitalita di San Giuliano. Nr. 41.
357 (Nr. 914). Studie zum Bilde. Schwarzkreide, weifi gehoht
358 (Nr. 17787). Studie fur den Barcajuolo. Schwarzkreide, weifi
gehoht
359 — 360 (Nr. 14664 und 14665). Zwei Rotelstudien zum Bilde.
Fra Bartolommeo: Thronende Madonna mit dem Kinde.
Nr. 208.
361 (Rahmen 119 Nr. 478). Schwarzkreidestudie, tiberlebensgrofi
zum Kopfe der Madonna. Vergleiche Nr. 241.
362 (Rahmen 127 Nr. 1282). Fluchtige Schwarzkreidestudie zu
S. Bartolommeo.
363 — 364 (Nr. 293 und 393). Andere Studien ftir den hi. Barto-
lommeo. Schwarzkreide. Eine vierte Studie in der Albertina.
365 (Rahmen 121 Nr. 412 F). Fliegende Engelkinder. Schwarz-
kreide, quadriert Nicht beide Engel, wie angegeben, sondern nur der
rechte ist hier benutzt, der andere ist eine Studie fiir das Altarbild mit
dem segnenden Gottvater in der Galerie zu Lucca.
366 (Nr. 14522). Schwebendes Engelkind. Schwarzkreide. Gewifl
auch fur das Chiaroscurobild in den Uffizien.
367 (Rahmen 130 Nr. 1206). Fliegender Engel nebst anderen
Studien zu einem der draperiehaltenden Engel. Aufierdem auch benutzt
im Altarwerk mit dem segnenden Gottvater in der Galerie zu Lucca,
sowie auch ftir die Thronende Madonna im Louvre. Rotel.21)
368 (Rahmen 130 Nr. 470 u. 1207). Nackte Frauenstudien mit
Kindern flir die Madonna. Man kann im Zweifel sein, ob sie zu der
Thronenden Madonna hier, mit welcher die Stellung der weiblichen Figur,
oder mit dem groflen Chiaroscurobild in den Uffizien, mit welchem die
Kinder in ihren Bewegungen ubereinstimmen, bestimmt waren. Vielleicht
zu beiden Bildern benutzt. Rotel (Brogi 1966). Mit den vier im vorigen
Aufsatz erwahnten Zeichnungen haben wir also uber ein Dutzend Studien
zum Bilde.
Fra Bartolommeo: Der Auferstandene zwischen den
A p ostein. Nr. 159.
369 (Rahmen 132 Nr. 474). Blatt mit verschiedenen Skizzen. In
der Mitte eine Studie zu dem Auferstandenen. Feder.
370 (Nr. 6796). Studie von Sogliani nach Johannes Ev. Schwarz-
kreide, weifi gehoht
371 (Nr. 869). Poccctti: Apostcl. Inspiriert von Johannes Ev.
daselbst Schwarzkreide, weifi gehoht.
") Brogi 1968.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 257
Francesco Bassano: Martyrium der hi. Katharina. Nr. 11.
372 (Rahmen 463 Nr. 1890 F). Jacopo Bassano zugeschrieben.
Halbfigur einer aufwartsschauenden reichgekleideten Frau im Profil. Studie
fiir die hi. Katharina. Kohlezeichnung.
Pietro Berettini: Fresken in der Sala della Stufa.
Unter dem Namen Gabbiani gehen ftinf grofie Zeichnungen, deren
Beziehung zu den Fresken Cortonas bis jetzt nicht erkannt worden ist.
373—375 (Nr- 9953 Rotel, Nr. 9954 und 9955). Schwarzkreide.
376 (Nr. 9980). Schwarzkreide getuscht und weifi gehoht und
377 (Nr. 13924). Feder getuscht, weifi gehoht.
Unter diesen sind in der Tat vier Nachzeichnungen von Gabbiani,
aber die Nummer 9980 scheint ein echter Entwurf Cortonas zu sein.
378 (Rahmen 453 Nr. 190). Scheint Studie zu einem seiner
hiesigen Deckengemalde zu sein. Feder und Schwarzkreide.
379 — 380 (Rahmen 453 Nr. 1000 und 1001). Studien zu hiesigen
Dekorationsarbeiten. Schwarzkreide.
B. Buontalenti.
381 — 382 (Nr. 2303 A und 2305 A). Nicht realisiertes Projekt zum
Ausbau des Pittipalastes und zur Ausschmuckung der Piazza. Das Schlofi
schmaler als gegenwartig (nur sieben Fenster) hat oben eine Loggia. Zu
beiden Seiten kleine Pavilions und vorn eine Fontaine. Feder.
383 (Nr. 23 1 1 A). Das Schlofi ohne Loggia. Feder.
L. Cigoli: Christus dem Volke gezeigt. Nr. 90.
384 — 385 (Nr. 19533, 20435). Zwei Studien zum Bilde. Schwarz-
kreide und Feder.
386 (Nr. 1000). Skizze zum Bilde. Schwarzkreide.
387 (Nr. 1470). Ricordo von Dom. Passerotti. Feder.
388 (Nr. 9652). Es gibt unter den zahlreichen in einer Mappe zu-
sammengelegten Zeichnungen Bilivertis eine mit Feder und Schwarzkreide
ausgeflihrte Studie zu einem » Christus dem Volke gezeigt«, die ganz
ahnlich der in meinem frliheren Aufsatz erwahnten Studie (R. 428 Nr. 999 F)
ist, ferner zwei Rotelversionen derselben Komposition Nr. 961 1 u. 9643.
Da die Beziehung zum Pittibild nicht ganz sicher ist, konnte man ver-
muten, dafi alle vier Blatter Biliverti, dessen Manier Ahnlichkeit mit
Cigoli hat, gehoren. Ich bin aber zu einer Losung der Frage gekommen,
die ich fur die richtige halte und der auch Direktor Ferri beigetreten ist:
Die mit Feder und Schwarzkreide gezeichnete Nr. 9652 ist von Cigoli
und dtirfte etwa durch Geschenk in die Hande Bilivertis gekommen sein,
die beiden Rotelversionen sind aber von Biliverti und von jenem inspiriert
Gio. Batt. Franco. La Battaglia di Montemurlo. Nr. 144.
389 (Rahmen 413 Nr. 245). Die Entfuhrung Ganymeds. Aless.
Repertorium fur Kunstwissenschaft, XXVII. jg
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258 Emil Jacobsen:
Allori zugeschrieben. Schwarzkreide. Ein Ricordo nach der beriihmten,
von Vasari erwahnten Zeichnung, die Michelangelo seinem Freunde Tom-
maso Cavalieri schenkte, vermutlich von der Hand Battisto Francos, der
diese Komposition im genannten Gemalde hoch oben in der Luft an-
brachte. Vasari, welcher das Bild ausftihrlich beschreibt, erwahnt aus-
driicklich, dafi er flir diesen Teil Zeichnungen von Michelangelo ver-
wendet hat.22) Das Exemplar in Windsor wird allgemein als Original
angenommen. In der Coll. Mascherini-Graziani hier in Florenz ein anderer
ausgezeichneter Ricordo.
Eine Rotelversion ist in den Uffizien ausgestellt unter den Zeichnungen
Michelangelos. Rahmen 147 Nr. 6n.23)
Ridolfo Ghirlandajo. Frauenbildnis. Nr. 224.
390 (Rahmen 58 Nr. 298.) Dom. Ghirlandajo zugeschrieben. Bildnis
einer Frau. Hat grofie Ahnlichkeit mit obengenanntem Bildnis vom
Jahre 1509 und scheint, wenn nicht dieselbe Person, doch eine nahe
Verwandte derselben darzustellen. Die Zeichnung ist vielleicht auch von
Ridolfo. Silberstift, weifi gehoht auf grauem Papier.
Francesco Granacci. Heilige Familie. Nr. 345.
391 (Nr. 6807. Rtickseite). Maria hockt am Boden mit dem Christ-
kind auf dem rechten Knie, vor diesem der kniende Johannes. Joseph
links. Unter den Zeichnungen Fra Paolinos. Schwarzkreide. Sowohl
diese, wie die frliher erwahnte auf der Vorderseite sind charakteristische
Zeichnungen Granacci s. Die hier erwahnte ist auch dadurch interessant,
dafi sie Morellis Taufe auf Granacci bestatigt Das Bild wurde bis vor
kurzem Peruzzi zugeschrieben.
Michelangelo (zugeschrieben): Die drei Parzen. Nr. 113.
392 (Nr. 6564. Rtickseite). Pontormo. Leichte Skizze zu der
Parze links (Atropos) nebst einem Ricordo nach Donatellos David. Siehe
Bargello, Nr. 410. Diese Rotelskizze zum Parzenbild bestatigt meine
frtihere Zuschreibung des Bildes an Pontormo. (Zeitschrift fur bild. Kunst
1898 S. 118.) Dafi auch bei Rosso weibliche Figuren vorkommen, die
an die Parzen erinnern, kann nicht Wunder nehmen, da Rosso der Nach-
ahmer Pontormos war. Die Energie der Charakteristik, das Kolorit, die
Technik deuten auf Pontormo.2*)
M) » la quale parte tolse Battista da disegno di Michelangiolo per servirsene,
e mostrare che il Duca giovinetto nel mezzo de suoi amici era per virtu di Dio salito
in cielo — «. Vasari. Ed. Monnier XI p. 321.
*3) Brogi 1 79 1.
«4) Diese Rtickseite war bis vor kurzem unsichtbar, indcm das Blatt festgeklebt
war. Erst ich habe es vom Karton losgelost und dadurch die Studie entdeckt. Des-
halb erwahnt Berenson wohl unter den Zeichnungen des Pontormo die Vorderseite, aber
nicht die ihm unbekannten Studien auf der RUckseite.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 259
Pinturricchio (zugeschriebeh): Anbetuhg der Konige. Nr. 341.
393 (Rahmen 259 Nr. 1321^. Kniender Greis nach rechts.
Diese Figur begegnet uns in der dem Pinturricchio zugeschriebenen An-
betung der Konige im Pitti. Das Gemalde ist jedoch kaum von Pintur-
ricchio, sondern aus der Werkstatt des Fiorenzo di Lorenzo und wahr-
scheinlich eine Reduktion eines grofieren Bildes des Meisters. Darauf deutet
diese Zeichnung, die wenigstens fiinfmal so grofi wie die Figiir im Ge-
malde und wahrscheinlich der Frtihzeit Fiorenzos gehort. Getuscht,
weifi gehoht, auf grauem Papier. Andere Zeichnungen von Fiorenzo
habe ich in meinem Aufsatze tiber die Louvregalerie nachgewiesen.
Pontormo: Anbetung der Konige. Nr. 379.
394 (Rahmen 159 Nr. 333F). Andrea del Sarto. Der Kopf auf
dieser Zeichnung ist die Vorlage fur die Figur zu aufierst links in der An-
betung der Konige, deren Gesichtsziige, wie es auch von anderen bemerkt
worden ist, eine merkwiirdige Ahnlichkeit mit Michelangelo haben. Auf
demselben Blatt eine Draperiestudie. Diese Studien haben — wie ich
mich Uberzeugt habe — keine Beziehung zu der Madonna delle Arpie.
Man lernt bei Vasari, wie haufig die Renaissanceklinstler Studien von
ihrem Meister und ihren Freunden fiir ihre Werke verwendeten. R6tel.25)
Raffael: Bildnis des Angelo Doni. Nr. 61.
395 (Rahmen 100 Nr. 427). Profilbildnis eines jungen Mannes in
halber Lebensgrofie dem Lionardo da Vinci mit einem Fragezeichen zu-
geschrieben. Schwarzkreide und Rotel (Brogi 1865). Wenn ich mich
nicht sehr tausche, dann gibt das Bildnis Angelo Doni in einem etwas
jtingeren Alter wieder, als Raffael ihn dargestellt hat Diese Annahme
wird noch dadurch bestarkt, dafi auf der Rtickseite ein ganz kleines weib-
liches Profil sich vorfindet, welches dem Bildnis der Maddalena Doni sehr
ahnlich sieht Morelli hat die Zeichnung dem Ambrogio di Predis zu-
geschrieben. Die Zuschreibung ist nach dem Charakter des Bildnisses
moglich und ansprechend, doch mochte man, wenn das Bildnis wirklich
*5) Es wiirde interessant sein, in diesem ausdrucksvollen, feurigen Kopf die
Zllge des noch jugendlichen Michelangelo erkennen zu konnen. Wir kennen nur Bild-
nisse aus seinem vorgerlickten Alter. Portrats mit jlingerem Aussehen, wie das in
Casa Buonarroti, scheinen kaum nach der Natur gemalt, sondern nach jenen Bildnissen
willktirlich verjtingt. Das Gesicht Michelangelos hat sich im Laufe der Zeit sehr ge-
anclcrt. Die Bronzeblisten im Bargello und in der Casa Buonarroti, die ihn noch im rtistigen
Alter darstellen, scheinen kaum dieselbe Personlichkeit zu geben wie das Bildnis in den
Cffizien. Man mufl unsere Zeichnung nicht mit diesem vergleichen, eher mit den Bronze-
blisten, namentlich mit der im Bargello. Mir ist wohl gegen ein Dutzend unbekannter
Michelangelo-Bildnisse, meistens Zeichnungen, bekannt. Der Raum erlaubt mir nicht,
diese hier anzuftlhren. Da sie jedoch fttr die Ikonographie des Meisters von Wichtig-
keit sein kOnnen, hoffe ich bei anderer Gelegenheit auf sie zurtickzukommen.
18*
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260 Emil Jacobsen: Die Handzeichnungen der Uffizien etc.
Doni darstellt, lieber an einen Florentiner denken. Gegen die herrschende
Annahme, dafi die Bildnisse von Angelo und Maddalena Doni in die
Florentiner Epoche Raffaels gehort, hat Robert Davidsohn mit beachtens-
werten Grtinden Einspruch erhoben. Nach ihm konnen sie, wenn sie
RafTael zuzuschreiben sind, erst seiner romischen Periode angehoren. Fiir
diese Annahme glaube ich die Bestatigung gefunden zu haben. Es finden
sich namlich auf der Rtickseite beider Gemalde allegorische Darstellungen
en grisaille gemalt und in der Art Giulio Romanos.*6) Auf der Rtick-
seite des Portrats Angelo Donis erblickt man, auf Gewolk lagernd, einen
Kreis von Gottern, darunter Merkur, Diana und einen Greis mit einer
Sense, der wohl die Zeit darstellen soil. Unten dehnt sich ein See aus,
woraus eine kleine Insel mit einem Tempel emporragt In dem See
schwimmen Kinder herum. Die Darstellung hinter dem Bildnis der Frau,
wie mir scheint von geringerer Hand, zeigt ein junges Weib und einen
Jtingling mit erhobenen Armen; hinter ihnen erhebt sich auf einer kegel-
formigen Anhohe ein Rundtempel. Auf beiden Seiten nackte Kinder, die
in erregter Stimmung mit den Armen fechten. Wenn wir annehmen, dafi
die Bildnisse spater entstanden sind, dann erklaren sich audi verschiedene
Schwachen, die sich namentlich im Portrat Maddalenas kundtun. Denn
dies Bildnis von stumpfem, verdriefilichem Ausdruck ist gewifi nur dem
Entwurfe nach von ' Raffael angefertigt und sonst wesentlich von Schuler-
hand ausgefuhrt
Raffael: Madonna del Granduca. Nr. 178.
396 (Rahmen 568 Nr. 1778). Raffael: Madonna mit dem
Kinde. Version von einem Nachahmer. Karton. Feder. Die echte
Studie zum Bilde ist frtiher erwahnt.
**) Diese Darstellungen sind bis jetzt fast nicht berttcksichtigt worden; nur
Crowe und Cavalcaselle erwahnen sie flttchtig in einer Fuflnote, ohne jedoch SchluB-
folgerungen aus ihrem Stil zu ziehen. Sie glauben in denselben Scenen aus der Mythe
von Deukalion und Pyrrha zu erkennen.
(Fortsetzung folgt.)
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Die Kompositionsgesetze in den Reichenauer
Wandgemalden.
Von August Schmarsow.
Die Wandmalereien in der Georgskirche zu Oberzell auf der Reichenau
sind seit ihrer Entdeckung im Jahre 1880 als eine aufierordentliche Er-
rungenschaft ftir die Kunstgeschichte des friihen Mittelalters anerkannt
worden. Fr. X. Kraus hat in seiner Publikation l) den Bilderzyklus des
Innern sowohl aus stilistischen Grtinden, als mit Rticksicht auf die Pa-
laographie der Inschriften, in die ersten Jahre nach der Erbauung des
Langhauses, d. h. um 985 — 990 unter Abt Witigowo angesetzt. Diese
chronologische Bestimmung hat auch Anton Springer in ihrem vollen
Umfang angenommen, indem er das Werk selbst als die Grundlage filr
eine ganz neue Einsicht in die Bedeutung der Karolingisch-Ottonischen
Kunst erklarte*).
Das durchaus wahrscheinliche Datum der Ausfuhrung an den Ober-
wanden des MittelschirTs von S. Georg soil auch hier nicht in Zweifel
gezogen werden. Nur darf es der Kunstgeschichte nicht ohne wei teres
die Hande binden, indem es sie von vomherein darauf beschrankt, das
Werk ftir die Reichenauer Schule des 10. Jahrhunderts allein zu verwerten.
Die Ausmalung der Kirche zu Oberzell gehort darnach der Ottonenzeit
an. Der Rtickblick auf die Karolingische Tradition ist schon eine Er-
weiterung des Horizonts, die mit dem allmahlichen Fortschritt der Kunst
zu der erreichten Stufe, den solch einheitlicher Zyklus voraussetzt, wie
selbstverstandlich rechnet Vielleicht ist mehr als Reife, bereits ein ge-
wisser Grad von Routine und Nachlassigkeit im urspriinglichen Zustand
schon zu erkennen, der eher nach gelaufiger Wiederholung eines Uber-
«) Die Wandgemalde der S. Georgskirche zu Oberzell auf der Reichenau, aufge-
nommen von Franz Bar, herausgegeben v. F. X. Kraus. Freiburg i. B. 1884. Vgl. Kraus,
Gesch. d. christl. Kunst II, 1. S. 56. Freiburg 1897.
*) Deutsche Kunst im zehnten Jahrhundert (Westdeutsche Zeitschrift 1884, III,
201) wiederabgedruckt in den Bildern aus der neuern Kunstgeschichte, 2. Auflage. Bonn
1886. I. S. 132 fT.
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262 August Schmarsow:
kommenen schmeckt, als nach der Frische unmittelbarer Neugestaltung
fur den Bau Witigowos. Darin erschiene das erhaltene Beispiel wie ein
Letztling der karolingischen Malerei, der nur dem Temperament des 10.
Jahrhunderts und seiner unruhigen Lebhaftigkeit einen Wandel in der
Auffassung verdankte.3)
Jedoch der Zustand, in dem die Wandgemalde zu Oberzell auf uns
gekommen sind, beeintrachtigt wohl ihre Verwertbarkeit als Urkunde
fiir die Malweise der Reichenauer Schule gegen Ende des zehnten Jahr-
hunderts. Der Eindruck auf den heutigen Beschauer, audi wenn er nicht
unvorbereitet kommt und nicht mehr ganz unbefangen nach dem Sicht-
baren allein urteilt, ist verhaltnismaflig traurig und abschreckend. Selbst
Eingeweihten scheint die Lust vergangen zu sein, sich an Ort und Stelle
in den Zusammenhang der Bilder mit dem Bauwerk zu vertiefen, wie die
Forschung es verlangt hatte. Wer die zuverlassigen Reste herauszuer-
kennen trachtet, wird ohne Beihilfe der von Kraus publizierten Umrifl-
zeichnungen nicht auskommen, die vieles authentischer geben als die ab-
genommenen Gemalde oder die noch so treu gemeinten Kopien da-
zwischen. Die farbige Doppeltafel dieser Publikation gibt dagegen
eine vollig falsche Vorstellung von der Intensitat der Farbentone, auch
ihrer etwaigen ursprtinglichen Tonart Sie mufi durch Borrmanns neuere
Proben berichtigt werden, die freilich auch nicht vollauf befriedigen, zu-
mal wenn man die wichtigen, freilich ebenso verblafiten, doch unver-
falschten Reste der Kapelle zu Goldbach bei Uberlingen vergleicht.
Nach dieser letzten Entdeckung am Bodensee kann der farbige Zustand
der Reichenauer Gemalde jedenfalls nicht mehr als »im ganzen vortreff-
lich erhalten« gel ten, und diese Angabe von Kraus darf nur im ikono-
graphischen Sinne unbeanstandet bleiben. Nach alledem empfiehlt es
sich also flir die Beurteilung des Reichenauer Zyklus nicht gerade bei
der farbigen Ausfiihrung einzusetzen.
Die Zeichnung der Gestalten jedoch, die Gebardensprache, die Ge-
wandung, die Architekturen des Schauplatzes haben auch die Aufmerk-
samkeit der Forscher so vorwiegend auf sich gezogen, dafi die Charak-
teristik des Ganzen eigentlich bei diesen Einzelheiten stehen geblieben
ist. Sie hob die liberraschende Anlehnung an die Antike in den Typen
wie in den Kosttimen hervor, und muflte in dem Stil des Vortrags trotz
der Einfachheit eine Grofle und selbst eine gewisse dramatische GewaJt
anerkennen, die den Bildwerken jener Periode des Mittelalters sonst nur
selten nachgeruhmt werden k6nnten. Ist das ein Widerspruch zu den
benachbarten Erscheinungen, die doch ausschliefilich im Bildervorrat der
3) Vgl. Springer a. a, O. S. 142.
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Die Kompositionsgcsetze in den Reichenauer Wandgemiilden. 263
Buchinalerei vor Augen stunden, so legt schon er die Frage nahe, ob
die Betrachtung durch den chronologischen Ansatz gegen Ende des zehnten
Jahrhunderts nicht immer noch verhangnisvoll auf einen allzu engen Um-
kreis eingeschrankt werde.
Die Kunstwissenschaft hat einem solchen, einzig in seiner Art da-
stehenden Denkmal gegenliber jedenfalls die Pflicht, vor alien Dingen
das Kunstvermogen, das darin betatigt ist, selbst zu ergriinden und nach
seinein innersten Wesen zu charakterisieren. Vorlaufig darf dies sogar
unbekummert um die historischen Zusammenhange geschehen, die vor-
warts oder riickwarts weisen mogen, wenn es nur vorurteilsfrei und ein-
dringlich genug geschieht.4) Die Grundtatsachen ktinstlerischer Art, die
in der ganzen Schopfung eines solchen Zyklus niedergelegt sind, ent-
halten doch den Hauptwert der Urkunde, die uns so unerwartet erhalten
ist Sie herauszuschalen aus der vorliegenden Redaktion, von der wir
ohnehin manche nachtragliche Entstellung abziehen mtissen, sollte die
wichtigste Aufgabe sein. Denn dies kritische Verfahren, das hinter den
zufalligen Bestand zurlickgeht, erschliefit erst den Einblick in die Ent-
wicklungsstufe der Kunst, fur die das verblafite Denkmal noch Zeugnis
ablegt.
Schon der Gegenstand der Darstellungen, die Wundertaten Christi,
verspricht Aufschltisse so tiefgreifender Art fur die Geschichte der Kirchen-
malerei, dafi sie weit, auch hinter die karolingische Tradition zurilckreichen
mtissen. Es ist bekanntlich eins der wichtigsten Hauptkapitel der christlichen
Kunst, das hier behandelt wird, eins der ersten Anliegen, dem nach der
fltichtig metaphorischen Bildersprache der altchristlichen Zeit im Gottes-
haus zunachst entsprochen werden mufite, als es gait die Macht des
Gottessohnes den Gottern des Heidentums gegeniiber hervorzukehren.
Bereits in der Kirche Theodorichs, S. Martino (S. Apollinare Nuovo) zu
Ravenna, war eben dieser Gegenstand hoch oben hinauf unter die goldene
Decke des Lichtgadens verlegt, d. h. aus dem Umkreis bequemen Schauens
hinweggeriickt, als waren die Wunder Christi nur der Vollstandigkeit des
Bildervorrats wegen dort wiederholt. Die Hauptstelle der Obermauern
uber den Saulenarkaden des Mittelschiffs erftillten andre Gestaltenreihen.
Dem belehrenden Zweck fur die Gemeinden entsprachen indes noch
lange die Geschichten des neuen und des alten Testaments und be-
haupteten gewifi auch diesen besten Platz in der Regel. Hier ist sogar
keine gelehrte typologische Gegenliberstellung, wie sie Hilarius und Am-
4) Deshalb ist auch die ikonographische Vergleichung mit der »altchristlichen«
Kunst im Abendlande bei Kraus und Springer nicht der rechte Weg, zumal wenn das
Vorurteil zu Gunsten der alateinischen Tradition« von vornherein dabei mitspielt.
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264 August Schmarsow:
brosius audi im Abendlande eingefuhrt batten, sondern die Wunder-
tatigkeit Jesu von Nazareth allein geschildert 5)
Audi diesem retrospektiven Gesichtspunkt soil vorerst ebenso wenig
Einflufl gewahrt werden wie der Chronologie des Baues auf der Reichenau,
die den Zyklus auf 985 — 990 datiert Genug, wenn er uns von den
Schranken der Ausfiihrungszeit an Ort und Stelle und der Reichenauer
Schule des zehnten Jahrhunderts befreit.
Fur die unbefangene Untersuchung des Bilderzyklus tnufl besonders
eine Frage die groflte Tragweite beanspruchen, und sie allein soil hier
ins Auge gefafit werden, namlich die nach den Kompositionsgesetzen,
die uns diese acht erhaltenen Beispiele noch heute zu enthiillen ver-
mogen, so starken Wander auch die bisher allein beachteten Einzelheiten
der Gestaltenbildung, der Gewandbehandlung und der Farbengebung er-
fahren haben mogen. Das Verfahren der Komposition bei der Erfindung
der Szenen im Anschlufi an den Bericht der Evangelien offenbart die
wichtigsten Grundsatze, zu denen die darstellende Kunst durchgedrungen
war. Sie gilt es zu erfassen, indem wir die Kenntnis der poetischen Er-
zahlung sei es im vollen Bibeltext, sei es im synoptischen Auszug da-
maligen Kirchengebrauchs voraussetzen.
I.
An der Nordwand beginnt die Reihe (vom Chor aus) mit der
Heilung des Blindgeborenen ; es folgt der Sturm auf dem Meere, —
die Heilung des Wassersiichtigen am Sabbath — und die Teufelaustreibung
bei Gerasa. An der Stidwand stehen ihnen gegeniiber: die Heilung des
Aussatzigen, — der Jungling von Nairn, — das blutfltissige Weib und
die Tochter des Jairus, — die Auferweckung des Lazarus. Wir betrachten
sie zunachst ohne RUcksicht auf ihre Verteilung im Raum, vielmehr nach
ihrer gegenstandlichen Zusammengehorigkeit.
5) Asterios v. Amaseia tadelt ja schoh um 398 den Miflbrauch dieser gelaufigen
Kirchenbilder auf Gewandern (Hochzeit zu Kana, Gichtbrlichiger rait seinera Bett auf
dem Rticken, Blindenheilung mit Kot, Blutfltissige, Ehebrechcrin, Lazarus). Strzygowski,
Orient oder Rom p. 116. Vgl. die Beschreibungcn bei Prudentius (394 — 405) Dittacheon
(Hochzeit zu Kana, Blindenheilung am Teich Siloah, Christus auf dem Mecre wandelnd,
Daemon missus in porcos, Speisung mit 5 Broden und 2 Fischen, Lazarus) bei Garrucci
Storia dell' arte crist. I. p. 480 und Chorikios, Wandgemalde in der Sergius-Kirche
zu Gaza (Hochzeit zu Kana, Heilung der Schwieger Petri, der verdorrten Hand, des
Knechts des Centurio, Auferweckung des Knaben der Witwe, Freisprechung der groBen
Slinderin, Sturm auf dem Meere, Chr. auf dem Meere wandelnd, Mondstichtiger, Blut-
fltissige, Lazarus) bei Boissonade, Choricii Gazaei Orationes, Declam. Fragm. Paris 1846
p. 91 — 98. Ef; Mapxiovov I: Zur Zeit Justinians.
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Die Kompositionsgesetze in den Rcichenauer VVandgemalden. 265
Ein unverkennbarer Parallelismus verbindet die beiden Kranken-
heilungen am Anfang. Der Blindgeborene wie der Aussatzige empfangt
einen Auftrag, dessen Ausfiihrung als notwendiger Bestandteil im selben
Bilde mitgegeben werden mufi. So zerfallen beide einander gegentiber
stehende Flachen in zwei Halften. Auf dem einen Felde sehen wir links
Christus an der Spitze der Apostelschar dem Blinden, der auf ihn zu-
eilt, die Augen mit der schnell bereiteten Salbe bestreichen. Die Heilung
selbst erfolgt erst rechts, wo er sich am Brunnen Siloah die Augen aus-
wascht. Die Mitte des Ganzen nimmt die Figur des Bettlers ein, der
sich dem Heifer entgegenneigt, durch senkrecht aufsteigende Architektur-
teile hervorgehoben, die diesen Schauplatz schliefien und den folgenden
eroffnen. Es gilt den Abstand der Szene am Brunnen zu bezeichnen,
wo die Zuschauer, wie Christus es will, das W under erleben, ohne dessen
Urheber zu kennen. — Gegentiber erscheint Jesus ebenso an der Spitze
der Apostelschar, und der Aussatzige, durch das Horn, mit dem er warnen
sollte, gekennzeichnet, lauft alles andere vergessend herbei, um seine
Reinigung zu flehen. Die selbe Person, des soeben noch Verwahrlosten
und Ausgestofienen, tritt rechts als wohlgekleideter Burger in den Tempel-
bezirk und bringt dem thronenden Hohenpriester das vorgeschriebene Dank-
opfer ftir die geschehene Reinigung dar, wie ihm sein Wohltater befohlen.
Hier ist die Mitte, wo die beiden Halften des Bildes aneinanderstofien,
als Stelle der Peripetie ganz unverkennbar in ihrem Werte hervorgehoben,
indem sich die Architekturkulissen begegnen und die Gestalten sich den
Riicken drehen, einmal der Aussatzige nach links gegen den Erbarmer,
das andere Mai der Gereinigte nach rechts gegen den Vertreter des Ge-
setzes, — dort in hastiger Bewegung, hier in wurdevoller Ruhe. Gerade
so aber leuchtet ein, weshalb im Bilde gegentiber die Mitte hinter dem
Blindgeborenen leer geblieben oder neutral abschliefiend mit Architektur
gefiillt ist Das heifit, der Kiinstler, der die Darstellungen geschaffen
hat, kennt die Bedeutung der raumlichen und der korperlichen Werte
an so entscheidender Stelle vollauf, und er benutzt sie wirksam ftir die
Vermittlung des besonderen Geschehens, das vor alien Dingen klar und
verstandlich erzahlt werden soil.
Der »Sturm auf dem Meere« scheint auf den ersten Blick von diesem
Verfahren abzuweichen, nur Einheit des Schauplatzes und des optischen
Vollzuges darzubieten. Hier ist links etwa ein Viertel der Bildbreite
durch eine Stadtansicht am Ufer gefiillt; die ubrigen drei Viertel nimmt
die Wasserflache mit dem Fahrzeug und dem dahinter sich ausbreitenden
Ktistensaiim unter dem Himmel ein. Aber blicken wir auf das Schiff,
so drangt sich der Mastbaum wieder als Wahrzeichen der Mitte der ver-
ftigbaren Biihne fiir die Figuren darin hervor, sodafi seine Funktion nicht
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266 August Schmarsow:
ubersehen werden karm. Er scheidet die beiden Gruppen und damit die
beiden Momente der Erzahlung, die dargestellt werden miissen. Links
lehnt der schlafende Meister, nicht weit vom Steuermann, und am Maste
steht der Jttnger, der aus Angst in der Gefahr den Schluinmer zu storen
wagt Rechts steht der Herr auf dem Vorderteil, an der Spitze der klein-
glaubigen Schar und gebietet den Winden, deren gehornte Kopfe ganz
oben aus den Wolken hervorgucken. Die Gestalt des weckenden Jungers,
gerade in der Mitte vor dem geschwellten Segel, verbindet also beide
Gruppen nach dem Prinzip der plastischen Figurenkomposition. Also
auch hier im Innern der Barke das namliche Gesetz, das wir vorher
gefunden, nur den besondern Bedingungen des anders gearteten Falles
gemafi abgewandelt: ein Korper als Bindeglied im Wendepunkt von einer
Situation in die andre, und die Stange dahinter das Signal dieser kri-
tischen Stelle. Im Ganzen der Bildflache dagegen bildet indes nicht
sie, sondern das zuruckgeneigte Haupt des schlafenden Meisters die Mitte,
denn eben dieser Zustand ist die Hauptsache der Exposition: in der ge-
fahrlichen Lage des Augenblicks fehlt die lebendige Gegenwart des Mach-
tigen. — Wie aber steht es mit der raumlichen Disposition des Schau-
platzes sonst? Das Segel blaht sich unter dem widrigen Winde nach
links, wahrend der Steuermann am Schiffshinterteil die Fahrt nach rechts
hin mit dem Ruder zu lenken trachtet So steht das Stadtbild zur Linken
als Ausgangspunkt, nicht als Ziel der Reise da, und die ganze Darstellung
mufi mit dem schweifenden Blick von links nach rechts abgelesen werden,
um die Einheit des Geschehens zu erfassen, wie auch die Folge der
Momente drinnen im Schiffe diese Richtung fordert. Und die Ver-
schiebung der Mittelachse von der planimetrischen Halbierungslinie der
Bildflache nach dem stereometrischen Zentrum des Schiffskorpers hinliber
gibt eben das Geftihl der schwankenden Fortbewegung durch die Wogen hin.
Diese Asymmetrie und die Stoning des Gleichgewichts in der Ge-
samtdisposition der Dinge auf der gegebenen Bildflache hilft gerade, dem
Beschauer den besondern Charakter des Ereignisses zu Gefuhl zu bringen
und damit das nattirliche Element ftir den wunderbaren Vorgang zu
schaffen. Vergleichen wir dieses in seiner Art vereinzelt dastehende Bei-
spiel mit dem vorher besprochenen Paar, so stellt sich heraus, dafi die
Richtung des optischen Vollzuges, durch den wir das Dargestellte an
uns selber erleben, in alien dreien die gleiche ist, namlich von links
nach rechts.
Wieder ein Paar zusammengehoriger Stiicke bilden die »Heilung des
Wasserstichtigen« und die des »Besessenen«. Wieder steht in beiden Fallen
der Kranke in seiner charakteristischen Erscheinung in der Mitte des
Bildes: einmal mtihsam aufrecht erhalten, schwerfallig und von Andern
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Die Kompositionsgcsctze in den Reichenauer Wandgcmsildcn. 267
gestiitzt, die ihn dem Herrn vorfiihren und diesen in die Versuchung
bringen, seine Wunderkraft auch am Sabbath zu betatigen; — das andre
Mai in heftiger Bewegung, zudringlich trotz der furchtbaren Verrenkung
der GHeder, die ihm beide Arme ganz nach rtickwarts streckt, ein von
Allen gemiedenes Zerrbild menschlichen Wesens. Beidemal wieder
Christus an der Spitze der Apostelschar links, vor festlich geschmiickter
Schirmwand; beidemal die rechte Seite des Bildes fuhlbar abfallend, durch
den Mangel an menschlichen Figuren, wie hinter dem Wasserstichtigen,
oder durch die Verjiingung des Mafistabes, wie bei der Schilderung des weiter
unten liegenden Schauplatzes fur den Nebenvorgang mit den Teufeln,
die in die Saue fahren. In diesem letztern Teile dagegen zeigt sich auch
ein bedeutsamer Unterschied. Die Teufelaustreibung fordert die fast bur-
leske Zutat, von der die Schrift erzahlt; — das heifit, die Okonomie
dieses Bildes ist ungefahr dieselbe wie bei der Heilung des Blindgeborenen
mit der Waschung am Brunnen draufien. Bei der Heilung des Wasser-
stichtigen jedoch geben die Architekturkulissen nur einen beruhigenden
Abschlufi, da sie ftir die Geschichte selber nichts mehr beibringen. Sie
ftillen mehr oder minder neutral das letzte Viertel der Bildflache, unge-
fahr so, wie die Stadtansicht bei der stiirmischen Seefahrt das erste
Viertel einnahm. Vergleichen wir die Richtung des optischen und da-
mi t des poetischen Vollzuges, so ist auch sie wieder dieselbe, wie bei
den vorher betrachteten, von links nach rechts. Also ware der Sturm
auf dem Meere ganz wohl ftir den Anfang einer Bilderreihe geeignet,
mit dem festen Ausgangspunkt an der linken Seite, — die Heilung des
Wasserstichtigen im Gegenteil fiir das Ende einer solchen, mit der Fer-
mate auf der Rechten.
Ganz besonders lehrreich wird darnach die Gegenprobe bei der
Austreibung der unsaubern Geister in die Schweineherde, wo der weite
Uberblick iiber den Weideplatz mit der Htirde und der Hirtenwohnung
bis zur Stadtansicht in der Feme zu der nahen Hauptszene von gewohntem
Mafistab der Figuren den wirkungsvollsten Gegensatz bildet. Man ver-
suche nur einmal die Darstellung in umgekehrter Richtung, d. h. von
rechts nach links auf Christus hin entlang zu schauen und an dem Leit-
faden der gegenstandlichen Erscheinungen aufzufassen. Dann kommt der
Wundertater, von dem das Geschehen ausgehen soil, geradezu in Belage-
rungszustand durch den Teufelsspuk mit dem Besessenen an der Spitze.
II.
Die namliche Richtung wie in alien tibrigen Bildern herrscht auch
in den drei »Totenerweckungen«, die als hochste Kraftproben zusammen-
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268 August Schmarsow:
gehoren, unci voin einfachsten zum schwierigsten Fall nach dem Gesetz
der Steigerung so aufeinander folgen miissen, wie sie dastehen: Jlingling
von Nairn — Jairi Tochterlein — Lazarus.
Auf dem ersten Bilde kommt Christus mit den Aposteln seines
Weges von links daher. Aus dem Tor der Stadt Nairn, die vor ihin zur
Rechten liegt, bewegt sich der Leichenzug, auf den er soeben gestoflen
ist. Auf der Bahre, die von vier6) Mannern getragen wird, erhebt sich
der Jiingling auf den Wink des Herrn, und dankbar sinkt die getrostete
Witwe dem Barmherzigen zu Fiifien, der ihr den Sohn wiederschenkt
Die Gestalt des Knaben, — die kurz vorher noch ausgestreckt dage-
legen hatte, und nun aufrecht dasitzt, — befindet sich genau im Mittelpunkt
der ganzen Bildflache, frei emporgehoben von den Tragern, und von dem
schlichten Hintergrund sich absetzend, sodafl sie zuerst ins Auge fallen
mufi, Sie erscheint wie das Zlinglein an der Wage, an dessen Bewegung
alles hangt. Und blicken wir von diesem Beispiel nach dem verwandten
Zeichen, dem Mastbaum im Schiffe gegeniiber, so erhellt die bewufite Ver-
wendung des Kunstmittels zweifellos fiir jeden, der in die poetische Er-
zahlung des Evangeliums eingedrungen ist.
Um so deutlicher reihen sich die beiden folgenden Darstellungen
den zweiteiligen an, von denen wir ausgegangen sind. Mit der »Aufer-
weckung der Tochter des Jairus« verbindet sich notwendig die Heilung
des blutfllissigen Weibes ; denn die hilfesuchende Bertihrung der glaubigen
Kranken geschieht hinterrticks und unerwartet auf dem Gange des Meisters
zum Hause des Jairus. Durch diesen Zwischenfall wird die Zeit ver-
pafit, das sterbenskranke Magdlein noch lebend anzutreffen. Und durch-
aus als Intermezzo, in seiner Funktion als retardierendes Moment, ja
als Komplikation des Falles, ist die Begegnung mit dem Weibe behandelt.
Im Gehen nach rechts wendet sich hier Christus ausnahmsweise nach
links herum und entlafit die Gestandige mit seinem Frieden. In der Mitte
des Bildes wird dann die Gruppe Christi mit seinen Aposteln in derselben
Weise, aber nach rechts gerichtet, wiederholt. Die Machtgebarde vor
dem Sterbebett, in dem sich die Tochter aufrichtet, und die staunenden
Handbewegungen des Elternpaares dahinter bedeuten den Vollzug des
Wunders an der eben Verblichenen. Ein tibereckgestellter Turm und die
verschiedene Richtung der andern Gebaude, wie der unterbrochene Zug
der zinnenbekronten Mauer, die rechts defer herabsinkt, tragen ihrerseits
dazu bei, die zweiteilige Szene nach Ort und Zeit zu gliedern und den
Zusammenschlufi der Figurenkomposition in der Mitte zu betonen. Ob-
gleich unversehens eine Kraft von ihm gewichen ist, vermag der Gottliche
6) Also nicht nur von zweien, wie der lateinische Kirchenvater Augustin Sermo
CXXI. fordert. Vgl. Kraus, a. a. O. S. 9.
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Die Kompositionsgesetze in den Reichenauer Wandgemalden. 269
dennoch die Tote zum Leben zurtickzubringen, — das lemen wir an
diesem Wendepunkt zwischen den beiden Schauplatzen sozusagen korper-
haft ermessen.
Dagegen klafift eine Liicke zwischen den beiden Halften der »Auf-
erweckung des Lazarus «. Wenn das Wunder an Jairi Tochterlein gerade
durch die heimliche Ablenkung des magnetischen Fluidums schwieriger
und verwickelter wird, ja, durch die Dazwischenkunft dieser Bertihrung
unterwegs erst, aus einer einfachen Krankenheilung zu einer Totener-
weckung sich steigert, so gilt es in der Geschichte des Lazarus, die
Spannung vor einem nach menschlichem Ermessen unmoglichen Wagnis
herauszukehren und aufrecht zu erhalten, damit dem Betrachter solche un-
erhorte Durchbrechung der Naturgesetze als die starkste durchschlagende
Bewahrung der Gottlichkeit dieses Jesus von Nazareth zum Bewufitsein
komme. Das ist die Leistung des Intervalls zwischen den beiden Bild-
halften, der den Zusammenhang der Figurenreihe durchschneidet Eine
Komposition, die lediglich nach den Gesetzen plastischer Grup-
pierung der Figuren verfuhre, hatte auch eine entscheidend wichtige
Gestalt in die Mitte geriickt, wie etwa die stehende Schwesterdes Lazarus.
Sie tritt auch hier zwischen Jesus und der Mumie uber dem Grabesrand als
Mittelsperson auf, an deren doppelseitiger Gebarde sich das Geschehen
des Wunders hauptsachlich versinnlicht.7) Aber sie ist hier zweifellos zur
linken Halfte des Bildes gezogen, deren dreiteilige Anordnung: Apostel-
schar — Christus — Schwesternpaar, durch die dreiteilige Architektur-
umrahmung bestatigt und festgelegt wird. Ware nicht durch die Rtick-
wartsdrehung der beiden Schwestern der Zusammenhang zwischen der
erhobenen Rechten des Herrn und der iiber die Grabesoffnung bereits
emporgeschwebten Leiche hergestellt, und damit die poetische Einheit
der beiden Bildhalften auch fur den schweifenden Blick verfolgbar er-
zwungen, so wiirde auch hier die Wiederholung der Hauptperson vor
dem Grabe gefordert sein, wie in der vorigen Darstellung und im Schiffe
beim Sturm auf dem Meere, um so notwendiger, als die biblische Er-
zahlung selbst zwei Schauplatze ftir die zeitlich auseinanderliegenden Mo-
mente des Geschehens angiebt und den Gang vom Hause der Schwestern
zur Grabstatte des Lazarus markiert Damit ist ein Wink fur die Ent-
stehungsgeschichte dieser Bildeinheit aus einem ursprtinglich naherliegen-
den Doppelbilde an die Hand gegeben, der ftir die Stufe bewufiter
Kunstiibung, die hier vorliegt, nicht unverwertet bleiben sollte. Dafi
hier aber vollends die korperhafte Dominante sozusagen freiwillig aus-
7) Gerade in diesem Umwenden will Springer (S. 142) eine Neuerung des
Reichenauer Meisters im 10. Jahrhundert erkennen. Das geht jedoch bei so integrierender
Bedeutung im Ganzen nicht an.
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270 August Schmarsow:
geschaltet, und ihre Stelle in der Hauptachse leer gelassen ist, offenbart
erst recht iiberzeugend das Stadium des Kunstwollens, in dem wir uns
hier befinden. Es ist der Ubergang von der rein plastischen
Figurenkomposition zu der viel geistigeren Rechnung mit
Raumfaktoren vollzogen, und zwar zur Verwertung des Inter-
valls in Einer Reihe mit den isolierten Korpern. So nimmt die
Auferweckung des Lazarus eine besondere aber nicht mehr tiberraschende
Einzelstellung unter den ubrigen Darstellungen ein, wie in anderm Sinne
die Meerfahrt, und uberall sind es die gleichcn Prinzipien, die wir, in
sachgemafier Modifikation nach dem jeweils gegebenen Thema, in dem
ganzen Zyklus walten sehen.
An das eine dieser Beispiele, die Teufelaustreibung bei Gerasa
schliefit sich die Auferweckung des Lazarus durch ein gemeinsames
Merkmal an, namlich in dem Zuriickweichen der Statisten auf der rechten
Seite des Grabtabernakels. Sie treten ganz ahnlich wie die Gebaude
hinter dem Wassersiichtigen auf den zweiten Plan, so dafi der Vorder-
grund frei bleibt. Damit entstehen bei alien drei soeben genannten Bildern
wenigstens Anlaufe zu einer Tiefenwirkung in der Diagonal e, die
tiber die sonst durchgehende Beschrankung auf eine vordere Reliefschicht
hinausdrangt. Nehmen wir noch die Meerfahrt hinzu, wo das Schiff gegen
die widrigen Winde kreuzen soil, also auch starker in schrager Richtung
gesehen werden mochte, als es hier gegliickt ist, so en thai t schon die
Halfte des Zyklus das bedeutsame Symptom einer den Tiefenvollzug her-
ausfordernden Bildanschauung wenigstens im Keime. Desto entschiedener
jedoch lafit sich uberall, auch in diesen Ausnahmen noch, die Regel er-
kennen, die der erlernten Kompositionsweise zugrunde liegt Es ist die
Aufreihung der Korper auf einem schmalen Vordergrund, hinter
den sich die Architektur-Szene fast immer abschliefiend unmittelbar entlang-
schiebt, wie eine Reihe von bemalten Versatzstiicken. Alle Hauptpersonen
treten einzeln auf, Christus gar so grofi, dafi die nachfolgenden Apostel zu
dritt aneinandergedrangt, indem schon der zweite, der dritte vollends ver-
deckt wird, als eine Masse nur sein Aquivalent bilden, ja immer noch als
Folie zu ihm erscheinen. Unzweifelhaft aber sind die Figuren, drei Viertel
der Bildhohe einnehmend, und die gleichwertigen Dinge, die mit ihnen
in Reih und Glied auftreten, die konstituierenden Faktoren der Kompo-
sition. Und eine solche Reliefanschauung, die nur mit einem vorderen
Biihnenstreifen rechnet, dahinter liegende Plane fast vollig ausschliefit,
war auch das natiirliche Erfordernis fur diese Bildflachen an der Ober-
mauer des Mittelschiffs iiber den Arkaden. Die durchwaltende Regel
der Aufreihung aller Korper in der Vorderschicht, die dem drunten ent-
langschreitenden Beschaucr bequem tibersehbar bleibt und keine Auf-
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Die Kompositionsgesetze in den Reichenauer Wandgemalden. 27 I
forderung enthalt, auf einem festen Standpunkt stehen zu bleiben, um
von diesem weiteren Abstand aus, die ganze Bildbreite umspannend, die
Tiefenrichtung zu vollziehen, wie bei perspektivischer Konstruktion auf
ein Zentrum geschehen miifite, — dieses Abschneiden des Hintergrundes
und die wenigen Ausnahmen mit diagonaler Verschiebung am einen Ende
der Bildflache, das alles sind unbezweifelbare Kennzeichen, dafi die Kom-
positionen dieses Zyklus fur die Wandmalerei geschaffen sind und
nicht etwa fur die Buchmalerei erfunden waren. Nur die durch-
laufende Soffitte in den Reichenauer Gemalden und ein gewisser
Gegensatz gegen den perspektivisch durchgeftihrten Maanderfries darunter
und daruber konnte den Vergleich mit Teppichbehang ebenso wie die
Erinnerung an die Btihne herausfordern. Beide Gesichtspunkte waren ftir
die Entstehungsgeschichte des Zyklus gleichermaflen verwertbar und
schliefien einander nicht aus. Aber die Wahl der Untensicht ftir die
Figurenkomposition, die Uberschau von oben ftir die Architekturkulissen
scheinen einander widersprechend, die eine mehr ftir den Platz an der
Obermauer, die andre mehr fiir einen niedrigen Standort der Bilder zu
sprechen. Doch davon soil noch nicht die Rede sein,
Flir die Erfindung zu dem vorhandenen Zweck, den Obergaden des
Mittelschiffs einer Basilika zu schmticken, fallt jedoch ein andres Merk-
mal der hier befolgten Kompositionsgesetze sehr entscheidend ins Ge-
wicht, das noch einmal zusammenfassend erwogen werden mufl, weil es
unabweislich auf die urspriingliche Bestimmung der Bilder zurtickleitet
und uns den Schltissel ftir das Verstandnis aller tibrigen Einzelbeobach-
tungen in die Hand gibt.
III.
Augenfallig und absichtsvoll trat in der Auferweckung des Lazarus
die Halbierung der Bildflache hervor. Sie mufi besonders dringend die
Frage wiederholen, die sich bei manchem Leser gewifi schon angesichts
der Zweiteilung der ersten Geschichten eingestellt hat, namlich wie der
Maler dazu kommen mochte, das Breitformat der gegebenen Flachen uber-
all durch solche Mittellinie zu zerlegen? Es fragt sich also, inwieweit
eine solche Zweiteilung bei derartigen Kirchenmalereien durch die um-
gebenden Bestandteile des Innenraums, an dessen Wanden sie sich hin-
ziehen sollten, gefordert oder wenigstens nahe gelegt war. Sie wiirde sich
sofort nattirlich erklaren, wenn unter dem Mittelpunkt jeder Bildflache
der Scheitelpunkt eines Bogens vorhanden war, wenn die einrahmenden
Ornamentstreifen links und rechts gerade senkrecht tiber den Kapitellen
und den Saulen dieser Arkade zu stehen kamen, und wenn vollends tiber
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272 August Schmarsow:
dieser Bildflache im Lichtgaden des MittelschifFes je ein Fenster sich
offnete, so dafi wiederum die Mittelachse dieses raumoffnenden Teiles
oben derjenigen der Bildwand und der RaumofTnung darunter entsprach.
Damit ware wenigstens das Ideal genau symmetrischer Aufteilung im
ganzen Langhause erftillt, wie wir es in dem schematischen Grundrifi
ftir ein Kloster wie S. Gallen auch in der Kirche vorgezeichnet erwarten,
und wie es ftir den Benediktinerorden bei alien Neugriindungen in ge-
wisser Zeit angenommen werden darf, als bindende Regel, die von ton-
angebender Stelle, vielleicht auf Grund gelehrter Studien aufgestellt war,
wenn die lokalen Bedingungen im einzelnen auch zu manchen Zuge-
standnissen notigen mochten.
Auf Grund unsrer Analyse aller acht erhaltenen Kompositionen
darf behauptet werden, dafi sie solche genau bemessene Stellung zu dem
unteren, wie dem oberen Stockwerk des Mittelschiffs einer Basilika ihrem
ganzen Wesen nach zwingend postulieren. In dem Kirchenraum von
S. Georg zu Oberzell, wo sie uns erhalten sind, trifft dieser regelrechte
Zusammenhang mit den Baugliedern und den raumoffnenden Intervallen
freilich nicht in dem Mafie befriedigend zu, dafi man die Uberzeugung
gewonne, das Gesetz sei hier einigermafien bewufit befolgt worden.8) Aber
diese Tatsache beweist auch keineswegs das Gegenteil unsrer Behaup-
tung. Denn der Bau von Oberzell ist in den Bestandteilen, die aus der
Zeit Witigowos erhalten sind, an sich schon nachlassig und ungeschickt
ausgefuhrt, so dafi er nur ftir das mangelhafte Verstandnis der Reiche-
nauer Monche auch im Basilikenbau Zeugnis ablegt und das muhevolle
Bestreben der Nachahmung fremder Vorbilder nur unvollkommen ge-
gliickt zeigt. Da diirfen wir bei der Ausmalung des Innern keine grofiere
Sicherheit und Feinftihligkeit voraussetzen. Selbst die Uberladung des
Wandstreifens tiber den Arkaden mit dem perspektivisch durchbrochenen
Maanderfries, wie er in antiken Fufibodenmosaiken schon eine Geschmacksr
verirrung ziemlich krasser Art bedeutet, verrat hier in seiner aufdring-
lichen Breite den Grad der Barbarei, der diesseits der Alpen auch wahrend
der eifrigen Lernbegier unter den Karolingern zu Hause war. Aus dem
Mifiverhaltnis der Bilder zu den Fenstern oben und den Arkaden unten,
aus dem Gegensinn der Apostelreihe droben gegen die Reihenfolge der
Bilder einer Seite, ware vollends nur der Schlufi zu ziehen, dafi die hier
8) Nur Springer legt sich die Frage vor, wie weit bei der Anordnung der Bilder
auf die raumliche Gliederung der Kirche RUcksicht genommen sei oder nicht. Er hcbt
hervor, da8 sogar die einzelnen Gemiilde verschiedene Breitenmafle haben (S. 132 f.).
Er verrechnet sich aber, wenn er meint, dafi eigentlich durch 3 Saulen und einen
Pfeiler flinf Wandfelder auf jeder Seite architektonisch vorgezeichnet seien. Seine Ant-
wort bleibt ausweichend. Bei Kraus fehlen die genauen Maflangaben, die wir in solcher
Publikation erwarten.
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Die Kompositionsgesetze in den Rcichenauer Wandgemalden. 273
gemalten Kompositionen nicht flir diese Stellen in der Kirche der Reichenau
geschaffen worden, sondern dafi die urspriingliche Erfindung anderswo zu
suchen sei. Die ausgewahlten Stticke, die uns in S. Georg zu Oberzell
erhalten blieben, gehoren vielinehr einem ererbten Zyklus der Wundertaten
Christi an, dessen Entstehungszeit betrachtlich iiber diese, vielleicht fiir
andre Augen nicht gerade mustergiiltige, Wiederholung durch die Reichenauer
Schule zuriickliegen rnag.
Dieser ursprtingliche Zyklus, dessen Eigenart in mancher Hinsicht
unverfalscht durch die vorliegende Redaktion hindurchblickt, ware danri
erst die entscheidende Instanz, an die wir uns zu halten hatten. Und
die Kompositionsgesetze, die wir beobachtet, gewahren die feste Grund-
lage fiir die kritische Rekonstruktion des Zusaminenhangs der Bilder mit
der umgebenden Architektur, aber audi umgekehrt der ursprlinglichen
Verhaltnisse des Kirchenraumes aus den vorhandenen Wandgemalden.
Traf die Mittelachse der Bildflachen auf den Scheitelpunkt der Arkaden,
der einrahmende Ornamentstreifen links und rechts auf die Mitte des
Zwickels (mit dem Medaillon darin) und das Kapitell mit dem Saulen-
stamm darunter, so haben wir die urspriingliche Bogenweite und den zu-
gehorigen Abstand von Saule zu Saule. Die Bildbreite fiihrt so auf eine
Arkadenweite, die einen wesentlichen Unterschied von der enggestellten
Saulenreihe der altchristlichen Basiliken friiherer Zeit aufweist. Das
schnellere Tempo in der Reihenfolge der Glieder, das jenen Bauten eigen
ist, wiirde sich mit dem ruhigeren Fortschritt im Anschauen solcher Bilder
voll sinnreicher Beziehungen, wie diese Wundertaten Christi sie enthalten,
nicht mehr vertragen. Der Reichtum an Vorstellungsinhalt und die Be-
deutsamkeit der Gebardensprache fordern ein langeres Verweilen, wenn
auch immer keinen Stillstand. Damit ist abermals ein Mittel fiir die
Zeitbestimmung erbracht, und damit stent noch ein weiteres Moment in
naher Beziehung, das soeben wieder gestreift ward.
Das unabweisbare Ergebnis unserer Analyse, dafi wir in Oberzell
auf der Reichenau nur Wiederholungen aus einem anderswoher uber-
lieferten Bilderkreis vor uns haben, wird auch durch eine Tatsache ge-
stutzt, die bei der obigen Prlifung schon zu Tage treten mufite: ich
meine die gleiche Richtung aller Bilder von links nach rechts. Eben
diese Richtung des Vollzuges, in der die einzelnen Geschichten abgelesen
sein wollen, stimmt nicht mit der Verteilung der Gemalde zu je vieren
an die beiden Obermauern des Mittelschiffs. Nehmen wir den Eingang
von Osten oder von Westen und damit den Anfang der Erzahlung vom
ursprlinglichen Altarhause oder von der spater angebauten Apsis (an der
jetzigen Eintrittsseite) her, — immer geht die eine Halfte der Dar-
stellungen dem entlang wandelnden Betrachter sozusagen gegen den
Repertorium fiir Kunstwissenschaft, XXVII. Iq
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274 August Schmarsow:
Strich. Waren die Kompositionen flir die Kirche zu Oberzell erfunden,
so hatte der Ktinstler, der so stark mit der Richtung in die Lange und
mit der sonstigen Gliederung des Raumes rechnete, gewifi fur Korre-
sponsion der gegeniiberstehenden, oder doch flir den Wechsel der Rich-
tung zwischen den Reihen der Nord- und der Sudwand Sorge getragen.
Nehmen wir an, dafi ein Rundgang von einem Ausgangspunkte ringsum
bis zu diesem zuriick beabsichtigt war, so kommen wir in Widerspruch
zur chronologischen Folge der Ereignisse, wie die Evangelien sie er-
zahlen. Betrachten wir den ganzen Zyklus, wie er vorliegt, unabhangig
von seiner Anbringung in Oberzell, so konnen die acht erhaltenen Stiicke
entweder durch Vertauschung der beiden Wande einigermafien zu ihrem
ursprilnglichen Sinn flir den optischen Vollzug zuriick gebracht werden,
oder wir kamen besser noch zu der freimtitigen Erklarung, sie konnten einer
und derselben fortlaufenden Reihe angehort haben, die eine einzige Lang-
wand der gedachten regelmafiigen Basilika fiillte, vorbehaltlich einer Er-
ganzung durch andre Wundertaten, die hier in Oberzell nicht vorkommen.
Dafi eine solche Anordnung ftir die Wundertaten Christi nicht aufier dem
Bereich der gegebenen Tatsachen lage, beweist schon die Nachricht von
der Ausmalung der Kirche zu Petershausen, die Bischof Gebhard II
von Konstanz (979 — 995) fertigen liefi. Hier bot die linke Wand Szenen
des alten, die rechte solche des neuen Testaments dar. Aber mit diesem
Hinweis kamen wir zu der typologischen Gegentiberstellung zuriick, die
in Ingelheim nach den Versen des Ermoldus Nigellus sicher vorhanden
war, in Mainz nach den Versen Ekkehards IV. noch die gewohnte Vor-
aussetzung bildete, d. h. auf die Gepflogenheit der Karolingisch-Otto-
nischen Kunst. Besser ist daher ein andres Beispiel, die Sangallenser
Verse vom Evangelium ftir Bilderkreise, die auf der rechten Wand des
Gemeindehauses die Wunder Christi nennen, auf der linken gegeniiber
die Passion.9) Ein solches Original wiirde die gleiche Richtung der
einen Halfte vollends erklaren. Der Mangel an Vollzahligkeit der in
Oberzell erhaltenen acht Wunder Christi entzieht uns den festen Anhalt
ftir die Rekonstruktion der vollstandigen Bilderfolge, die aus neun oder
zehn, wenn nicht gar aus zwolf solchen Stiicken bestehen mochte.10) Ftir
eine Zahl, in der Drei aufgeht, scheint die Behandlung der drei Toten-
9) Sie gehen von der rechten Halfte des Chores aus und fiihren auf die linke
zuriick. Offenbar sind Verse verloren. Vgl. Springer a. a. O. p. 139.
10) So hat z. B. der ftinfschiffige Dom von S. Maria in Capua Vetere zwischen
den Seitenschiffen noch heute je 14 antike Saulen, im verbauten Mittelschiff noch je 1 1
(ursprttnglich gewifl ebenso viel, bis an die ehemalige Apsis, die durch Chorvorlage
auf Kosten der Gesamtlange erweitert worden) verschiedenen Materials, teils gerade teils
spiralisch kannelliert, in einem Abstand von etwa vier Schritt, von Saulenmitte zu Saulen-
mitte gerechnet.
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Die Kompositionsgesetze in den Reichenauer Wandgemalden. 275
erweckungen als Klimax zu sprechen. Auf eine Verteilung an zwei Wan-
den weist dagegen die Korresponsion der Meerfahrt als An fangs- und
der Heilung des Wasserslichtigen als Schluflstiick zurlick, da dies letztere
wenigstens nicht das letzte Glied des ganzen Cyklus sein kann.
Eins aber bleibt auf alle Falle fur diesen Zusanimenhang der ur-
sprtihglichen Schopfung mit den Rauunverhaltnissen einer Basilika ge-
sichert: das ist der Unterschied im Tempo des entlang wandelnden Be-
trachters z. B. gegen S. Martino in coelo aureo zu Ravenna, die Kirche
Theodorichs, die wir schon eininal erwahnt haben, wenigstens in dem heu-
tigen Zustand nach der Restauration durch die Orthodoxen. Hier er-
scheint an den Obennauern iiber den Arkaden links und rechts ein fort-
laufender Zug von Einzelgestalten, nah aneinander gereihte Glieder einer
langen Prozession, die vom Eingang gegen den Altar wallt und vor dem
Thron der Himmlischen anlangt. Da ist noch die unaufhaltsame Be-
wegung der alten Saulenreihen das Mafigebende, und das Auge gleitet
iiber alle Figuren gleichmafiig hin, ohne friiher auszuruhen als am Ende.
Die Wundertaten Christi wollen erlebt sein; sie ziehen — wenigstens in
der clurchdachten Fassung, die hier auf der Reichenau uberliefert ist —
das Subjekt des Lebendigen drunten viel intensiver in den Vorgang des
Bildes hinein, und jedes dieser Stlicke hat seinen Anfang, seine Mitte
und sein Ende. Der Held bleibt derselbe, wie der Betrachter auch; aber
der Schauplatz wechselt, zuweilen gar im selben Gemalde diesseits und
jenseits der Bogenhohe. Der Schwung der Arkade selbst von Saule zu
Saule begleitet den Umschwung des Geschehens, und ihr Hohepunkt
entspricht dem Wendepunkt der Handlung droben auf der Biihne.
Und endlich die Apostelreihe zwischen den Fenstern, die nochmals
die Mittelachse der Bildflachen hervorheben. Es sind in S. Georg zu
Oberzell Einzelgestalten, aber nicht wie in S. Martino zu Ravenna sta-
tuarisch dastehend, durch Nischeneinrahmung isoliert, sondern schreitend
dargestellt, wie an dem Kuppelgewolbe der Taufkirche zu Ravenna.
Auch das ist wichtig und gibt wieder einen Aufschlufi iiber die historische
Entwicklung der Kirchenmalerei im Anschlufi an die Rhythmik des
Innenraumes selber. Doch verfolgen wir diese Fingerzeige diesmal noch
nicht weiter.
Aus der Analyse der Kompositionen allein, die wir unabhangig
von Zeit und Ort, wann und wo sie in der erhaltenen Redaktion gemalt
wurden, und ohne jedes Vorurteil nationaler Art, nur nach den Grund-
tatsachen des darin betatigten Kunstvermogens betrachtet haben, ergibt
sich jedenfalls, dafi wir ihren Ursprung gar nicht notwendig innerhalb der
Reichenauer Schule oder ausschliefilich in der karolingischen Tradition
19*
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276 August Schmarsow:
suchen mtissen. Vielmebr dtirfen wir, aller Wahrscheinlichkeit nach, Be-
standteile eines Bilderkreises darin erkennen, der im engsten Zusammen-
hang mit den grofiartigeren Bedingungen des christlichen Kirchenbaues,
und zwar mit der Innengliederung weitraumiger Basiliken entwickelt war.
Es sind die Gesetze eines ausgebildeten Monumentalstils, die ftir diesen
erzahlenden Zyklus in einem Langhaus mafigebend gewesen. Und die
Entscheidung jeder Einzelfrage, ob z. B. die Trias der Totenerweckungen
auf eine zusammenfassende Oberteilung der fortlaufenden Reihe in ana-
loge Triaden gedeutet werden darf, ware wichtig auch fur die Ge-
schichte des Kirchenbaues.11) Schon dafi jedes Bild vollinhaltlich wie eine
Strophe dasteht, ist eine Tatsache von bleibender Bedeutung, die bis zu
Raffaels Teppichkartons weiterwirkt.
Damit ist auch ftir die Beurteilung des Wertes dieses Reichenauer
Denkmals ein ganz neuer Mafistab gewonnen, und der Blick auf die Her-
kunft dieser Leistungen aus der spatantiken Kunsttiberlieferung, wie auf
die hochste Anspannung schopferischer Tatigkeit im Dienst der christ-
lichen Kirche zugleich frei gemacht Wo und wann diese Verbindung
beider Potenzen zu suchen sei, ist eine andre Frage, die mit Herbei-
ziehung aller ubrigen, friiher schon angewandten Gesichtspunkte behandelt
werden mlifite. Ftir ihre Losung mufi weiter ausgegriffen werden, auch
in die Unterschiede der sogenannten lateinischen und byzantinischen
Tradition hinein. Sie soil an andrer Stelle versucht werden, soweit es
bei dem gegenwartigen Stand unserer Forschung iiberhaupt schon ge-
schehen mag. Hier kam es nur darauf an zu zeigen, welches Ergebnis
die Betrachtung der Kompositionsgesetze allein fur die wissenschaftliche
Forschung im weitern Umfange zu erbringen im Stande war.
Fassen wir jedoch das Ergebnis dieser Beobachtungen liber die zu-
grundeliegenden Originalkompositionen zusammen, so kommen wir schon
jetzt zu einer von der bisherigen Ansicht sehr abweichenden Uberzeugung.
Fr. X. Kraus sieht in den Reichenauer Wandgemalden »das allerent-
schiedenste Fortleben romischer Tradition, ohne irgendwelche Anklange
byzantinischer Eigenttimlichkeiten«I2)und suchtdas Urbild auf italienischem
Boden.x3) Springer verfolgt mehr die Moglichkeit ihrer Abwandlung
unter dem Einflufi des nordischen Geistes, trifft aber schon eher das
Ix) Dachten wir eine andre Trias, der Krankenheilungen etwa, in der die Heilung
des WassersUchtigen das letzte Stiick bildete, gegentiber, so waren die beiden Seiten
eines Grundquadrates im Kirchenplan gewonnen; dachten wir sie auf derselben Seite
daneben, kamen wir auf eine Pfeilertrennung zwischen den Saulen, wie in dem L'mbau
Hadrians I von S. Maria in Cosmedin zu Rom (772 — 795) nach griechischem Vorbild,
und dies ware der Bildbreite wegen gewifl das Richtigere.
xa) Geschichte der christlichen Kunst II, s. p. 56.
*3) Zu der groflen Publikation S. 7—13.
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Die Kompositionsgesctze in den Reichenauer Wandgemalden. 277
Richtige in einigen Bemerkungen, die nicht ganz der Ausschliefilichkeit
huldigen, mit der Kraus seinen Standpunkt auf seiten der lateinischen
Kirche vertritt. Auch Springer erklart freilich: »Sie gehen mit einem
Worte noch unmittelbar auf die altchristlich-romische Tradition zuriick;
wir miissen hinzusetzen: sie schliefien dieselbe.«x4) Aber er anerkennt,
die Architektur sei »identisch mit den Bauten, welchen wir in Miniaturen
des 5. bis 7. Jahrhunderts begegnen«. »Aufier in den Auflerlichkeiten
(Typen, Gewandung, Tracht) stimmen die Wandgemalde auch im Wesen
der Komposition mit den altchristlichen Vorbildern uberein. Was wir
an diesen bewundern und worin wir noch einen Nachklang der Antike
entdecken, das ist die klare und knappe Einfachheit der Komposition.
Stets wird unmittelbar auf den Kern der Handlung losgegangen und
dieser frei von allem Beiwerke dem Beschauer vor die Augen gebracht«.
»Sie erscheinen sogar in der Grundstimmung mit den altchristlichen
Schopfungen verwandt.«
Geht man dieser Charakteristik des Eindrucks nach, so mufi bald ein-
leuchten, dafi sich in ihr zwei Extreme bertihren, die auf die Dauer immer
unvereinbarer erscheinen: fruhchristliche Stimmung und — nein! oder
hastige Beweglichkeit des 10. Jahrhunderts. Beides in einer und derselben
Darstellung ergabe wohl ein seltsames Konglomerat, das nie den einheit-
lichen Zusammenhang des Schaffens aufwiese, der in den Kompositiorien
auch trotz der nachlassigen Formensprache sich auspragt und auch bei
trauriger Verblichenheit noch durchsetzt. Nur die Unterlage einer dra-
matischen Darstellung vermochte der unruhigen Lebhaftigkeit des nordi-
schen Wesens eine Ankniipfung des eigenen Empfindens zu gewahren.
Und dramatisch wird man die altchristliche Kunst, der Katakomben-
malerei und der Sarkophagskulptur wenigstens, gewifi nicht nennen diir-
fen. Ihr lyrisches Geftihl, ihre idyllische Einfalt, ihre nur andeutende
Abbreviatur der Ereignisse, wo ein Teil das Ganze vertritt, ihr fliichtiges
Bildwesen, das wie eine poetische Metapher, ein Gleichnis in der Rede
auftaucht und wieder zuriicktritt, — das mogen wir die Grundstimmung
der friihchristlichen Schopfung nennen. Dies Stadium ist aber in den
Originalkompositionen des vorliegenden Zyklus iiberschritten. Hier sind
die Wundertaten Christi nicht angedeutet oder symbolisch bezeichnet,
sondern mit den Mitteln einer ganz anders denkenden Zeit erzahlt,
in der Absicht, den Beschauer von der Wahrheit des Vorganges
zu tiberzeugen, ja nicht episch nur erzahlt, wie sie geschehen
sein konnten, sondern dramatisch zugespitzt und von allem Beiwerk be-
freit. Aber der Grundton ist nicht etwa ein historisch-realistischcr zu
nennen, wie er dem Geschmack des kaiserlichen Rom mit seinen Triumph-
h) a. a. O. p. 141.
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278 August Schmarsow:
saulen entwachsen, wie er den Darstellungen der Zeitgeschichte auch in
den Tagen Justinians entsprechen mochte. Kein zeitgenossisches Kostiim
drangt sich auf, kein Aufputz der gottlichen Person mit irdischem Pomp.
Die Auffassung gehort durchaus der idealen Sinnesart echt christlichen
Strebens an, wenn auch einer Kunst, die vom Erbe der klassischen
Dichtung durchdrungen ist und das griechische Theater im
Geiste der besten Tragodie zur Voraussetzung hat. Wenn wir
den Ernst und die Tiefe der psychologischen Auffassung erwagen, ver-
stehen wir auch erst den grofien Zug der Gebardensprache und den
letzten Rest der schlichten Gewandung, wie die ganze Okonomie des
Schauplatzes und seiner hergebrachten Kulissenstiicke, die das Not-
wendige zum Verstandnis beitragen, sich aber nirgend mehr hervordrangen,
als solcher Begleitung geziemt. Die Hauptsache wird, wie Springer an-
erkennt, noch immer rein und voll gegeben. Das konnte die christliche
Kunst nur, solange sie die hochsten Aufgaben mit dem Aufgebot der
ganzen ethischen Kraft in Angriflf nahm.
Die Bliitezeit, in der die Originalkompositionen zur evangelischen
Erzahlung, vor allem der Wundertaten Christi, geschafFen sein miissen,
der wichtigste und entscheidende Grundstock ftir die lehrende Kirche,
mufi vor der realistischeren und starker an die Nerven greifenden Periode
liegen, die von der Passion Christi zu den Martyrien der Glaubenszeugen
iiberging. Und davon sind ja die Schriften eines Asterios von Amaseia
(f urn 410) und seiner Zeitgenossen schon erfttllt.x5)
Folgen wir dagegen Kraus auf italienischen Boden, so ergibt sich
aus dem umfanglichen Vergleichsmaterial, das er an der Hand von
Garrucci aus der ganzen Hinterlassenschaft der altchristlich-romischen
Kunst heranzieht, doch ftir die Kernfrage nach dem Ursprung der Ori-
ginate des Reichenauer Zyklus so gut wie gar nichts im Sinne seiner
Behauptung. Nicht die Wiederkehr der selben Geschichten, nicht die
Ubereinstimmung mit den Typen, der Tracht, der Gebardensprache und
den sonstigen Aufierlichkeiten ist das Entscheidende, worauf es ankommt,
sondern der Charakter der dramatischen Darstellung und die Kompositions-
gesetze, nach denen sie sich aufbaut. Wir brauchen nur zu rekapitulieren:
Kcine dieser Szenen ist, wie wir gesehen haben, ftir den ruhigen
und unverriickbaren Standpunkt des Beschauers berechnet. Dafiir zeugt
auch das Verhaltnis der Bilder zur malerisc hen Perspektive, die nirgends
bis zur Konstruktion aus einem Zentralpunkt vorschreitet , auch wo
sonstige Maflnahmen die Bestimmung fiir einen Ruhepunkt in der zyklischen
Reihc, fiir einen Abschlufi relativer Art im fortlaufenden Gang erkennen
*5) Vgl. Strzygowski, Orient odcr Rom p. uSff. Dagegen in Rom: S. M. Maggiorc,
Triumphbogen.
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Die Kompositionsgesetzc in den Reichenauer Wandgemalden. 2 7Q
lassen, oder wo gar die letzte Steigerung erreicht ist, etwa der Schlufl
der Wundertaten, mit der Erweckung des Toten aus seinem Grabe. Diese
Entwicklungsphase fallt um so mehr ins Gewicht, als wir Anwandlungen,
diagonal in die Tiefe zu leiten, kaum verkennen dttrfen und andrerseits
in den Maanderfriesen der Dekoration perspektivische Bravourstiicke ge-
wahren, deren Rechenexempel schon uberraschende Vorkenntnisse ftir das
letzte Problem der Raumdarstellung verraten. Der ganze Bilderzyklus
rechnet noch mit dem entlangwandelnden Betrachter in kontinuierlichem
Fortgang von einem zum andern. Das bestatigen auch die schreitenden
Apostelgestalten droben im Lichtgaden mit ihren wehenden Gewandern
zwischen den Fenstern, die ahnlich, aber in kreisrunder Wolbung das
Baptisterium der Orthodoxen, S. Giovanni in Fonte von Ravenna zeigt,
der Bau des Bischofs Ursus, der unter Neon (425 — 430) seinen musivi-
schen Schmuck erhielt. Hier haben wir die Bewegung im Langhaus
oben, wie in S. Marti no, der Hofkirche Theodorichs, unten liber den
Arkaden.
Mit diesem Prinzip der fortschreitenden Bewegung durch den Kirchen-
raum ist aber der Anschlufi an die weitere Entwicklung des byzantini-
schen Kirchenbaues zur Zeit Justinians ausgeschlossen. Die zentra-
lisierende Anlage unter einem Kuppelraum, auch wo die Langsrichtung
noch vorwaltet, wie in Sta. Sophia zu Konstantinopel, vertragt sich nicht
mit solcher Bilderreihe. Sie beschrankt die Wandflachen gleichmafligen
Zuschnitts und verweist die Bildkunst in Kuppeln, Halbkuppeln, Bogen-
felder und Zwickel, so dafi auch sie dem Gesetz der Zentralisation an-
heimfallen. Die Einftihrung der Emporen im Langhaus bereitet ohnehin
schon dem Bilderstreifen liber den Saulenreihen ein Ende, bevor noch
dieser strenge Zusammenschlufi des ostromischen Kirchenbaues sich durch-
zubilden und zu verbreiten vermochte.
Um so mehr scheint Kraus Recht zu behalten, wenn er alles
»Byzantinische« schlechtweg leugnet und auf Italien als Ursprung des
Zyklus hinweist. Aber er meint mit diesem Ausdruck auch das Ost-
romische oder Frlihbyzantinische, das als gemeinsames Erbteil der ganzen,
noch ungeteilten Kirche gelten mufl, jemehr man anstandslos Ravenna,
dies Enklave syrischer und byzantinischer Kunst auf italienischem Boden,
in die altchristlich-romische Verlassenschaft einzubeziehen pflegt. Wiirde
diese Verbindung mit Ost-Rom in Oberitalien und eine andere in Unter-
italien ausgeschaltet, so ware der Zusammenhang mit der »lateinischen
Tradition « wohl erst recht nicht zu erweisen. Wenn auf der Reichenau
die Einordnung der Gemalde in den Umkreis karolingisch-ottonischer Be-
strebungen moglich schien, obschon auch hier das Fernhalten typo-
logischer Gegenuberstellung sich solchem Bemtihen entgegenstellt, so
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280 August Schmarsow:
denkt Kraus selbst nur an Italien als Quelle der Originalkompositionen und
wohl mit Bestimmtheit an die Kunst der Benediktiner mit ihrer Pflege-
statt im Mutterkloster von Montecassino. Doch konnte auch hier nur an
ein Vorbild aus weit frtiherer Zeit appelliert werden, das in die erste
Glanzzeit zuriickreicht und auch dort schon auf einer frischeren Schopfung
ostromischer Kunst beruhte. Vergessen wir nicht, in welchem Zustand
sich gerade in der zweiten Hillfte des 10. Jahrhunderts die Kunstpflege
zu Montecassino befand. Wo sind dainals auch nur entfernt vergleich-
bare Leistungen im Gebiet dieser Klosterwirksamkeit zu finden? Und
der Blick auf die erhaltenen, unzweifelhaft der Schule von Montecassino
gehorigen Wandmalereien, wie die zu S. Angelo in For mis bei S. Maria
di Capua Vetere, die erst der zweiten Halfte des 1 1. Jahrhunderts ent-
stammen, der priifende Blick auf die Kompositionen, oft derselben Szenen
der heiligen Geschichte, erkennt nur den weiten Abstand, die Spuren
eines langen Niedergangs der Bildung und des Gefuhlslebens: so roh
und oberflachlich sind diese Malereien gegeniiber den ernsten durch-
dachten Kompositionen der Reichenau. Kein wohliiberlegter Zusammen-
hang mit dem Innenraum der Kirche, nur Bilderschmuck von oben bis
unten und in die SeitenschirTe hinein, ohne Riicksicht auf das lebendige
Subjekt, das sie geniefien soil. Keine Kenntnis der Kompositionsgesetze,
weder plastischer noch malerischer, weder architektonischer noch poetischer
Art, die von einheitlicher Kunstiibung und hoherer Leitung zeugten.
Gerade hier erweist die Untersuchung des Zyklus von Oberzell ihre
Wichtigkeit fiir die ganze Kunstgeschichte, die dazwischen liegt. Das
Entwicklungsstadium der Kompositionsgesetze, das diese Gemalde vor
Augen stellen, gehort einem bestimmten Zeitraum der spatantiken Kunst,
auf der die Bearbeitung des christlichen Bilderkreises fufit Wir
sahen: nicht mehr plastische Korperbildung und voile Reliefanschau-
ung mit Zusammenhang zwischen der organischen Gestaltung selber
und geschlossener Gruppierung, sondern lockere Aufreihung der Figuren
und Dinge, mit Uberresten eines mehr poetischen als plastischen Zu-
sammenschlusses, bis zur Einfiihrung der Raumleere als Aquivalent,
zur Ausbeutung des Interval Is als Spielraum iibernatiirlicher Wirkung
in die Feme. Doch keine gelaufige Durchbiidung der Korper in die
Tiefe und damit auch keine endgiltige Verschiebung des Zusanimen-
hangs aus der zweiten in die dritte Dimension, wie die perspektivische
Konstruktion des Schauplatzes fur einen festen Standpunkt sie mit sich
brachte. Der Rhythmus des Vollzugs halt die Richtung von links nach
rechts, wie die Reihung fest, versteigt sich hochstens zum Verfolg der
Diagonale durch die Bildflache hin, und kniipft an diese die vereinzelten
Versuche des Tiefendrangs, der sich hier und da fiihlbar genug meldet,
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Die Kompositionsgesetzc in den Reichenauer Wandgemalden. 281
aber noch nicht seiner selbst bewufit als neues Prinzip mit hineinwirkt.
Die Verhaltnisse des ganzen Zyklus gehoren noch in eine Saulenbasilika,
mit schon ziemlich weiten Arkaden.16)
Damit ist, glaube ich, die Entstehungszeit der Originalkompositionen
ftir den Augenblick genau genug umschrieben. Die Nachpriifung am
Einzelnen darf erneutem Anlauf der vergleichenden Methode (iberlassen
bleiben.
l6) Vgl. S. 269 Anmerkung 10.
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Literaturbericht.
Graphische Kiinste.
Jahresiibersicht 1903.
In der Veroffentlichung von Quellenmaterial steht wohl »Les deux
Cents Incunables xylographiques du Departement des estampes de
la Bibliotheque Nationale, Paris « voran, ein Folio-Band in etwas un-
appetitlicher Montierung, mafiige Lichtdrucke auf gelbes Papier geklebt
Im Textband hierzu fahrt Henri Bouchot in seinen fanatischen Ver-
suchen fort, alle wichtigen Monumente flir Frankreich zu retten und wo-
moglich diesem Land die Prioritat im Holzscbnitt (iberhaupt zu sichern,
ein Bestreben, das er neuerdings auch auf andere Kunstgebiete anzu-
wenden scheint, in dem er aber bereits mehrere gebtihrendeZurtickweisungen
(z. B. Dodgson, im Burlington Magazine 1903) liber die Untiichtigkeit
seiner Beweisfuhrungen erfahren hat Der Prince d'Essling veroffentlichte
(zuerst in der Gazette des Beaux Arts) das frtih-italienische Blockbuch
im Berliner K. Kabinet, »Le premier livre xylographique italien,
imprime' a Venise vers i45o«, auf das bereits Kristeller- im Preufi.
Jahrbuch 1901 die Aufmerksamkeit geleitet hatte, und erganzt im Text
dessen Argumente, die die Holzschnitte fur Venezianische Arbeit um 1450
erklaren. Bei Heitz in Strafiburg erschien »Oracula Sibyllina nach
dem einzigen in der Stiftsbibliothek von St.Gallen aufbewahrten
Exemplare«. In der Einleitung gibt W. L. Schreiber als Entstehungs-
land Siidwest-Deutschland, als Zeit etwa 1470 an. In gleichem Verlag
und mit Einleitung von gleicher Hand erschien ein zweites Blockbuch,
»Biblia Pauperum, nach dem einzigen Exemplar in 50 Dar-
stellungen, frtiher in Wolffenbtittel, jetzt in der Bibl. Nationale
zu Paris «. Hierfiir wird die Gegend jenseits des Rheins, die Jahre
1475 — 80 als Ort und Zeit der Entstehung angegeben. Die Ausgabe
ist eine Erweiterung der Gestalt in 40 Darstellungen, von der zwolf Aus-
gaben bekannt sind. Sich zu Bouchots Ansichten hinneigend, nimmt
Schreiber flir diese beiden Blockblicher franzosische Urbilder an. Mit
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I ,iteraturbericht. 283
den Anfangen des Holzschnitts beschiiftigt sich noch Henri Hymans
»L'estampe de 1418 et la validite de sa date« (zuerst im »Bull
de l'Acad. roy. de Belgique« erschienen) und kommt zum Schlufi,
dafi die Jahreszahl durchaus nicht als gefalscht oder verdachtig von der
Hand zu weisen ist, dafi man im Gegenteil sich ganz gut mit dieser Datie-
rung der St. Gallener Maria mit 4 Heiligen abfinden kann. Ein fernerer
wich tiger Beitrag liber die Kunst des 15. Jahrh. ist M. Geisb ergs, »Der
Meister der Berliner Passion und Israhel van Meckenem«.
Es gliickt ihm, den Meister der B. P. mit dem Bocholter Goldschmied
und Vater des Israhel van Meckenem zu identifizieren, ferner Neues und
gewissermafien Abschliefiendes tiber das Leben und Werk des letzteren
zu bieten (Oeuvre-Katalog soil erst folgen). Wichtig ist, dafi Geisberg
wieder einmal die Bedeutung der Tradition festgestellt hat. Noch Wessely
spricht von zwei Israhel van Meckenem, auf Grund von Uberlieferungen;
doch gab man das auf, weil eben die Dokumente hierzu fehlten.
Geisberg hat sie endlich herbeigeschafft und den Wert auch der sogen.
»un verb tirg ten Tradition « bestatigt.
Den Schritt vom 15. ins 16. Jahrh. macht der erste Band von
Dodgsons monumentalem » Catalogue of German and Flemish Wood-
cuts in the British Museum, Dep't. of Prints and Drawings«. Zum Teil
in den trefflichen Einleitungen zu den verschiedenen Abteilungen, haupt-
sachlich aber in den zahllosen kritischen Einschaltungen, Zuschreibungen,
Neuentdeckungen im Verzeichnis selbst liegt der Schwerpunkt des Buches.
Der Verfasser hat bekanntlich seit etwa einem Dezennium den deutschen
und niederlandischen Holzschnitt des 16. Jahrhunderts und die gleichzeitige
Buchillustration mit seltenem Eifer und Verstandnis erforscht. Seine Er-
gebnisse stutzen sich auf die Kenntnis fast aller europaischen Kabinette
und grofien Privatsammlungen. Im Preufi. Jahrbuch des Jahres rtihren
vom selben Verfasser zwei kleinere Beitrage aus diesem StofTgebiete her;
die Veroffentlichung von »Funf unbeschriebenen Holzschnitten
L,. Cranachs« (zwei Blatt in Wien, zwei in London, eins in Dresden)
und ein »Nachtrag«, betitelt »Jorg Breu als Illustrator der Ratdolt-
schen Offizin«; im Repertorium verorTentlichte Dodgson einen kleinen
Beitrag iiber »die Landsknechte David de Negkers« mit Abdruck von
dessen Vorrede (aus dem Stuttgarter Exemplar) aus der hervorgeht, dafi
David wirklich der Sohn Josts war, und Burgkmair, Amberger und Breu
als die Zeichner angegeben werden. Es folgt eine Tabelle mit den
Ansichten verschiedener Autoritaten iiber die Urheberschaft der einzelnen
Landsknechte. Im Burlington Magazine brachte Dodgson eine Anzahl
'Wolgemuthscher Holzschnitte zur Verdflfentlichung.
In den Mitteilungen zu den Graphischen Kiinsten schrieb C. Gieh-
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284 - Literaturbericht.
low iiber »Diirers Stich »Melencolia I« unci der maximilianische Hu-
manistenkreis.« Die Uberschriften dieser ersten zwei Kapitel lauten:
»Ein Gutachten Peutingers liber die Melancholie des Herkules Agyptius*
und »Marsiglio Ficinos Auffassung von dem melancholischen Temperament*
In eigentlich kunstgeschichtliche Fragen wird noch nicht gedrungen,
sondern zunachst einmal festgestellt, dafi in der Auffassung jener Tage
die Melancholie unbedingt als »die unedelste Komplexion« gait. Con-
stantin Winterbergs Untersuchungen »Uber die Proportionsgesetze des
menschlichen Korpers auf Grund von Dtirers Proportionslehre« (Reper-
torium 1903) fallen vielleicht nicht ganz in den Bereich meines Be-
richtes, ich will sie somit nur erwahnt haben.
Im »Art Journal « berichtet H. M. Cundall tiber eine Art Palimpsest
des Kupferstichs, die Platte P. Lombarts nach Van Dijcks Reiterbildnis
Karl I. Es ergibt sich, dafi in Folge der mehrmaligen politischen Um-
sttirze diese Kupferplatte nicht wreniger als fiinf Mai umgearbeitet wurde,
wobei jedesmal ein Cromwellbildnis an Stelle des Karls oder umgekehrt
herauskam. Alle sechs Zustande werden abgebildet; ob die angegebene
Reihenfolge die richtige ist, erscheint mir jedenfalls zweifelhaft
Das Jahr 1903 weist endlich eine Reihe von Oeuvre-Katalogen
auf, leider wenig Erfreuliches darunter. Der Aufseher des Londoner
Kupferstichkabinets, A. Whitman hat einen iiber » Samuel Reynolds*
verfafit. Diese Blicher werden dortzulande stets mit einer souveranen
Gewissenlosigkeit und bestrickenden Ausstattung ausgestattet. Als Mate-
rial geniigt dem jeweiligen Verfasser stets das, was er in den Londoner
(ev. anderen englischen) Sammlungen zur Hand hat. Dafi einer, was
doch bei der Abfassung eines Oeuvre-Katalogs conditio sine qua non
ist, sorglich samtliche europaischen Staatssammlungen mindestens um
briefliche Auskunft iiber ihren Besitzstand des betreflfenden Meisters an-
geht, kommt nicht vor. Am Ende bei »S. W. Reynolds* diirfte sich der
Verfasser dies noch schenken, aber schon bei der unter der Agide dieses
Aufsehers erschienenen Arbeit G. Goodwins iiber »MC- Ardell« zeigt sich
die Unterlassungssiinde sofort. Nur die eine Dresdener Sammlung besitzt
gleich einen Mc. Ardell der in Goodwins Buch uberhaupt nicht erwahnt
ist. Mag die gestochene Bezeichnung auch eine gefalschte sein, so ge-
hort das Blatt doch wenigstens mit Angabe der Griinde in sein Ver-
zeichnis der » doubtfully ascribed plates «. Zweifellos werden sich hier
und anderorts noch viele »Zustiinde« finden, die bei Goodwin fehlen, da
er, wie alle die Englander, in seiner Sorglosigkeit nicht den geringsten
Versuch gemacht hat, sie ausfindig zu machen. Vielleicht kann man
hoffen, dafi mit dem wachsenden Einflufi des »Burlington Magazine*, das
auf wissenschaftlich tiichtige Beitrage dringen will, die pseudo-fachwissen-
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Litcraturbericht.
285
schaftlicbe Schriftstellerei von Leuten wie Goodwin, Whitman, Lady
Dilke, Julia Frankau — eingedarnmt wird, und nach und nach nur noch
Werke erscheinen, deren Unzulanglichkeit im einzelnen der unausbleib-
liche Bodensatz ist, den auch die gewissenhafteste Arbeit nie ganz zu
verhindern vermag.
Als Oeuvre-Katalog wurde auch E. Anderlonis »Opere e Vita di
Pietro Anderloni« angezeigt, ohne auch nur einen Schatten eines wissen-
schaftlichen Verzeichnisses zu bieten. Das polyglotte Werk (italienisch,
franzosisch, rnangelhaftes deutsch und groteskes englisch) stellt sich als
kritiklose Verherrlichung eines gering zu schatzenden Kiinstlers dar, die
nur der Pietat des Enkels ein schones Zeugnis ausstellt, aber fiir die
Fachwissenschaft ohne Belang ist. Hans IV. Singer.
Proctor, Robert. An Index to the early printed books in the
British Museum. Part. II. 1501 — 1520. Section I, Germany;
London. Kegan Paul, Trench, Trubner & Co. Lmtd. 1903.
Proctors Verzeichnis der fruhen Drucke des British Museums ver-
dient eine Erwahnung auch im Berichte liber die kunstgeschichtliche
Literatur, weil eine grofie Anzahl der alten Biicher wertvolle Holzschnitte
enthalt. Der vorliegende zweite Teil des Index, der die deutschen Drucke
aus dem Anfange des 16. Jahrh., aufzahlt, ist noch im besonderen
fiir uns interessant, weil Proctor aufier den Typen der einzelnen Drucker
auch sehr genau und sorgfaltig die von ihnen verwendeten Zierstticke,
Leisten, Initialen, Druckerzeichen u. dgl. aufftihrt und auch die Holz-
schnitte nicht unerwahnt lafit. Von noch grofierer Wichtigkeit wird ohne
Frage das Verzeichnis der italienischen Drucke dieser Zeit sein. Das
British Museum besitzt eine unvergleichlich reiche Sammlung dieser meist
tiberaus seltenen und kunstlerisch interessanten Biicher. P. K.
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Mitteilungen tiber neue Forschungen.
Bernardo Rossellino, Dombaumeister. Als wir den chronologischen
Prospekt des Lebens und der Werke B. Rossellinos zusammenstellten
(jahrbuch d. preufl. Kunstsammlungen, 1900, S. iooff.), konnten wir den
Zeitpunkt der Ernennung desselben zum Capomaestro von S. Maria del
fiore nur annaherungsweise (Beginn 1461) angeben. Das folgende Do-
kument, das wir seither auffanden, gibt nun den gedachten Terniin mit
dem 20. Februar 146 1 genau an:
MCCCCLX Indict, vmj* et die xx mensis februarij. Supradicti
dnj Consules invicem in palatio dee artis in eorum audientia more solito
collegialiter congregati ecc.
Item secundo cum opera scte marie delfiore de florentia vacat
offitio capudmagistri cupole et lanterne dicte ecclesie per mortem An-
tonij Manettj olim capudmagistri dicte opere defunctj iam pluribus men-
sibus elapsis [8. Nov. 1460] olim electj et deputatj per dictam artem a
pluribus et pluribus annis, Et expediat de successore capud magistro
in dicto offitio providerj ne opera predicta detrimentum seu dampnum
aliquod patiatur, Volentes ad electionem successoris in dicto officio pro-
vedere habita tamen primo solempni deliberatione ecc. ecc.
Providerunt deliberaverunt et ordinaverunt quod
Bernardus mattej delborra alias Bernardo dal proconsolo
magister intagli ex nunc intelligatur esse et sit electus et solempniter et
legipttime deputatus in Capudmagistrum cupole et lanterne see marie
del flore de florentia loco dictj antonij manettj pro tempore et termino
unius annj proxime futurj incipiendj die sue reversionis ad civitatem
rlorentinam cum eius familia ad declarationem consulum et operariorum
una simul cum salario florenorum quinquaginta aurj quolibet anno (Arch,
di Stato, Arte della Lana, Provisioni e Riformationi, Libro segl0 I dal 7
genajo i45°/i al 15 Aprile 1467, vol. 53 [num. nuovo] a fol. 141).
Da in den jahrlichen Bestatigungen der Ernennung seitens der
Operaj immer der 1. November als neues Bestallungsdatum angefiihrt
wird (s. Guasti, La Cupola di S. Maria del Fiore, pag. 103 e 104), so
scheint Rossellino sein Amt tatsachlich mit dem 1. November 1461 an-
getreten zu haben, nachdem er wohl kurz zuvor von Pienza wieder nach
Florenz zu dauerndem Aufenthalt zuriickgekehrt war. C. v. F.
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Bei der Redaktion eingegangene Werke.
Berger Ernst. Beitriige zur Entwicklungsgeschichte der Mal-
technik. I. und II. Folge. Die Maltechnik des Altertums. Mit
2 farbigen Tafeln und 57 Illustrationen. Munchen. Georg D. W.
Callwey. M. 8.
Bryan's Dictionary of Painters and Engravers. New edition revised
and enlarged under the supervision of George C. Williamson,
Litt-D. With numerous illustrations. Vol. III. H-M. London.
George Bell and Sons. 21/.
Die Museen als Volksbildungsstatten. Ergebnisse der 12. Kon-
ferenz der Centralstelle fiir Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen. Mit
42 Abbildungen. Berlin. C. Heymann. M. 5.
Elsenhaus, Dr. Th. Die Aufgaben einer Psychologie der Deutung
als Vorarbeit fur die Geisteswissenschaften. Vortrag. Giefien.
J. Ricker (A. Topelmann). M. 0,50.
Frimmel, Th. von. Gemaldekunde. 2. Auflage. Webers illustrierte
Katechismen. Band 151. Leipzig. J. J. Weber. M. 4.
Gottschewski, Adolf. Die Fresken des Antoniazzo Romano zu S. Maria
sopra Minerva in Rom. Mit 1 1 Tafeln in Lichtdruck. Strafiburg.
J. H. Ed. Heitz. M. 4.
Hasse, C. Roger van BrUgge, der Meister von Flemalle. Mit 8 Tafeln
in Lichtdruck. Strafiburg. J. H. Ed. Heitz. M. 4.
Hausmann, S. und E. Polaczek. Denkmaler der Baukunst im
Elsafi, vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert 100 Licht-
drucktafeln. Lieferung 1 — 6. Strafiburg. W. Heinrich. 20 Liefer-
ungen zu M. 3.
Hirn, Yrjo. Der Ursprung der Kunst. Eine Untersuchung ihrer
psychischen und sozialen Ursachen. Aus dem Englischen tibersetzt
von M. Barth, durchgesehen und durch Vorwort eingeleitet von
Dr. Paul Barth. Leipzig. Johann Ambrosius Barth. M. 9.
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Kralik, Richard v. Die asthetischen und historischen Grund-
lagen der mode men Kunst. Wien. Anton Schroll. M. 2,50.
Leisching, Julius. Die Hauptstromungen der Kunst des 19.
Jahrhunderts. Briinn. Carl Winiker. M. 2.50.
Loo, Georges H. de. L'exposition des »Primitifs Fran$ais« au
point de vue de Tinfluence des freres van Eyck sur la
peinture franchise et provengale. Bruxelles. G. van Oest & Co.
Paris. H. Floury.
Lutsch, Hans. Verzeichnis der Kunstclenkmaler der Provinz Schlesien.
Band V. Register zu den Banden I — IV. Breslau. W. G. Korn.
McCurdy, M. A., Edward. Leonardo da Vinci. London. George
Bell and Sons. 5/.
Poppelreuter, Jos. Der anonyme Meister des Poliphilo. Eine
Studie zur ital. Buchillustration und zur Antike in der Kunst des
Quattrocento. Mit 25 Abbildungen. Straflburg. J. H. Ed. Heitz.
M. 4.
Prolss, Robert. Asthetik. 3. Aufl. Webers illustrierte Katechismen.
Band 11. Leipzig. J. J. Weber. M. 3,50.
Wie studiert man Kunstgeschichte? Ein Wegweiser fur alle, die
sich dieser Wissenschaft widmen. Von einem Kunsthistoriker.
Leipzig. A. Rofiberg. M. 0,80.
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Die deutsche Passionsbiihne
und die deutsche Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts
in ihren Wechselbeziehungen.
Von K. Tscheuschner-Bern.
Die eigentiimlichen Wechselbeziehungen zwischen dem geistlichen
Schauspiel und der bildenden Kunst des Mittelalters sind bereits vielfach
Gegenstand wissenschaftlicher Erorterung gewesen. So weit mir bekannt
ist, haben bisher uber dieses Thema gehandelt (in mehr oder weniger
umfangreichen Untersuchungen): 1841 und 1846 Mone in der Einleitung
zu seinen Altdeutschen Schauspielen (Quedlinburg und Leipzig 1841)
und den Schauspielen des Mittelalters (Karlsruh 1846, Neue Ausgabe
Mannheim 1852); 1847 Didron, Annales archdologiques ; 1856 Kugler,
im Christlichen Kunstblatt S. 233 ff.; i860 Anton Springer, Die drama-
tischen Mysterien und die Bildwerke des spateren Mittelalters, Ikono-
graphische Studien III (Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission zur
Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale V, 5, S. 1246*".); 1879 Anton
Springer, Uber die Quellen der Kunstdarstellungen im Mittelalter (Berichte
tiber die Verhandlungen der koniglich sachsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Leipzig, Philolog. histor. Klasse Bd. XXXI S. 1 ff.); 1886
Karl Meyer, Geistliches Schauspiel und kirchliche Kunst (Vierteljahrs-
schrift ftir Kultur und Literatur der Renaissance, herausgeg. von Ludwig
Geiger I S. 162 ff., 356 ff, 409 ff.); 1888 Durand, Bulletin monumental
p. 521; 1 89 1 Stephan Beissel, Die bildliche Darstellung von der Ver-
kiindigung Mariae (A. Schniitgens Zeitschrift ftir christl. Kunst V, Sp. 191 ff,
207 ff); 1894 P. Weber, Geistliches Schauspiel und kirchliche Kunst in
ihrem Verhaltnis erlautert an einer Ikonographie der Kirche und Synagoge,
Stuttgart; 1897 Franz Xaver Kraus, Geschichte der christlichen Kunst II
S. 268, 269, 420 — 422; 1898 Heinrich Schrors, Studien zu Giovanni da
Fiesole (Schniitgens Zeitschrift ftir christliche Kunst XI); 1899 Karl Frank,
Uber geistliche Schauspiele als Quellen kirchlicher Kunst (Christl. Kunst-
Repertorium fur Kunstwissenschnft, XXVII. 20
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290
K. Tscheusclmer:
blatt Jahrgang 1899 S. 123 ff.); 1904 Friedr. Panzer, Dichtung und
bildende Kunst des deutschen Mittelalters in ihren Wechselbeziehungen
(Ilbergische Neue Jahrbticher fur das klassische Altertum VII, 2) und
fimile Male, Le renouvellement de l'art par les mysteres a la fin du
moyen-ilge (Gazette des Beaux-Arts).
Von all dicsen zahlreichen Vorarbeiten behandelt das Verhaltnis
der deutschen Passionsbiihne zur deutschen Malerei mit grofierer Aus-
fiihrlichkeit nur die ebengenannte Untersuchung von Karl Meyer (Ab-
schnitt III und IV). Sie befafit sich jedoch nicht ausschliefilich mit
diesem Gegenstand, behandelt vielmehr einmal neben der deutschen
Kunst vor allem noch die italienische, und widmet andererseits den Er-
zeugnissen der Plastik die gleiche Aufmerksamkeit, wie denen der Malerei.
Die vorliegende Arbeit beschrankt sich, wie dies der Titel besagt, auf
ein engeres Gebiet; sie behandelt nur deutsche Kunst (in ganz ver-
einzelten Fallen nur wird einmal ein Werk eines aufierdeutschen Kiinstlers
herangezogen), sie behandelt ferner nur deutsche Malerei (Holzschnitt
und Kupferstich mit inbegriflfen). Durch diese sich absichtlich auferlegte
Beschrankung hofft sie, ihr Thema in erschopfenderer Weise behandeln
zu konnen. — Von alien tibrigen Vorarbeiten unterscheidet sich die vor-
liegende Abhandlung auch noch insofern, als sie sich nicht damit begnugt,
die bestehenden Wechselbeziehungen zwischen geistlichem Schauspiel und
bildender Kunst einfach zu konstatieren, vielmehr bestrebt ist, soweit
dies moglich ist, alle einschlagigen Stellen der Passionsspielliteratur durch
Abdruck in concreto namhaft zu machen. Ich liefl mich hierbei von einer
doppelten Absicht leiten; einmal war es nicht mein Wunsch, mich, wie dies ge-
wohnlich bisher geschehen ist, mit einer trockenen Aufzahlung all der ein-
zelnen, oft nur gar zu unwichtigen Punkte, in denen sich eine Uberein-
stimmung zwischen geistlichem Schauspiel und bildender Kunst konstatieren
lafit, zu begniigen, es war vielmehr meine Absicht, auf den gemeinschaftlichen
Geist, der den Erzeugnissen beider Kunstgattungen innewohnt, hinzuweisen
und zu diesem Zwecke war das Abdrucken ganzer kleinerer oder grofierer
Szenen aus den Passionsspielen unerlafilich; zweitens aber glaubte ich, dafi
durch das Anbringen eben dieser Zitate die Arbeit fur den Fachmann, der
sich ja nicht immer der Mlthe unterziehen kann, die so uberaus umfang-
reiche Passionsspielliteratur selbst durchzuarbeiten, an Wert gewinnen
miisse.
Im folgenden sind in alphabetischer Anordnung die geistlichen
Spiele zusammengestellt, die ich bei meiner Arbeit benutzt habe.
Alsfelder Passions spiel, ed. Froning, Das Drama des Mittelalters. S. 567.
Augsburger Osterspiel mit Hollenfahrt, ed. Hartmann, Das Oberammergauer
Passionsspiel in seiner altesten Gestalt. S. 81.
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Die deutsche Passionsbiihne usw.
29!
Augsburger Passionsspiel, ed. Hartmann, a. a. O. S. 3.
Benedictbeurer Passionsspiel, , ed. Froning , Das Drama des Mittelalters.
S. 284.
Benedictbeurer Weihnachtsspiel, ed. Froning, a. a. O. S. 877.
Brixener Passion, ed. Wackernell, Altdeutsche Passionsspiele aus Tirol. S. 353.
Casseler Weihnachtsspiel, ed. Froning, Das Drama des Mittelalters. S. 904.
Donaueschinger Passion, ed. Mone, Schauspiele des Mittelalters II, S. 184.
Egerer Passionsspiel, ed. Milchsack, Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart.
Bd. 156.
Emaus-Spiel, ed. Wackernell, Altdeutsche Passionsspiele aus Tirol. S. 475.
Frankfurter Dirigierrolle, ed. Froning, Das Drama des Mittelalters. S. 340.
Frankfurter Passionsspiel von 1493, ed. Froning, a. a. O. S. 379.
Friedberger Dirigierrolle, ed. Weigand, Zeitschrift ftir deutsches Altertum VII,
S. 545.
St. Galler Christi Himmelfahrtsspiel, ed. Mone, Schauspiele des Mittelalters II,
S. 254.
St. Galler Passionsspiel, ed. Mone, a. a. O. I, S. 72.
St. Galler Weihnachtsspiel, ed. Mone, a. a. O. I, S. 143.
Haller Passion, ed. Wackernell, Altdeutsche Passionsspiele aus Tirol. S. 279.
Heidelberger Passionsspiel, ed. Milchsack, Bibliothek des literarischen Vereins in
Stuttgart. Bd. 150.
Himmelgartner Passionsspiel, ed. Sievers, Zeitschrift ftir deutsche Philologie XXI,
s. 393.
Innsbrucker Osterspiel mit Hollenfahrt, ed. Mone, Altdeutsche Schauspiele.
S. 109.
Luzerner Grablegung von Mathias Gundelfinger, ed. Mone, Schauspiele des
Mittelalters II, S. 131.
Murier Osterspiel, ed. Froning, Das Drama des Mittelalters. S. 228.
Ntirnberger Osterfeier, ed. Froning, a. a. O. S. 17.
Ordo Rachelis, ed. Froning, a. a. O. S. 871.
Redentiner Osterspiel, ed. Froning, a. a. O. S. 123.
Rheinauer Spiel vom jtingsten Tag, ed. Mone, Schauspiele des Mittelalters I,
S. 273.
Sterzinger Passion, ed. Wackernell, Altdeutsche Passionsspiele aus Tirol. S. 3.
Trierer Osterspiel, ed. Froning, Das Drama des Mittelalters. S. 49.
Wiener Osterspiel mit Hollenfahrt, ed. Hoffmann v. Fallersleben, Fundgruben II,
S. 297.
Wiener Passionsspiel, ed. Froning, Das Drama des Mittelalters. S. 305.
Wilds Passionsspiel, ed. Hartmann, Das Oberammergauer Passionsspiel in seiner
altesten Gestalt. S. 10 1.
Zum Schlufi mochte ich nicht verfehlen, Herrn Prof. Dr. S. Singer-
Bern, dem ich die erste Anregung zu dieser Untersuchung verdanke und
tier mich auch wahrend des ganzen Verlaufes der Arbeit in liebens-
wiirdigster Weise mit Rat und Tat unterstiitzte, meinen warmsten Dank
auszusprechen.
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292 K. Tscheuschner:
Die Passionsspiele pflegen, wie alle geistlichen Schauspiele des
Mittelalters mit einem Prolog eroffnet zu werden. Der Proclamator,
Precursor oder Reigierer des Spieles tritt auf, erbittet sich Silentium und
halt sodann eine langere Ansprache an dasPublikum, in der er dasselbe
auf das, was vorgefiihrt werden soil, auf das Leiden Christi hinweist
Als Beispiel flihre ich den Prolog des Heidelberger Passionsspieles an:
Der Reigierer des spils stett vff vnnd spricht zcum volck:
(v. 1) Ir herenn stillent eweren schall.
Mein wortt vernement all.
Ir habt lang woll vemomenn,
Do Cristus vnnser her wolt komen
Vnnd geborenn woltt werdenn
Menschlich vff diesser erdenn,
Das verkiintten die prophetten weytt
Vnnd sagtenn seiner zcu kunfft zeyt.
Vnnd sagtenn sie zcu denn selben zeidenn,
Wie Cristus vnnser here ley denn
Woltt an seiner menscheytt
Angst, pein vnnd jamerkeytt,
Dar zcu auch denn bitteren doitt,
Domit er vnns erloist vfl noitt.
Wie die ding sint gescheenn,
Wer solchs will schauwen vnnd sehenn,
Der sail sich layssenn gestillenn,
So megent jr gottes willenn
Vnnd seinen himelischenn roitt
Hewtt schauwen mitt der doitt usw. usw.
Albrecht Diirer hat sich offenbar durch das Beispiel der Passions-
biihne bestimmen lassen, auch seinen Passionszyklen einen Prolog voraus-
zuschicken. Es kann hier nicht die Rede davon sein, dafi er das, was
er auf der BUhne vor sich sah, einfach in seine bildliche Darstellung
heriibernahm; mit der Gestalt eines schon herausgeputzten Proclamators
ware ihm ja wenig gedient gewesen. Die ganze Idee des Prologes, wie
er sie im geistlichen Schauspiel verwertet sah, war es wohl vielmehr,
die fur ihn vorbildlich wurde. Die Rede des Proklamators hatte den
Zweck, dadurch, dafi sie auf das Leiden Christi hinwies, den Zuschauer
von vornherein in eine beschauliche andachtige Stimmung zu versetzen.
Diirer bezweckte das gleiche und er erreichte dies, indem er in fein-
sinniger Weise die Gestalt des Schrnerzensmannes, des um der Mensch-
heit willen zu Tode gemarterten Heilandes selbst, an den Anfang seiner
Bilderzyklen stellte. In der Kl einen Passion sehen wir den gottlichen
Dulder auf einem Steine sitzend, das dornengekronte Haupt in die Hand
gestiitzt und liber die Sundhaftigkeit des Menschengeschlechtes nach-
sinnend; die Grofie Passion zeigt ihn verzweiflungsvoll die Hande ringend
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Die deutsche Passionsbilhne usw. 203
angesichts der namenlosen Schmahungen und Beschimpfungen, die ihm
von seinen Peinigern zuteil werden; die Kupferstich-Passion endlich
bringt am treffendsten den Prologgedanken zum Ausdruck, sie gibt den
Heiland mit alien Zeichen seines Martertodes vor der Saule stehend, zu
seinen Fufien die Gestalt eines Mannes und eines Weibes, die die
Hande zum Gebet erhoben schmerzerflillt und schuldbewufit zu ihm
emporblicken.
Auch beziiglich des Umfanges, der zeitlichen Erstreckung des
Vorgeflihrten lafit sich zwischen Passionsspiel und bildlicher Darstellung
eine tJbereinstimmung konstarieren. VerhaTtnismafiig selten nur beschrankt
sich das geistliche Schauspiel auf die Darstellung der eigentlichen
Passionsgeschichte (zu diesen Ausnahmen gehort u. a. die Gruppe der
Tiroler Spiele: die Sterzinger, Haller und Brixener Passion), in den weit-
aus meisten Fallen holt die Darstellung weiter aus. So setzt das Alsfelder
und das Heidelberger Spiel ein mit der Taufe Christi, das Benedictbeurer
und das Frankfurter Spiel mit der Berufung der Apostel, das St. Galler
Spiel mit der Hochzeit zu Cana und das Donaueschinger Spiel mit der
Schilderung des weltlichen Treibens der Maria Magdalena. Einzelne
Spiele greifen jedoch noch viel weiter zurtick, so das Wiener und das
Egerer Spiel; das erstere beginnt mit dem Falle Lucifers, das letztere
sogar mit der Weltschopfung. Ganz ahnliehes finden wir in der bild-
lichen Darstellung; Hans Burgkmairs Meditationes de vita, beneficiis et
passione Jesu Christi, Augsburg, Grimm und Wyrsung 1520, setzen ein
mit der Erschaffung der Eva, Diirers Kleine Passion mit Adam und Eva
unter dem Baume der Erkenntnis.
Wie ftir den Anfang der Passionsspiele, so gibt es auch flir deren
Abschlufl keine allgemein innegehaltene Grenze. Die Benedictbeurer und
Frankfurter Passion schliefien mit der Grablegung, die Heidelberger
Passion mit der dem apokryphischen Evangelium des Nikodemus1) nach-
gedichteten Gefangensetzung des Joseph von Arimathia; im St. Galler
und Donaueschinger Spiel sehen wir am Schlufi die heiligen Frauen und
die Jiinger am Grabe des Auferstandenen ; im Egerer Spiel erscheint
Christus den Jiingern; im Alsfelder Spiel wird die Aussendung der Apostel
geschildert; in den Tiroler Spielen endlich haben wir einen humoristischen
Schlufi, hier wird namlich dargestellt, wie Lucifer seine Teufel entsendet, um
die durch die Befreiung der Voreltern in der Holle entstandene Llicke durch
das Herbeischleppen von Seelen anderer Verdammter wieder auszufiillen.
Genau, wie zuvor, schaltet auch der bildende Ktinstler hier voll-
kommen frei mit seinem Stoffe; er geht hier sogar liber sein Vorbild,
x) Ev. Nicod. cap. XII, abgedruckt bei Teschendorf, Evangelia apokrypha. Lpz.
1853. S. 343 ff-
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2Q4 K. Tscheuschner:
die Passionsbtihne, noch hinaus, indem er namlich zuweilen, wie beispiels-
weise Albrecht Altdorfer in seinem Siindenfall und Erlosung des Menschen-
geschlechts, sowie Diirer in seiner kleinen Passion, seinen Bilderkreis erst
mit der Darstellung des Weltgerichtes am jlingsten Tage beschliefit
Aus den Szenen, die der eigentlichen Passion vorangehen, habe ich
nur einiges wenige herausgegriffen, das mir von besonderem Interesse
schien.
Die bildliche Darstellung des Stindenfalls lehnt sich im allge-
nieinen eng an den Wortlaut der Bibel an: Vidit igitur mulier quod
bonum esset lignum ad vescendum et pulchrum oculis, aspectuque
delectabile: et tulit de fructu illius, et comedit: deditque viro suo, qui
comedit,2) d. h. Eva selbst bricht die Frucht vom Baume und reicht sie
Adam hin. Es findet sich indessen zuweilen auch noch eine andere
bildliche Darstellung, namlich die, dafi die Schlange Eva den Apfel
herunterreicht. Augenscheinlich gab fiir diese Auffassung das geistliche
Schauspiel die Anregung. Ich kann hierftir zweierlei Belege anfiihren,
das Egerer und das Wiener Passionsspiel. Das Egerer Spiel enthalt nur
die kurze Bemerkung: (v. 41 8) 3) Et tunc Sathanas frangit pomum dans
Eve. Die Wiener Passion gibt die Szene ausfuhrlicher. Der Teufel er-
scheint der Eva in Gestalt der Schlange und fragt sie, weshalb sie nicht
vom Baume der Erkenntnis esse; Eva erwidert, Gott habe es verboten,
darauf der Teufel:
(v. 96) We, Eva, dii vil tumbez wip!
wi gar ane sin ist din lip!
er hat ez getan, ummc
daz ir unt ewer kunne
ibt wrdet goter als er ist.
glaube mir, Eva, daz ist der list!
Eva respondet:
Ich chan mit allem mime sinne
dez obez ab dem baume niht gewinne!
Dyabolus dicit:
Do von bin ich hie bereit
unt uberhebe dich der arbeit!
nim hin daz rote ephcllin
unt stoz daz in din mundelm!
daz ist suze als ein kern:
dez wil ich dich hei weren!
*) 1. Mos. 3; 6.
3) Oberall da, wo ich szenarische Bemerkungen zitiere, die bei der Yerszahlung
selbstverstiindlich unbeachtet bleiben, gebe ich, um das Aufschlagen der betreffenden
Stellen zu erleichtern, die Zahl des der szenarischen Bemerkung vorausgehenden
Verses an.
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Die deutsche Passionsblihne usw. 2Q<
Man kann nicht sagen, dafi in dramatischer Beziehung diese zweite
Auffassung der ersteren gegeniiber irgendwie einen wesentlichen Fortschritt
bedeutet. Anders verhalt es sich indessen beztiglich der bildlichen Dar-
stellung; hier ist die zweite Auffassung der ersten entschieden vorzu-
ziehen. Lafit der Kiinstler Eva selbst den Apfel brechen, so steht die
Schlange aufler jedein naheren Bezug zu dem ersten Menschenpaar; das
Sprechen der Schlange, das im Drama diese nahere Beziehung herstellt,
lafit sich bildlich nicht andeuten. Reicht aber die Schlange selbst den
Apfel herunter, so ist auch im Bilde der innere Zusammenhang zwischen
ihr und Adam und Eva hergestellt. Was bei dem Dramatiker wohl
mehr oder weniger nur eine zufallige Anderung war, wird bei dem
bildenden Kiinstler eine bewufite kunstlerische Finesse. Diese meine
Hypothese wird noch durch die Tatsache gesttitzt, dafi, soweit mir
wenigstens bekannt ist, die zweite Auffassung sich erst in spaterer Zeit
und zwar nur bei solchen Meistern findet, die bei der Abfassung ihrer
Kompositionen bereits in ausgesprochener Weise rein kunstlerischen Ge-
sichtspunkten Rechnung trugen. Dieselbe* findet sich unter anderem bei
Durer, Kleine Passion; Altdorfer, Der Siindenfall und die Erlosung des
Menschengeschlechts; ferner mehrfach bei Lucas van Ley den (B. 3, 8, 10).
Bei der Versuchung Christi ist die Gestalt des Teufels von
Interesse. Es ergeben sich hier wieder interessante Beziehungen resp.
Abweichungen zwischen geistlichem Schauspiel und bildender Kunst, die
durch den besonderen Charakter der jedesmaligen Kunstgattung bestimmt
sind. Das Passionsspiel lafit den Teufel zuweilen in vollstandiger Ver-
kleidung auftreten; beispielsweise im Alsfelder Passionsspiel, wo derselbe
je nach Bedarf sein Kostum wechselt. Christus gegeniiber tritt er auf
(v. 1 143) cum habitu lolhardi, zu Herodias geht er in Gestalt eines alten
bosen Weibes, schliefilich gesellt er sich als Knecht zu der Schar der
leichtsinnigen Maria Magdalena (v. 1831). Wie er sich anschickt, Herodias
zu betoren, wird die ganze Verkleidungsszene auf offener Biihne vor-
gefiihrt. Lucifer sagt zu Sathan:
(v. 686) Synt du es dan, Sathan, wylt bestan,
60 nym und hencke den mantel an
und winge das duch um dyn heubt:
die'frawe der destu bafl gleubet!
Et porrigit sibi pallium cum pepulo, et Sathanas recipitet induitdicens:
Herre, her, Co ziege ich an die wat:
laB sehen, wie woln sie mer dan stad!
Fedderwisch trahens ipsum cum veste dicens:
Sehet alle, lieben gesellen, zu!
wie stet unser her Sathanas nu!
hie sted recht als evn bofies wipp! —
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296
K. Tscheuschner:
Es ergaben sich durch diese vollige Verkleidung auf der Biihne
zuweilen recht wirkungsvolle Effekte; beispielsweise wenn, wie hier im
Alsfelder Spiele, der Versucher im geistlichen Gewande des Lolharden
an Christus herantritt, dieser indessen den Teufel trotz seiner Vermummung
im Augenblick erkennt und mit den Worten zuriickweist: (v. 1152) Swigk,
Sathan, ungetruwer boflewicht! — Der Zuschauer wuflte hier stets sofort,
mit wem er es zu tun hatte; entweder verrieten es ihm die Worte, die
der Versucher im Munde ftihrte, oder aber er war durch die voran-
gehende Szene in der Holle bereits liber das, was kommen sollte,
orientiert. — Der bildende Kiinstler hatte, wenn es eine Teufelsscene zu
verkorpern gait, mit anderen Bedingungen zu rechnen; er mufite dem
Beschauer auf jeden Fall den Teufel schon auflerlich kenntlich machen.
Liefi er den Versucher in Verkleidung, etwa im Monchsgewand, wie dies
nicht selten vorkommt, auftreten, so unterliefi er es nie, denselben mit
gewissen Attributen auszustatten, die Uber seinen wahren Charakter keinen
Zweifel mehr lassen konnten. In der Regel liefi er unter dem Monchs-
gewande ein Paar machtige Krallenftifie hervorkommen (Urs Graf, Postilla
Guillermi super Epistolae et Evangelia etc. Basel, Adam Petri 1509;
Lucas van Leyden B. 41), zuweilen fiigte er noch andere Attribute hinzu,
wie in dem eben genannten Kupferstiche L. van Leydens, wo das tief
nach unten herabhangende Ende der Kapuze des Monchs in eine Schlange
auslauft.
Fiir den Fall, dafi der Teufel ohne Verkleidung, also in seiner
wahren Gestalt auftritt, was wiederum auf beiden Gebieten vorkommt,
kann die bildende Kunst sich freier bewegen, indem es ihr namlich frei-
steht, ganz nach Herzenslust und im Sinne der mittelalterlichen An-
schauung den Versucher als monstroses Untier zu gestalten. Die Kunstler
machen von dieser Freiheit dann auch vollen Gebrauch und wissen sich
in der abenteuerlichen, phantastischen Ausgestaltung der Teufelsfigur
kaum genug zu tun (vergl. Burgkmair, Meditationes ; das berUhmte Blatt
des Monogrammisten L$' ^ y\\ (Nagler IV, 1008); Urs Graf Postilla
Guillermi, Ausgabe von 1 5 1 1 bei Michael Furter).
Fiir die dramatische Vorfuhrung ergaben sich in diesem Falle ge-
wisse Schwierigkeiten. Der Oberkorper des Schauspielers, der die
Rolle des Teufels zu geben hatte, konnte genau in Ubereinstimmung mit
den bildlichen Darstellungen ausgestattet werden. Es ist dies auch
zweifellos geschehen. Wir besitzen einige hierauf beziigliche Notizen in
den Rechnungen der Bozener Kirchenpropste aus den Jahren 148 1, 1495
und 96 (mitgeteilt von Wackernell in seiner Einleitung zu den Alt-
deutschen Passionsspielen aus Tirol, Graz 1897, S. XLV — XLIX). Die-
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Die deutsche Passionsblihne usw.
297
selben lauten: Eodem die umb 3 ellen zu einem teuffels gewantt
rupfen Dem hainrich Weinprenner von 5 teufl gewant swartz
gefarbt 1 ik 8 gr. Dem peter Schweitzer umb 7 par handtschuch den
teufeln Dem Wagenrieder, maler, sechs klaine tewfelen ange-
strichen, umb ain tewfelkron, die grossen tewfelkopf gericht Dem
Christoffl Seckler umb syben par Hauntschuech den Tewflen 2 4k
n gr Dem Wagenrieder, maler umb ain newen Teufelskoph
unnd die altten gepessert Es geht aus diesen Notizen hervor,
dafi die Teufel hier auf der Biihne vollstandige Kopfmasken, schwarze
zottige Gewander und Handschuhe (augenscheinlich Krallenhandschuhe)
trugen. — Mifilicher stand es mit der Kostumierung des Unterkorpers.
Hier mufite die angestrebte Illusion notwendigerweise schwinden, indem
namlich hier kein grauenerweckendes, tierisches Ungeheuer, vielmehr
im besten Falle ein harmlos komischer Theaterteufel, ein verkleideter
Mann, zum Vorschein kam.
Indessen hat der bildende Ktinstler bei der Vorfuhrung der Ver-
suchung nicht immer von dieser sich ihm bietenden Moglichkeit einer
wirkungsvolleren Darstellung Gebrauch gemacht. Ich glaube wenigstens
zwei Falle gefunden zu haben, in denen er augenscheinlich seine Teufels-
figur ohne Abanderung aus dem geistlichen Schauspiel in seine bildliche
Darstellung heriibergenommen hat. Es ist dies erstens ein Stich des
Georg Pencz (B. 39), in dem nur der Oberkorper des Teufels als
fratzenhaftes Tier gedacht ist, der Unterkorper tragt keinerlei Spuren
einer Verkleidung und ist der eines gewohnlichen Mannes — , und zwei-
ai
tens ein Blatt des bereits etwas spaten Monogrammisten f\L AV (Nagler
I, 2487), aus jener Folge von Holzschnitten aus dem Leben Christi, die
zuerst in Dr. M. Luthers Hauspostille, Wittenberg 1563 abgedruckt wur-
den. Der Teufel ist hier als zottiger, wilder Mann gegeben; die ganze
Kostumierung desselben zeigt eine solche frappante Ahnlichkeit mit den
noch heute auf unseren Buhnen auftretenden wilden Mannern, Biiren,
Teufeln und ahnlichen ungliicklichen Theaterfiguren, dafi die Entlehnung
wohl kaum zu bezweifeln ist.
In der bildlichen Darstellung ist der Teufel, wenn er in Tierge-
stalt auftritt, meist gefliigelt gegeben. Auf der Buhne machte das Fliegen-
lassen nattirlich grofie Umstande, jedoch kommt es auch hier vor, dafi
der Teufel fliegt, wenn auch erst in spaterer Zeit. Im Heidelberger
Passionsspiel, das aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts stammt, heifit
es, nachdem Satan vergeblich an Christus seine Verfuhrungskunste ver-
sucht hat: (v. 310) Als baltt flti get Sathann von Ihesu Man
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2g8 K. Tscheuschner:
konnte hiergegen vielleicht einwenden, dafi, wie beispielsweise Creizenach
vermutet, die Heidelberger Passion nur fur die Lektiire bestimmt gewesen
sei,4) und dafi somit diese szenarische Bemerkung nichts zu sagen habe.
Fur diesen Fall haben wir jedoch noch ein anderes Zeugnis, dessen un-
bedingte Glaubhaftigkeit schwerlich anzutasten sein diirfte; es ist wieder-
um eine Notiz aus den Abrechnungen der Bozener Kirchenpropste und
zwar vom Jahre 1494; sie lautet: »Dem Adam satler umb geriem dem
Teufel, dar inn er herab gefarn ist, 3 it. 5)
In Drama und bildender Kunst ist es durchgangig der Teufel
all ein, der Christus versucht. Eine einzige Abweichung habe ich ge-
funden im St. Galler Passionsspiel, wo es bei der Versuchung heifit:
(v. 127) Tunc diabolus Jhesum ad pinnaculum templi cum an gel is
suis malis
Die Erzahlung vom Abschiede Christi von seiner Mutter
findet sich weder in den kanonischen und apokryphen Evangelien, noch
in der Legenda aurea; sie stammt aus der gefiihlsseligen Feder des
heiligen Bonavcntura und zwar aus dem 61. Kapitel seiner Vita Christi:
— Emile Male weist in seiner Abhandlung Le renouvellement de Tart
par les mysteres a la fin du moyen-age (Gazette des Beaux-Arts, 1904)
darauf hin, dafi in Italien und Frankreich mit dem Ende des 14. Jahr-
hunderts die Verfasser geistlicher Spiele fast nie vergafien, diese so iiber-
aus wirkungsvolle Szene in der Darstellung der Passion anzubringen.
Bonaventura war von Geburt Italiener, wurde 1253 Lehrer der Theologie
zu Paris, 1256 General des Franziskanerordens; der Einflufi seiner
Schriften auf Italien und Frankreich ist deshalb leicht zu begreifen. —
In Deutschland finden wir den Abschied Christi von seiner Mutter in
den Passionsspielen nur iiufierst selten wiedergegeben. Ich habe diese
Szene im ganzen nur zweimal angetroffen. Das erste Mai im Augs-
burger Passionsspiel. Ich zitiere hier die ganze Szene, da dieselbe sich
genau mit den bild lichen Darstellungen des Vorganges deckt:
Maria bitt iren sun, die osteren zu bethania bey ir zu sein, spricht
zu ihesu:
(v. 323) O du mein allerliebster sun,
alles trosts an stand ich nun.
So es nit anderst mag gesein,
denn ye leydcn die marter dein
Mit einem iamerlichen tod,
o wee mir diser grossen not,
das ich erlebt hab discn tag,
das mich kain bett gehelffen magi
4) Vergl. W. Creizenach, Geschichte des neueren Dramas I, S. 222.
5) Wackernell, Altdeutsche Passionsspiele aus Tirol. S. XLVI1I.
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Die deutsche Passionsbiihne usw. 299
Mein lieber sun, vermerck mich bas;
wann du selbs hast gebotten das,
Mann soil vatter vnd mutter eren;
darvmb so soltu mich geweren!
Yfi hie mit vns die oster speis,
das bitt ich dich mit gantzem fieifi,
Mit mir vnd den freunden deinl
dest ringer wirt das trawren mein.
Zu Maria Saluator:
Mein himlischer vatter hat mich
geordnet also fleissigclich,
Das ich volbring den willen sein.
darvmb, hertzliebe mutter mein,
Auf gen iherusalem mufi ich gan.
Doch will ich dich nit ainig Ian;
Bey den frainden soltu bleiben
vnd dein zeit mit in vertreiben!
Deins laids will ich dich ergotzcn
vnd in meinem reich dich setzen
Auf ainen stul, ist dir berait;
da wirst ain liecht der cristenhait.
Damit gib ich dir den segen;
der himlisch vatter soil dein pflegen!
zu maria magclalena Saluator:
Magdalena, liebe fraindin mein,
laB dir mein mutter befolhen sein!
Auch die bi Id lie he Darstellung dieser Szene findet sich in
Deutschland ziemlich selten; unter anderem bei Dtirer, Marienleben und
Kleine Passion; Altdorfer, Slindenfall und Erlosung des Menschen-
geschlechts; Burgkmair, Illustrationen zu Wolfgang Mans Leiden Christi,
Augsburg, Hans Schoensperger 15 15. In alien diesen Darstellungen
finden wir das gleiche Motiv: Maria ist, die Hande zum Gebet gefaltet,
halb ohnmachtig ihrem Sohn zu Fiiflen gesunken. Von den beiden
Frauen, die hinter ihr stehen, und in denen wir nach der Erzahlung
des Bonaventura die beiden ungleichen Schwestern Maria Magdalena und
Martha zu erkennen haben, kommt die eine in der Regel der Gottes-
mutter in ihrer Not zu Hilfe, wahrend die zweite mehr abseits steht
oder kniet.
Die zweite dramatisierte Darstellung der Abschiedsszene gibt die
Haller Passion. Das Motiv ist hier sehr weit ausgesponnen, die Szene
umfafit beinahe 200 Verse. In zwei wichtigen Punkten weicht der Text
von der Augsburger Darstellung ab. Erstens sind beim Abschied hier
auch die Apostel herangezogen (v. 400 — Deinde circum plorantibus
apostolis et tota familia in genua cadunt exspectantes benedictionem),
und zweitens gibt es hier zum Schlufi ein formliches Abschiednehmen
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-?00 K. Tscheuschner:
mit sentimentalem Handedruck (v. 442 — Hie porrigit omnibus manum
incipiendo a matre etc.). — Eine bildliche Parallelstelle zu dieser Szene
ist mir nicht bekannt. —
Die Verbildlichung der Vertreibung der Wechsler aus dem
Tempel mutet uns zumeist iiberaus roh an. Mit unserer heutigen Vor-
stellung von der Person Christi vertragt es sich nun einmal nicht, ihn
zu sehen, wie er inmitten umgeworfener Banke und Tische mit voller
Gewalt auf die am Boden liegenden Verkaufer einschlagt Das 15. und
16. Jahrhundert kannte derartige Bedenken nicht. — Zunachst mochte
ich nun darauf hinweisen, dafi das Umwerfen der Tische und Verkaufs-
stande durchaus keine eigenmachtige Neuerung aus der brutalen Emp-
findungsweise mittelalterlicher Anschauung heraus bedeutet, dafi viel-
mehr die Klinstler sich hier genau an den Wortlaut der Evangelien
hielten. Matthaus und Marcus berichten mit wortlicher Ubereinstimmung:
mensas numulariorum et cathedras vendentium columbas evertit6) —
Anders verhalt es sich mit dem rohen Einhauen auf die Verkaufer. Hier
haben wir es mit ciner freien Erganzung zu tun. Wer die Passionsspiel-
Literatur kennt, weifi, dafi Prtigel und Schlage, oder zum mindesten die
Androhung derselbcn an der Tagesordnung sind. Es ist dies das pro-
bateste Mittel, sich alles irgenwie Unliebsame vom Halse zu schaffen.
Der Gedanke, dafi das Austeilen von Schlagen auch auf die Person, die
die Prtigel austeilt, ein unerfreuliches Licht wirft, liegt der damaligen
Zeit augenscheinlich noch ganz und gar fern. — Dieses Priigelmotiv ist
allem Anschein nach wiederum aus dem geistlichen Schauspiel, wo es
ja zweifelsohne zur dramatischen Belebung der ganzen Szene beitrug, in
die bildliche Darstellung herttbergenommen. Im Donaueschinger Passions-
spiel heifit es: (v. 11 28) und dan gat der Salvator hin in und zornig
und schlacht er die Juden und das vech uss dem tempel .... Das
Frankfurter Spiel bringt nur die kurze Bemerkung: (v. 809) Salvator ex-
pellit Judeos cum flagella. Genauere Angaben tiber das Werkzeug,
dessen sich Christus bei der Vertreibung bedient, macht die Heidel-
berger Passion: (v. 2704) Ihesus machtt einn geissel vfi seinem gtirttell.
. . . Noch ausflihrlicher ist das Alsfelder Spiel, wo es heifit: (v. 2655)
et facit flagellam de sona, cum qua precinctus est (v. 2663) Et
percutit eos cum flagella.
Interessant ist der Bericht, den in der Sterzinger Passion in der
Versammlung der Juden, die den Tod Jesu beschliefien, ein Augenzeuge
tiber diese Vertreibung der Handler und Wechsler aus dem Tempel,
allerdings wohl mit absichtlicher starker Ubertreibung, gibt. —
6) Matth. 21, 12; Marc. 11, 15.
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Die deutsche Passionsbtihne usw. 301
Quartus judeus:
(v. 92) O lieben heiren, das ist alles nicht
Gegen der fravelichen geschicht
Und umb den grossen unfueg,
Wie zorniklichen er uns schlug
Mit seiner gayssel ruetten.
Den leser sach man pliietten
An seiner kallen styrne:
Durch sein haubt und hirne
Wardt geschlagen auf den todt;
Er hat noch nicht liber wunden dye not.
Moyses schlueg er tzw der selben stunt,
Das im das pluet ran tiber den mundt.
Dye schmach soil ewch pillich missvallen,
Dye uns ist geschechen alien.
Im Bilde ist die Szene in der Regel so dargestellt, wie in Durers
Kleiner Passion, dafi namlich in Anlehnung an die Passionsspiele Christus
mit dem Strick, mit dem sein Gewand umgiirtet war, auf die Handler
einschlagt; es finden sich indessen zuweilen auch Darstellungen, wo
er sich direkt einer Peitsche oder Geifiel bedient, wie etwa in
Urs Grafs Postilla Guillermi von 1509 oder in einem Blatte des un-
bekannten Meisters, den Passavant, Bd. II, p. 148 anfuhrt. Es ist selbst-
verstandlich, dafi diese letztere Art der Darstellung flir unser Gefiihl die
frtihere noch urn bedeutendes an Roheit ubertriflft. —
Mit dem Abendmahl setzt die eigentliche Passion ein. Im geist-
lichen Spiele ist diese Szene ihrer Bedeutung gemafi stets aufierst breit
ausgefuhrt. Christus segnet beim Eintritt das Haus des Freundes (Augs-
burger Passion), der Wirt empfangt ihn (Sterzinger Pass.), weist ihm und
den Jungern die Platze an (Haller Pass.); das Essen wird aufgetragen
(Donaueschinger Pass.) usw. Die bildliche Darstellung greift naturgemafl
nur die markanten Momente heraus. Dreierlei findet sich hier dargestellt:
1. die Anktindigung des Verrates, 2. die Kenntlichmachung des Verraters
(Jesus steckt dem Judas den Bissen in den Mund) und 3. Christus und
seine Junger nach dem Abendmahl. — Zunachst das erstere. — Ziemlich
allgemein findet sich die Ansicht verbreitet, dafi die deutschen Kiinstler
Johannes an der Brust des Herrn schlafend dargestellt hatten; und
zwar irregeleitet durch den Wortlaut des Johannes-Evangeliums: Erat
ergo recumbens unus ex discipulis ejus in sinu Jesu, quern diligebat
Jesus. Innuit ergo huic Simon Petrus et dixit ei: Quis est, de quo dicit?
Itaque quum recubuisset ille supra pectus Jesu, dicit ei: Domine, quis
est? 7) — Ich glaube, dafi man sich hier, wenigstens zum grofien Teil,
in einem Irrtum befindet. Ein Teil der Passionsspiele betont allerdings
7) Joh. 13; 23—25.
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3<D2 K. Tscheuschner:
direkt, dafi Johannes beim Abendmahl schlaft (im Heidelberger und
Donaueschinger Spiel heifit es, Petrus »\veckt« Johannes; im Frankfurter
Spiel sagt Johannes (v. 2102): Petre, du sehe wol, das ich si iff!), in
der Mehrzahl der Spiele schlaft jedoch Johannes nicht. In der St. Galler,
Alsfelder, Egerer und Sterzinger Passion ist die Szene in volliger Uber-
einstimmung so behandelt, dafi Johannes nach der Ankiindigung des
Verrates sich schmerzbewegt an Jesu Brust legt und ihn zu gleicher Zeit
nach dem Namen des Verraters fragt, worauf Jesus durch Uberreichung
des eingetauchten Bissens Judas als denselben kenntlich macht Als ein
Beispiel ftir alle fiihre ich die betreffende Stelle des St. Galler Passions-
spieles an:
Tunc Johannes inclinans caput ad pectus Ihesu d i c a t :
(v. 622) Sage mir lieber herre min,
wer der vorreder moge sin?
Respondet Ihesus:
Welhem ich gebe daz gemerte brot,
der sclbe verkaufet mich in den dot.
Auch im Augsburger Passionsspiel schlaft Johannes nicht; die Be-
handlung der Szene ist jedoch dort etwas abweichend.
In alien hier angefuhrten fiinf Fallen ist es absolut klar, dafi Jo-
hannes nicht schlaft. Es ist ja auch nur zu selbstverstandlich, dafi sich
die ganze ungeheuerliche Ungereimtheit der Annahme, dafi Johannes
nach der Ankiindigung des Verrates inmitten der allgemeinen Aufregung
der Jtinger einschlaft, dem Dramatiker besonders deutlich vor Augen
stellen mufite.
Bei der bildlichen Vorfuhrung dieser Szene ist es nicht so leicht
wir im Drama zu unterscheiden, welches von beiden Motiven vorliegt
Ob Johannes wirklich schlaft, oder ob er nur gesenkten Blickes, ge-
brochen vor Schmerz sich an die Brust des Heilandes schmiegt, ist bei der
fast ganzlichen Ubereinstimmung des Mienen- und Gebardenspieles in
beiden hier in Betracht kommenden Situationen nur schwer zu konsta-
tieren. Zuweilen kann auch hier kein Zweifel sein, dafi es die Absicht
des Kiinstlers war, Johannes tatsachlich schlafend darzustellen, so etwa
in Schauffelins Speculum passionis, Niirnberg 1507, wro Johannes die
Arme auf den Tisch geschoben hat, um dem Kopf einen Ruheplatz zu
geben, sehr oft lafit jedoch die bildliche Darstellung die Intentionen des
Kiinstlers zum mindesten zweifelhaft erscheinen (beispielsweise Diirer,
Grofie und Kleine Passion), und hier darf man dann wohl, gestiitzt auf
die Parallelstellen der Passionsbiihne, der psychologisch einzig moglichen
Auffassung, um es noch einmal zu sagen, der Auffassung, dafi Johannes
nicht schlaft, das Wort reden.
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Die deutschc PassionsbUhne usw. 303
Judas sitzt im Bilde in der Regel am unteren Ende des Tisches
die gleiche Anweisung gibt das Donaueschinger Spiel: (v. 1766) und
sitzt Judas zeunderst an tisch .... Ob er auch im Drama, wie regel-
maflig im Bilde, zur besseren Kenntlichmachung seiner Person stets den
Beutel mit dem Blutgelde in der Hand hielt, lafit sich nicht konsta-
tieren. —
Eine ganz eigenartige Behandlung der Abendmahlsszene bringt die
Haller Passion. Ich ftihre dieselbe im folgenden an.
Hospes ad servum:
(v. 482) Knecht, kura paid zu mir,
Richt alle ding (schaff ich mit dier),
Schau, das es alles sey her pey
Was dan der juden gbonhet sey,
So man das osterlamh essn will.
Dreitzehen sind ir: ist nit zu vill.
Servus ad hospitem:
Hen, trost nu deine gest;
Ich will warlichn thuen das pest!
Servus ferens aquam ac polubrum porrigit domino suo ad manus
Iavandas. Sic hospes pelium capiens servus mantili teneat.
Hospes ad Ihesum:
Her maister, du hast dich gewendt
Vor essen waschn dein hend:
Nim wasser, wan es ist rainn;
Also salln auch dy junger thain.
Deinde servus portet baculos vel etiam calceos et dicat:
Her, dy stab sind da und als damit,
Wie es dan ist der juden sit,
So man das osterlamb essn thuet;
Das lamb das wirt auch sicher guet.
Hospes ad Ihesum:
Her maister, es ist zeit,
Das ir euch all zue richtn seit
Das osterlamb zu essen drat,
Wie Moises das gepotn hat:
Schurczt euch auf und legt euch an;
Ich wils fudern. so mayst ich khan.
Tunc omnes surgant accingentes lumbos et in priorem ordinem stent
ad mensam. Et quom parati sint, hospes ad servum:
Pring das essen, lieber knecht;
dan ydennan ist schon gerecht.
Servus portat agnum dicens:
Got gesegn euch das essn
Und well unser nimmer mehr vergessenl
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304 K. Tscheuschner :
Das lamb ist be rait nach dem altn testament,
Recht woll gepraten und nit verprent.
Eildt pehendt und est von stat,
Wie dan Moises gepotn hat.
Sic post esum agni omnes surgant deponentes bacculos calceos etc.
Interim, cum hoc fit, dicit Hospes:
(v. 520) Knecht, heb auf schain
Von dem osterlamb die pain,
Das sy nit wcrden lecz,
Sunder verprennt nach dem gesecz.
Das Abendmahl, oder besser gesagt das Passahmal, wird hier also
ganz nach jlidischem Ritus gehalten, wie Moses es vorschreibt: Nee re-
manebit quidquam ex eo usque mane; si quid residuum fuerit igne
comburetis. Sic autem comedetis ilium: Renes vestros accingentes et
calceamenta habebitis in pedibus, tenentes baculos in manibus et
comedetis festinanter: est enim Phase (id est transitus) Domini.8)
Diese Szene ist insofern so interessant, als abgesehen von ihr, so-
weit mir bekannt ist, die breite Vorftihrung eines derartig spezifisch jti-
dischen Brauches sich weder irgendwo sonst im geistlichen Schauspiel
noch auch in der bildenden Kunst wiederfindet Wo sonst etwas der-
artiges vorkommt, ist es regelmaflig ins Christliche umgedeutet. Man
merkt es der ganzen Szene auch an, wie stolz der Verfasser auf dieselbe
war, dafi er sich bewufit war, damit etwas ganz besonderes zu geben,
nicht weniger namlich als sechs Mai hebt er in dem verhaltnismafiig
kurzen Abschnitt hervor, dafi das Osterlamm hier nach judischer Gewohn-
heit, so wie es Moses in seinem Gesetz geboten hat, gegessen wird.
Die Darstellung der Kenntlichmachung des Verraters durch
Uberreichung des Bissens findet sich im Bilde bedeutend seltener, als
die Ankundigung des Verrates. Es ist dies auch nur zu begreiflich;
der Gedanke, Christus dem Judas den eingetauchten Bissen in den Mund
stecken zu lassen, ist vom Standpunkte des bildenden Ktinstlers aus ja ein
uberaus unglucklicher. (Die Szene findet sich u. a. bei Altdorfer, Stin-
denfall und Erlosung des Menschengeschl edits, A. Glockenton (B. 3),
und Meister * { Ya/^ (Nag^er H> 825)). — Das Passionsspiel fiigt
zuweilen in dieser Szene ein wirkungsvolles Motiv ein, indem es namlich
den Verrater sein plotzliches Aufstehen vom Tische motivieren lafit So
sagt beispielsweise Judas im Egerer Passionsspiel:
8) 2. Mos. 12; 10— 11.
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Die deutsche Passionsblihne usw. 305
(v. 4164) Ich wil gen in die stat hin ein
Und wil uns kauffen brot und wein,
Das wir bis morgen haben zu essen,
Du magst deinr sorg wol vcrgessen . . .
Es ist dies die feinsinnige Umdeutung der Stelle des Johannes
Evangeliums: Et dixit ei Jesus: Quod facis, fac citius. Hoc autem nemo
scivit discumbentium ad quit dixerit ei. Quidam enim putabant, quia
loculos habebat Judas, quod dixisset ei Jesus: Erne ea, quae opus sunt
nobis ad diem festum . . .9)
Weniger glticklich in der Motivierung ist dagegen etwa das
Brixener Spiel, wenn es den Judas, der soeben vom Abendmahle auf-
steht, sagen lafit:
(v. 778) Maister, ich will geen nach wein und prott,
Ich bin schier von hunger thott. —
Noch viel seltener findet sich endlich in der bildenden Kunst die
dritte Szene, Christus mit seinen Jungern nach dem Abend-
ma hi. Zugrunde liegen dieser Darstellung die Abschiedsreden Jesu an
seine Junger, die Johannes im 14. — 17. Kapitel seines Evangeliums mit-
teilt. Am bekanntesten ist wohl hier der Holzschnitt Dtirers vom Jahre
1523 (B. 53). Judas ist bereits fort, Johannes liegt wieder an der Brust
des Herrn; auf dem Tische steht nur noch der Kelch; auf dem Erd-
boden in der Mitte steht eine Schiissel, die geschehene Fuflwaschung an-
deutend; rechts vorn in der Ecke, ebenfalls auf der Erde, ein Korb mit
Brot und ein Krug mit Getrank. Der Tisch ist also abgedeckt. Ich glaube,
dafi auch hier das Passionsspiel vorbildlich war. Ist das Abraumen des
Tisches nach geschehener Mahlzeit an den betreffenden Stellen auch
nicht besonders hervorgehoben, so kommt doch das Wegraumen unniitzen
Gerates ofter vor, wie etwa im Donaueschinger Spiel e, wo es heifit
(v. 764): Nu stand di junger ufF und tund die spis neben sich ,
sodafi man wohl ohne weiteres das Gleiche auch fur diese Szene an-
nehmen darf.
Marcus und Lucas berichten vom Verrat des Judas in der
Weise, dafi derselbe zu den Hohenpriestern geht und diesen anbietet,
ihnen Jesus in die Hande zu tiberliefern, worauf die Hohenpriester ihm.
Geld zu geben versprechen. I0) — Matthaus schildert die Begebenheit
etwas anders, er sagt: Tunc abiit unus de duodecim, qui dicebatur Judas
Iscariotes, ad principes sacerdotum, et ait illis: Quid vultis mihi dare?
et ego vobis eum tradam. At illi constituerunt ei triginta argenteos.")
9) Joh. 13; 27—29.
10) Marc. 14; io, 11. Luc. 22, 3 — 6.
») Matth. 26; 14, 15.
Repertorium fur Kunstwissenschaft, XXVH.
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•*o6 K. Tscheuscbner:
— Den Passus »Quid vultis mihi dare?« bauschen die Verfasser geist-
licher Spiele nun gern zu einer grofien Feilsch- und Handelszene auf.
Ich lasse hier die betreffende Szene aus dem Alsfelder Passionsspicl
folgen, die mir als die charakteristischste erscheint
Tunc Caiphas ante castrum suum dat Jude denarios:
(v. 3198) Sich, das synt die pennige! eyner, zwen, dry:
Judas, sich zu und mach dich herby!
vier, funffe, sex, sieben, eychte:
nu sich und schauwe sie mit rechte!
nu fortan nune, zehende,
(vornym und hore, was ich der seyn!)
elffe, zwelffe, dryzehen, vierzehen, funffzehen:
nu hostu sie halb, als ich wen!
seflehen, siebezehen, achtzehen, nunzehen, zwenczigk und eyn:
die synt alle gut, als ich meyn !
zwen, dry, vier, funflfe, sex:
Judas, mer woln dir keyn velsyn!
sieben, acht, nune, dryssigk:
gebrichet dir etwas, so rede und mit nichte swig!
Judas dicit:
Der pennigk ist roit!
Caiphas :
Der gildet der fleyseh und broitt!
Judas :
Disscr ist krangk!
Caiphas :
Judas, hore, bilch eyn gut klangk!
Judas:
Disser ist doch zurisfien!
Caiphas :
Judas, nym eyn andern und mach dich nit beschisflen!
Judas :
Disser hot eyn hole.
Caiphas:
Szo nym eyn andern! hie gildet dir woil.
Judas:
Disser hot eyn falsch zeychen!
Caiphas :
Wilttu en nyt, Co wcl ich der eyn andern reichen!
Judas :
Disser ist doch zwarcz!
Caiphas:
Sehe eyn andern und ganck an eyn harcz!
Judas:
Disser rycz ist zumaile langk!
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Die deutsche Passionsblihne usw.
307
Caiphas :
Judas, wollestu dich hencken, hie guide dir eyn strangk!
Judas:
Der ist blyen!
Caiphas :
Wiltu uns dissen tagk gehygen?
Solucione facta Judas revertitur ad Judeos et dicit rigmum:
Nu dar, ir herren, ich byn gewert!
nu wel ich thun, was er begert:
ich wil en geben in den toidl
zwar ich brenge en in groisse noitt!
In ganz ahnlicher Weise ist diese Szene behandelt im Heidelberger
Spiel. Das uinstandliche Aufzahlen des Geldes, jedoch ohne das ko-
mische Motiv des Feilschens und Zuruckgebens einzelner Geldstticke
gibt das Augsburger Spiel und das Frankfurter Spiel. Im ersteren wer-
den die 30 Pfennige dem Judas durch den Rabbi, im letzteren durch
den Synagogus in die Hand gezahlt.12) — Die bildliche Darstellung hat
aus diesen Szenen der Passionsblihne verschiedentlich ihre Anregung ge-
schdpft. Bei Burgkmair, Leben und Leiden Christi, zahlt der Hohe-
pri ester dem Judas das Geld in die Hand, bei Hans Wechtlin hat der
Hohepriester ein Zahlbrett vor sich auf dem Schofie liegen, um dem
Judas die ausbedungene Summe auszuzahlen (im Hintergrunde des Ein-
zuges Christi in Jerusalem, Pass. 26); Urs Graf hat endlich im 8. Blatte
seines »Text des passions oder leidens Christi aus den vier Evangelisten
zusammen in ein syn bracht mit schonen Figuren bei Joh. Knobloch
Strafiburg 1506s das Motiv des Feilschens. Ich habe dieses letztere
Blatt selbst nicht gesehen und fiihre deshalb die Beschreibung an, die
Muther in seiner deutschen Biicherillustration der Gotik und Frtih-
renaissance von demselben gibt. »In der Mitte hinter dem Pfeiler steht
ein in ein Ritterwamms gekleideter Mann mit einem Geldbeutel tiber
der rechten Schuiter und acht Mtinzen in der ausgestreckten Rechten,
die er dem Judas hinhalt Dieser .... halt in der rechten Hand den
leeren Beutel und macht mit der linken eine abwehrende Bewegung, in-
dem er den Mund zu hohnischem Grinsen zusammenzieht. Der Mann
greift daher mit der Linken noch einmal in den Beutel. Ein Jude packt
ihn am Arm und sucht ihn davon abzuhalten.«
**) Eine ahnliche Feilsch- und Handelszene gibt die Sterzinger Passion bei der
Bestellung der Grabwachter. Caiphas gibt den Wachtcrn dort die 100 Mark, die sie
ftir das Wachehalten verlangen, worauf dieselben einzelne Geldstticke als schlecht zu-
rtickweisen.
(Fortsetzung folgt.)
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei.
Von O. Wulff.
(Schlufi.)
Hatte Giotto seinen Freskenstil in der Franzlegende auf Grundlage
der Miniatur entwickelt, so ist mit seinem romischen Aufenthalt ihre
Rolle darin ausgespielt. Der Umschwung ist ein iiberraschend schrorTer,
und dadurch allein werden die Angriffe einer vorwiegend skeptischen
Stilkritik gegen seine geniale Jugendschopfung in Assisi bis zu einem
gewissen Grade begreiflich. Unschatzbar ist daher fiir das Verstandnis
seiner Entwicklung die Erhaltung der unantastbaren romischen Arbeiten
selbst in einem durch so starken StorTwechsel zersetzten Zustande wie
die Navicella. Denn an diese schlieflt der Stil der Scrovegnikapelle ganz
so eng an wie das Tabernakel an seine Bestrebungen in S. Francesco.
In den Fresken der Arena ist die Rechnung des Bildes auf die
Breite begriindet, wie das schon im Format zum Ausdruck kommt Giotto
ist sich des Flachenwertes der Figur bewufit geworden, die das Uber-
gewicht iiber die unbelebte Flache gewinnt und dadurch grofier wirkt
Die Gruppen werden inehr ausgebreitet und mehr durch steigende und
fallende Linien gegliedert. Dafi diese tiefgehende Wandlung durch die
Benihrung mit der byzantinischen Kunst hervorgerufen ist, kann man
freilich bestreiten. Ist doch in der Navicella der griechische Einflufl
bei oberflachlicher Betrachtung kaum erkennbar. Und in der Tat ist er
auch in Padua nicht sogleich mit Handen zu greifen. Aber wenn es
einerseits klar ist, dafi die romische Mosaizistenschule bis in das letzte
Jahrzehnt des Ducento durchaus auf den Typen der griechischen Ikono-
graphie fufit, so fiihrt andrerseits die Analyse des Stils der Arenafresken
in verschiedenen Richtungen zur Erkenntnis, dafi sich Giotto mit merk-
wtirdig bewufiter Klarheit eine Summe von Gestaltungsprinzipien eben
dieser Kunsttradition zu eigen gemacht hat Die ihr entlehnten Einzel-
elemente dagegen sind zwar nicht bis zur Unkenntlichkeit, aber doch im
vollsten Mafie assimiliert Eine unselbstandige Anlehnung in der Kom-
position hat um so weniger stattgefunden. Die Falle, in denen das grie-
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 300
chische Schema hindurchblickt, sind daher rasch aufgezahlt: Taufe, Dar-
stellung im T., Flucht nach Agypten, Auferweckung des Lazarus und
Kreuzigung, bis zu einem gewissen Grade auch der Einzug in Jerusalem.
Sie gehdren insgesamt dem Leben des Herrn an und folgen mehr oder
weniger einer tradition ell en AufTassung. Im Marienleben ist die Kom-
position selbstandiger. Trotzdem erscheint das letztere mir ungleich be-
weiskraftiger. Giotto hat es ofFenbar auf der Grundlage einer griechischen
Typenfolge geschaffen, wie sie als Illustration der Homilien auf das Leben
der Jungfrau im n. — 12. Jahrh. in Byzanz entstanden war, und in mo-
numentaler Redaktion in den Mosaiken der Kachrije-djami vorliegt.77) Das
beweist zunachst die breit ausgesponnene Auswahl der Momente, die
nur spezifisch Griechisches, wie die Verkundigung am Quell und die
Tempellegende, unterdriickt, sowie eine Reihe gegenstandlicher Anregungen.
Die Einftihrung im T. spielt sich ganz wie in byzantinischen Darstellungen
ab, bereichert durch das fiir die Folgezeit unendlich fruchtbareTreppenmotiv
und frei umgestaltet in der Versetzung (Gespielinnen) und HinzufUgung
(Priester) von Nebenfiguren. In der Regel halt Giotto sich in formaler
Beziehung viel weniger an das Vorbild, und nur einzelne Gestalten, Mo-
tive, die Szenerie verraten den griechischen Ursprung. Hierher gehoren
die schon o. a. Typen der Priester, bei denen sogar Kostiim und Kopf-
schmuck in den Szenen mit Joachim halbverstandene byzantinische Ele-
mente wiederholen, Kaiphas, Joachim und Joseph, dessen jugendlicher
Begleiter, die schrag herabfahrenden Engel, einzelne Apostelkopfe, wie vor
allem Andreas (Fufiwaschung), Judas und der ungleich mehr als in Assisi
oder Rom gracisierte Christus selbst. Bei ihnen alien ist nicht zu ver-
kennen, dafi Giotto von der griechischen Ikonographie den allerstarksten
Anstofi zur Auspragung idealer Charakterkopfe empfangen hat, denen er
aber mehr von zufalliger Wirklichkeitserscheinung zu verleihen weifi, sodafi
gelegentlich diese sogar tiberwiegt (Petrus beim Einzug i. J.). Es ist
"gewifi kein Zufall, wenn. gerade bei der Zurtickweisung Joachims, Ein-
ftihrung und Darstellung (Christi) i. T. auch der Schauplatz ganz nach
byzantischer Weise nur durch Wiedergabe der Einrichtung des Altarraumes,
wenngleich in den Giotto eigentiimlichen Formen, angedeutet wird. Damit
hangt tiberhaupt die sichtliche Vereinfachung der Szenerie zusammen,
die beabsichtigt ist und nicht als Beweis einer noch unvollkommenen
77) Es sind dieselben Typen, die Cavallini und Torriti in engstem Anschlufl an
das griechiscbe Kompositionsschema benutzen. Vgl. zur Geburtsszene in S. M. Traste-
vere das Mosaik von Daphni (n. Jahrh.) bei Millet, Le Monastere de Daphni. Mon.
byz. I, pi. XVrIII. In der Kachrije-djami (13. Jahrh.) ist das Bild ohne Anderung der
Orunddisposition durch Nebenfiguren und realistische Ausgestaltung der Szene be-
reichert.
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3io
O. Wulff:
Darstellungsweise angerufen werden darf.78) Hier beschrankt sich Giotto
darin ganz so wie Cavallini auf das den monumentalen griechischen
Typen vor der Epoche der Palaologen gelaufige Mafl. Die Mosaiken
der Kachrije-djami erscheinen dagegen schon bereichert. Giotto ersetzt
aber die fremden Formen meist durch seine eignen Architekturtypen, die
noch viel weniger als in den o. a. Szenen an das Vorbild erinnern, so
z. B. in den Bildern, welche die Werbung und Vermahlung Josephs
schildern, das Ciborium liber dem Altar (vgl. Kachrije-djami) durch
die offene Apsis (vgl. 4. u. 9. Freske in Assisi). Bei genauerem Zusehen
ist es nicht schwer, eine Reihe der alten Motive aus S. Francesco in
leichter oder ganz unerheblicher Umbildung wiederzuerkennen. Das gilt
besonders von den Aufienansichten von Gebauden und Geraten. Da
findet sich das von Ttirmen flankierte Tor (12 Fr. in A.) in der Begeg-
nung Joachims und Annas, beim Einzug in J. und bei der Kreuztragung,
der gotische Chorbau (10 Fr.) beim Kindermord, der vorkragende Erker
(5 Fr. rechts) beim Brautzug und in der Verklindigung. Die letztere weist
auch den halbverhangten Innenraum mit flacher Decke (26 Fr.) auf, Abend-
mahl und Fufiwaschung die zur vollen Bildbreite vergrofierte gotische
Laube mit niedrigem Dach (6 Fr.), deren Mittelstiitze weggelassen ist
(mit verstarkter Stiitzenbildung hingegen das Pfingstbild). Von diesem
Gebaudetypus ist auch das seitlich gesehene Haus Annas abgeleitet Ein
auf Konsolen iiberhangendes Schutzdach ohne Deckenbildung (vgl. 16 Fr.),
aber in perspektivischem Zusammenhang bietet das Kanawunder. Wo
sich die Decke vorfindet, fehlen die Konsolen meist, sie sind jedoch in
der Verspottung durch ein ebenso bezeichnendes Motiv, ein umlaufendes
schmales Gebalk mit kassettierter Unterseite ersetzt, und im Verhor vor
Kaiphas sind sie da, und Streckbalken sind ihnen hinzugefligt, deren
perspektivische Verkiirzung Duccios ahnlichen Versuch (s. Anm. 6 1) weit
iibertrifft. Den Eindruck des weiteren Raumes sucht Giotto durch ver-
minderte Neigung der oberen Fluchtlinien der Wande nicht ohne Erfolg
zu erzielen, freilich auf Kosten der Raumwinkel, die hier wie im Kana-
wunder usw. stumpf erscheinen. Es ist in Padua eben nicht nur grofiere
Einfachheit, sondern auch grofiere Wirkung angestrebt. Einen so kom-
plizierten Innenraum wie den Nischensaal beim zwolfjahrigen Christus
78) So Kallab, a. a. O. S. 42. Nach dem S. 236 flf. tiber die Ausbildung der Kaum-
darstellung Gesagten braucht kaum bemerkt zu werden, dafi geradc die »gT68ere Aus-
fiihrlichkeit« in den Arcliitckturen der Franzlegende das Urspriinglichere ist. Ihren aiter-
' tUmlichen Charakter scheint auch Kallab anzuerkennen, wenn er in ihnen a. a. O. ein
Zuriickgreifen auf eine altere Tradition sieht. Miniaturenhaft ist die Ausfullung und
Aufteilung des ganzcn Hintergrundcs durch Architekturen, wie in der 3, 6 u. a. Fresken
in A. oder in den Mosaiken von S. M. Maggiore.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. ^ X I
gibt es in Assisi so wenig als eine Fassade von der breiten Masse der
Tempelfront bei der Austreibung der Handler. Das Weniger ist hier,
wenn irgend wo, das Mehr und darum offenbar gewollt. Unverandert,
wie die architektonischen Formen iin Grunde geblieben sind, ist audi
Giottos Figurentypus in Padua, doch hat er eine ganz andere Wucht be-
kommen. Die Gewandung ist weit groflflachiger geworden. Sie wird
von der Steilfalte und der durchgehenden Schwingung beherrscht. Es ist
ein der Cosmatenplastik verwandter Faltenstil. Von byzantinischen An-
regungen ist hochstens in dem Zusammenraffen reicherer Faltenbundel
etwas zu sptiren oder in Gestalten, die sich in ihrer Stellung enger an
das griechische Vorbild anschlieflen. Deren gibt es eine ganze Anzahl:
Joachim (ebenso der Priester), der in halbliegender Stellung vor dem Altar
kniet, sowie der Schlafende und Zuriickgewiesene, Hanna und Joseph in
der Darstellung i. T. und letzterer in der Geburt und Flucht n. A.,
Christus vor Kaiphas, in der Kreuztragung, aber auch in Lazarus' Er-
weckung und vor Magdalena mit dem charakteristischen tibertretenden
Schritt79), und diese selbst, in der Giotto im Vergleich mit Duccios ge-
schraubter oder des Meisters der Magdalenenkapelle wiirdeloser Leiden-
schaftlichkeit das byzantinische Motiv in unerreichbar schoner, Scheu und
Sehnen ausdrtickender Haltung wiederzugeben wufite. Wie diese Beispiele
zeigen, sind es die verschrankten Stellungen und die Figuren mit bedeu-
tungsvoller Geberde oder lebhafter Kontrastwendung, die Giotto iiber-
nimmt, das Zuriickblicken oder Zuriickweisen (1. Nebenfigur des Lazarus).
Aber er geht mit diesen Motiven aufierst sparsam um, gebraucht sie nur
itir die starksten Akzente. Er bevorzugt nach wie vor die Eindeutigkeit
in Blick und Bewegungsrichtung. Er verhalt sich also kritisch zur fremden
Kunstweise, ubertragt ihre Prinzipien mit Bewufltsein auf die Gestaltung
seiner Bilder, um die gleiche monumentale Wirkung durch Verwen-
dung ihrer formalen Elemente in wesentlich verschiedenem Mafie zu
erzielen. Gegeniiber dem Freskenzyklus von Assisi fallt vor allem das
Zurucktreten der Dreiviertelansicht und aller mittleren Wendungen der
Figur auf. Die Handlung vollzieht sich wie in der byzantinischen Kunst
ausschliefilich in der Richtung der Bildflache. Daraus zieht aber Giotto
mit ganz anderer Entschiedenheit die Folgerung, dafi nun die Profil-
stellung mit ihrer reinen Silhouette zum Hauptfaktor wird, wahrend fur
den byzantinischen Stil gerade die Vereinigung seitlicher Aktion mit
Frontansicht der P'igur oder mindestens des Kopfes Grundgesetz ist. So
baut denn Giotto nur selten seine Gruppen mit zentraler Mittelfigur in
Vorderansicht auf (Vermahlung Marias, Uberreichung der Stabe, Kana-
79) Vgl. dazu Tikkanen, a. a. O. S. 21.
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312 O. Wulff:
wunder, Himmelfahrt), noch seltener streng zentral (Flucht n. A. s. o.),
sondern bewahrt sozusagen seine dialogische Kompositionsweise und
schreitet gelegentlich (im Brautzuge) sogar zum friesartigen Kompositions-
prinzip der rhythmischen Reihung fort. Aber nur selten finden sich wie
hier noch die Casuren, im allgemeinen gilt es ihm, die so gewonnenen
figlirlichen Flachenkomplexe auf moglichst ruhigem, nach der Tiefe
abgeschlossenem Hintergrunde zu entfalten. Daher die Vereinfachung
der Architektur und vor allem auch der Landschaft. Beide sollert
dabei an sich nicht flach, vielmehr noch raumhafter erscheinen,
die perspektivische Einstellung der Figur in die Tiefe dagegen wird
auf viel engere Grenzen beschrankt, und wo sie stattfindet, beherr-
schen doch die Vordergrundsgestalten reliefartig das Bild. Silhouetten-
wirkung und Massengleichgewicht sind die Hauptforderungen des neuen
Flachenstils. In der Navicella angebahnt, bildet er den vollsten Gegen-
satz zu Giottos JugendschafTen, obgleich der genetische Zusammenhang
mit diesem vollig deutlich bleibt. Was weiter folgt, bedeutet eine ge-
wisse Rlickkehr zu seinen fruheren Kunstabsichten, in erster Linie aber
doch eine immer strengere Durchfiihrung der monumentalen Tendenz.
Den Weg dieser nachfolgenden Entwicklung Giottos weisen sehr deut-
lich seine Madonnenbilder. Das Medaillonbild am Gewolbe der Scrovegni-
kapelle steht dem ursprtinglichen Typus (s. S. 22 2fT.) noch auflerst nahe.
Nicht sehr viel spater diirfte das grofie Altarblatt der Akademie ent-
standen sein, denn das Kind bewahrt hier noch fast dieselben Zuge wie
in Padua. Und doch hat das Madonnenideal selbst schon die ein-
schneidendste Wandlung erfahren: der Uinrifi des Antlitzes hat sich ge-
spitzt, und die Ziige erscheinen so verfeinert, dafi einzig die geschlitzten
langen Augen noch eine gewisse Ahnlichkeit erkennen lassen. Die Ge-
stalt hingegen ist noch breitschultrig und schwer und die gotischen Bausch-
falten brechen noch hart. In dem spates ten Bilde zu Bologna (friiher in
der Brera) hat die ganze Erscheinung etwas Schlankeres und Zierlicheres
angenommen, die Schultern haben sich ebenso gerundet wie die motiv-
reichere Gewandung, wahrend die Gesichtsziige unverandert geblieben
sind. Dafi das Oval noch schmaler erscheint, bewirkt das Kopftuch,
dieses echt gotische, z. B. bei Orcagna so beliebte Modestiick der Frauen-
tracht. So hat es auch die im tibrigen wegen ihrer Seitenwendung zum
Vergleich weniger geeignete Maria im Kronungsbilde der Baroncellikapelle
(nach 1327), das dadurch wie durch die vollig (ibereinstimmende fast
noch schlankere Bildung der Gestalt die spate Entstehung der Bologneser
Ancona bestatigt. Und auf dieser hat auch das Kind zartere Glieder
und einen Lockenkopf bekommen. Es ist der wachsende Einflufi der von
Oberitalien einstromenden Gotik, was wieder z. T. Giottos letzte Wandlung
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 313
bestimmt. Der Annahme einer Reise oder gar eines langeren Aufenthaltes
nach Frankreich80) bedarf es nicht, um sie zu erklaren. Der Fortschritt
wlirde sich dann nicht so allmahlich, sondern schroffer vollzogen haben.
Wenn wir die Freskenzyklen von S. Croce einem solchen Ent-
wicklungsgange einzuordnen versuchen, so sind der vorherrschenden An-
sicht entgegen81) die Malereien der Perruzzikapelle denen der Bardikapelle
voranzustellen. Ich glaube sie spatestens in den Anfang des zweiten Jahr-
zehnts ansetzen zu miissen, was die aufieren Voraussetzungen durchaus er-
lauben. Kein andres Werk Giottos steht den Bildern der Arena noch
so nahe. Es ist noch dieselbe Wucht des Ausdrucks und noch fast der-
selbe grofie Stil, dieselbe helle Farbengebung auf blauem Grund. Der
Figurentypus hat noch eine gewisse breite Schwere, wenn er auch etwas
schlanker und wieder plastischer geworden ist. Zacharias und der Evan-
gelist, Elisabeth und die begleitenden Frauen sind die jlingeren Ge-
schwister Joachims und Annas und sahen ihnen wohl noch weit ahnlicher,
wenn die Ubermalung nicht ware. An die Priestergestalten aus dem
Brautzuge und an die Prophetin Hannah klingen die Nebenfiguren der
Verkundigungsszenen sehr stark an. Aber vor allem halt Giotto noch an
der breitgedehnten Gruppierung fest, und Figurenkomplexe wie in der
Erweckung der Drusiana, wo auch die grofie Geberdensprache und
wallende Gewandung ganz den Geist der Arenakapelle atmet, zeigen ein
Massengleichgewicht und eine verwandte Linienfllhrung wie die Erweckung
des Lazarus u. a. m. Die Raumdarstellung steht fast auf der gleichen
Stufe wie in Padua und bewahrt, wenn sie auch zusammenhan gender
und organischer geworden ist, den ruhigen flachenhaften Abschlufi des
Hintergrundes. Hinzugekommen ist eine strengere Berticksichtigung der
Symmetric in der Verteilung der Gruppen. Doch scheut sich Giotto noch
immer nicht, eine Nebenepisode, wie die tJberreichung des Hauptes beim
Tanz der Salome, anzuhangen. Er bevorzugt noch die Casur in der Bild-
mitte vor der zentralisierenden Komposition, die eine lock ere (Vision und
Tod des Evangelisten) oder verhlillte (Tanz der S., Drusianas Erweckung)
bleibt.
Damit verglichen, verrat der Aufbau der Szenen in der Bardikapelle
eine fast abstrakte Strenge der Konstruktion. Die Casur ist nur in den
*°) So vermutet Thode, Giotto, S. 131 auf Grund einer Angabe des sogenannten
Ottimo-Commentators der Divina Comedia.
8l) Thode, a. a. O. S. 142 a. Franz v. A., S. 259; Frey, Loggia dei Lanzi, S. 58
und 72 mit Bezug auf die urkundlichen Daten Uber die Ausmalung der Chorkapellen
von S. Croce, aus denen sich jedoch diese Schlufifolgerung nicht ergibt. Vgl. abweichend
davon schon Crowe und Cavallcaselle, a. a. O. II, p. 77. Auch die untergegangenen
Fresken in den Kapellen der Tosinghi, Spinelli, Giugni dtirften bald nach deren Fertig-
stellung und nicht so spat entstanden sein, wie die der Cap. Bardi (s. u.).
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314
O. Wulff:
Liinettenfresken angewandt, bei der Lossagung des Vaters von Franz als
ktinstlerisches Ausdrucksmittel fur den Zwiespalt, bei der Predigterlaubnis,
um den Heiligen von der Monchsschar abzulosen, hier noch dazu sehr
maflvoll, dort durch die angeschobene Palastmauer gemildert. Regel ist
vielmehr die Betonung der Bildmitte, bald durch eine hoch heraus-
gehobene Mittelfigur (Erscheinung in Aries, Feuerprobe), bald dadurch,
dafi sich eine zentrale Gruppe zusammenballt (Vision des Bischofs und
des sterbenden Monchs), womoglich mit einem rein formalen Hohepunkt
(Tod des Franz), und in diesem wie in jenera Falle iiberdies meist ver-
starkt durch einen architektonischen Aufbau (ja sogar bei der Predigt-
erlaubnis).
Damit geht eine schematischere Zusammenordnung Hand in Hand,
indem die zentrale Hauptfigur in moglichst reiner Vorderansicht gegeben
wird, die letzten Seitenfiguren dagegen die Komposition symmetrisch in
scharfem Profil abschliefien, das die bevorzugte Wendung bleibt, soweit
nicht die Handlung oder das Erfordernis des Kontrastes eine Abwechs-
lung erheischen. Neu ist, dafi mehrere Profilgestalten gem in scharfster
perspektivischer StafTelung mit starker Deckung der hinteren durch die erste
die Tiefenachse aufnehmen. Bei der Predigterlaubnis sind sogar weitaus
die meisten Figuren, darunter die des Papstes, so eingestellt. Beim Tode
des hi. Franz bilden die Zelebrierenden solche Reihen. Dafi darin die
Absicht liegt, die Tiefe im Gegensatz zum Flachenabschlufl des Hinter-
grundes, der noch einheitlicher geworden ist, zu starker Anschaulichkeit
zu erheben, ohne die Flachenwirkung der menschlichen Silhouette ver-
loren gehen zu lassen, bestatigen die entsprechend starkeren architekto-
nischen Verkurzungen der letztgenannten Szene. Dadurch kommen wieder
mehr Vertikalen ins Bild, da die Figuren dichter gestellt und noch
schlanker geworden sind, wozu noch der trocknere plastischere Ge-
wandstil das Seine beitragt. Der braune Gesamtton ist einheitlicher ge-
nommen, die Szenerie von allereinfachstem und klarstem Bau. Kurz, es
ist die konsequenteste Durchfiihrung des monumentalen Prinzips und da-
bei doch eine gewisse Wiederaufnahnie frtihester Bestrebungen, wenn-
gleich in streng geregelten Formen, was uns die Bardikapelle zeigt Wie
kommt Giotto zu dieser letzten Stilphase, in der ein gewisser Verlust an
lebendigem Anschauungsgehalt und ein Uberwiegen formaler Mittel nicht
zu verkennen ist? Nichts deutet darauf hin, dafi hier etwa eine erneute
Einwirkung griechischen Monumentalstils stattgefunden habe, dein einer-
seits diese fast schematische Strenge der Komposition abgeht, anderer-
seits die konkretere Auslosung der Figur widerspricht.
Die Bardikapelle weist am Gcwolbe die drei allegorischen Halb-
figuren der Armut, Keuschheit und des Gehorsams und an vierter Stelle
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei.
315
das Bild des Franziskus selbst auf. Dafi zwischen ihnen und den Alle-
gorien der Ordensgelttbde in der Vierung der Unterkirche von Assisi
eine Beziehung besteht, kann von vorn herein nicht zweifelhaft sein,
sondern nur, ob sie die noch unentwickelten Keime der letzteren oder
Abktirzungen sind. Schon die Einschiebung des Portraits zwischen alle-
gorische Gestalten in Florenz, ofTenbar veranlafit durch den notgedrungenen
oder freiwilligen Verzicht, den Heiligen auch hier im symbolischen
Vorgang der Glorifikation darzustellen, noch mehr die Anbringung des
Turmes bei der Keuschheit, zu dessen Verstiindnis erst recht die alle-
gorische Handlung gehort, macht es mehr als wahrscheinlich, dafi in
S. Francesco die urspriingliche Erfindung vorliegt. Da nun die Bardi-
kapelle nicht vor 131 7 ausgemalt sein kann, enthalt sie doch das Bild
des damals kanonisierten hi. Ludwig von Toulouse (vgl. Frey a. a. O.
S. 72), aber auch kaum viel spater, so fallt Giottos zweiter Aufenthalt
in Assisi etwa in die Mitte des zweiten Jahrzehnts. Und wieder ist es
eine kunstlerische Aufgabe besonderer Art gewesen, was m. E. eben
hier zur Fortbildung der monumentalen Kompositionsprinzipien bis zu
jener aufiersten Konsequenz gefuhrt hat, die sich in den Franzfresken
von S. Croce beobachten lafit. Dafi die Raumbedingungen der grofien
dreieckigen Kappen des Kreuzgewolbes der Unterkirche von S. Francesco
Giotto veranlafit haben, die Kompositionen in voller architektonischer
Strenge aufzubauen, braucht nicht mehr auseinandergesetzt zu werden.82)
Aber unverstandlich ware es, wie er sich unmittelbar nach Vollendung
der Franzlegende in Assisi, in der ihm der monumentale Stil noch ganz
fremd ist, schon zu dieser ktinstlerischen Klarheit durchgerungen haben
sollte.83) Der Grund, der zu so friihen Datierungen der Allegorien ge-
fiihrt hat, liegt ja freilich nicht in diesen selbst, sondern in ihrem Zu-
sammenhange rnit den Malereien des anschliefienden nordlichen Quer-
schiffarmes (Jugendleben Christi, Kreuzigung und Szenen aus der Franz-
legende) und der angebauten Nikolaus- sowie der an diese anstofienden
Magdalenenkapelle. So wird es unvermeidlich, zum Schlufi noch zur
schwierigsten aller Giottofragen wenigstens Stellung zu nehmen.
Die vier allegorischen Gewolbfresken sind zweifellos mit der Ge-
samtheit der Forscher auf Giottos eignen Anteil zu setzen, wenn auch
die Glorifikation und der Gehorsam in der Ausfiihrung wohl nicht ganz
und gar. Aruuit und Keuschheit hingegen erscheinen mir frei von jeder
fremden Mitarbeiterschaft Und ihre Typen passen vollkommen in den
bezeichneten Zeitabschnitt. So erinnern die Kopfe der Krieger im letzt-
8a) Vgl. zur Analyse der Kompositionen Ziramermann, a. a. O. S. 368 IT.
83) Zimmermann, a. a. O. S. 365; Thode, a. a. O. S. 75, anders Franz von
Assisi, S. 259, wie schon Dobbert, Dohme's K. u. Kiinstler, II, 1, S. 10.
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3i6 O. Wulff:
genannten Bilde auflerordentlich an Herodes und seinen Tischgefahrten
in der Peruzzikapelle. Die Engel sind noch schlanker und eleganter ge-
worden als dort, sie kommen denen der Ancona in der Akademie noch
naher, ubertreflfen jedoch selbst diese durch den strafferen Faltenzug. In
ihrer Zusammenordnung auf gleicher Standflache beobachten wir besonders
in der Allegorie der Keuschheit schon die in scharfer perspektivischer
Staffelung aufgestellten zwei- und dreigliedrigen Gruppen. Die Gesamt-
komposition aber wird besonders in den Fresken des Gehorsams und der
Glorifikation zum streng zentralen und symmetrischen Schema. Wenn
solche Tendenzen dann in der Bardikapelle nachwirken, so verstehen wir
auch, wie Giotto in anderer Beziehung gleichsam wieder unter seinen
eignen Einflufi gerat und die plastisch-raumliche Figurenaufstellung seines
Jugendwerkes, der Franzlegende, nunmehr mit den Prinzipien seines reifen
Monumentalstils zu vereinbaren strebt, wie er sogar auf die Grundmotive
einzelner Szenen zurtickgeht. Und doch macht gerade der Vergleich der
Predigterlaubnis und des Konzils von Aries in S. Francesco und S. Croce
oder der aus zwei alten Kompositionen (Tod und Aufbahrung) zusammen-
gezogenen Totenliturgie des Franziskus in der Bardikapelle mit jenen
Vorbildern anschaulich, wie jetzt alles symmetrisch geordnet und auf die
Hauptachsen bezogen wird, um das Reliefmafiige zu wahren. Auf die
dreifigurigen Reihengruppen der Freske der Oberkirche gehen die Dia-
konen der Bardikapelle sichtlich in ihrem ganzen Habitus zuriick, aber was
flir eine Schwenkung haben sie beschrieben.
Weitere Ansatze zur Gruppierung der Franzbilder von S. Croce
weisen zwei andere Fresken der Unterkirche auf. Den gesamten Bilder-
zyklus der letzteren Giotto zur(ickzugeben,84) dazu kann ich mich frei-
lich nicht verstehen. Welche Phase seiner Stilentwicklung man auch zum
Vergleich heranziehen mag, die Unterschiede bleiben viel zu tiefgehende
(s. u.). An zwei Stellen aber scheint auch mir seine Art unverkennbar. Unter
dem Jugendleben Christi am Tonnengewolbe, das von Schiilerhanden
ausgefiihrt wurde, vermutlich wahrend Giotto die Allegorien make, finden
wir die Kreuzigung und die Szenen aus dem Leben des Franz. Die
erstere beruhrt sich sehr eng sowohl mit der gleichen Szene, wie mit
der Beweinung der Arena, und vereinigt in der Pharisaergruppe rechts
mehrere Greisentypen, links den Johannes und die Klagende mit erhobenen
Handen der Scrovegnikapelle und die charakteristische Frauengestalt
aus dem Tabernakel von S. Peter (vgl. Anm. 68). Dazu hat die Kompo-
sition in den von echt giottesker Empfindung erftillten Gestalten des
Franziskus und seiner Begleiter eine Erweiterung, vor allem aber eine
Thode, Giotto, S. 57 u. 74 flf.; Perkins, a. a. O. p. 53 ff.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 3 i j
echt ktinstlerische Neugestaltung erfahren, die den Prinzipien seines
monumentalen Stils durchaus entspricht. In den hinzugekommenen Ge-
s taken der Monche wird schon das Kompositionsmotiv der drei in Profil-
silhouette knienden Vordergrundsfiguren der Predigterlaubnis in S. Croce
(und ahnlich der Totenliturgie) angeschlagen. Diese Beziehungen, der
klar abgewogene Aufbau in zwei Reliefplanen, endlich der grofiartige,
dem Paduaner durchaus ebenblirtige, wenn nicht gar tiberlegene Cruci-
fixus selbst zeugen flir Giottos voile Urheberschaft.85)
Sehe ich in der Kreuzigung eine einheitliche Arbeit, so glaube ich
bei einem zweiten Bilde nur eine, allerdings sehr umfassende, Beteiligung
des Meisters annehmen zu miissen, — bei der Erweckung des Junglings
von Suessa, in der sich deutlich zwei Hande scheiden. Giotto gehoren
etwa drei Viertel des Bildes von links gerechnet bis zur Figur des Her-
absteigenden. So weit ist alles einfach, klar und lebendig in Form
und Geberde und die Komposition monumental. Fast allein aus Profil-
gestalten, die z. T. paarweise in Perspektive geordnet sind, ist die Haupt-
gruppe zusammengesetzt, und die Vordergrundsfiguren geben sich in
Haltung und im Gewandstil mit den zahlreichen Steilfalten als die
nachsten Anverwandten, in der etwas schwereren Gestaltenbildung als die
Vorlaufer jener Diakonen der Totenliturgie des Franz in S. Croce zu er-
kennen, einzelne auch in den Kopfen, wahrend der individuellste von
ihnen das Bulldoggengesicht des Wirts aus dem Kanawunder in Padua
tragt Auch die Lossagung des Vaters in S. Croce bietet Parallelen,
und merkwurdig, dafi wir dort zugleich den iiber Eck gestellten Bau des
Hintergrundes wiederfinden, der sich ganz ahnlich in einer Saulenstellung
offnet, wenn auch ein gotischer Palast daraus geworden ist, in dessen
Hof wir hineinsehen. Dort ist er aus rein formalen Gninden da (s. o.),
in Assisi brauchte ihn Giotto, um den vorhergehenden Vollzug des
Wunders gesondert darzustellen. Es kann nicht zweifelhaft sein, wo die
Erfindung liegt Aber die Architektur der verktirzten Schmalseite des
Hauses ist in Assisi offenbar in einer von der ursprtinglichen Absicht
abweichenden ganz unklaren Weise gestaltet. Die Treppe mit dem oben
stehenden Jlingling und der Wandstreifen mit den Dachstiitzen konnte
noch von Giotto selbst herriihren, die drei Frauenkopfe daneben hat
sicher ein anderer in den zum Ausgang umgedeuteten nachsten Bogen
eingeklemmt. Und zweifellos verdankt das ganze librige Viertel des Wand-
feldes mit der zweiten so viel schwacheren Gruppe der Auflenstehenden
*5) So urteilt auch Dobbert, Giotto, Dohmes K. und KUnstler, II, I, S. 16, der
ihm allerdings auch das Jugendlcben Christi und samtliche Franzbilder (nicht abcr die
Nikolaus- und Magdalenenfresken) zuspricht.
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31*
O. Wulff:
— auflerdem wohl auch die erste (und zweite?) Randfigur der linken
Seite — ihre Vollendung einem Schtiler.
Augenscheinlich ist Giottos Tatigkeit in der Unterkirche plotzlich
abgebrochen worden. Im QuerschifTweist hochstens noch das vorhergehende
Bild, das den Tod des Jiingligs von S. schildert, Zlige seines personlichen
Eingreifens in den groflflachigen ausdrucksvollen Mittelfiguren auf, und auf
seinem Entwurf wird auch die kaum weniger monumentale Komposition
beruhen, aber mehrere Kopfe des zweiten Planes und die Frauenfigur r. lassen
auf eine andere ausfuhrende Hand schlieflen, anscheinend auf dieselbe, der
die Vollendung der folgenden Szene (s. o.) zufiel. Ganz und gar diirfte dieser
dann das Bild mit dem Sturz des Knaben und seiner Erweckung durch
Raho gehoren, das schon in seiner gesamten Anlage eine grundverschiedene
kiinstlerische Auffassung (s. u.) oflfenbart. Mit anderen Worten: die Fort-
setzung der Arbeit in Assisi wurde einem oder mehreren Schulern iiber-
lassen, die vorher neben und unter Aufsicht des Meisters daran beteiligt
waren. Personlichkeiten zu sondern, mochte ich ohne eine erneute
ganz darauf gerichtete Besichtigung der Fresken nicht versuchen. Einen
Grund aber, von der nachstliegenden Annahme ungefahr gleichzei tiger
Entstehung samtlicher Malereien der Unterkirche abzugehen, sehe ich
nicht. Anlafi dazu hat besonders die Nikolauslegende geboten. Da wir
aber nicht wissen, in welchem Alter Gaetano Orsini Kardinal wurde, ist
in seiner Wiedergabe als Diakon und in seiner jugendlichen Erscheinung
auf der Stifterfreske durchaus kein Hinweis auf einen weit vor seiner
Erhebung zuriickliegenden Zeitpunkt gegeben.86)
Freilich, mit Giottos reifem Stil ist allein das schone Widmungs-
bild vereinbar. Weder der Christus, noch die ausdrucksvollen Figuren der
Stifter fallen aus ihm heraus. Ein eigner Entwurf liegt sicher zugrunde,
und eigenhandige Ausfuhrung erscheint mir nicht ausgeschlossen. Dagegen
kann ich in den Legendenszenen selbst seine Handschrift nicht entdecken.
Zwar sind es Giottos Figurentypen, die uns da begegnen, aber nicht die
spateren, und in manchen Kopfen bertihren sie sich wieder mit den
SchUlerfresken der Unterkirche. Und doch empfindet man auch in der
geistigen Gestaltung der Bilder Giottos »schlagende Kiirze« — aus den
Fresken der Oberkirche. Mit diesen stimmt in der Tat die Kompositions-
weise, der Schauplatz und die lebhafte Geberdensprache ebenso gut zusammen,
wie sie seinem grofien Stil widerspricht. Ist also, wenn nicht er selbst, so
doch ein ganz frtiher Schtiler, der sich seine Art vollig zu eigen ge-
•*) Vgl. dazu Thode, Franz von Assisi, S. 262 ff. und Zimmcrmann, a. a. O. S. 386,
der jcdoch in den Bildern eine eigene gleichzeitig mit den Gewolbfresken um 1298
entstandene Arbeit Giottos sieht. Ahnlich urteilt jetzt auch Thode, Giotto, S. 51 ff.,
wahrend er sie a. a. O. S. 170 u. 262 ff. einem frUhen Schiller zuerkannte.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. ^ I o
macht hatte, der Urheber unci fallt die Entstehung doch weit friiher? Mir
scheint noch eine andere Losung moglich, auf die das Format der Decken-
fresken der Nikolauskapelle hinftihrt. Dieses und das sich daraus er-
gebende Verhaltnis der Figur zur Flache ist eben ganz dasselbe wie in
der Franzlegende, d. h. es ist dasjenige der gotischen Miniatur. In den
Wandfresken aber nicht, wird man einwenden. Es scheint mir doch so,
denn bei ihnen ist das Langformat z. T. sichtlich durch blofie Abschnei-
dung der oberen Bildhalfte gewonnen.87) Bei anderen mag eine ent-
sprechende Umbildung stattgefunden haben. Die Vorlage kann darum
wohl eine eigenhandige Miniaturenfolge aus Giottos fruherer Zeit gewesen
sein. Dafiir spricht auch, dafi die Geschichte des geretteten Knaben
spater von T. Gaddi in ganz ahnlichen Kompositionen behandelt worden
ist (Berlin Nr. 1079). Weiter verstehen wir dann leicht, warum der
Cosmatenstil in der Nikolauslegende wieder so stark hervorbricht. Die
beste Sttitze aber findet die oben aufgestellte Erklarung in dem analogen
Tatbestand, wie er in den iibrigen Malereien der Unterkirche zu Tage Hegt.
Das Jugendleben Christi und die Fresken der Magdalenenkapelle
sind zum weitaus groflten Teil nach oder in Anlehnung an Vorlagen
Giottos gemalt, teils vielleicht noch unter seinen Augen (s. o.), teils wohl
nach solchen, die er bei seinem Weggange als Richtschnur fur die Voll-
endung der Arbeit zurtickliefi. Es waren das in der Hauptsache seine
Entwiirfe zu den Fresken der Scrovegnikapelle. Wenn man friiher und
wieder ganz neuerdings aus den auffallenden Ubereinstimmungen der
Bilder mit diesen geschlossen hat, Giotto sei selbst ihr Urheber, so ist
darauf schon mit vollem Recht entgegnet worden, es sei undenkbar, dafi
ein Meister von Giottos Range sich so hatte wiederholen konnen.88) Die
Hauptunterschiede liegen freilich nicht auf der Oberflache, sie sind
vielmehr so tiefgehende und unzweideutige, dafi es unmoglich ist,
die Nachahmung (bezw. Wiederholung) in der Arena zu suchen. Mit
Giottos spaterem Stil aber sind die Fresken der Unterkirche, die oben
ganz oder z. T. ihm zugesprochenen Szenen ausgenommen, schlechter-
dings unvereinbar. Es sind Schulerarbeiten und einzelne schwache
Versuche selbstandigerer Gestaltung daher wenig gegliickt Gemeinsam
ist beiden Zyklen nicht nur die Nachahmung in der Komposition, sondern
auch die verbltiffende Anpassung an Giottos Typen, Bewegungen, Geberden,
denen freilich hier iiberall die rechte Ursprtinglichkeit des Ausdrucks
fehlt Auch im einzelnen spinnen sich Beziehungen hertiber und hinviber
•7) So z. B. in der Szene von der Rflckkehr des geraubten Knaben zu seinen
Eltern; vgl. die Abb. 124 bei Zimmermann, a. a. O. S. 385.
**) Ich schliefie mich darin der treflfenden Beurteilung dieser Zyklen bei Zimmer-
mann, a. a. O. S. 405 ff. durchaus an.
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320
O. Wulff:
sowie zu derNikolauslegende und zum Anteil der zweiten Hand in den Franz-
szenen. Ohne damit mein letztes Bekenntnis aussprechen zu wollen,
scheint mit das doch zum Schlufl zu ftihren, dafi eine einzige Personlich-
keit in der Hauptsache mit der Durchfuhrung der Aufgabe betraut war,
vielleicht mit untergeordneten Nebenkraften zur Seite. Welcher von
Giottos Schlilern das war, dtirfen wir zunachst nur fragen. Taddeo Gaddi
ist schon seinem Alter nach fur den angenommenen Zeitpunkt ausge-
schlossen. War es Puccio Capanna, Buffalmacco, oder war es jener
Stefano lo Scimia, *9) der seine Art so vortrefflich nachzuaflfen
wufite? Im letzteren Falle bekamen wir eine Erklarung fur dessen
Beinamen, den man auf korperliche Eigenschaften oder andere zufallige
Umstande zu beziehen durchaus keinen Grund hat Wer es aber
auch gewesen sein mag, ein Spottvogel bleibt er. Giottos letzte ktinst-
lerische Ziele hat er nicht erkannt. Unter seinen Handen lost sich
die monumentale Flachenkomposition der Arenafresken in raumum-
flossene Korperlichkeiten auf. Kaum dafi die Reliefwirkung bei
engstem Anschlufi an die Vorlage, wie in der Erweckung des Lazarus,
nachzufiihlen ist Die Gestalten riicken auseinander, werden schlank und
dtinn und verlieren sich im Bildfelde, ihre Vermehrung und die An-
haufung von zahlreicheren Gruppen im Hintergrunde (Kindermord, Wunder
Rachos) verstarken die Raumillusion, aber nicht die Beherrschung der
Bildflache durch die Figur. Mit dem Verzicht auf strengere Symmetric,
der Zuruckdrangung der reinen Profilsilhouette durch vielfach abgestufte
Wendungen geht die Schichtung der Plane und die Flachenachse der
Aktion verloren. Und den formalen Verlust begleitet eine Herabminderung
ihrer Bedeutung im Ausdruck zu trivialer NatUrlichkeit
Giotto ist von seinen allernachsten Schulern nicht verstanden worden,
d. h. der abgeklarte Giotto. Kaum dafi er ihnen den Rticken gewandt
hat, wenn nicht gar unter seinen Augen, erwachen die Tendenzen auf
Raumillusion und Plastik seines friihen Stils. Der Freskenzyklus der
Oberkirche, an dessen letzten Bildern der Meister der Unterkirche vielleicht
bereits beteiligt war, hat diesen allein anzuregen vermocht So ist ihm
auch die gleichartige Nikolauslegende am besten gelungen.9°) Die Innen-
raume sucht er mit alien Mitteln der fortgeschrittenen Verktirzung (Dar-
stellung i. T.) erfolgreich zu vertiefen, die Aufienarchitekturen gehen bei
ihm in den landschaftlichen Hintergrlinden ebenso auf wie die Figuren.
Nicht abschliefien, sondern zuruckweichen sollen diese. Alles das nimmt
89) Fil. Villani, Le vite dTomini illustri (ed. Mazzuchelli), p. LXXXI ^Stefano,
Scimia della natuia, nell' imitazione di quella valse piuu.
9°) Bcziehungen der letzteren zu ihnen sind von Berenson und Perkins a. a. O.
p. 83, wie mir scheint, richtig beobachtet worden.
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Zur Stilbildung der Trecentomalerei. 32 I
auch alsbald Giottos grofiter Schliler, Taddeo Gaddi, auf, um in be-
wuflter Absicht jene Liniensysteme auszubilden, welche dann in der archi-
tektonischen Biihne der Trecentisten zur Entwicklung abstrakter Raum-
konstruktion dienen.91) In seiner Landschaft aber finden wir dann schon
die schragen Bergprospekte, wie sie auch die Lorenzetti in Siena an-
wenden. Sie sind wohl Nachbildungen der gleichartigen Strafienfluchten92)
und aus derselben breiten Unterstromung, deren Richtung Giottos Schaffen
nicht abzulenken vermocht hat, entsprungene Neubildungen. Dafi solche
Linienkonstruktionen schon bei Duccio anheben (s. S. 107) und dafi in beiden
toskanischen Schulen die gleichen Formen in zeitlichem Parailelismus auf-
tauchen,weistvielleicht auf eine forts chrei ten de Entwicklung der Schemata in
der Miniatur hin, die nicht so plotzlich zum Stillstand gekommen sein dlirfte.
Ein blofier Austausch der Errungenschaften innerhalb der rasch aufbliihen-
den Tafelmalerei wiirde von einem allgemeineren Stilausgleich begleitet sein.
Giottos Entwicklung unter eine ungebrocheneRichtungslinie bringenzu
wollen, ist der Grundirrtum der stilkritischen Forschung, die nur allzu leicht
vergifit, dafi ein Kunstler keine unveranderliche Grofie darstellt. Sie ist
um so starker fehlgegangen, je weniger ihre individualisierende Methode
ftir die Epoche der italienischen Vorrenaissance zugeschnitten war 93) und
mit der Doppelstromung in der Kunstentwicklung des Ducento zu rechnen
wufite. Das Wunderbarste an Giotto bleibt gerade, wie er aus dieser
einen einheitlichen Stil entwickelt, in dem das griechische Bildgestaltungs-
prinzip die Kette, die abendlandische Menschen- und Raumdarstellung den
Einschlag bildet. Es kann uns nicht Wunder nehmen, dafi seine Schuler den
Weg weiter verfolgten, den er selbst zuerst gewiesen hatte. Die neue Illusion
des Weltanschauens bedeutete ihnen mehr als die dekorative Schonheit,
und in jener Richtung allein war ein Fortschritt zu deutlicherem Formaus-
druck zu erringen, der gewonnen werden mufite, ehe die Malerei wieder reif
wurde fiir eine neue Zusammenfassung aller ihrer Mittel zu monumentaler
Wirkung. Uber das Trecento hin weg aber reicht Masaccio Giotto, tiber das
Quattrocento Raphael Masaccio die Hand. Und vor Giotto liegt noch die
vielgeschmahte maniera greca, deren bestes Erbteil er antrat Der italienische
Monumentalstil wurzelt im byzantinischen. In der Geistesgeschichte der
Menschheit geht auch der bildenden Kunst nichts wieder vollig verloren.
9') Vgl. Kallab, a. a. O. S. 38 und zu T. Gaddi auch Schubring, a. a. O. S. 364.
9*) Beispiele flir beidc Motive bieten eincrseits die Fresken der Baroncellikapelle
sowie die Bilder im Refektorium von S. Croce, deren Zuschreibung an T. Gaddi freilich
sehr problematisch ist, andrerseits die Flligel des Altarblatts in S. Agostino (s. S. in
Anm.30); vgl. Wingenroth, Rep. f. K.-Wiss. 98, S. 338 und dagegen Kallab, a. a. O. S. 502.
93) Dafl fUr den oft behaupteten Einflufi Giov. Pisanos auf Giotto bei der hier
vertrctenen Auffassung seiner Stilentwicklung kein Raum bleibt, liegt auf der Hand.
Repertorium fiir Kunstwistenschaft, XXVII.
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Die Handzeichnungen der Uffizien in ihren Beziehungen
zu Gemalden, Skulpturen und Gebauden in Florenz.
Zweiter Aufsatz.
Von Emil Jacobsen.
(Fortsetzung.)
Andrea del Sarto. Verherrlichung Maria. Nr. 123.
397 (Rahmen 149 Nr. 293 F). Rotelstudie ftir die Hande zweier
Heiligen. Das eine Handepaar auch fur Nr. 76 in der Akademie be-
nutzt, wie friiher erwahnt. In Rahinen 163 unter Nr. 643 findet sich
eine rnit Gewandern scbwer behangte Figur in Profilstellung gegen rechts.
Rotel. Nach dem Katalog sollte das Blatt Studie zu einer Assunta im
Pitti sein. In keiner Assunta hier findet sich jedoch eine ahnliche Figur,
dagegen hat die Zeichnung dadurch Interesse, dafi sie ein Ricordo nach
dem hi. Joseph in Fra Bartolommeos Darstellung im Tempel, jetzt in
Wien, oder jedenfalls von dieser Figur stark inspiriert ist. Doch ist die
Zuschreibung an Andrea nicht ganz sicher.27)
398 (Rahmen 159 Nr. 653). Angeblich Bildnis von der Frau des
Ktinstlers, Lucrezia del Fede. Scheint vielmehr die Studie fur den Kopf
der knienden Heiligen in der Verherrlichung Marias im Pitti, sowie
auch, wie in meinem frtiheren Aufsatze erwahnt, ftir die Madonna in der
hi. Familie Nr. 62. Als das Bildnis der Lucrezia wird auch die Rotel-
zeichnung Nr. 647 in Rahmen 163 bezeichnet Die beiden Kopfe sind
aber sehr verschieden.
Andrea del Sarto. Assunta. Nr. 191.
399 (Nr. 303). Nackte weibliche Figur emporblickend in sitzender
Stellung. Studie zur Maria. Schwarzkreide. Ahnliche Studie in Rotel
erwahnt unter Nr. 102.2*)
400 (Nr. 686 s). Rotelkopie nach dem knienden Apostel, dessen
Kopf vielleicht als Selbstbildnis Andreas betrachtet werden kann.
37) Bcrcnson giebt Sogliani das Blatt, was mir nicht zutreffend vorkommt
*8) Bei Berenson irrttimlich auch die erstgenannte als Rtftclzeichnung.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. \2X
Andrea del Sarto. Heilige Familie. Nr. 81.
401 (Rahmen 167 Nr. 631). Kinderkopf nach rechts gewandt.
Scheint Vorlage ftir das Johanneskind. Vielleicht auch benutzt fur einen
Engelkopf oben in der Himmelfahrt Maria Nr. 225. Rotel.
Sebastiano del Piombo. Martyriurn der hi. Agathe. Nr. 179.
402 (Nr. 1 791). Ricordo nach dem Bilde. Feder, weifi gehoht, auf
gelbem Papier.
Toskanischer Schule zugeschrieben. Jacopo del Sellajo. *9)
Anbetung des Kindes. Nr. 364. *
403 (Rahmen 85 Nr. 192 F). Vorzeichnung zu dem Christkinde,
dem Lorenzo di Credi zugeschrieben. Getuschte Federzeichnung, weifi
gehoht.
404 (Nr. 15 220). Ignoto genannt. Geburt Christi. Das Kind ganz
wie im obengenannten Bilde. Es ist moglich, dafi auch die Zeichnung
von Jacopo herrilhrt Rotel, durchgepaust. Ich bemerke noch, dafi dies
Christkind auf ein Gemalde von Botticelli zuruckgeht, wovon William
Fuller Maitland Esq. eine Schulwiederholung besitzt. Ausgestellt New
Gallery 1893.
Giardino Boboli.
405 (Rahmen 437 Nr. 1013). Stefano della Bella. Vorzeichnung
ftir eine Fontane. Diese Skizze ist ftir vier Fontanen, die paarweise
vor den beiden Eingangstiiren, die zu der Isoletta ftihren, sich befinden.
Die wasserspeiende barocke Gestalt tragt in der Zeichnung eine Krone,
an den Fontanen aber teils Schlangen, teils Vasen auf dem Kopfe.
Diese Gestalten begegnen uns wenig verandert an der grofien Fontane
von Susini im Hofe des Palastes. Feder.
406 (Nr. 310P). Prospekt von dem Amphitheater mit phantastischem
Aufzug. Feder getuscht.
Bargello.
407 (Nr. 6960). Bandinelli. Kopie nach einer unbekannten
Zeichnung Michelangelos zu einem der unvollendeten Sklaven in der
Grotte Buontalenti. Rotel.
408 (Rahmen 17 Nr. 71). Anonimo del Sec. XV zugeschrieben.
Christus am Kreuze, nebenan eine drapierte Figur, meiner Ansicht
nach eine echte Studie von Benozzo Gozzoli. Die Christusfigur scheint
einerseits ein Ricordo nach dem Gekreuzigten in Bertoldos Bronze-
relief, jetzt im Bargello (nur ist der Christuskopf hier etwas mehr im
Profil), andererseits Vorlage ftir den Gekreuzigten in seiner Kreuzigung
zwischen vier Heiligen und einem Stifter in San Gemignano. Meine
*9) Vergleiche meinen Artikel ttber die Louvregalerie. Rep. f. Kunstw. 1902.
22*
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324 Emil Jacobsen:
Vermutung, dafi die Christusfigur ein Ricordo nach Bertoldos Relief ist,
wird dadurch bestarkt, dafi daneben eine drapierte Figur a l'antique
sich befindet. Solche halbnackte Figuren kommen bei dem antikisieren-
den Bertoldo hiiufig vor und zwar auch auf dem genannten Relief. Feder
getuscht und weifi gehoht auf braunlich getontem Papier. Eine andere
Studie zu der Kreuzigung ini Rahmen 24 Nr. 1092: Christus am Kreuze.
Auf diesem Blatt zwei Frauenkopfe, der eine der einer alteren Frau, der
andere der eines Kindes. Sehr wahrscheinlich Studien fur die kniende
Frau und das hinter ihr kniende kleine Madchen auf dem Fresko mit
der Anbetung des hi. Sebastian in San Gemignano. Feder getuscht, weifi
gehoht auf braun getontem Papier. 3°)
409 (Nr. 1986). Parmegianino zugesrhrieben. Ricordo nach Giov.
Bolognas Mercur oder jedenfalls von dieser Figur inspiriert Rotel.
410 (Nr. 6564 Rlickseite). Pontormo. Studie nach Donatellos
Bronze-David.31) Schwarzkreide. Vergleiche Nr. 392.
411 (Nr. 489). Bandinelli zugeschrieben. Studie nach Donatellos
Sankt Georg. Feder.
412 (Nr. 16803). Antiker Torso von Benvenuto Cellini als
Ganymed restauriert. Kopie aus dem Schlufi des 16. Jahrhunderts. Rotel.
413 (Rahmen 45 Nr. 222). Maniera di Piero del Pollajuolo
zugeschrieben. Studie nach Verrocchios David neben anderen Studien.
Silberstift, weifi gehoht auf gelbem Papier.
414 (Rahmen 5 14 Nr. 66 30). Benedetto da Rovezzano. Feder-
zeichnung eines Kamins. Der architektonische Aufbau und das Figiirliche
des oberen Teils stimmen ziemlich gut mit dem Kamin im Bargello (nur
fehlen die beiden Sphinxe). Die P'riese aber gar nicht. In der Zeichnung
Tritonen und Seepferde nach der Antike dargestellt, am Kamin dagegen
das Martyrium mehrerer Heiligen.
415 (Rahmen 290 Nr. 82 1()). Pisanello zugeschrieben. Feder-
zeichnung eines Hundes. Vielleicht geht eine Plakette hier auf diese
Zeichnung zuriick. Ist aber viel spater. Feder, weifi gehoht auf rotlich
getontem Papier.
3°) Wsihrend Berenson meine Zuschreibung von Nr. 71 bestatigt, gicbt er, gewiB
mit Unrecht, Nr. 1092 dem Cosimo Roselli.
V) Diese Statue geht, meines Erachtens, auf eine antike Hermes-Gemme (oder
Statue) zuriick. Der bei David eigentlich befremdende Hut erinnert an den antiken
Petasos. Die ganze Haltung kehrt wieder in einem Hermes (oder als Hermes restaurierte
Statue) im Palazzo Vecehio. Im » Tod der Lucrezia« von Botticelli bei dem Earl of Ash-
bumham sieht man auf einer Siiule einen David in iihnlicher Haltung. Dieser hat auf
dem Kopf einen vollstandig mit Fliigeln versehenen Petasos und dtirfte vielleicht auf
dieselbe Gemme zurlickgehen.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 325
Ignoto Toscano Secolo XVI. Bronzekandelaber.
416 (Nr. 5740). Ferdinando Tacca zugeschrieben. Studie zu
einem Bronzekandelaber. Feder getuscht. Das Blatt stimmt im ganzen
mit dem Kandelaber. Nur ist die Ausschmiickung der Basis geandert.
Wenn die Zeichnung, wie Ferri meint, von Tacca ist, dann wohl auch
das Bronzewerk.
417 (Nr. 18558). Flotenblasender Marsyas. Vier Ricordi nach der
Statuette vom Rticken gesehen. Auf demselben Blatt mehrere Kopien
nach Zeichnungen von Michelangelo. Gefunden in einer Mappe mit
alten Kopien nach Michelangelo, welche aus dem Haus des Meisters
stammt. Gehen also wahrscheinlich auf eine Studie von Buonarroti nach
der Statuette, wovon vier Exemplare hier im Bargello sind (Hauptexemplar
sehr wahrscheinlich von Ant. Pollajuolo nach der Antike) zuriick. Dieser
Marsyas befand sich in der Sammlung von Lorenzo il Magnifico.32)
Michelangelo. Bacchus.
418 — 419 (Nr. 16827, 16828). Kopien aus dem 17. Jahrhundert.
Schwarzkreide.
Jacopo Sansovino. Bacchus.
420 (Nr. 14414). Andrea del Sarto mit Fragezeichen zuge-
schrieben. Auf beiden Seiten des Blattes leicht hingeworfene Skizzen und
zwei ausgefiihrte Studien zu der Statue. Alles mit roter Kreide. Es geht
schon aus dem leichten Umrifi des Satyrknaben in abweichender Stellung
hervor, dafi diese Studien keine Kopien, sondern echte Entwurfe fiir die
Statue sind. Die Technik ist mit Andrea del Sarto verwandt. Dies
bestarkt meine Meinung, die von Prof. Ferri geteilt wird, dafi Jacopo
der Meister ist, denn dieser war, wie Vasari berichtet, Andreas intimer
Freund und in seiner Zeichnungsweise von ihm in hohem Grade beeinflufit:
»— — e poi nella gioventu ebbero insieme Andrea del Sarto ed Jacopo
Sansovino; i quali seguitando la maniera medesima nel disegno ebbero
la medesima grazia nel fare«, etc. (Vasari Ed. Milanesi VII 488). Nach
diesen Studien konnen ihm noch einige Zeichnungen zugeschrieben werden:
die schon erwahnte Studie nach dem Laokoon Nr. 14535 und zwei
Studien auf dem Blatt Nr. 14553, beides Studien nach Antiken. Vorder-
seite: nackte, mannliche Figur mit Portratziigen, wohl romischer Imperator
(Augustus?).
421 (Nr. 12284). Dom. Passerotti. Studie nach der Statue. Feder.
422-430. Herkules (?) einen Widersacher niederwerfend, den
rechten Fufi auf dem Kopf eines unter ihm liegenden Weibes.
32) Ein Exemplar auch im Berliner Museum. Eine Version bei Mr. Pierpont-
Morgan.
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^ 26 Emil Jacobsen:
Kleine Bronzegruppe in zwei Exemplaren. In den Kartellen befinden sich
eine ganze Reihe Zeichnungen, die Beziehung zu dieser Gruppe haben.
Merkwiirdig ist es, dafi sie zugleich mit geringer Anderung eine Gruppe
in Daniel da Volterras Kindermord zu Bethlehem wiederholen. Es wiirde
jetzt sehr nahe liegen die Zeichnungen, die urspriinglich Vincenzo de
Rossi zugeschrieben wurden, Daniele da Volterra, der ohne Zweifel die
Bronzegruppen, wahrscheinlich nach einer Vorlage Michelangelos gebildet
hat, zuzuweisen. Das hat man auch neuerdings getan. Doch mit Un-
recht. Denn diese Zeichnungen gehoren in eine ganz andere Schule,
wenn sie auch auf florentinische Vorlagen zurlickgehen. Sie sind vene-
zianisch und zwar von der Hand Jacopo Tintorettos. Ich hebe Nr. 10695,
Schwarzkreide und Nr. 10705, Rotel hervor.33)
Casa Buonarroti.
Michelangelo zugeschrieben. Cleopatra. Schwarzkreidezeichnung.
Rah men I Nr. 2.
431 (Rahmen 139 Nr. 603). Buste einer jungen Frau en face.
Gleichfalls Michelangelo zugeschrieben. (Braun 185, Brogi 1784.) Der
33) Die anderen Nummern sind: 13045, 13046, 15002, 15003, 17 133, 17 134,
I7 39°« — Nachdem dies geschrieben ist, hat der Direktor des Museo Nazionale Prof.
J. B. Supino in seiner »Miscellanea d'Arteoc Anno I Nr. 3 sich Uber diese Gruppe in
einem kleinen Aufsatz ausgesprochen. Ich kann mich in allem Wesentlichen seinen
Ausftihrungen anschlieflen, nur in einem Punkte mochtc ich eine andere Auffassung
geltend machen. Flir die oben ausgesprochene Vermutung, dafl die Gruppe wahr-
scheinlich auf Michelangelo zurtickgeht, habe ich namlich die Bestatigung gefunden.
Es bcfindet sich in einem Schrank der Casa Buonarroti eine, gleich unten zu er-
wahnende, Tongruppe in fragmentarischem Zustand, die die beiden Hauptfiguren
der Gruppe genau wiedergibt. Es hat wohl auf dieses Tonmodell Bottari hingedeutet,
wenn er behauptet, dafl eine der wesentlichsten Gruppen in Volterras »Kinder-
mord« nach einem Modell zu einer Gruppe Hercules und Cacus von der Hand Michel-
angelos, die vor dem Palazzo Vecchio aufgestellt werden sollte, gemacht wurde. Das
Projekt wurde leider nicht realisiert; wie bekannt, wurde die Gruppe spiiter in un-
gleich geringerer Weise von Bandinelii ausgefiihrt. An der Tongruppe fehlen die beiden
Kopfe, die beiden Anne des Hercules und der eine Unterarm des Cacus. Im Heft IV
derselben Zeitschrift giebt Ferri Mitteilungen iiber die oben erwahntcn Zeichnungen.
Endlich in Heft V mache ich in einem kleinen Artikel: Ercolc e Cacco di Michelangelo,
auf das alien diesen Werken zugrunde liegende Tonmodell von Michelangelo auf-
merksam. — Die oben genannten neun Zeichnungen sind geniale Skizzen, kraftig in
Licht und Schatten gestellt (siehe die leider zu kleinen Reproduktionen in Miscellanea
d' Arte Anno I. IV). Tintoretto hat ofTenbar die Gruppe Daniels da Volterra (die er
flir einen Michelangelo genommen haben dlirfte) so behandelt, wie es erzahlt wird:
»ritraendo i modelli anche al lume di lucerna per ottenere maggior precisione nei
contorni e conoscere gli effetti della luce e delle ombre« (Vasari Ed. Milanesi VI. 588. N. I).
Sie stimmen in der Behandlungsweise genau mit mehreren authentischen Zeichnungen
Jacopo's sowie Nr. 13008 und 7512s. Die Zuweisung dieser prachtvollen Blatter ;ui
Tintoretto diirfte fur die Eikenntnis des Jugendstils des Meisters nicht ohne Bcdeutung sein.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 327
Kopf dieser Frau zeigt ahnliche Ziige wie die Cleopatra. Schwarzkreide.
Es gibt hier eine Serie verwandter Blatter, die alle Michelangelo genannt
werden, jedoch viel mehr einem Nachahmer des Meisters zuzuschreiben
sind. 34)
Michelangelo. Kopf eines schlafenden Greises. Feder.
Rahmen 6, Nr. 28.
432 (Rahmen 144 Nr. 617). Die Federzeichnung eines alten Mannes,
Kopie nach Michelangelo, wahrscheinlich von Dom. Passerotti. (Brogi 1 5 1 2.)
Der obengenannte Kopf ahnelt fast einer Totenmaske, aber trotzdem ist
er wunderbar beseelt. Ob nicht cler hi. Antonino hier dargestellt ist?
Im Durchgang zu Pitti ein Bikinis von San Antonio, das mit der Zeichnung
sehr tibereinstimmt Dasselbe gilt fiir die Totenmaske im Museo di San
Marco. (Nach Berenson dagegen gehen beide Zeichnungen auf einen
Kopf im Diluvio der Sixtina zuriick. Der betr. Kopf, sehr abweichend
ist jedoch der einer jungen Frau.)
Michelangelo. Hercules und Cacus. Verstlimmelte Tongruppe.
433 — 435 (Nr. 18665, 18666, 18524). Drei Kopien nach der
intakten Gruppe. Rotel und Feder. Diese interessanten Kopien habe
ich gefunden in einer bis jetzt unbeachtet daliegenden Mappe mit einer
Menge ktinstlerisch geringer, aber kunstgeschichtlich wichtiger Kopien,
namentlich nach Handzeichnungen Michelangelos, wie schon friiher er-
wahnt. Diese Gruppe hat Pietro Tacca als Kronung fiir eine Fontaine,
34) Diese Zeichnungen sind von Morelli ohne hinreichenden Grund Bacchiacca
Hnd neuerdings von Berenson dem als KUnstler apokryphen Andrea di Michelangelo
zugeschrieben. Sie gehen augenscheinlich auf (bis jetzt unerkannte) Vorlagen von
Michelangelo zuriick. Auf eine dieser habe ich doch neuerdings in der »Kunstchronik«c
(17. Juli 1903) aufmerksam gemacht. Das bezligliche Blatt befindet sich im Stadelschen
Institut und ist unter Nr. 219 in der Alb.-Publ. reproduziert. Es hat friiher den Namen
Michelangelos getragen, wurde aber vor nicht langer Zeit mit grofiem Unrecht auf
Bacchiacca umgetauft (bei Berenson »seems to be Andrea di Michelangelo*). Aber man
braucht nur diesen Frauenkopf auf diesem Blatt — la Fiamma ! — mit der obengenanntcn
Frauenbiiste Nr. 603, die Berenson als besonders charakteristisch fiir seinen Andrea re-
produziert hat, zu vergleichen, und der Unterschied wird in die Augen springcn. Hier
matte, schlafrige, dort kiihne, feurige, mit wahrer Fierezza hingeworfene Ziige! Dazu
befindet sich noch die authentische Handschrift Buonarrotis auf dem Blatt, so dafl der
Zweifel hier kaum mbglich ist. Die Zeichnung ist echt und hat eben als Vorbild fiir
solche Studien wie Nr. 603 gedient, eine Ansicht, die auch von Prof. Ferri geteilt wird.
Auf der Riickseite Carricaturen und 3Iasken, darunter ein prachtvoller Satyrkopf. Sind
diese Studien auch echt? Das ist eine besondere Frage. Aber jetzt, da die friiher be-
zweifelten Carricaturblatter in Oxford und im British Museum allgemein anerkannt werden,
sollte man nicht so eilig sein, diese zu verdammen.
Ich fiige noch hinzu: Bei dem sich haufig wiedcrholenden Michelangelo ist der
Umstand, dafi ahnliche Beine, Kopfe etc. sich auf andere Blatter vorfinden, kcin Ein-
wand gegen die Echtheit.
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2 28 Emil Jacobsen:
wozu eine Zeichnung (Rahmen 436 Nr. 1416S) sich in den Uffizien be-
findet, benutzt. — Wie bekannt, anderte der Meister spater seine erste
Idee und wollte statt dieser einen Samson, im Begriff einen Philister
niederzuwerfen, machen. Auch fiir diese verwandte Gruppe diirften Modelle
existiert haben. Und wenn ich mich nicht sehr tausche, kann die Gruppe
des Vincenzo de' Rossi im Hof des Palazzo Vecchio uns einen Begriff
von dieser Komposition verschaffen. Denn zweifellos geht das Werk, das
unter den tibrigen Erzeugnissen dieses Ktinstlers sehr hervorragt, auf eine
Vorlage Michelangelos zuriick.
Galerie Corsini.
Albertinelli zugcschrieben. Maria von dem schlafenden
Kinde den Schleier hebend, und der klcinc Johannes.
436 (Rahmen 567 Nr. 1774). Raffael mit einem Fragezeichen
zugcschrieben. Schwarzkreide.
Dieser Karton ist gewifi eine Kopie nach einem bis jetzt als ver-
schollen angenommenen Bild von Raffael, wovon eine Menge Kopien
sich vorfinden. Passavant nennt neun, aber es gibt noch mehrere. Ein
Exemplar, welches sich jedenfalls vor einigen Jahren bei Giovanni Brocca
in Mailand befand, wurde im Jahre 1828 als das Original von Bridi
gestochen. Dafi diese Kopien auf dasselbe Gemalde zunickgehen, zeigt
die gleiche Landschaft, die sich auf diesem befindet und die der Karton
nicht hat. — In der allerjiingsten Zeit wird behauptet, dafi das Original
gefunden ist und zwar in der Kirche San Miguel in Sevilla.
Raffaello di Carli. Thronende Madonna mit Heiligen.
Nr. 200.
437 (Rahmen 62 Nr. 318). Draperiestudie, dem Dom. Ghirlandajo
zugcschrieben. Sie hat grofie Analogie mit der Draperie der Madonna
in obengenanntem Gemalde. Ist vicllcicht als Studie benutzt, diirfte aber
jedenfalls von demselben Meister sein. Feder getuscht und weifi gehoht
auf rotgetontem Papier. 35)
Bacchiacca. Apollo und Daphne und andere mythologische
Vorgange. Nr. 241. Dem Andrea del Sarto zugeschrieben.
438 (Rahmen 164 Nr. 1355). Landschaft mit einem baum-
bewachsenen Felsen; sehr iihnlich dem in obengenanntem Gemalde
und vielleicht zu diesem benutzt. (Brogi 191 8.) Diese Landschaft gehort
in eine Serie von 35 bis 40 Rotelzcichnungen mit landschaftlichen
35) Von Bercnson gcwiB mit Unrecht »Alunno di Domcnico* alias Bartolommeo
di Giovanni zugcschrieben. In der frUher crwahnten Sitzung im kunsthistorischen In-
stitut in Florenz (19. Mai 1903) hatte ich schon auf cinige interessante Zcichnungen
von. diesem Bartolommeo aufmerksam gemacht. Ich nenne hier: Nr. 350, 351, 352»
1 1 18 in Rahmen 101 und Nr. 399 in Rahmen 103. Alle Rafaellino del Garbo zugeschrieben.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 320
Veduten, einige mit Ansichten aus der Umgegend von Florenz, die spater
erwahnt werden sollen. Diese ganze Serie wird dem Andrea del Sarto
zugeschrieben, sie ist, wie ich glaube, von Bacchiacca. 36) Ahnliche
baumbewachsene Felsenblocke in vielen Gemalden des Meisters. Haufig
bei ihm eine ahnliche Staffage in den Hintergriinden, wo die Figuren
fast zu Strichen verlangert und verdiinnt sind. Ahnlich galoppierende
Pferde. Sehr charakteristisch fur Bacchiacca sind auch die Hlite mit
groflen nach hinten wallenden Federbtischen, wie ein solcher auf der
Zeichnung Nr. 1357 Rahmen 166 vorkommt Andere sieht man auf der
Predella in den Uffizien, auf dem Corsinibild, auf der Zeichnung Rahmen 171
Nr. 225 F, ein Gliicksrad darstellend. In den Kartellen befinden sich
mehrere Blatter unter verschiedenen Namen oder als »Ignoti«, die die-
selbe Hand zeigen. Ich nenne als besonders bemerkenswert Nr. 17 821:
Zwei Kriegerkopfe mit Hut und Helm mit Federbtischen. Rotel. Nr. 6445,
Andrea del Sarto zugeschrieben, zeigt auf der Rtickseite Kornsack und
Beinstudien, vielleicht zu der Serie aus der Geschichte Josephs. Unter
Nr. 296 findet sich eine andere, dem Andrea del Sarto zugeschriebene
Zeichnung, zwei Soldaten und einen Hund darstellend. Rotel. Diese
Figuren haben den Anschein, als ob sie nach einem Stich von Lucas van
Leyden kopiert waren. Dies wiirde mit meiner Annahme stimmen, dafi
Bacchiacca der Meister sei. Es ist ja vielfach nachgewiesen, dafi er in
seinen Gemalden Lucas van Leyden fleifiig kopiert hat. Diese Erwagung
brachte auch, unabhangig von mir, Prof. Ferri dazu, in Bacchiacca den
Meister zu vermuten.
Guido Reni. Lucrezia. Nr. 232.
439 (Rahmen 479 Nr. 1577 *). Diese Studie nach dem Kopfe der
Niobe ist benutzt fur die Lucrezia. Schwarzkreide und Rotel. Vgl. Nr. 69
in meinem friiheren Aufsatz.
440 (Nr. 16 351). Gabbiani. Kopie nach der Lucrezia. Rotel.
Matteo Roselli. Der Engel mit Tobias. Nr. 213.
441 (Nr. 1057). Entwurf fiir das Bild. Rote und schwarze Kreide.
442 (Rahmen 439 Nr. 1092 F). Sigismondo Coccapani. Entwurf
zu einem Fresko im Klosterhof. Feder getuscht.
Museo di San Marco.
443 (Rahmen 11 Nr. 101). Maria mit dem Kinde. Feine
Federzeichnung. Das Kind kommt fast genau so in Angelicos Altarbild:
3*) Das Bildchen ist von mehreren Forschern auch im Cicerone dem Franciabigio
zugeschrieben. Man braucht es aber nur mit der Predella Nr. 1296 in den Uffizien zu
vergleichen, um den Irrtum zu erkennen. In einem Bild, im Besitz von Ch. Butler Esq.
(New Gallery 1893), s»ent man aucn *m Hintergrunde die Mythe von Apollo und Daphne.
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330 Emil Jacobsen:
»Thronende Madonna zwischen acht Heiligen« vor. Auch auf dem
Blatte tragt es eine Weltkugel in der linken Hand. Die Zeichnung steht
Angelico nahe. Man bemerke die schlagende Ahnlichkeit zwischen der
Maria und mehreren der der Predigt des hi. Stephanus lauschenden
Frauen in der Capella Niccolo V im Vatican. 37)
444 (Rahmen 118 Nr. 473). Fra Bartolommeo. Grofier Ma-
donnenkopf, Profil gegen links. Vorlage fur die Madonna im Fresko
tiber dem Savonarola-Monument.
445 (Nr. 6837). Schwarzkreidestudie zu demselben Bild.
Grofies Refektorium. Sogliani. Kreuzigung und Mahle
des hi. Domenicus.
446 (Nr. 17048). Studie flir die Madonna mit einer Inschrift und
dem Datum 1521.
447 (Nr. 17027). Studie ftir Johannes.
448 (Nr. 16 991 —98). Acht Studien ftir die beim Mahle beteiligten
Monche.
449 (Nr. 14454). Studie zu einem Monch rechts.
450 (Nr. 17060). Rasch hingeworfene Studie zu einem Engel, die
jedoch zu beiden Engeln gedient haben kann. Alles Schwarzkreide, weifi
gehoht und zum Skizzenbuch gehorend, mit Ausnahme von Nr. 14454.
451 (Nr. 16999). Wahrscheinlich Studie zu einem der Engel.
Schwarzkreide, weifi gehoht.
Museo di San Apollonia.
452 (Rahmen 69 Nr. 383). Filippino zugeschrieben. J tingling
mit gespreizten Beinen fest auf dem Boden stehend. Inspiriert
von Castagnos Pippo Spano. Silberstift, weifi gehoht auf rosa Papier.
453 (Rahmen 62 Nr. 283). Dom. Ghirlandajo zugeschrieben.
Jiingling mit gespreizten Beinen, so, wie im vorigen Blatt Geht
gleichfalls auf Castagnos Pippo Spano zuriick. Silberstift, weifi gehoht
auf rotlichem Papier.
454 (Rahmen 65, Nr. 387). Maniera del Ghirlandajo. Auf diesem
Blatt wieder eine ahnliche Figur. Dieselbe Technik.
455 (Nr. 18 371). Kopie nach Castagnos Farinata degli Uberti als
Brustbild. Schwarzkreide.
Cenacolo di Foligno.
Die folgenden drei Zeichnungen sind zur Zeit im Saale des Cenacolo
ausgestellt.
37) Die Verkiindigung, in zwei kleinen Medaillons (Rahmen 1 1 Nr. 99. 100), kommen
auch dem Meister sehr nahe. Sie scheinen fast die ersten Gedanken zu der Verktindigung in
Medaillons in S. Domcnico zu Cortona. Von derselben Hand Nr. 95 und 96 in Rahmen n.
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Die Handzeichmmgen der Uffizien etc. 331
456 (Rahmen 9). Raffael zugeschrieben. Petrus und Jtingling
als Christus. Vielmehr von Perugino als Studie zum Cenacolo. Silber-
stift, weifi gehoht. In zweien dieser Blatter auch Handestudien.
457 (Rahmen 6). Petrus und Andreas. Ra f f a e 1 zugeschrieben,
jedoch von Perugino. Studien zu den betr. Figuren im Cenacolo. Silber-
stift, weifi gehfcht
458 (Rahmen 8). Simon und Taddeus. Kopie nach dem Fresko
vielleicht von Sogliani. Die Zuschreibung des Abendmahls an Raffael ist
von den Forschern langst aufgegeben. Allgemein wird jetzt Perugino
als der Meister genannt. (Vergleiche P. N. Ferris Artikel in Miscellanea
d'Arte Anno I S. 121.) Und in der Tat, der Typus von Christus und
den Aposteln, die Architektur und vielleicht am deutlichsten die Land-
schaft und der da sich abspielende Vorgang weisen auf Perugino hin.
Prof. Ferri hat mich darauf aufmerksam gemacht, dafi der Engel dort
genau im Gegensinn in seinem » Christus im 01garten« in der Akademie
vorkommt. Mit einiger Einschrankung kann ich mich der Zuschreibung
an Perugino anschliefien. Das Kolorit mit seinen uberwiegend gelblichen
Tinten, einige Schwachen auch in den Gestalten deuten auf einen Ge-
hilfen, der an der Ausfiihrung keinen geringen Anteil gehabt haben mufi.
Nach dem vielen Gelb und einigen anderen Ztigen diirfte dieser Gianni-
colo Manni sein.
459 (Nr. 17066). Sogliani(?). Studie nach Christus und Johannes,
sowie nach dem hi. Bartholomaus im hi. Abendmahl. Schwarzkreide,
weifi gehoht
460 (Nr. 1763). ZweiApostel. Kopie von Sogliani (?) nach zwei
Aposteln, zu aufierst rechts im Cenacolo da Foligno. Feder. Ausgestellt
im Saale des Cenacolo.
Galerie Feroni (Cenacolo di Foligno).
461 (Nr. 6629). Kopie nach der Hauptfigur in Rossos grofier
Madonna mit dem Kinde. Schwarzkreide. 38)
Rosso Fiorentino. Madonna mit dem Kinde.
462 (Rahmen 183 Nr. 654). Vorlage flir den Kopf des Christ-
kindes. Schwarzkreide. Die Zeichnung ist meiner Ansicht nach von
Pontormo, dem sie auch jetzt zugeschrieben wird. Sie hat ursprtinglich zu
dem Christuskind in seinem Bilde gedient, welches sich friiher in San
Michele Visdomini befand und jetzt durch eine auf Papier gemalte Kopie
ersetzt ist. Das Original war, wie schon erwahnt, in der Sammlung Doetsch.
3*) Auf der Rlickseite folgende Inschrift: »Di Jacopo da Pontormo il quadro e
in mano del Cardinale Carlo de Medici nel S. Marco«.
(Fortsetzung folgt.)
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Nurnberger Meister in Velden 1477—1519.
(Marcus Schon, Ulrich Bildschnitzer, Lienhart Schurstab.)
Von Albert Giimbel, Nlirnberg.
Unweit des mittelfrankischen Stadtchens Velden, an der StraBe
gegen das vordem oberpfalzische Dorf Hartenstein zu, erhob sich im 15.
und 16. Jahrhundert eine, dem h. Bischof Gotthardus und S. S. Heinrich
und Kunigunde geweihte Wallfahrtskapelle, deren Baugeschichte nicht
ohne kunsthistorisches Interesse ist. Die im K. Kreisarchive Niirnberg be-
findlichen Baurechnungen aus den Jahren 1477 — r499 un(i wieder
15 10 — 15241) flihren namlich eine Reihe Nurnberger Meister an, welche
an der inneren Ausschmtickung des Kirchleins beteiligt waren und zeigen
so an einem weiteren Beispiel, in welcher Weise das reiche, in den
Nlirnberger Maler- und Schnitzerwerkstatten des ausgehenden 15. Jahr-
hunderts herrschende klinstlerische Leben auf die weitere Umgebung und
das Gebiet der Stadt2) fortwirkte.
Vor der Wiedergabe der hierher gehorigen Notizen moge es ge-
stattet sein, mit einigen Worten auf die Entstehungs- und Baugeschichte
des heute bis auf einige wenige Mauerreste verschwundenen St. Gott-
hardskirchleins einzugehen, woftir uns einige Aktenfascikel des K. Kreis-
archivs die notige Unterlage bieten.3)
Die erste Erwahnung findet sich, soviel ich sehe, in einem Ver-
zeichnis der Veldener Pfarrherren , 4) woselbst es heifit: »Post ilium
[sc. Hermanum Flefien de Hersbruck plebanus factus est] magister Leon-
») Saal 1, Lade 297, Nr. 4 und 5.
*) Zu diesem gehorte V'elden seit dem Landshuter Erbfolgckriegc (1504).
3) Im J. 1535 entstand zwischen Nlirnberg und der Pfalz Streit, ob die Kapelle
auf V'eldenschem (irund und Boden oder, wie die Pfalzer behaupteten, auf Hartenstein-
schem Gebiet errichtet sei. Die aus diesem AnlaB entstandene »Relation« des Niirn-
bergischen Landschreibers Nottelein vom J. 1535 (Kgl. Kreisarchiv S. 1, L. 297, Nr. 7)
und die Protokolle iiber die Aussagen der bciderseitigen Zeugen (ebenda, Nr. 8) liefern
uns wcrtvolle Aufschliisse liber die Geschichte des Kirchleins.
4) K. Kreisarchiv D: Akten Nr. 1068.
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NUmberger Meister in Velden 1477 — 1 519. 333
hardus Mayr de Vilseck anno 1452. hie co[n]sensit in erectionem et
edificationem capelle sancti Gothardi.« Nach der ubereinstimmenden
Uberlieferung war es ein Hammermeister des Velden benachbarten Neu-
sorg an der Pegnitz, namens Konrad Waltz, der zuerst (im Jahre 1460)
auf dem ostlichen Auslaufer eines kleinen, der »Kamp« genannten Hohen-
zuges ein bescheidenes, aus Holz kunstlos zusammengefugtes Kapellchen
nebst einem ftir den dienenden Bruder bestimmten Hauschen errichtete. 5)
Nachdein das Kirchlein rasch Zulauf seitens froinmer Wallfahrer
fand und die Einktinfte sich mehrten, beschlofi der Rat der Stadt Velden
gemeinsam mit K. Waltz die Kirche etwas geraumiger in Stein aufzu-
ftihren, wobei der Weihbischof von Bamberg am 12. September 1460
den ersten Stein legte. Dieser Umbau scheint 1470, aus welchem Jahre
wir von der Weihung der Kapelle mit drei Altaren horen, zum vor-
laufigen Abschlufi gekommen zu sein; doch dtirften diese Altare ihres
kiinstlerischen Schmuckes damals noch entbehrt haben, wie aus unseren
Baurechnungen zu schliefien ist. In den 90 er Jahren (c. 1489 — 1496)
sodann wurde die Kirche nochmals erweitert und 1496 durch den
Bamberger Weihbischof konsekriert6)
Schon sehr bald aber nach diesem Zeitpunkt scheint mit der Ab-
nahme der Einktinfte und spater wohl auch unter dem Einflufi der neuen
religiosen Ideen der Verfall der Wallfahrtskirche seinen Anfang ge-
nommen zu haben. Schon aus dem Jahre 15 19 wird von einer argen
Beschadigung der Kapelle berichtet, indem die Fenster zerbrochen und
Schlosser und Ttiren durch einige »frevenlich leut zerrissen« worden
seien. Daraufhin batten die Veldener, so fahrt jener Bericht fort, das
Chorgestlihl?) in ihre Pfarrkirche nach Velden gebracht und auch die
zwei Glocken hinweggefiihrt, von welchen die eine auf dem Rathaus-
tiirmchen aufgehangt wurde.8) Im J. 1538 wird das Kirchlein schon als
»zerissen« und »6dt liegend« bezeichnet. Vermutlich standen schon damals
nur mehr die Mauern des im Innern seines Schmuckes beraubten Kirchleins9)
5) Nach der Aussage eines der Zeugen soil er die Bilder »in die tafel< selbst
geschnitzt haben, nach einem anderen hat er »die Taflfeln zue S. Gothartt durch einen
Bildschnitzer zur Neusorg selbst schnitzen lassen«, ein dritter nennt ihn als Stifter der
»dafiel auff dem Choraltar*.
6) Flir die Weihung erwuchs eine Ausgabe von 10 Gulden und 22 Pfg.
7) Fiir die Fertigung desselben hatte »der Philipp* 29 lb., sein Gehiilfe Bertholt
13 lb. 20 dn. erhalten.
8) Fischer, Chronik der Stadt Velden (Hist. Ver. v. Mfr. 24. Jahresber. 1855)
erwahnt diese Rathausglbcklein mehrere Male.
9) So, seines Daches und Turmes beraubt, erscheint das Kirchlein eingezeichnet
in einen »Geometr. Abrifi des Stattleins vnd Ampts Velden etc.« v. J. 161 3 (K. Kr.
Arch. M. S. 906) und zwar unter dem Namen »Die S. Arnoldts (!) Kapell*.
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334
Albert Gtimbel:
und spatere Jahrzehnte, insbesondere die schlimmen Zeiten des 30jahrigen
Krieges, wahrend dessen die Veldener sich ihrer Feinde mit wechselndem
Gltick erwehrten, I0) vollendeten die Zerstorung des Gotteshauses, das
frommer Sinn und Nurnberger Kunst aufgerichtet und geschmuckt hatten.
Die uns hier interessierenden Eintrage der Baurechnungen seien
nun im folgenden aufgefuhrt:
1477. Item als mann dy tafel sandt Sebastiann hat verdingt dem Marx
maler im pfarrhoff") aussgeben 56 dn.
Item von sandt Sebastians pild gien Nurnberg zu furen dem altenn Wust-
velder zu Ion 60 dn. ™)
Item als man gangenn ist nach sandt Sebastianspild gien Nurnberg 60 dn.
verzertt vnd fur all sach.
Item dem pawren vom Rettenperg von sant Sebastiann zu fuhren von
Nurnberg 60 dn.
Item als Marx maler heraufl was, hat er verzert mit alien sachenn 4 lb. 6 dn.
Item dem Maler an dem pild Sebastians geben XV gulden.
Item des Marx malers sunx3) geben zu trinckgelt 3 sh dn.
Item dem Wustvelder herausgefuren von dem Sarch von Nurnberg 4 sh. dn.
Item fur clammer zu sant Sebastians tafell 8 dn.
1479. Item 5 dn. fur ein slos zu sandt Sebastian.
Item dem maler an sand Sebastians pild 2 gulden.
Item dem maler fur zerung 8 grfoschen].
Item dem Purckel, schneyder, von den zwayen klainen pildlein zu Ion von
Nurmberg zu tragen 2 grfoschen].
Item an der Kirchweih zu Osternn feria secunda pasce dem Marx maler von
den zwaien pilden s. Kungundt vnd Helena zu vergulden 9 l/t sh. dn. vnd 2 dn.
1 48 1. Item an s. Ma[r]teinstag vergangen verzert der maler von Nurnberg
36 dn., als man mit ihm redt von sant Michels pild wegen.
1482. Item man hatH) geben dem Vlrich Schnitzer fur s. Michelspild
vnd die Tafell 24 gulden vnd '/a gld. den Knechten zu leykauff. »5)
Item 40 dn. haben wir im pfarrhoff zu leykauff geben, als man den kauff
mit dem maler macht.
10) Haas, Gesch. d. Stadt Velden (Hist. Ver. v. Mfr. 19. Jahresber. 1850).
XI) Namlich zu Velden.
") Man kbnnte bei dieser und den folgenden Angaben an cine bloOe Reparatur
oder Neubemalung denken, doch verbietet das die hohe, dem Maler bezahlte Summe
von insgesamt 17 fl., die kaum fiir blofle Restaurierung der Altarbilder bezahlt wurde.
Wir haben uns die Sache vielmehr wohl so vorzustellen, dafl der an Ort und Stelle
gefertigte Altarschrein, dann Predella und Aufsatz, sarch und gespreng nach mittel-
alterlicher Bezeichnung, nebst den leeren Holzflligeln zur Bemalung und Ausstattung
mit den Schnitzereien nach Nurnberg verbracht wurde. Einc blofle Restaurierung hatte
sich auch nicht auf zwei Jahre erstreckt. Die Dimensionen der drei Altare diirften wohl
nur bescheiden gewesen sein.
*3) Er hiefl gleichfalls Marx; siehe unten.
x4) Im Orig. haben.
*5) Die bei Abschlufl eines Kaufvertrages tibliche Drangabe des Kaufers, die ge-
wohnlich von letzterem und dem Verkaufer gemeinsam vertrunken wurde.
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Nilrnberger Meister in Velden 1477 — 151 9. 335
Item 1 6 gr[oschen] von dem pild heraufl zu furen.
Item VI. Schuster hat verzert nach dem pild gien Nurnberg vnd der
maler mit heraufl 3 lb. 24 dn. vnd far stro und nogell.
Item als der maler das jar zu dreien malen heraufl ist gewest, hat er
verzert 5 lb. 21 dn.
Item 40 dn. verzert am gulden freytag, als man zu s. Gothart sant Michels-
pild auffmacht.
1483. Item 10 dn. auflgeben dem malerknecht, als er dy engel pracht.
Item wir haben geben fur zwenn engel dem Vlrich pildschnitzer 4 '/» gld.
vnd 30 dn.
Item als mann die Engel kaufft zu leykauff geben 9 dn. fur ein mafl weins.
Item als der maler hie was, vnd da man die engel aufhenckt verzert
2 grfoschen].
Item 9 dn. fur schnlir zu den Engeln.
1484. Item dem Taler von den Engeln zu leymen und aufzuhencken ge-
geben 14 dn.
Item dem Vlr. Schuster von des Vlrich malers wegen zu Nurnberg
geben an s. Dionisentag 20 sh. dn.
Item dem Fritz Schuster von des Vlrich malers wegen zu Nurnberg geben
an s. Dionisientag 10 sh. dn. minus 7 »/« dn. fur smaltz.
1485. Item Jacob Kunzel von den zwayen pilden von Nurnbergk zu
furen 2 sh. dn.
Item dem maler am karfrytag von der pild wegen 10 gulden.
Item dem Kuntzman von des malers wegen zu Nurenbergk 5 sh.
minus 12 dn.
Item mer dem Vlrich maler von der pild wegen am letz feirtag II gulden.
1488. 5 dn. dem Schulmaister von ein Engel zu leymen vnd zu machen.
1490. */a gulden dem Cuntzmann; ist man im altens schuldig geblieben
von des malers wegen.
x393» Iten* 5 dn. fur Rebschnur zwm Engeln.
1498. Item 6 lb. fur 6 steb dem maler gen Nurenberg; ist man im fertt
schuldig pliben.
1 5 18. 8 lb. 10 dn. ist verzertt wordenn, do man dem Schiirstab die
Tafel verdingt hat vnnd fiir zerung defl Schtirstabs.
5 lb. 10 dn. dem Petter Apel von der tafel gen Nurmberg zu furen.
25 dn. verzertt, da man die Tafel auffgeladen hat. l6)
21 gulden dem Schurstab vnnd Ist seins tayls an der Taffel also gar bezallt.
60 dn. dem Puttner, das er mit den pawren Ist gen Nuremberg gangen,
do man die Taffel Sannt Gotthartz bracht
4 lb. 20 dn. dem Rotten, pawren, zu fuer von der Taffel von Nuremberg.
5 lb. 7 dn. haben die malerknecht zwm Richter verzert, do sy die Taffel
gesetzt habenn.
3 lb. den malerknechten zu Trinckgellt.
3 lb. Heintzen Pecken fur zerung vnnd ander auflgab, do er zu Nuremberg
der Taffel halben gewest ist
1 5 19. 7 guldein dem pfleger zum Hohenstein «7) fur den Schiirstab vnd
ist der tafeln halben im chor Also gar bezahlt.
,6) Vgl. die Anm. oben z. J. 1477.
*7) Hanns von Kreuflen. Er war der Schwiegersohn des Malers. Siehe unt. Anm. 44.
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336 Albert Gtimbel:
Versuchen wir nun zunachst diese Angaben der Baurechnungen
sachlich zu ordnen und sodann iiber die Personlichkeiten der angefuhrten
Meister Klarheit zu gewinnen!
Es scheint, dafi wir drei Gruppen von Kunstwerken unterscheiden
dtirfen: i. Darstellungen aus der Legende des h. Sebastian mit dem
Holzbilde des Heiligen und der h. Kunigunde und Helena im Altar-
schrein, gefertigt 1477 — 1479 von dem Maler Marcus oder Marx.
2. »S. Michelspild« und »taffel«, ersteres flankiert von zwei schwebenden
Engeln und zwei weiteren »pilden«, von der Hand des Malers und Bild-
schnitzers Ulrich 1481 — 1485 geschaflfen. 3. Altargemalde mit Dar-
stellungen aus dem Leben des Schutzpatrons der Kapelle, des h. Bischofs
Gotthardus, gemalt 15 18 und 15 19 von Schtirstab.
Letztere Gemalde befanden sich im Chor des Kirchleins, wahrend
wir uns die iibrigen Flugelbilder und Skulpturen auf den Altaren der
beiden Seitenschiflfe aufgestellt denken diirfen.
Fassen wir sodann die Namen der beteiligten Meister ins Auge
und tiberblicken die umfangreiche Liste der uns anderweitig bekannten
Nurnberger Maler und Bildschnitzer des ausgehenden 15. und beginnen-
den 16. Jahrhunderts, so scheint es an Beziehungen nicht zu fehlen.
Jener »Marx moler«, der in den Jahren 1477 — 1479 fur das Kirch-
lein St. Sebastianstafel und -bildnifi schuf, durfte einer Malerfamilie Schon
angehort haben, die wir in Niirnberg wahrend eines Jahrhunderts durch
drei, vielleicht auch vier Glieder vertreten finden. Im J. 1453 erwarb
ein Maler Marx Schon das Biirgerrecht in Niirnberg1 7 a) und wird von
Murrl8) in seinen Ausziigen aus den Nurnberger Steuerlisten als Marx
Schon 1459, 1460, 1462, 1463, 1466 und 1467 (die letzten drei Male
ausdrticklich als »maler«) auf der Sebalder Stadtseite genannt 1470 flihrt
Murr sodann eine »Ann Marx Sch6nin« auf. Es ist dies die gewohnliche
Form, in welcher Witwen genannt werden ; es ware demnach anzunehmen,
»7a) BUrgcrbuch v. J. 1453 (R. Kreisarchiv Ntirnberg M. S. 234) »Marx Schon
Maler dedit 2 »/« Gulden*.
,8) Journal zur Kunstgcschichte 15. Teil (1787), pag. 33 ff. Murr sagt hierbei
selbst : »lch war auf diesen Namen (namlich Schon) sehr aufmerksam. Aber kein
Martin Schon fand sich niemals.« Er hoffte namlich einen Zusammenhang zwischen
dieser Ntirnberger Malerfamilie und Martin Schongauer, auch Schon, Schon, HUpseh
Martin (Dlirer »der Hipsch Martin«), Hipsch Martin Schongauer wegen seiner Kunst-
fertigkeit (?) genannt, herstellen zu kcinnen. Doch wissen wir, dafi M. Schongauer
c. 1450 in Col mar geboren war. Ohne den Murrschen Versuch erneuern zu wollen, sei
bier konstatiert, dafi ein »Gerhart Hiibsch, snizzer« im Jahre 1439 Blirger zu Niirn-
berg wurdc und eine »Gerhard Htibschin, mahlerin* (wohl dessen Ehefrau)
zwischen Reminiscere und Pfingsten 1480 daselbst starb (K. Kr. Arch. M. S. 286*).
Einen Maler Ulrich Hiibsch nennt Hampe (Ratsverlasse I, No. 267) im Jahre 14S2.
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Niirnberger Meister in Velden 1477 — 15 19. 337
dafi jener Marx Schon zwischen 1467 und 1470 verstorben ist,l8a) wie
er denn auch von Murr in den folgenden Jahren nicht weiter aufgeftihrt
wird.x9) Dafi aber auch nach 1470 ein Maler Marx Schon in Ntirnberg
noch gewirkt hat, beweist zunachst ein Eintrag in einem Bande der
heute im Stadtarchiv befindlichen Protokolle des Niirnberger Stadtgerichts
vom 23. August 1484, laut welchem »Marx Schon Maler« den Testaments-
vollstreckern der Kunigunde, Konrad Schons Witwe, den Empfang, der
ihm, seinem Sohne Marx, seiner Tochter Apollonia u. A. von letzterer
ausgesetzten Legate bestatigtI9a) Sodann besitzen wir sogar Nachricht
von der kiinstlerischen Tatigkeit, freilich sehr bescheidener Art, eines
oder wohl richtiger des ebengenannten Marx Schon. Ein solcher
zeichnete namlich im Jahre 147 1 fur den Niirnberger Rat die Initialen
in der Reinschrift des Einnahme- und Ausgaberegisters genannten
18a) Die Ntirnberger Gelautblicher haben freilich keinen derartigen Eintrag.
*9) Ein Zeugnis ftir dessen ktinstlerische Tatigkeit besitzen wii vielleicht in einem
Rechnungseintrag des Klosters Heilsbronn, wo neben dem alteren Pleydenwurff auch ein
Meister Marcus als Glasmaler genannt wird. Nach Stillfried, Kl. Heilsbronn, pag. 81,
Anm. 1 lautet dieser Eintrag: 1466 pro 6 rotis depictis de vitro magistro Marco
7 fl., dem Pleidenwurff pro duabus rotis 3 fl. Nebenbei bemerkt beweist auch diese
urkundliche Notiz iiber Hanns Pleydenwurff, dafi die Bedeutung des Letzteren vielleicht
doch mehr, als bisher geschehen, auf dem Gebiet der Glasmalerei zu suchen ist. Vgl,
meine Notiz liber den Tod des »Glasers« Hanns Pleydenwurff in Bd. 26 des Repert.
f. K.-W., Meister Berthold von N., ein Glied der Familie Landauer, Anm. 21, wo Ubrigens
Pfincztag statt Pfincgsag zu lesen ist
*9a) Conserv. Bd, 1, 1484, pag. 49: Marx Schon Maler confitetur, das im Fritz
NUtzel, taschner, und Niclas von Brefllaw, pildschnitzer, als vormund Kun-
gunden, Conraten Schonen selig verlafine wittibe, 20 fl., Marx, sein sun, 6 guldin,
Appolonia Rtittin, sein tochter, auch 6 guldin und Cristina Haydelmannyn zu Boxdorff
6 guldin, in laut der vermelten Schonyn gescheft, so si ine alien darinn vermaint und
geschickt hat, gtitlichen und par ausgericht und bezalt haben, darumb sie si und umb
aile der vermelten Schonyn verlassen habe fur sich und ir erben gar und gentzlich quitt,
ledig und los sagen, kain klag noch vordrung etc. ui in forma meliori. testes: herr
Niclas Groland und herr Hanns Imhof. Secunda vigilia Bartholomei [m]84. Voraus-
geht (pag. 48 b) eine ahnliche Urkunde Lienhart Herdegens, Pfarrers zu Grafensteinberg
(bei Gunzenhausen), vom 20. August des gleichen Jahres, in welcher er densdben
Testamentsvollstreckern den Empfang einiger Legate aus der Hinterlassenschaft der
Kunigunde Schbnin, seiner Schwester, bestatigt. Cber die Person der letzteren s. o.
im Texte.
Auf beide Urkunden hat schon Wernicke (Mitt, des Ver. f. Gesch. der Stadt
Ntirnberg, Bd. X, pag. 63) aufmerksam gemacht, doch sind die Daten zu berichtigen.
Der oben erwahnte »Niclas von BreBlaw, pildschnitzer* ist identisch mit dem 1455 in
Ntirnberg zu Btirger aufgenommenen Nicolaus von Brefllau (Btirgerbuch vom J. 1455:
Niclas von Prefila, bildsnitzer dedit II gulden). Ob er, wie Wernicke meint, derselbe
ist wie der von Lochner, Johann Neudorfers Nachrichten etc. pag. 171 genannte Maler
Nikolaus Schnitzer mufi zweifelhaft erscheinen.
Repcrtorium fiir Kunstwissenstchaft, XXVII. 23
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33*
Albert GUrabel:
Jahres.20) Auch Murr ftihrt im J. 1480 (freilich nur in diesem) einen »Marx
moler« auf der Sebalder Seite an und dieser jtingere Marcus Schon ist
wohl der am Sebastiansaltar des St. Gotthardskirchleins beschaftigte Meister.
Leider besitzen wir, abgesehen von den obigen, keine weiteren Zeugnisse
liber seine Tatigkeit oder gar Proben derselben; dafi er aber wohl keines-
wegs zu den letzten Vertretern ktinstlerischen Schaffens in Ntirnberg ge-
horte, beweist der Umstand, dafi auch Veit Stofi fur ihn tatig war. Uber-
liefert ist uns diese Tatsache in einem Protokoll des Stadtgerichts vom
23. Marz 1515, welches uberdies den Nachweis liefert, dafi unser Meister
von Velden der Vater des als Diirerschuler bezeichneten Formschneiders
Erhard Schon war, der bis 1542 tatig, als Mitarbeiter an einer Reihe
hervorragender, illustrierter Druckwerke erscheint21) Gestorben ist Marx
Schon d. J. nach dem Totengelautbuch von St. Sebald zwischen
Lucie (13. Dezember) 15 10 und Fasten 15 n.22) Verwandt mit ihm —
vielleicht ein Bruder oder Vatersbruder — war jener, in dem erwahnten
Stadtgerichtsprotokoll vom 23. August 1484 als verstorben genannte
*°) Jahresregister im K. Kr. Arch. Ntirnberg, No. 17, 2. Frage: »Item 7 sh.
[sc. dedimus] Marx Schon maler von diesem Register zu malen. Act. ut supra (= sexta
post Cantate. 17. Mai 147 1). Auf diese Tatsache weist schon Baader, Beitrage II,
pag. 4 ohne Quellenangabe hin; seine weitere Angabe liber eine gleiche Tatigkeit
Schbns im J. 1479 fand ich nirgends bestatigt.
«) Stadtarchiv Ntirnberg. Cons. 19, fol. 96b: Erhart Schon, Maler, bekennt
Veyten StoBen achtzehend halben [= I7x/a] gulden verrechents gelts fur arbait, so Marx
Schon, sein vater, empfangen, zu bezalen, zwuschen hie und Johanns Baptista als er-
clagt, ervolgt [= vor Gericht erstritten] und unverneut. Act. ut supra [= Sexta post
Letare den 23. marcii 15 15]. Dazu gehbrt der Eintrag in Cons. 20, fol. I a. In sachen
Veit Stofi contra Erhart Schon ist auf die bekanntnufl, in conservatorio No. 6 (= 19
ncuer Nr.) am 96. plat eingeschriben, umb den hinderstelligen rest 14V* fl. dem richter
bevelch geben dem cleger mit execution zu verhelfen. actum ut supra (= secunda post
Martini, den 12. novembris 15 15). Zur Biographie Erhard Schbns (vgl. Liltzow, Ge-
schichte des deutschen Kupferstiches, pag. 201 u. 202) mbge hier nachgetragen sein,
dafi er zu Ntirnberg zwischen 14. September und 13. Dezember 1542 verstarb (Totengelaut-
buch von St. Sebald im Germ. Museum 1517 — 1572, fol. 73b: Erhard Schonn Moler
am Weinmarckt). Nach dem Tode seiner ersten Ehefrau Helena, gest. 1540, zwischen
14. Sept. und 13. Dezbr. (Germ. Mus. a. a. O. fol. 65: Helena Erhart Schonin maler in
am weinmarckt) verheiratete er sich am 20. Juli 1541 mit einer Barbara Scheblenn
(Ehebuch von St. Sebald 1524 — 1545 im Pfarrarchiv daselbst: Erhart Schon, Maler,
Barbara Scheblerin 20. julii).
") K. Kr. Arch. Niirnbg. M. S. io86a »Marx Schon maler«. Seine Ehefrau ist
vielleicht die 1484 verstorbene Anna Schon. (Totengelautbuch von St. Lorenz, ebenda:
»Item [man liiutete] Anna der Sclion mallerin pey frawen prwdernn«. Doch kbnnte
auch die oben erwahnte Witwe des iilteren Marx Schon, wenn wir wirklich beide trennen
wollen, gemeint sein. Ebenso mufi es zweifelhaft bleiben, auf wen sich der Eintrag in
dem Niirnberger Jahresregister No. 16 vom Jahre 1470 bezieht, woselbst wir unter den
Einnahmen von >Bufi vnd Vntzucht [= grobem Unfug]« finden: » I tern 15 sh. vom Marx
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Niimberger Meister in Velden 1477 — 1 519. 330
Konrad Schon,23) auch er Maler, wie ein Vortrag in einem Niimberger
Ewiggeldbuch erweist, in welchem er 1467 neben seiner Ehefrau Kuni-
gunde als »Conrat Schon Maler « erscheint 24) Murr fiihrt ihn 1455, r459>
1460, 1466 und 1478 auf, das letzte Mai ausdriicklich als »Conr. Schon-
maler«. Die Witwe (»Kun Schoninalerin«) nennt Murr 1481 und 1482;
1484 ist sie, wie oben ervvahnt, gestorben.
Vermogen wir bei jenem »Marx maler « der Baurechnungen mit ziem-
licher Gewifiheit an einen bestinimten, uns anderweitig bekannten Meister-
namen anzuknupfen, so ist dies nicht in gleichem Mafie bei jenem (wohl
sicherlich auf ein und dieselbe Person lichkeit gehenden) » VI rich
Schnitzer«, » Vlrich pildschnitzer« und »Vlrich maier« der Fall, der
die Flugelbilder und Schnitzwerke des St. Michael al tares schuf. Wir
konnen an einen Vlrich pildsnitzer denken, welcher im Jahre 146 1 das
Burgerrecht in Ntimberg erwarb25) oder an den Ulrich Huber Bildsnytzer,
der sieben Jahre spater Burger in Nurnberg wurde,*6) schliefllich, doch
am wenigsten wahrscheinlich, kame ein Vlrich Mullner Moler in Betracht,
welcher im Jahre 1457 gleichzeitig mit den Malern Pleydenwurff und
Hanns Heller gegen Zahlung von 2 fl. das Burgerrecht erhielt.27) Auch
einige andere uns vorliegende archivalische Notizen liber einen Vlrich
pildschnitzer aus den Jahren 147s,28) 1483 und 1485 29) und einen »Vlrich
briefmalerin.« Bezeichnenderweise liefern tiberhaupt die Einnahmcposten aus den eben
genannten Delikten manche Ausbeute fiir den Niimberger Kunstchronisten. So verfiel
z. B. der Sohn des alteren Pleydenwurff und Stiefsohn Wolgemuts im J. 1482 einer
Strafe von 10 Schilling, weil er bei einer Streiterei vom Leder gezogen hatte (Jahres-
register No. 19, 1482. Item 10 sh. vom Wilhelm Pleidenwurf werzuckens[halb]).
a3) Gestorben am 5. Januar 1479. Grofitotengelautbuch von St. Lorenz im
K. Kreisarchiv: Am oberstag (== 6. Januar 1479) lewtt man dem Contz Schun, mailer.
In dem von St. Sebald wird er als »Conr. Schen maler« unter den Lucie 1478 bis
Reminiscere 1479 Verstorbenen aufgeflihrt.
»4) K. Kr. Arch. Nlirnberg, Ewiggeldbuch No. 32, Eintrag No. 689: Conrat Schon
maler und Kungund uxor haben kauft 4 gulden ewiggelts landsjwerung] umb 96 guldein
derselben werung, je ein gulden umb 24 guldein, antreten VValpurgis proxime. Dare
ut in fonna conjuncta manu etc. Actum feria quinta post Bartholomei apostoli (27. August)
anno etc. 67 mo. habet literam.
*5) BUrgerbuch v. J. 1461, k. Kr. Arch. Numb. M. S. 234: »Vlrich pildsnitzer
dedit 2 guldein. «
>6) Blirgerb. v. 1468, ebenda M. S. 235 : »Vlrich Huber Bildsnytzer 2 fl.«
a7) BUrgerb. v. 1457, ebenda M. S. 234 : »Vlrich Mtillner Moler dedit 2 gulden.«
a8) Hampe, Niimberger Ratsverlasse Uber Kunst und Kiinstler, Bd. I, No. 152 vom
9. Mai 1478: Item Ulrichen pildsnitzer ist vergonnt einen der stat turn zu einem
muster, wasser in die Hohe zu pringen, zu gebrauchen. Vgl. auch Anmerkung 18 am
Schlufl.
a9) K. Kr. Arch. NUmberg: »Paw der thiim zu s. Sebolt de anno 148 1 — 14904c,
Einnemen von allerley zeug 1483: Item sambstag nach unser lieben frauen tag assum-
*3*
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340
Albert Glimbel:
Pildschnitzer, maler« aus dem Jahre 14833°) geben uns keine weiteren An-
haltspunkte ftir die Identifizierung unseres Veldener Meisters.
Was endlich den dritten uns in den Baurechnungen von 15 18 und
1 5 19 entgegentretenden Meisternamen betriflft, so diirfte der hier ge-
nannte Schiirstab identisch sein mit jenem Maler Lienhart Schiirstab, der
uns bald mit diesem vollen Namen, bald als »der Schiirstab « in Niirn-
berg wahrend der Jahre 1489 — 15 19 begegnet. Zuerst wird sein Name,
so viel ich sehe, im Jahre 1489 anlafllich des Kaufes eines Hauses er-
wahnt. Am 26. Oktober letzteren Jahres kaufte » Lienhart Schurstabe,
der Maler, Burger ze Nuremberg«, von Lienhart von Plaben das Erb-
recht an einem Haus neben Jorg Diether's, Goldschmieds, Hause unter
der Veste am Eck3J) urn 100 fl. Rh. Landswahr. Am 10. November
wurde der Kauf vor dem Stadtgericht verlautbart und versprach der
Meister gleichzeitig die voile Kaufsumme bis zum nachsten Walpurgistag
zu entrichten. Diese Urkunde ist uns abschriftlich in den heute gleichfalls
im Niirnberger Stadtarchiv verwahrten stadtischen »Erbebiichern<v iiber den
Verkauf von Erbe und Eigen uberliefert 32) und diese »libri literarum« neben
cionis genant, den 16. augusti, von Vlrichen pildschnitzer ftir 3 stein 6 lbr. alt,
[tut] novi lbr. I sh. 10 hlr. — . Ebenda 1485: Item freitag nach Mathie den 25. februarii
im 85. jar von Vlrichen pildschnitzer fur ein stuck steins 6 lbr. alt, tut novi lbr.
1 sh. 10 hlr. — .
3°) Ebenda: Ausgaben 1483, Maler: Item pfintztag nach Laurenti, den I4.augusti, rait
meister Vlrichen Pildsnitzer, maler, von dem ersten fanen auf den turn gen der
wag zu malen 8 lbr. 12 dn„ mer von ainem clainen fanen, so auf den gemelten turn
gehbrt solt haben und doch zu klain gewesen ist, zu malen 6 lb. und von der stangen
mit rot anzustreichen, doch von der kirchen bl, 2 lb. 7 dn., facit 16 lb. alt, 19 dn.,
novi lbr. 4 sh. 3 hlr. 2.
Item sambstag nach unser lieben frauen tag concepcionis genant, den 14. decem-
bris, zalt von dem andern fanen auf den Turn gen s. Mauritzen zu malen 12 lb. 18 dn.,
mer von der stangen mit rot anzustreichen und mit der kirchen bl zu trenken 2 lb.,
mer von dem vensterwerk bei der schlachgloken mit schwarz auszustrcichen 10 lb., mer
den gesellen zu drinkgelt 1 lb. alt 18 dn., novi lb. 6 sh. 8 hlr. o.
Auf die Tatsache hat schon Baader, Beitrage 1, 57 ohne Quellenangabe aufmcrk-
sam gemacht.
[Inzwischen fand Verfasser rechnerischc Aufzeichnungcn iiber cinen von Wol-
gemut fUr das Stift Feuchtwangen (Mittelfranken) gemalten Marienaltar, in welchen
gleichfalls ein »Vlr[ich] mbler« und »Maister Vlr[ich]« neben Wolgemut im Jahre
1485 genannt wird. Er hofft in Balde an dieser Stelle die betreffenden Notizen ver-
bffentlichen zu kbnnen.]
3X) Also in unmittelbarer Nahe Wolgemuts und Diirers Vater.
3*) Niirnberger Stadtarchiv: Litterarum O, pag. 69b: [ . . Schultheifl und die
Schbffen der Stadt Niirnberg bekennen] das fur uns kam in gericht Lienhart Schurstab,
der maler, burger zu Nuremberg, und bracht mit unsers gerichts buch, das die erbern
Jbrg FUterer und Anthoni Kr&fl vor gericht auf ir aide gesagt hetten, das si des geladen
zeugen weren, das Lienhart von Blaben, auch burger zu Nuremberg, am montag nach
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Nlimberger Meister in Veld en 1477 — 15 19. 341
den schon erwahnten stadtgerichtlichen Protokollbanden (libri conservat.)
geben uns erwtinschte Aufklarung liber die Familienverhaltnisse des
Malers.33) Ganz besonders lehrreich ist in dieser Beziehung der Eintrag vom
2Q. April 1500 (Lochner III, pag. 20), nach welchem sich Lienhart Schiirstab
der Maler mit dem Kartenmaler Sebald Wirbs, Btirger zu NUrnberg, iiber
die Hinterlassenschaft des Kartenmalers Hans Schiirstab, dessen Witwe Seb.
Wirbs geheiratet hatte, gemafi einer fruheren Vereinbarung vom 20. De-
zember 1494 nunmehr nach dem Tode der Agnes 34) endgiiltig vertragt.
Wir erfahren dabei, dafi jener Hans Schiirstab 35) der Bruder des Lien-
s. Crispini und Crispians tag (= 26. October) nachstvergangen vor ine fur sich und all
sein erben verjehen und bekannt, das er recht und redlich verkauft und zu kaufen ge-
geben hett sein erbschaft an dem haus neben Jorgen Diethers, goldschmids, haus unter
der vesten am ek gelegen, ime demselben Lienharten Schiirstab und alien seinen erben
zu haben und zu nieflen furbafl ewigklich und glopt in des zu weren fur erbe als erbs
und diser stat recht were und auch nemlich also, das er furo mit seins ainshnnden da-
mit thun und lassen mocht, wie und was er wolt, ungehindert von miinnigklich, wann
er ime au«h nemlich summa 100 guldin reinisch landswerung ze dank bar dafur aus-
gericht und bezalt, darumb er ine und sein erben fiir sich und sein erben gar und
genzlich quitt, ledig und lose gesagt hette und das alles were auch geschehen mit
willen und wort frauen Margrethen Mathis Ebners selicher wirtin, der die aigenschaft
daran were, doch mit der beschaidenhait, das Lienhart Schurstabe und seine Erben ir
und iren erben aigengelt jiirlich daraus zinsen und geben sol ten vier gulden der stat-
werung zu Nuremberg halb auf s. Walpurgen tag und halb auf s. Michelstag, als aigengelts
und diser statt recht were, auch furbafl ewigklichen, als das Anthoni Ebner, ir sone, vor
den obgenanten Zeugen in gericht von irenwegen auch angesagt und bekannt hett.
dentur litere. testes Vlman Stromer und herr Jacob Groland. 6a post Mart. 89"°-
Der vorgenant Lienhart Schurstab confitetur: wiewol der kaufbriefe hievor ganze
bezalung der kaufsumma inhalt, so sei er doch dem obgemelten Lienharten von Blab en
und seinen erben noch 30 guldin reinisch daran hinterstellig schuldig zu bezalen auf
s. Walpurgen tage nachstkilnftig, darumb auch das vermelt haus bis zu bezalung der-
selben pfand sein und beleiben solt, das die vorgemelt Ebnerin als aigenfrau auch also
verwilliget hat, doch ir an irer aigenschait, zinsen und rechten, daran habende, ganz
unschedlich. testes et act. ut supra.
33) Die alteren Bande beider Serien entbehren der Register. Einen sehr will-
kommenen Ersatz bieten die von dem ehemaligen Stadtarchivar Lochner angelegten,
Uberaus fleifligen Inhaltsangaben von in kunst- und kulturgeschichtlicher Hinsicht wich-
tigen Urkunden dieser Bestiinde. Wo im folgenden Lochner zitiert wird, sind diese
Excerpte gcmeint.
3t) Sie ist gemcint in dem Totenbuch von St. Lorenz mit dem Eintrag zum
Jahre 1498 (zwischen 26. Juni und 7. Juli) : »Item Karttenmoelerin, die den Schurstab
gehabpt heytt.« Der entsprechende Eintrag im Totenbuch von St. Sebald lautet: » Agnes
Sebald Wirbsin. Gestorben ist »Sebolt VVirbscz, kartenmoler« an \Valburgis« 1 5 13.
35) Gestorben vor 1494. ^c^ balte ihn auch fiir jenen »Schiirstab, kartenmaler« ,
dem am 14. Mai 1490 verboten wird, alte Papierhadern, welche er nicht in NUrnberg
verarbeitet, zu kaufen oder zu verschicken. Hampe, Ratsverlitese, Bd. I, No. 410. 1491
(quinta post Margrethe, 14. Juli) wird er im Vercin mit dem Kartenmaler Jacob Ber-
chinger als »Hanns Schiirstab, Kartenmacher« genannt (Lochner I, pag. 3).
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342
Albert Gttmbel:
hart war und lernen die Mutter der beiden Bruder, Agnes, und die Ehe-
frau des Lienhart, namens Ella, kennen.36) Letztere, die ihm mehrere
Kinder geboren hatte, mufi nicht lange darnach gestorben sein, da wir
im Jahre 1504 eine Agnes Schlirstabin als Ehefrau des Meisters treffen,37)
die nun in den folgenden Jahren bald allein, insbesondere bei Erbaus-
einandersetzungen mit ihrer OrTnerschen Verwandtschaft, bald an der
Seite des Malers genannt wird. Gestorben mufi letzterer vor dem 14. Sep-
tember 15 19 sein, da sich unter diesem Datum die Kinder erster Ehe
mit ihrer Stiefmutter Agnes »vmb vatterlich vnd mutterlich anerstorben
erbgut« vertragen. 38) Nicht genannt wird in dieser Abmachung ein al-
terer Sohn, gleich falls Leonhart geheifien, welchem der Vater »der alt
Schlirstab« schon 15 16 (27. Juni) 21 fl. 1 ort seines miitterlichen und
»vierschwesterlichen« anerstorbenen Erbteils ausbezahlt hatte, wortiber der
Sohn mit Genehmigung seines Vormunds Jorg Selnecker quittiert.39) Er
wird auch (nach dem Tode des Vaters) in einer Urkunde vom 4. De-
zember 15214°) genannt, in welcher Linhart Seybot, Burger zu Niirnberg,
und Barbara, dessen Ehefrau, bekennen, dafi sie »verschiner tag« das
Erbrecht an einem Haus »vnntter der vefiten an einem.eck neben Jorigen
Diethers behawsung gelegen, darinnen etwa ,Lienhart Schurstab Maler
der alt* gesefien were«, Lienhart Schurstab dem Jtingeren fiir 30 fl.
verkauften; nun habe aber Konrad Volckamer den Kauf, der ihm als
Eigenherrn des Hauses nach dem Ntirnberger Stadtrecht zuvor angeboten
worden war, selbst angenommen. Act. in judicio quarta post Andree
4. Decembr. 1521. Naher sind wir iiber den Verlauf der Sache nicht
unterrichtet, jedenfalls mufi aber der junge Lienhart Schurstab wieder in
den Besitz des Erbrechtes am vaterlichen Hause gekommen sein, da
Lochner aus Lit. 40, fol. 1256 eine Urkunde vom 21. Juni 1527 zitiert,
in welcher »Jbrg Dietherrs Behausung unter der Veste zwischen Kun-
gund Ricterin und Linhard -Schiirstabs Hausern gelegen « erwahnt wird.
36) Lochner bemerkt dabei : »Nachdem die Mutter der beiden Bruder, Agnes,
genannt wird und die Vermittlung durch Ulmann Stromer und Friedrich Camermeister
geschah, laflt sich die Tradition von der Siiugamme und von der unehclichen Geburt
der beiden Bruder nicht wohl mehr halten.« Ich konnte nicht finden, worauf hier
Lochner anspielt. Yielleieht liegt eine Erinnerung an das ratsfahige Geschlecht der
Schtirstab vor, mit welchem die Familie des Meisters, soviel ich sehe, keinen Zusaramen-
hang hat.
37) Tochter des Backers Peter Offner und in erster Ehe mit dem »Singer« Hanns
Praun dem Jtingeren vcrmiihlt.
38) Konserv. Bd. 26, fol. 58 b. Nach Lochner Sel. I, pag. 51 erhielt die Witwe
Agnes am 7. November 15 19 das bekannte Bratwurstglocklein in Niirnberg um 8 fl.
in Pacht. #
39) Ebenda Bd. 22, fol. 89.
4°) Literar. Bd. 33, pag. 194.
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Nlirnberger Meister in Velden 1477 — 1519. 343
Auch der kiinstlerische Erbe des Vaters scheint der jtingere Schtir-
stab gewesen zu sein, da in einem am 2. Oktober 152 1 vor dem Stadt-
gericht zum Austrag gebrachten Klaghandel »Lienhart Schurstab maler«
aufgeflihrt wird, wobei sich der Streit um eine »tafel« handelt, die der
letztere dem Klager um 53 fl. »gefafit« hatte.4*) Auch Lehrlinge Lienh.
Schtirstabs d. J. werden 152 1 und 1524 genannt FUr unser St Gott-
hardsbild kann er wohl kaum in Betracht kommen, da er ja 15 16, wie
wir oben sahen, erst zu seinen Jahren gekommen war und zudem der
pragnante Ausdruck unserer Baurechnungen »der Schurstab « ohne wei-
teren Zusatz eher fiir den alteren, langst bekannten Meister geeignet er-
scheint, wie er auch ftir dies en in den wenigen, jetzt zu betrach-
tenden anderweitigen Zeugnissen tiber das Schaffen unseres alteren Lienhart
Schiirstab gebraucht wird.
Wenn soeben der Ausdruck » Schaffen « gebraucht wurde, so scheint
derselbe freilich angesichts unserer Quellenangaben zu hoch gegriffen ;
wir mtissen uns aber erinnern, wie sehr und wie lange noch, selbst
wahrend und nach der Glanzzeit der Nlirnberger Kunst handwerkliche
und kiinstlerische Tatigkeit ineinander iibergingen, oder, mit Mummenhoff
zu sprechen, »wie in dem edelsten aller Handwerke die eigentlich kiinst-
lerische Arbeit von der mehr handwerksmafligen keineswegs stets getrennt
war, sondern oft genug mit ihr Hand in Hand ging«.4*) So kann es uns
nicht uberraschen, wenn wir unseren Meister » Schurstab den mailer* im
Jahre 1509 bei dem Neubau des St. Michaelschorleins der Frauenkirche
zu Nurnberg in rein handwerklicher Weise beschaftigt flnden 43) oder wenn
der alte Christoph Scheurl seinem Sohne den brief lichen Auftrag erteilt,
durch »Gevatter« Schurstab eine eiserne Truhe inwendig gut rot an-
streichen zu lassen.44) Etwas mehr unseren Begriffen von ktinstlerischer
4») Conscrv. 29, fol. 17 b. »Fassen« erklart Schmeller, Bayer. Worterbuch mit
»bemalen, anstreichen«. Eincn Altar fassen = ihn bemalen.
41) Handwerk und freie Kunst in Ntirnberg. Bayr. Gewerbezeitung 1891, No. 24.
43) Baader, Beitrage, Erste Reihc, pag. 109.
44) Germ. Museum, Scheurl. Arch. Act. I, 81. Die betreffende Stelle des Briefes
(dd. 10. April 1 5 18) lautet: Ich uberantburt euch hiemit 13 fl. 30 dn.; soviel solt ir
von Mathessenn Sauermann und Gabriell Nutzellnn auch entphahen und meister Jacco-
ben Pulmann, dem schlosser, oberhalb S. Katherinenn umb die eiserne truchen, die ir
gesehen habt, 25 fl. und seinen knechten 60 d. entrichten und di truchen durch des
schlossers knecht meinem gevattem N. Schurstab, dem maler, haimfuren lassen, der sol sie
auswendig grab und innwendig gut rot anschtreichen, davon solt ir ime 3 h. geben
und alsdann die truchen in stro und plachenn binden lassen und eurem bruder Al-
brechten schiken . . . (Das N vor Schurstab steht in einer Liicke und soil den Vor-
namen des Malers, der dem Briefschreiber augenblicklich nicht gegenwartig war —
wahrscheinlich wurde der Meister auch im Umgaiig nur immer »der Schurstab« genannt
■ — andeuten. Die Benennung »mein Gcvatter« scheint darauf hinzuweisen, dafl der Malcr
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344
Albert GUmbel:
Tatigkeit nahern sich die Auftrage, welche ihm der Nlirnberger Rat in den
Jahren 151 3, 1516 und 15 19 erteilte, namlich die Wappen an den Kata-
falken, welche man bei den Totenmessen ftir den Erzbischof Ernst von
Magdeburg, den Konig Ladislaus von Bohmen und Kaiser Maximilian in
der Spitalkirche, bzw. ftir den zweiten ausnahmsweise im Barfiifierkloster,
aufschlug, zu malen.45)
Zum Schlusse drangt sich uns noch die Frage nach dem Schicksal
jener Bildwerke und Altargemalde des St. Gotthardkirchleins auf. Es
wurde schon oben darauf hingewiesen, dafi bereits im Jahre 1538 die
Kapelle als »zerrissen« und 6d liegend bezeichnet wird, wohin aber der
Schmuck seiner Altare gebracht oder verschleppt wurde, daruber fehlen
uns weitere Nachrichten. 46)
Patenschaft bei einem der Kinder des alten Scheurl Ubernommen hattc.) Ahnlicher
untergeordneter Art sind auch die Auftrage, die Anton Tucher in den Jahren 1509,
151 1, 1512, 151 3, 1516 und 15 1 7 dem Malcr gibt. Eine Ausnahme bilden vielleicht
die »gemalte tuchlen auf teffelen czu richten* vom Jahre 15 14. (Loose, A. Tuchers
Haushaltungsbuch, 1877.)
Hier m5gen auch die archivalischen Notizen liber die Verwandtschaft des Mei-
sters mit dem Hohensteiner Pfleger folgen. In dem Ausgabcregister des Niirnberger
Landpflegamts v. J. 15 14/15 (K. Kreisarchiv) heiflt es zum Jahre 15 14: Pfleger zum
Hohenstein. Item was Hanfien von Kreufien geben wirt, das er in seinem einnemen
verrechen soil, stet hienoch : . . . adi 22. augosto geben auf sein begeren an seinem sold,
nam sein schweher (== Schwiegervater), der Schurstab, von seinen wegen ein, 20 gul-
den thuen novi h. 42 sh. o. adi 24. deccmber auf sein begeren geben wir seinem
schweher, dem Schurstab, 20 gulden an munz novi h. 42 sh. o. Im Zusammenhalt mit
dem letzten Vortrag der Baurechnungen kann wohl kein Zweifcl sein, da0 unser Meister
gemeint ist.
45) Nrbg. Kreisarchiv, Totenbllcher I, pag. 64, 24. August 15 13: »Item dem
Schurstab fur zwei wapen gemalt d. 30.* Ebenda, pag. 66, 3. Mai 15 16: »Dem Schur-
stab maler fur zehen wapen h. 2 d. io.« Ebenda, pag. 71, 2S. Januar 15 19: »Item dem
Schurstab fur die wapen zu main 26 lb.« Auf die Tatsache hat schon Baader ohne
Quellenangabe aufmerksam gemacht.
46) Man mochte auf grund der oben erwahnten Notiz, wonach die Glocken des
Kirchleins auf das Rathaustllrmchen, das Chorgestuhl in die Pfarrkirche zu Velden ge-
bracht wurden, zuniichst auch fUr die oben beschriebenen Skulpturen und Gcmiilde an
letztere denken. Doch ist von diesen daselbst nichts mehr zu finden. Haas, Geschichte der
Stadt Velden (19. Jahresber. d. histor. Ver. in Mittelfr. 1850) sagt von der Kirche: >DicKirche
hat einen Altar von sehr schoner Bildhauerarbeit vom Jahre 1367 mit 2 Busten des Kaisers
Hcinrich II. und seiner Gcmahlin Kunigunde; auch sind darin sehenswerte Gemalde aus
altdeutscher Schule.« Heute befinden sich nach freundlicher Mitteilung Herrn Pfarrer
Redenbachers daselbst an alteren Kunstwerken noch vor: auf dem groflen Altar eine Marien-
statue mit dem Jesuskind, XIV. s. (?), wohl dasselbe Bildnis, das Bundschuh, Lexikon von
Franken 1804 nennt; ein kleiner Altar mit einem Aufsatz, fruher wohl Untersatz, darauf Olge-
malde: Christus mit den Zwblfen, ein Bruststtick (nach der Pfarrbeschreibung) : »wo
nicht von Alb. Purer selbst, doch seiner wilrdig«, zur Seite ein Schnitzwerk
(XIV. s. ?), die Apostel darstellcnd ; ein weitcres Schnitzwerk: Maria von Engeln urn-
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Nttmberger Meister in Velden 1477 — 1519. 345
Mochten diese Zeilen dazu beitragen, nicht nur das Andenken an
einige Zeit- und Kunstgenossen Wolgemuts und Diirers zu erneuern, son-
dern auch den vielleicht noch in den Depots unserer Galerien und Museen
verborgenen Zeugnissen ihrer fleissigen Hand ans Licht zu verhelfen!
gebcn, darunter ein Gemalde auf Holz: die 14 Nothelfer; endlich in einem Seitenraum
der Kirche: 2 Engel das SchweiBtuch der Veronika haltend. Es wiire immerhin m5g-
lich, da8 jener Untersatz oder Predella (Christus mit den 12 Aposteln) mit Lienhart
Schtlrstab in Verbindung zu bringen ware. Die Sache dtirfte einer weiteren Untersuchung
wiirdig sein.
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Zur Lebensgeschichte Albrecht Diirers.
Von Paul Kalkoff.
Diirer im Mittelpunkt der lutherischen Bewegung in den
Niederlanden und sein Verhaltnis zu Erasmus von Rotterdam.
In einer im XX. Bande dieser Zeitschrift (1897) veroffentlichten
Untersuchung1) habe ich nachgewiesen , wie der grofie Niirnberger
Kunstler, der bereits in seiner Heimat sich mit warmer Anhanglichkeit
*) Mit der Zusammenfassung meiner Resultate in H. W. Singers »Versuch einer
Diirer- Bibliographie«, Straflburg 1903, Einl. p. VIII und S. 36 Nr. 531, kann ich
mich durchaus einverstanden erkliiren. — Ein paar Nachtrage zur Identifizierung der
Personen des niederlandischen Tagebuchs inogen hier notiert werden; Es ist nicht
angangig, zur Erklarung des »Forherwerger« (Lange - Fuhse , Diirers schriftl. Nach-
lafl S. 136, 20) den damaligen Sekretar der osterreichischen Provinzialverwaltung Fem-
berger heranzuziehen (Leitschuh, Diirers Tagebuch S. 142), seit sich das Wort unge-
zwungen als eine Entstellung des Namens des mit Diirers Leibgedingsache beschaftigten
Sekretars Erasmus vStrenberger (Repertor. XX, S. 462, Anm. 66) auffassen la8t. —
Der Matthes, dem Diirer Ende Oktober, als die kaiserliche Kanzlei gewifl schon mit
der Ausfertigung der vom 4. Nov. datierten Urkunde beauftragt war, fur 2 fl. Kunst-
bliitter verehrte, ist kein anderer als der unter dem Aktenstiick als Registrator unterzeich-
nete M. Plichler, den wir friihei als Buchhalter der Hofkammer und auch auf dem
Reichstage als Registrator der kaiserlichen Kanzlei nachweisen konnen (Fontes rerum
Austriac. I, I, S. 82. 248. S. Adler, Organisation der Zentralverwaltung unter Maxi-
milian I, Leipzig 1886, S. 134ft*. Lange-Fuhse S. 387). — Der Sohn des hochst ein-
fluflreichen kaiserlichen Rates und wtirttembergischen Kanzlers Dr. Gregor Lamparter,
den Diirer in Briissel portratierte, hicB Johannes und stand anscheinend auch im Dien>t
der osterreichischen Verwaltung; er wurde 1521 in Begleitung des Verwesers des Schatz-
meisteramts von dem beriichtigten Raubritter v. Absberg weggefangen. S. meine Re-
zension in Sybels Histor. Zeitschr. Bd. 89, S. 299. — Ftir seinen Landsmann A. Kun-
hofer (Repert. XX, S. 445) interessierte sich Diirer schon deswegen, weil dieser ein
tiichtiger Mathematiker und Astronom war, den als solchen (15 14 Mitglied der
zweiten Mathematikerschule in Wien) nachgewiesen hat G. Bauch in seiner »Studiec
liber »die Rezeption des Humanismus in Wien«, Breslau 1903, S. 128. — In Repert. XX,
8. 451 setze in Anm. 31 : »Lange-Fuhse S. 175, 28« in Anm. 32; »Lange-Fuhse S. 147, 9**
— S. 458 Anm. 56 streiche die nach Monseur gemachte Angabe Uber Egmonds Er-
nennung zum landeshcrrlichen Inquisitor: er fungierte hier lediglich als theologischcr
Beisitzer. Vgl. meine »Anfange« Heft II, S. 75 f.
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Zur Lebensgeschichte AJbrecht Diirers. 347
an Luthers Person und Lehre erflillt hatte, wahrend seines Aufenthalts
in Antwerpen vom August 1520 bis in den Juli 152 1 den Berlihrungs-
punkt von vier Kreisen bildete, die jeder in seiner Art durch ei frige
Vertretung und wirksame Verbreitung der neuen evangelischen Lehre sich
so hervortaten, dafi sie samt und sonders den aufiersten Argwohn und
den scharfsten Unwillen der entschlossenen Verteidiger der alten Kirche
erregten und der Entschlufi zu riicksichtsloser Verfolgung und Vernich-
tung der ketzerischen Gruppen schon gefafit war, als es einigen von ihnen
infolge der ersten drohenden Kundgebungen ihrer scharfblickenden Feinde
ratsam erschien, sich durch rechtzeitige Flucht dem Verderben zu ent-
ziehen oder durch Verzicht auf ofTene Propaganda in ein schutzendes Dunkel
zurtickzutreten, wahrend die tibrigen ein furchtbares Strafgericht liber sich
ergehen lassen mufiten.
In einer vom Verein flir Reforrnationsgeschichte herausgegebenen
Arbeit2) habe ich nun versucht, liber diese verheifiungsvollen Anfange
der evangelischen Bewegung besonders in Antwerpen auf Grund wert-
voller, bisher nicht beach teter Quellen wei teres Licht zu verbreiten, nur
dafi es mir angezeigt schien, bei der Beschaffenheit des meist von geg-
nerischer Seite stammenden Materials und dem wenigstens in den slid-
lichen Niederlanden zunachst vollstandigen Siege der von der kaiserlichen
Macht geschiitzten Kirche auch im Titel »die Anfange der Gegen-
reformation« in den Vordergrund zu stellen. Das Gesamtbild von dem
alle Schichten der Bevolkerung und selbst die leitenden Kreise der
stadtischen Regierung berlihrenden machtvollen Vordringen der lutheri-
schen Ideen, denen zunachst nur eine kleine Gruppe streitlustiger Monche
und Professoren sich entgegenstemmte, wahrend der streng kirchlich ge-
sinnte Kaiser seine durch politische Note arg gelahmte Macht zunachst
nur mit den diplomatischen Kunsten des »Dissimulierens« und »Tem-
porisierens« gel tend zu machen wagte, ist zugleich der beste Beweis flir
die Richtigkeit der von mir ftir Diirers damalige Lage angenommenen
Auffassung: flir seine leidenschaftliche und begeisterte Ubereinstimmung
mit den fortgeschrittensten Fiihrern der lutherischen Richtung und flir
die schwere Gefahrdung seiner Existenz bei langerem Verweilen an so
exponierter Stelle.
Ehe ich nun dazu iibergehe, die Stellung, die Tatigkeit und die
Schicksale dieser einzelnen Gruppen, unter deren geistigem Einflusse
Dlirer sich damals bewegte, in erster Linie die des Erasmus von
Rotterdam 3) genauer zu prazisieren, uberblicken wir kurz den Verlauf
a) Heft 79 und 81. Halle 1903 und 1904.
3) Dem bald nach Diirers Ankunft schon Mitte August beginnenden Verkehr
des KUnstlers im Freundeskreise des Erasmus zu Antwerpen verdankte er auch die Be-
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348 Paul Kalkoff:
der religiosen Bewegung, wie sie sich wahrend Diirers Anwesenheit in
den Niederlanden so viel leidenschaftlicher, eindrucksvoller, umfassender
abgespielt hat, als bisher angenommen wurde.
Diirer ist hier von dem Ausbruch des offenen, riickhaltlosen Kampfes,
wie er mit der Publikation der Verdammungsbulle vom 15. Juni 1520
eroffnet wurde, von der hiermit anhebenden unversohnlichen Entzweiung
der Geister und endgliltigen Trennung der beiden Lager weit eher
und drastischer berlihrt worden, als es selbst in Nlirnberg geschehen
ware. Denn wahrend hier erst im Spatherbst das Auftreten Ecks als Voll-
streckcrs der papstlichen Sentenz sich bemerkbar machte und in seiner
Heimatstadt die Bannung seiner Freunde Pirkheimer und Spengler als
vorsichtig gewahrtes Staatsgeheimnis behandelt wurde, haben die Lowener
Theologen, an der Spitze einige fanatische Karmeliten und Dominikaner,
die »furchtbare Bulle«, wie Erasmus sie damals nannte, deren Zustande-
kommen im Schofie der Kurie sie wirksam zu fordern verstanden batten,
in ihrer Heimat schon mindestens einen Monat eher verkiindet,
als der fur Westdeutschland zum Exekutor bestellte papstliche Nuntius
A lean der hier am kaiserlichen Hofe erscheinen konnte. Die weitere
Auseinandersetzung wird ja noch eindringlicher lehren, was fiir ein emp-
fangliches Gemiit eine Beriihrung mit dem Rotterdamer in jenen Tagen
der hochsten Spannung zu bedeuten hatte; zunachst sei nur darauf hin-
gewiesen, dafi schon die erste Begegnung mit dem grofien Gelehrten,
bei der sich Diirer am 1. September in Brussel bewogen fuhlte, seine
Ziige im Bilde festzuhalten4), ganz unter dem Einflusse des anhebenden
kanntschaft mit dem > Lorn harden, Meister (magister) Augustin«, dem er die beiden
Holzschnitte imagines coeli verehrte, woraus man ganz richtig auf einen Gelehrten als
Empfanger der Gabe sehlofi (Lange-Fuhse S. 116, 7). Gemeint aber ist der Neapolitaner
Augustin Scarpinello, damals Sekretar des als theologischer Berater des Kaisers
vielfach von Erasmus brieflich angegangencn Mai landers Aloisius Marliano, Bischofs
von Tuy. Erasmus schrieb am 13. December dem Begleiter des einfluflreichen kaiser-
lichen Staatsmanncs von Lbwen aus einen launigen Brief (Erasmi epist. Basel 1521, p. 56S.
Leydener Ausg. HI, col. 602) und erkundigte sich nach seinen ciceronianischen Studien;
dieser wiedcr ermangelte nicht den seither gcgen Erasmus gar argwohnisch gewordenen
Patron im Frtihjahr als »der eifrigste Verteidiger des Erasmus* zu dessen Gunsten zu
beeinflussen (Marliano an Erasmus, Worms, den 7. April 1 52 1, 1. c. p. 599 sq.) Ira
Jahre 1524 befand sich Scarpinello als Gesandter des Herzogs von Mai land am
englischen Hofe, und Erasmus erinnerte ihn in eincm liebenswtirdigen Schreiben (Basel,
den 1. Sept.) u. a. daran, wie der Freund auf dem Reichstage von Worms erkrankt war;
sein Bischof war ja damals in Worms gestorben (Basler Ausg. v. 1529, p. 623 sq).
4) K. Lange und F. Fuhse, DUrers schriftlicher Nachlafl, Halle 1893, S« I25» 4> IO-
Die Nachweise zum folgenden in meiner Untcrsuchung »Zu Luthers romischem ProzeB«.
Zeitsclirift fUr Kirchengeschichte, hrsg. von Th. Brieger und B. Befl. XXV. Bd.,
(iotha 1904, S. 132 — 135.
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Zur Lebensgeschichte Albrecht Dttrers. ^49
Kampfes gestanden hat. Wenige Tage darauf beklagt sich Erasmus
schon bei seinen niederlandischen Freunden, bei seinen Gonnem an der
Kurie und beim Papste selbst uber die mafilosen AngrifTe, die jene
Monche in den Predigten, mit denen sie die VerofTentlichung der Bulle
begleiteten, in Lowen gegen ihn als den eigentlichen Vater der lutheri-
schen Ketzerei gerichtet hatten: und genau so waren auch auf die Wei-
sung ihrer Oberen und Lehrer die Antwerpener Heifisporne schon vor-
gegangen: »idem factum est Antwerpiae«. Tags zuvor aber hatte sich
Erasmus in einem Schreiben (Lowen, den 31. August 1520) an den von
ihm noch lebend geglaubten Bischof von Breslau, Johann V. Turzo,
bitter liber diese Anfeindungen beklagt, die ihn nur trafen, weil er sich
das Verdienst erworben habe, das Volk von den Spitzfindigkeiten der
scholastischen Theologie und dem Wust judaisierender Zeremonien zur
schlichten evangelischen Frommigkeit zuriickzufuhren.5) Dtirer wufite also
damals schon, welches Schicksal Luthern und seinen Anhangern drohte,
und wenn er sich doch noch nicht dariiber klar geworden sein sollte, so
war Erasmus, der damals weit inniger und entschlossener, als bisher an-
zunehmen moglich war, fiir Luthers Sache Partei ergriffen hat, gerade
der rechte Mann dazu, ihn liber die Tragweite der Bulle und die Ab-
sichten ihrer Verkiindiger aufzuklaren. Wenn sich der Klinstler also
erst gegen Ende September in Antwerpen die Antwort Luthers auf die
»Verdammung« seiner Lehre durch die Lowener Theologen kaufte,6) so
5) Dcs. Erasmi Rot. Opera, ed. Clericus, torn. Ill, pars I (epistolae), Lugduni
Batavonim 1703, col. 571 sq. Keineswegs abcr darf flir die Lage der Dinge in jenem
Augenblick ein anderer Brief des Erasmus vom 31. August aus Anderlecht bei Brlissel
veiwendet werden, der in den Sammlungen in das Jahr 1520 gesetzt wird, jedoch wie
ich in einer Untersuchung tiber den »Inquisitionsprozefl des Antwerpener Humanisten
Nikolaus von Herzogenbusch i. J. 1522* (Zeitschr. f. K.-G. XXIV, Gotha 1903, S. 417 — 419)
nachgewiesen habe, in das Jahr 1521 gekort.
6) In eben diesen Tagen weilte tibrigens auch Erasmus in Antwerpen und zwar
auch im Hause des gelehrten Juristcn Petrus Agidius, Sekretars der Schoffen von Ant-
werpen (vgl. die Nachweise in mcinen »Anfangen« Heft I, S. 95 und Heft II, S. 108),
wo er im Februar mit Dtirer zusammen speiste (Lange-Fuhse S. 151,4) und wo er auch
mit seinem Lieblingsschliler, dem seiner lutherischen Gesinnung wegen prozessierten und
nach seiner Flucht aus dem Kerker noch vcrurteilten Lateinrektor von Antwerpen, Ni-
kolaus von Herzogenbusch, sich zu treffen pflegte (Anfange Heft I, S. 56 f.). Mit dem
Magister Agidius (»Meister Gilgen«) ist nun aber Diirer schon im August bekannt ge-
worden und ihm hat er damals »den Eustachius und die Nemesis* geschenkt (Lange-
Fuhse S. 1 21, 18), nicht dem als »Herr« Agidius erwahnten koniglichen Huissier (a. a.
O. Z. 13); dieser wird damit als von Adel bczeichnet und war Ubrigens ein Deutscher,
denn er ist sicher identisch mit Gilles van Apfenauwe dit l'Allemant«, der 15 17 als
erster varlet servant in den Gehaltslisten des Hofes vorkommt (Gachard et Piot, Collec-
tion des voyages des Souverains des Pays-Bas, Bruxelles 1876, I, p. 505).
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350 Paul Kalkoff:
ist dies keineswegs das erste Zeichen fiir seine Beriihrung durch die
kirchlichen Gegensatze in den Niederlanden.
In eben diesen Tagen, am 26. September 1520, war nun der offizielle
Trager des papstlichen Urteils am kaiserlichen Hoflager in der Schelde-
stadt eingetroflen; am 28. erwirkte er die Unterschrift des Kaisers zu
dem von ihm selbst verfafiten ersten »Plakat« der niederlandischen Re-
gierung gegen Luther und seine Anhanger;7) die von ihm beabsichtigte
sofortige Veroffcntlichung in Antwerpen, die von einer Verbrennung der
zu konfiszierenden ketzerischen Schriften begleitet sein sollte, wurde in-
dessen von den nicht minder wachsamen Freunden des Erasmus, die im
Stadtregiment safien, durch den Hinweis auf gewisse, den Brabanter Pri-
vilegien gemafi noch zu erftillende Formalitaten hintertrieben — zur
grofiten Genugtuung des Erasmus. Die erst am 8. Oktober in
Lowen in Szene gesetzte offentliche Verlesung des kaiserlichen Gesetzes
und der papstlichen Bulle und eine in heftigen Tumulten von den
Studierenden verhohnte Biicherverbrennung, bei der die Anerkennung der
Bulle durch die Universitat nur durch eine Uberrumplung erschlichen
und von der theologischen Fakultat fingiert wurde, war ftir Antwerpen
ganz unverbindlich: hier haben die Prediger und die Druckereien das
kaiserliche Verbot den ganzen Winter iiber ungestraft ignorieren konnen.
Die niederlandische Regierung der Statthalterin hat aber wenigstens die
Pflicht der Wachsamkeit nicht vernachlassigt und hat schon im Fe-
bruar 1521 durch den nachmaligen furchtbaren Leiter der landesherrlichen
Inquisition, den ruchlosen Franz van der Hulst, Mitglied des Rates
von Brabant, Nachrichten iiber die gefahrlichen Fortschritte der Ketzerei
an den Kaiser nach Worms gelangen lassen. Daraufhin wurde nun das
Septembermandat, verstarkt durch den Hinweis auf die inzwischen ein-
getretene endgtiltigc Bannung Luthers (durch die Bulle vom 3. Januar)
unter dem Datum des 20. bezw. 22. Miirz neu ausgefertigt und von
Mecheln aus an die Provinzialbehorden zur VerofTentlichung versandt;
im Zusammenhang mit dieser Aktion der Zentralregierung inufl das Ge-
setz nun endlich auch in Antwerpen verkiindigt worden sein, doch ohne
dafi von diesem Vorgange oder gar von Mafiregeln zur Vollstreckung des
kaiserlichen Wrillens durch den Magistrat sich eine Spur nachweisen liefie.8)
7) Vgl. Kapitel I meiner »Anfangc«: Die kirchenpolitische Lage in den Nieder-
landen und Aleanders erste Mafiregeln gegen die lutberische Bewegung, Heft I, S. 7 — 37»
sowie die Ubersetzung des Plakats S. no rT. und Archiv f. Ref.-G. I, Bed. 1904, S. 279 ff.
8) Doch mufl Dlirer von diesem Mandat, das die lutherischen Bticher oflfentlich
unter Trompetenschall vor den Rathiiusern zu verbrennen befahl (Anfange Heft I, S. 112),
schon Kenntnis gehabt haben, als er in seiner Kiage tiber Luthers Verschwinden Mitte
Mai gegen die Verbrennung der Blicher Luthers protestierte, denn das bis dahin vor-
liegende Reichsgesetz, das Sequestrationsmandat vom 10. Marz, gebot nur die vorlaufige
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Zur Lebensgeschichte Albrccht Dlirers. 251
Bei dieser Konnivenz der Obrigkeit konnte also den Winter iiber
die evangelische Bewegung, geflihrt vor allem von den meist in Wittenberg
gebildeten, mit Diirer innig befreundeten Augustinern, so entschiedene
Fortschritte machen, dafi die Verteidiger der altkirchlichen Einrichtungen
sich dadurch zu heftigster Gegenwehr aufgerufen sahen; und nun ent-
brannte ein wesentlich von der Kanzel, aber auch im Privatverkehr ge-
fuhrter erbitterter Kampf, der schliefilich so bedrohliche Formen annahm,
dafi der Magistrat »zur Verhlitung eines Aufruhrs« die Prediger
aufforderte, sich jeder Aufreizung, sowie jeder Erwahnung Luthers zu
enthalten und schlechthin nichts als das Evangelium Christi
zu lehren:9) das aber war das alte Schlagwort des Erasmus, hier als
Parole ausgegeben von seinen Anhangern im Magistrat mit dem von ihm
selbst, der ja vom Februar an bis in das PMihjahr hinein in Antwerpen
sich aufhielt, gehegten Hintergedanken, dafi damit der Lehre Luthers Ttir
und Tor geoffnet werden sollte.
Bei solcher Verscharfung der Gegensatze, inmitten so leidenschaft-
licher Erorterungen und im ununterbrochenen Verkehr mit den Ftihrern
der evangelischen Richtung war es fur ein religios angeregtes Gemtit
wie das Diirers unvermeidlich, dafi es selbst mit aller Kraft der Seele
Partei ergriff, und wenn dafiir auch nicht ein so vollwichtiges Zeugnis
wie der ergreifende Ergufi seiner Empfindungen bei der Nachricht von
Luthers Verschwinden vorlage, so mtifite man schon nach dem von der
katholischen Kirche so scharf betonten Grundsatze: »Wer nicht fur mich
ist, der ist wider mich«, feststellen, dafi Diirer damals durch und durch
Lutheraner und Erasmianer war.10)
Die Erfiillung der osterlichen Beichtpflicht will demgegeniiber eben-
Einziehung dieser Schriften. Dieses Reichsgesetz hatte der Nuntius gleichzeitig den
niederlandischen Bischbfen zur Verbffentlichung zugesandt (Verbesserung zu Repert. XX,
S. 455, Z. 6 u. 5 des Textes von unten), doch ebenfalls ohne erkennbare Wirkung.
9) Vgl. zu diesen bisher vollig unbeachtet gebliebenen Vorgangen, wie die Vor-
Jadung und Vermahnung der zligellosesten Kanzelredner der Karmeliten, Franziskaner
und Dorninikaner durch den Magistrat, meine »Anfange«, Heft I, S. 6o — 64. Von einem
Einschreiten gegen die Anhanger Luthers verlautet dagegen nichts.
10) Anton Weber hat im Katholik (Mainz 1899, April u. Mai S. 322 flf. 4ioff.
Zur Streitfrage tiber Diirers religifises Bekenntnis) sich in skurriler Polemik gegen Zucker,
Mummenhoff und mich ergangen. Er hat nicht ein einziges quellenmafliges Argument
zur Widerlegung meiner »Hypothesen« beigebracht, wohl aber die positiven Daten, zu
deren Deutung und Verbindung etwaige Annahmen eingcfuhrt wurden, einfach ignoriert.
Jenes inbriinstige Gebet, in dem sich Diirer mit den ihm bitter anstofligen Miflstanden
in Lehre und Verfassung der alten Kirche doch wahrlich scharf und eingehend genug
auseinandersetzt, ist ihm nichts weiter als »eine Tagebuchstelle«, in der sich der schlecht
unterrichtete Diirer iiber das angeblich gebrochene kaiserliche Geleit Luthers ungeschickt(!)
auslafit (S. 427). Eine Widerlegung ist tiberfliissig.
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352 Paul Kalkoff:
so wenig besagen wie der weitere Gebrauch der tiberlieferten klinstlerischen
Ausdrucksmittel, denn Luther selbst und mit ihm viele seiner uberzeugten
Schiiler waren ja damals noch durchaus gemeint, von den aufieren Ein-
richtungen der Kirche11) alles, was an sich loblich und sittlich fordersam
war, beizubehalten und es nur mit neuem evangelischen Geiste zu er-
ftillen. Wahrend nun Diirer mit den Augustinern und in ihrem Kloster
selbst, dem bald nachher zerstorten Hauptherd der Ketzerei, verkehrte
und mit ihrem hochst verfiihrerisch wirkenden Prior Jakob Props ts,
dem in seinem Prozefi auch die im Privatverkehr und in Tischgesprachen
betriebene Propaganda als Verbrechen angerechnet wurde,11) besonders
nahe befreundet war, lafit sich keine Spur daftir nachweisen, dafl er mit
dem an Zahl doch weit tiberlegenen Heer der Anhanger des Alten unter
den Klerikern irgend welche Beziehungen gepflogen hatte. In solchem
Zusammenhange ist es nicht unwichtig, dafl der einzige Monch, der
sonst noch von Diirer anscheinend mit Namen erwahnt wirdx3) und den
") In diesem Sinne ist es auch flir DUrers Verhaltnis zum Reliquienkultus inter-
essant, festzustellen, dafi er die grofie Prozession am Trinitatissonntage (Lange-Fuhse
S. 166, 19), dieses jahrhundertel.ing mit unerhtirter Prachtentfaltung gefeierte, vornehmste
stadtische Fest, das ihm vom klinstlerischen Standpunkte aus noch mehr zu bieten hatte
als die Prozession zu Maria Himmelfahrt (a. a. O. S. 117 — 119), zwar erwahnt, dafl er
es aber keiner ausftihrlichen Beschreibung wiirdigt wie jene, auch seinen Namen und
Zweck nicht verzeichnet, die ihm denn doch wohl von seinem religitfsen Standpunkt
aus zum mindesten nicht mehr sympathisch sein konnten. Die Prozession aber wurde
abgehaltcn zu Ehren >Godes ende van sinen heiligen Besnidenisse« (»Besnydenisomgang«)
und dabei wurde die auf einem 1476 erneuerten Altar der Liebfrauenkirche in silbcmem
Kasten aufbewahrte Reliquie, ein Teil des praeputium Christi, geleitet von samdichen
hierzu geladenen Pralaten von Flandem und Brabant und dem ganzen Magistrat, sowie
einer Ftille prachtiger Wagen und anderer Schaustellungen zu einer Kirche nach Lier
und wieder zuriickgebracht. Beim Bildersturm wurde die librigens auch in Rom und in
zwei franzosischen Kirchen vorhandene Reliquie entwendet. Zu ihrer Verwahrung war
im 15. Jh. eine besondere, mit papstlichen Privilegien ausgestattete Bruderschaft ge-
grlindet worden. Mertens u. Torfs, Geschiedenis van Antwerpen, Antw. 1845(1"., deel III,
biz. 28 en v. 32 en v. 96. Die offizielle Bezeichnung war >processio publica S. Prac-
putii«, J. C. Diercxsens, Antverpia Christo nascens, torn. Ill, Antverpiae 1773, p. 2S7.
") S. meine »Anfdnge« Heft I, S. 51 ff. 100. II, S. 63. Als Probe der Beweis-
ftihrung Webers sei nur noch erwahnt, dafl er die Beziehung des >Meister Jakob« auf
den Prior damit bestreitet, dafl Diirer diesen Titel nie Geistlichen, sondern nur KUnst-
lern und Handwerkern und dem Arzte Jakob beilege (S. 422): dem letzteren aber kommt
cr ja aus demselben Grunde zu wie dem Prior, weil eben auch dieser magister
artium war. Den ihm eng befreundeten Vorgesetzten der sachsischen Augustiner
aber, den »Vikar« Link, hatte Diirer >Generalvikar« titulieren mlissen (S. 421), denn
>dreimal Wehe tiber den Frevler, der einen Generalmajor nur einfach Major anreden
wiirde«. Doch genug!
U) Lange-Fuhse S. 173, 25: hab dem Peter Puz MUnch fttr I fl. Kunst ge-
geschenkt. In den Registern findet man denselben bisher als Monch Peter Paz
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Zur Lebensgeschichte Albrecht Dlircrs. 353
er in der Zeit seines lebhaften Verkehrs mit den Augustinern, als er von
dem ebenfalls durch die klihnste literarische Vertretung reformatorischer
Ansichten kompromittierten Stadtschreiber Cornelius Grapheus die
»Babylonische Gefangenschaft« erhielt, mit Kunstblattern beschenkte,
keinesfalls zu jenen streitbaren Milizen des Papsttums, sondern zu einer
harmlosen, dem wohltatigen Blirgersinn entstammenden, rein lokalen
Zwecken dienenden Stiftung gehorte.
Der in den Augen der Bettelorden und des von ihnen genau unter-
richteten papstlichen Nuntius und Inquisitors Aleander durchaus nicht
harmlose Erasmianer Grapheus aber hat gerade in jenem Friihjahr die
mit den Grundlehren der deutschen Reformation nahe verwandte Schrift
des Johann Pupper v. Goch liber die »christliche Freiheit« herausgegeben1-*)
mit einer Vorrede vom 29. Marz., die »einen feurigen Aufruf an die heils-
begierige, nach selbstiindiger Erkenntnis strebende Laienwelt mit scharfen
Ausfallen gegen die Unterdriickung der evangelischen Wahrheit und die
Ausbeutung des irregeleiteten Volkes durch den Klerus« darstelltI5) und
sich somit in ganz auffallender Weise mit den von Durer in seinem
»GebeU bei Luthers vermeintlicher Gefangennahme geaufierten Anschau-
ungen16) deckt.
Indem ich nun fur die aufierst gefahrdete Lage, in der Durer bei
der Annaherung des mit der Bannbulle und dem kaiserlichen Edikt aus-
verzeichnet; es ist aber zu schreiben: Peter-Puz-mtinch, und das bedeutet einen
Monch aus Peter Pots Almosenhaus. Ein durch langjiihrigen Handel in Syrien und
Agypten reich gewordener Kaufmann, Peter Pot, Herr v. Bautersem usw., geb. 1375
in Utrecht, hatte nach seiner Rlickkehr zunachst in der Monsterstraet, jetzt »Peter-
Potsstraet* eine Kapelle zu St. Salvator, und in den nachsten Jahren ein ewiges
Almosenhaus (Aelmoese-Godtshuys) gestiftet, das zunachst von einigen an der Kapelle
angestellten Weltpriestern gcleitet wurde mit den notigen Beamten und Handwerkern fUr
die wochentlichen Verteilungen von Brot und Wein an Anne, auch von Geld und
Arzneimitteln an bertlagerige Kranke, die seine Rcgenten, die Priester, aufsuchcn muflten.
Der Magistrat begabte das Haus mit der Gerechtigkeit zu brauen und zu backen und
mit der Freiheit von »Schofl und Lot*. Der Fundator, obschon 1444 von Eugen IV.
zur Anstellung eines Kaplans ermachtigt, (ibertrug jedoch die Stiftung nun den Zister-
ziensern von U. L. Frauenberg zu Ysselstein, die durch papstliche Bulle bestatigt und
von dem Kapitel der Kathedrale anerkannt, hier einen Prior einsetzten. In der Mitte
des 16. Jh.s geriet das Almosenhaus infolge des durch die Kriege (ibermafiig gestei-
gerten Andranges von Bediirftigen in Vermogensverfall. Mertens und Torfs, Geschie-
denis van Antwerpen, deel III, biz. 176. 347 en v. 353 en v. IV, 220. Es scheint
also, dafl einer der »Peer-Potsheeren« den Kiinstler wahrend seiner Krankheit be-
sucht hatte und dieser nun daflir seinen Dank abstattete.
H) Otto Clemen, Joh. P. v. G. (Leipz. Studien II, 3) Leipzig 1896, S. 46—63.
269—275.
*5) Anfange der Gegenreformation Heft I, S. 57.
l6) Lange-Fuhse S. 161 — 165, besonders S. i62f.
Rcpcrtorium fiir Kunstwissenschaft, XX VII. 24
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Paul Kalkoff:
gertisteten Nuntius sich in Antwerpen befand, auf das II. Kapitel meiner
» Anfange der Gegenreformation« verweise, mochte ich erganzend nur
noch darauf hinweisen, dafi Aleander, so selten er in seinen Depeschen
an Papst und Vizekanzler verdiichtige Personlichkeiten namhaft macht —
diese Ehre widerfahrt in den Niederlanden nur dem Erasmus und dem
Augustinerprior, — doch liber sie auf das genaueste unterrichtet war und
iiber gewisse Kategorien sogar formlich Buch zu fiihren beabsichrigte —
zu gelegentlicher demnachstiger Heimsuchung. In einem zwei Jahre
spater fiir Papst Clemens VII. ausgearbeiteten Gutachtenx7) erbietet er
sich dem nach Deutschland zu entsendenden Nuntius eine Liste der Zu-
verlassigen, der Abtrtinnigen, der Schwankenden unter den Fiirsten und
Gelehrten, desgleichen der Rate und Sekretare der Fiirsten und der
grofien Stiidte mitzugeben (catalogum describam nuncio).
Und so war er auch ganz genau davon unterrichtet, dafi der Ant-
werpener Magistrat unter dem Einflufi dieser Jtinger des Erasmus, wie
Grapheus und der ebenfalls mit Diirer befreundete Ratspensionar und
Syndikus der Stadt Dr. iur. Adrian Herebou tsl8), den religiosen Neue-
rern eine hochst verdachtige Duldung zuteil werden liefi. Gerade der
Schultheifi von Antwerpen, »Markgraf des Landes bei Ryen«, Ritter
Nikolaus von Liere, der ftir die Beaufsichtigung der von Aleander
veranstalteten Blicherverbrennung eine piipstliche Belobigung erhieit, wird
im folgenden Jahre von dem englischen Gesandten, der als Vertrauter
der in Antwerpen zur Vernichtung des Augustinerkonvents erschienenen
Regentin gut unterrichtet war, beschuldigt, dafi er durch seine listigen
Veranstaltungen die Flucht des schon verhafteten schlimmsten Ketzers,
des Priors Heinrich von Ztitphen, ermoglicht habe.T9) Die markanteste
Tatsache aber ist es, dafi bei der Verhaftung des mit Dtirer so eng
verbundenen Erasmianers Grapheus auch ein Mitglied der regierenden
Behorde des Schoffenkollegiums, Angehoriger einer der vornehmsten Patri-
zierfamilien, Roland von Berchem, vor das Glaubenstribunal nach
Briissel zitiert wurde, wenn auch die Riicksichtnahme auf die gewaltige
Kommune, ihre unruhige Bevolkerung und ihre unentbehrliche finanzielle
Beihilfe die kaiserliche Politik dazu notigte, sich mit diesem Wink zu
begnugen, denn der vornehme Herr wurde nach einem Verhor durch
den Beichtvater Karls V. wieder entlassen.20) Aber auch den wehrloseren
*7) J. v. Dollinger, Beitragc zur politischen, kirchlichen und Kulturgeschichte,
III. Bd., Wien 1882. S. 245, 249.
,8) Anfange Heft I, S. 57. Vgl. das Register bei Lange-Fuhse, wo noch die
unrichtige Namensform Horebouts steht. Auch H. wurde indirckt von den Behorden
verwarnt. Anfange Heft II, S. 71. 103.
*9) Anfange Heft II, S. 10. 77.
*°) Anfange Heft II, S. 69 f.
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Zur Lebensgeschichte Albrecht Diirers. ^cc
Opfern der religiosen Verfolgung, den erasmisch gesinnten Sekretaren
und Schulmeistern, den arinen Monchen gegeniiber ist die kaiserliche
Politik in jener Zeit der Anfange der Gegenreformation mit grofier Vor-
sicht und Mafiigung verfahren, indeni sie auf die Forderung des Nuntius
Aleander, »ein halbes Dutzend Lutheraner lebendig zu verbrennen«,
den Grundsatz aufstellte, dafi es vor der Hand durchaus genlige, zu ab-
schreckendem Exempel diese Strafe an »einem oder hochstens zweien«
der Schuldigsten zu vollziehen. Und nach der Abreise des Kaisers,
wahrend dessen Anwesenheit man sichtlich beflissen war, mit Antwerpen
recht behutsam zu verfahren, hat die Regentin die verhafite Brutstatte
der Ketzerei, das Augustinerkloster, erst aufzuheben gewagt nach lang-
wieriger und schonender Verhandlung mit dem Magistrat, der die Ver-
antwortung seinerseits der nur in aufierordentlichen Fallen versammelten
Vertretung samtlicher Stande der Burgerschaft, dem Breeden Raed zu-
schob21): inzwischen liefl man das am meisten gefahrdete Oberhaupt der
Monche entkommen, und die iibrigen wurden ja dann auch bis auf jene
beiden ersten Martyrer des evangelischen Bekenntnisses milde genug be-
handeit.
Diese bisher nicht verwerteten Tatsachen erklaren nun auch, wie
bei dieser Schwache der Zentralgewalt und trotz der wachsamen und
erbitterten Gegnerschaft der Lowener Theologen und der iibrigen Bettel-
orden, die freilich durch eine weitgehende Indolenz der Pralatur und der
Pfarrgeistlichkeit in ihren Wirkungen beeintrachtigt wurde, sich die lu-
therische Bewegung in Antwerpen gerade wahrend der Anwesenheit
Dtirers aller Volksschichten, die regierenden Kreise eingeschlossen, be-
machtigen konnte, und wie besonders die »oberdeutschen Kaufleute«,
also Dtirer selbst mit seinen Landsleuten aus Ntirnberg, Augsburg, Ulm,
und ihre Geschaftsfreunde, die reichen Portugiesen, flir deren Identitat
mit den von Aleander scharf beobachteten Marranos, den judaisieren-
den iberischen Neuchristen, noch weitere Argumente beigebracht wurden,22)
ax) Zu diesen der Korrespondenz Aleanders und der des englischen Gesandten
Wingfield entnommenen Vorgangen vgl. Kapitel VI meiner > Anfange*: Die Verfolgung
der Antwerpener Augustiner und Erasmianer und die Errichtung der landesherrlichen
Inquisition, bes. S. 58 u. 77 fF.
**) Vgl. das II. Kapitel meiner >Anfange«: »Die lutherische Bewegung in Ant-
werpen«, bes. S. 41 — 47. Weitere Indizien flir den Zusammenhang und die tcilweise
Identitat der portugiesischen Kaufleute in Antwerpen mit den »Neuen Christen van der
natien van Portingale«, die sich durch heimliches Festhalten am judischen Kultus ver-
dachtig machten und teils zu Handelszwecken in Antwerpen sich niederlieflen, teils,
bes. seit 1526, liber A. nach Ancona oder Saloniki und Venedig gingen, liefern die
Erlasse der niederlandischen Regierung und ihre Prozesse im Antwerpsch Archieven-
blad VII, biz. 18 1 en volg., bes. gegen den coopmann van der Portugaelscher natien Diego
34*
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356 Paul Kalkoff:
sich in jenem Winter 1520/21 so weit vorwagen konnten, dafi der papst-
liche Inquisitor in ihnen nachst dem verruchten Augustinerprior die
gefahrlichsten Trager der lutherischen Propaganda erblickte und noch
im Sommer 152 1 tiber ihre gewagten Aufierungen und Handlungen zu-
gunsten Luthers zu klagen hatte. Bei dem von diesem ganz vorztiglich
unterrichteten Anklager beobachteten Zusammenhange zwischen den ober-
deutschen und den iberischen Kaufleuten ist es nun zum mindesten nicht
unwahrscheinlich, dafi die Anfang Dezeinber 1520 von einer Gesellschaft
von Kaufleuten aus dem Bekanntenkreise der Niimberger unternommene
Reise nach den Seehiifen der Insel Walcheren23), der sich auch Diirer
angeschlossen hat, um von da einen Abstecher zur Besichtigung des auf
Schouwen angetriebenen Walfisches zu machen, mit einer von Aleander
berichteten Tatsache in Verbindung zu bringen ist. Dieser meint in
seinem Gutachten von I523,2*) dafi Spanien schon von der lutherischen
Lehre angesteckt sein wtirde, »wenn nicht ein LastschifF, das die in
Flandern«, d. h. nach seinem Sprachgebrauch in den stidlichen Nieder-
landen, also in Antwerpen »lebenden Marranen mit den ins Spanische
iibersetzten und in Antwerpen gedruckten lutherischen Schriften
beladen hatten, in Seeland von den kaiserlichen Beamten beschlag-
Mendez, den Faktor reicher Hauser von Lissabon (biz. 213), der 1532 wegen Begunsti-
gung der falschen Christen (mentiti Christiani biz. 191 en volg.) und eigenen Judai-
sierens auf »Majestatsverbrechen« angeklagt wurde (biz. 190. 209). Der Magistrat, der
die Verscheuchung so wichtiger Handelsherren beflirchtete, tat sein Moglichstes, urn
unter Berufung auf die Freiheiten der Joyeuse Entree von Brabant die Prozesse vor
seine Schbflfenbank zu ziehen, konnte aber nur durchsetzen, dafi jencr nicht von Ant-
werpen fortgefuhrt wurde. M. hatte schon seit zehn Jahren in »grand familiarete* rait
den Neuen Christen gestanden, von denen dann einige in der Tiirkei als richtige Juden
lebten, wiihrend er in seiner Verteidigung darauf hinwies, dafi sie mehrere Jahre in
Antwerpen sich so gehalten hatten, dafi er sie fur »gute Christen* habe halten muss en (biz.
219 en volg.). Besonders interessant ist die Denkschrift von 1533 uber die Griinde
der Verhaftung des Antonio Fernandez, Kaufmanns aus Portugal, der schon Uber zwolf
Jahre in A. lebte (biz. 260 en volg.), als Neuchristen und liber die von diesen >Juden
oder Neuchristen* mit Untersttitzung des Konigs von Portugal durchgefuhrte Monopoli-
sierung des Handels mit PfefTer und anderen Spezereien (biz. 282 en volg.). — Der
mehrfach genannte Gabriel dc Nigro (biz. 204. 226. 284) konnte mit dem Joh. Gabriel,
in dessen Hause Durer einen welschcn Herrn konterfeite (Lange-Fuhse S. 132, 12),
identisch sein. — Der Nuntius Aleander verdankte seine genauen Informationen uber
das Treiben der Marranos wohl auch dem Umstande, dafi sein Gttnner, Kardinalbischof
Eberhard von Ltittich, dessen Kanzler er einige Jahre vorher gewesen war, dam als zu-
gleich Erzbischof von Valencia war.
a3) Lange-Fuhse S. 141 — 145.
*4) J. v. Dollinger a. a. O. S. 280. Vgl. auch S. 276 die Beschwerde des Nun-
tius Uber die Buchdrucker von Lowen und Antwerpen, »qui perditissimi sunt*. —
Zur Lage der Regentin vgl. meine »Anfange« Heft I, S. 29 f.
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Zur Lcbensgeschichte Albrecht Diirers. ocj
nahmt worden ware.25) Ein derartiges Wagnis konnten sie aber nur in
dem Winter von 1520 auf 21 unternehmen, als einmal in Spanien
der Aufstand der Comuneros tobte und in den Niederlanden die Regentin
der lutherischen Bewegung ohne gesetzliche Handhabe zur Unterdrtickung
der ketzerischen Literatur gegentiberstand.
Als dann der Kaiser nach den Niederlanden zuriickkehrte und ihm
der Ruf des furchtbaren Reichsgesetzes vorauseilte, das dank dem
Eifer des Nuntius sofort in Lowen zu schleuniger Vollziehung gedruckt
wurde — schon am 3. Juli berichtete ein Italiener aus Briissel, dafi
das »Urteil des Kaisers und das der Universitat Paris im Druck er-
schienen« sei26) — , da traten diese bisher mit in der ersten Reihe stehen-
den Forderer der evangelischen Sache in vorsichtiger Zuruckhaltung vom
Schauplatze ab, und audi der von Aleander als der eigentliche Urheber
der Ketzerei in den Niederlanden riicksichtslos bedrangte Erasmus,
dessen Einflufi auf Dtirer in jenen Monaten weit riickhaltloser und nach-
driicklicher zur Befestigung seiner lutherischen Uberzeugung sich geltend
gemacht hat, als man bisher annehmen durfte, hat sich der immer bedroh-
licher werdenden Pression noch im Herbst durch eine sehr geschickt
maskierte Flucht entzogen.a7) Das eigentliche Problem im Lebensgange
des Erasmus, der entscheidende Punkt bei der Beurteilung seiner kirchen-
geschichtlichen Steliung wie seines Charakters ist ja die Frage, wie weit
er sich innerlich mit dem lutherischen Unternehmen einer Besserung der
entstellten Lehre und der verkommenen Verfassung der Kirche identi-
fiziert hat, wie weit er, der im vertrauten Kreise offen bekannte, dafi er,
was Luther so leidenschaftlich vertrete, alles schon selbst, wenn auch in
vorsichtigerer Form gelehrt habe, entschlossen war, dessen Angriff auf
die altkirch lichen Zustande zu untersttitzen, ob er tiberhaupt aufrichtig
den Sieg des ktihnen Neuerers gewiinscht und wann er, mehr geschreckt
*5) Vgl. meine »Anfange«, IV. Kapitel: » Aleander bei der Durchflihrung des
Wormser Edikts in den Niederlanden*, Heft II, S. 3. 5. 98". 88, Anm. 16.
**) »Acta academiae Lovaniensis« betitelt wegen der Ankntipfung an die
Vorgange bei der Blicherverbrennung in Lowen; wegen des Abdrucks in der Jenaer
Ausgabe der VVerke Luthers (Tom. I (1556), fol. 496a ~497b) bes. von katholischen Histori-
kern wie C. v. Hbfler, Hergenrother als ein besonders frivoler Ausfall Luthers gegen
Aleander behandelt; in gleichzeitiger deutscher Fassung wiedcrgegeben im Archiv f. R.-G.
S. 76—81.
*7) Vgl. die beiden Kapitel meiner »Anfange«, Kapitel III: Der Kampf der
Landesuniversitat gegen Luther und Erasmus, und V: Die Verdrangung des Erasmus
aus den Niederlanden, sowie meine Untersuchung in dem von \V. Friedensburg heraus-
gegebenen Archiv ftir Reformationsgeschichte, Bd. I (Berlin 1903), S. 1 — 83: Die Ver-
mittlungspolitik des Erasmus und sein Anteil an den Flugschriften der ersten Refor-
mationszeit. — Uber die spateren Beziehungen des Erasmus zu Dlirer als Ktinstler vgl.
H. Grimm in »Cber Ktinstler und Kunstwcrke«, 2. Jahrg. Berlin 1867, S. 135 ff.
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358 Paul Kalkoff:
durch die ersten Anzeichen eines untlberwindlichen Widerstandes als ab-
gestofien durch die schroffer und verwegener werdenden Schriften des
Reformators, von der Teilnahme am Kampfe sich zurlickzuziehen be-
gonnen hat. Denn der erstere Grund war der entscheidende; Luthers
Mafllosigkeit in Schriften wie die Babylonische Gefangenschaft, die iiber-
dies erst nach dem Eintritt der kritischen Wendung in der Haltung des
Erasmus erschienen, nahm er dann mehr zum Vorwand, seine Zurtick-
haltung und vorgebliche Indifferenz zu erklaren, als dafi er, der schonungs-
lose Spotter, wirklich an manchen Auswtichsen der lutherischen Polemik
Anstofi genommen hatte, liber die man sich heutzutage so gem zu ent-
setzen pflegt. Es ist mir nun gelungen nachzuweisen, dafi eine der
klihnsten und zugleich raffiniertesten Kampfschriften, die das
Erscheinen der Verdammungsbulle hervorrief und in der nichts geringe-
res unternommen wird, als die schon in vollem Zuge begriffene Ver-
offentlichung und Vollziehung des papstlichen Urteils zugunsten eines
von den machtigsten Reichsfiirsten zu unterstlltzenden schiedsrichterlichen
Austrags zu unterbrechen auf Grund der rechtlichen Fiktion, dafi die
Bulle nach Form und Inhalt gefalscht oder erschlichen und ihr Trager
Aleander ein nicht rite bevollmachtigter Nuntius sei, von Erasmus
herruhrt, der sie sogleich nach der Aachener Kronungsfeier auf dem
Fiirstentage zu Koln zugleich mit eingr Reihe von ihm beeinflufiter Sa-
tiren und politischer Denkschriften anonym erscheinen liefi28), wahrend
er zugleich in personlichem und brieflichem Verkehr mit den Kurfiirsten
und kaiserlichen Raten, mit Sekretiiren der Flirsten und Stadte, mit
a8) Weber (S. 420) glaubte meinen Hinweis (Repert. XX, S. 449), dafi Dtirer in Ant-
werpen rait den ausgesprochen lutherischen Augustinern und sonst mit keinem andem be-
kannten Kleriker verkehrte, durch die Bemerkung zu entkriiften, dafl »zu dicsen doch auch
der berlihmte Er. v. R. und der Dechant Jakob de Bannissis gehortenc. Was der Ver-
kehr gerade mit Erasmus, dem vom Ordenszwang dispensierten Augustiner-Chorherrn,
damals zu bedeutcn hatte, ist nun freilich ganz das Gegenteil von dem, was Weber mit
seiner Replik beweisen mochte; noch ungliicklicher aber ist der Hinweis auf Bannissius,
denn seine Eigenschaft als Dekan v. U. L. Frauenkirche zu Antwerpen verdankte der
alte kaiserliche Sekrctiir und Diplomat nur einem der anstofiigsten Mifibrauche der
alten Kirche, der Versorgimg kurialer oder weltlicher Politiker mit den Einktinften
hoher Pfrlinden auf Kosten der betroffenen kirchlichen Stiftungen: so war de Bannissis
der Antwerpener Hauptkirche auf Betrieb des Kaisers durch piipsdichen Machtspruch
aufgedningt worden gegen den vom Kapitel gewiihltcn Theologen Adrian von Utrecht,
den spiiteren Papst; es gab einen langen, iirgerlichen Prozefi, der zugunsten des Ein-
dringlings entschieden wurde (Diercxsens, Antverpia Christo nascens III, 266 sq. 36S sqq.)-
Aber noch 1524 beklagte sich das Kapitel in Gemeinschaft mit dem Magistrat bitter
bei Clemens VII., dafl ihre Kirche durch die Abwesenheit des Dechanten J. B. grofien
geistlichen Schadcn leide und bat, ihn zur Residcnz oder zur Resignation zu zwingen;
doch vergcblich. P. Balan, Monumenta saec. XVI. hist. ill. vol. 1., Innsbruck 1S85, p. 41 sq.
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Zur Lebensgeschichte Albrecht Diirers. 3 eg
humanistischen und theologischen Schriftstellern, mit weltlichen und geist-
lichen Politikern seinen ganzen weitreichenden Einflufi aufbot, urn der
drohenden Vernichtung Luthers und seiner Lehre noch einmal den Weg
zu verlegen: und zwar tat er es in der ausgesprochenen Absicht, durch
Zeitgewinn — denn dafi dieses Schiedsgericht ein praktisches Mittel zur
Losung der ungeheuren Schwierigkeiten, zur Eindammung der von ihm in
ihrer Tragweite ganz richtig abgeschatzten Bewegung sein wtirde, hat er
selbst nicht geglaubt — den Sieg der reform atorischen Ideen zu sichern.
Wenn nun Dtirer in seiner Klage um Luther sich bitter beschwert
liber »die falsche blinde Lehre«, die von dem »unchristlichen
Papsttum« »erdichtet und aufgesetzt wurde, dadurch uns das gottliche
Wort an viel Enden falschlich ausgelegt wird oder gar nichts fiirgehal-
ten«; wenn er dem »Locken« dieser Stimmen, »der Menschen Wahn«
nicht folgen will, und nicht »der romischen«, sondern nur der Kirche
Christi, die » durch Beschwerung und Geiz der Papste, durch heiligen
falschen Schein zertrennt worden ist«, so klingen uns diese Gedanken
und ihre Form lutherisch : in jenen Monaten aber, als Diirer mit dem
damals gewaltig erregten Erasmus verkehrte, waren sie zugleich eras-
misch29), und nur so erklart es sich, wie das empfangliche Gemiit des
Kiinstlers bei der Kunde von Luthers Verschwinden seine zuversichtliche
Hoffnung auf Erasmus als den zurn aufiersten entschlossenen »Ritter
Christi « setzen konnte, der das angefangene Werk selbst mit Ubernahme
des Martyriums fortfiihren werde, wahrend uns nur die spatere vorsichtige
Zurtickhaltung des greisen Gelehrten, seine angstliche Verwahrung gegen
so gefahrlichen Ehrgeiz vor Augen steht. Damals aber rief er am Schlufi
seiner Flugschrift dem deutschen Volke Worte zu, die, im Verkehr mit
Diirer gewifi mehr als einmal anklingend, jenen Nachhall in seiner Seele
hinterlassen haben: er beginnt mit einem in gleichzeitigen Briefen oft
wiederholten Lieblingssatze: »Es ist leicht, den Luther aus den Biblio-
theken zu entfernen, aber es ist nicht leicht, ihn aus den Herzen und
Gemiitern der Menschen zu reifien, wenn nicht seine unwiderleglichen
Beweise widerlegt werden, indem der Papst das Gegenteil mit dem Zeug-
nis der heiligen Schrift erweist. Man hat die Welt lange genug mit
Schein und Gleisnerei betrogen: sie will aber hinfort belehrt und unter-
wiesen werden. Die Geister sind darauf vorbereitet, sich durch die
Wahrheit lenken zu lassen, durch Biicherbrande konnen sie nicht mehr
geschreckt werden. Und die Wahrheit wird doch nicht unterdriickt,
wenn auch Luther unterdriickt werden sollte.«
Und nun erwage man bei der Wurdigung dieser kiihnen Sprache,
a9) Auch Dtirer weilte an diesem Tage noch in Kuln.
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360 Paul Kalkoff:
dafi, wenn auch diese Schrift anonym erschien, Erasmus doch durch eine
dem gleichen Zwecke dienende und mit denselben Mitteln schon in den
Niederlanden, in Lowen und Antwerpen betriebene Agitation sich bereits
bei den Zutragern Aleanders, den Ordensbrlidern Hochstratens, bei seinen
ihm feindlich gesinnten akademischen Genossen so verdachtig gemacht
hatte, dafi ihm der Nuntius in Koln seine verwegene Anfeindung der
Bulle, nach deren Wortlaut jeder Versuch, ihre VerofTentlichung und
Vollziehung zu hindern, die excommunicatio latae sententiae nach
sich zog, ausdriicklich zum Vorwurf machte. Ja, seine theologischen
Kollegen hatten schon, ganz abgesehen von wlitenden Angriffen, die in
Predigten der Karmeliten und Dominikaner gegen ihn gerichtet wurden,
die Konsequenz daraus gezogen, dafi sie ihn, der bisher als Professor
ihrem Kreise angehort hatte, von Beschltissen der Fakultat nicht mehr
in Kenntnis setzten, ihn zu den Sitzungen nicht mehr einluden und ihn
jedenfalls tatsachlich aus dieser Korperschaft ausschlossen.
Man wird demnach zugeben, dafi Erasmus, der im Machtbereich des
burgundisch-spanischen Regiments in weit gefahrlicherer Lage war als
Luther unter dem Schutze seines Kurfursten, schon viel, sehr viel gewagt
hatte, als die trotz seiner heifien Bemuhungen von Aleander durchgesetzte
erste Verbrennung der lutherischen Schriften auf deutscher Erde, die in
Koln am 12. November vollzogen wurde,3°) ihn zum Riickzuge notigte.
Und wenn er nun auch von jetzt an in seinen Schreiben an politisch
einflufireiche Personen sich gegen den drohenden Gegenschlag zu decken
suchte, indem er jcde Gemeinschaft mit Luther in Abrede stellte, so hat
er doch in vertraulicheren Briefen und noch mehr im Antwerpener
Freundeskreise, in dem er in den nachsten Monaten bis Ende April
lange \erkehrte31), vorerst noch dieselbe Sprache geflihrt und jeden Schritt
seiner Gegner mit scharfer Kritik und lebhaften Protesten begleitet Und
so wie diese, um ihn zu verderben, in jenen Tagen den Nachweis zu
fuhren pflegten, dafi Luther eben nur ein Erasmianer sei, so kann man
3°) Nach Lowen ist Erasmus nur mehr zu vorubergehendem Aufenthalt zuriick-
gekchrt; mit dem Frllhjahr 1521 siedelte er nach Anderlccht bei Brlissel tiber. — Vgl.
etwa die Briefe dcs Erasmus an den Priisidenten des Gerichtshofes von Holland, Nik.
Everards, der erste geschrieben auf der Durchreise in Mecheln, c. Ende Marz, der
andere aus Antwerpen vom 17. April (Er. opp. Ill, col. 1697 sq.)
31) Lange-Fuhse S. 164, Z. 291!. Die Verwandtschaft ihrer religioscn Anschau-
ungen hat ja Paul Weber in seiner uberzeugenden Studie tibcr »Diirers Weltanschauung*
(Strafiburg 1900), bes. in Kap. II, »D(irers Reiter und das Handblichlein des christlichen
Ritters von Erasmus v. R.« nachgewiesen. Das Buch ist eine l^efreiende Tat. — Zu S. 102
vcrmerkc ich, daQ die (3ratio Constantii Eubuli nicht von Hutten, sondern von dem
Schk'ttstadter Pfarrer Phrygio herriihrt (»Anfange« 11, S. 47 f. und meine Arbeit iiber
Wimpfeling in der Ztschr. f. d. Gcsch. d. Oberrheins N. E. XIII, S. 275 f.).
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Zur Lebensgeschichtc Albrccht DUrers. 361
auf Grund der freundschaftlichen Beziehungen, die unser grofier Ktinst-
ler mit dem gerade im personlichen Umgang so unendlich fesselnden
Gelehrten unterhielt, sehr wohl behaupten, dafi auch Durer dauials
nicht minder Erasmianer wie Lutheraner war.
Wie nahe sich aber gerade in jenen Tagen, als die Nachricht von
der verraterischen Gefangennahme Luthers das Gemlit Diirers aufs tiefste
erschtitterte, die beiden in der Richtung ihrer Gedanken beruhrten, mag
man schliefilich aus einem Zuge entnehmen, der, jedoch in charakteristi-
scher Verschiedenheit, in ihren gleichzeitigen schriftlichen Aufierungen
sich reflektiert:
Diirer schreibt am 17. Mai nach einem Appell an Erasmus als den
Streiter Christi, der nun hervortreten, die Wahrheit beschiitzen und der
Miirtyrer Krone erlangen moge, in sein Tagebuch: »Du bist doch sonst
ein altes Mannchen; ich hab von dir gehort, dafi du dir selbst noch
zwei Jahre gegeben hast, die du noch etwas zu leisten taugest. Die lege
wohl an, dem Evangelium und dem wahren christlichen Glauben zu Gut«
— und in schwarmerischer Begeisterung sieht er schon den Freund mit
der Glorie des Blutzeugen verherrlicht, einen zweiten David in sieg-
reichem Kampfe mit den Pforten der Holle, dem romischen Stuhl als
einem trotzigen Goliath, und schliefit sein Gebet mit einer apokalypti-
schen Vision, so die kirchenpolitische Situation in die ihm gelaufigen
kunstlerischen Anschauungen ubertragend.
Erasmus aber schreibt am 24. Mai aus Antwerpen an seinen Gonner
William Warham, Erzbischof von Canterbury 32): »Ein langeres Leben lehne
ich nicht ab, aber ich bin auch nicht mit angstlichem Wunsche darum
besorgt; nur so lange mochte ich noch dauern, dafi es mir gelange, die
Herzen der Menschen noch lebhafter mit dem Verlangen nach der reinen
Lehre Christi zu erfullen. Durch dieses Streben hoffe ich grofiere Gnade
bei Jesu, unserm Herrn, zu erlangen, als wenn ich die Stufen der Peters-
kirche33) dreimal mit nackten Knien hinaufrutschte.«
Wahrend nun Erasmus dank der Elastizitat und Versatilitat seines
Geistes, obwohl er zeitlebens den Groli gegen Aleander im Herzen trug,
der ihn in jenem Jahre auf die Folter gespannt, gedemtitigt und zur
Flucht aus der Heimat gezwungen hatte, sich immer besser in die Rolle
eines doch nicht ganz auf seine kritische Selbstandigkeit verzichtenden
Verteidigers der alten Kirche hineinfand — wahrend der aristophanische
3*) D. Erasmi R. epistolac ad diverse* etc. Basileae 1521, p. 546 sq.
33) Er meint nattlrlich die scala Lateranensis, die 28 Stufen vor der Kapelle
Sancta Sanctorum, und die mit reichen Ablassen belobnte Vrerrichtung der preces gra-
duales (J. Kostlin, Martin Luther, 5. Aufl. von G. Kawerau, Berlin 1903, Bd. I., S,
98, 749)-
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362 Paul Kalkoff: Zur Lebensgeschichte Albrecht Dtlrers.
Spotter Pirkheimer die ihm angetane Schmach des Widerrufs34) mit
trotzigem Ingrimm empfand und nur eben auflerlich, um der argsten
Blamage auszuweichen, dem innerlich iiberwundenen Glauben anhing,
hat der gemlitstiefe, schlicht aufrichtige Diirer, dessen bisher vielfach
iiberschatzte intellektuelle Fahigkeiten ihm eine freiere Stellungnahme
gegeniiber den theologischen Streitfragen nicht gestatteten, der aber die
sittlichen und mystischen Grundzuge der lutherischen Lehre weit riick-
haltloser und inniger sich angeeignet hatte, als jene grofien Dialektiker,
durch die in den folgenden Jahren ihm aufgezwungene Zuriickhaltung
sich schwer bedrlickt geflihlt: der vorsichtige Rat des verbitterten Pirk-
heimer, die Rlicksicht auf die eine moglichst korrekte politische Haltung
anstrebenden »Herren« von Niirnberg, der selbst eine so freudige Be-
kennernatur wie Spengler Rechnung tragen mufite, die Abhangigkeit des
armen Malers von der Gunst der habsburgischen Briider, die dem kran-
kelnden Manne durch Entziehung seines sauer verdienten Leibgeding-
briefes jederzeit einen harten Schlag versetzen konnten — Ferdinand
weilte selbst langere Zeit in Niirnberg, und man gab liberdies im katho-
lischen Lager schon scharf acht auf Abtriinnige, die man durch materielle
Mittel in Abhangigkeit erhalten zu konnen glaubte — , alles das benahm
ihm nun jene Freudigkeit und Ktihnheit des miindlichen Bekenntnisses
und liefi ihm nur noch die melancholische35) Klage, wie er und
seine Gesinnungsgenossen »um des christlichen Glaubens willen in Schmach
und Gefahr stehen miifiten, denn man schmahe sie nun als Ketzer«.36)
So ist er denn zwar in dem Verzicht des durch die Ubermacht der Ver-
nal tnisse bedrangten Mannes auf orTenes Bekenntnis, auf miindliche
Propaganda dem Beispiel vieler »Erasmianer«, besonders auch seiner
Antwerpener Freunde wie Grapheus und Agidius gefolgt, im Herzen aber
hat er, wie eben jener Brief von 1524 beweist, nicht aufgehort, sich als
Lutheraner zu ftihlen und fiir den Sieg der reinen Lehre des Evan-
geliums liber »ihre Widerpart, die armen, elenden, blinden Leut«, zu
beten, durch sein ktinstlerisches Schaffen aber auch fernerhin »mit Lust
zu protestieren«.
34) Vgl. mein Programm, Breslau 1896: Pirkheimers und Spenglers Losung
vora Banne.
35) Vgl. die vortrefTlichen Ausflihrungen Paul Webers tiber die der moderaen
Anschauung ganz entsprechende Bcdeutung von Dtlrers »Melancholie«, a. a. O. S. 79 ff.
und das VII. Kapitel »Dic deutsche Melancholie am Vorabend der Reformationc.
36) Im Briefe an Kratzer vom 5. Dez. 1524, Lange-Fuhse S. 71.
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Literaturbericht.
S k u 1 p t u r.
Cornelius von Fabriczy. Medaillen der italienischen Renaissance.
(Band IX der »Monographien des Kunstgewerbes«, herausgegeben von
J. L. Sponsel.) Mit 181 Abbild. Leipzig, Hermann Seemann Nachf.
[1903].
Die mtihevoll im Archiv und am einzelnen Kunstwerk angestellten
Studien einmal zusammenzufassen zu einer von allem beengenden Detail •
befreiten Ubersicht gewahrt die freudige Genugtuung, mit der ein Ar-
chitekt etwa an den Aufrifi seines in alien Teilen durchdachten und be-
rechneten Gebaudes geht. Eine solche gehobene Stimmung liegt liber
dem Buche v. Fabriczys, das nicht nur eine zwanzigjahrige Beschiiftigung
mit dem Gegenstande zu vorlaufigem Abschlufi bringt, sondern auch ein
immer erneutes Entztlcken an der klinstlerischen Schonheit der kleinen
Objekte ausdrtickt.
Eigentlich ist die Publikation in einer Serie von Monographien
des Kunstgewerbes nur unter ein Notdach gebracht. Denn die Her-
stellung der kleinen klinstlerisch gezierten Metallscheiben lag keineswegs
in den Handen einer kunstgewerblichen Industrie. Die Medaillen der
Renaissance sind Kunstwerke schlechthin, aristokratische Einzelerschei-
nungen gegentiber den in plebeischer Vielzahl vom Pragestock gelieferten
Mlinzen. Unter den besorgten Blicken der Kiinstler gehen sie aus
dem Schmelztiegel hervor, die Hand des Ktinstlers glattet, was der Gufi
etwa schuldig blieb, und iiberzieht sie mit einer zwischen braun und
grtin malerisch spielenden Patina. Die Mlinzen dagegen werden von dem
hart geschnittenen Pragestempel, in gefuhlloser Fabrikmafiigkeit herausge-
stanzt und zeigen den gemeinen Glanz des jeweils verwendeten Metalls
ohne alle klinstlerische Verschleierung. Auch sind die Medaillen Ehren-
zeichen, Denkmaler en miniature, bestimmt flir einen Grofien als Aus-
zeichnung, oder flir die vor alien Stiirmen gesicherte Geborgenheit im
Innern eines Grabes, in der Hohlung eines Grundsteins. Sie haben einen
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364 Literaturbericht.
idealen Wert im Gegensatz zu dem Kurswert der Mtinzen. Weitaus der
grofite Teil von ihnen ist in Bronzen erhalten, obwohl Gold und Silber
nicht selten den kiinstlerischen Wert der Gabe nach der materiellen Seite
bin noch erhohen half. Immer aber war dann dem aufdringlichen Glanz
des Edelmetalls durch Kiinstlerhand der protzige Eindruck genommen.
Die hohe Zeit der Gufimedaille ist das 15. Jahrhundert Als im
16. Jahrhundert erfahrene Goldschmiede das Prageverfahren von seiner
Unvollkommenheit und Unzuverlassigkeit befreiten, griff die unvornehmere
Technik liber, und es entsteht die scharfer, aber ohne individuelle Feinheit
gepriigte Schaumlinze, die am Ende des 16. Jahrhunderts die Gufimedaille
verdrangt. Die zunehmende Sicherheit beforderte auch auf diesem Gebiet
die Abnahme des kiinstlerischen Empfindens. Ein Umschwung hat sich erst
in der Gegenwart unter dem Vorgehen franzosicher Kiinstler vollzogen.
Die grundverschiedene Technik des Giefiens und des Pragens gab
dem Verf. das natlirliche Einteilungsprinzip seiner Schrift. Der erste Teil
(S. 1 — 86) behandelt die an den verschiedenen Pflegestatten zwischen
Verona und Neapel beliebte Gufimedaille des Quattrocento; der zweite
(S. 87 — 103) die gepragte Schaumlinze im Cinquecento. Das starke rauin-
liche tJberwiegen des ersten Teiles ist nicht nur gerechtfertigt durch die
grofiere Zahl der Stlicke, sondern auch durch ihren erheblicheren Kunst-
wert. Die politisch verhangnisvolle, ktinstlerisch heilsame zentrifugale Kraft
im Quattrocento kommt auch der Medaillistik zu gute. Uberall stehen die
Meister auf und steigern im Wettbewerb ihr Konnen. So hoch aber im
allgemeinen das Niveau ist, an den Begriinder dieses Kunstzweiges, an
Vittor Pisano, reicht nur selten einer der Spateren noch heran. Keiner
von ihnen hat eine so stolze Folge gleichwertiger Kunstwerke aufzuweisen
wie jener; selbst Niccold Forzore, der in Florenz, dem tatigsten aller Kunst-
zentren, arbeitet, bleibt zurlick, auch wenn man ihm mit Bode noch den
ganzen Vorrat der gleichzeitigen anonymen Meister zuschanzen wollte.
Dies buntgemischte Vdlkchen, das bosselnd iiber den kleinen runden
Wachsscheiben sitzt, hat v. Fabriczy sauber aufgeteilt in ihre jeweiligen
Wirkungskreise, die ihnen zukommenden Stiicke noch einmal kritisch ge-
sichtet, tiber die Lebensdaten der Dargestellten Nachricht gegeben, so-
weit sie zu erhalten war, unci eine Charakteristik der einzelnen Meister
angestrebt. Die bekannten Vorarbeiten von Julius Friedliinder, Armand,
Heifi und v. Sallet boten ihm dazu alles wtinschenswerte Material. Aber
er hat sich nicht bequem innerhalb der von jenen gesteckten Grenzen
wie ein genufifreudiger Spaziergiinger bewegt; er hat sein reiches Wissen
und seine lange Erfahrung in den Dienst der scheinbar bescheidenen
Aufgabe gestellt, hier erweitert, dort enger gezogen und nichts einge-
lassen, was nicht vorher die Zollgrenze seiner Kritik passiert hatte.
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Literaturbericht. 365
Die Frage nach dem Autor mufite ihn naturgemafl am haufigsten
beschaftigen. Ich zahle die wichtigsten Ergebnisse auf, zu denen v. Fa-
briczy gelangt ist.
Vittore Pisa no. Von den drei Bildnissen des L. B. Alberti, die
Venturi kiirzlich dem Meister zugeschrieben hat, erkennt v. Fabriczy nur
das beriihmte ovale Medaillon des Louvre an. Das Exemplar der Bib-
liotheque nationale ist fiir ihn eine gleichzeitige Nachahmung, das bei
Gustave Dreyfufi eine Restitution des 16. Jahrhunderts.
L'Antico. Mit den von ihm bisher bekannten Stiicken stimmen
die Medaillen einer Magdalena Mantuana (dat. 1504), des Herzogs Fran-
cesco della Rovere (nach 15 16), des Marchese d'Avalos und seiner be-
rlihmten Gattin Vittoria Colonna (zw. 1521 u. 1525) iiberein.
Gian Cristoforo Romano soil der Urheber der bisher aus rein
aufierlich-zufalligen Griinden dem Venezianer Vittor Gambello zuerkann-
ten Medaille des jugendlichen Kardinals Domenico Grimani sein.
Gian Marco Cavalli wird fiir die Medaille des Mantuaner
Rechtsgelehrten Francesco Bonatti beansprucht.
Alessandro Vittoria gehoren die vier unbezeichneten Denk-
miinzen auf den bertihmten Arzt Tommaso Rangone (f 1577) an.
Francia? Nur als die Arbeit der »schwereren Hand eines Adepten«
mochte v. Fabriczy die Medaille auf Bernardo Rossi angesehen wissen.
Sie kann erst nach Francias Tode (15 17) entstanden sein, wenn der
Revers sich auf die 15 19 von dem neuernannten Legaten in Ravenna
unterdriickte Anarchie bezieht.
Das Werk Bertoldos wird, wie inzwischen auch Bode getan hat, um
die Medaille Alfonsos von Calabrien bereichert.
Lodovico daFoligno erhalt an Caradossos Stelle die grofie 1470
datierte Sforzamedaille.
Niccol6 Fiorentino. In der grobschlachtigeren Formengebung
der den Kardinal Giovanni Medici darstellenden Medaille mochte v. Fa-
briczy lieber die Hand des Niccol6 Forzore als die des zierlicheren
Maitre a TEspe"rance erkennen.
Adriano Fiorentino. Diesen Meister hat der Verf. erst ganz ktirz-
lich muhsain rekonstruiert (Jahrbuch der Kgl. Pr. Ksts. XXIV, 1903), wobei
denn auch seine Tatigkeit als Medaillist in uberraschender Weise fest-
gestellt werden konnte. Ihm gehoren an: die Medaillen auf Degenhard
Pfeffinger (f 15 19), auf Ferdinand II. von Neapel, auf Gioviano Pontano,
den Geheimschreiber Konig Ferdinands I., auf den Kardinal Camerlengo
Raphael Riario (nach 1483) — eine frtihere von 1478 ist die Arbeit
des Romers Lysippus — und endlich die beiden auf die Herzogin
Elisabetta Montefeltre und ihre Schwagerin Emilia Pia (1495).
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366 Literaturb ericht.
Cristoforo di Geremia gilt hier als Klinstler der Scarampi-
medaille, nicht zuletzt auch, weil der Kardinal nahe Beziehungen zu dem
Kiinstler, seinein »dilecto fameglio« unterhielt
Das Werk des Lysippus bereichert v. Fabriczy um die Medaillen
des Parthenius, Pier Paolo Mellinis, Iesuallus, Kardinals Raphael Riario
(1478 kreiert) und des spateren Protonotars Catelano Casali.
Caradosso wird die grofie gepriigte Medaille von Julius II. auf
Kosten Francias zugeteilt, und ihm werden auch die beiden auf den
Kardinal Scaramuccia Trivulzio angewiesen.
Pollaiuolo und Michel ozzo werden (iberhaupt und mit gutem
Recht aus der Liste der Medailleure gestrichen und ihre Medaillen teils
an Bertoldo, teils an einen Anonyrnen weitergegeben.
Andere neue Ergebnisse der Schrift beziehen sich auf die Datie-
rung gewisser Medaillen. So werden z. B. die Medaillen Karls V. und
Franz I. von Gian Maria Pomedello in das Jahr 15 17 zur Feier
des Friedenschlusses, der Verona befreite, datiert. Die Schaumunze des
Federigo Montefeltre von Paolo da Ragusa, die den beruhmten Con-
dottiere noch ohne das zerbrochene Nasenbein darstellt, wird mit ein-
leuchtenden Griinden gegen die Autoritat Friedlanders ins Jahr 1450 ge-
setzt, als Federigo Befehlshaber der napoletanischen Heere wurde. Die
zweite Medaille des gleichen Kunstlers auf Konig Alfons von Neapel
wird, da sie »in Grofie, Stil und Schrift der vorigen ganz analog* er-
scheint, nicht mehr fur eine Restitution, sondern ftir ein Abbild nach
dem Leben angesehen, ungefahr um dieselbe Zeit verfertigt Dagegen
halt v. Fabriczy die Alfonsomedaille des Cristoforo di Geremia fur eine
Restitution nach dem Vorbild der Montefeltremedaille des Clemens Urbinas.
Die grofie, im Goethemuseum zu Weimar befindliche Schaumtinze auf
Ercole II d'Este, die Cellini nach eigener Aussage 1540 fertigte, ist der
Originalabgufi des nicht einmal ganz vollendeten Wachmodells.
Dies mag gentigen, um zu zeigen, welche Anregung die strenge
Forschung dem Buch, dessen Zweck zunachst eine populare Belehrung
sein soil, entnehmen kann. Das Abbildungsmaterial — Netzatzungen
nach Gipsabgiissen — ist durchaus hinreichend und ersetzt fiir manchen
Fall die schwerzugangliche und unhandliche Publikation von Heifi.
Rechten liefie sich mit dem Verf. gelegentlich tiber die Charakteristik
gewisser Kiinstler, wie Matteo de Pasti, Sperandio, Cellini. Die feurige
Begeisterung der Weimarer Kunstfreunde ist da wohl ebenso tiber das
Mali hinausgegangen wie hier das scharf geaufierte Mififallen, das sich
einmal, Cellini gegeniiber, sogar zu bissigem Spott hat hinreifien lassen.
Hans Mackou'sky.
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Literaturbericht. -767
M a 1 e r e i.
Girolamo Mancini. La vita di Luca Signorelli. Firenze, Carnesecchi
1903, XVIII und 259 S. gr. 8° mit 81 Illustrationen in Lichtdruck.
Es ist die erste Monographic iiber den grofien Meister von Cortona,
die uns hier seit Dom. Mannis Vita (Milano 1756) in italienischer Sprache
geboten wird, — zugleich die einzige, die — mag man auch des ge-
nannten Autors Verdienste um die Berichtigung mancher Versehen Vasaris
gebuhrend anschlagen — auf der Hohe moderner Forschung steht. Ihr
Verfasser ist den Freunden der Kultur und Kunst der Renaissance seit
langem wohlbekannt. Verdanken sie ihm doch die bisher beste Biographie
L. Batt. Albertis und die Herausgabe seiner ungedruckten Schriften, sowie
von Gellis Vite d'artisti, ferner die Lebensbeschreibung Lorenzo Vallas,
die grofle Urkundensammlung zur mittelalterlichen Geschichte seiner
Heimat Cortona und als Supplement dazu, aus ihren Daten geschopft,
die Schrift: II contributo dei Cortonesi alia Cultura italiana (Firenze 1898),
die auch samtliche, auf urkundlichen Grundlagen beruhende Nachrichten
iiber Kunst und Kiinstler Cortonas enthalt und deshalb fur uns von be-
sonder Bedeutung ist In alien diesen Arbeiten bewahrt sich Mancini
als hochst gewissenhafter, uberall auf die Quellen zuriickgehender Forscher,
dessen geradezu einzige Kenntnis der Geschichte und Kultur seiner Vater-
stadt ihn auch fur die Losung der Aufgabe als vorziiglich geeignet er-
scheinen laflt, die er sich in seinem jlingsten Buch gesetzt hat. Wenn
wir hierbei etwas bedauern miissen, so ist es der Umstand, dafi der Ver-
fasser sich begntigt hat, blofi die Nachweise fur seine auch in diesem
Falle durchaus auf urkundlichen Grundlagen aufgebaute Darstellung zu
verzeichnen, ohne auch den Text wo nicht aller, doch wenigstens der
bedeutendsten Belege — wozu wir vor allem die Testamente des Meisters
rechnen — abzudrucken. Ein zweites, was wir an dem Buche vermissen,
ist das chronologische Verzeichnis der Werke seines Helden. Dank den
zahlreichen urkundlichen Vermerken, die wir dafiir besitzen, hatte es in
ziemlicher Vollstandigkeit aufgestellt werden konnen und wtirde die Be-
nutzbarkeit der schonen Arbeit wesentlich gefordert haben. Damit sind
wir aber auch mit unsern Ausstellungen am Ende und mochten nun im
folgenden einiges davon, was uns Mancini neues bringt, hervorheben.
Gleich zu Beginn wird die Angabe Vasaris, Signorellis Mutter sei
die Schwester seines Vorfahren Lazzaro Vasari gewesen, als irrig erwiesen.
Wir kennen ja die Schwache des Aretiner Biographen, sich der Ver-
wandtschaft und Freundschaft mit grofien Ktinstlern zu ruhmen, und so
mag vielleicht eine entfernte Familienbeziehung sich bei ihm zu der
falschen Behauptung verdichtet haben. Ebenso ergeht es dem aus Vasaris
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368
Literaturbericht.
Daten sich ergebenden GeburtsjahreSignorellis(i439). Von den durch unsern
Verfasser dagegenvorgebrach ten Griindensind die schwerwiegendsten: i.dafi
Lucas Vater 1439 erst 20 Jahre zahlte, also schon mit 19 geheiratet
haben sollte, 2. dafi Luca, als er Piero della Francesca an dessen um
1460 — 1466 ausgeftihrten Fresken in S. Francesco zu Arezzo half, schon
21 — 27 Jahre gezahlt haben miifite, also nicht niehr der ganz junge Lehrling
hatte sein konnen, als den ihn Vasaris aufftihrt, und 3. dafi Luca, als er 1472
laut Vasaris Aufgabe zuerst mit selbstiindigen Arbeiten in Arezzo hervortrat,
schon ^^ Jahre alt gewesen sein mufite — eine fur einen so begabten
Ktinstler doch unwahrscheinlich spate Betatigung. Diese Griinde veranlassen
unsern Verfasser, das Geburtsjahr Signorellis etwa 10 Jahre spater, also
um 1450 anzunehmen, wonach dann nicht blofi die obigen Daten sich
mit grofierer Wahrscheinlichkeit seiner Biographie einfiigen, sondern auch
die Lebensdauer des bis in sein letztes Jahr noch mit grofien Altarbildern
beschaftigten Meisters sich — plausibler als mit Vasaris 82 Jahren —
mit 72 Jahren bestimmt. Ebenso wird mit der von Delia Valle auf-
gebrachten und noch von dem jiingsten Annotator Vasaris beibehaltenen
Angabe, Luca habe in Orvieto einen nattirlichen Sohn Polidoro besessen,
aufgeraumt und urkundlich bewiesen, der »muratore« dieses Namens habe
nichts mit Luca zu tun, da er schon ftinf Jahre vor dessen Ankunft in
Orvieto das Amt des stiidtischen Schatzmeisters bekleidete. — Wo wir
dem Verfasser nicht folgen konnen, ist in der aus ganz oberflachlicher
Ahnlichkeit der Landschaft und ArchitekturstafTage hergelciteten Zuteilung
des bekannten Tiberius Gracchus der Galerie zu Budapest an Pinturicchio:
ihr widerspricht durchaus der Charakter der Hauptgestalt selbst Eben-
sowenig scheint uns aber auch die von anderer Seite vorgeschlagene Zu-
weisung an Nice. Alunno zuzutreflfen, fiir die die Analogie einiger
StarTagefiguren mit solchen in der diesem Meister zugehorigen Predella
im Louvre vorgebracht wird. Wir setzen den Maler des Tiberius
Gracchus in die unmittelbare Nahe Signorellis (Francesco Signorelli:).
Interessant ist, was der Verfasser bei Gelegenheit der Besprechung von
Signorellis Sixtinafresken liber die Personlichkeit des Bartol. della Gatta
beibringt. Durch die Auffindung einer Urkunde ist jiingst sein wahrer
Name Don Piero d' Antonio Dei da Firenze bekannt geworden (Crowe
und Cav. ital. Ausgabe VIII. 539). Nun hat aber Mancini in den Ver-
zeichnissen der Monche des Klosters S. Maria degli Angeli, in dem unser
Meister seine Gelubde abgelegt hat, diesen Namen nicht, wohl aber den
eines Don Pierino d' Antonio della Fioraia mit dem Zusatze set dipoi
si parti et andonne pell' ordine« gefunden. Das wtirde auf den Kiinstler
passen und es bliebe hiernach unbestimmt, ob er der Familie Dei oder
Delia Fioraia angehort habe. Fiir die Ausmalung der beiden Sakristeien
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Literaturbcricht. 3 6 9
zu Loreto durch Melozzo und Signorelli allegiert Mancini, statt des daftir
bisher angenommenen Datums von c. 1478, das Jahr 1488. Damals
besuchte der Kardinal Girolamo Basso zum erstenmal seine Diozese und
wird wohl die Ausmalung angeordnet haben. Die Betrauung Signorellis
scheint naturgemafl die Bekanntschaft der Kardinals mit dessen Fresken
in der Sixtina (1483) vorauszusetzen; und von Melozzo steht urkundlich
fest, dafi er 1477 — 1481 in Rom beschaftigt war. So hat denn Mancinis
Annahme alle Wahrscheinlichkeit fur sich. Fiir das Berliner Pansbild ist
unserm Verfasser die ansprechende Deutung Roger E. Frys entgangen
(Repertorium XXVI, 261). Ob das hier zuerst fiir Signorelli in Anspruch
genommene kleine Triptychon der Domsakristei zu Volterra auch sicher
ihm angehort, entzieht sich unserm Urteil, da es uns unbekannt ist. Die
herrliche Verktindigung am gleichen Orte verdankt ihre Inspiration kaum
— wie Mancini will — der Annunziata Giov. Santis in der Brera: nur
die Architekturstaffage hat in beiden Gemalden Ahnlichkeit, sonst sind
beide Kompositionen wesentlich verschieden. Raffaels Christus am Kreuz
zwischen Heiligen ist nicht mehr im Besitz Lord Dudleys, sondern vor
einigen Jahren in den Mr. Monds tibergegangen (S. 83); die weibliche
Heilige Signorellis in der Sammlung Poldi Pezzoli ist nicht S. Lucia,
sondern S. Barbara, wie der Turm im Hintergrunde beweist (S. 94); die
Vita inedita di Raffaello, Roma 1791, hatte nicht (wie S. 143 geschieht)
als Quellenschrift zitiert werden sollen, nachdem A. Springer sie als
Falschung ihres Herausgebers Comolli erwiesen hat (s. Repertorium V, 357).
Der Gegenstand des einen der beiden untergegangenen Wandbilder Signo-
rellis fiir Pal. Petrucci in Siena war die Verleumdung des Apelles
nach Lukians Beschreibung (nicht wie S. 147 angegeben wird Konig
Midas); von den beiden erhaltenen befindet sich der Coriolan nicht
auch in der National Gallery, sondern unseres Wissens in der Galerie
zu Liverpool (eine Replik besitzt Mr. Mond; Nummer 911, unter der
Mancini das Bild aus dem Katalog der National Gallery anfiihrt, ist
Pinturicchios Penelope). Die S. 150 erwahnten Zeichnungen aus dem
venezianischen Skizzenbuch hatten nicht als Werke Raffaels qualifiziert
werden dtirfen: soviel steht heute wenigstens fest, dafi er bei jenem
Taccuino die Hand nicht im Spiele gehabt hat. S. 173 berichtet unser
Verfasser, es befinde sich in Casa Ginori noch heut ein Replik des
jttngst von dort in die Pinakothek zu Mlinchen gelangten Tondos. Es
kann sich dabei wohl nur um eine Kopie handeln, die der Besitzer von
dem Original anfertigen liefi. Was das zweite ehemals im Besitze Ginori
befindliche Bild betrifft, dessen Verbleib Mancini nicht nachweisen kann,
so ist dies nichts anderes als das schon von Knapp (Piero di Cosimo,
Halle 1899, S. 65) als Werk Pieros di Cosimo erkannte Rundbild, das
Repertorium fur KunctwUsenschaft, XXVII. 25
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37o
Literaturbericht.
vor einigen Jahren an Th. Lawrie in Glasgow verkauft, von ihm 1899
an die Strafiburger Galerie abgetreten wurde. Interessant ist der Nach-
weis, dafi die aus Montepulciano in die Uffizien gelangte Predella
No. 1298 zu einein an genanntern Orte in der Kirche S. Lucia noch
vorbandenen, aber bisher nicht als Signorelli erkannten Bilde der Ma-
donna gehort habe (S. 177); wichtig die Berichtigung zu Vasari III, 695
n. 3, wonach die jetzt im Chor des Doms zu Cortona hangende Kon-
zeption nicht eine Arbeit Zaccagninis, sondern das fur den Hochaltar
der Kathedrale 15 19 — 21 von Signorelli gemalte Bild sei.
Audi aufierlich prasentiert sich das vorliegende Werk als einfach
vornehme Leistung des italienischen Buchdruckes. Der klare Satz auf
glanzlosem weifien Papier wirkt im Gegensatz zu dern bei uns leider
iiberhandnehmenden Gebrauch satinierten Papiers wahrhaft wohltatig; die
Qualitat der Illustrationen ist durchaus befriedigend, zum Teil sogar iiber
das gewohnte Mittelmafi hinausgehend. C. v. Fabrkzy.
Kunsthandwerk.
Gustav Jacoby. Japanische Schwertzieraten. Beschreibung einer
kunstgeschichtlich geordneten Sammlung, mit Charakteristiken der
Ktinstler und Schulen. Mit 37 Tafeln in Heliogravure. Verlag von
Karl W. Hiersemann, Leipzig 1904. Je 1 Bd. Text 40 und Tafeln fol.
Gegentiber den Problemen der japanischen Kunstgeschichte sind
wir Europaer arg in Verlegenheit. Die japanische Sprache und ihre
Schriftzeichen bilden bekanntlich fur sich allein eines der schwierigsten
Studiengebiete. Wenn es gilt, altere Texte zu entziffern, ist selbst der
gebildete Japaner oft unsicher. Dringt der europaische Kunstgelehrte,
sei es allein, sei es mit Hilfe schriftkundiger Japaner, bis zu den
Quellenwerken vor, so findet er zahlreiche, sehr eingehende Kunsder-
geschichten voller Namen, Stammbaume und Daten; allein er hat wenig
Anhalt daftir, wie er die geschichtliche Wahrheit und die Kiinstler-
legende scheiden soil. Die Kunstwerke selbst sind teils in den japani-
schen Tempeln, Schatzhausern und Privatkammern verborgen, teils liber
drei Weltteile zerstreut Es ist ungemein schwer, sie mit den Scbrift-
quellen in sicheren Einklang zu bringen. In der japanischen Kunst ist
die tiberlieferung machtiger als irgendwo. Ganze Schulen leben davon,
die Art und die Werke der bertihmten Meister zu wiederholen. Deren
Namen und Zeichen flihren die Spateren ohne Bedenken fort; auch die
absichtliche Falschung blliht. Es kommt hinzu, dafi das Auge und das
Urteil des Europaers sich dem Auge und dem Urteil des Japaners nur
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Literaturbericht.
371
sehr schwer anpassen. Es ist daher keine Unbill, wenn man alle euro-
piiischen Bemtihungen urn die japanische Kunstgeschichte skeptisch ansieht.
Indessen werden wir doppelt dankbar sein, wenn im Bewufitsein
aller dieser Hemmnisse der ernstliche Versuch gcmacht wird, dieses oder
jenes Gebiet der japanischen Kunst kritisch zu kliiren. Vor allem wir
Deutsche, die wir iin Sammeln und Erforschen ostasiatischer Kunst hinter
den Franzosen, den Englandern und den Amerikanern so lange zuruck-
geblieben sind. Heute haben wir die Freude, ein deutsches Werk an-
zuzeigen, zu dem ein zielbewufiter Sammelfleifi und ein griindlicher
Wissendrang gleich viel beigetragen haben.
Die Schwertzieraten sind bekanntlich eines der anziehendsten Ge-
biete des japanischen Kunsthandwerks. So lange jeder Japaner von
Stand Wafifen trug, sind die Stichblatter (Tsuba), die Beschlagstlicke
des Griffes (Fuchi-Kashira und Menuki), die Messer (Kodzuka) und
Schwertnadeln (Kogai) in den verschiedensten Metalltechniken und mit
den mannigfachsten Motiven verziert worden. Die Motive allein sind
so anziehend und lehrreich, dafi Justus Brinckmann die grofie Sammlung,
die er im Hamburgischen Museum vereinigt hatte, zunachst nur nach
ihnen ordnete. Die Schulen und Meister zu berticksichtigen, ward erst
moglich, als Japaner die betreflfenden Quellenschriften aufsuchten.
T. Hayashi in Paris hat das Verdienst, 1894 in dem Katalog der kleinen
Sammlung, die er dem Louvre gcschenkt hatte, den ersten Versuch einer
historischen Ordnung gemacht zu haben. Auf Brinckmanns Anregung
hat sein Assistent Shinkichi Hara in Hamburg die 42 Quellenwerke
(das alteste von 1692), die ihm zuganglich geworden sind, durchgearbeitet
und nach funfjahrigen Miihen 1902 das grundlegende Buch »Die Meister
der japanischen Schwertzieraten « veroffentlicht. Danach ist in Hamburg
eine zweite Sammlung des Museums historisch geordnet worden.
Inzwischen hat Herr Gustav Jacoby in Berlin durch jahrelangen
Fleifi und ansehnliche Opfer eine nach Zahl und Qualitat glanzende
Sammlung von Schwertzieraten vereinigt. Im Einvernehmen mit Sh. Hara
hat er durch weitere Quellenforschung und kritische Sichtung der Tech-
niken und Schulen das schwierige Gebiet vertieft, die Schulen scharfer
umrissen, neue Gruppen zusammengeschlossen. In der bescheidenen
Form eines Kataloges seiner Sammlung, als einleitenden und beschrei-
benden Text zu dem stattlichen Tafelbande, gibt er eine eingchende
Ubersicht iiber die Geschichte dieser Kunst. Unter den mehr als funfzig
Gruppen, die er charakterisiert, sind teils die Werke und Schulen be-
stimmter Meister, ihrer Jiinger und Nachfolger, teils Gruppen, die sich
auf bestimmte Stadte oder Landschaften zuriickflihren lassen, teils tech-
nische Verfahren besonderer Art. Es ist erklarlich, dafi diese Merkmale
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372
Literaturbericht.
oft ineinander fliefien; der Verfasser selbst ist sich dartiber klar, dafi
man noch am Anfang der Forschung steht und weitere Einzelunter-
suchungen, Funde von Quellenschriften, die Entdeckung weiterer mit
Namen bezeichneter Stiicke u. a. m. noch manche Aufklarung bringen
werden.
Es ist nicht moglich, hier die vielen Schulen einzeln aufzuzahlen.
Sie sondern sich vor allem in zwei grofie Gruppen: die Meister der
eisernen Stichblatter (Tsuba-Meister) und die Ziseleure, die vorwiegend
in legierten Metallen (Bronze u. a.) arbeiten und aufier den Stichblattern
besonders die (ibrigen Verzierungen der Schwerter fertigten. Die Eisen-
schneider, die mit ihren Durchbrechungen und ihren flachen Modellie-
rungen das Grofite in dieser Tcchnik geleistet haben, sind zum Teil aus
den Plattnern, den Herstellern der Rtistungen, hervorgegangen, wie die
Miochin-Familie, zum Teil aus den Schwertfegern, die die wundervollen
Klingen fertigten (so die Umetada-Familie). Dafi die altesten verzierten
Stichblatter erst dem 15. Jahrhundert angehoren, wird mit Nachdruck
betont. Friih hat man in das Eisen gelbes Metall eingehammert (die
Fushimi-Arbeiten). Weitere Gruppen dieser Technik zeigen Muster von
chinesischem Geschmack. Dann wurde der Eisenschnitt mit den ver-
schiedenen Techniken der Ziseleure gemischt.
Unter den Ziseleuren steht die alte Goto-Schule mit der durch
Jahrhunderte reichenden Reihe kunstvoller Meister voran. Sie arbeitet
das legierte Metall zu zierlichen Reliefs aus, besonders gern das schone,
schwarzliche Shakudo. Die Nara-Schule legt dagegen in Eisen Reliefs
aus anderen Metallen ein. Eine dritte grofie Gruppe bildet die Yokoya-
Schule, die Graveure. Sie alle zerfallen in vielerlei nach Meistern,
Orten und Verfahren unterscheidbare Zweige. Technich gesondert sind
die Emailarbeiten der Hirata-Schule. Viele von diesen Verfahren sind
getibt worden, bis beim Einbrechen europaischer Gewohnheiten das
Schwertertragen aufier Ubung kam.
Die anschaulichen Beispiele auf den 37 trefflichen Heliograviir-
tafeln gehoren samtlich der Sammlung des Verfassers an und zeigen einen
hochst wahlerischen, sicheren Geschmack. Wir empfinden dabei, wie
vorteilhaft es ist, wenn ein unabhangiger Sammler sich selber das
Material fur seine Forschungen zu schaffen vermag. Der Typus des
Amateurs, der in Frankreich und England der Kunst und der Kunst-
geschichte so grofie Dienste geleistet hat, ist bei uns noch selten. Wir
dttrfen froh sein, ihn jetzt bei uns im Dienste der japanischen Kunst zu
finden, die soldier Forderung so sehr bedarf. Peter Jessen.
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Literaturbericlit. ■» 7 3
Topographic
Adolfo Avena. Monumenti dell 'Italia meridionale. Relazione
dell Ufficio regionale per la conservazione dei monumenti delle provincie
meridionali, vol. 1°: del periodo 1891 — 1901. Roma, Officina poligrafica
romana 1902. XXII u. 410 S. 40: mit 256 Illustrationen in Lichtdruck. —
In diesem mit grofiem typographischen Aufwand und vortrefflichem
Bildschmuck ausgestatteten Bande haben wir einen jener Berichte vor
uns, den die vor zehn Jahren vom damaligen Unterrichtsminister Pasquale
Villari ins Leben gerufenen »Regionalamter flir die Erhaltung der Kunst-
denkmaler* auf Grund einer Verfugung des nach mehrjahriger auch in
bezug der Forderung kiinstlerischer Interessen erfolgreicher Tatigkeit un-
langst abgedankten Ministers Nasi neuerdings der Offentlichkeit tibergeben
haben. Laut der Absicht des Genannten sollten die in Rede stehenden
Amter darin nicht nur von ihrer erhaltenden und wiederherstellenden
Tatigkeit Rechenschaft geben; sie sollten, indem sie die vornehmsten der
ihrer Sorge anvertrauten Monumente in fast monographischer Ausftihrlich-
keit vorfiihren, der Wissenschaft die Grundlagen flir fernere Spezialstudien
liefern, iiberdies aber das Interesse flir diese nationalen Schatze sowie
ihre Kenntnis in weitern Kreisen wecken und sie fur deren Pflege gewinnen.
Architekt Avena, der Vorstand des Regionalamtes fiir Sliditalien —
des ausgedehntesten unter alien, da es fiir sich allein etwa den vierten
Teil der Halbinsel umfafit — , hat nun in dem vorliegenden Bande, der
das erste Dezennium seit dem Inslebentreten der neuen Institution um-
fafit (andere sollen ihm in langern oder ktirzern Zwischenraumen je nach
Erfordernis nachfolgen) den Nachdruck besonders auf die letztere Seite
gelegt und damit eine Arbeit geliefert, deren Bedeutung weitaus iiber
ihre nachste Veranlassung hinausreicht. Kann man sie doch als die
erste bezeichnen, die ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen des
grundlegenden Werkes von H. W. Schulz die seither gewonnenen Ergebnisse
zusammenfaflt. *) Wohl blieb nach den tiberaus sorgfaltigen Forschungen
des Genannten fiir die historische Seite im pragmatischen Sinne wenig
wesentliches zu erganzen; dafur aber gelangt hier die technisch-konstruktive
und kunstlerische Seite — dank des durch die Fesseln zeitlicher Ein-
schrankung nicht behemmten Studiums der einzelnen Denkmaler und der
von Amts wegen zur Verftigung stehenden Behelfe fiir ihre technische
Untersuchung und Prtifung, Aufnahme u. s. f. — in dort nicht erreichtem
Mafie (wenn wir von den mustergtiltigen Aufnahmen Schulzs absehen)
zur Geltung.
') Inzwiscben ist der erste Band von E. Bertaux's grofl angelegter Arbeit iiber die
Kunst SUditaliens erschienen, Uber die wir an dieser Stellc baldigst zu berichten gedenkcn.
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274 Literaturbericht
Infolge dieser glinstigen Umstande hat denn auch unser Verfasser
die Baugeschichte mancher der in Betracht kommenden Schopfungeu
aufzuklaren, die Elemente fur die nunmehr auf sichrere Argumente gestiitzte
Losung bisher kontroverser Fragen zu liefern vermocht. Dabei konnte
es nicht ausbleiben, dafi er in einzelnen Fallen zu Schlufifolgerungen
gelangte, die von jenen abweichen, welche man nach den Ergebnissen
der bisherigen Forschung als endgiiltig betrachtet hatte. Es sei dies
betreffend nur auf die Ausfuhrungen Avenas liber die Kathedralen von Ban,
Bitonto, Ruvo und Neapel, iiber S. Trinita zu Venosa, S. Maria maggiore
zu Siponto und das Mausoleum Boemunds zu Canosa hingewiesen; selbst
in den Fallen, wo sie im einzelnen nicht alles als festgestellt oder annehm-
bar erscheinen lassen, werden sie jedenfalls Anlafi und Grundlage zur
Diskussion bieten, deren Ergebnis dann die Wahrheit klarstellen diirfte.
Den Ernst aber, womit der Verfasser seine Aufgaben verfolgt, den hohen
Standpunkt, den er dabei vor Augen halt, bezeugen am besten folgende
Siitze aus der Einleitung seines Werks: »Die Wiederherstellung eines
Denkmals in ihrer wahren und hohen Bedeutung soil nicht etwa der
blofie Vorwand zu Arbeit sein, sondern ein Werk ernstesten Studiums,
ja rcligioser Hingabe, eine Tat, durch die wir Modernen dem unsterb-
lichen Genius vergangener Jahrhunderte unsere Ehrfurcht beweisen. Wer
ein Monument der Kunst erhalt, es so sichert, dafi es den unerbittlichen
Gesetzen der Zeit noch ferner Wiclerstand zu leisten vermag, wer es
studiert, seine Schonheiten erforscht und wiirdigt, der erfiillt eine hohe
Kultursendung.«
Uber die materielle Seite der Leistungen, um die es sich hier
handelt, geben die folgenden ziffermafiigen Angaben Aufschlufi: Die im
Dezennium 1P91 — 1901 als mehr oder weniger dringend zur Ausfuhrung
veranschlagten Arbeiten beliefen sich auf rund 745 000 Lire (wovon auf
das Museum und die Nationalbibliothek zu Neapel allein rund 230000 Lire
entfallen). Hievon wurden tatsachlich Arbeiten im Kostenbetrage von
243000 Lire (66000 Lire furs Museum zu Neapel) ausgefuhrt, etwa ein
Drittel der veranschlagten. Auch im gesegneten Lande der Kunst also
wird die Erfiillung ihrer Forclerungen von den aktuelleren Bediirfnissen
des Staatsorganismus stark in den Hindergrund gcdriingt!
Aus der Reihe der Monographien, die der Verfasser iiber einige der
bedeutendsten unter der grofien Zahl der Baudenkmaler Siiditaliens dem
vorliegenden Bande einverleibt hat, nennen wir die des stolzen Hohen-
staufenschlosses Castel del Monte mit vorztiglichen Aufnahmen bezw.
Restaurationen seiner Details durch den an den Monumenten Apuliens viel-
fach beschiiftigten Architekten Ettore Bemich; der Kathedrale von Ban, fiir
die die Entwicklung ihres Grundplans durch drei Bauperioden auf Grund
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Literaturbericht. <* y c
von Probegrabungen nachgewiesen wird: die erste quadratische Anlage,
samt dem abgetrennt stehenden runden Baptisterium (trullo) von un-
bestimmter Griindungszeit, die zweite basilikale Anlage vollendet vor
1064, die dritte mit hinzugefiigtem Querschiff und aufierer Pfeiler-
arkadenreihe langs der Seitenschiffe vom Jahre 1178; der bisher fast
unbekannten Kathedrale von Larino (Provinz Campobasso), gegrlindet im
13. Jahrhundert, vollendet mit dem reichen Portal, dat. 13 19; des
Benediktinerinnen-Klosters S. Benedetto zu Brindisi, ursprtinglich eines
byzantinischen Baues aus dem 8. Jahrhundert, wie sein Kreuzgang, dem
von S. Sofia in Benevent sehr ahnlich, beweist, wahrend die Kirche zu
Ende des 1 1. Jahrhunderts einen Wiederaufbau erfuhr und das Innere
1750 vollig verrestauriert wurde; der Abtei S. Trinita zu Venosa, von
der uns die ersten genauen Aufnahmen und reichliche Illustrationen ge-
boten wurden. Der Verfasser leugnet hiebei die von E. Bertaux allegierte
Abhangigkeit ihres Chorumganges von franzosischen Vorbildern (Paray le
Monial), indem er als Modell des Baues vielmehr den Dom von Aversa an-
sieht, dessen Vollendung er zwischen 1059 und 1093 setzt. Die Frage mufi
vor der Hand in suspenso bleiben: uns wenigstens fehlen die Behelfe, um
zu entscheiden, ob wir in der heutigen Anlage des Chors von Aversa einen
Teil ihres urspriinglichen Baues vor uns haben, oder ob er einem spateren
Umbau angehort. Bisher wurde er teils der zweiten Halfte des 12. Jahr-
hunderts (Bertaux), teils gar dem 13. zugeschrieben (Schulz). Reiche Vor-
fiihrung in Wort und Bild erfahren ferner die Monumente von Ravello, unter
andern die grotteske Apsisfreske der Krypta von S. Giovanni del Toro, und das
kiirzlich entdeckte Stuccorelief der hi. Katharina, toskanisch um 1450 in einer
Nebenkapelle derselben Kirche, sowie der jiingst durch zweckentsprechende
Restaurierung vor dem drohenden Untergange bewahrte Campanile von
S. Pantaleone, einer der schonsten jenes maurisch-normannischen Misch-
stils. Uberaus verdienstlich ist sodann die Mitteilung einer Anzahl soldier
baulichen Details in Aufnahmen des Verfassers, die dem »Sventramento«
Neapels zum Opfer gefallen sind (Portale, Fenster, Gesimse des 15. und
16. Jahrhunderts). Aus einer zur VerofTentlichung fertiggestellten Mono-
graphic des Castel Nuovo bietet Avena eine Anzahl bildlicher Proben,
die unsere Neugierde auf das zu Ervvartende erregen. Eben ist der
Ktinstler mit den Wiederherstellungsarbeiten an diesem so lange ver-
nachlassigten Baudenkmal befafit.
Noch eingehender als die vorbesprochenen werden uns drei der
hervorragendsten Monumente Apuliens vorgefiihrt: die Kathedralen von
Bitonto, Ruvo und Siponto. Die erste befindet sich in voller Wieder-
herstellung durch den obengenannten Architekten Bemich (sie war 1721
vollstandig barockisiert worden), die ihr die machtigc Wirkung ihrcr
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3 j 6 Literaturbericht.
urspriinglichen'Konzeption zuriickgeben und sie als die bedeutendste
Schopfung des Ubergangs von der normannischen zur schwabischen Epoche
erscheinen'lassen wird. Bei der der gleichen Zeit angehorigen Kathedrale
von Ruvo, deren urspriingliche Anlage durch spatere Anderungen auch
stark gelitten hat (Erhohung des Bodenniveaus im Aufiern, Einbezug der
aufieren Pfeilerarkaden der Seitenschiffe in das Innere als Kapellen,
Flachdecke anstatt des ofFenen Dachstuhls, Stuccoliberzug des Innern)
sind die Wiederherstellungsarbeiten eben erst begonnen worden. Die
hochst'interessante, auf byzantinischen Ursprung zuriickgehende^Kirche
S. M. maggiore zu Siponto, in ihrer jetzigen Gestalt 1117 geweiht, hat
sich trotz Erdbeben und sonstiger Unbilden der Natur und Menschenhande,
mit Ausnahme der infolge eines jilngeren Anbaues alterierten Nordseite
verhaltnifimiiflig gut erhalten und es wird sich bei ihrer demnachst in
Angriff zu nehmenden Restauration nicht uni so durchgreifende Arbeiten
handeln, wie bei den Domen von Bitonto und Ruvo. —
Ein im Anhang gegebenes Verzeichnis der Baudenkmaler in den
Provinzen Siiditaliens zahlt deren nicht weniger als 730 auf — ein
Zeugnis ftir den Reichtum dieses Landesteils an Werken der Kunst, aber
auch ftir die aufierordentlichen Ansprtiche, die ihre Erhaltung an Staat,
Kirchenverwaltungen und Private stellt!
C. v. Fabricsv.
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Mitteilungen tiber neue Forschungen.
Die Sigilgaitabuste im Dom zu Ravello macht A. Filangieri Candida
zum Gegenstand einer jtingst veroffentlichten Studie (Del preteso busto
di Sigilgaita Rufolo nel Duomo di Ravello. Trani, 1903, 34 S. gr. 8°).
Ein literarisches Zeugnis vom Beginn des 16. Jahrhunderts stellt fest, dafi
sie schon damals — wie heute — tiber der Ttir der 1272 auf Kosten
Niccold Rufolos, des Gatten Sigilgaitas von Nicolaus de Bartolomeo aus
Foggia errichteten Kanzel stand, obwohl sie ursprtinglich sicherlich nicht
ftir diese Stelle bestimmt sein konnte. Die Tradition, der zu Anfang des
18. Jahrhunderts noch der Lokalhistoriker Amalfis, F. Pansa, Ausdruck
gab, sah darin die Konigin Johanna I. von Neapel. W. Schulz war der
Erste, der sie auf den Namen Sigilgaita taufte; es bewog ihn dazu die
an der rechten Treppenwange der Kanzel befindliche lange Inschrift, die
den oben erwahnten Niccold Rufolo als Stifter bezeichnet. Der Taufe
von Schulz folgten seither alle, die sich mit der Btiste beschaftigten
(Crowe u. Cavalcaselle, Schnaase, Hettner, Salazaro u. a.). Unser Verfasser
weist nun aus dem Wortlaut der Inschrift der Kanzel, sowie eines zweiten
heut nicht mehr vorhandenen Denkmals nach, dafi Sigilgaita im Jahre
1272 schon einen erwachsenen, ja verheirateten Enkel hatte, also jeden-
falls viel alter war, als die von der Btiste dargestellte, im Alter von
hochstens vierzig Jahren stehende Frau. Dafi aber die Biiste, wie es
die Chronologie bei solcher Annahme verlangen wiirde, etwa schon
ein Menschenalter friiher entstanden sein sollte, ist sowohl durch ihre
hohe kiinstlerische Vollendung, als namentlich auch durch kosttim-
geschichtliche Erwagungen ausgeschlossen. Ferner stellt der Verfasser
die sehr richtige Behauptung auf, die beiden Reliefportrats in den
Zwickeln der Kanzelttir stellten nicht (wie Cavalcaselle u. a. angenommen
haben) zwei der vier Sonne Niccold Rufolos, sondern ihn selbst und
seine Gattin Sigilgaita dar. Als Stifter des Werkes hatten ihre Portrats
an demselben ebenso viel Sinn, als die von zweien ihrer Sohne sinnlos
gewesen waren. tJberdies stellt eine etwas genauere Priifung der
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378 Mitteilungcn liber neue Forschungen.
beiden Reliefbildnisse es aufier Zweifel, dafi wir es darin mit einem
mannlichen und einem weiblichen zu tun haben. Wenn uns beide als
die Abbilder eines wtirdigen Grofielternpaares (s. oben) einen viel zu
jugendlichen Eindruck machen, so mlissen wir dies — nach Filangieris
Ansicht — dem Unvermogen des Ktinstlers, die Realitat charakteristisch
wiederzugeben, zuschreiben. Dafi er viel tiefer stand, als der Schopfer der Si-
gilgaitabiiste, ist oflfenbar. In diesein aber Niccold Pisano zu erkennen, halt
derVerfasser nicht fur ausgeschlossen, mit Riicksicht auf die Vortrefflichkeit
des Werkes und dessen stilistische AnknUpfungspunkte mit Pisanos Ar-
beiten zu Pisa und Siena. Was endlich die Person der Dargestellten
anlangt, so scheint ihm ihre Identification mit Anna Rufolo, der Gattin
Matteos, des Erstgeborenen Sigilgaitas, nicht unwahrscheinlich. Matteo
war ein Gtinstling Karls I. von Anjou und einer der reichsten Magnaten
des Reichs, seine Gattin (f 1295) wegen ihrer Schonheit von ihren Zeit-
genossen gepriesen. Allein das Gltick ihres Hauses ging durch Schuld
Matteos noch bei ihren Lebzeiten in die Brtiche, ihre Besitztlimer in
andere Hande iiber. So mag wohl in der Folge einer der spiiteren Be-
sitzer ihres Palastes zu Ravello die Biiste in den Dom iibertragen haben
und zwar auf das Denkmal, das als Stiftung der Familie beglaubigt war.
C. v. F.
Ein neues Werk lombardischer Holzskulptur. Uber ein solches
berichtet dessen Entdecker Diego Sant' Ambrogio in einem Artikel des
Archivio storico lodigiano (Lodi, Anno 1903 p. 59fT.). Es schmtickt einen
Altar des mitten in freiem Felde einsam gelegenen Oratoriums S. Maria
del Paladino, etwa drei Kilometer sudostlich von Rivolta d'Adda gelegen,
welch letzterer Ort in der Umgebung von Treviglio aus Anlafi seines
eben in voller Restauration begriffenen Augustinerchorherrnstiftes, eines
lombardoromanischen Baues vom Ende des 1 1 . Jahrhunderts, in jiingster
Zeit oft genannt wurde. — Unser Altar erhalt schon dadurch besonderes
Interesse, dafi seine Inschrift: „Bonhioannes de Lupis de Laude intaliavit
pinxit et doravit MCCCCLXXX" uns den Ktinstler und die Entstehungs-
zeit nennt. Die Tafel, 1,7 m breit und 1,9 m hoch, ist von einer a jour
gearbeitctcn Umrahmung umschlossen und stellt in Hochrelief die An-
betung des Christkindes (Presepio) in figurenreicher Komposition dar,
deren Gestalten durchaus vergoldet, nur an Gesichtern und Hiinden, souie
z. T. an den Gewandern der Jungfrau und des hi. Josef bemalt erscheinen,
wie denn audi der Grund der Tafel, von dem sich die Figuren abheben, einen
Farbenton zeigt. Die traditionelle Anordnung derSzene mit dem auf der Erde
liegenden, von Maria und Josef angebeteten, von Engeln umschwebten
Kinde — der Hirten und ihrer vierbeinigen Pflegebefohlenen nicht zu
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MittciJungen tiber neue Forschungen. ^^q
gedenken — zeigt tins insofern eine Besonderheit, als sie vor einem, in
seiner oberen Partie reichornamentierten gotischen Portale vor sich geht,
das — sonderbarerweise — von einer Muschelnische in Renaissance form
bekront wird. Im Hintergrunde links sieht man ein Kastell mit vier
Eckttirmen, rechts einige kleinere Gebaude, deren eines auf seinem Dach-
giebel einen Storch tragt. Das reiche Gelock der Engel, das sich wie
in Ballen rings urn ihre Kopfe legt, und eine gewisse Steifheit ihrer
Attituden weisen auf den auf dem Wege der veronesischen Kunst ver-
mittelten Einflufl siiddeutscher, speziell tirolischer Holzbildnerei hin (wie
sie ja auch einem zweiten Werk lombardischer Schnitzkunst, dem gran-
diosen Presepio von S. Lorenzo zu Mortara ihren Stempel aufgedrlickt
hat). Was die technische Ausflihrung anlangt, so hat der Kiinstler die
Oberflache seiner Figuren, wo sie Farbe aufhehmen sollte, mit einem
dtinnen Uberzug von Mastix und Gips versehen. Die Familie De Lupi,
der er angehort, ist tibrigens in Lodi von der Mitte des 15. bis zu der
des folgenden Jahrhunderts durch eine Reihe tlichtiger Schnitzer und
Vergolder nachweisbar. M. Caffi (SulT arte lodigiana, 1878) wTeist aufier
unserm Bongiovanni drei andere davon, namens Francesco, Defendino und
Giovan Bassano nach. Der letztere arbeitete im Verein mit Bongiovanni
1474 den grofien Altar in Form eines Triptychons zu Borgonovo di
Valtidone im Piazentinischen. Zwei andere Arbeiten Bongiovannis sind
heute nicht mehr vorhanden: die 1465 ausgefuhrte Ancona fur den Hoch-
altar von S. Gerolamo in Mailand (die bei Gelegenheit der Aufhebung
dieses Jesuatenklosters 1668 verloren ging) und eine zweite Altartafel,
1495 fi*r die Olivetaner von Villanova al Sillaro gearbeitet und 1632
durch Blitzschlag vernichtet. Ob endlich die holzerne Altartafel, die aus
der Incoronata in das Museo civico (in S. Filippo) zu Lodi libertragen wurde
auch einem der Lupi, und nicht vielmehr einem Gliede der zweiten
berlihmten Schnitzerfamilie der Stadt, der Donati angehore, ist bisher
nicht festgestellt. C. v. F.
Ein neues Skulpturwerk von Gian Cristoforo Romano. In seinem
schonen, im Repertorium Bd. XXIV S. 4916". resumierten Aufsatz iibcr
die Bildnisse Isabellas d'Este-Gonzaga erwahnt A. Luzio nebehher fliichtig
zwei Grabmaler in der etwa eine Stunde von Mantua entfemt gelegenen
Wallfahrtskirche S. Maria della grazie (an der Tramlinie Mantua-Asola)
als Arbeiten G. Cr. Romanos aus der Zeit seines Aufenthaltcs zu Mantua.
Gelegentlich eines durch die Notiz Luzios angercgten Besuches der
letzteren im April v. J. konnte ich mich, wenigstens was das eine der
fraglichen Monumente betrifft, von der Richtigkeit der Zuschreibung
Luzios iiberzeugen. Es ist das an der rechten Wand des Vorraums zur
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380 Mitteilungen tiber neue Forschungen.
Sakristei (iin rechten Seitenschiff der Kirche) angebrachte Epitaph des
Hieronymus Stanga, eines Verwandten jenes Marchesino Stanga, der —
wahrscheinlich auch im Atelier Gian Cristoforos zu Mailand seit 1491 — das
glanzende Portal fiir seinen Palast in Creinona hatte ausfiihren lassen, das sich
heute im Louvre befindet. Die Inschrift des Epitaphs bcsagt, dafi es die
Gattin Lucia dern 1498 verstorbenen Gemahl, dem durch Treue, Klug-
heit, Unbescholtenheit stets bewahrten Rate des Herzogs von Mantua hatte
setzen lassen. Im wesentlichen besteht das Wandgrab aus einer oblongen
Tafel aus neun quadratischen Feldern verschiedenfarbigen (rosa geaderten
und schwarzen) Marmors zusammengesetzt, die so angeordnet sind, dafi
die schwarzen Felder ein Kreuz bilden, dessen Mittelfeld die Inschrift
tragt, die rosenroten hingegen die vier Felder zwischen den Armen des
Kreuzes ausftillen. Die Tafel ist seitlich durch Pilaster eingefaflt, die
eine obere Bekronung in Form eines Gebalkes tragen, tiber dem sich
noch ein giebelartiger, in einer schlanken Vase endigender Abschlufi er-
hebt; dieser ganze Aufbau ruht nach unten auf einer aus der Wandflache
vortretenden Bank mit Sockel, deren Verbindung mit jenem durch zwei
schlanke, hohe, aufsteigende Konsolen vermittelt wird, die sich von ihr
an der Vorderflache der beiden Pilaster bis zu etwa 3/4 ihrer Gesamt-
hohe gleichsam emporranken. Das ganze Werk gewinnt so — mutatis
mutandis — etwa das Aussehen eines Sakristeiwandbrunnens. Das Ma-
terial ist dichter, graulicher Marmor; figUrlicher Schmuck fehlt ganzlich;
dekorativer ist nur im Fries und an den Vorderflachen der beiden Kon-
solen in Gestalt von eingeritztem und mit schwarzer Masse ausgefulltem
sehr zartem Arabeskengerank, sowie an den inneren und aufieren Wangen
der Konsolen in plastischer Ausflihrung als reiches, frei antikisierendes
Ranken- und Blumenornament vorhanden. Das originelle Werk, in seiner
sinnigen Konzeption, den feinen Verhaltnissen und Profilierungen, dem
zarten Ornament, pafit durchaus zu der klinstlerischen Personlichkeit, wie
sie sich uns in den beglaubigten Werken G. Crist. Romanos enthtillt.
Wie diese steht es auch auf der Schwelle zwischen Friih- und Hoch-
renaissance im Kompositionsgedanken nach vorne, in dessen zarter Aus-
flihrung und Dekorierung nach rtickwarts weisend. — Das zweite der von
Luzio fiir unsern Meister in Anspruch genommenen Grabdenkmale, dem
Bern. Corradi im gleichen Jahre errichtet, im Aufbau etwa G. Cr. Romanos
Grabmal Trecchi in Cremona zu vergleichen, ist, wenn auch reicher, doch
bei weitem geringer an kiinstlerischem Wert, und mag unter dem Einflufl
des Meisters, vielleicht gar in seiner Werkstatt, von einem Schuler oder
Gehilfen gearbeitet sein. (Eine Abbildung davon findet sich in D'Arcos
Monumenti trascehi in Mantova e nel suo territorio. Mantua 1827).
C. v. F.
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Mitteilungen liber neue Forschungcn. 381
Neues zum Werke A. Verrocchios. Ein seit langem angestrebter
und dank der liebenswiirdigen Zuvorkommenheit ihres gegenwartigen
Besitzers, Professors Carlo Segre* an der Universitiit zu Rom, im Friihling
dieses Jahres endlich realisierter Besuch der altberuhrnten Mediceervilla
zu Careggi brachte mir im Verein mit meinem kunstbeflissenen Gefahrten
die Uberraschung der vollig unerwarteten Entdeckung eines bisher un-
bekannten Werkes des grofien Meisters. Es ist ein schon in seinen
Mafien (ungefahr 2 m hoch und breit) hochst bedeutendes Tonrelief,
das urspriinglich die Lunette der Eingangspforte zur Hauskapelle vom
grofien Hofe aus fiillte, und von dem zweitletzten Besitzer der Villa,
Sir Francis Sloane, bei Restauration und teilweisem Umbau, dem er sie
1848 unterwarf, an die Wand einer der beiden ehemals offenen Loggien
versetzt wurde, die aus dem Block des Gebaudes gegen den Garten zu
vorspringen, die kleine Terrasse zwischen sich nehmend, die einst der
Schauplatz der Disputationen der platonischen Akademie war. Das aus
sieben Stlicken (deren klaffende Fugen von der geringen bei der Um-
setzung angewandten Sorgfalt zeugen) bestehende Relief stellt die Auf-
erstehung Christi, dessen auf Wolken schwebende Gestalt zwei anbetende
Engel begleiten, aus dem von flinf Kriegern umlagerten Grabe vor.
Leider lafit die Erhaltung des Werkes zu wiinschen: dem einen der Engel
fehlen die Ftifie, einem Wachter die Arme, dem zweiten das Haupt,
kleinerer Schaden nicht zu gedenken. Die jetzige, vielfach abspringende
Bemalung scheint — obwohl seit langem vorhanden — nicht urspriinglich
zu sein. Das Werk atmet durchaus den Geist seines Schopfers und
deutet in seinem Charakter auf das Ende der siebziger Jahre als Ent-
stehungszeit. Typus und Haarbehandlung des Heilands sind die von
der Gruppe an Or S. Michele, audi sein Mantel ist im ganzen ahnlich
wie dort geworfen, nur sind die Falten weniger fltissig und voll. Die
zwei Engel gehen in der Gewandbehandlung, in ihren Lockenkopfen und
der Fliigelform mit denen am Model! zum Forteguerrigrabmal (im South-
Kensington Museum) gut zusammen. Die Typen der vier Wachter zu Seiten
des Grabes erinnern vielfach an die Krieger im Silberrelief der Opera del
Duomo; der Kopf des fiinften, schlafend vor dem Grab hingestreckten
jugendlichen Geharnischten ahnelt auffallend dem des »schlafenden Jung-
lings, der Aktstudie flir eine grofiere Komposition« (vielleicht die unsrige?)
in Berlin, — wahrend seine Korperlage allerdings von der der Berliner
Figur verschieden ist Das beim Tode Lorenzos aufgenommene Inventar der
Villa Careggi fiihrt unser Relief nicht an, — wohl weil es nur den in den
Gemachern benndlichen Nachlafi registrierte und jenes Werk als niet- und
nagelfest zum Gebaude selbst gehorig betrachtete. Aber das Verzeichnis
der fiir die Medici gelieferten Arbeiten Verrocchios, das wir vor langerer
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382 Mitteilungen tibcr neue Forschungen.
Zeit kouiinen tier ten (s. Archivio storico dell Arte, 1895 pag. 163 fT.) ge-
denkt einer ftir Careggi gearbeiteten »storia di rilievo chom piu fighure«, —
worunter oft'enbar das in Rede stehende Bildwerk gemeint ist Sein Ab-
bild wird durch den Besitzer nachstcns in einer italienischen Zeitschrift
dem kunstliebenden Publikum vorgelegt werden. —
Kin zweites, bisher auch nur wenigen bekannt gewordcnes Werk,
das wir allerdings nirht dem Meister selbst, aber mit um so grofierer
Bestimmtheit seiner Werkstatt bezw. einem seiner Schiiler zuteilen konnen,
befindet sich im Besitz des Malers W. Auberlen in Miinchen. Es ist die
unbemalte Terracottamaske eines toten Christus (eher als Johannes des
Taufers, ftir den die von tiefstem Schmerz durchfurchten Ziige weniger
passen mochten); ihr Besitzer erwarb sie in Spanien als ein Werk Donatellos,
das aus einem dortigen Nonnenkloster stammen sollte. In der Maske
ein Produkt der einheimischen Bildnerei zu erkennen (wrie von einer Seite
geschehen ist), dazu fehlt dem Werke jener Zug psychischer Exaltation,
der schon den spanischen Skulpturen des 15. Jahrhunderts eignet und
sich sodann im 17. zu jener Ekstase steigert, vermoge welcher sie sofort
ihre Heimat zu erkennen geben. Ftir unsere Attribution dagegen
spricht neben dem ebenso edlen als tiefen Pathos, das ja in dieser Weise
zuerst Verrocchio in die italienische Bildnerei getragen, grofie Formen-
verwandtschaft mit seinem Christustypus; aufier der stark en Ausbildung
der Backenknochen besonders die Haarbehandlung. Wie der Meister die
Locken seines Or S. Michele-Heilands, so lafit auch der Schiiler die
seiner Maske in die so charakteristischen leeren Ringel auslaufen, nur
weifi er sich damit nach Schiilerart nicht genugzutun und verfallt durch
zu haufigc Wiederholung dem Schematismus, namendich am Barte; wie
denn seine ganze Behandlung die freie Ftille des Meisters vermissen lafit,
trocken und dtirftig gewordcn ist. Einen Namen zu nennen vermag ich
nicht; aber es will mir scheinen, als konnte unsere Maske dem gleichen
Ktinstler angehoren, der in der Btiste des jugendlichen Taufers in der
Galerie zu Urbino (Phot. Alinari 17548) spater zu grofierer Freiheit und
Ftille in der Behandlung der Haare durchgedrungen ist
Unlangst habe ich (im Archivio storico italiano, 1902 I p. 148) einen
im Museo Nazionale befindlichen Bronzekandelaber (Phot Alinari 2633)
geglaubt fiir Verrocchio in Anspruch nehmen zu konnen, als jene Arbeit,
die er 1468 — 1470 ftir den Altar der Sala dell Udienza ausgeflihrt hattc
(Gaye I 569, 570 u. 575). Wiederholte Prtifung hat mich indes von
der Unhaltbarkeit meiner Annahme tiberzeugt. Der Kandelaber ist ein
untrtigliches Werk des Cinquecento. Auch stammt er nicht vom Altar
des Audienzsaales, sondern aus der Cappella dei Priori, die ihren
malerischen Schmuck 15 14 erhielt; damals erst wird wohl auch der
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Mitteilungen liber neue Forschungen. -583
Kandelaber in Auftrag gegeben worden sein (s. Camp an i, Guida del
Museo nazionale, Firenze 1884 pag. 131, wo er allerdings unter Verrocchios
Namen figuriert).
Durch einige urkundlichen Daten, die vor kurzem im stadtischen
Archiv von Pistoja aufgefunden wurden (A. Chiti, Andrea Verrocchio in
Pistoja, im Bullettino storico pistojese Anno I fasc. 2), wird unsere Kenntnis
betreffs der Ausfiihrung des Monuments Forteguerra erweitert Verrocchio
scheint sich — durch andere Auftrage in Anspruch genommen — nicht
sofort, nachdem er 1477 den Auftrag dazu erhalten hatte, daran gemacht
zu haben. Denn erst 1483 richtet er an die Behorde das Ersuchen, ihm
50 Goldgulden als Teilbetrag des ausbedungenen Honorars anzuweisen.
Sein Anliegen wird gewahrt, »havendo egli in buona parte tracto a fine
la sepultura«, und die Summe am 2. Dez. 1483 in die Hiinde seines
Beauftragten Mariano di Nanni ausgezahlt. Die Arbeit am Colleoni-
denkmal hat den Meister in der Folge verhindert, das am Forteguerra-
grab noch Fehlende fertig zu machen. Worin dies bestand, ist aus der am
17. Juni 151 1 an Lorenzetto erfolgten Ubertragung der Vollendungsarbeiten
zu ersehen. Danach hat er »in quel modo e forma come e disegnato
in uno certo modello« (offenbar dem Modell Verrocchios) zu liefern! »da
pie di decta sepultura dua bambini di marmo con dua armi d'epso
Cardinale et dua agnoletti da chapo con dua candeglieri di sopra al
cornicione di marmo; item di nuovo promesse fare la figura di do Cardinale
et la Carita esistente sopra epso Cardinale «. Von allem diesem hat er
nur die Caritas ganz und die Statue Forteguerris halb (jetzt in der
Sapienza) ausgefuhrt. Als daher 1753 das Denkmal an seine jetzige
Stelle versetzt ward, arbeitete der Bildhauer Gaet. Masoni die Biiste des
Kardinals, den Sarkophag mit den zwei Fackelangeln und den Untersatz
mit der Inschrifttafel dazu.
Von einer Arbeit, flir die Verrocchio in Aussicht genommen war,
habe ich jungst aus einer Urkunde des Domarchivs Kenntnis bekommen.
Im Jahre 147 1 erhielten Giuliano da Majano und Genossen den Auftrag
zur Herstellung des Gestlihls innerhalb der Marmorumschrankung des
Chors im Florentiner Dom. Vom gleichen Datum ist der Entwurf eines
Vertrages, womit die Dekorierung der Aufienwande der Chorumschrankung
»chon ischulture o in marmo o in bronzo o altrimentj« an Verrocchio
als einen dazu geeigneten »homo intendente« vergeben wird. (Ich habe
den Vertrag veroffentlicht in meinem chronologischen Prospekt iiber
Giul. da Majano, Beiheft zum Jahrbuch der preufi. Kunstsammlungen 1903,
S. 166 Anm. 1). Weder aus Majanos noch aus Verrocchios Arbeit ist
indes ctwas ge worden. • C. v. F.
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Bei der Redaktion eingegangene Werke.
Bock, Franz. Die Werke des Mathias Grtinewald. Mit 31 Licht-
drucktafeln. Strafiburg. J. H. Ed. Heitz. M. 12.
Bohrer, Al. Vom Kolner Dom und seiner Umgebung. Neue Vor-
schliige. Koln a. Rh. J. P. Bachem. M. 0.80.
Colvin, Sidney. Selected drawings from old masters in the
University Galleries and in the Library at Christ Church
Oxford. Part II. Containing twenty drawings. London. Henry
Frowde. 3.35/.
Klingender, L. H. W. Befruchtung oder Zersetzung. Gedanken
eines Malers iiber die fruchtbaren Gegensatze in der Kunst und
Kultur. Goslar. F. A. Lattmann.
Sachs, Curt. Das Tabernakel mit Andrea del Verrochio Thomasgruppe
an Or San Michele zu Florenz. Mit 4 Lichtdrucktafeln. Strafiburg.
J. H. Ed. Heitz. M. 3.
Sauerhering, F. BildnissevonMeisterhand. 3. Teil des Vademecum
fur Ktinstler und Kunstfreunde. Stuttgart. Paul Neflf.
Schmidt, Karl Eugen. Franzosische Plastik und Architektur.
Leipzig. E. A. Seemann. M. 3.
Studnicka, Franz. Tropaeum Traiani. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte
der Kaiserzeit. Mit 86 Textfiguren. Leipzig. B. G. Teubner. M. 8.
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Studien zur Trecentomalerei.
Von Wilhclm Suida.
I.
Bemerkungen iiber Bernardo Daddi.
Immer entschiedener und erfolgreicher wird die Ansicht bekampft,
es sei von den itaiienischen Malern des 14. Jahrhunderts nach einheit-
lichen Rezepten ohne Hervortreten des individuellen Strebens gearbeitet
worden. Bei genauerem Zusehen mufite man es doch fiir moglich halten,
die einzelnen Kiinstlerpersonlichkeiten zu scheiden oder, besser gesagt,
die erhaltenen Werke zu gruppieren. Denn weiter ist man nicht ge-
gangen. Dafi bei solchem Verfahren viei Willktir moglich blieb, be-
weist die Verschiedenhcit der Meinungen liber die meisten Trecento-
bilder. Wenige Dokumente komen in diesem Wirrsal zu Hilfe; auch
ihre Deutting und Beziehung ist oft mit Schwierigkeiten verbunden.
Gcnaueste stilkritische Unterscheidung der Werke einerseits, Feststellung
des Wirkens der bedeutsamen, benennbaren oder anonymen Trager der
Entwicklung anderseits — dies sind die Ziele, welchen kunsthistorische
Arbeiten der nachsten Zeit zuzustreben haben werden. Erst nach fest-
gebauter Grundlage wird dann die gesamte Stilentwicklung des Trecento
liberschaut werden konnen.
Fiir die florentinische Malerei nach Giotto hat Vitzthum mit der
Studie iiber Bernardo Daddi1) den Anfang gemacht.
Von den Dokumenten und den mit Bernard us de Florentia bezeich-
netcn Bildern den Ausgang nehmend, weist der Verfasser die Identitat
dieses Bernardo mit Vasaris Bernardo Daddi nach und reiht auch die
dokumentarisch fur Bernardo beglaubigte Madonna im Tabernakel von
Or San Michele dem Guivre Daddis ein. Nach kritischer Sichtung der
von Vasari, Crowe und Cavalcaselle, Milanesi, Thode, Schmarsow und
Schubring vorgenommenen Zuschreibungen weist er dem Klinstler noch
») Dr. Georg Graf Vitzthum, Bernardo Daddi, Leipzig 1903.
Repertorium fiir Kunstwissenschaft, XXVII. 26
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386 Wilhelm Suida:
eine Anzahl von Werken zu, die er dann auf Grund der datierten Ar-
beiten chronologisch folgenderinafien ordnet und ihren stilistischen Merk-
malen nach bespricht: Das bezeichnete und 1328 datierte Triptychon der
Madonna zwischen dem hi. Matthaus und Nikolaus in den Uffizien macht
den Anfang; dessen vollige Ubermalung, besonders des Mittelstiickes, ist
nicht genug betont. Es folgen die ebenfalls stark restaurierten Fresken
der Capella Pulci in S. Croce (Vasari) und das 1330 datierte Fresko der
Madonna mit dem hi. Georg und Leonhard iiber der Porta San Giorgio
(Vasari, ebenfalls grofitenteils ubermalt). Als eine weitere Gruppe, die
in den 30 er Jahren entstanden ist, fafit Vitzthum zusammen die Dar-
stellungen der Kronung Mariae in der Kollektion Jonides (Schubring)
und in Altenburg (Schmarsow), die Altartafel der thronenden Madonna
in S. Giorgio a Ruballa (Crowe und Cavalcaselle) und ein Marienbild des
christlichen Museums im Vatikan (Vitzthum), sodann die bezeichnete und
MCCCXXXII . . datierte kleine Madonna in der florentinischen Akademie,
das Triptychon in Berlin (Thode) und einige Bilder der Kollelction Artaud
de Montor, deren von Schmarsow vorgenommene Zuschreibung an Ber-
nardo indefi nicht tiberzeugt. In die 40 er Jahre gelangen wir sodann mit
dem prachtigen Altarwerk aus S. Pancrazio in der florentinischen Akademie
(Schmarsow), mit acht Legendenszenen im christlichen Museum des Va-
tikan (Vitzthum),2) der im Jahre 1347 ausgeftihrten Madonna in Or San
Michele, 3) und dem 1348 datierten und bezeichneten Altarwerk der Samm-
lung Parry in Highnam Court; an den Schlufi werden die kleine
Madonna der sienesischen Akademie (Milanesi) und das Triptychon in
Altenburg (Schmarsow) gestellt
Aus der Betrachtung dieser auch nach unserer Uberzeugung echten
und im wesentlichen richtig datierten Bilder ergab sich die Teilung von
Bernardos Tatigkeit in zwei Perioden. Sehen wir ihn anfangs in theo-
retisierender Weise der raumlichen Wirkung und dem konstruktiven Auf-
bau seiner Kompositionen sich widmen, so wendet er sich spater immer
entschiedener zu »dekorativer Flachenfullung«. »Am Anfang sehen wir
ein energisches Ergreifen eines durch Giottos Schaffen vorbereiteten
Problems, ein rastloses Verfolgen desselben bis zum Ubermafl, dann ein
plotzliches Abbrechen, ein Ansetzen an fast diametral entgegengesetztem
») Diese Bildchen, von Crowe und Cavalcaselle als im Stile der Lorenzetti, von
E. v. Meyenburg (Ambrogio Lorenzetti, Zurich 1903) als Werke des Ambrogio angefiihrt,
gibt V. unserer Ansicht nach mit vollem Rechte dem Bernardo. Doch verdient die
Abhangigkeit von Siena hierin noch starker betont zu werden.
3) Ich stimme der Zuschreibung des Bildes an Bernardo bei, halte die Anlehnung
an ein alteres Vorbild fUr mtiglich, aber nicht notwendig, den Namen Orcagnas aber
fiir ausgeschlossen.
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Studien zur Trecentomalerei. 387
Punkt« — hier liegt ein ungeloster Widerspruch, dessen instinktive Er-
kenntnis fur andere Forscher der Grund war, den Bernardus de Florentia
und den Freskomaler Bernardo Daddi (nach Vasari) ftir zwei getrennte
Personlichkeiten zu halten.
Vitzthum geht von der Uberzeugung aus, die neue Raumbildung
sei Bernardos eigenste Tat, in diesem Streben gerade erweise er sich
Giotto gegentiber als originell, allerdings sienesische Anregungen ver-
wertend. So entscheidend nun auch Simone Martini und Pietro Loren-
zetti*) auf Bernardo einwirkten, so ist sein eigentlicher Lehrmeister doch
ein Florentiner gewesen, namlich der bisher ganzlich unbeachtet geblie-
bene Meister der hi. Cecilia der Uffizien, der alteste Schliler und Rivale
Giottos in Florenz.5) Dieser unablassig mit den Problemen der Raum-
bildung beschaftigte Meister mufite gerade durch seine theoretischen
Studien groflen Einflufi ausuben. Und niemand ist ihrn darin energischer
gefolgt als eben Bernardo Daddi in seinen Jugendwerken.
Der Zusammenhang zwischen beiden Kunstlern wird durch zwei
kleine Predellentafelchen des Museo civico zu Pisa6) bewiesen: die Szene
im Brautgemach und das Martyrium der hi. Cecilia darstellend. Ins
Breite-ubertragen wiederholen sie die Kompositionen des Cacilienaltars
der Uffizien. Ahnlich in Bewegungen, wenn auch gedrungener, sind die
Gestalten, ganz charakteristisch ftir Bernardo aber die Typen. Die per-
spektivische Wiedergabe der Architektur leidet an dem Fehler der ver-
tikalen Verschwindungslinie statt eines Verschwindungspunktes. Hochst
charakteristisch fiir Bernardo und weit liber alle Werke des Cecilien-
meisters hinausgehend ist die Farbengebung. Damit haben wir aber eine
von Vitzthum viel zu wenig betonte Hauptsache genannt. Bernardo
Daddi ist in erster Linie ein grofier Kolorist, der erste florentinische
Farbenkiinstler. Bringt er in den Pisaner Tafelchen noch die gebrochenen
Tone seines Lehrmeisters (z. B. lila, schwarzblau, gelborange) neben
freudigem Hochrot und Lichtgriin, so gewinnen spater helle voile Tone
immer mehr die Oberhand; besonders charakteristisch erscheint ein klares
Himmelblau, von Schwefelgelb, Zinnoberrot und Lichtgriin umspielt.
Zweifellos gehoren die Pisaner Bildchen in die Jugendzeit des Bernardo
Daddi, ungeiahr um 1320.
4) Dessen hi. Humilitas mit Lcgendenszenen in der florentinischen Akademie
(zwei Tafelchen in Berlin) ist von 13 16, und nicht, wie Schubring ohne Begrtindung
angibt, von 1341.
5) Ich habe dessen Werke in einem demnachst ira Jahrbuch der Kgl. preuflischen
Kunstsammlungen erscheinenden Aufsatze zusammengestellt. Seine Tiitigkeit konnen wir
von 1300— 1330 verfolgen.
6) Saal IV. No. 28.
26*
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388 Wilhelm Suida:
Auf Grund der hochst charakteristischen langlichen Typen und
der kontrastierenden Raumwirkung in den Gruppen mochte ich fur
Bernardo auch eine kleine Kreuzigung im christlichen Museum des
Vatikan in Anspruch nehmen (Schrank 12, links No. 1). Vorne kniet
die weiflgewandete Maria Magdalena, links steht im Vordergrund von
zwei Frauen gestutzt die Gottesmutter, dahinter leiten Krieger den Blick
zum Kreuze hin. Umgekehrt sind rechts die Gestalten vorne, Glaubige
von dem grofiartig bewegten Johannes gefiihrt, zum Erloser aufgewendet,
Manner zu Pferde hinter ihnen en face gestellt. Bei naher Beziehung
zu Giotto in der Formensprache, zum Cecilienmeister im Farbengeschmack,
ist die Komposition dem Bernardo eigentiimlich und gehort gewifi in
dessen friihe Zeit. Ich mochte das Bild wenig nach 1320 ansetzen.
Beziiglich des kleinen Fliigelbildes mit der Kreuzigung vorne, dem
hi. Christoforus auf der Rtickseite in der Akademie zu Florenz (No. 273,
ein ganz ahnliches Stlick besitzt Herr B. Berenson, nach Mitteilung von
Dr. O. Siren), kann ich Vitzthums Bedenken nicht teilen, halte vielmehr das-
selbe fiir eine eigenhandige Arbeit Bernardos. Es ist zu bedeutend und
weist zu deutlich seine Formensprache. Dieses Bild mag bald nach 1330
cntstanden sein. Durch seinen Zusammenhang mit ahnlichen Stiicken
gewinnt es an Interesse. Es bildete zweifellos den rechten Fltigel eines
Triptychons, dessen andere Teile nicht mehr nachweisbar sind. Voll-
stiindig erhaltene Exemplare des gleichen Schemas sind das Altarchen
von 1333 im Bigallo zu Florenz, das bezeichnete Werk des Taddeo
Gaddi von 1334 in Berlin, das von Vitzthum mit Recht in die Schulc
des Bernardo verwiesene Exemplar der Galerie von Siena von 1336,7)
endlich ein von Schubring dem Bernardo selbst zugeschriebenes Tripty-
chon im Louvre zu Paris (Nr. 485). Wahrscheinlich hat Bernardo den
von mehreren Zeitgenossen wiederholten Typus geschaffen.
Als ein Hauptwerk aus der spiiten Zeit des Meisters verdient noch
ein weit tiber lebensgrofies Kruzifix bei Stefano Bardini in Florenz ge-
nannt zu werden. Vor schwarzem Kreuzesstamm erscheint der Erloser
mit geschlossenen Augen sehr ruhig. Maria und Johannes aber, deren
Halbfiguren in den Seitenfeldern angebracht sind, richten den klagenden
Blick auf den Beschauer. Ein schmaler Teppich (griin und rot mit
Palmettenmuster, ahnlich auf des Cecilienmeisters Kruzifix zu S. Quirico
in Ruballa) begleitet den Leib Christi, seitwarts aber gewahren wir links
vier Halbfiguren von Propheten tibereinander, rechts die vier Evangelisten,
Gestalten, die reich und schon in Bewegung und Motiven, lesend, auf-
blickend, weisend, forschend, von grofier Besonnenheit und ktinstlerischer
7) Dessen RUckseite, jetzt braun uberstrichen, zeigte auch Heiligengestalten, deren
Spuren, besonders Umrisse und Heiligenscheine noch zu sehen sind.
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Studien zur Trecentomalerei. 380
Weisheit zeugen. Helleuchtende Farben, Hirnmelblau, Rot, Taubcngrau,
Orange, Lichtgriin und Mattrosa zeichnen auch dieses Werk Bernardos aus.8)
Nennen wir noch die aus der Sammlung Eastlake in die National
Gallery in London gelangte, aus Ruballa stammende Kreuzigung, so
dtirfte wohl die durchaus richtige Liste Vitzthums nach unserer heutigen
Kenntnis vervollstandigt sein.
Fiir die uberraschende Wandlung in Bernardos Stil aber glauben
wir jetzt auch die Erklarung gefunden zu haben. Der grofite florenti-
nische Maler vor Maso und Orcagna9) ist Schtiler des theoretisierenden
Cecilienmeisters, wird von diesem auf die Probleme der Raumgestaltung
hingewiesen. Er geht hier bis zu einem Extrem vor, erkennt schliefilich,
dafi solches Streben seine angeborene Fahigkeit in den Hintergrund drange
und wird immer mehr reiner Maler, ohne doch *die strenge formale
Schulung zu verleugnen. Was er aber versucht und dann aufgegeben, das
setzt ein noch kuhnerer genialer Kiinstler fort: Giovanni da Milano. Und
dieser bekennt sich deutlich genug in seinen Werken als Schuler Bernardo
Daddis.
So schlagt ein Strom frischen Strebens Welle auf Welle in dem
bisher so unerkannten 14. Jahihundert und hat in Bernardo tatsiichlich
einen Hohepunkt erreicht. Diese Personlichkeit klar erfafit und an ihren
richtigen Platz in der Kunstgeschichte gestellt zu haben, ist ein Ver-
dienst der Arbeit des Grafen Vitzthum.
*) In der ^Composition ist das von einem Nachfolgcr Bernardos gemalte Kruzifix
in S. Maria Primerana zu Fiesole (phot. Brogi) verwandt.
9) Cber diese beiden Kiinstler hofFe ich bald ausfuhrliche Abhandlungen zu
publizieren.
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Descrizioni di opere d' arte
in un poeta bizantino del secolo XIV.
(Manuel Philes.)
Di Antonio Munoz.
Nella letteratura bizantina, dalle origini del cristianesimo fino alia
tarda decadenza nel secolo decimoquinto, e comunissimo un genere spe-
ciale che nelle altre letterature raramente si trova: la sx'^pan* o de-
scrizione di paesaggi, di luoghi geografici, di opere d' arte, in prosa e in
versi. Alcune volte la si trova come un componimento a se, diretto a
una citta determinata, o a un monumento di cui si da spesso la deter-
minazione locale, altre volte e introdotta come ornamento in romanzi
allegorici o di avventure, o in scritti di argomento sacro. Questo genere
letterario che godette di tanta fortuna non fu una creazione degli scrittori
cristiani ma derivava direttamente dall' antichita classica in cui ne possiamo
trovare moltissimi esempi; nelle antiche scuole retoriche le £ttppaost; di
luoghi naturali, di citta, di statue, di quadri, erano uno dei temi favoriti
per le esercitazioni , e da esse derivarono le descrizioni di paesaggio,
che sono un cosi leggiadro ornamento del romanzo greco.1) II legame
che unisce queste descrizioni, specie qnando riguardano opere d' arte,
all' intreccio principale dell' opera, spesso e molto tenue, talvolta non
esiste affatto; e anche nel primo caso appare sempre molto manifesta-
mente come un abbellimento introdotto dall' autore per puro gusto retorico.
Luciano fu uno dei piu valenti cultori di questo genere, ed e nota la sua
descrizione delle nozze di Alessandro che ha ispirato tante opere della
rinascenza italiana, introdotta nell' elogio di Erodoto col quale proprio
non ha nulla a che fare; Achilles Tatios nel suo racconto degli amori di
Klitophon e Leucippe, descrive pitture rappresentanti il ratto di Europa,
il supplizio di Prometeo, le avventure di Philomela e Procne, la liberazione
') K. Krumbachcr, Geschichte dcr byzantinischen Literatur. 2. Aufl. Miinchen 1S97.
passim; A. Munoz, Alcune fonti letteraric per la storia dell' arte bizantina. — Nuovo
bullettino di archeologia cristiana, 1904. Fascicolo I — III.
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Un poeta bizantino. 301
di Andromeda, e il suo esempio trova imitatori nei secoli seguenti, fino
nella seconda meta del secolo duodecimo in cui Eustathios Makrembolites
compone sul modello di Achilles il suo romanzo in prosa in dodici
libri sulle avventure amorose di Hysmine ed Hysminias. In quest' opera
Eustathios coglie ogni occasione per introdurre la sx'fpasi* artistica: in
un luogo descrive un bacino circondato di diverse figure, un pavone,
un gallo, una colomba, una tortora; dal centro si eleva una colonna
sorreggente una vasca in cui e un' aquila che getta acqua dal becco;
in un altro descrive la rappresentazione dei dodici mesi secondo il tipo
cosi comune nell' arte a lui contemporanea; al trove si ferma su una vasta
composizione allegorica di Amore su un carro, circondato dalla molti-
tudine dei suoi fedeli. Ma il modello dell' antichita classica che piu
spesso ebbero sotto gli occhi gli scrittori cristiani, furono le celebri »Ktxovs;«
di Philostrato seniore. Come e noto c'e la questione se le descrizioni
dei sessantaquattro quadri che Philostrato dice di aver visto in una galleria
di Napoli, si riferiscono ad opere d'arte realmente esistenti, o se piuttosto
Philostrato non abbia voluto condurre il lettore attraverso una raccolta
imaginaria creata dalla sua fantasia; ma certo anche in questo caso
possono avere per la storia dell' arte un valore non trascurabile. Lo
stesso dubbio si pud sollevare per le sx'fpasst* degli scrittori cristiani nei
quali piu o meno e manifesta 1' imitazione da Philostrato, non solo nella
lingua e nello stile, ma nei criteri con cui si giudica delle opere e
dell' ufficio dell' arte in generale: e dunque necessario prima di servirsi
di tali descrizioni tentare con ogni cura di sceverare gli elementi reali
e possibili, da quelli fantastici. L'aiuto che dalle cX'^passi* si pud ritrarre,
specie se si tratti di periodi in cui fan difetto i monumenti artistici, e
grandissimo. Ad esempio, le descrizioni di Asterios vescovo di Amaseia,
morto nell' anno 410 d. Cristo e gia messe a profitto dal Bayet,2) e dallo
Strzygowski 3) ci forniscono indizi importantissimi, insieme con quelle di
Gregorio Nisseno per ricostruire le scuole pittoriche dell' Asia Minore.
Chorikios di Gaza descrive un tempio di San Sergio e le sue pitture in
un elogio del vescovo Marciano; San Basilio compone un quadro rap-
presentante il martirio del Santo Barlaam, ed invita gli artisti ad ispirarsi
a questa sua descrizione, traducendola in pittura. Fin nella meta del
secolo decimoquinto troveremo un imitatore di Philostrato, in Iohannes
Eugenicus le cui £x<ppaa*t; (alcune attribuite secondo noi erroneamente
al fratello Marcos metropolita di Epheso) descrivono una minutissima
*) Ch. Bayet, Rechcrches pour scrvir a l'histoire de la peinture et de la sculpture
chretiennes en Orient avant la querelle des Iconoclastes. Paris 1879.
3) Josef Strzygowski , Kleinasien. Ein Neuland der Kunstgeschichte. Leipzig
1903, pag. 200.
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392
Antonio Munoz:
scultura in legno, un martirio di S. Demetrio, una Nativita di Cristo etc
II Krumbacher ha emesso il dubbio che per alcune non si tratti di opere
d' arte bizantine, ma non ci sembra che le descrizioni contengano elementi
tali da dover escludere assolutarnente tale possibility. Ma anche queste
sx'fpofoct; hanno troppi riscontri sia per lo stile che per l'intonazione
generale con le eixovs; filostratee, perche si possa con sicurezza fondarsi
su esse, e rirnane sempre il dubbio se ci troviamo in presenza di una
vera descrizione d' un' opera esistente, o piuttosto di una pura esercitazione
retorica.
Alia fine del secolo XIII e all' inizio del XIV troviamo numero-
sissime descrizioni d' opere d' arte in un poeta vissuto a Constantinopoli
alia corte dei Paleologi Michele, Andronico, e forse anche sotto Michele
Cantacuzeno, fiorito insomma circa tra il 1275 — r345: Manuel Philes.4)
Delia vita di lui si conoscono molti particolari, spesso perd non esatta-
mente, che si posson ricavare dagli stessi suoi versi: fu alia corte imperiale
senza perd esercitarvi alcun ufficio politico, compi molti viaggi, in Russia,
mandatovi dali' imperatore per trattare il matrimonio di una principessa
bizantina, fu in India, in Persia, in Arabia. II Miller che pubblicd le opere
del Philes in edizione purtroppo scorretta e priva di ogni criterio scienti-
fico,5) cosi scrive di lui: »misera foecunditate praedito, misere usus
ingenio, stat quasi poeta famelicus; carminibus fere suppiicium libellorum
voces et formam aucupatur ut obtineat vel argentum, vei alimentum sibi,
atque adeo pabulum jumentis suis.« Certo il poeta non ha grandi pregi
ne di stile, ne di pensiero; spesso riesce oscuro, involuto nella forma,
troppo si compiace delie antitesi e dei giuochi di parole: nei concetti
e uniforme e monotone Ma in compenso fornisce una quantita di notizie
sulla corte, in cui era a contatto coi piu noti personaggi del tempo, e
sugli avvenimenti storici: le sue poesie riguardano le scienze naturali,
la religione e specialmente nel maggior numero son dirette ad opere
d' arte, pitture, sculture, musaici, medaglie, gemme, miniature cosi da for-
mare tutta una intera coilezione in cui si pu6 dire che ogni ramo delle
arti figurative e rappresentato. Le descrizioni del Philes sono spesso
brevissime e forniscono pochi particolari, raramente piu estese, (il verso
e il trimetro giambico dodecasiiiabo); ma hanno un valore molto piu
grande delle solite ixcppassi?, in quanto, meno qualche epigramma imitato
4) Krumbacher, Geschichte etc., pag. 774 e segg.; Ch. Loparev, II poeta bizan-
tino M. Philes, Pietroburgo 1891 (in russo).
5) Manuelis Philae Carmina, ed. L. Miller. Parisiis, MDCCCLV— Vlt. 2. voll.;
edizioni parziali in K. Martini, in Rendicanti del R. isi. Lomb. di scienze e lettere. 1896;
E. Martini, Manuelis Philae carmina inedita. Atti della R. Accaderaia di archeologia,
lettere c belle arti. Neapoli, 1900.
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Un poeta bizantino. 303
da poeti anteriori, si riferiscono certaraente ad opere d' arte esistenti e
assai di frequente sono accompagnate dalla determinazione del luogo
in cui si trovano o della persona a cui appartengono. Gia per alcuni
di questi componimenti e stata rilevata l'irnportanza da studiosi dell' arte,
Jo Stark ha studiato e commentato un poemetto su una rappresentazione
allegorica della Terra, lo Schlumberger ha confrontato un reliquiario
bizantino di S. Stefano con alcuni epigramini;6) ma nel maggior numero
sono ancora ignoti, e meriterebbero una completa illustrazione. Non
potendola fare per ora principal men te perche l'edizione del Philes fatta
dal Miller sui codici Vaticano, Parigino, Fiorentino, Escurialense, presenta
moltissime scorrezioni e inesattezze, ci limitiamo a riportare alcuni degli
epigrammi piu importanti.
Alcuni di essi riferiscono probabilmente ad opere antiche pagane:
(Miller II. 279) Et> xivjxspvav s/oucrav 55(op 6u)<p4v jrsojxsvov Ota 3TQ}ia~o;
Xiovio*.
Bcpo'j; 0 xtttfo;, aXXct £Ettj,tuva BXlntt)*
To yip 'jowp xpOataAXo;, £(^4?) 5' o,au);
ToO OEupo (b)po; eVXu&eI; 701; £"pcaiot;.
Aotos 8e xapxtov E'jjjlevt]; {jtiv cuplftrj*
Hp6; yap tov i-pdynkw V) 60;i; Tpi/ei*
PX^v ei-Ep oux t,v T7J atoa xot&E tpyjjivo;,
"EoeiJev av w; s57t xal toT; drioyoi;
"Kji.:r^E'jai; yj xfarpiz i£ vj~iyyfaz.
*il 7TW; TO ttspjAOV E^ Xp'JJAOV tJLETSTpCtTTTj !
Kal ::to? Xiwv tjvotjev eu itoiouv stoj-w!
XaXxoO; y^P ov>oe(; e^tiv EVrctuOa opa'xtov,
Mtj xal -po; tov £SajjiEtt3ot to xpuo;.
Questo leone bronzeo adoperato per mandar aqua in una fontana
richiama una notizia di un passo della cronaca di Riccardo da S. Germano.
Nel 1242 quando limperatore Frederigo II, abbandonava l'assedio di Roma,
prima di ritirarsi comandd che si portassero nel suo regno, a Lucera
nelT Apulia due statue bronzee da Grottaferrata: »i242 mense Augusti,
Imperator ante recessum ab obsidione urbis, statuam hominis
aeream et vaccam aeream similiter, que diu steterant apud
Sanctam Mariam de Cripta Ferrata, et aquam per sua foramina
artificiose fundebant, in regnum apud Luceram Apuiie civi-
tatem ubi Saraceni degebant portari iubet.«
6) B. Stark: De tellure dea deque eius imagine a M. Phile descripta. Jenae, 1848;
G. Schlumberger, in Comptes rendus de l'acaderaie des inscriptions et belles lettres.
1886 pag. 351; A. Venturi. Storia II, pag. 530; A. Munoz, Le rappresentazioni alle-
goriche della Vita nell' arte bizantina. L'Artc, 1904, pag. 130; e »La personificazione
della Terra nell' arte bizantina. Di prossima pubblicazione nell' »Arte«.
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394
Antonio Mufioz:
Certamente ad un opera antica si riferiscono i nove epigrammi
diretti a un anello da sigillo con una finissima rappresentazione profana:
(II. 269, 270).
Ei* oaxtitaov, s/ovta a'f porfioa ipwvra* 860, xal diri tcuv 3ripv«>v ainwv
6'jo oivopa ixra'soxota xal tU £v* <juyxopi>'fO'j|jLSva xopujApov.
'Kx tu>v TTo^o'jvrtov oivopa, toI; ofropot; 7^0;,
A'jtoI; oe toI; TioBoiiitv ojoafxoO yc&fxo;.
Con ogni probability il sigillo si conservava con altri preziosi saggi
dell' oreflceria antica nel tesoro imperial e, e un altro epigramma che ora
riporteremo si riferisce infatti a una coppa d' oro appartenente al fratello
dell' imperatore. Ed e su quelle opere antiche sfuggite miracolosamente
alia distruzione degli uomini e del tempo, che si ispiravano gli orafi e
gli intagliatori bizantini. Quel sigillo con le due figurette nude (forse
intagliate in una gemma) ci richiama alia mente i rilievi delle cosidette
cassettine civili bizantine d'avorio che vanno dall' VIII al XIII secolo,
tutti ispirati su modelli antichi e probabilmente su argenterie secondo
T ipotesi del Graeven.7) Nel tesoro della cattedrale di Anagni si conserva
uh cofanetto di legno ornato di placchette d'argento, che appartiene al
principio del XIV secolo: i rilievi presentano figure ispirate dall' antico,
anzi molto verosimilmente sono ricavati come calchi su antichi modelli
con martellature, poiche presentano contorni indecisi e rigonfi. Questi
ricordi dell' antico cosl tardi, non si spiegano senza ammettere 1' esistenza
di esemplari classici, che come il nostro sigillo sopravvissuti alia generale
dispersione rimanevano unici testimoni di una bellezza perduta. Ecco
l'epigramma riferentesi alia coppa d' oro:
(II, 150) Efe XoXtTIV XPUCJYJV ?oG> WflOVW to5 auTOxpaxopo*.
'IoVj ypusojv zOp* e( |iiv ouv uotup tpepoi,
To awjxa oi^wv e*j7:athi>; iwelvyju
OIvov oe Ttjj "/pfiCovrt Ucppiov tx/j-w
SxuDpco-^TT^oj 4-av £;a{pet »!;6yo«.
I crociati che diedero nel 1205 il sacco a Costantinopoli, forse non
distrussero tan to come si e detto fin qui, cosi da spegnere per sempre
ogni produzione artistica, ed anche lasciarono intatte opere d'arte impor-
tanti, come una statua equestre di Giustiniano:
(II, 227) Upbs t&v km wj Tc6>/)i> ittttot^v ' Ioimivwtvov 6 a'jTOxpartttp.
X\> JJ.EV yLVZ iyHplOV, iTTZ^TOt a-E'fr^o'pE,
TijV dtao yaXxou OE;iav TTOOEjstYtov,
Aoxei; diTEiXetv Tt»l oo^^Tpcj) rf,; M*v
'Kyw oe, sp^alv 'AvopoVxo; auT^va;,
7) H. Gracvcn, Antikc Vorlagen byzantinischer Klfenbeinreliefs. Jahrbuch der
K. preuB. Kunstsammlungen, 1897.
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Un poeta bizantino. ?ge
Mtfuw dT£'/vu>; tov owxevov tu^ov,
Tefvco xot-' Exftpwv TZW'fZyr/j TCOA'jSiTOplUV
T^v xo'j xpaxatoij ot;tov xav toi; tuttoi;,
Kai aoO xattaptos E'jrjyriarepo; »a£\io,
St^XtjV I)T(ov a^saxov ex Tf^; e'Airfoo;,
"Hv o'j xaTexT-j^r^cv r^ rrup /j a?v>pa.
Quasi tutti i santi a cui la chiesa greca tributa onore, son ricor-
dati negli epigrainrni del Philes, come riprodotti in scultura, in pittura,
in miniatura, cosi che si potrebbe cornporne una collezione iconografica
completa. Ci Hmitiamo a riportare alcuni dei componimenti:
Sant' Anastasia:
(I, 311) Et> TT)v ayt'av 'Avairasi'av tt;v 4>apjj.ay/Asiptav.
Kal JhtujxaTO'jp^Ei; Ivtht xaXsl se a/iai;,
K21 a-Tjpov apV^ovra xsl xaX-tv cp£pst*
L'epigramma coi suoi brevissimi accenni descrittivi si riferisce
certamente alia imagine della santa che si venerava nel monastero di
Sant' Anastasia Farmacoletria (che libera dai veleni) in Eparchia Tessa-
lonica, ed e una rappresentazione rara, forse unica, questa della »vergine
Anastasia a cui ben conviene il suo nome«,8) portante la croce e la
coppa, per liberare dai dolori.
S. Demetrio:
(I. 131) ' Hx 7:po3tt>7r<yj to'j jis^a^ou Ar^rftpiryj si* tTjV stjiou stxdva.
M/j towjixdirfi, dfvftpio-E, XEuxdv (jle t3X£~a>v-
' Ex~X'jvo|xat yap e{; tot pEiDpa xiov jrjpwv,
Kijjli o£ cpaiopo? tov 2a-iv xa-atr/'jva;
Kotl rr^ afi.o$fj; {X7j TTEpTjitel; twv Ttdvwv.
S. Giorgio:
(I, 133) Et* tov a'jiov (l^scopYtov) sCwYpa^uivov.
0apaojv xaTr/Dpoiv xat S'faoa'Cwv o^Xi-r^
To twv •yvctthov £p£'jt)o; dxjjwtiov tpipei.
To 7ctp aTC)rvfu; ur/ptav ?rpo Tf,; Jax/t^;
'Avavopfe; £v$ei$i;, ov>x suavopfe;.
Come si vede da quest' ultimo epigramma, il nostro poeta, meravi-
gliato del grande abuso di rosso che i pittori contemporanei facevano
sulle guance delle loro figure, vi aveva voluto trovare una spiegazione,
e come ingegnosa! San Demetrio e San Giorgio sono naturalmente i
soggetti piu comuni deHe descrizioni.
8) Parole del Philes alia line dell 'epigramma.
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306 Antonio Munoz:
S. Giovanni Apostolo:
Vslz xo asxo{iopfov «'jtoG ('Icoiwou) ^cooiov.
(I, 2o) Tov SETO'v 3c TOV OeO'tTTTJV TOV {liygV
'0 yptSTo; 2'jto; dvd to stt^o; cp^piov,
Tpavto; /iystv eoixe ttj xoajAOupytV
^Ls^o'j to OEtypta ttj; £ji,f|C piovapyfoi;.
Un altro cpi gramma (I, 20) si riferisce a una rniniatura: K»; sixova
a'jToO, sVt Tfov JnTcoXcov bTaixfvrjV.
(II, 58) Efo oatjiovoXiftov XiOov eyxoXraov, syov tijv sixova toO r^aTrr^xi-
U ppovTOTrat; -at; dsTpotirf,; d-o-vs'wv
Tov oatjAOvoypo'jv ^to^opet tojtov Xlttov.
S. Giovanni Battista
(I, 58): Kfc ttjV ^ivvr^iv toG 1 Ipoopojxoi), zyyjsav irspi aitr^v iJarfpTOrjjji-
wj» to'j? GT'jvajv'jjxoo; au?o&.
T( otjt* aiyd;, £{-£* jjloi, Zor/apfe;
Texiov tov uiov ctpa oi5Td£Et; "dXiv;
"HxiaTa, Y^stv, dXX' 6 ttj; T^yv^; voV;;
^tytovra; fyxs; O'j i)op'j,3o5v?a; ypd^si.
Numerosissimi gli epigrammi a Cristo e alia Vergine.
(I, 430): — Ttjjoi si; Xiltov djJLiaviov s/ovia cy7£y7vi>;x;x£vr,v ttjv /piTroG
•{svvjjglv, xai avojlhv t^jv jrpiaiiv Xsjxt'ov. Too! 'A^ioavapYopiTOu.
Tijaio 3£, Xftte, xav ;xtxp6; jxev tV^v IHav,
AXXd TOV Cf/fOpT^TOV eV:6; Eil'^tpEt;'
'Aaa' to; dX^iho; d|x{«vro; TuyydvEt;,
Tt4v djxiavTOv evtvjttoI; yip jxr^ipa,
"llv ~apH£vov suvoioa, x3v Aeytti pX^Trto
Bp£^o; Oeov x'jo'jaav. to SeWj to'xou!
(I, 433): Ki; stxova oscf-onxY;v lyousav 2v *q) -sprsspsta jxspya'po'j; st;
aspa jxsXava TTSTrr^ota;.
' 12; fi-apyapiTT^v. tov tkdvWpio-ov fx^yav
rp«'f^vr« Xetttoi; dyXai£<o jxotpydpot;
\sa; j-' tjtou; £x ^'f^v £too; [xiXav,
12; <2v to jiaJK) tcov rarfhuto '^jyto sxoto;.
Molti dei componimenti del nostro poeta sembrano fatti per com-
missione di qualchc fedele die domanda grazie e contengono preghiere
dirette alle imagini: a questo gru])po puo appartenere il seguente epi-
gramma interessante anche perche ci da il nome di un pittore, Macario.
(I, 131): Kfc thv Xpt3iov £x TTposcuTrou Maxapibu tq5 Zurypawj.
-u ijlev O'J-Xsacc; ;ae yepstv fofei;
Ttj xotTot wjtov copafcg; sfaovr
Ky»o 0 oXt,v ^jL£t«l»a t^v E'jxosufav,
Heoj Aoy£ Ciov, £i; iiaihtiv dxo3(x{av.
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Un poeta bizantino. 397
nX/jV osupo /£ipl ZioYpa^w aou tov t6t:ov,
"Ozio; avotTiXctTTOi; [ae xal xpefrru) YP^'fot;
*Ev toi; avw TtfootSt ttj; i'f Hapafa;.
£0; XaTpi; oixTpo; TauT e^tj Maxapto;.
(II, 157): Ei» irava^taptov dp^upoGv s/ov jjisoy xuxXov /j/jso'jv, £v a> y;v
fvoxor/jTiv fj uTrepa^id Osotoxoc.
'0 oisxo; e*gtIv oupavoO G)rsoov T'jro;*
'Qc rjXiov 7«p tov ypuaouv xuxXov tpepet,
K^vrpov 5s ttjv yijv to-j #£0\i ttjv rapttfivov,
'E; 7); 0 xap-6; 0 'Vj^/rpf^o; ppuet.
Abramo
(I, 42): 17; tt;v £y Btayipyaiy iv Xiiko ftuoriav too 'Af3padti.
^orf; xi; rjv 6 X0)o; outo;, o-j X$o;,
KaD' T^V 6 TTGtTTip 'A^paapL Tlj> CpiX-CtTO)
Tr^v fejtav tozXttfEv e{; xaivov cptfvov.
*H Tp$o; o\>v si; Xftfov e-j^j; E'TpaTrrj,
Kal TTTjYvjat tov avopa vsxpa* ti; <pv>at;,
Mr) texvov d~XoOv £v (tya^Et 063^ O'-pdaa;.
Daniele
(1, 50): El* Zy'ArA-KlW taCTTTtV £V (0 lOT^XSV 0 TTpO'^Tr^ AaV^X' £/£l 0£
"fXipa^ irpastvou? xal ipu&pds.
'0 X(t)oc uypo?, <£XXd z-jp IvSov f#i-u).
Iteyei "o irup 6 Xfto;, 7^ cpXoJ ttjv opfoov
Kal HaujjiaTO'jpYET Aavi/^X Cwv *v jiiao)
Mtj toi; -a'Xai T^aaapat -^{jlttto; supe^r,;
(I, 51): Ei? tyjv d~o jiapii-dpou sopov toGi £7101* -po^tou Aayi7jX iTrajjivr^y
krAvm Xeovtojv, v/wzolv 0£ xal df/iXou? £v J/^ixaTt ppr^cov xoijxtojjL£voi)?.
Ei YpTjYopouvTcov eI/ev 7^ t^vt) tuttov,
Zuivra; av eioe; toi>; yXu'f sVra; oyy&g'jc,
Nuvl os Xsuxov dxptjhu; XfDtov yctXa
AoXOJVTOt; OtTVOOv £v jfyc'flOV El&El TpE^pEl*
0 Yap Aavirp, eupsftel? voO; 1$ -jXt^;
To?j; ttXtjv uXt^c 'fuXaxa; ij tjX^; !)tei,
Aeixv?j; to xaivov tt^; Tip.^; avrtiTpo'^tt);.
O'jxouv, I^EaTa, aTfjHi, (x/3 -poiEYYtarj;*
Tou; y^P ^paaEi? X^ovrac ivDaOE ^X^iret;
'Ex tou 'vpo'^o'j -aY^vTa; e^ X(9o-j ?p6atv.
"(hav oe xaDfiuoovrac iyfihsji ^XiTrr^z,
Nyj^ovra; w; XiovTa; i% 'jtt^o'j xpipiE.
Al tempo del Philes gi^i era cominciato, per il decadere dei centri
principali della cultura e del commercio, il movimento dell' arte verso i
luoghi sacri, specie verso la montagna santa deli' Athos; gia cominciavano
in questi luoghi a formarsi delie correnti d' arte speciali. II poeta fu
certamente suli'Athos e descrive qua e la monurnenti del luogo: un
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308 Antonio Munoz:
epigramma si riferisce alle sculture che ornavano la fonte della grande
Laura:
(II, 78): Ei; ty,v iv t<5 daajjioiTto rr^ Aaipa; 'fiaXr,v.
tppsvtijv &ptc avtixp'j;, Tj Tfyvi); X^cov
'0 cp-jatv cupcuv Cwaav £x X(8o'j Ta-/or
Ef fxr^ ?2p 0-^v tt^ 7X^97,; t, yXw/p^-hj;,
"Ep-ovTa; av ti; eISe to?j; 09s 1; t£co;.
AoxoOaiv ouv Cv xal xivsisBai [aev Oe'Xeiv,
^Hjaio; 7r:ot£ti9at xal vExpav ttt^iv 9fyciv,
Mt^TTio; 'iXtaJtyitoiiv u^o tou ipl/civ.
Oi pp OpaaeT; X^ovte; sartors; xctrto
Ke/Vjvaat vuv ei; popctv T^tTEiyjjivoi.
Qui si tratta evidentemente di uno dei solid plutei con rappresen-
tazioni di animali; ma questa dei leoni e dei serpenti non e poi tanto
comune. Sul monte Athos, intorno alia fonte della grande Laura di
S. Atanasio, si vedono ancora oggi delle formelle con siiriili rappresentazioni
e son riprodotte dal Brockhaus9) e dal Kondakov.10) Vi son figurati
pavoni affrontati ai lati di una colonnina che sostiene un vaso, un lcone
die rnorde il dorso di un toro atterrato, grifi alati. 11 Kondakov scrive
che questi plutei in origine non dovevano trovarsi nel luogo attuale e
suppone che decorassero i cancelli del coro nella chiesa, o il dossale
dell' iconostasi;11) ma dalla descrizione del Philes pare che anche anti-
camcnte la fonte fosse ornata di plutei. A una composizione simile
si riferisce 1'altro epigramma:
(II, 78): Et? iJcoYpa^rjijivov h ?{j f^ Xsovta.
Aiwv ii:\ yrfi ttyeustuov Y£Ypctjjt|jiivo;
Aoxel aito-tov TrpoaXaXeiv Tm Ztoypcfcpo).
*Av slyov oi Xe'ovte; il foou ypctyEiv,
IloXXou; av e{; -pjv e?8e; avopa; h t-jttcu.
II maggior numero dei componimenti riguarda opere di oreficeria,
gemme, reliquiari, cristalii di rocca incisi, encolpii.
(II, 85.) Et? ipcoXTrtov crra'jpiv yjwaouv jis-a Xi&cuv.
StaUpOJ TZtlZTflOi 'JTrspivtijxov 5'jXov,
Q; zlz ra,3a0a xov yp'jsoOv £v5ov t<5~ov,
w0; ou TctTreivoi; i-ptaTEaTptolhj Xtttot;,
Tov Trapa&etaov toutov EipYaiarfi jxor
°(); E'jA'fjTEuitel; toi; ipiol; aT^pvot; pp'kt.
At^ttjc oi -apcov e'jjjlev^; ~po; tat; rc&Xau,
Kal Hs'Tpo; auTo; 6 CKpaXfii; xal oaxp-jsa;.
9) H. Brockhaus, Die Kunst in d. Athosklostern. Leipzig, 1 89 1.
xo) N. P. Kondakov, Pamjatniki christianskago iskusstva na Afonie. S. Peter-
burg, 1902 Pag. 42 — 43.
»') Kondakov, op. cit. pag. 43.
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Un poeta bizantino. 300,
Avrl Xcpoojft;* xal Scpa^la ruptpeipcov,
T^jv eiso^ov re'itio'jai Oa^ctv fxc i^iov.
'AXXd yev^vixcv 'Aflpad{x x«5X~<dv (xeaov
' EfxrfX-iov vuv tov rapcftstaov cpfytuv,
"EvHa Tpucp*] xal '.purr* xal Oeou Optfvo;.
Questa rapfpresentazione della porta del paradiso, sopra un en-
colpio, concorda pienamente con quelle che si vedono nelle rappresen-
tazioni bizantine del Giudizio Universale, e anche nell' arte occidentale,
come imitazioni dali' Oriente; esempi sul monte Athos in molte pitture
a fresco, nel grande musaico del duomo di Torcello, e altrove.12) Sulla
porta e effigiato un serafino; a lato stanno il buon ladrone con la croce,
e San Pietro; dietro e Abramo che ha in grembo le anime beate. Certo
tutte queste figure erano eseguite in smalto nell' encolpio d' oro, che e
una bella prova del grande sviluppo dell' oreficeria bizantina che sapeva
produrre opere cosi complesse, ispirandosi alle rappresentazioni comuni
nella grande arte. Un altro esempio di opere d* oreficeria si ricava da
un epigramma del Philes, che e tra quelli pubblicati recentemente dal
Martini, tratti da un codice cremonese, e da uno torinese.^)
(Martini, 62.) Efc ii; yrpanftixi; sixova*, a* sfysv 6 auToxpaTcup ItA
tcov apjiaxcuv aOxoG xal 01a 7<i» "jfs^sv^piva* ^v ataw irXr^ic iirl xou ttoXIiao'j
Ta'jTa* aTrosrcrofoa* ixsTOsv tk stxova? ivsftr^xsv.
"Eio; plv Ojxa; euae^ui; ^[izAT/fjiir^
Tot; ccpEtxot; ifA-cr^vTa; djx<pfot;
Ka\ jtaatXtxot; eYfpa^pEVra; fxap^pot;,
'AvEtpyov yjxlv twv [3eXujv t4; TtposyjSEt;,
'Ev rfu xaft' ^jjwuv TaxTtx^ TtcpiiTctact
Xcopcuv x«t aOxdW ip.^pt8u>; tiov jtappaptov,
Kai a'jfAjxsfyiov £p7]fxc; 6'fdel; eW ots
nap2(jL,3oX^v ajxayov 'jp.5; eutit/ovv
N'jvl oi TTjpuiv to?jc ujxuiv (tefo'j; tStto-j;,
'ETtcfeep ufxcl; ouvrcn)p^xaT< jae,
St^^ovov i>fi.5; (i.uartx^v Ttva Tp<5-ov
Kal xax4 raftwv e'^tu/w 'J^yxp IMpov : —
Di armature riccamente ornate con figure incise e talvolta anche
lavorate in smalto si hanno gia notizie raccolte e illustrate dal Labarte;1*)
qui si tratta di uno special modo di ornare le armature con imagini
messe in modo da potersi all' occasione staccare ed e probabile che con-
sistessero in placche metalliche fissate sulla stoffa dell'abito. Altri
epigrammi pubblicati dal Martini contengono pure descrizioni artistiche:
") P. Jessen: Die Darstellung dcs Weltgerichts. Berlin, 1883.
x3) Manuelis Philae Carmina inedita, ed. Ac. Martini. Atti della R. Accademia
di archeologia, lettere e belle arti. Vol. XX. (Supplemento.) Neapoli, 1900.
h) J. Labarte. Histoire des arts industriels. Ill, pag. 402.
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400 Antonio Munoz: Un poeta bizantino.
tra essi uno diretto alle figure dei santi Gabriele e Michele collocate nel
pronao d' un tempio, secondo 1' uso del tempo di decorare gli atri delle
chiese con le figure degli arcangeli; un altro ad un tempietto nel cui
interno si vedeva l'iniagine del Redentore e all' esterno degli angeli.
Ma tralasciaino di dare qui altri esempi, per non a/xrescer di troppo
la mole di questo studio, bastandoci di aver mostrato quante importanti
notizie per la iconografia bizantina si possono ricavare dai versi di questo
bizzarro poeta.
Come si e visto le sue non sono vere descrizioni, e quindi nulla
hanno a che fare con le ix^oastet; di cui abbiamo parlato in principio,
sempre cosl prolisse e particolareggiate, ma anche cosi piene di elementi
non reali. Manuel Philes molto piu modesto si ispirava alle opere d'arte
per rivolger preghiere alle sacre persone in esse rappresentate o per far
parlare esse stesse. Pare che egli voglia completare con la poesia le
arti figurative. Ecco un santo meravigliosamente riprodotto nella pietra
cosl che par muoversi e respirare; ma non parla. »La legge deli' arte
ci dipinge silenziosi« dice in un epigramma Zaccaria. (I, 58), e in un
altro il poeta rivolgendosi ad una imagine delia Vergine dice (I, 77):
» Santa Vergine tu sei viva. Se taci nulla vi e di strano, poiche il tacere
ben si addice alle vergini. Meglio tu respiri e porti la parola di dio,
che anche poi la pittura non sa rappresentare la voce.« E poiche l'arte
fa muti i santi, Philes mette ad essi in bocca i suoi versi cosi spesso
tanto inconcludenti che proprio non aggiungono nulla all' intelligenza
dclla figura. Sembra che questo contemporaneo di Dante, si preoccupi
innanzi alle opere d'arte, come 1'Alighieri avanti alle sculture che ornan
le rampe del Purgatorio, di uno stesso difetto: la parola. Egli non si
ferma mai suli'aspetto esterno che come riflesso dello spirito e cerca
le espressioni di questo perfino nella materia: il color rosso della pietra
in cui e scolpito un santo indica I'ardore della sua fede. » L'arte sa con
gli scalpelli scolpire solo l'imagine del corpo del martire, ma non vale
a ritrarre cid che e dentro Tamma.^)
Ed e un segno importante questo, del modo in cui al secolo XIV
si intendeva 1'ufficio dell'arte. Innanzi ail' imagine sacra la mente non si
smarrisce piu in estasi, e non piu si confonde in trepida adorazione; ma
esamina, e ricerca nelle sacre sembianze il suggelio dell' arte, e neli' opera
artistica il movimento, la parola, i'anima.
•5) Da un epigramma diretto a San Giorgio (Miller I, 35).
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Die Handzeichnungen der Uffizien in ihren Beziehungen
zu Gemalden, Skulpturen und Gebauden in Florenz.
Zweiter Aufsatz.
Von Emil Jacobsen.
(Schlufl.)
Cenacolo di San Salvi
Andrea del Sarto.
463 (Rahmen 157 ^3131'). Studie, wesentlich fiir den rcchtcn
Arm eines der Apostel links. Rotel. Eine ganze Reihe von Studicn zu
diesem Werke ist in meinem friiheren Artikel erwiihnt.
Chiostro dello Scalzo.
464 (Rahmen 150 Nr. 340^. Andrea del Sarto zugeschrieben :
Hockendcr Knabe. Angeblich Studie zu der Taufe Johannis im Scalzo.
Scheint mir jedoch eine Kopie von Poccetti. Rotel. Der weiblichc
Kopf, fast lebensgrofi, in demselben Rahmen ist nicht von Andrea, sondern
rneines Erachtens Kopie nach Bronzino. Schwarzkreide.
465 (Rahmen 160 Nr. 652). Andrea del Sarto: Studie zum Be-
fehlshaber in der Hinrichtung Johannis. Rotel.
466 (Rahmen 163 Nr. 282^). Studie zu der mannlichen Figur
zu aufierst links im Gastmahl des Herodes. Rotel.
467 (Nr. 14 415). Ricordo nach clem Henker in der Gefangennahme
Johannis. Echtes, wenn audi unerkanntes Blatt Pontormos. Von Battista
Naldini ist dagegen die als Andrea del Sarto bezeichnete ahnliche Zeich-
nung in Miinchen (Handzeichnungen alter Meister in Munchen. Blatt 137).
Auf der Rlickseite eine fiir Pontormo charakteristische Studie zu einem
sitzenden Putto. Rotel.
468 — 469 (Nr. 14457. 14458). Spate sehr grofle Kopien nach
der » Taufe Johannis «. Schwarzkreide.
470 — 495 (Nr. 14 46 1 — 14485 und 14487). 26 miniaturartig feine
Kopien nach Figuren und Gruppen. Spate Arbeit. Ich vermute Vor-
lagcn fur geplante Reproduktion in Stein oder Kupfer. Schwarzkreide.
Repertorium fiir Kunstwissenschaft, XXVIL 2 7
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4 02 Emil Jacobsen:
496 (Nr. 16 482 A). Kopie nach der Heimsuchung.
497 (Nr. 16 482 B). Kopie nach dem Gastmahl des Herodes.
498 (Nr. 16 482 C). Kopie nach der Enthauptung Johannis. Die
beiden ersten waren friiher in der Koll. Morelli unter dem Namen: Andrea
del Sarto. Sie werden jetzt mit Recht Battista Naldini zugeschrieben.
Alle Schwarzkreide.
499 (Nr. 14439). Ricordo nach der Heimsuchung. Feder getuscht.
500 (Nr. 17675). Ricordo nach dem Gastmahl des Herodes..
501 — 511 (Nr. 664 S — 674^). Elf grofie Kopien nach den Fresken.
Aquarell auf Leinwand. XVI. Jahrhundert.
512 (Nr. 691 S). Ricordo nach der »Taufe Johannis«. Feder.
Die beiden angeblichen Studien zu der Caritas haben weder Be-
ziehung zu dieser noch zu der Caritas im Louvre. Zu den Fresken im
Klosterhof des Scalzo besitzen wir also ein Dutzend Studien. Die iiber-
waitigende Menge von Kopien und Ricordi, grofler als bei irgend einem
anderen Monument des Cinquecento, lehrt uns etwas von der kunst-
geschichtlichen Bedeutung dieser Fresken. Es scheint, dafi sie fiir Florenz
bis in das 18. Jahrhundert hinein die wahre Hochschule der Malerei ge-
wesen sind.
Palazzo Vecchio.
Verrocchio: Knabe mit Deiphin.
513 (Rahmen 47 Nr. 124). Federskizze eines Knabenkopfes, der
grofie Ahniichkeit mit dem Kopf des Fischmannchens hat und vielleicht
als Studie zu demselben zu betrachten ist, wenn auch in dieser rliichtigen
Skizze das lachende Leben des ausgeftihrten Knabenkopfes noch fehlt. Auf
demselben Blatt ein unerkanntes Biidnis des Francesco Sassetti (Brogi
1 7 13). Ich komme darauf zurlick — siehe Nr. 684 — und nenne es
nur hier, weil es uns vielleicht in den Stand setzt, das Blatt und somit
die Figur ungefahr zu datieren. Der Kopf des Bildnisses stellt einen
Mann im Anfang der sechziger Jahre dar. Da nun Sassetti im Jahre 1421
geboren ist (nach freundlicher Mitteilung des Dr. A. Warburg), miifite die
Figur im Jahre 148 1, jedenfalls nicht viel friiher, also kurz vor der Ab-
reise des Meisters nach Venedig, geschaffen sein.
Was die Echtheit der Zeichnung betrifft, so vergleiche man sie mit
dem aufwarts blickenden Engeiskopf in der Koll. Beckerath, jetzt im
Berliner Kabinett (man beachte die Bildung der Oberlippe in drei scharfen
Segmenten), sowie auch mit dem Blatt mit Federskizzen von Putten im
Louvre, beide als authentisch anerkannt.
Michelangelo. Karton zu der Schlacht bei Cascina.
514 (Rahmen 184 Nr. 675). Pontormo. Gruppe nackter Manner.
Scheint eine Studie nach dem Karton. Rotcl.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 403
515 (Rahuien 147 Nr. 233 F). Michelangelo zugeschrieben. Auf
diesem schon friiher erwahnten Blatt mit verschiedenen Studien befindet
sich eine Kopie nach einer vom Riicken gesehenen Figur. Schwarzkreide.
Vergleiche Nr. 236. — Ich beinerke, dafl diese hoch aufragende Gestalt
auf Michelangelos Karton das Vorbild gewesen ist fiir mehrere, vom
Riicken gesehene, stark bewegte, mannliche Figuren bei RafTael, z. B. fiir
eine nackte Gestalt in der Kampfszene in Oxford, einen der Fufisoldaten
im Blatt der Akademie zu Venedig, den jugendlichen Henker in Salornos
Urteil in der Stanza della Segnatura. Es liegt gewifl bedeutend ferner, fiir
diese Figuren Signorelli heranzuziehen, wie man es.neuerdings versucht hat.
516 (Nr. 18634). Aidere Kopie nach derselben Figur. Rotel.
517 (Nr. 236 F). Daniel da Vol terra. Grofie Studie nach dem
Karton. Rotel.
518 (Nr. 591). Daniel da Volterra. Gegen links laufende Figur
mit Mantel und Lanze. Rotel.
519 (Nr. 12794). Domenico Campagnola zugeschrieben. Der
Klettcrer. Feder.
520 (Nr. 17389). Ignoto. Studie nach dem vom Riicken ge-
sehenen Lanzentrager. Vielleicht nach einer Zeichnung in der Albertina.
Schwarzkreide.
521 (Nr. 6374). A. Allori: Christi Taufe. Drei Figuren auf diesem
Blatt scheinen von dem Karton inspiriert.
522—523 (Nr. 15308. 15309). L. Melius. Studien nach dem
Karton. Feder getuscht. Schwarzkreide.
Das Blatt (Rahmen 140 Nr. 613) habe ich schon in meinem ersten
Artikel notiert. Ich fiige noch hinzu : Selbst wenn diese Studie Kopie
ware, wiirde sie, da sie sowohl von der Skizze in der Albertina wie von
der Grisaille in Holkham verschieden ist, unsere Auffassung der Kom-
position bereichern. Ist sie aber so ganz sicher Kopie: Von Aless. Allori,
der das Blatt mit der Auferweckung des Lazarus in demselben Rahmen
nach Vorlagen Michelangelos gezeichnet hat, ist sie sicher nicht. Auf
meine Anregung wurde das Blatt aus dem Rahmen genommen und die
ganz unbekannte Riickseite untersucht. Da fanden sich Figurenstudien von
cinem sehr michelangelesken Charakter vor, die das Verdammungsurteil
des Blattes wieder sehr unsicher machen. — Es gibt hier noch ein Blatt
mit Beziehung zu dem Karton, uber dessen Autorschaft ich noch nicht
ganz im Klaren bin:
524 (Nr. 16077). Ignoto genannt. Zwei mannliche nackte Fi-
guren in sitzender Stellung. Die obere korresponcliert mit der Figur, die
in der Grisaille zu Holkham unter der nach links sich vorbeugenden Ge-
stalt sichtbar wird, die untere konnte eine erste Idee sein fiir den seinen
27*
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404 Emil Jacobsen :
Strumpf anziehenden Soldaten. LeichHiingeworfene Federskizzen. Dazu
in Rotel cine Kopie nach cler erstgenannten Studie. Der Stil ahnelt
jugendlichen Zeichnungen des Meisters, wie der Vergleich mit einigen
Studien in Haarlem, publiziert in Marcuards Werk (Tafel XXIV und
XXV), ausweist. Ich hofTe spater auf diese Studien zuruckzukommen
und behalte mir vor, sie bei Gelegenheit zu publizieren.39)
Lionardo. Karton zu der Schlacht bei Anghiari.
525 (Rahmen 93 Nr. 150*'). Lionardo zugeschrieben. Fluchtige
Federskizze mit Reitern. Diese langgestreckten Pferdekorpcr deuten nicht
auf Lionardo. Man vergleiche sie mit denen auf der sicheren Zeichnung
Rahmen 96 Nr. 436, wo der Typus ganz anders und viel schoner ist.
Imitation.
526 (Nr. 8950^). Lionardo zugeschrieben. Studie nach dem
Karton. Feder.
527 (Nr. 14591). Reiterkampf. Interessante Kopie nach dem
Karton Lionardos. Feder getuscht: Von cinem Anonimo del Sec. XVI.
Diese Kopie ist, so viel ich weifl, noch nicht berticksichtigt worden.4-)
Giorgio Vasari. Fresken.
528 (Rahmen 216 Nr. 11 84).
529 (Rahmen 218 Nr. 1185). Fedcrstudien zu densclben.
530 (Rahmen 219 Nr. 1186).
531 — 532 (Nr. 631 u. 632). Studie zu Vasaris Frcskobild: AngrifT
auf Pisa. Schwarzkreide und Feder.
533 (Nr. 2615 s). Dom. Cresti. Einem mediceischen Fiirsten wird ge-
huldigt. Zum Fresko in der Sala del Consiglio. Rote und schwarze Kreide.
534 (Nr. 2616 s). Dom. Cresti. Cosimo I. wird bekleidet mit der
»porpora granducale«. Zum Fresko in demselben Saal. Rote und schwarze
Kreide.
535 — 54° (Nr. 8243. 8244. 8245. 8246. 8270). Andrea Boscoli.
Studien nach Bandinellis Hercules und Cacus, von verschiedcnen Seiten
gesehen. Schwarzkreide. Diese eingehenden und urnstandlichen Studien
seitens eines begabten Kunstlers wie Boscoli konnten darauf deuten, dafi
diese Gruppe doch nicht von alien Kiinstlern so verachtet wurde, wie
39) In der Casa Buonarroti bcfinden sich zwei wenig beachtete Blatter mit drei
Studien, die Beziehung zu dem Karton haben: Nr. 27 (Rahmen 6). Liegende Figur nach
unten greifend. Figur in horchender Stellung. (Schwarzkreide). Nr. 73 (Rahmen 16).
Nackte, mlinnliche Figur vom Riicken gesehen. Feder.
4°) Es gibt zwei groGe Gemiilde in Florenz, die, wenn ich mich nicht schr
tiiusche, in ihren zentralen Hauptszenen auf den Karton zuriickgehen. Das eine ist ein>
der Schlachthildcr Vasaris im Saale des Cinquccento im Palazzo Vecchio (das letzte
rcchts), das andere ist Rubens: Henri IV in der Schlacht bei Jvry in den Uffizien Nr. 64.
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Die Handzeichnungen der Ufflzien etc. 405
zeitgenossige Berichte uns glauben lassen, unci wie sie es heute ist.
Schwarzkreiclc.
541 (Rahinen 201 Nr. 599F). Franc. Salviati: Allegorie des
Fried ens. Sorgfaltig ausgeflihrte Federzeichnung zu seinem Fresko en
grisaille iiber der Eingangstiir in einem Saale im oberen Stockwerk.
Loggia dei Lanzi.
542 (Nr. 14847). Kopie nach der sogenannten »Thusnelda«. Feder
ge tu sch t.
543 (Nr. 575 S). Sehr freie und breite Federskizze zu einem Perseus.
Von Benvenuto Cellinis Statue inspiriert. — Im Katalog der Koll.
Santarelli als echte Studie zum Bildwerk.
544 — 545 (Nr. 11 570. 11 571). Kopien nach Giov. Bolognas Raub
der Sabinerin. Die letztere von Fr. Currado. Schwarzkreide. Rotel.
S. S. Annunziata.
546 — 547 (Rahmen 529 Nr. 4180, 417O). Pontormo: Wappen
eines mediceischen Papstes (Leo X.) zwischen zwei Figuren. Es
ware intercssant, wenn wir konstatieren konnten, dafi wir die Vorstudien
ftir den ersten Versuch des neunzehnjahrigen Kiinstlers vor uns hatten.
Nach Vasari debutierte der junge Pontormo damit, dafi er das Wappen
Leos X. an die Wand der Annunziata malte. Die Sache ist wahrschein-
lich. Die Zeichnungen sind dem Meister zugeschrieben wegen ihres
charakteristischen Stils, nicht wegen des Berichtes Vasaris, welchen der
Katalog nicht erwahnt. Feder.
Perugino: Thronende Maria mit Heiligen.
548 (Rahmen 253 Nr. 1317F). Finer der aufblickenden Apostel
links. Kopie. Feder.
Vorhof.
549 (Rahmen 153 Nr. 271. Andrea del Sarto zugeschrieben.
Rotelstudie eines Jiinglings. Der Kopf kommt genau vor an einer Figur
im Fresko: S. Filippo treibt einen Teufel aus. Die Zeichnung scheint mir
jedoch Franciabigio naher zu stehen als Andrea. 41)
550 (Nr. 6435). Studie zu einer Figur der Folge (Bikinis Sanso-
vinosr). Schwarzkreide.
551 — 552 (Nr. 6467 — 6468). Kopie nach dem Fresko Andrea del
Sartos: ein Mirakel des hi. Filippo Benizzi. 18. Jahrhundert. Feder.
553 (Nr. 14459). Rotelkopie nach einem Teil der Geburt Marias.
4«) Der, Andrea del Sarto zugeschriebene, Tondo mit einer hi. Familic (Schwarz-
kreide) ist auch von Franciabigio.
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406 Emil Jacobsen:
Oratorio di San Lucca.
554 (Rahrnen 414 Nr. 755 F). Santi di Tito: Salomo befiehlt
die Au f rich tung des Temp els. Skizze zu dem Bilde. Feder, getuscht
und weifi gehoht auf grauern Papier.
555 (Rahmen 415 Nr. 752). Entwurf ftir dasselbe Fresko. Feder,
getuscht und weifi gehoht.
Klosterhof.
556 (Nr. 14449). Rotelversion nach der Madonna del Sacco mit
einer hi. Anna.
557 (Nr. 14486). Kleine Schwarzkreidekopie nach demselben Fresko.
558 (Rahmen 444 Nr. 1284F). Venturi Salimbeni. Entwurf zu
einem Fresko im Klosterhof (dem zweiten, wenn man vom Eingang links
umbiegt.) Rotel.
559 (Rahmen 415 Nr. 827 *). Bernardo Poccetti: Mirakel eines
Heiligen. Studie ftir eines seiner Wandgemalde im Kloster von S. S.
Annunziata. Feder (rote Tinte), getuscht.
560 (Nr. 1541S). B. Poccetti. Studien zum Wandgemalde mit
einem Mirakel des hi. Lucas. Feder getuscht.
561 (Nr. 849). Poccetti: Tod eines hi. Monches. Studie zu dem
Fresko. Schwarzkreide, weifi gehoht.
562 (Nr. 1627 S), Poccetti. Entwurf zu seinem Fresko mit dem
Tode des hi. Filippo Benizzi. Schwarzkreide.
Orto dei Servi.
Andrea del Sarto. Das Glcichnis vom Weinberg (untergegangene
Fresken).
563 (Nr. 14456). Alte Kopie nach einem dieser schonen Kom-
positionen, noch aus dem Cinquecento. Feder.
564 (Nr. 675^). Die Berufung der Arbeiter. Grofie Kopie aus dem
16. Jahrhundert. Aquarell auf Leinwand. Gestochen von Agostino
Veneziano. — (Nr. 676 s), Die Ausznhlung des Lohnes. Kopie aus dem
16. Jahrhundert. Aquarell auf Leinwand.
565 (Nr. 14445). Alte Kopie nach einem Teil von einem der
Fresken. Feder, getuscht.
566 (Nr. 14 451). Spate Kopie nach der ganzen Komposition von
einem der Fresken. Bleistift.
567 (Nr. 14488). Spate Kopie nach dem noch im Refektorium
von Ognissanti aufbewahrten kleinen Fragment des Fresko. Die Fresken
waren in Chiaroscuro und werden von Vasari ausfiihrlich erwahnt
Mit Ausnahme von Nr. 675 s stellen alle diese Kopien den Vor-
gang mit der Zahlung dar. Dieses Fresko wird von Vasari besonders
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 407
gelobt und scheint auch in den nachfolgenden Zeiten am incisten ge-
fallen zu haben.
S. S. Apostoli.
Giorgio Vasari: Konzeption.
568 (Rahmen 220 Nr. 11 83). Grofle, breit ausgeftihrte Skizze zum
Gemalde. Eine kleinere wurde schon friiher erwahnt. Feder, getuscht
und quadriert.
Baptisterium.
569 (Rahmen 4 Nr. 16). Ghiberti: Paradiesestiir. Anonimo del
Sec. XVI zugeschrieben. Studien nach der »ErschafTung Evas«. Die
Studie betrifft hauptsachlich Gottvater, weniger Eva. Adam ist nur an-
gedeutet. Auf der Riickseite: Studien nach Michelangelos Fresken in der
Sixtina: Erschaflfung Adams, Siindenfall, Vertreibung aus dem Paradies.
Auch auf der Vorderseite sieht man, wie der Klinstler versucht hat, die
Komposition Ghibertis mit der Michelangelos zu kombinieren. Gottvater
ist hier nackt dargestellt, was in den Vorbildern nicht vorkommt Sie
sind schon deshalb keine Ricordi, sondern ofifenbar Studien nach den
beiden Meistern mit dem Zweck, eine dritte Komposition zu bilden.
Wer ist der Zeichner? Nach der kiinstlerischen Handschrift zu urteilen,
diirfte dieser ein dritter Bildhauer sein, namlich Giovanni da Bologna.
Man vergleiche diese Studien mit den (angeblichen) Entwtirfen zu den Tiiren
des Pisaner Doms, spater von Raff. Pagni in Bronze ausgeflihrt (R. 533
Nr. 114O, 1 1 50, 1 1 6°) und mit anderen Zeichnungen von Giovanni. Die
Komposition Ghibertis hat in hohem Grade vorbildlich gewirkt. So scheint
Lorenzo di Credis »Erschaffung Evas« in seiner Predella zu seiner »Ver-
kiindigung* in den Uffizien, auch Ercole Grandis Komposition dieses
Gegenstandes in der Koll. Morelli in Bergamo auf Ghiberti zuruckzugehen.
Selbst Michelangelo scheint in seinem Fresko in der Sixtina von dieser
Komposition inspiriert. Feder. (Braun 232.)
570 (Rahmen 4 Nr. 18). Nachzeichnung von Ghibertis Taufe Christi
an der Nordtiire des Baptisteriums. Die Zeichnung weicht von dem
Relief dadurch ah, dafi das Landschaftliche fehlt. Feder, weifi gehoht
auf gelbgetbntem Papier.
57 1 — 572 (Nr. 6544. 6555). Liegende Gestalten. Rotelzeichnungen
unbekannter Hand. Inspiriert von den liegenden Gestalten der Paradieses-
tiir, namentlich von der unten am linken Fliigel und der oben am rechten.
II Carmine.
Capella Brancacci.
573 (Rahmen 25 No. 44 1*"). Maso Finiguerra zugeschrieben:
Adam und Eva aus dem Paradiese getrieben. Feder getuscht. Scheint
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408 Emil Jacobsen:
ein Ricordo nach dem Fresko Masaccios zu sein. Auf einer der vier
Zeichnungen, die in. diesem Rahmen dem Maso zugeschrieben sind,
No. 41 V, steht sein Name geschrieben, doch wohl spater und vielleicht von
Baldinucci in der Zeit des Kardinals Leopoldo. Der Katalog ist nicht
ganz konsequent, indem er diese vier Zeichnungen dem Finiguerra und
die vielen anderen in derselben Art der Schule des Ant. del Pollajuolo
zuschreibt.
Sidney Colvin hat versucht, die Zeichnungen in einer von ihm ver-
offentlichten Chronik**2) mit der ganzen Serie verwandter Blatter hier in Ver-
bindung zu setzen und dies alles dem Maso Finiguerra zuzuschreiben. Der
Zusammenhang mit der Chronik wird unter anderem dadurch wahrschein-
lich gemacht, dafi die einen Kranz bindende Frau in kniender Stellung
(Rahmen 34 No. 391 F) auf einem der Blatter mit dem thronenden Sar-
danapolis in der Chronik vorkommt. Meiner Ansicht nach ist jedoch die
Halfte dieser Zeichnung, die (iber zwei Blatter gezeichnet ist, und zwar
diejenige, auf der die knieende Figur sich befindet, von Schiilerhand.
Man vergleiche z. B. nur die Ornamente oben mit den korrespondieren-
den auf dem anderen Blatt und man wird die tastende, unsichere Hand
eines Schulers darin erkennen. Auch die Tinte ist eine andere. Schuler-
arbeit diirfte wohl auch sonst in der Chronik nachzuweisen sein, wenn
auch Mr. Colvin dies nicht eingestehen will, sondern der Ansicht ist, dafi
die ganze Chronik von dem Meister selbst herrlihrt. Der Zusammenhang
mit Stichen, die wahrscheinlich dem Finiguerra zuzuschreiben sind, wird
unter anderem dadurch bewiesen, dafi eine Figur in einem derselben
(reproduziert S. 32), ein posaunenblasender Amor, in der Zeichnung im
Rahmen 36 No. 8qF vorkommt. Der grofite Teil dieser Serie, wozu be-
trachtlich mehr, als Colvin angibt, gehort, teils in den Kartellen (auch
in der Koll. Santarelli), teils unter anderen Namen ausgestellt, ist meines
Erachtens Schiilerwerk, Atelierubung, ja recht eigentlich »roba di giovi-
netti« zu nennen. Unter den weder dem Maso selbst, noch der Schule
Ant. Pollajuolos zugeschriebenen, nenne ich das miinnliche Profilbildnis in
halber Lebensgrofie, Paolo Uccello genannt (Rahmen 14 No. 65 F). Auch
dies Blatt triigt den Namen Tom*° Finiguerra. 43) Ein anderes Blatt mit
liegenden Figuren in starker Verkiirzung, gleichfalls Uccello genannt und
auch von ihm inspiriert (Rahmen 14 No. 27), gehort auch hierher. Feder
getuscht. Dem Pesellino zugeschrieben ist die getuschte Federzeichnung
No. 1 127, Rahmen 25, ein drapierter Jiingling. Sie gehort auch in die
Finiguerra-Serie.
4») A Florentine Picture-Chronicle by Maso Finiguerra. London 1S9S.
43) Auf einem Blatt, der Schule Ant. Pallajuolos zugeschrieben, kommt der Name
Finiguerra zum dritten Male vor.
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Die Handzeicbnungen der Uffizien etc. 409
Dieser Serie verwanclt, wenn schon wesentlirh uberlegen, sind audi
die dem Masaccio zugeschriebenen zwei Blatter: Lesender und zeichnen-
der Jiingling (Rahmen 20 No. 118P, 120^,. dieselbe Technik). Aufier-
halb Florenz befinden sich noch im Palazzo Corsini ein Kopf, reprodu-
ziert in den »Gallerie nazionali italiane« II S. 415 und in der Koll. Bonnat
in Paris .-weiundzwanzig Zeichnungen; diese letzteren scheinen aber meistens
schwache Kopien zu sein. Eine interessante Studie befindet sich in dem
Stockholmer Kabinet: David, den rechten Fufi auf dem Haupt Goliaths,
eine Schlinge in der rechten Hand, sehr ahnlich dem David in unserer
Sammlung Rahmen 25 Nr. 42 P.
574 (Nr. 309). Andrea del Sarto zugeschriebcn : Andere Studie
nach der frierenden Figur in der »Taufe Petri«. Rotel. Eine ausge-
stellte Studie nach dieser Gestalt, dem Andrea del Sarto zugeschriebcn,
habe ich schon erwahnt (siehe Nr. 147).
575 (Nr. 14585). Kopie nach dem Fresko Masaccios: Wunder
des Zinsgroschen, von einem spaten Cinquecentisten. Vielleicht von Gio-
vanni da San Giovanni.
S. Croce.
576 (Rahmen 414 Nr. 764). Santi di Tito: Auferstehung
Christi. Studie fiir sein Altarbild in St. Croce (Cappella Medici). Feder
und Schwarzkreide, getuscht auf grau getbntem Papier.
57 7 (Nr. 7I23)- Volterrano: Entwurf zu dem Kuppelgemalde in
der Cappella Niccolini. Schwarzkreide.
578 (Nr. 15797). Anonimo genannt Kopf eines Greises. Schwarz-
kreide, weifi gehoht. Sichere Zeichnung von Pier Francesco Florentine
Wahrscheinlich Studie zu Gottvater in einem Bild in der Cappella
Medici. 44)
519 (Nr. 13309). Batt. Naldini. Grofier Entwurf fiir die Pieta
am Monument des Michelangelo. Schwarzkreide, weifi gehoht.
580 (Nr. 1764O). Kopie nach demselben Grabmal. Feder.
D o m.
581 (Rahmen 67 Nr. 177 Ir). Engel Gabriel. Feder. Filippino
zugeschrieben. Vielmehr von Dom. Ghirlandajo. Skizze zu dem Verktin-
digungsengel im Mosaik der Verkiindigung iiber einem der Portale. Siehe
Nr. 38 im vorigen Aufsatz.
582 (Rahmen 519 Nr. 248 A). Die Laterne im Bau. Angeblich
Kopie des 16. Jahrhunderts nach Brunelleschi. Feder getuscht und mit
Rotel belebt.
44) Von Berenson Ubersehen.
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410 Emil Jacobsen:
583—584 (Nr. 489. 494). Zwei Federstudien zu drapierten Ge-
stalten von Bandinellis Skulpturen an der Chorschranke.
585 (Nr. 561). Bandinelli: Zwei drapierte Figuren. Scheinen
Studien zu der Chorschranke des Doms. Feder.
586 (Rahmen 429 Nr. 11 043 F). Federigo Zuccheri. Der Meister
am Arbeitstisch, worauf ein Modell der Domkuppe] (im Durchschnitt),
konferiert mit einem Geistlichen (Monsignore Vincenzo Borghini) iiber die
dort zu schafTenden Malereien. Im Hintergrunde die emporragende Dom-
kuppel. Feder, getuscht.
587 (Rahmen 216 Nr. 1178). Leicht hingeworfene Skizze zu den
P>eskogemalden in der Kuppel von Vasari, die von den Gebrudern Zuccheri
vollendet wurden.
S. Egidio.
588 (Rahmen 487 Nr. 2149F). Giov. Bapt. Paggi: Christus
heilt den Gichtbriichigen. Getuschte Federzeichnung zum Bilde.
(Zweiter Altar rechts.) Im Hintergrunde Dom und Campanile. Feder,
getuscht.
S. Felicita.
Jacopo Pontormo: Kreuzabnahme in der Cappella Capponi.
589 — 595. Zu diesem Werk befindet sich hier eine groflere An-
zahl vorziiglicher Studien in roter und schwarzef Kreide. Ich nenne
unten sieben Nummern.45)
596 (Nr. 6653). Studien zu der Verkiindigung in derselben Kapelle.
Schwarzkreide, weifi gehoht.
597 (Rahmen 183 Nr. 6674 F). Pontormo: Jugendlicher Taufer.
Studie zu einer Figur in der Cappella Capponi. Schwarzkreide.
Ingesuati.
598 (Rahmen 254 Nr. 407). Perugino: Fiinf nach rechts wan-
dernde Figuren. Die vordersten tragen Kessel. Angeblich Studie fur
eine Anbetung der Konige in der Ingesuati, einer Kirche nahe bei Florenz,
die 1530 zugrunde ging. Getuschte Federzeichnung. (Brogi 2554.)
Innocenti (San Maria degli).
Dom. Ghirlandajo: Anbetung der Konige.
599 (Rahmen 61 Nr. 316). Drapierte, nach links kniende GestalL
Wahrscheinlich als Studie zu einem der Konige verwendet. Andere Be-
45) Nr. 6540. (>544. 6573. 6576. 6577. 6619. 6627.
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Die Handzeichnungen der Uffizicn etc.
411
ziehungen kornmen auch vor. Silberstift, weifl gehoht und getuscht auf
rotem Papier. 46) (Braun 233, Brogi 1756.)
600 (Rahmen 61 Nr. 384). Dom. Ghirlandajo: Mannliche
drapierte Figur mit Portratziigen, in der Rechten einen Pfeil
haltend. Silberstift, weifi gehoht auf gelblichem Papier. Studie zu der
Figur en face in der Gruppe von drei stehenden Mannern. Im Gemalde
halt diese vornehme und gewifl hochstehende Personlichkeit statt des
Pfeiles eine Manuskriptrolle. Man kann vielleicht hieraus folgern, dafi
der Taufname des Mannes Sebastiano und dafi er ein Gelehrter oder
Dichter war. Wer ist dieser Mann? Die Beziehung wurde frtiher nicht
erkannt.47)
S. Lorenzo.
601 — 621. Pontormo: Untergegangene Fresken im Chor. Vasari
hat dies Freskowerk ausfiihrlich beschrieben. Er tadelt es zwar, aber
gerade an seinem Tadel erkennt man, dafi es reich an genialen Ziigen
gewesen sein mufi, wenn auch Michelangelo dem alternden Pontormo zu
Kopfe gestiegen ist. Dies wird durch die hier vorhandenen Studien be-
statigt. Unter den nicht ausgestellten befinden sich 2 1 Studien (vielleicht
auch mehrere), fast alle in Schwarzkreide.48) Femer unter den ausgestellten:
622 (Rahmen 179 Nr. 465 *). Die Erschaffung Evas. Sorgfaltig
ausgefiihrte Rotelzeichnung.
623 (Rahmen 189 Nr. 526). Gottvater erscheint dem Noah.
Feder. Diese letztere Zeichnung geht auf Raffael zuriick. (Braun 488,
Brogi 1564.)
624 (Rahmen 189 Nr. 445 F). Studie zu einem Putto fur oben-
genannte Komposition. Feder.
Dafi die Zeichnungen mit Darstellungen aus dem Alten Testamente
Beziehung zum Freskowerk haben, wird durch Vasaris Beschreibung be-
statigt. Er sagt, indem er zuerst iiber die Selbstiiberhebung Pontormos
spottet: »Immaginandosi dunque in quest' opera di dovere avanzare tutti
i pittori, e forse, per quel che si disse, Michelagnolo; fece nella parte
di sopra in piu istorie la creazione di Adamo ed Eva, il loro mangiare
del porno vietato, e 1' essere scacciati di Paradiso, il zappare la terra,
il sacrifizio d' Abel, la morte di Caino, la benedizione del seme di Noe,
46) Diese Draperiestudien, die Beziehung zu mehreren Werken Ghirlandajos haben,
werden von Berenson gewiB irrtUmlich Mainardi zugeschrieben.
47) Das Alter des Mannes ist zwischen $0 und 60. Das Bild 1488 datiert.
48) Das jetzt erschienene Werk von Berenson erspart mir das langweilige Auf-
zahlen der Nummern, nur mochte ich ein grofles, wichtiges Blatt mit nackten Figuren
(Schwarzkreide) besonders hervorheben, Nr. 13861 sowie Nr. 168s, beide von Berenson
iibersehen.
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412 Emil Jacobsen:
e quando egli disegna la pianta e inisure dell' Area. In una poi delle
facciate di sotto, ciascuna delle quali e braccia quindici per ogni verso,
fece la inondazione del Diluvio, nella quale sono una massa di corpi
morti ed affogati, e Noc che pari a con Dio etc« Vasari, Ed. Mi-
lanesi VI S. 285 u. f.
625 (Nr. 18724). Michelangelo: Studie zu der Fassade von
S. Lorenzo. Rotel. (Siehe Rivista d'Arte I »Nuovi disegni sconosciuti di
Michelangelo. «)
626 (Rahmen 512 Nr. 278A). Giuliano da San Gallo: Studie
zu der Fassade von S. Lorenzo. Mit der Inschrift (angeblich von der Hand
Vasari's): GIVLIANO DA SAN GALLO ARCH1T. FIORENT. Feder.
627--631 (Rahmen 510 Nr. 276A, 279A). Giuliano da San
Gallo: Zwei andere Studien. In den Kartellen noch 27 7 A, 280 A, 281 A.
Feder getuscht.
632 (Nr. 6501). Rosso Fiorentino: Rotelstudie zu dem Altarbilde.
633 (Rahmen 29 Nr. 615°). Desiderio da Settignano zu-
geschrieben. Geht auf den Altar von Desiderio im rechten Querschift
zurtick. Meiner Ansicht nach wahrscheinlich von Francesco di Simone.
Feder getuscht. 49)
634 (Nr. 6771). Sogliani: Martyrium des hi. Arcadio. Studie
zu einem der knieenden Heiligen. Schwarzkreide, weifi gehoht.
^35 (Rahmen 7 Nr. 40 F). Donatello mit Fragezeichen zuge-
schrieben. Studie von Putti. Feder. Der hockende Putto rechts hat
nicht, wie es angegeben wird, mit dem Cosciamonument im Baptisterium
zu tun, stimmt aber im Gegensinn mit dem Putto rechts am Sepolcro
di Averrardo und di Paccarda del' Medici in der Sakristei.5°) Genaue
Nachbildungen von dem hockenden Knaben am Cosciamonument sind
dagegen die beiclen Putten mit dem Namenszuge Christi am Marmorrelief
im Berliner Museum, Werkstatt Verrocchios zugeschrieben, nur dafi diese
4'>) Von demselben Kiinstler diirfte audi die dem Francesco di Giorgio irrtUmlich
zugeschriebene Zeichnung zu einem Altaraufsatz (Rahmen 241 Nr. 1436) sein. Das Blatt
ist in der Alb.-Publ., spiiter auch von Beren?on meiner Ansicht nach irrtUmlich Lorenzo
di Credi zugeschrieben. K> ist kein Wunder, dafi es an Credo erinnert, denn die Ver-
kUndigung darauf geht auf cine Zeichnung Lorenzos, die wahrscheinlich als Studie fiir
das Ufffzienbild gedient hat, zuruck (Rahmen 82 Nr. 1196). Wcnn das Blatt von Credi
ware, dann diirfte auch die oben erurterte Nr. 615^ sowie Nr. 645° in demselben
Rahmen und Nr. 614 in Rahmen 28 von ihm sein. Ks stimmt mit diesen Zeichnungen
selbst in geringfiigigen Details uberein. Aber es ist nicht von Credi. Es zeigt nicht
seinen Stil und wlirde auch in seinem Werk ganz vereinzelt dastehen. Von derselbcn
Hand diirfte noch die dem Ant. Pollojuolo zugeschriebene »Allegorie auf das Gluck«
sein (Rahmen 29 Nr. 27S).
5°) Wahrscheinlich von Andrea da Buggiano ausgefiihrt.
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Die Handzeichnungen der Ufftzien etc. 413
Putti die Kopfe gegen den Beschauer wenden. Noch genauer wieder-
holen sie sich in den Inschrift haltenden Putti an dem Forteguerri-Denk-
mal in Pistoja, welches jedenfalls auf Verrocchios Werkstatt zuriickgeht.
Man vergleiche mit Donatellos Put ten, wo er solche dekorativ verwertet
hat, den hockenden Knaben in dem bekannten Kinderstudienblatt im
Louvre (Riickseite, Ecke links). Dieser kann fast als ein Ricordo nach
einem jener gelten. Wenn es auch wahr sein kann, dafl Verrocchio Do-
natellos Schiiler nicht gewesen ist: Beziehungen zwischen den beiden
Klinstlern fehlen dennoch nicht.
636 (Nr. 1375). Polidoro da Caravaggio zugeschrieben. Zwei
sich unterhaltende Manner. Feder getuscht. Scheint inspiriert von
zwei sich unterhaltenden Heiligen an einer der Bronzetiiren von Donatello
in der Sakristei von S. Lorenzo.
637—638 (Nr. 259 — 261). Antonio da San Gallo il Vecchio.
Kopien oder vielmehr Versionen naeh Donatellos Reliefs an den Bronze-
tiiren. Feder, weifi gehoht auf rotlich getontern Papier. 51).
Sagrestia nuova.
639 (Nr. 187 19). Michelangelo. Auf diesein Blatt zwei Studien
zu der »Nacht«. Wesentlich Studien zum linken Bein mit seiner machtigcn
Muskulatur, doch ist in der grofleren Studie die ganze Figur leicht an-
gedeutet. Der Kiinstler modelliert hier das Fleisch in magistraler Weise
und gibt sich liber jedes Schwellen und Senken der stark bewegten
Formen genaue Rechenschaft. Daneben Studie zu dem linken Bein des
»Tags«, sowie einige anatomische F^ntwiirfe.
Auf der Riickseite wieder zwei Beinstudien, auch fur die »Nacht«.
Alles Silberstift.
Die obengenannten Zeichnungen gehorcn in die Serie von unbc-
kanntcn Studien des Michelangelo, die wie schon fruher mitgeteilt wurde,
von Ferri und mir in jiingster Zeit nachgcwiesen sind. 52)
In einigen dieser Studien, nicht am wenigsten in denjenigen ftir die
»Nacht «, ist es merkwiirdig zu beobachten, wie der Meister, indem er
zeichnet, im Geiste Hammer und Meisel in den Handen hat, denn die
Striche sind mit soldier Energie in das Papier hineingedriickt, dafl, wo
es nicht sehr widerstandsfahig ist, wie in Nr. 18722, es von dem Silber-
stift fast durchgeschnitten ist.
640 (Rahmen 190 Nr. 607). Federskizze fur das Grabmal ftir
Lorenzo Magnifico, dem Aristotele da Sangallo zugeschrieben. Kopie
51) Von Berenson Giuliano zugeschrieben. Die grobe Ausftihrung und das Hand-
schriftliche deuten jectoch mit Sicherheit auf Antonio.
5*) Vgl. Miscellanea d'Artc Anno I. Disegni sconosciuti di Michelangelo. S, 76.
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a i a Emil Jacobsen:
nach einer Zeichnung von Michelangelo. Siehe Pietro Franseschini »La
Tomba di Lorenzo dei Medici «. Feder. — Rekonstruktion von der
Hand Aristoteles da Sangallo ist auch der noch dem Michelangelo zu-
geschriebene Entwurf zum Grabinal Julius' II. (Rahmen 142 Nr. 608).
Feder. 53)
641 (Nr. 258). Aristotele da Sangallo (friiher Michelangelo)
zugeschrieben. Grabmal rnit zwei Sarkophagen, dariiber Madonna, ein
Buch haltend, rnit dem Kinde, vor ihr stehend, nach dem Buche langend,
zwischen zwei Heiligen (Cosmus und Dainianus), iiber diesen zwei andre
Hcilige. Wichtig als Ricordo nach einer Studie Michelangelos fiir das
geplante aber nicht ausgeflihrte Grabmal fiir Lorenzo und Giuliano de*
Medici, das an der Wand, wo jetzt die Madonnenstatue und Cosmus und
Damianus sich befinden, angebracht werden sollte. Im Jahre 1559 liefi
Grofiherzog Cosimo I. die Leichen von der alten Sakristei hier hinliber-
schaffen, aber, so seltsam es auch klingt, man wufite nicht, wo sie bei-
gesetzt waren, bis vor kurzem Pietro Franceschini die Sarge der beiden
Medici unter der Madonna nachgewiesen hat. Feder. Andere Studie
hierfiir Rahmen 190 Nr. 607. Ein ahnlicher dem Michelangelo zuge-
schriebener Entwurf in der Albertina.
642 — 643 (Nr. 1840, 1 841). Tintoretto zugeschrieben. Vier
Studien nach dem Kopf Giulianos de* Medici von Michelangelo. Schwarz-
kreide, weifi gehdht.
644 (Nr. 12914). Liegende Figur, dem Tizian zugeschrieben.
Scheint inspiriert von Michelangelos »Tag<*.
645 (Rahmen 190 Nr. 607). Kopie nach dem Grabmal der Medici.
Siehe P. Franceschini. »La Tomba dei Lorenzo de Medici. «
646 (Nr. 14778). Kopie nach Michelangelos »Tag« von Angel o
Bronzino. Schwarzkreide.
647 (Nr. 16983). Rotelstudie nach derselben Figur.
648 (Nr. 6548). Pontormo zugeschrieben. Liegende Figur. In-
spiriert von Michelangelos »11 Crepuscolo«. Schwarzkreide.
649 (Nr. 16984). Rotelstudie nach derselben Figur.
650 (Nr. 253). Heemskerck zugeschrieben. Kopie nach Michel-
angelos: Giuliano de' Medici. Rotel.
651 (Nr. 18209). Kopie nach Michelangelos: Lorenzo Duca d'Ur-
bino. Rotel.
652 (Nr. 17754). Kopie nach der » Auroras. Schwarzkreide, weifi
gehoht.
53) Vgl. den Aufsatz von P. Nerino Ferri in der Miscellanea d'Arte Anno 1.
Pag. 11.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 4 1 5
San Marco.
Fra Bartolommeo: Thronende Maria.
653 (Rahmen no Nr. 1283).
654 (Rahmen 117 Nr. 458). Beide Johannes den Taufer darstellend.
Nach dem Katalog sollen diese Zeichnungen Beziehungen zu dem hiesigen
Altarbild von Fra Bartolommeo haben, was fraglich ist. Es ist dagegen
sicher, dafi Nr. 458 die genaue Vorzeichnung ftir Johannes den Taufer
in der Thronenden Madonna im Dom zu Lucca ist. Ftir dasselbe Bild
hat auch der hi. Stephan, Rahmen 124 Nr. 483, gedient. Beide Schwarz-
kreide, weifi gehoht. (Nr. 1283 Braun 86, Brogi 1939. Nr. 458 Braun 85,
Brogi 1446.)
Nr. 1283 ist Studie zu derselben Figur, aber im Gegensinn. Diese
Zeichnung hat der Frate wieder benutzt ftir sein Spiitwerk: »die Verkiindi-
gung« im Louvre; endlich scheint es, dafi auch RafTael die Skizze in
seiner Madonna di Foligno54) verwendet hat.
S. Maria Nuova.
655 (Rahmen 239 Nr. 849). Studie zu dem Fresko am rechten
Ende des Porticos, die Verkundigung darstellend, von Taddeo Zuccheri.
Schwarzkreide, weifi gehoht.
S. Maria Novella.
656 (Nr. 7514). Francesco Montelatici. Entwurf zum Gemalde
iiber der Eingangstiir. Rot- und Schwarzkreide.
657 (Rahmen 61 Nr. 316). Ghirlandajo: Anbetung der Konige.
(Fresko im Chor.) Studie zu einem der knienden Konige. (Brogi 1756.)
Diese Studie ist, wie friiher erwahnt, von dem Meister mehrfach benutzt
worden. Nr. 290 desselben Rahmens hat vielleicht auch Beziehung zu
einer der Figuren. Nr. 284, die nicht einen Konig, sondern den hi.
Hieronymus darstellt, hat dagegen keine Beziehung zum Fresko. Diese
ist vielmehr eine erste Skizze fiir die Gestalt des knieenden hi. Hieronymus
in der »Thronenden Madonna « Nr. 88 der Berliner Galerie. Diese Gestalt
wurde von Granacci ausgefiihrt, sowie das ganze Bild von Schtilern Ghirlan-
dajos, worauf ich schon in meinem Aufsatze iiber die Louvregalerie aul-
merksam gemacht habe. Es gibt hier noch zwei andere Studien zu dieser
Gestalt: die eine unter den dem Lionardo zugeschriebenen Aquarell-
zeichnungen auf Leinwand, Rahmen 93 Nr. 434 (Brogi 1869), und die
andere, dem Lorenzo di Credi zugeschrieben, aber vielmehr Granacci selbst
54) 1st es Zufall, dafi diese Gestalt von Johannes dem Taufer in Verrocchios und
Lorenzo di Credis Altarbild im Dom zu Pistoja fast genau reproduziert ist?
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416 Emil Jacobsen:
zukommend, Rahmen 83 Nr. 508. Wir haben also hier rnit dem von
Granacci gezeichneten Kopf, worauf ich schon in rneinern Louvre-Artikel
aufmerksam machte, vier Studien zu dieser Gestalt. Wie schon friiher er-
wahnt, hat gewifl auch Sogliani bei diesem Gemalde einen Finger mit im
Spiele gehabt. Man vergleiche den Kopf des Taufers auf dem Berliner
Bild mit dem Kopfe des Heiligen mit dem Spruchband auf der Konzeption
in den Uffizien. Ich behalte mir vor, in einer anderen Zeitschrift aut
dies Thema naher einzugehen und den ganzen 7Aisammenhang mit Ab-
bildungen zu erlautern.
658 (Rahmen 62 Nr. 174). Face-Bildnis einer jungen Frau, Silber-
stift, weifl gehoht auf rotlichem Papier. Angeblich Studie fiir eine der
im Zeitkosttim auftretenden Frauen im Fresko mit der Geburt Marias.
Nach Vergleich mit zwei Medaillen von Niccolo Spinelli (Bargello Nr. 106,
107) ist wahrscheinlich Giovanna Tornabuoni dargestellt. Die Beziehung
ist zweifelhaft schon deshalb, weil die Zeichnung kaum von Ghirlandajo
ist, sondern vielmehr von Bastiano Mainardi und zwar als Studie zu seinem
Bildnis in der National Gallery Nr. 1230, welches dem Dom. Ghirlandajo
zugeschrieben wird, aber von mir, schon in meinem Aufsatz iiber diese
Galerie, dem Mainardi zuerkannt wurde. In demselben Rahmen zwei
andere Frauenkopfe von derselben Technik und auf ithnlichem Papier,
Maniera del Ghirlandajo genannt, Nr. 173, 175, die demnach auch von
Mainardi sein diirften. 55)
Filippino Lippi: Fresken der Cappella Strozzi.
659 (Rahmen 54 Nr, 195). Studie zu einer Figur im Martyrium
des Johannes E. Botticelli zugeschrieben. Silberstift, weifl gehoht.
Auferweckung der Drusiana.
660 (Rahmen 69 Nr. 185). Studie zu den Bahrentragern. Silber-
stift, weifl gehoht auf rosa Papier (Brogi 1773).
661 (Rahmen 66 Nr. 303). Vielleicht Studie zu einem der Bahren-
trager oder zu Martyrium des Johannes E. Silberstift, weifl gehoht auf
rosa Papier.
Fresken in Chiaroscuro.
662 (Rahmen 54 Nr. 203). Zwei Frauen vor einer Tripode. Botti-
celli zugeschrieben, aber von Fillippino. Nicht benutzter Entwurf. Ge-
tuschtc Federzeichnung, weifl gehoht.
663 (Rahmen 415 Nr. 758^. Santi di Tito: Heilung des Gicht-
bruchigen. Vorzeichnung fiir sein Altarbild. Getuschte Federzeichnung,
weifl gehoht.
55) Beren>on giht dagcgcn, gewiQ mit Unrecht, Xr. 174 und 175 dem Granacci.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 417
Chiostro Verde.
664 (Nr. 4622). Kopie nach Uccellos »Diluvio«. Ich nenne aus-
nahmsweise diese Zeichnung aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Das
Fresko war damals etwas besser erhalten wie jetzt und die Zeichnung
kann fur die Rekonstruktion desselben vielleicht niitzlich sein. Feder.
Klosterhof.
665 (Rahmen 419 Nr. 819^. Bernardo Poccetti: Studie zu
einer weiblichen Figur in einem seiner Fresken. Getuschte Federzeichnung.
S. Michelino in Visdomini.
Pontormo: Heilige Familie (Kopie, Original in der fruheren
Koll. Doetsch).
666 (Nr. 6581). Studie fur den Kopf Josephs. Rotel.
667 (Rahmen 183 Nr. 654). Studie fur den Kopf des Christkindcs,
Schwarzkreide. (Vergleiche Nr. 462.)
668 (Rahmen 180 Nr. 6744). Kniende mannliche Figur. Studie
fiir S. Francesco. Schwarzkreide, weifi gehoht.
669 (Nr. 6545). Studie ftir den kleinen Taufer. Schwarzkreide
und Feder.
670 (Nr. 6662). Studie fiir einen der die Draperie zurttckschlagen-
den Putti. Schwarzkreide.
671 (Nr. 6741). Studie fiir S.Francesco. Schwarzkreide.
S. Niccolo del Ceppo (Via Pandolfino).
Sogliani: Heimsuchung.
672 — 673 (Nr. 17042 — 17043). Zwei kleine Skizzen fiir das Bild.
Schwarzkreide, weifi gehoht.
Ognisanti.
674 (Rahmen 96 Nr. 428). Lionardo da Vinci: Frauenkopf
nach vorn geneigt, mit reicher Haartracht und geschlossenen Augen.
Feder getuscht (Braun 429, Brogi 1868). Nach H. Brockhaus mutmafilich
das Bildnis einer der Frauen von der Vespucci-Familie und zwar von der
schonen Simonetta Vespucci, die im hiesigen Freskowerk von Dom. Ghir-
landajo abgebildet ist.56) Die Zeichnung ist Lionardo, Verrocchio und
von MorelH einem vlamischen Nachahmer von Verrocchio zugeschrieben.
56) Forschungen liber Klorentiner Kunstwerke. Brockhaus, Leipzig 1902. Es
gibt unter den Zeichnungen ein anderes Krauenbildnis von einem viel blirgerlicheren
Charakter, das meiner Ansicht nach griifiere Ahnlichkeit mit der betr. Frau hat und
vielleicht diese selbst oder eine nahe Verwandte darstellt. Es befmdet sich in Rahmen 2S3,
Nr. 2076 und ist zicmlich willklirlich Dosso Dossi zugeschrieben, kann aber ebensogut
von einem florentini*chen Klinstler herrUhren.
Repertorium ftir Kunstwissenschaft, XX VII. 2S
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a 1 8 Emil Jacobsen :
Ich kenne nicht die Zeichnungsweise Lionardos, als er noch ein ganz
junger Mensch und von scinem Lehrer abhangig war. Die erste mir
bekannte Zeichnung ist die schon sehr frei und ktihn hingeworfene Land-
schaftsstudie (Nr. 8P Rahmen 97), datiert 1473. Doch miissen es ahn-
liche Zeichnungen gewesen sein, worauf Vasari hindeutet, wenn er schreibt:
» Sono alcuni disegni di sua mano nel nostro Libro fatti con molta
pacienza e grandissimo giudizio; infra i quali sono alcune teste die
femina con bell'arie ed acconciature di capelli, quali, per la sua bellezza,
Lionardo da Vinci sempre imito.« (Ed. Milanesi III 363 u. f.) — Von
Verrocchio befindet sich eine ahnliche, jedoch uberlegenere Studie ini
British Museum. Was Lionardo betrifft, so zeigt die Zeichnung weder
seinen charakteristischen Stil, noch scheint mir die Qualitat hoch genug
fiir ihn.
Unter den 27 Zeichnungen, welche ohne und mit Fragezeichen dem
Lionardo zugeschrieben werden, sind meines Erachtens sechs sicher echt:
Rahmen 93 Nr. 423. Kopf eines Greises und eines Jlinglings. Rotel
(167 Brogi 1876).
Rahmen 93 Nr. 449. Mannlicher Kopf. Feder (Brogi 1880).
Rahmen 97 Nr. 446. Zwei Kopfe und Han dschriftli dies. Fedcr
(Braun 430 Brogi 1622).
Rahmen 97 Nr. 8 P. Landschaftsstudic. Feder.
Rahmen 96 Nr. 436. Studie zu der Anbetung der Konige in den
Uffizicn. Feder (Braun 452 Brogi 1621.
Rahmen 93 Nr. 421. Maria mit dem Kinde, das mit cinem Hundchen
(nicht Katze) spielt. Feder getuscht. (Brogi 1879).
Ein grofier Teil der ubrigen Blatter lafit sich jedoch, wie ich glaube,
mit einiger Sicherheit bestimmen.
In Rahmen 93 sind Nr. 433, 434, 43757) wesentlich Draperiestudien,
Nr. 43 1 58) Madonnenkopf (schon er\vahnt3°), Nr. 432 Studien zum Christ-
kind 59) (weiflgehohte Tuschzeichnungcn auf Leinwand), wahrscheinlich
alle von Dom. Ghirlandajo; die Kopfstudien Nr. 425, 426 und 442 (Silber-
stift)60) von Boltraffio; Nr. 440 Mannlicher Kopf in einem Tondo (Silber-
stift, weifi gehoht)61) von Granacci.
Das Blatt Rahmen 95 Nr. 447 mit verschiedenen Studien ist eine
spate Falschung, was schon daraus hervorgeht, dafi es mit Bleistift ge-
zeichnet ist (auf stark rotem Papier).
57) Brogi 1870, 1869, 161 8.
58) Brogi 1873. J^a^ ^er Kopf nicht etwa Kopic sci, bewcist der fehlcndc Schleicr.
59) Brogi 1874.
(>'J) Brogi 1878, 1872, 1624.
(u) Brogi 1623. Von Bcrcnson gcwiC mit L'nrecht Sogliani zugeschrieben.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 410
Das herrliche Frauenbildnis (Rahmen 99 Nr. 414, Rotel) von Bayers-
dorfer dem Franciabigio, von Morelli dem Bacchiacca, von anderen dem
Boltraffio zugeschrieben, ist, nieines Erachtens, wahrscheinlich von Sodoma.
Die lange, schmale Augenbildung, die Formen des Ohres und der Hande,
das gewellte Haar deuten auf diesen Meister.62)
Es gibt jedoch in den Kartellen noch eine Zeichnung, oder richtiger
gesagt das Fragment einer Zeichnung, die ich glaube dem Lionardo
selbst zuschreiben zu konnen. Es befindet sich unter Nr. 13609 eine
dem Parmegianino zugeschriebene Federzeichnung mit drei Profilen von
Greisenkopfen, zwei mit groflem Bart, einem bartlos. Dieser letzte gehorte*
jedoch nicht ursprunglich zum Blatt, sondern ist ein aufgeklebtes Bruch-
sttick, eigentlich nur eine Maske, indem der Hinterkopf fehlt. Wahrend
die beiden ersten offenbar Imitationen sind, kann das Fragment, ein grofl-
artiger Charakterkopf von ausgepragtem lionardesken Stil, wohl Anspruch
erheben, vom Meister selbst zu stammen. Es zeigt nicht allein die ihm
eigentiimliche Strichfiihrung von links nach rechts (das tun die Imitationen
auch), sondern, was wesentlicher ist, im Ausdruck eine unheimliche Grofie
und einen diisteren Ernst, was ein Kopist in diesem Grade kaum er-
reichen kann. Dieser Kopf ist, wie gesagt, bartlos, wie fast durchgangig
bei Lionardo. Die beiden andern erinnern im Typus sehr an Parme-
gianino, was die Zuschreibung erkliirt. Um einem nicht verwertbaren
Bruchstuck Importanz zu geben, hat man es mit zwei Imitationen vcr-
bunden und dadurch vcrsucht, ein ansehnlichcs Blatt zu schaflfen.
675 (Nr. 14488). Nach einem im Refektorium aufbewahrten Fresko-
fragment von Andrea del Sarto. Aus dem Orto dei Servi. (Vergl. Nr. 567.)
Or San Michele.
676 Rahmen 260 Nr. 529). Raffael: St. Georg (mit der Lanze)
den Drachen to tend. Fcder, durchpausiert. (Brogi 1 561.) Nach mehreren
Forschern soil diese Zeichnung zu dem Relief mit demselben Gegenstand
an Orsanmichele Bezug haben. Die Moglichkeit leugnc ich nicht, doch
ist die Annahme keine notwendige. Die Legende kommt schon sehr
friihe in sehr entwickelter und fester Form vor und geht vermutlich auf
die Antike zuriick. Wie wohl diese selbst, so fuflt gewifi auch ihre bild-
liche Darstellung auf Perseus Kampf mit dem Mecrungetum und der Be-
6l) Alinari 91. Brogi 1864. Berenson gibt dies Bildnis, nach dem Vorgang
des Signor Enrico Costa, mit groOer Entschiedenheit Pontormo, aber sclion die Augen-
bildung, bei Pontormo immer rund und eingesackt, schliefit ihn aus. Meincr Ansicht
nach stellt das Portrjit dieselbe Pcrsonlichkcit dar wie das beriihmte Frankfurter Hildnis,
das vor kurzem Scbastiano del Piombo zugeschrieben, von Morelli jedoch, wie ich glaube
mit Recht, dem Sodoma angewicsen wurde. Ich hofTe bei anderer (ielegenheit auf diese
herrliche Zeichnung au;fiihrlich zurlickzukommcn.
2S*
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420 Emil Jacobsen:
freiung Andrornedas. Wer hat z. B. nicht auf der Wanderung durch
die alten Strafien Genuas diese Darstellungen aus sehr frtiher Zeit, hoch-
entwickelt, als Reliefs iiber den Eingangsttiren der Hauser gesehen:63)
Dafi Raflfael sonst Entlehnungen bei Donatello gemacht hat, leugne ich
nicht. Es ist kein Zweifel, dafi Raffael und seine Schiiler zu den Fresken
in den Stanzen Donatellosche Figuren aus den Bronzereliefs in San An-
tonio in reicher Fiille venvendet haben. Das haben Robert Vischer und
W. Voge uberzeugend nachgewiesen. Der Letztgenannte geht jedoch zu
weit, wenn er einen, sonst nicht nachgewiesenen Aufenthalt Raffaels in
Padua voraussetzt und ihm eine Zeichnung in den Uffizien, die nicht
seine Hand zeigt, als Kopie nach einem der Bronzereliefs zuschreibt
Das ist keine notwendige Annahme. Er kann ja schon in Florenz mit
Studien und Entwurfen von der Hand Donatellos bekannt worden sein
und solche erworben haben. Man lernt aus Vasari, wie solche Zeich-
nungen unter den Kiinstlern zirkulierten und den grofiten Einflufi auf die
Entwicklung der Kunst hatten. Es ist auch nicht so entschieden von
der Hand zu weisen, dafi die betr. Zeichnung (Rahmen 273 Nr. 1484)
in den Uffizien nicht eine solche Studie sein kbnnte. Dafi die Zeich-
nung zufalligerweise in die »R6iriische Schule« gesetzt wird, beweist
wirklich nichts. Das kommt einfach daher, dafi die Beziehung zu dem
Relief in Padua iibcrsehen worden ist Voge macht selbst auf einige
Abweichungen vom Original aufmerksam,. was bei einer Kopie eher be-
frcmden sollte. Die Freiheit der Technik ist kein Einwand. Ich sehe
nicht ein, warum der Kiinstler nicht mit der Feder dieselben Strichc
sollte machen kdnnen, die er mit dem Modellierholz faktisch gemacht
hat.64) Die Echtheit der Zeichnung ist jedoch schwierig zu beweisen,
dazu fehlt uns das Vergleichungsmaterial. Es gibt, soviel ich weifi, keine
ganz sichere und anerkannte Handzeichnungen von Donatello. Die Zeich-
nung mag denn immerhin eine Kopie sein, von der Hand Raffaels ist
sic sicherlich nicht.65) Die Untersuchungen Voges verlieren jedoch durch
63) Es gibt von l'ccello eine Reiterstudie zum Sehlachtenbild in den Uffizien (er-
wahnt unter Nr. 22), die fast ganz liberein»timmt mit S. Georg rait der Lanze von
Raffael. l'ccello erscheint viel bedeutender mit der Feder oder dem Silberstift, als mit
dem Pinsel in der Hand. Die Studie, voll Freiheit und Feuer, ist der betrefTenden Figur
im Bilde sehr tiberlegen. Aus ihrer Ahnlichkeit mit dem Georg von Raffael mochte
ich doch nicht schlieflen, daO sie als Vorbild gedient hat. Es gibt ferner einen florentini-
schen Holzschnitt noch aus dem 15. Jahrhundert, der die Komposition genau im Gegcn-
sinn wiedergibt. Siehe Kristeller: Early Florentine Woodcuts. London 1897. Nr. 67.
<h) Nel disegnar fu risoluto, e fece i suoi disegni con si fatta pratica e ficrezza,
che non hanno pare, come si puo vedere nel nostro libro. Vasari. Ed. Milanesi. II. 424.
65) Battista Franco, an den man neuerdings gedacht hat, ist nicht der Meister. —
Ein Blatt in demselben Rahmen, Nr. 1487, zwei sich unterhaltende Frauen darstellend.
zeigt denselben Stil.
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 421
diese Erwagung nichts von ihrem Verdienst. Das Wichtigste ist der Nach-
weis, dafi Raftael Entlehnungen von Donatello gemacht hat. Ob von
den fertigen Reliefs oder von Entwiirfen, bleibt Nebensache.
S. Spirito.
Raffaello di Carli.
677 (Rahinen 61 Nr. 306). Kopf eines Heiligen, Ghirlan-
dajo zugeschrieben. Studie zum Kopfe des hi. Laurentius im Altarbild
von Raffaello. Silberstift, weifi gehoht.
678 (Rahmen 66 Nr. 226). Filippino: Geburt Christi. Scheint
benutzt fur das mittlere Predellenstiick der hi. Dreieinigkeit, wahrschein-
lich von Lorenzo di Pratese.66) Silberstift.
679 (Rahmen 68 Nr. 1169). Der hi. Martin teilt seinen Mantel
mit einem Arm en. Vorzeichnung ftir das jetzt untergegangene Glas-
gemalde in der Cappella Tanai di Nerli, wo sein beriihmtes Altanverk noch
ist. Getuschte Federzeichnung. Schon im Libro Magliabecchiano er-
wahnt: »Fece anchora il disegno del la finestra di uetro di San Martino«.
680 (Rahmen 511 Nr. 133 A). Giuliano da Sangallo. Entwurf
zur Fassade von S. Spirito in Florenz. Feder.
681 (Rahmen 428 Nr. 2340F). Stradanus: Christus jagt die
Kramer a us dem Tempel. Nicht erkannter Entwurf ftir das hiesige
Altarbild. In der Ausftihrung vielfach geandert und mit verschiedenen
Zligen bereichert. Getuschte Federzeichnung, weifi gehoht
682 (Nr. 2339). Stradanus. Anderer Entwurf zum Gemalde.
Feder getuscht, auf gelblichem Papier.
S. Stefano.
683 (Nr. 2324 A). Prospekt zu der priichtigen Doppeltreppe von
Buontalenti, die friiher zum Chor in S. Trinita ftihrte, aber jetzt zu
S. Stefano uberfuhrt worden ist. Feder getuscht.
S. Trinita.
684 (Rahmen 47 Nr. 124). Auf diesem Matte zwei Zeichnungen
von Verrocchio. Das Blatt wird im Katalog so bezeichnet: »Testa di
putto ed altra di vecchio in profilo. Die erstgenannte Zeichnung schon
unter Nr. 513 erwahnt.
Der mit miniaturartiger Feinheit ausgefiihrte Greisenkopf in Profil,
gegen rechts gewandt, ist, wie der Vergleich mit der Profilbuste auf dem
Grabmonument von Giuliano da Sangallo und den beiden Bildnissen auf
dem Fresko von Dom. Ghirlandajo beweist, ein bis jetzt unerkanntes
&>) Raffaellino del Garbo, Granacci und anderen zu^esclirieben.
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422 Emil Jacobsen :
Portrat Francesco Sassettis. Feder, weifl gehoht. Dies Bildnis stellt den
Manti etwas jiinger dar, wie jene beiden (das Fresko ist 14S5 datiert)
und kann deshalb dienen, das Blatt zu datieren. Der Puttokopf ist, wie
schon erwahnt, wahrscheinlich eine Studie zu dem Kopfe des Fisch-
mannchens im Hof des Palazzo Vecchio. (Brogi 17 13.)
Ich bemerke noch, dafi die dem Ant. Rosellino zugeschriebene
Biiste im Bargello nicht, wie angegeben, Francesco Sasetti darstellt,
denn sie zeigt abweichende Ziige. Auch ist der Kopf, obwohl gleich-
falls im Greisenalter dargestellt, mit Haar bedeekt, wahrend er auf den
von mir genannten sicheren Portraits fast ganz kahl ist.
685 (NY. 920). Jacopo F^mpoli: Schliisselubergabe. Feder
getuscht. Eine ausgestellte Studie ist friiher erwahnt.
Florentinische Ansichten.
686 (Rahmen422 Nr. 63 P). Christofano Allori: Prospekt von
Florenz. Schwarzkreide und Rotel.
687 (Nr. 1753s). Jacopo da Empoli. Oben Verhcrrlichung Jo-
hannes des Taufers. Unten Prospekt von Florenz. Feder, getuscht.
688 (Nr. 203 P). Remigio Cantagallina (1570 — 1624). Prospekt
von Florenz. Feder, getuscht.
689 (Nr. 302 P). Stefano della Bella (1610—1664). Prospekt
von Florenz. Schwarzkreide.
690 (Nr. 404 P). Baldasarre Lancia (15 10 — 15 12). Piazza
Signoria mit Ausblick nach dem Dom. Grofier Karton. Feeder getuscht
mit Rot belebt.
691 (Nr. 11074F). Federigo Zuccheri. Darstellung einer Jagd
im Vordergrunde. Hintergrund Ansicht von Florenz (1565). Cirofies
Aquarell.
692 (Nr. i2iSos). F. Pieraccino. Piazza del Duomo. >Corteggio
per un battesimo« vor dem Baptisterium nach alte:n Florentiner Gebrauch.
Anfang des XIX. Jahrhunderts. Feder und Schwarzkreide, farbig getuscht.
693 (12205 s). G. Gherardi. Prospekt von Florenz. Anfang des
XIX. Jahrhunderts. Schwarzkreide.
694 (Nr. 12234s). F^. Burci. Prospekt von S. Miniato. 1S43.
Die Umgebung verschieden von heute. Feder, weifl gehoht.
095 (Nr. 10909). Anonimo del Secolo XVI. Reiterzug. Im
Hintergrund Prospekt von Florenz. In der Art von Pinturricchio.
Schwarzkreide, quadriert.
696 (Rahmen 164 Nr. 1356). Blick auf die Certosa, Andrea
del Sarto zugeschrieben. Meiner Ansicht nach von Bacchiacca. Rotel.
(Brogi i()22.)
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Die Handzeichnungen der Uffizien etc. 423
697 (Rahmen 166 Nr. 1357). Prospekt von clem Villaggio
Monteboni in der Nahe von Florenz. l)em Andrea del Sarto zuge-
schrieben. Meiner Ansicht nach auch von Bacchiacca. (Brogi 1920.)
698 (Rahmen 166 Nr. 1358). Prospekt von dem Villaggio
Compiobbi in der Nahe von Florenz. (Brogi 1923.) Diese drei An-
sichten gehoren in eine zum Teil nicht ausgestellte Serie von Lancl-
schaften und werden dem Andrea del Sarto zugeschrieben. Meiner An-
sicht nach gehoren sie alle Bacchiacca. Auf einer die Inschrift: »Questo
Libro si chomincio adi 30 d' Agosto i52 7«. Kin grofier Teil dieser Blatter,
alle in demselben Format, scheint ein Skizzenbuch gebildet zu haben. Das
Figiirliche stimmt nicht mit Andrea. Der Meister hatte wohl auch — auf der
Hohe seiner Schafifensepoche — kaum Zeit, eine solche Menge Landschaft-
studien zu entwerfen. Diese en thai ten dagegen verschiedene Anzeichen,
welche auf Bacchiacca deuten konnten, ja, wie schon friiher gesagt: eine
Zeichnung scheint eine Studie flir sein Bild in der Corsinigalerie zu sein.
699 (Nr. 12 P). Die Brucke bei der Badia vor Fiesole.
700 (Nr. 2 1 P). Ansicht der Certosa. Beide dem Andrea del
Sarto zugeschrieben. In die Serie gehorend, die ich dem Bacchiacca
zuschreibe.
701 (Rahmen 134 Nr. 45 p). Die Loggia der Innocenti mit
Blick auf S. S. Annunziata und andere Gebaude. Der ganze Prospekt
sehr verschieden von der jetzigen Ansicht Dem Fra Bartolommeo mit
Unrecht zugeschrieben. Feine Federzeichnung.
702 (Rahmen 422 Nr. 221P). Remigio Cantagallina: Prospekt
von San Francesco al Monte. Seitenansicht; wesentlich verschieden
von heute. Feder.
703 (Rahmen 424 Nr. 57P). Lodovico Cigoli: Prospekt von
clem Lung' arno mit einer eingestiirzten Brucke, wahrscheinlich
Ponte Santa Trinita. Rechts ein Gebaude, welches Ahnlichkeit mit dem
Palazzo Spini hat. Wir wissen, dafi diese Briickc im Jahre 1557 ein-
stiirzte. Cigoli ist 1559 geboren, aber es ist sehr moglich, dafi der
Wiederaufbau sich langer hingezogen hat, als gewohnlich angenommen
wird, sodafi Cigoli als Jangling die Skizze aufgenommen haben kann.
704 (Nr. 1798). Lodovico Cigoli: Prospekt von der Via Cerre-
tani mit dem Triumphbogen, der gelegentlich der Hochzeit Cosimos II.
aufgerichtet wurde. Auch ist der Zcntaur von Giov. Bologna sichtbar,
welcher sich damals dort befand, jetzt in der Loggia de' Lanzi. Getuschte
Federzeichnung.
705 (Nr. 2653 ^). Francesco Montelatici (161 1 (?) — 1661). Ecke
der Piazza Signoria, im Hintergrund die aufragende Domkuppel. Schwarze
und rote Kreide.
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424 Fmil Jacobsen:
706 (Nr. 2654s). F. Montelatici. Ansicht von dem Domplatz.
Schwarze unci rote Kreide.
707 (Rahirten 436 Nr. 1 1 2 2 F). G i o v a n n i da San Giovanni.
Skizzen flir das Fresko am Haus gegenliber der Porta Romana (zum
groflten Teile zerstort). Pinsel und Rotel.
708 (Rahmen 512 Nr. 132 A). Benedetto da Majano zuge-
schrieben. Grofies Blatt mit verschiedenen Entwtirfen zutn Palazzo
Strozzi. Vielmehr von Giuliano da San Gallo. Das von ihm verfertigte
Modell benndet sich noch im Palazzo. Man bemerkt auch auf dem
Blatt Inschriften von zwei verschiedenen Handen. Die altere dieser, von
derselben Tinte wie die Zeichnung, zeigt die Hand Giulianos.6/)
Stiidte und Ortschaften in der Nahe von Florenz.
Certosa.
709 (Rahmen 133 Nr. 1241). Fra Bartolommeo zugesrhrieben:
Kreuzigung. Vielleicht Studie fiir die Kreuzigung von Albertinelli in
der Certosa. Ob die Zeichnung aber von Albertinelli oder von Fra Barto-
lommeo herrtihrt, vermag ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Der
Gekreuzigte in Soglianis Fresko im groflen Refektorium im Kloster von
San Marco hat auch Ahnlichkeit mit der Zeichnung. Fliichtige Federskizze.
710 (Rahmen 181 Nr. 300 F). Pontormo: Grablegung. Halb-
rund. Soil eine Studie ftir das untergegangene Bild daselbst sein. Rotel.
711 (Rahmen 189 Nr. 6691 F). Studie zum Christus im oben-
genannten Bild. Rotel. Zwei kleine Skizzen zu derselben Figur. Schwarz-
kreide.
712 — 715 (Nr. 6670. 6687. 6693. 6690 (Riickseite). Rotelstudien
zu demselben Bild.
Poggio a Cajano.
716 — 717 (Rahmen 530 Nr. 454. 455). Pontormo. Studien ftir
die Dekoration der Lunette. Feder.
718 (Rahmen 189 Nr. 6673 F). Pontormo. Studie zu einem
Hirten fiir die Lunette. Schwarzkreide.
719 — 744. Pontormo. 27 Blatter mit Studien, namentlich von
Jiinglingen und Kindern in lebhaftcn Stellungen fiir sein Wandgemalde.
Ich kenne hier im ganzen 38 Studien von Pontormo zu Poggio a Cajano.
Fiir die respektive Nummer der nichtaufgestellten weise ich auf Berensons
sorgfaltigcs Werk hin. Nur eine von Berenson iibersehene Studie in der
Koll. Santarelli mufi ich hervorheben:
67) Man vcrglciehe sic mit der Hand>chrift (Jiulianos auf Blatt 1 278 A dcssclbcn
Kahmcns. Die andere llandschrift gchurt seinem Sohn Francesco,
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Die Handzeichnungen der Uffizicn etc. 425
745 (Nr. 8976s). Correggio zugeschrieben, aber Pontormo:
Knabenstudie in stark bewegter Stellung. Wahrscheinlich fiir Poggio a
Cajano. Rotel.
Pratolino.
746 (Nr. 2 3 23 A). Buontalenti. Prospekt von der Grotte. Feder.
Fiesole.
San Domenico.
Sogliani: Anbetung der Konige (vollendet von Santi di Tito).
747 (Rahmen 109 Nr. 1266). Draperiestudie, dem Fra Bartolommeo
zugeschrieben. Benutzt von Sogliani zu einem der Konige. Die Zeich-
nung steht Fra Bartolommeo sebr nahe und es scheint nicht ausge-
schlossen, dafi sie von ihm herriihrt. Schwarzkreide.
748 (Nr. 17000). I Studien zu einem der Konige. Schwarzkreide,
749 (Nr. 17055). J weifi gehoht.
750 (Nr. 17064). Vorstudie zum Bilde, in welchem die ganze
Ordnung umgekehrt ist.
751 (Nr. 17039). Studie zu einer der mannlichen Figuren im
Mittelgrunde.
S. Francesco.
Piero di Cosimo: Konzeption.
752 — 753 (Rahmen 107 Nr. 552, 555). Studien zu dem Bilde. Rotel
und Schwarzkreide. Friiher dem Albertinelli zugeschrieben.68)
Lucca.
Galerie.
754 (Rahmen 124 Nr. 1284). Fra Bartolommeo. Studie zum
Gottvater im Altarbilde aus San Romano (1509) in seinem gewohnlichen
freien, breiten und grofien Stil. Schwarzkreide, weifi gehoht und quadriert.
(Braun 73.)
755 (Rahmen 130 Nr. 466). Fra Bartolommeo zugeschrieben:
Segnender Gottvater mit Cherubim. Angeblich Studie zu demselben
Altarbild. (Braun 114, Brogi 1973.) Meiner Ansicht nach ist diese Feder-
zeichnung eine sehr fein und sorgfaltig ausgefiihrte Kopie nach dem
Gemalde und wahrscheinlich von Albertinelli (oder audi von Fra Pao-
lino, der, wie man weifi, mehrere solcher Kopien ausgefiihrt hat). Das
Merkwiirdige ist, dafi die wirkliche Studie fiir Gottvater in Fra Barto-
lommeos breitem und grofiartigem Stil (Schwarzkreide) sich, wie ich eben
erwahnt habe, hier in der Sammlung befindet. Wahrend aber der Katalog
68) Ich bemerke, dafi ich fUr die Stadte in der Nachbarschaft von Florenz nur
das In teres santere anfuhre.
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426 Emil Jacobscn:
die Nr. 466 als Studie 7.11 dein Rilde betrachtet, ist ihin die echte Studie
Nr. 1284 entgangen. Bartolommeo hat die Gestalt, wie immer, in grofien
Ziigep ausgefiihrt. Albertinelli (oder Fra Paolino) hat dagegen alles glatt,
zierlich, elegant gemacht, mit vielem Detail im Gefalte und auch die
Cherubim, die wohl im Gemalde, aber nicht in der Studie Fra Barto-
lommeos vorkommen, mitgenommen. Die Zeichnung zeigt Uberein-
stimmung mit dem Gemalde, nur hat der Kopist das strenge Antlitz Gott-
vaters gemildert und wohl auch zu verschonern gesucht, indem er den
fast kahlen Kopf mit Haar bedeckt hat. Man sieht hier den Stilunter-
schied zwischen Fra Bartolommeo und den von ihm abhangigen Kiinstlern.
Der grofie, breite, herbe Stil des Meisters ist bei jenen geglattet, verfeinert,
versiifilicht. Dafi die Kopie am wahrscheinlichsteh von Albertinelli her-
riihrt, schliefie ich daraus, dafi der Typus von Gottvater in seiner Drei-
einigkeit in der Akademie wieder vorkommt.
756 (Rahmen 121 Nr. 412 F). Zwei fliegende Engelkinder.
Der linke Putto hier ist die genaue Vorzeichnung zu den fliegenden
Kngelkindern links oben im Altarbild mit dem segnenden Gottvater. Im
Katalog werden beide Putten als Studie zu der Thronenden Maria im
Pitti betrachtet, was aber nur fur den rechten der Fall ist Schwarz-
kreide, quadriert.
757 (Rahmen 549 Nr. 1777). Fra Bartolommeo: Knieende hi.
Magdalena. Vorlage fur das Geunalde mit dem segnenden Gottvater.
Karton. Begegnet uns wieder sehr iihnlich in der Magdalena in der
Verkiindigung im Louvre vom Jahre 15 15. Schwarzkreide.
758. 759 (Rahmen 132 Nr. 474. 475). Fra Bartolommeo: Kraf-
tige, breit ausgeflihrte, mit Rotel belebte Federzeichnungen, die mit Un-
recht angezweifelt worden sind. Die Eigenhandigkeit wird dadurch be-
wiesen, dafi sie Studien fiir das Misericordia-Altarbild in der Galerie zu
Lucca sind. Nr. 474. Studien von Heiligen, Frauen und Kindern. (Brogi
1957.) Nr. 475. Studie fiir die stehende Madonna und fiir die rechte
Seite desselben Bildes. Man sieht hier, wie der Frate die Feder hantien,
welch' ein Unterschied ist zwischen diesem in grofiem Stil ausgefiihrten
breiten Entwurf und den friiher erwahnten, zierlichen, eleganten Feder-
zeichnungen. (Brogi 1953.)
760 (Rahmen 126 Nr. 481). Fra Bartolommeo. Studie zu der
Madonna della Misericordia in der Galerie zu Lucca. Die Gruppe rechts
im Vordergrunde. Rotel.
761 (Rahmen 182 Nr. 452^*). Pontormo: Bildnis eines jungen
Mannes. Knicstiick. Scheint dieselbe Personlichkeit wie das herrliche
Jiinglingsbildnis in der Galerie zu Lucca, angeblich Giuliano de Medici.
Ist vielleicht cine Studie zu demsclben, doch ist das Gemalde nicht wenig
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Die Handzeichnungcn der Uffizicn etc. 427
geiindert. Im Katalog wird es irrtiimlicherweise fur ein weibliches Bildnis
gehalten. Schwarzkreide.
Do in.
762 (Rahmen 127 Nr. 1265). Fra Bartolommeo: Studie zu der
Thronenden Maria zwischen zwci Heiligen. 1509. Die ganze Koinpo-
sition enthaltend, doch ist das Gemalde wesentlich geandert worden.
Statt des Hieronymus, der sich rechts auf der Zeichnung befindet (also
links von Maria), ist Johannes der Taufer gekommen, der eigentlich nach
dem Ritual auf der anderen Seite stehen sollte. Das hat wieder eine
durchgreifende Anderung im Bilde verursacht. Das Kind mufite seinen
Platz auf dem rechten Knie verlassen und sitzt jetzt auf dem linken und
darnach mufite auch der musizierende Engel seine Stellung ganz urn-
kehren. Schwarzkreide. (Braun 83, Brogi 1963.)
763 (Rahmen 124 Nr. 483). Fra Bartolommeo: Studie fur
den hi. Stephan in der thronenden Madonna, mit Nr. 265, Rahmen
127 zu vergleichen. Schwarzkreide, weifl gehoht; quadriert. (Brogi
1940.)
764 (Rahmen 117 Nr. 458). Fra Bartolommeo: Johannes der
Taufer. Studie fiir diese Figur in der Thronenden Madonna. Im Kata-
log dagegen als Studie fiir das Altarbild in San Marco, Florenz, was ich
nicht zugeben kann. Schwarzkreide. (Brogi 1446.)
Pistoja.
Dom.
765. 766 (Rahmen 48 Nr. 444, 443). Verrocchio: Maria mit
dem Kinde. Studien fiir die nach Vorlage Verrocchios von Lorenzo di
Credi ausgefuhrte »Thronende Madonna « im Dom zu Pistoja. Schwarz-
kreide. Schon Morelli (Kunstkritische Studien, Berlin, pg. 32) hat vermutet,
dafl das Bild auf eine Vorlage Verrocchios zuriickgeht. Dies wird durch
die beiden Zeichnungen bestatigt. Die Figur der Madonna auf Nr. 444
(Brogi 1 7 10) zeigt fast genau dieselbe Stellung (der Kopf noch einmal in
einer anderen Stellung gezeichnet); auch die Faltenlage der Draperie ist fast
genau dieselbe. Das Kind dagegen ist in Stellung und Bewegung anders
und hat dort wesentlich von seiner Frische und Naivitiit verloren. Wahrend
diese Zeichnung schon in dem Katalog vermutungsweise mit dem Bilde
in Beziehung gebracht wird, ist es noch nicht erkannt worden, dafl auch
Nr. 443 (Brogi 17 15), wenn auch im Gegensinn, mit dem Gennalde stimmt,
und zwar viel genauer, indem hier auch das Kind in Stellung und Be-
wegung fast identisch mit dem Kinde im Bilde erscheint. Da diese
herrlichen Zeichnungen offenbar nicht Lorenzo di Credi gehbren, dem sie
auch in Qualitat sehr iiberlegen sind, konnen sie nach den Umstanden
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428 Emil Jacobsen :
nur von Verrocchio sein, mit dem sie ubrigens audi dem Stile nach iiber-
einstimmen.^)
Das Kind in der Zeichnung Nr. 444 ist sehr verwandt in der Auf-
fassung mit dem Lorenzo di Credi wohl mit Recht zugeschriebenen
Christkind (Rahmen 82 Nr. 1197). Dies Blatt (Brogi 1896) stimmt — was,
soviel ich weifi, nicht bemerkt worden ist — genau (wenn auch die Zeich-
nung einwandsfreier und feiner ist) mit dem dem Lionardo zugeschrie-
benen Gemalde in der Miinchener Pinakothek, was beweisen kann, dafi
dies Gemalde, wenn auch nicht von Lionardo, doch nalie Beziehungen
zu Verrocchios Werkstatt hat Es stimmt aber auch mit einem neuerdings
von Bode hervorgehobenen Marmorrelief von Desiderio in der Koll.
G. Dreyfus in Paris, sowie mit einem Stuckrelief darnach in der Berliner
Galerie, endlich auch mit einer recht groben Nachbildung in Pariser
Besitz von einem Donatelloschuler (alle drei Skulpturen in Bodes Floren-
tiner Bildhauer der Renaissance reproduzierL7°)
San Domenico.
767 (Rahmen 169 ^.365*). Fra Paolino: Studie fur die An-
betung der Konige in San Domenico zu Pistoja. Schwarzkreide, weifi
gehoht.
G eschichtliches.
768 (Rahmen 153 Nr. 329F). Andrea del Sarto: Nackte mann-
liche Figur, an den Fitfien aufgehangt. Rotel.
769 (Rahmen 162 Nr. 328^). Andrea del Sarto: Reich geklei-
dete mannliche Figur, an den Ftiflen aufgehangt und nach unten hangend
(der Kopf nicht gezeichnet). Rotel.
770 (Rahmen 165 Nr. 330 F), Andrea del Sarto: An den Fiifien
aufgehangter reichgekleideter Jiingling. Stimmt genau mit der nackten
69) Die throncnde Madonna mit dem Kindc im Altarblatt in Pistoja hat Lorenzo
di Credi wiederholt in seinem Altarbild in Neapel. Mit geringer Anderung kommt die
Hauptgruppe wieder in einem Altarbild in S. Spirito zu Florenz. Wir besitzen also drei
»Thronende Madonnen* verschiedener ()ualitat von demselben Typus. Der Aufbau des
Thrones, die darliber aufragenden Bivume, der Blick auf die Landschaft, wiederholen ^ich
in alien drei Bildem in derselben Weise.
7°) Bode erwahnt in diesem grundlegenden Werk die Bronzestatuette eines
JUnglings von Bertoldo (sogenannter Schutzflehender). V\Tas der Deutung dieser Figur
Schwierigkeiten bereitet, ist, daO der Gegenstand, den er in der ausgestreckten
Hand hiilt, nicht mehr erkennbar ist. Es sei mir erlaubt, hier eine Vermutung aus-
zusprechen Ich meine, da6 die Figur einen Gefangenen darstellt, der Losegeld an-
bietet. Der Ring an dem rechten Fufi kann nicht ein herabgefallencr Lederstrumpf
sein, sonst ki'inntc ein soldier nicht am linken Fufie fehlen. Der (legenstand, den er
in der Rechten hiilt, ist demnach vielleicht ein Beutel oder ein Kiistchen, das cingezapfte
fehlende obere Stlick ein Zipfel, Knopf oder Ring.
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Die Handzeichnungen dcr Uffizicn etc. 429
Gestalt Nr. 329 F. Rotel-Studien zu Darstellungen von Hinrichtungen
in effigie der verriiterischen Capitani, die er — wie friiher in ahnlicher
Weise Castagno — clem Befehl der Republik zufolge im Jahre 1530 an
die Fassade des Palazzo della Mercantazia malen sollte. Die beiden
letzten Figuren in spanische Kostiime gekleidet. Sie zeigen also den
Stil seiner letzten Zeit.
771 (Nr. 331). Andrea del Sarto. Noch zwei andere Studien
zu den aufgehangten Capitani. Rotel.
Schon im Libro Magliabecchiana werden diese Malereien erwahnt.
Bei Vasari kann man naheres dariiber nachlesen. »Nell' annd 1530, Andrea
del Sarto ebbe Y incarico dalla Signoria fiorentina, di dipingere nella facciata
del palazzo della Mercatanzia alcuni Capitani infedeli impiccati in effigie.
Di queste pitture in oggi non rimane altra memoria che queste disegni.«7J)
Wie man sieht, befinden sich die Blatter jetzt zerstreut in ver-
schiedenen Rahmen. Nach meiner Ausfiihrung werden sie hofFentlich
bald in einen Rahmen und nebeneinander gestellt werden.
772 (Nr. 14412). Michelangelo: Auf diesem Blatt aus der ersten
Serie der von F'erri und mir nachgewiesenen Zeichnungen des Meisters
befindet sich ein Plan zu Befestigungen, der sehr wahrscheinlich Be-
ziehung zu denjenigen hat, die im Jahre 1529 von Michelangelo bei
S. Miniato al Monte angelegt wurden. Feder.72)
7') Verglcichc: P. N. Ferri: Indici e Cataloghi. XII. Pag. 137.
7*) Vergleichc: Appcndicc all articolo »I)isegni sconosciuti di Michelangelo.
Rivista d'Arte I. Pag. 37.
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Die deutsche Passionsbiihne
und die deutsche Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts
in ihren Wechselbeziehungen.
Von K. Tscheuschner-Bern.
(Fortsetzung.)
Die Fufiwaschung zeigt auf beiden Gebieten wenig besondere
Zlige. Von der iiblichen Auffassung weicht das Donaueschingcr Passions-
spiel ab, indem sich namlich Christus hier zum Abtrocknen der Fiifie
dcr Apostel nicht eines Tuches bedient oder des Schurzes, mit dem er
selbst umgiirtet ist, es ist hier vielmehr »ein wisch griines gras« (v. 178S)
vorgeschrieben. — Eine Wechselbeziehung zwischen Passionsspiel und
bildender Kunst diirftc auch hier zu konstatieren sein ; sie betrifft die
raumliche Anordnung der Szenc. Die bildliehe Darstellung der Fufi-
waschung ist zumeist so gegeben, dafi die Gestalten Christi und Petri
ganz in den Vordergrund gcschoben sind, wahrend die iibrigen Jiinger
bedeutend nach hinten zu auf eine Bank zu sitzen kommen (vgl. bei-
spielsweise Diirer, Kleine Passion; Burgkmair, Eebcn und Leiden Christi).
Ohne Zweifel haben wir es hier wohl mit Rerniniszenzen von der
Passionsbiihne her zu tun, wo die gleichc szenarische Anordnung uns
verbtirgt ist; so etwa im Augsburger Passionsspiel, wo es nach dem
Abendmahle heifit: (v. 444) Saluator stat auf vnd giirtet sich mit ainem
furtuch. So zeucht man den tisch von inen vnd die iunger bleibcnd
sitzen, So bringt der wirt das beckin, so wascht in der herr ire fufi. . . .
Abgesehen von wenigen ganz vereinzelten Fallen, so etwa im
Mittclgrunde eines Blattes von Urs Graf (His 10), wo Christus elar-
gestellt ist, wic er zu den von Schlaf befangenen Jiingern zuriickkehrt,
die vorwurfsvollcn Worte: Konnet ihr denn nicht eine Stunde mit mir
wachen? auf den Lippcn — finden wir die Olbergszene im Bilde
regelmafiig so dargestellt, dafi die Jiinger schlalen, wahrend Christus in
heifiem Gcbete auf den Knien liegt. — Es sind bei diesen Darstellungen
zwei Typen zu untcrschciden. Das Ubliche ist, dafi die Jiinger im
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Die deutsche Passionsblihne usw.
431
Vordergrunde gelagert sind, wahrend Christus im Mittelgrunde kniet; es
findet sich indessen auch die umgekehrte Anordnung, namlich Christus
im Vordergrunde kniend, die Gruppe der schlafenden Jiinger im Mittel-
grund (so auf einem Blatte des Meisters E. S. (B. 15), einem Blatte des
Meisters mit den Bandrollen, und einmal bei Diirer, der bekannten Eisen-
atzung (B. 19). Dieser eben gekennzeichnete zweite Typus scheint mir
der altere zu sein; er ist, wenn man so sagen darf, der logischere;
Christus ist die Hauptperson, er gehort somit in den Vordergrund; den
Jiingern ist, gemafi der ihnen zukommenden geringeren Bedeutung, ein
Platz mehr nach der Tiefe des Bildes zu angewiesen. Die umgekehrte
Art der Darstellung ist meines Erachtens die jiingere; sie ist gleichzeitig
die vom ktinstlerischen Standpunkt aus bedeutendere. Die Gruppe der
schlafenden Jiinger im Vordergrunde gibt der Komposition eine breite,
wuchtige Basis, auf der die Gestalt des betenden Heilandes sich erhebt.
Dieser pyramidenformige Aufbau der Figurengruppe verleiht der ganzen
Komposition einen geschlossenen Charakter und wirkt auf das Auge
aufierst wohltuend. —
Den Evangelientexten gegenuberx3) finden sich bei der Vorfiihrung
dieser Szene sowohl im Passionssj)iel als auch in der bildlichen Dar-
stellung — und zwar auf beiden Gebieten in volliger Ubereinstimmung
— mancherlei mehr oder weniger bedeutsamc Abweichungen , die wohl
zum grofien Teil in dem Bestreben, auf der einen Seite die dramatische
Wirksamkeit der Szene zu erhohen, auf der anderen Seite das immer
wiederkehrende Bildschema nach Moglichkeit zu variieren, ihren Ursprung
haben. — Ein bei den bildenden Kiinstlern uberaus beliebtes Motiv ist
es, auf der felsenartigen Erhebung, vor der der Heiland im Gebet kniet,
einen Kelch anzubringen. In den Schilderungen, die die vier Evan-
gelisten von der Olbergszene entwerfen, begegnet uns hiervon nichts;
allerdings sprechen sie alle vier in symbolischer Redewendung von dem
Kelch des Leidens (calix), der Christus bestimmt ist*4) und mit einer
etwas primitiv sinnlich-bildlichen Umdeutung dieses Ausdruckes haben
wir es hier zu tun. Im geistlichen Schauspiel wird das Vorhandensein
dieses Kelches allerdings nur ein einziges Mai ausdriicklich vorgeschrieben,
namlich im Donaueschinger Passionsspiel, wo es heifit: (v. 1986) und
denn gat der Salvator von inen und kumpt an den Olberg, dar uff sol
ein kelch stan; urn so haufiger findet sich derselbe jedoch, wie bereits
betont, in der bildlichen Darstellung. Ich ftihre hier einige Belege an:
Meister E. S. (B. 15), Meister mit den Bandrollen (Kupferstichkabinett
Munchen), Meister des Erasmus (Kupferstichkabinett Mtinchen), Un-
*3) Matth. 26, 36 — 46; Marc. 14, 32—42; Luc. 22, 39—46.
•4) Matth. 26, 39; Marc. 14, 36; Luc. 22, 42; Joh. 18, 11.
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432 K. Tscheuschner:
bekannter Meister (Pass. II p. 148), Albrecht Glockenton (B. 4) Schauffelin,
Speculum passionis. Wir haben es hier augenscheinlich ebenfalls mit
einem alteren Darstellungstypus zu tun. — Die Art und Weise, wie
Christus betet, gibt verschiedene neue Motive. In der Regel kniet er
und ringt im Gebet die Hande; am wirkungsvollsten im Bilde ist wohl
jene Auffassung, wie sie eine Biihnenbemerkung der Haller Passion vor-
schreibt: (v. 672) Postea genuflectat dicendo manibus extensis (vgl.
Diirer, Kupferstichpassion). Eine dritte Auffassung, die im Drama ihrer
Wirkung sicher sein konnte, gibt das Donaueschinger und das Egerer
Spiel. Im ersteren heiflt es: (v. 1986) und so der her an Olberg kompt,
kunt er nieder und fait damit cnitz wiss uff daz antlit eines paternosters
lang — und dann noch einmal: (v. 2006) denn gat der Salvator zum
dritten mal von inen an den Olberg und fait nider uff das antlit crutz
wiss. Ganz ahnlich lautet die Anwcisung des Egerer Spieles: (v. 4251)
ct sic totaliter inclinat se ad terram ad modum crucis. — So wirkungs-
voll, wie gesagt, dieser symbolische Hinweis auf den Kreuzestod Christi,
bei der dramatischen Vorftihrung sein mufite, ebenso ungliicklich war
der Gedanke, dieses Motiv nun auch in die bildliche Darstellung zu
iibertragen, wie es beispielsweise Hans Wechtlin (Pass. 28), Urs Graf,
Postilla Guillermi, Ausgabe von 1509, und Albrecht Diirer in seinem
erstcn Entwurf zur kleinen Holzschnittpassion getan haben. Die Gestalt
eines platt auf der Erde liegenden, die Hande kreuzweis ausgestreckt
haltcnden Mannes mufi im Bilde immer iiberaus plump wirken. Diirer
hat dies wohl auch selbst eingesehen, da er dieses Blatt spater durch
ein anderes ersetzte. —
Variiert wurde die Darstellung der Olbergszene sowohl im geist-
lichen Schauspiel als auch in der bildlichen Darstellung dann noch da-
durch, dafl, wie wir schon gesehen haben, bald ein Kelch auf dem
Bergc stand, bald ein Engel erschien — und zwar ausgertistet mit einem
Kreuz, einem Kelch oder gar mit beiden — dann wieder erschienen
mehrere Engei; bald schwebten sie auf Wolken herab, bald traten sie
auf ebener Erde auf Christus zu usw.
Bei der Gefangennahme Christi sind eine ganze Rcihe von
Momenten von Interesse. — Das Passionsspicl liebt es, den Judaskufi,
der in den Evangelien recht unmotiviert auftritt, durch die sprechende
Ahnlichkeit Christi mit einem seiner Jtinger zu begriinden. Im Augs-
burger Passionsspiel sagt Judas :
(v- 597)* ^Tim hurt, ir iuden all geleich!
sein gewalt ist also reich,
Wir mussens weislich grciflfon an;
Wan es sind ir zwen gleich man,
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Die deutsche Passion sbdhne usw. 433
Ainer von seiner momen geborn
vnd iacobus genennet worn.
Zwar! da will ich euch nit laichen
vnd euch geben ain beyzaichen:
Den ich wird kussen an sein mund,
den fahend zu der selben stund!
In ganz ahnlicher Weise geben diese Szene die Heidelberger und
die Haller Passion. — Im Bilde ist dieses Motiv der Ahnlichkeit Christi
mit einem seiner Jtinger wohl nie berlicksichtigt worden und zwar
augenscheinlich schon deshalb nicht, weil mit Ausnahme des Petrus, der
dem Malchus das Ohr abhaut, keinem anderen Apostel sein Platz so
sehr im Vordergrunde des Bildes angewiesen werden konnte, dafi diese
Ahnlichkeit augenfallig geworden ware.
In einzelnen Passionsspielen ist die Szene des Judakusses in der
Weise variiert, dafi Christus dem Verrater den Kufi zuriickgibt. Ich
zitiere hier den betreffenden Passus der Sterzinger Passion:
Judas accedit ad Jhesum et clamat alta voce:
Ave Raby! Et dicit:
(v. 831). Mayster, piss gegrttsset zw tawsent stunt!
Ich muess dich kttssen an deinem mundt.
Salvator dicit Jude:
Freunt, zw wcw pistu kummen?
Juda, ich hab wol vernummen,
Wie dw mit deinem kuss in not
Des menschen sun gibst in den tot;
Doch so wil ich dir zw disser frist
Meinen kuss versagen nicht. —
Wenn die bildenden Ktinste bei dieser Szene des Judaskusses, wo
uber die Person des Verraters tiberhaupt kein Zweifel sein kann, dem-
selben dennoch zur besseren Kenntlichmachung den Beutel mit den
Silberlingen auf den Riicken hangen, oder aber, wie dies noch haufiger
vorkommt, ihn sogar den Beutel in der Hand halten lassen, so zeigt
dies nur zu deutlich, wie gedankenlos dieselben zuweilen bei der Ab-
Fassung ihrer Kompositionen verfuhren.
Zuweilen findet sich die Szene, wie Christus sich den ihn suchen-
den Kriegsknechten zu erkennen gibt, bildlich in der Weise dargestellt,
dafi die Kriegsknechte vor Schreck auf den Riicken fallen. Dieses Mo-
tiv mufi immer komisch wirken. Besonders komisch wirkt es aber dann,
wenn wie beispielsweise in Dtirers Randzeichnungen zum Gebetbuch
Maximilians, . dieser Moment des Aufdenrtickenfallens selbst dargestellt
ist. — Augenscheinlich haben wir es hier mit einem Mifiverstandnis zu
zu tun, das sich das geistliche Schauspiel zu schulden kommen liefi und
Repertorium fiir Kunstwissenschnft, XXVII. 20
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434
K. Tscheuschner:
das aus diesem dann auch in die Werke der bildenden Kunst tiberging.
Ganz ausgeschlossen ist es allerdings auch nicht, dafi die Verfasser geist-
Hcher Spiele, die ja stets darauf bedacht sein mufiten, neben all dem
Ernsten, das sie vorzufuhren hatten, auch von Zeit zu Zeit flir die notige
Kurzweil zu sorgen, absichtlich der Szene diese komische Wendung
gaben, so dafi man dann also nur dein bildenden Kilnstler einen Vor-
wurf machen konnte, der diesen komisch-drastischen Btihneneflfekt allzu
unbefangen flir seine ganz und gar ernst geineinte Darstellung ausnutzte.
— Im Evangelium des Johannes, das diese Episode bei der Gefangen-
nahme Christi erzahlt, heifit es iin 18. Kapitel, Vers 6: Ut ergo dixit eis:
Ego sum, abierunt retrorsum et reciderunt in terrain. Ein Teil der
Passionsspiele halt sich auch an diese Angaben; das Brixener Spiel
schreibt vor: (v. 1159) Die Juden vallen nyder — ganz ahnlich das
Egerer Spiel, wo die Buhnenbemerkung lautet: (v. 4347) et sic omnes
cadunt in terram. Zweideutig ist dann schon die Anweisung der Augs-
burger Passion: (v. 618) Darnach vallend die iuden aber all zu rugk
nider vnd ligend still, bis der proclamator sein reim aufi spricht
Ganz klar ist die Anweisung des Aufdenriickenfallens endlich gegeben in
Sebastian Wilds Passionsspiel : (v. 347) Die vngestfimb Rott felt alle
Ruckling nyder und in der Haller Passion, wo die Vorschrift
lautet: (v. 756) Tunc omnes retrorsum reciderunt. — Christus wird von
den Kriegsknechten ergriffen. Dies ist der Moment, wo sich zum ersten
Mai die entsetzliche Roheit der Passionsbiihne, die in so Uberaus un-
giinstiger Weise auch die bildliche Darstellung beeinflufit hat, geltend
macht. Die Evangelisten gehen liber diesen Augenblick des Ergriffen-
werdens Jesu durch die Kriegsknechte sehr schnell hinweg. Bei Matthaus
und Marcus heifit es mit fast wortlicher Ubereinstimmung : manus inje-
cerunt in Jesum, et tenuerunt eum. *5) Lucas ist noch kiirzer: Com-
prehendentes autem eum duxerunt l6) Johannes bringt eine kleine
Erweiterung: comprehenderunt Jesum et ligaverunt eum *7) In
den Passionsspiel en geht es bei der Gefangennahme weniger hoflich zu.
In der Augsburger Passion heifit es: (v. 652) Yetz fallend in die
schergen der iuden an, werffend im ain kettin an sein hals vnd vahend
in Unter anderem sagt dann der vierte Scherge des Caiphas:
(v. 659) Mit horten schlogen schlacht in vast,
das er hin zu der erden tast!
Im Haller Passionsspiel heifit es:
(v. 780) Stest in in die prust und in sein maull . . .
»5) Matth. 26, 50. Marc. 14, 46.
l6) Lucas 22, 54.
»7) Joh. 18, 12.
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Die deutsche Passionsbtlhne usw.
435
Und im Egerer Spiele sagt Natan:
(v. 4412) Wir haben gar feste strenge,
Die leg wir urob dich nach der lenge,
Es sol dir nit wol gelingen,
Das blutt sol dir zun neglen aus dringen.
Die Haller Passion macht den Versuch, diese unglaubliche Roh-
heit bei der Gefangennahme wenigstens einigermafien zu motivieren
und zu beschonigen, indem sie namlich — es ist dies ein recht feiner
Zug — die Handler und Wechsler, die Chrktus einst aus dem Tempel
getrieben hatte, als diejenigen hinstellt, die bei der Gefangennahme so
grausam mit ihm verfahren:
Sextus judeus interim:
(v. 775) O Jhesus, wie get es dier?
Wildu uns nit mer gaisln schir,
Als du uns neulichn hast getan?
Ich main, du pringst dein Ion davon.
Septimus judeus ducens Jhesum dicit ad socios suos:
Wie seyt es nur als faull?
Stest in in die prust und in sein maull,
(Last es euch in nit so hart erparmen)
Umb den Kopf und auf dy armen.
Er hat uns aus dem tempel getriben.
Es wird im nit unvergoltn plibm . . .
Die bildliche Darstellung hat sich, wie bereits erwahnt, nicht zu
ihrem Vorteil, aus dieser Darstellung der Passionsblihnc die mannigfal-
tigste Anregung geholt. Bald ist der Augenblick dargestellt, in dem
man dem Heiland von ruckwarts her die Schlinge tiber den Hals wirft
(Durer, Kleine Passion und Kupferstichpassion), bald zerrt und stofit man
ihn gewaltsam vorwarts (Dtirer, Grofie Passion und Burgkmair, Leben
und Leiden Christi), bald schlagt man ihn (Schauffelin, Speculum passio-
nis), bald versetzt man ihm Fufitritte (ebenda), bald schniirt man ihm
die Hande gewaltsam auf dem Riicken zusammen (DUrer, Grofie Pas-
sion) usw.
In der Regel ist die Szene der Gefangennahme im Bilde so dar-
gestellt, dafi Petrus, der dem am Boden liegenden und sich riipelhaft
ungestlim gebardenden Malchus das Ohr abschlagt (iibrigens wohl auch
ein Motiv, das auf die groben Manieren der Passionsbtlhne zurtickgeht), ganz
in den Vordergrund zu stehen kommt. Nicht zu verkennen ist es nun,
dafi in vielen Fallen diese Anordnung der Gruppen im hochsten Grade
unvorteilhaft ist (so beispieisweise bei Burgkmair, Leben und Leiden
Christi, DUrer, Kleine Passion und Kupferstichpassion), indem namlich
diese bewegte Gruppe im Vordergrunde die Aufmerksamkeit des Be-
29*
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436 K. Tscheuschner:
schauers allzu stark auf sich zieht, und daneben die Hauptgruppe, in
der der Judaskufi resp. die Gefangennahine Christi dargestellt ist, nicht
nur raumlich, sondern auch was das Interesse anlangt, das wir derselben
entgegenbringen, in den Hintergrund gedrangt wird. Aber nicht nur
vom rein kiinstlerischen Standpunkt aus ist diese Anordnung zu ver-
werfen, sie ist es ebenso vom rein logischen Gesichtspunkte aus. Die
Gefangennahme Christi beansprucht ein ungleich hoheres Interesse, als
die immerhin doch recht unbedeutende Malchusepisode. — Dafi die
Verfasser der Passionsspiele* diese eigentiimliche Anordnung der Gruppen
vorschrieben, lafit sich begreifen, wenn man bedenkt, dafi der heulend
am Boden sich windende und mit den Fufien strampelnde Malchus eine
recht wirksame, komisch-drastische Figur abgab; urn so unbegreiflicher
ist es jedoch, dafi die bildenden Kunstler, die derartigen niedrigen Ge-
sichtspunkten bei der Abfassung ihrer Kompositionen ja nicht Rechnung
zu tragen hatten, sich gleichwohl mit der namlichen sinnwidrigen An-
ordnung der Gruppen abfanden. — Eine einzige Ausnahme nur ist mir
bekannt; es ist dies ein Blatt des Meisters E. S. im Mtinchener Kupfer-
stichkabinett, ein kleines Rundbildchen (weder bei Bartsch noch bei
Passavant genannt), das mit dem gleichen freien, selbstandigen Geiste,
den wir bereits fruher bei der Olbergszene desselben Meisters (B. 15) zu
konstatieren Gelegenheit fanden, die Hauptszene der Gefangennahme
Christi in den Vordergrund verlegt, wahrend die Malchusszene nach hinten
geschoben ist.
Auf dem namlichen Blatte der Gefangennahme ist vielfach im
Hintergrunde die Flucht der Jtlnger dargestellt; in Anlehnung an Matth.
26, 56: Tunc discipuli omnes relicto eo fugerunt. — Das geistliche
Schauspiel halt sich lieber an den Bericht des Marcus, der eine beweg-
tere dramatische Handlung (die Verfolgung durch die Kriegsknechte) und
zudem noch einen hochst wirkungsvollen Buhneneffekt (das Entreiflen
des Mantels und die Flucht des unbekleideten Jtingers) gestattete. Der
betreffende Passus bei Marcus lautet: Tunc discipuli ejus relinquentes
eum omnes fugerunt. — Adolescens autem quidam sequebatur eum
amictus sindone super nudo, et tenuerunt eum. — At ille rejecta sin-
done nudus profugit ab eis.18) — Wir haben es hier mit einer Szene zu
tun, der die Verfasser der Passionsspiele oflfenbar einen hohen Wert bei-
legten; meines Erachtens weist hierauf hin die mannigfaltige freie Aus-
gestaltung, die dieselbe im einzelnen in den verschiedenen Spielen er-
fuhr. — Schon betreffs der Personlichkeit des fliehenden Jtingers gehen
die Meinungen ganz und gar auseinander; im Augsburger und Sterzinger
,8) Marc. 14, 50—52.
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Die deutsche Passionsblihne usw. 477
Spiel ist es Johannes, im Heidelberger Spiel Jacobus, im Egerer Spiel
Jacobus der altere, im Donaueschinger Spiel endlich Marcellus, also ein
Mann, der im Gegensatz zu den zuvor genannten Spielen dem weiteren
Jiingerkreis Jesu angehort Das Donaueschinger Spiel gibt noch eine
weitere Variante, indem es uns diesen Marcellus als blind schildert —
Im Augsburger und Heidelberger Spiel ist nur auf das Motiv des Mantel-
raubes Wert gelegt, wahrend die Tatsache, dafi der fliehende Jiinger
nach dem Verlust des Mantels nackend ist, unerwahnt bleibt; die Buhnen-
anweisung lautet das eine Mai: (Augsburger Spiel v. 682) So ergreift jud
Lemlin Johannem bey dem mantel, vnd iohannes entrinnt im vnd lafit
den mantel hinder im, — das andere Mai: (Heidelberger Spiel v. 3878)
Einn Judde ergreyfft Jacob bey dem mantell, denn lest er fallenn vnd
entleifft. — Ebensowenig ist im Egerer Spiele hiervon die Rede. —
Nackend entflieht der Jiinger in der Sterzinger Passion: Tunc discurrunt
discipuli. Et secundus judeus arripit palium Johanis, qui recedit relicto
palio, et dicit socio suo:
(v. 865) Schaw, licber, wie ist es mir ergangen:
Ich het ir aincn gevangen;
Ist das nicht ain wunder?
Er lies mir hye seinen plunder
Und lawffet nackat da htn
Er hat fiir war weysen syn! —
Das namliche Motiv gibt die Donaueschinger Passion. Diese Szene
ist auch noch insofern beach tens wert, als hier die beabsichtigte Ge-
fangennahme der Jiinger naher begriindet wird: Hie by stat der blind
Marcellus und hat ein liny tuch iiber blossen lib und denn facht Malchus
an und spricht:
(v. 2102) Land uns die jiinger ouch hie fan,
sy fachent sunst ein ungliick an,
als diser boflwicht hat gedacht
und mich schier umb ein or bracht.
Nu fliehent die junger und erwuscht Malchus dem blinden Marcello
sin mantel und entrint er nackent . . .
Ganz abweichend ist die Szene endlich im Egerer Passionsspiel
gegeben :
Et sic ducunt eum (Jesum) cum strepitu. Jacobus maior accedit
dicens:
(v. 4442) Nun hort, ir Juden all geleich,
Beide arm und auch reich,
VVarurab habt ir Jhesum gefangen,
Hat er doch nicht libels begangen?
Er ist ein heiliger man:
Ich rat euch, ir last in gan;
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438 K. Tscheuschner:
Er ist gottes sun furwar,
Er hat cuch geprediget oflenwar.
Merkt, was ir an ihm thut,
Furwar, cs pringt cuch nimcr gut.
Joram dicit:
Schweig, du sagst nicht recht!
Du pist villeicht auch sein knccht;
Greifft in an, lieben gesellen mcin
Und stelt in her zu dem herren scin.
Asor currit post eum et Jacobus evadit mittendo sibi festem in
manu. Asor dicit:
Schauct alle dis gewandt,
Das lies er mir in meiner handt,
Und wer er mir nit entgangen,
Er must mit seim herren haben gehangen.
Auch in der bildlichen Darstellung findet sich dieses Motiv des
nackt entfliehenden Jtingers; beispielsweise bei Dtirer, Grofie Passion und
Kupferstich-Passion.
Ich fiige hier die weiteren Schicksale des Judas ein. — Matthaus
sagt hieriiber im 27. Kapitel v. 3 — 5: Tunc videns Judas, qui eum tra-
didit, quod damnatus esset, poenitentia ductus retulit triginta argenteos
principibus sacerdotum et senioribus, dicens: Peccavi tradens sanguinem
justum. At ill! dixerunt: quid ad nos? tu videris. Et projectis argenteis
in templo recessit, et abiens laqueo se suspendit — Israel von Meckenem
stellt auf dem Blatte »Christus vor Pilatus« (B. 15) im Hintergrunde
rechts Judas dar, der dem Pri ester den Beutel mit den Silberlingen vor
die Fufie wirft, und auf einem, den namlichen Gegenstand behandelnden
Blatte Albrecht Glockentons — B. 6. Plattenzustand II, retouchiert von der
■/
Hand des Monogrammisten Jk — bemerkt man im Hintergrunde durch
die OfTnung iiber der Mauerbrustung links ein Haus, in dessen offenem
Bodenraum der Verrater Judas an einem Tragbalken aufgehangt ist.x9) —
Diese beiden Darstellungen geben also keinerlei Abweichungen vom
Evangelientext; ich fiihre dieselben jedoch ihrer aufierordentlichen Selten-
heit wegen an.
Das geistliche Schauspiel lafit sich im Gegensatz zur bildlichen
Darstellung nattirlich die Gelegenheit nicht entgehen, das Ende des Judas
in moglichst drastischer Weise auszugestalten; so schlitzt ihm etwa im
Frankfurter Passionsspiel der Teufel den Leib auf, um seine vermchte
Seele zu entfiihren. Noch ausfuhrlicher gibt die Szene das Alsfelder
*9) vergl. hiertlber: Max Lehrs, Repertorium filr Kunstwissenschaft. Bd. IX, S. 8.
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Die deutsche Passionsblihne usw.
439
Spiel: Judas verflucht sich unci seine Tat; Satan erscheint unci gibt ihm
ein Seil, urn sich daran aufzuhangen ; Judas erhangt sich und wird darauf
von den bosen Geistern mit Getose in die Holle gefiihrt. In ahnlicher
Weise kehrt diese Szene vielfach wieder. — — Uberaus wirkungsvoll
und fein motiviert ist die Reue des Judas in der Egerer Passion ge-
geben, wo dieselbe bei dem Verrater durch den Anblick des leidenden
Heilands selbst ausgelost wird. Christus wird von den Kriegsknechten
von Herodes wieder zurlick zu Pilatus gefiihrt: Et sic ducunt eum ad
parvum spacium. Jesus cadit ad terram, quasi in exthasi, et sub illo
venit Judas, videns hoc dicit ad Judeos:
(v. 4966) Ir Juden, ich wil euch wisscn Ian,
das ich mich selbert vergessen han.
An Jhesu dem vil treuen:
Das mufi micli imer reuen,
Das ich in hab verratten
Eine Szene voll raffiniertester, tragischer Ironie schaffen endlich
einige Dramatiker, wie die Verfasser der Augsburger und der Haller
Passion, indem sie namlich Maria, die um ihren Sohn besorgt ist, den-
selben gerade der Obhut des Verraters Judas anempfehlen lassen. —
Nachdem Christus gefangcn genommen ist, wird er von den Juden
und Kriegsknechten vor die Richter gefiihrt. Matthaus und Marcus be-
richten nur von einer Vorftihrung vor Kaiphas und Pilatus, Johannes lailt
ihn vor Hannas, Kaiphas und Pilatus ftihren, und Lucas gibt eine Vor-
ftihrung vor Kaiphas, Pilatus, Herodes, sowie eine zweite Prasentation vor
Pilatus. — Es ist nun hochst interessant, zu sehen, wie das Passionspiel
in seinem Bestreben, die Szene der Peinigung und Erniedrigung Christi
moglichst weit auszuspinnen, fast tfusnahmslos die Prasentation vor alle
vier Richter, nebst der nochmaligen Vorftihrung vor Pilatus gibt Im
Bilde kommt die Vorftihrung vor alle vier Richter der Einformigkeit des
viermal nacheinander sich wiederholenden Sujets wegen naturgemafi selten
vor, doch findet sie sich auch hier, so beispiels weise in Dtirers kleiner
Holzschnittpassion. — In spaterer Zeit, also etwa gegen Ende des 15.
und zu Anfang des 16. Jahrhunderts % begntigt man sich auch hiermit
nicht mehr; das geistliche Schauspiel sucht nach neuen Moglichkeiten,
die Marter Christi noch eindringliche*r und nachhaltiger auf das Publikum
wirken zu lassen. Es findet die gesuchte Gelegenheit in dem Wege, den
Christus von einem Richter zum anderen zurticklegen mufi. Im Frank-
furter Passionsspiel heifit es, wie Christus von Kaiphas zu Pilatus gefiihrt
wird: (v. 2714) Quo peracto Jhesus ducatur ad Philatum per Judeos
accusando, trudendo, spuendo, ridendo . . . .; im Egerer Passionsspiel
sagt Pessack, nachdem Hannas befohlen hat, Jesus zu Kaiphas zu ftihren:
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44.0 K. Tscheuschner :
(v. 4604) Ach, wie wel wir an dem wege
Sein mit halsschlegen pflege . . .;
die Buhnenanweisung der Brixener Passion schreibt vor: (v. 1538) Nun
fuern sy Jesum zu Pilatum ungestimlich, das er fallt unter wegen; —
am weitesten geht hierin die Donaueschinger Passion, die sich uberhaupt
in alien Stticken, iibertroffen vielleicht nur noch von der Egerer Passion,
durch ganz besondere Grausamkeit auszeichnet — dieselbe fugt namlich
nicht weniger als fiinf derartige Mifihandlungsszenen zu den sonst iiblichen
Peinigungen hinzu. Ja, man ist hier im Auskliigeln neuer Moglichkeiten,
die Marter Christi in die Lange zu ziehen, so raffiniert, dafi, als man zu
Caiphas kommt, dieser nicht sogleich zu sprechen sein darf und sich so
die Gelegenheit zu neuen Qualereien bietet Das Frankfurter Passions-
spiel gibt insofern noch etwas ganz besonderes, indem es namlich auch noch
nach der Verurteilung Christi eine derartige Szene einfugt; es schreibt
vor: (v. 3549) Jhesus male tractatur a Judeis trudendo usque ad locum, ubi
detur sibi crux . . . Ganz vereinzelt kommt es allerdings wohl auch einmal
vor, dafi der Weg, den Christus von einem Richter zum anderen zuriick-
legt, zu sympathischen Kundgebungen verwandt wird, so etwa im Augs-
burger Spiele, wo Maria, die ihrem Sohne folgt, in der bangen Ahnung,
er werde mit dem Tode btifien mtlssen, in lautes Klagen ausbricht,
wahrend Maria Salome und Maria Magdalena bemiiht sind, ihr Trost zu-
zusprechen. — Mir ist jedoch nur dieser einzige Ausnahmefall bekannt.
— In der bildlichen Darstellung ist die Fuhrung Christi von einem
Richter zum anderen h6chst selten. Sie findet sich ofters als Mittel-
grundsszene bei Urs Graf. In einem einzigen Fall glaube ich sie aller-
dings auch als Hauptgegenstand einer bildlichen Darstellung angetroffen
zu haben, und zwar in einem Gemalde Schauffelins (Nr. 261a der
Miinchener Pinakothek). Dieses Bild tragt die Bezeichnung »Fall Christi
unter dem Kreuze« und der Galeriekatalog fiihrt es an als »Fall Christi
auf dem Wege nach Golgatha«. Beide Bezeichnungen sind ganzlich
unzutreftend. Christus, den ein Kriegsknecht an einem Stricke fiihrt,
ist zu Boden aufs Knie gesunken, ein zweiter Kriegsknecht schlagt
mit einem Stocke auf ihn ein; von dem Kreuze Christi, von dem beide
oben angefuhrten Benennungen sprechen, ist nicht das geringste zu
sehen. Wenn wir nun etwa an die Buhnenanweisung der Brixener Passion
zurlickdenken: Nun fuern sy Jhesum zu Pilatum ungestimlich, dass er
fallt unter wegen . . ., so kann meines Erachtens gar kein Zweifel dariiber
sein, dafi Schauflfelin bei der Abfassung seiner Komposition diese ge-
•waltsame Fuhrung Christi von einem Richter zum andern, die zur da-
maligen Zeit in den Vorfiihrungen der Passionsspiele so beliebt war, vor
Augen schwebte.
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Die deutsche Passionsbuhne usw. 44 1
Bevor ich auf die Vorftihrung Christi vor die einzelnen Richter ein-
gehe, mochte ich hier eine kurze Bemerkung iiber die aufiere Er-
scheinung Christi einfiigen. Es fehlt uns in den Passionsspielen so
gut wie jede Angabe iiber diesen so iiberaus interessanten Punkt. Es
lage nahe, anzunehmen, dafi sich ahnlich wie in der bildenden Kunst,
auch hier ein gewisser allgemein gultiger Christustypus herausgebildet
babe. Jedoch scheint dies wohl nicht der Fall gewesen zu sein; das
Eine wenigstens konnen wir noch heute konstatieren, dafi namlich fiir
einen der wesentlichen der hierbei in Betracht kommenden Faktoren,
namlich die Farbung des Haares, keine derartige Ubereinstimmung be-
stand. Ganz nebenbei erhalten wir iiber diesen Punkt im Alsfelder und
und Donaueschinger Passionsspiel Aufschlufi. Im ersteren sagt Gumprecht :
(v- 3437) dissen stryck umb synen lipp
wel ich em werffen alsso hart,
das em swcysset syn swarczer bart.
und im letzteren heifit es, wie Christus vor Herodes steht:
(v. 2669) gib antwiirt hie zu diser vart
ich zezerr dir anders din roten bart . . .
Christus wird zunachst vor Hannas gefiihrt. — Es geschieht dies
natiirlich wieder wenig zart Das Donaueschinger Spiel schreibt vor:
(v. 2156) Nu ziehend die Juden den Salvator untugentlich fiir Annam . . .
Wenn wir nun aber gar etwas spater in diesem Spiele Yesse seinen
Genossen zurufen horen:
(v. 2519) Ziich an dinem seil da vor,
so wil ich doch in ziechen by dem hor
er wil doch sunst nit nacher gan.
ir Juden griffent den biisswicht an . . .
so haben wir hier im Schauspiel Zug um Zug fast genau das namliche
Motiv des gewaltsamen Heranziehens, wie es Diirer in seiner Kleinen
Passion in der Vorftihrung Christi vor Hannas gegeben hat
Das Verhor vor Hannas verlauft ebenso unglimpflich. Christus wird
von den Kriegsknechten verhohnt und geschlagen. Geradezu bis ins Ab-
geschmackte geht die Egerer Passion; hier arrangieren die Kriegsknechte
ein tatsachliches Spiel; sie spielen »puczpirn«; Christus stellt den Birn-
baum dar, von dem sie die Friichte herunterschlagen. Hannas sagt zu
den Knechten:
(v. 4509) Nempt in und ruckten uber die pein,
Macht mit im ein frolich spil
Ein igtlicher, was er im herzen wil.
Natan dicit:
Treuen, das sol geschehen,
Man sol guette kurzweil sehen.
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442 K. Tscheuschner:
Abraham dicit:
Gewal dicit:
Nun ratet alle zu mit sinnen
Was spils wcl wir mit im beginnen.
Ir herrcn, wir uns zusammen thiern,
Und spiln mit im der puczpirn,
Wan das spil ist gcmcinne
Den kindcrn grofl und klcinc.
Nun rattet, licben geselln mein,
V\fer sol nun der pirpaum sein?
Ir gsellcn, das wil ich euch hie sagen,
Jhesus mag die piern wol tragen,
Wan cr ist gar ein frolich man,
Darumb sol man in mitten ein sizen Ian,
So wil ich selbert huetten sein
Und im hclffen mem die pein.
Sezt in nider hartte,
Wir wcllen zum piern wartten.
Et tunc locant eum ad medium et ltidunt cum eo. Laibel dicit:
Trau en, die piern seindt sucsse.
Ja, da niden bei den fuesse.
Die piern thunt uns wol laben.
Gesel, ich mufl ihr auch einne haben.
Ysaak dicit:
Amos dicit:
Moyses dicit:
Moab dicit:
Pharon dicit:
Nun racket die piern oben mit schalle,
Si seindt teig, si werendt ab valle.
Lieber gesell, das sol sein.
Nun greiffet zu all in der gmein.
Et sic omnes concurrunt et unanimitter trudunt eum et crinisant —
In Dlirers kleiner Passion findet sich auf dem Blatte »Christus vor
Hannas« neben dem Richterstuhl des letzteren eine weibliche Person,
die, auf einen Krtickstock gestiitzt, auf Hannas einredet. Diese Gestalt
ist mir unerklarlich. Weder im Evangelium noch in den Passionsspielen
findet sich irgendwelcher Anhaltspunkt zur Ausdeutung derselben. Es
ist dies um so sonderbarer, als dieses Motiv mit geringen Modifikationen
in der bildlichen Darstellung ofters wiederkehrt, so bei Martin Schon-
gauer (B. n — ein Mann, mit der Linken auf einen Krtickstock ge-
stiitzt, neben dem Thron des Hannas), ferner bei Albrecht Glockenton
(B. 6 — neben Hannas ein alter Mann, einen Krtickstock in der Linken,
der auf die Juden einredet) und endlich Lucas van Leyden (B. 59 —
hier neben Hannas zwei alte Manner, von denen der eine sich lebhaft
dem Hohenpriester zukehrt).
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Die deutsche PassionsbUhne usw.
443
Das Verhor vor Kaiphas bietet keine besonderen Ztige. Kaiphas
zerreifit emport uber die vermeintliche Gotteslasterung sein Gewand. —
Die Egerer Passion gibt hier wieder etwas Besonderes. Sie lafit als
Gegenstiick zu der Szene vor Hannas auch hier die Kriegsknechte ein
Spiel mit Christus aufftihren. Diesmal spielen sie »kopauff ins lichu
(v. 4703); es werden ihm die Augen verbunden, sie schlagen ihn und
er soil raten, wer ihn geschlagen hat.
Dlirer schiebt in seiner Kleinen Passion nach dem Verhor vor
Hannas und Kaiphas die Verspottung Chris ti ein; im Drama und
im Evangeliuin findet sich die Verspottungsszene bald hier, bald da ein-
geschaltet Bei Dtirer war die Verlegung dieser Szene gerade an diese
Stelle eine durchaus beabsichtigte und wohl erwogene. Er stellte die-
selbe zwischen die vier Verhorsszenen mitten hinein und vermied auf
diese Weise die Klippe der Einformigkeit. — Selten zeigt sich die
bildende Kunst von seiten der PassionsbUhne so stark inspiriert, wie
gerade bei dieser Szene. Ich lasse zum Beweise die grofle Verspottungs-
szene aus der Donaueschinger Passion folgen, die mir als ganz besonders
charakteristisch erscheint:
Mit disem zeichen und zannen koment sy in Cayphas huss, und
sol Cayphas nit da sin, als ob er schlieffe, und den bringt Malchus ein
stuly und spricht zu dem Salvator:
(v. 2233) Bistu mud, sitz da nidcr,
da mit kumstu der amacht wider,
wir wend der untrtiw spilen mit dir,
Jhesus, das soltu globen mir.
Und so der Salvator nider wil sitzen, so zuckt im Malchus daz
stuly, daz er fait, doch rich tend sy in mit dem har wider uff und so er
also sitzt, so spricht Mosse zu Jesse:
Jesse, du bist ein fuler man,
du musst den lugner nit ruwen Ian.
Jesse spricht zu Israhel:
Israhel, wie stast so ver da hinden?
Wol fur her, du musst im die ougcn verbinden.
Israhel kumpt mit einem tuchly und verbindet den Salvator die
ougen und spricht zu sinen gesellen:
Rurend im zu dissen stunden,
nu sind sin ougen schon verbunden.
Nu gat Mosse hin zu und schlecht den Salvator an backen und
spricht zu im:
Jhcsu, lass sechen, kanstu sagen,
welher dich hie hah geschlagen?
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444
K. Tscheuschner:
Nu louft Malchus hin zii und erwiischt dem Salvator ein locken
hars und spricht:
Du hist von har ein hiibscher m.on,
daz ich sin mufi ein locken han.
Yecz gat Israhel und verkert im daz antlit hinder sich und spricht:
Du woltest uns all din gloubcn lercn,
Des mufi ich dir din antlit vcrkeren.
Dar uff antwurt Mosse und spricht zu Israhel und Jesse:
Israhel, gib im eins zum kopf,
so zucht in Jesse by dem schopf.
Nu gat Israhel und schlecht den Salvator zum kopf und louft
Jesse und zuckt in by dem har und spricht da mit Jesse:
Scist du uns, wer das hab gctan,
so bistu ein reenter gOckelman.
Yetz gat Malchus hinzu und lupft im das houpt uff und spricht:
Heb uff din houpt und merck mich eben,
ich wil dir ein alte schlappen geben.
Hiemit schlecht Malchus den Salvator aber an backen und facht
Mosse an und spricht:
Prophetesier uns, bistu Crist,
wer het dich geschlagen hie zur frist?
Nu rouft aber Israhel den Salvator bym bart und spricht:
Sag mir hie zu disser fart,
Wer hat dir zerzerret dinen bart?
Nu stost Jesse den Salvator mit dem fiifi uber ab und spricht:
Du hast vil lut verkert by dinem leben
dar umb mufi ich dir ein stoss geben . . .
In disen dingen kumpt Cayphas
Erst wenn man diese Szene gelesen hat, wird einem das im Bilde
Gegebene (vergl. Diirer, Kl. Passion; Schauffelin, Speculum passionis usw.)
so recht klar. — Eine Abweichung von dem Ublichen Darstellungsschema
der Verspottung Christi gibt ein Blatt des Monogrammisten
U
(Brulliot I, 3089), das uns Christus mit verbundenen Augen unter seinen
Peinigern stehend zeigt.
Christus wird vor Pi la t us geftihrt — Johannes leitet diese Szene
ein mit den Worten: Adducunt ergo Jesum a Ca'ipha in praetorium.
Erat autem mane, et ipsi non introierunt in praetorium, ut non con-
taminarentur, sed ut manducarent pascha.10) Das Schauspiel setzt dann
">) Ev. Joh. 18, 28.
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Die deutsche Passionsbtthne usw.
445
dieses Motiv in dramatische Handlung urn, wie etwa in der Augsburger
Passion, wo einer der Knechte des Kaiphas Pilatus zu den Juden her-
ausruft mit den Worten:
(v. 1056). Pylate, gand ain weil her fur,
zu meinen herren fur die thur! —
In Anlehnung hieran finden wir im Bilde die Szene in der Regel
ebenfalls so gegeben, dafi Pilatus aus seinem Palaste zu den ihin Jesus
entgegenfiihrenden Kriegsknechten und Juden heraustritt. Man konnte
vielleicht einwenden, dafi diese AufTassung nichts besonderes an sich
habe, da sie ja eben durch den Evangelientext bereits nahe gelegt sei;
und doch ist sie meiner Ansicht nach der Beachtung wert Wenn man
bedenkt, welch iiberaus mannigfaltige Darstellungsmbglichkeiten die so-
wohl in den Evangelien, als ganz besonders in den Passionsspielen so
sehr weit ausgesponnene Vorfuhrung Christi vor Pilatus dem bil-
denden Kiinstler bot, so mufi man den Scharfblick bewundern, mit dem
dieser sogleich diejenige Situation herausgriff, die in die Einformigkeit
der Verhorsszenen die grofitmoglichste Abwechselung brachte.
Das geistliche Schauspiel liebt es — entgegen den Berichten der
Evangelisten — Hannas und Kaiphas mit zu Pilatus gehen zu lassen.
Im Augsburger Spiele spricht Kaiphas dies direkt aus; er sagt zu seinen
Schergen :
(v. 1006). Nun furt in bin zu pylato!
der sitzt also nahend do;
So gat mein schweher vnd ich nach hin
vnd sagen im da vnseren syn.
Im Alsfelder Spiel ftihrt Kaiphas vor Pilatus das grofie Wort; im
Frankfurter Spiel sind Hannas und Kaiphas ebenfalls zugegen. — Ob
die bildenden Kiinstler sich unter der Schar, die Pilatus umringt,
Hannas und Caiphas, oder doch wenigstens einen von beiden mitgedacht
haben, ist nicht immer leicht zu konstatieren. Dafi sie es wenigstens
zuweilen taten, zeigt Dlirers Kupferstichpassion, in der wir neben der
Figur des Pilatus ganz deutlich die widerwartige Physiognomie des
Kaiphas, mit der wir von der vorangehenden Darstellung her vertraut
sind, wiedererkennen.
Im Augsburger Passionsspiel folgt auch Maria mit den Frauen und
Johannes dem Zuge. Dieses Motiv kntipft an den Bericht des Bona-
ventura an.21) Nachdem Christus von Hannas und Kaiphas verhort
worden ist, und der Verspottung der Kriegsknechte tlberlassen ist, liiuft
Johannes zu Maria, um ihr zu berichten, was sich zugetragen hat, und
dafi ihrem Sohne wohl der Tod bevorstehe. Maria geht nun begleitet
*>) Bonaventura, Vita Christi cap. 64, 65.
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aa6 K. Tscheuschner:
von Johannes und den anderen Frauen von Bethanien nach Jerusalem
und zwar zunachst vor das Haus des Kaiphas, urn ihren Sohn noch
einmal zu sehen. Sie folgt demselben sodann auf seinem ganzen Leidens-
wege. — Im St. Galler Passionsspiele sind es nur Maria und Johannes,
die sich dem Zuge anschliefien. — In der bildlichen Darstellung ist
diese fruhzeitige Anwesenheit Maria und ihrer Freunde hochst selten (sie
treten in der Regel bei der Kreuztragung zum ersten Male auf), indessen
fmdet sie sich zuweilen auch hier, so beispielsweise zweimal bei
SchaufTelin. Das erste Mai auf einein Olbilde »Christus vor Pilatus*
(Miinchcner Pinakothek No. 263 a); das zweite Mai auf einem Gemalde,
das demselben Zyklus von Passionsdarstellungen angehort, und das wir
bereits frliher (S. 57) von einem anderen Gesichtspunkt aus besprochen
haben (MUnchener Pinakothek Nr. 261a). Wir hatten in diesem die
gewaltsame Flihrung Christi von einem Richter zum anderen erkannt
Auf beiden Darstellungen sehen wir Johannes mit Maria links zur Seite
stehen.
Die Evangelien schildern Pilatus als einen gutmlitigen, schwachen
Mann. In den Passionsspielen wird sein gutes mitleidiges Herz zuweilen
noch besonders betont. In Sebastian Wilds Passionsspiel lafit man ihn
im Hinblick auf Jesus die Worte gebrauchen: (v. 870) »Der mich er-
barmet in meim hertzen«, und das Donaueschinger Passionsspiel schreibt,
bcvor Pilatus den Urteilsspruch fallt, vor: (v. 2900) Hie sol Pilatus tun
und crsunfzen, als ob in der Salvator libel erbarmet. — In gleicher
Wcise will wohl die bildliche Darstellung ihn charakterisieren, wenn sie
ihn wie ctwa bei Israel von Meckenem (Dornenkronung B. 14) sich von
dem blutigen Schauspiel ab- und einer anderen Person zukehren lafit,
odcr aber wie dies bei Martin Schongauer gegeben ist (Geifielung B. 12),
ihn sich ohne jede weitere Motivierung einfach abkehren lafit.
Einzelne Passionsspiele, so das Frankfurter und das Alsfelder, ver-
wenden bei dem Verhor vor Pilatus mit grofiem Geschick einzelne
Motive aus dem apokryphen Evangelium des Nicodemus. Vom drama-
tischcn Gesichtspunkt aus war es ein hochst glticklicher Gedanke, ent-
gegen dem Bericht der kanonischen Evangelien, die nur die Widersacher
Christi vorftlhren, auch die Freunde desselben zu Wort kommen zu lassen.
Wenn Nicodemus Christus gegen die boswilligen Anschuldigungen seiner
Feinde verteidigt,22) Pilatus sich mit den Freunden des Herrn berat, wie
cs wohl moglich ware, ihn aus den Handen der Juden zu befreien23) und
schlicfilich alle die, denen Christus Wohltaten erwiesen hat oder die er
") Im AnschluB an Nicodemus cap. 5.
13) Ebenda cap. 2 und 9.
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Die deutsche Passionsbiihne usw.
447
von schwerer Krankheit geheilt hat, in langem Zuge herankommen, um
fur ihn zu sprechen,1**) so belebt dies auf der einen Seite ungemein das
dramatische Element der Verhorsszene, auf der anderen Seite wirken
diese Szenen aber auch mit ihrer sympathischen Tendenz, neben all dem
Grausainen, das man auf der Btihne zu sehen bekommt, aufierst wohl-
tuend. Wenn der Knecht, der Jesus mitten durch die Schar seiner
Feinde hindurch zu dem Richterstuhle des Pilatus heranftihren soil,
diesem die hochsten Ehrenbezeugungen erweist, das Knie vor ihm beugt
und seinen Mantel vor ihm ausbreitet,25) wenn in dem Augenblick, in
dem Jesus das Pratorium betritt, die zwolf Fahnen wider den Willen der
Fahnentrager sich verneigen,26) so sind das beides hochst wirkungsvolle
Biihneneffekte. In der bildlichen Darstellung habe ich nichts gefunden,
das auf eine Verwertung dieser Motive des Nicodemus-Evangeliums auch
nur irgendwie hinwiese.
Pilatus sichick t Christus zu Hero des. Lucas sagt hieriiber: Herodes
autem viso Jesu gavisus est valde; erat enim cupiens ex multo tempore
videre eum, eo quod audierat multa de eo, et sperabat signum aliquod
videre ab eo fieri. 27) Die Charakterschilderung des Herodes, die hier
nur in leichten Umrissen angedeutet ist, wird im Drama bestimmter
herausgearbeitet, d. h. es wird ihm hier eine ziemlich klagliche Rolle
zugeteilt; in der Donaueschinger Passion heifit es beispielsweise:
Herodes antwurt aber den Juden und spricht:
(v. 2693) Het er Pilato antwurt • geben,
oder wie hat er alda ein leben,
das er sogar ist hie geschwigen?
ich mein, er sig mir on des vigen,
er hat mich fur ein toren ersehen.
des glichen ist mir nye geschehen.
Dar uff spricht Herodes zum Sal va tor:
(v. 2703) Lieber, red ein wort mit mir,
so wil ich zehilf komen dir,
veracht mich nit so liederlich
sid ich doch mag erlosen dich ....
Diirer war es in seiner kleinen Passion offenbar ebenfalls darum
zu tun, Herodes als rechten Einfaltspinsel zu schildern. Ich verweise
hier aufierdem auf das, was ich bereits an anderer Stelle, in meiner Er-
lauterung zu Dtirers Holzschnittfolgen, Leipzig, Haberland 1903, liber die
«4) Ebenda cap. 6—8. a5) Ebenda cap. 1.
l6) Ebenda cap. 1. *7) Lucas 23; 8.
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448 K. Tscheuschner :
Charakterisierung der vier Richtergestalten Hannas, Kaiphas, Pilatus und
Herodes gesagt habe.28)
Herodes bringt kein Wort aus Christus heraus, und so schickt er
ihn denn wieder zu Pilatus zuriick. Die Juden dringen von neuem in
Pilatus, ihn nach ihrem Willen zu verurteilen, da schickt Procla, seine
Frau, zu ihm und lafit ihm sagen: Nihil tibi et justo illi: multa enim
passa sum hodie per visum propter eum.29) Das Evangelium des Nico-
demus ftihrt diese Szene etwas weiter aus. Nachdem Pilatus den Juden
die Warnung seiner Frau mitgeteilt hnt, lafit Nicodemus diese antworten:
Numquid non diximus tibi quia magus est? ecce somniorum fantasma
misit ad uxorem tuam.3°) Und aus dieser Stelle des Nicodemus sind
dann augenscheinlich wiederum jene weitausgesponnenen szenarischen Ge-
bilde entstanden, wie wir sie im Frankfurter Passionsspiel, im St Galler
Passionsspiel und anderen antreffen. Im ersteren halten die Teufel einen
Rat; sie wollen verhindern, dafi Christus getotet wird, da sie sich vor
ihm ftirchten. Lucifer geht deshalb zu Procla und blast derselben in
diesem Sinne einen Traum ein.
Auf einem Blatt des Urs Graf (Postilla Guillermi, Ausgabe von
1S°9)* auf dem dargestellt ist, wie Pilatus, um symbolisch seine Unschuld
an der Verurteilung Christi anzudeuten, sich die Hande wascht, sehen
wir im Hintergrunde eine Frau in ihrem Bette liegen und ein zweites
weibliches Wesen dahinterstehen. Dieses Motiv ist ftlr den, der mit der
Passionsspielliteratur nicht vertraut ist, absolut unverstandlich. Die fol-
gende Szene aus dem Heilberger Passionsspiel gibt die Erklarung:
Procla, Pilatus frauw, spricht zcu der meidtt:
(v. 5061) Elflgein, liebste freiindenn meynn,
Mein augenn sere voll schlaffs sein.
Wiltu mein einn clein zeytt pflegenn,
So will jch mich nidder legenn
Vnnd will ruwenn einn clein zeytt,
Bys jch werdenn des schloffs qweytt.
Die meidtt antwortt:
Frauw, jr soltt volnbrenngen ewer begir,
Ich will ewer warttenn das glawbent mir.
Legenntt vch nydder jnn die rwe,
Ich will vch warm deckenn zcw.
Pilatus frauw legtt sich nydder vnnd schlefft.
Das Ratsel ist somit gelost. Die Frau, die Urs Graf im Bett lie-
gend darstellt, ist Procla, das weibliche Wesen neben ihr, ihre Freundin.
a8) Cber den Charakter des Kaiphas vcrgl. auch sein Verhalten bei der Kreuzigung.
*9) Matth. 27; 19. 3°) Ev. Xicodemi cap. II ed. Tischendorf S. 323.
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Die deutsche Passionsbllhne usW. 44A
Dieses Blatt des Urs Graf zeigt wohl besser als alles andere, wie weit
bis ins kleinste Detail hinein die Abhangigkeit der bildenden Kiinstler
der Passionsbiihne gegenuber mitunter ging.
Der Teufel blast der Procla nun im Schlafe den besprochenen
Traum ein und nach ihrem Erwachen schickt diese einen Boten zu ihrem
Manne mit der Weisung, er solle Jesus nichts antun. Betreffs dieses
Boten gehen nun die Auffassungen der Passionsspiele ganz und gar aus-
einander. In den meisten Fallen ist es eine Magd (so in der Frank-
furter Qruppe: Frankfurter Dirigierrolle, Frankfurter Passion und Als-
felder Passion); in der Egerer Passion sind es zwei Magde; im St. Galler
und Sterzinger Spiel ein Knecht; in den bisher genannten Spielen wurde
der Auftrag mundlich iibermittelt, in der Augsburger Passion gibt Procla
dem Boten einen Brief; in der Donaueschinger Passion endlich geht sie
selbst. — Die Szene, wie der Bote dem Pilatus die Nachricht iiber-
bringt, findet sich bildlich hochst selten dargestellt Ich habe sie nur
einmal gefunden, auf dem »Ecce homo« des Israel von Meckenem (B. 16)
im Hintergrunde rechts.
(Fortsetzung folgt.)
Repertorium fiir Kunstwissenschaft, XXVIl. ^O
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Ein neuerWolgemutaltar inFeuchtwangen(Mittelfranken).
Von Albert Gumbel.
Stidwestlich von der niittel frank ischen Kreishauptstadt Ansbach, an
der Bahnlinie Dombtihl-Nordlingen, liegt im Tale der Sulzach das gewerb-
fleifiige Stadtchen Feuchtwangen, dereinstmals der Sitz eines mit seinen
Anfangen in die Karolingerzeit hinaufreichenden Benediktinerklosters und
spiiteren Chorherrenstifts, ja bis ins 14. Jahrhundert eine unmittelbare
Stadt des heiligen romischen Reiches deutscher Nation. Der Name des
Stadtchens ist bisher in der Kunstgeschichte nur selten genannt worden
und wo dies in einigen, unten anzuftihrenden Arbeiten der Fall war,
handelte es sich urn baugeschichtliche Fragen, zu welchen die Feucht-
wanger Kirchen und Klosterkreuzgange, insbesondere aber die altehr-
wiirdige Stiftskirche mit ihren interessanten Uberresten aus der romanischen
Bauperiode Anregung gaben.1) Dagegen hat die kunstgeschichtliche
*) Als altere Arbeit ist zu nennen E[ngelhardt] : Die Stiftskirche in F. (Christ-
liches Kunstblatt, Jahrg. 1869, S. 37 fT.). Mit der Baugeschichte der Kirche, insbesondere
ihrer romanischen Bestandteile, beschaftigt sich sodann in sachkundiger und eingehender
VVeise ein Aufsatz des auch um die Erhaltung und Wiederherstellung unseres Wolgemut-
altars hochverdienten Herrn Dekans Schaudig in Feuchtwangen, betitelt »Romanische
Bauiiberreste in Feuchtwangen« (Interhaltungsblatt zur Frankischen Zeitung [Ansbacher
Morgenblatt] 1886, Nr. 201 — 203, 212, 214 und 215). VVir entnehmen demselben, dafl
die Kirche in ihrer iilteren Gestalt sich als eine dreischiffige, romanische Saulenbasilika
darstellte, mit zwei Tlirmen an der Westfront, einem reicher verzierten jtingeren Nord-
und einem alteren einfacheren Siidturme, zwischen welchen ein zweistOckiger Vorbau,
der unten eine ofifene Halle bildete, lag. Um 1400 etwa erfuhr die Basilika einen
gotischen I'mbau, von welchem die heutige Gestalt der Saulen des Schiffes und ins-
besondere der machtige Chorbau, der unseren Altar umschlieflt, mit seinem schonen
Chorgestlihl stammt. Von dem romanischen Bau sind noch heute ansehnliche Teile
erhalten. Die Vorhalle wurde in neuerer Zeit stilvoll restauriert und ihre in der jetzigen
Gestalt erst der gotischen Zeit angehorige Fresken erneuert. Zu den sehenswerten
romanischen Bauliberresten gehoren auch der Klosterkreuzgang und Teile der nicht weit
von der Stiftskirche befindlichen St. Johanniskirche.
« Kunsthistoriker mcichte ich auch auf den zeitlich dem Wolgemutaltar nahestehenden
Altar in der St. Georgskirche zu Oberampfrach (nordwestlich von Feuchtwangen, an der
Bahnlinie Ansbach-Crailsheim) aufmerksam machen. Steichele widmet ihm aufierst warme
Worte. Die Pfarrei Oberampfrach war dem Stifte Feuchtwangen inkorporiert , das dort
einen Vikar unterhielt. Als solchen trefTen wir 1489 einen Namensgenossen (ob auch
Verwandlen?) des Meisters, Johannes Wolgemut, frliher Kaplan beim St. Elisabethspital
in Dinkelsblihl (K. Kr.-Arch. Nbg. Urkunden des Stifts F., Pfarrei Oberampfrach).
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Ein neuer Wolgemutaltar in Feuchtwangen. 451
Forschung, wenn wir nicht etwa Steicheles2) kurze Notiz in Betracht
ziehen wollen, keinen Anlafi genommen, jenem Altare, dessen Geschichte
uns hier beschaftigt, Aufinerksamkeit zu schenken. Und gleichwohl ist
er unseres Interesses im hochsten Grade wiirdig, ergibt sich doch aus
den heute im K. Kreisarchive Ntirnberg befindlichen, bisher noch nicht
benutzten alteren Rechnungen des Stiftes Feuchtwangen mit Sicherheit,
dafi der Lehrmeister Diirers, dafi Wolgemut den noch heute im Chore
der Stifts- bezw. jetzigen protestantischen Hauptpfarrkirche befindlichen
Marienaltar malte oder doch in seiner Werkstatt herstellen liefi und jeden-
falls personlich in Feuchtwangen zur Aufstellung brachte.
Vor der Wiedergabe der betreffenden Rechnungsposten sei mit
einigen Worten die Geschichte des Stiftes Feuchtwangen beriihrt.3) Nach
einer guten Tradition wurde das Benediktinerkloster Feuchtwangen von
Karl dem Groflen gegrlindet,4) in den Jahren 817 und 825 wird es urkund-
lich genannt. Die erste Bliite des Klosters war aber nicht von langer
Dauer und im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts mufiten Tegernseeer
Monche, an ihrer Spitze der feingebildete Dechant Wigo, an der ver-
odeten Statte neues Leben schaffen. Spater — es ist ungewifi, ob schon
im 11. oder erst im 12. Jahrhundert — horte das gemeinsame Leben
der Monche auf und das Kloster verwandelte sich in ein Chorherrenstift
fur Weltpriester unter einem Propste. Dank der Gunst der deutschen
Kaiser und Konige, welche das Stift mit mancherlei Privilegien begabten,
fehlte es an aufierem Gedeihen nicht, Einkommen und Gtiterbesitz des
Stiftes mehrten sich, doch litt es zeitweilig schwer an inneren Schaden:
Uneinigkeit, schlechter Wirtschaft, Streitigkeiten mit der Stadt Feucht-
wangen usw. Die Chorherren gal ten weit und breit im Lande als
unruhige K6pfe.5) Die reform atorische Bewegung loste neue Konflikte
aus. Nicht ohne heftigen Widerstand seitens der katholisch gebliebenen
Chorherren erfolgte die Protestantisierung des Stiftes durch die Mark-
a) Das Bistum Augsburg historisch und statistisch beschrieben, 3. Bd., S. 396.
3) Nach Jacobi, Geschichte der Stadt und des Stifts Feuchtwangen, 1833, und
Steichele, a. a. O. S. 333 ff.
4) Sein Jahrtag (28. Januar) wurde im Chorstift feierlich begangen, es bestand
einc eigene Vikarie zu seinen Ehren, sein Bildnis befand sich in einer der Ltlnetten
der Vorhalle der Stiftskirche gemalt, ein unten noch naher zu beschreibendes Holzbild im
Chor stellte ihn mit dem Modell des Gotteshauses dar, endlich befand sich sein »Wappen«c
an verschiedenen Stellen der Kirche, u. a. auch unten rechts an der Predella unseres
VVolgemutaltars. (Ihm entspricht links der Adler als Erinnerungszeichen an die ehemalige
Reichsunmittelbarkeit der Stadt Feuchtwangen.)
5) Doch trifft Steicheles Bemerkung (a. a. O. S. 364), dafi das Stift Feuchtwangen
fast lediglich zu einer Versorgungsanstalt flir nachgeborene Sfihne des armeren frankischen
Adels geworden sei, fUr das 1 5. Jahrhundert nicht mehr zu. Hier begegnen uns unter
den Chorherren fast ausschliefilich blirgerliche Namen.
30*
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452
Albert Giimbel:
grafen von Ansbach, deren urspriingliches Schirmverhaltnis sich im Laufe
der Zeit in eine reine Oberherrlichkeit verwandelt hatte.6) I in Jahre 1563
wurde das Stift aufgehoben und die Einkiinfte der landesherrlichen Kasse
uberwiesen. 7)
Wenden wir uns nun unserer eigentlichen Aufgabe, der Geschichte
des Wolgemutaltars, zu !
Er entstand in den 8oer Jahren des 15. Jahrhunderts, einer, wie
die Chronisten mclden, besonders bewegten Zeit fur das Stift. Die uns
vorliegenden Rechnungsbticher verraten freilich von diesen Stiirmen nichts,
im Gegenteil mochte der Anblick dieser langen Reihe sauber gefiihrter
Rechnungsheftc, die Sorgfalt und peinliche Genauigkeit, mit welcher auch
die kleinsten Posten zum Vortrag gelangen, uns irre machen an jenen
Stimmen, welche die Zustiinde des Stiftes zu Ausgang des 15. Jahr-
hunderts in so ungunstigen Farben schildern.8)
Diese Rechnungen, in welchen sich die uns interessierenden Ein-
triige iiber den Altar finden, sind zweierlei Art: 1. Rechnungen tiber
Einnahmen und Ausgaben der Kirchenfabrik oder der Stiftskirche als
solcher. Vorgetragen sind hier die Ausgaben fiir die unmittelbaren
Zwecke und Bediirfnisse des Gottesdienstes, fiir Beleuchtung, Hostien
und Wein, die kirchlichen Geratschaftcn und Mefigewander, endlich fiir
Bauten und Reparaturen an der Kirche. Diese Rechnungen, von welchen
die Jahrgange 1466 und 1475 — 1492 erhalten sind, wurden von dem
Stiftskustos gefiihrt.
Zu diesen kommen 2. Rechnungen des jeweils von Dechant und
Kapitel bestellten Offizials. Die Last dieses Amtes wechselte Jahr fur
Jahr, wir sehen einmal den Dekan, einmal den Kustos dasselbe bekleiden,
fiir gewohnlich fiel diese Funktion aber einem der Chorherren zu. In
den Jahren 1484 — 1487 erscheint ein eigener »Amtmann« als Rechnungs-
fiihrer, dies wurde spiiter (seit etwa 15 12) die Regel. Erhalten sind
uns diese Rechnungen liickenlos vom Jahre 1468 — 1491, aus spiiterer
Zeit noch einzelne Bande und Jahresserien. Es wiirde zu weit fuhren,
alle die einzelnen hier crscheinenden Rechnungsrubriken aufzufuhren,
zumal unten genauer vermerkt wird, unter welchen Titeln die uns hier
beschiiftigenden Notizen vorgetragen sind, nur soviel sei bemerkt, dafi
diese Rechnungen im Gegensatz zu jenen der ersten Art das wirtschaft-
6) Auch die Stadt Feuchtwangen war seit dem 14. Jahrhundert infolge kaiser-
lichcr Verpfandung unter ihre landcshcrrlichc Gcwalt gckommen.
7) Von dem sicli an die Sakularisation des Stiftes anschlieflenden interessanten
Projekt der Griindung einer Iniversitat in Feuchtwangcn handelt Dr. Gg. Schrotter in
der »Arehival. Zeitschrift«, herausgegeben vom K. allg. Reichsarehiv in Miinchen.
N. Fig. Bd. n.
8) Z. B. Jacobi a. a. O. S. 47.
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Ein neuer Wolgemutaltar in Feuchtwangen. ac 3
liche Leben des gesamten Stiftes, seiner Bewohner, Diener und Hinter-
sassen in Einnahmen und Ausgaben widerspiegeln.
Es seien nun zunachst die Eintrage der Kirchenfabrikrechnungen,
soweit sie unseren Altar betreffen, wiedergegeben9):
Rechnungsregister iiber die Einnahmen (recepta) und Ausgaben
(exposita) der Kirchenfabrik Eeuchtwangen vom Jahre 1483 84. Kgl.
Kreisarchiv Niirnberg. Akten der Ansbacher Oberamter Nr. 602. Fol.
i7b— i8a-
Fol. 18 A Alia exposita . . .
Item 1 flor[eiium] et 2 d[aiarios] verzert ad Nurenberg mit 2 kmehten*
4 pferden, nach der clwr taffel feria seciuuia post [sc. festum] eonversiofnis]
Pauli (= 26. Januar 1484).10)
Item ic et 6 (= 106) flor. gesteet (= eons tat, kostet) die e /tor tafel;11) gett
ab an der Summ jo Jlor., fiatt geben dominus Andr[eas] seolastieus nomine
Joh. King viui geet ab 10 flor., hat geben dominus plebanus Joh. IVinekler.11)
Item 2 flor. zw einer peescrn (sic!)1 3) dem meister.
Item 2 for. pro panno fur die tafel in quadragesima.1^)
Item 1 Ibr. von der tafel in choro ze maehen eysein Stangen.
9) Die zahlreichcn Abkurzungen wurden uberall aufgelost.
10) Dieser Rechnungsposten gehort unzweifelhaft in das Jahr 1484, da die hier
in Betracht kommenden Jahresregister der Kirchenf;ibrik jeweils mit dem 25. Juli, dem
St. Jakobstage, als Anfangstermin rechnen. Ks ergibt sich dies aus einer Revisions-
bemerkung Uber die am 21. August i486 namens des Kapitels durch den Scholasticus
Andreas Wernher vollzogene Entlastung des mit der Fiihrung der Rechnungcn betrauten
Kustos Herman Flach flir die drei Jahre 1483— i486.
Auch die eigentlichen Stiftsrechnungen halten am 25. Juli als Anfangstermin fest,
so dafl die in denselben verbuchte Schenkung von 2 fl. an den Meister »in die Brigide«
gleichfalls in das Jahr 1484 fallt und sich zeitlich unmittelbar an die Rechnungsnotiz
liber die Abholung der Tafel anschlieflt.
") Den rheinischen Goldgulden, der hier unzweifelhaft gemeint ist, dlirfen wir
flir jene Zeit auf einen heutigen Goldwcrt von M. 7.20 bis M. 7.30 berechnen. Dabei
miissen wir uns aber an die gegen heute vielleicht 6 — 7fach gesteigerte Kaufkraft dieser
Miinze erinnern. Das V'crhaltnis des Guldens zu dem in unseren Reehnungen gleich-
falls erscheinenden II. ist: 1 fl. == 8 tl». 10 dn. Auf das {[. gingen 4 grosclien oder
30 dn. Der Silberwert des <tb. — c. M. 1.30.
Ia) Die Worte »gett ab — Joh. \Vinckler« sind in der uns vorliegenden Rein-
schrift der Reehnungen vcrsehentlich hinter die Worte »pro panno fur die tafel in
quadragesima« gestellt worden. NatUrlich gehbren sie weiter hinauf an die ihnen oben
im Texte angewiescne Stelle, wie auch der Feuchtwanger Schreiber sclbst durch einen
Hacken andeutet.
•3) d. h. Besserung, Aufbesserung, Zugabc zu dem vereinbarten Preis.
H) d. h. Tuch zur Verhangung des Altares in der Fastcnzeit. Bekanntlich waren
diese sog. Fastentticher ofters mit Malereien aus der Passionsgeschichte ge>chmlickt. Im
Jahre 1478 erhielt zu Feuchtwangen ein » Meister Eberhart« 1V2 fl. »von den tiichern
ze malen fur die altar tempore quadragesimali«. Es dUrfte dieser »Meister« kaum mehr
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454
Albert Gtimbel :
Desgleichen fur das Jahr 1485/86. Ebendort Fol. i9b — 20**
Fol. 20* Alia expo si ta . . .
Item 5 flor. Vlr[ich] mbler von dem gemeellS) von dem Sacrament char.
Item 15 //or. meister Michel voti Nurenberg von vnser frawen vnd Sant
Karel pild 2>or dem chor in abscytcn vor dem chor.
Item 4 grfosc/ten] zw trinckgelt sein gesellen.
Item j lb. dem Schmit von den tafeltm vnd pild zw festigeti. l6)
[Am Rande unten rechts]: Mitt meister VlrfichJ gercchet dominica infra
octavas (sic) assumpcionis Marie virgitiis (= 20. August) anno 86.
als ein Handwerker gewesen sein, da er im gleichcn Jahre i"/a fl. flir die Ausmalung
des Kreuzganges »der vier figur« erhielt.
»5) Unter dem »gemeel« mtissen wir wohl ein Freskobild verstehen. Es begegnen
uns in den vorliegenden Feuchtwanger Rechnungsaufzeichnungen dreierlei Arten von
Kunstwerken, mit »taffel«, »gemel« und »pild« bezeichnet. Wir werden sie zu unter-
scheiden haben als freistehendes Altarbild (tafel, tabula), als Fresko (gemel) und Holz-
oder Steinbildnis (pild, imago?). Vgl. auch die Anmerkung 6 in meinem Aufsatz:
Einige neue Notizen tiber das Adam Kraftsche Schreyergrab, Repertorium fUr Kunst-
wissenschaft Bd. 25. Einmal wird auch »pictura«, offenbar fttr das Bild im Gegensatz
zum Untergrund, der Holztafel (tabula), gebraucht.
Mit der Bezeichnung >Sakramentschor« dtirfte vermutlich ein groflerer Hohlraum
oder eine Nische in der Wand des Chores gemeint sein, wo die Monstranz mit dem
Allerheiligsten (etwa hinter einem abschlieflenden Gitter oder Tiire) aufbewahrt wurde,
wie uns ja solche Wandtabernakel (zu welchen die freistehenden Sakramentshauschen
seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in Gegensatz treten), als besonders geheiligte Statten
mit reichem plastischen Schmuck ausgezeiehnet, in einer Reihe Kirchen erhalten sind,
z. B. bei St. Sebald in NUrnberg (Abbildung bei Ree, Nilrnberg, S. 41) oder in der
St. Jakobskirche zu Rothenburg o. T. In der Feuchtwanger Stiftskirche kame hierfiir
wohl jene Nische der Chorwand in Betracht. welche an der Evangelien- oder linken
Seite des Altares dem Besucher auffjillt. Meiner Ansicht ist auch der griindliche Kenner
der Kirche, Herr Dekan Schaudig, geneigt beizutreten. Er schreibt mir hieriiber in
folgender interessanter und mitteilenswerter Weise: »Meines Erachtens kann das Wort
(Sakramentschor) nur den Chor bedeuten, in dem das Sakramentshauschen sich befindet.
Dafl ein solches da war, ergibt sich aus einer Stelle der Reformationsaktcn von Feucht-
wangen, wo dartiber geklagt wird, dafl sich die Chorherren der Kirchenordnung nicht
fiigen, sondern im VorUbergehen vor dem Sakramentshauschen Revercnz bezeigen. Ob
ein eigenes Hauschen da war oder ob die Nische in einer Seite des oktogonalen Chor-
abschlusses links vom Altar dazu diente, ist nicht zu entscheiden. Fast mochte man
letzteres annehmcn, denn im Gegensatz zu drei wciteren im Chor befindlichen, mit
Bogengesimsen von reicher Gliederung uberspannten und offenbar zur Aufnahmc von
Bildwerken bestimmten Nischen ist jene nur mit einer rechtwinkligen Fugc umzogen,
so dafl sich der Gedanke nahelegt, es mlisse jetzt verschwundenes, auflen angebracht
gewesenes Zierwerk vorhanden gewesen sein.«
Vielleicht bringen nahere Untersuchungen der Wandflachen in unmittelbarer Nahe
dieser Nische Aufklarung liber Ort und Gegenstand jenes Freskobildes des Malers llrich.
l6) Mit dem Ausdruck »pild« konnen wohl unsere Wolgemutschen Holzstaruen
gemeint sein, dagegen ist der Ausdruck »tafelnn«, besonders die Mehrzahl, im un-
mittelbaren Zusammenhang mit dem Vorausgehenden nicht recht verstandlich.
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Ein neuer Wolgcmutaltar in Feuchtwangen. acc
Den Rechnungen der zweiten Art entnehmen wir sodann einige
weitere Notizen:
Einnahmen- und Ausgabenregister des Stiftes Feuchtwangen fur das
Jahr 1483/84, Kgl. Kreisarchiv Ntirnberg, Akten der Ansbacher Ober-
amter Nr. 608, Fol. 5ia— 68b-
Fol. 58 a: Exposita de anno domini etc. 83 in sequentem nomine
capituli per dominum Johannem Gretzer officialem anni predicti.
Fol. 60*: Exposita reverentiarum . . . J7)
2 florfenos] propinaverunt domitti pictori de Nurenberga vltra convcntum
precium in die Brigide [■= 1. Februar 1484], qui locavit tabulam novam ad
ehorum, que constetit ic et 10 flor[enis], (Zwei Gulden haben die Chor-
herren iiber den vereinbarten Preis am St. Brigidentage dem Maler von
Niirnberg geschenkt, der die neue Tafel beim Chor aufgestellt hat, die
auf no Gulden zu stehen kam.)
Desgleichen fiir das Jahr 1484/85. Ebenda Fol. 7ia — 99*. Fol. 8oa
Hye hernach geschriben ist verzaichnet, was Ich Matt. Cantzler von wegen
meiner hern vom Capitel als ein amptmann aufigeben hab Anno domini
etc. 84 bifi yn das nachvolgent Jare hinumb bifl vff Jacobi Anno etc.
85...
Fol. 83* Aufigeben fur referentz vnd schenck erbern personen.
18 dn. fur J mofi weins, genumen bey Flaisch Sixten, geschenckt maister
Michel moler von Nurenberg assumprionis Marie (== 15. August 1484).
Versuchen wir nun zunachst uns auf Grund dieser Rechnungsnotizen,
soweit moglich, ein Bild von den Beziehungen des Meisters zum Stifte
zu machen, sodann moge eine Beschreibung des, wie oben schon be-
merkt, noch heute im Chor der Feuchtwanger Pfarrkirehe befindlichen
Altars folgen, schliefilich miissen der Persbnlichkeit jenes neben Wolgemut
genannten Malers Ulrich einige Worte gewidmet werden.
Wann und unter welchen Umstanden der Auftrag des Kapitels an
den Nurnberger Meister erging, ist nicht ersichtlich. Zu Beginn des
Jahres 1484 mag den Stiftsherren die Nachricht zugekommen sein, dafi
der Altar vollendet und zur Abholung bereit sei. Daraufhin macht sich
der Kustos Hermann Flach am Montag nach Pauli Bekehrung, den
26. Januar, mit zwei Knechten und vier Pferden, wohl auch einem Wagen,
nach Niirnberg auf den Weg, um das gute Stlick nach dem Stifte heim-
zuholen. Am Sonntag darnach, am St. Brigidentage — es war der
1. Februar, — folgte der Meister selbst nach und leitete die Aufstellung
des Altares im Chor der Kirche. Der neue Thron der Himmelskonigin
in der frischen Pracht und Glut seiner Farben mochte wohl den Beifall
'7) d. h. ftir Geschenke an Personlichkeiten, dencn man eine Ehre erweisen wollte.
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456 Albert Gttmbel :
der Chorherren gefunden haben, denn sie legten dem vereinbarten Preise
von 1 06 Goldgulden noch 2 fl. als »Besserung« ftir den Meister zu. Von
zwei Seiten fand die Kirchenfabrik Untersttitzung, um die Last dieser
Ausgaben zu tragen. Der Chorherr und Pfarrer Johannes Winckler, der
sich wohl des neuen Schmuckes seiner Kirche herzlich freuen mochte,
steuerte 10 fl. beil8) und der Stiftsscholasticus Andreas Wernher iibergab
namens des verstorbenen Chorherrn Johannes Klug 30 fl.x9)
Im Sommer des gleichen Jahres, am Maria Himmelfahrtstage 1484,
finden wir den Meister abermals im Stift anwesend und seitens der Chor-
herren durch ein Geschenk von drei Mafi Weins geehrt. Es mogen wohl,
abgesehen von dem Feste und dem damit verbundenen Ablafl,20) Be-
l8) Auch entsprach dies den kanonischen Vorschriften , welche den Pfarrer an-
weisen, zum Unterhalte seiner Kirche nach bestem Vermogen beizutragen.
»9) Dieser Kanonicus war bereits in der ersten Halfte des Jahres 1480 gestorben
und hatte den Scholasticus Andreas Wernher zu seinem Testamentsvollstrecker bestellt.
Wollen wir annehmen, dafl es sich bei diesen 30 fl. wirklich um einen letztwilligen
Beitrag zu den Kosten der Chortafel handelt, so ware der Gedanke eines solchen
Schmuckes des Marienaltars schon damals (1480) festgestanden, was ja nieht un-
wahrscheinlich ist. Vor dem weiteren Schlusse freilich, dafl auch Wolgemut schon
zu dieser Zeit mit der AusfUhrung der Bilder beschaftigt war, wird uns der lange Zeit-
raum (drei Jahre) abhalten, der dann zwischen Beginn und Vollendung der Altarfltigel
lage. Das Testament des Stiftsherrn mag aber wohl, wie Ublicb, nur ganz allgemcin
dahin gelautet haben, dafl sein hinterlassenes Vermogen, nach Wegfertigung der aus-
geworfenen Legate, zu frommen Zwecken (ad pios usus) verwendet werden sollte und
sein Nachlaflverwaltcr erfiillte in oben bezeichneter Weise den Wunsch des Verstorbenen.
Dabei moge ttberdies an Folgendes erinnert sein. Es bestand bei den meisten dcutschen
Dom- und Chorstiften das Herkommen, dafl nach dem Tode eines Chorherrn sein Nach-
folger nicht sogleich in den Genufl der freigewordenen Pfrlinde trat, sondern eine sog.
Karenzzeit von mehreren Jahren (in F. drei odcr vier) durchzumachen hatte, wahrend welcher
das Einkommen der Pfrlinde teils den Erben oder audi wohl den Glaubigern des Ver-
storbenen als sog. anni gratiae, TotenpfrUnden, zugute kam, teils zum besten des be-
treffenden Dom- oder Chorstiftes (namentlich zur Starkung des Baufonds) verwendet wurde.
So auch in Feuchtwangen. Die Statuten des Stiftes vom Jahre 1409 bestimmten: wcnn
ein Chorherr vor dem St. Jakobstag (25. Juli, vgl. ob. Anm. 10) stirbt, entbehrt sein
Nachfolger drei Jahre der Prabende und zwei Gnadenjahre fallen dem Verstorbenen zu
(defuncto cedunt), das dritte gehort der Kirchenfabrik zu Bauzwecken (ad fabricam pro
structura); erlebt jener aber noch den St. Jakobstag, so hat der Verstorbene noch die
Prabende des folgenden Jahres verdient (deservivit) und sein Nachfolger mufl vier Jahre
warten, drei Jahre zugunsten des Verlebten und ein Jahr zugunsten der Kirchenfabrik.
Aus dem Ertrag der zwei Gnadenjahre des vor Jakobi 1480 verstorbenen Joh. Klug
stammten also wohl jene 30 Gulden, welche hier der Scholasticus der Kirchenfabrik far
den Altar tibergibt. Schon im Jahre 1481 hatte Ubrigens der letztere namens des Ver-
storbenen bezw. seiner Totenpfrtinde 10 Gulden zu einem silbernen Rauchfafl gespendet.
(Rechnung der Kirchenfabrik vom Jahre 1481 a. a. O. fol. 15b: Item daran hatt gebcn
dominus Andreas scolasticus nomine Joh. Klug bone memorie 10 florenos.)
20) Eine Bulle Papst Sixtus IV. vom 31. Marz 1479 erteilte alien, welche am Tage
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Ein neuer Wolgemutaltar in Feuchtwangen. 45 7
sprechungen Uber die im darauffolgenden Jahre zur Ablieferung gelangten
Bildnisse Marias und Karls des Grofien gewesen sein, welche Wolgemut
nach Feuchtwangen fuhrten.
Mit dem Ausdruck »pild« unserer Rechnungen vom Jahre 1485
sind unzweifelhaft Holzstatuen gemeint Der Meister empfing hierfiir die
allerdings nicht sehr hohe Summe von 15 fl.21) Es ist dieser Feucht-
wanger Rechnungsvortrag, soviel mir bekannt, die erste archivalische
Notiz, welche Wolgemut ausdrticklich als Schnitzer nennt. Doch mochte
ich diesen Rechnungsposten von 15 fl. nicht auf das liebliche Marienbild
beziehen, das noch heute aus dem Schreine des Choral tars auf uns nieder-
blickt, sondern auf eine kleinere, verloren gegangene Marienstatue, welche
wohl gleich dem noch heute vorhandenen Bildnis Karls des Grofien an
einer der Seitenwande des Chores22) aufgestellt war. An der linken Chor-
wand der Kirche, uber dem schonen Chorgestiihl,23) befindet sich namlich
eine bemalte Holzskulptur, welche den kaiserlichen Stifter des Klosters
darstellt, kniend, auf dem Haupte die Krone, im linken Arm das Modell
der Kirche tragend, in der rechten Hand den Reichsapfel haltend.
Mit einem 1481 genannten » Marie pild«, das in diesem Jahre
»gefaflt« und »gemalt« wurde,24) diirfte das Wolgemutsche nicht identisch
von Maria Himmelfahrt, Maria Gcburt sowie am Festc der Reliquienweisung (am Sonntag
nach Walburgis) die Feuchtwanger Stiftskirchc bcsuchcn wlirden, einen Ablafl von sieben
Jahrcn. (Urk. im Kgl. Kreisarchiv Nlirnberg.) Unsere dlirren Rechnungsnotizen entrollen uns
da in der Tat — moge dicse Abschwcifung verziehen sein — ein iiberaus liebenswlirdiges
und lebendiges Bild alten Ntirnberger KUnstlerlebens, wenn wir uns hier den Meister, den
Schopfer des noch in frischer Farbenglut |>rangenden Chorbildes, inmitten des /um Marien-
feste zusammengestromten Volkes vielleicht in Regleitung seiner Khcfrau Barbara und seiner
Stiefsohne Wilhelm, Hanns und Sebald, bcim kiihlen Ehrentrunk aus dem Stiftskeller
sitzend vorstellen. Auch mancher seiner Holzschnitte mag da einen Kiiufer gefunden haben.
4I) Die Ablieferung der Bilder mufl in die Tage des 25. Juli bis 24. September
fallen, da das nachste Datum, welches sich in den Rechnungen von 1485 nach den Notizen
Uber die Wolgemutschen Skulpturen fmdet, lautet: sabbato angariarum ante Michaelis
= 24. September.
") Dem dtirfte auch der Ausdruck »vor dem Chor abseits vor dem Chor« entsprechen.
a3) Cber dessen Entstehungszeit und Schnitzer bieten unsere Rechnungen leider
gar keine Angaben.
*4) Es seien nachstehend auch die Ausgaben der Kirchenfabrik flir dieses Jahr
1481/82, soweit sie kunstgeschichtliches Interesse haben, mitgeteilt.
Kgl. Kreisarchiv Nlirnberg a. a. O., Fol. 14a — 15b.
Item 5 H von dem Marie pild zw fassen vnd malen.
Item 2»/i flor. von vnd vmb tafel apostolorum. fuerunt 3V2 sed dominus Andreas
dedit 1 flor. etc.
Item 10 flor. pro tabula et pictura S. Karoli. comput[avi?] tantum 6 flor.
Item 3 grfroschen] fur clamern auff Sant Anthoni altar zw der taflfel.
Item 12 dn. von clamern tabule S. Karoli.
Item 1 flor. pro ymagine Madalene.
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458 Albert Gttmbel:
sein. Wir mtissen uns eben erinnern, dafi die Stiftskirche vordem eine
grofle Reihe heute nicht mehr vorhandener Altare (z. B. Apostelaltar,
St. Elisabe thai tar, U. L. Fr.- Altar usw.) besafi, welche gewifl des Skulp-
turenschmuckes nicht entbehrten; auch die im gleichen Jahre 1481 er-
wahnte » tabula et pictura S. Karoli« diirfte mit dem oben geschilderten
Wolgemutbildnis des Kaisers nichts zu tun haben.
Betrachten wir nun den Altar, wie er sich in seiner heutigen Gestalt
bei geoffneten Fliigeln zeigt!25)
Im Schreine erscheint Maria in der Glorie, auf der Mondsichel mit
silbernem Angesicht thronend; sie tragt ein rosafarbenes Unterkleid mit
goldenem, innen blauem Uberwurf, ein weifier Schleier legt sich um die
Schultern und das braune, lang herabwallende Lockenhaar, ein Reif von
Perlen schmtickt die hohe Stirne, zwei Engelchen halten die Krone iiber
ihrem Haupte. In der rechten Hand tragt sie das Szepter, auf der linken
sitzt das Kind, das rechte Handchen segnend erhoben. Der Gesichts-
ausdruck von Mutter und Kind ist ernst und sinnend; ein Hauch von
gemutvoller Innigkeit und keuschem Liebreiz liegt iiber dieser Wolgemut-
schen Gestalt der jungfraulichen Gottesmutter.
Wenden wir uns nun den Fliigelbildern zu!
Links oben ist Maria Heimsuchung dargestellt. Die h. Elisabeth
in rotem Unterkleide und Umhang mit weifiem Kopftuche legt ihre linke
Hand begrufiend auf die rechte Schulter Mariens, die ihre Linke, wie
hilfesuchend, auf den rechten Arm der Besucherin legt. Erstere ist be-
kleidet mit dunkelblauem Untergewande und hellblauem Umhang, ein
a5) Seine heutige Gestalt verdankt der Altar einer von Hcrrn Konservator Mayer
in Augsburg vorgenommenen und im Sommer dieses Jahres vollcndeten Kestaurierung.
Hierbei wurde die Predella, welche beim seinerzeitigen, heute wieder beseitigten Einbau
der Orgel in den Chor, wie mir Herr Dekan Schaudig mitteilt, samt der Bckronung
(Fialenaufsatz?) entfernt worden war, sodafl der Schrein auf der steinernen mensa stand,
wieder angebracht. Ihre Bestandteile (Tliren und Seitenflachen) wurden von Herm
Dekan an verschiedenen Stellen zerstreut aufgefunden und als zum Choraltar gehorig
erkannt. Auch die beiden kleinen BUsten des Apostels Petrus und cines andcren
Apostcls im Schreine der Predella, welche man neben das Mariabild gestellt hatte,
wurden wieder an ihren frllhcren Platz gesetzt. Neu sind am Altare also nur die
Bekronung, die beiden kleinen Figuren auf Konsolen rechts und links der Madonna,
die Bliste des Heilands im Schreine der Predella und die beiden Seiten und die
Hinterwand der letztcrcn. Alles tibrige ist ursprtinglich. Hen Dekan Schaudig ist
geneigt, auch eine weitere im Besitze der Kirche befindliche, in ihren MaOen mit den
FlUgeln des Wolgemutaltares Ubereinstimmende Tafel mit einer Darstellung der hlg.
Afra — deren Gegensttick ein hlg. Ulrich gewesen sein konnte — als urspriingliches
Zubehbr des Choraltars zu betrachten, so dafl dieser also vormals reicher (rait einem
zweiten Fltigelpaar oder feststehenden Fliigeln) ausgestattet gewesen ware. Zurzeit wird
diese Tafel ebenfalls einer Restaurierung unterzogen.
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Ein neuer Wolgemutaltar in Feuchtwangen. 450
weifier, auch die Locken umschlingender Schleier flatten weit hinaus.
Im Hintergrunde zeigt sich eine bergige Landschaft, welche einen Durch-
blick auf ein FluBtal gestattet, links liegt ein freundliches Bauernhauschen,
vor welchem Zacharias in dunkelrotem Gewande sitzt. Nattirlich be-
handelte Blumen schmticken den Vordergrund.
Links unten sehen wir die Anbetung der hlg. drei Konige. Maria
in dunkel- und hellblauem Ober- und Untergewande sitzt auf einem mit
einem goldenen Rollkissen belegten Stuhle, in der Linken ein Goldgefafi
haltend. Das Kind beugt sich in lebhafter Bewegung zu einem der vor
ihm knieenden Konige in rotem, pelzbesetztem Purpurmantel, liber welchen
ein durchsich tiger, weifier, auf dem Rticken in eine Schleife geknoteter
Schleier gelegt ist. Hinter ihm steht der Mohr in gelbem Untergewande
und goldbrokatenem Obergewand, in der Rechten eine Monstranz tragend.
Hinter der Madonna steht der dritte Konig in grtinem Sammetkleide mit
weifiem Pelzbesatz; die Linke halt einen goldenen Becher, mit der
Rechten liiftet er die rote, pelzbesetzte Miitze. Im Hintergrund der Stall,
in die Ruine eines Tempels oder Palastes verlegt.
Rechts oben ist die Verehrung des neugeborenen Kindes durch Maria
dargestellt. Die Scene spielt sich vor derselben Ruine, wie unten links und
vor einer Landschaft mit der Verkiindigung der Hirten ab. Maria in blauem
Gewande kniet mit gefalteten Handen vor dem Kinde, das ihr zwei Engel,
der eine in goldenem, der andere in weifiem Kleide, auf einem weifiem
Tuche entgegenbringen, dahinter Joseph in violettem Unter- und rotem
Obergewande, mit seinen Handen eine Kerze vor dem Winde schiitzend.
Rechts unten schliefilich erblickt man Maria Tod. Die Sterbende
liegt auf einem mit weifiem Laken iiberzogenen Bett unter einem grlinen
Betthimmel, gestiitzt auf zwei Kissen, von welchen das untere schwarz
und weifi gestreift ist. Die Apostel sind um sie beschaftigt, besonders
auffallig erscheint der eine am unteren Bettrand Kniende mit Brille und
peruckenartigem Haarwuchs.
Die Aufienseiten der Fltigel zeigen die Verkiindigung; Maria in
rotem Unterkleide und blauem Uberwurf, ein Buch in der Linken, lauscht
mit demtitiger Geberde der Botschaft des Engels.
Die Predella schmticken die Blisten der vier Kirchenvater mit den
Symbolen der vier Evangelisten, die Innenseiten der Schreinflugel zeigen
links den Apostel Johannes mit der aus dem Kelche schllipfenden
Schlange, rechts Andreas. Im Schreine selbst befinden sich drei Biisten:
St. Petrus links, ein anderer Apostel (?) rechts, in der Mitte (aus neuerer
Zeit) Christus mit dem Weltapfel.
Das malerisch unbedeutende Bild der Riickseite des Altars zeigt
die Stiftsherren, an ihrer Spitze Propst und Dechant, im Schutze der
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460 Albert Gtimbel: Ein neuer Wolgemutaltar in Feuchtwangen.
Madonna, welche als mater misericordiae ihren Mantel um die Knienden
schlagt.*6)
Nun ertibrigt nur mehr ein Wort tiber den in der Rechnung vom
Jahre 1485 neben Wolgemut genannten Maler Ulrich. Die Vermutung
liegt nahe, dafi er gleichfalls ein Niirnberger und in der Werkstatt
Wolgemuts tiitig war. Diirfen wir wirklich annehmen, dafi dies zutriflt,
so liegt uns in diesem Feuchtwanger Rechnungseintrag vielleicht ein
weiteres Zeugnis fiir die ktinstlerische Tatigkeit eines Niirnberger Bild-
schnitzers und Malers vor, der in den Jahren 1481 — 1485 an dem
St. Gotthardskirchlein bei Velden beschaftigt war. 27) Doch ware es natiir-
lich keineswegs ausgeschlossen, dafi jener Maler Ulrich in einer der
Nachbarstiidte Feuchtwangens, etwa Dinkelsbiihl, mit welchem rege Ver-
bindungen bestanden, Rothenburg oder Ansbach beheimatet war. Sehr
zweifelhaft mufi es endlich scheinen, ob der am Rande des Rechnungs-
foliums vom Jahre 1485 genannte Meister Vlrfich] mit jenem Vlrich m&ler
identisch ist. Diese Notiz tiber eine Abrechnung mit ihm am Sonntag,
den 20. August i486, findet sich namlich neben einer langeren Reihe von
Ausgabeposten fiir Wiederherstellung des Kirchenornates, so dafi gar nicht
ausgeschlossen ware, dafi wir in diesem Meister Ulrich eher einen kunst-
reichen Meister der Nadel — Niirnberger Quellen haben dafiir den Ausdruck
seidenneter (d. h. Seidennaher) — als des Pinsels zu sehen hatten. —
Bis hierher konnte der Historiker dem neuen Wolgemut das Geleite
geben. Die kunstgeschichtliche Wiirdigung des Altars, der ja aus
der besten Zeit des Meisters stammt und sich in willkommener Weise
zwischen den Zwickauer Altar von 1479 unc^ den Peringsdorferschen
Altar von 1487 im (lermanischen Museum einreiht, soil einer anderen
Feder iiberlassen scin.
26 ) Zu Beginn des Jahrcs 1483 setzte sich das Chorstift zusammen aus dem
Propste Johannes Him, dem Dekan Ileinrich von Wirsberg, dem Kustos Herman Flach,
dem Scholasticus Andreas Wernher, dem Pfarrer Johannes Wincklcr und den Chorherren
Dr. Lorenz Thum, Lie. Lorenz Rupertus, Dr. Johann Gretzer, Johann Moringer und
Albert Hartelshofer. Dazu kam cine Anzahl Vikare. lm Laufe des Jahres 1483 trat
sowohl im Propst- wie im Dekansamt ein Wechsel ein. Propst wurde Georg von Schaum-
berg (als solcher vcrpflichtet am 24. Juli 1 483), Dekan der Chorherr Dr. Lorenz Thura,
an der Stelle des A. Hartelshofer finden wir Fabian von Wirsberg.
a7) Vgl. meinen Aufsatz »Nurnberger Meister in Vclden« im lfd. Jahrgang des
»Repertorium f. K.-\V.«
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Zwei Kupferstiche des »Meisters mit den Bandrollen«
in der Kgl. Universitatsbibliothek zu Upsala.
Die Universitatsbibliothek zu Upsala besitzt ein schones Exemplar
des grofien Folianten Astesanus: Summa de casibus conscientiae,1)
gedruckt in Strafiburg von Johann Mentelin etwa um 1473. Der ehe-
malige Besitzer dieses Buches war der bekannte Thomas Werner von
Braunsberg, Professor der Theologie in Leipzig, gestorben 1 498. Folgende
eigenhiindige Anzeichnung auf der Innenseite des Vorderdeckels bestatigt
dies: Liber magistri Thome wernheri de brunssbergk. In quo
continetur Summa fratris Astensis cum registro et vocabularius
juris. Das Register, vier dicht geschriebene Seiten umfassend, ist auch
von der Hand Werners und 1475 datiert: Finis regstri adest anno
1475. Dieser Thomas Werner, der eine sehr bedeutende Privatbibliothek2)
besessen hat, vermachte in seinem vom 2. Dezember 1498 datierten
Testament 3) den grofiten Teil seiner Biicher dem Franziskanerkloster
seiner Geburtsstadt und der Domkirche zu Frauenburg, deren Vikar er
war. Die Bibliothek der Franziskaner gelangte um 1565 in den Besitz
des neubegriindeten Jesuitenkollegiums zu Braunsberg. Als Gustaf II.
Adolf im Jahre 1626 Braunsberg und Frauenburg eroberte, wurden
diese Bibliotheken nebst anderen ermlandischen Bibliotheken nach Upsala
gebracht.
Unser Exemplar des Astesanus ist in schwarzgraucm Schweinsleder
gebunden, wahrscheinlich in Leipzig, wo dieser Einbandtypus oft vor-
kommt, nur mit Linienstempeln verziert. Auf die Einbanddeckel geklebt
sind zwei prachtvoll erhaltene Blatter aus der Inkunabelzeit des Kupfer-
stiches, welche, obgleich schon bekannt, doch wegen der grofien Selten-
heit derartiger Blatter hier erwahnt zu werden verdienen. Es sind dies
zwei Stiche des sogenannten Meisters mit den Bandrollen,4) namlich
•) Hain *i889. Proctor 211.
a) Hipler, Analecta Varmiensia, S. 67 f.
$ Von Hipler im Pastoralblatt flir die Diocese Ermland, 1885: Nr. 5 abgedruckt.
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462 !• Collijn: Zwei Kupferstiche des Meisters mit den Bandrollen.
Die zehn Lebensalter des Mannes und Die Erlosung der Welt
durch Chris ti Tod am Kreuz. Von diesen beiden Kupferstichen ist,
so weit ich weifi, bis jetzt nur je ein Exemplar bekannt. Vom ersten
Blatt befindet sich ein Exemplar im Besitz der Kgl. Hof- und Staats-
bibliothek zu MUnchen; es ist mehrmals beschrieben worden, so von
Tycho Mommsen,5) von Passavant6) und von Lehrs7), und audi
von Dehio8) reproduziert. Es zeichnet sich besonders durch eine sehr
rohe Behandlung aus, so dafi Lehrs annehmen darf, dafi der Stecher,
der sich ja sonst als erbarmlicher Plagiator herausstellt, hier keine Vor-
lage gehabt hat Der zweite Kupferstich ist zuvor aus der Stadt-
bibliothek zu Braunschweig bekannt, wo ich Gelegenheit gehabt habe
die vollige Ubereinstimmung zu konstatieren. Er ist ausfiihrlich von
Lehrs im Repertorium fiir Kunstwissenschaft, Bd. 16, S. 45 flf. be-
schrieben worden.
Was das Alter dieser beiden Kupferstiche betrifft, kann ich mich
nicht dariiber aussprechen. Eine approximative Datierung erlauben jedoch
das von Werner datierte Register und seine auf den Stich im Vorder-
deckel (Erlosung der Welt) geschriebenen, oben zitierten Worte: Liber
magistri etc.: die Blatter konnen nicht nach 1475 gestochen sein. Es
unterliegt jedoch keinem Zweifel, dafi sie bedeutend alter sind.
Es ist nicht selten, dafi alte Einbande solche Schatze bergen. Eine
genauere Untersuchung der Innenseiten solcher Bande in den Bibliotheken,
wo die Inkunabelnsammlungen noch nicht vollig untersucht sind, wurde
mit Sicherheit Anlafi zu interessanten Funden geben. Auch kommt es
vor, dafi einzelne Holzschnitt- oder Kupferstichblatter in die Biicher
hineingeklebt sind. Ein gutes Beispiel bietet hierfur das Exemplar des
Missale Magdeburgense (1480) der Kgl. und Universitatsbibliothek
zu Konigsberg i. Pr.; welches nicht weniger als elf verschiedene, ungemein
seltene Holzschnitte enthalt.
Up sal a, September 1904.
Isak Collijn.
4) M. Lehrs, Der Meister mit den Bandrollen. Dresden 1886.
5) Naumanns Archiv, T. 3, S. 347.
6) Peintre-graveur, T. 2, S. 25, Nr. 45.
7) Zitierte Arbeit, S. 2 1 f.
8) Kupferstiche des Meisters von 1 464. MUnchen 1 881.
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Literaturbericht
Allgemeine Kunstgeschichte.
Rev. J. Wood Brown. The Dominican Church of Santa Maria
Novella at Florence. Edinburgh, Otto Schulze & Co. 1902. XII
unci 176 S.
Den nicht zahlreichen Monographien tiber Florentiner Kirchen, wie
der von Cianfogni-Moreni iiber S. Lorenzo, von Moise" tiber Santa Croce,
des Padre Tonini tiber die Annunziatakirche und Guastis Forschungen
iiber den Dom reiht sich die Publikation tiber die grofie Dominikaner-
kirche wiirdig und ebenburtig an. Aufgebaut auf dem reichen urkund-
lichen Material, das erhalten geblieben ist, bezeugt sie eine seltene Hingabe
an den Stoff, wie sie, ein Stuck Entsagung umschliefiend, notwendig ist,
um ein so in jeder Hinsicht wohlfundiertes Werk zu zeitigen.
Das Buch zerfallt in drei Abschnitte, deren erster die al teste, sozu-
sagen die Vorgeschichte der heutigen Kirche darstellt. Denn als im
Jahre 1221 dem Predigerorden die »Ecclesia et Cappella S. M. Novelle«
ubergeben wurde, lag bereits eine Geschichte mehrerer Jahrhunderte hinter
ihr. Verfasser meint die erste Griindung ins siebente Jahrhundert zurtick-
verlegen zu konnen (S. 6). Damals war Maria Novella freilich nur eine
kleine Kapelle, deren Lage am heutigen Chiostro verde anzusetzen ist.
1072 wird zuerst in einem Dokument von der Ecclesia gesprochen und
1094 ward die neue Kirche vom Florentiner Bischof geweiht (S. 15 flf.).
Reste derselben sind in den Substruktionen der heutigen Sakristei er-
halten, deren Lange der Breite der alten Kirche entspricht. Mitteilungen
tiber die Canonici und Rektoren von Maria Novella und Regesten der
Dokumente bis 1222 beschliefien den ersten Abschnitt.
Den Dominikanern wurde Maria Novella 1221 ubergeben. Eine
papstliche Bulle von 1246 spricht bereits von einer im Bau begriffenen
Kirche des Ordens. Man mufi diese mit dem heutigen QuerschifT identi-
fizieren (S. 5 6 ff.), wo eigentiimliche Eckpfeiler mit sonst nicht vorkommen-
den Kapitellen beobachtet werden (Tafel zu S. 58). Bei dieser Gelegen-
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464 Literaturbericht.
heit macht Verfasser die sehr interessante, durch verschiedene Momente
gestiitzte Konjektur, dafi in dieser Kirche die griechischen Meister ge-
arbeitet haben mochten, von denen Vasasi iin Leben Cimabues spricht
— eine Notiz, die man bisher in Zweifel ziehen mufite, da der Neubau
wesentlich spater angesetzt wurde (S. 596*".).
Unter der Fiihrung eines bedeutenden Priors aus dem Hause
Cavalcanti, geleitet von Ktinstlern, die dem Orden der Dominikaner an-
gehorten, begiinstigt durch namhafte Stiftungen ward 1279 em Neubau,
der Bau der heutigen Kirche, begonnen, und in wenigen Jahrzehnten
etwa vollendet. Die Rucellaikapelle, die Sakristei, der Campanile wurden
in der ersten Halfte des vierzehnten Jahrhunderts angebaut (S. 67). Die
letzte Zutat, die dem Wunder eines Madonnenbildes geweihte Kapelle in
der Ostecke von Haupt- und Querschiff, wurde 1472 gegrundet (S. 69 ff.).
Endlich erhalt die Kirche durch Vasari die ihren Charakter bis auf die
Gegenwart bestimmende Dekoration, wobei das UrsprUngliche fast vollig
verloren gegangen ist
In derselben grlindlichen Weise wird die Baugeschichte des Klosters
dargelegt, werden die Begrabnisstatten behandelt (beachtenswert sind die
Ausfiihrungen Uber die »avelli« S. 102 ff.). Im Appendix ist ein Fiihrer
durch die Kirche gegeben, in dem die Geschichte der einzelnen Kapellen
und der in ihnen enthaltenen Kunstwerke, auf Grund zuverlassiger Hand-
schriften, dargestellt ist. Man findet hier u. a. nochmals das Material
fur die jetzt fast allgemein dem Duccio zuruckgegebene »Cimabue-
Madonna« zusammengefafit (S. 177).
Der dritte Abschnitt behandelt die Geschichte der spanischen Kapelle,
die Fresken darin und deren Ikonographie. Der ktinstlerischen Schatzung
der Fresken wird man vielleicht nicht beipflichten, man mag sich aber
erinnern, dafi seit Ruskins » Mornings in Florence* es eine Art Dogma
fur Englander ist, in der spanischen Kapelle Stunden der Andacht zu
verbringen.
Die Monographic, iiber die kurz berichtet worden, stellt sich also als
eine ausgezeichnete, ernste und in jeder Hinsicht des bedeutenden Stoffes
wtirdige Leistung dar. Zu wtinschen ist, dafi auch fur andere Monumente
von Florenz, die noch nie im Zusammenhang behandelt worden, gleich-
wertige Darstellungen nicht allzu lange auf sich warten lassen mochten.
G. Gr.
Malerei.
Gioacchino di Marzo. Di Antonello da Messina e dei suoi con-
giunti. Aus: Document! per servire alia storia di Sicilia publicati a
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Literaturbericht. m 465
cura della Societa Italiana per la storia patria, Vol. IX, Serie IV.
Palermo 1903.
G. La Corte-Cailler. Antonello da Messina. Aus: Archivio storico
Messinese Anno IV, Fasc. 3 — 4. Messina 1903.
Es ist bekannt, dafi unsere Kenntnisse vom Leben Antonellos bis-
her vollig unzulanglich waren, und dafi daher Konjekturen an Stelle auf
Dokumenten begriin deter Tatsachen treten mufiten. Das venezianische
Staatsarchiv, jetzt mit so alle Erwartungen iibertreffendem Erfolg von
Gustav Ludwig durchforscht, gab nichts her; das einzige Dokument, das
dort gefunden wurde, sprach zwar von einem Antonio da Messina, es
war aber nicht sicher zu sagen, ob man es auf den Maler wlirde be-
ziehen dtirfen.1) Jetzt ist dieses, nach der jiingsten Forschung, abzu-
lehnen.
Bei diesem Stand der Dinge war fiir Konjekturen ein gtinstiger
Boden bereitet Die ziemlich allgemeine Annahme war die, dafi Anto-
nello bis 1473 in Messina geblieben sei, den Rest seines Lebens aber,
man wufite nicht wie lange, in Venedig zugebracht habe.
Jetzt wird aus dem Heimatland und dem Geburtsort des Kiinst-
lers uns uberraschend reicher Aufschlufi geboten und durch die aufge-
fundencn Dokumente die Biographie Antonellos vollig umgestaltet. Es
wird bei dem Interessc, das mit dem Meister verkniipft ist, angebracht
sein, die Hauptergebnisse der neuen Forschungen mitzuteilen.
Es sei vorausgeschickt, dafi die Schrift Di Marzos relativ wenig
neue Dokumente enthalt, dafi sie von Irrtiimern nicht frei ist und an
einer unerfreulichen Wcitschweifigkeit leidet, wahrend La Corte-Cailler
die wichtigsten Dokumente gefunden hat und die Resultate seiner For-
schungen knapp zusammenfafit.
Der Familienname der d'Antonio, welchen Antonello angehort, ist
in Messina zum Beginn des 15. Jahrhunderts ungemein haufig. Die Do-
kumente zeigen, dafi der Zweig, der die Kunstgeschichte wegen des einen
Sprossen interessiert, mit Michele, einem Schiflfskapitan, beginnt, dessen
Sohn Giovanni Bildhauer war. Dieser hat aus seiner Ehe mit Marghe-
rita aufier Antonello einen andern Sohn, der Maler war, Giordano. Das
Jahr der Geburt Antonellos ist unbekannt; da aber beide El tern 1479,
als ihr bertthmter Sohn Testament machte, noch am Leben waren, darf
man jenes Ereignis etwa ins Jahr 1430 ansetzen.
Beide Autoren bringen kein neues Material zu der Frage bei, ob
Antonello in Flandern gewesen ist oder nicht. Interessant aber ist, was
im Vorbeigehen hier angemerkt sei, dafi, als im Jahre 1509 der Maler
») Ludwig im Beiheft zum XXIII. Hand des Jahrbuchs der preuOischen Kunst-
sammlungen.
Repcrtoriura fiir Kunstwissenschaft, XXVIT. 3 I
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466 . Literaturbericht.
Salvo d' Antonio einen Vertrag abschlofi zur Lieferung eines Bildes fur
den Dom von Messina, das zum Himmelfahrtsfest abgeliefert werden
sollte, die Besteller erklarten, wenn er den Kontrakt nicht innehielte,
»licitum sit ipsis . . . transmictere usque ad partes flandinarum pro
habendo ipsum quatrum«; auf des Malers Kosten (di Marzo, Doc. VI).
Um 1455 beginnen die dokumentarischen Nachrichten; urn diese
Zeit hatte Antonello eine Witwe Giovanna geehelicht. 1457 schliefit
er einen Vertrag zur Lieferung der Prozessionsfahne (gonfalone) fur eine
Confraternita in Reggio Calabria, nach dem Muster derjenigen, die er
fiir die Sankt Michaels - Bruderschaft in Messina ausgeftihrt hatte. Im
selben Jahre nimmt er einen gewissen Paolo di Caco auf drei Jahre als
Schiiler an. 1457 — 1460 ist eine Liicke; es scheint, dafi der Maler und
seine Fauiilie diese Zeit in Amantea in Calabrien verbracht haben. 1461
bis 1465 ist er wieder in Messina nachweisbar. 1462 tibernimmt er eine
Prozessionsfahne fiir die Confraternita di S. Elia in Messina, von der
Breite, wie die Fahne fiir S. Maria della Carita, und von der Hohe der
fiir S. Michele gemalten. 1463 erfolgt ein ahnlicher Auftrag fiir S. Ni-
col6 la Montagna. Iin folgenden Jahr erweitert er sein Haus durch An-
kauf des daneben liegenden Hauses. 1465 einigt er sich mit einer an-
deren Person iiber gewisse Anrechte, die diese darauf hatte.
Von 1465 — 1473 sind in Messina keine Nachrichten uber Anto-
nello aus den Archiven zu gewinnen. Es befand sich aber einstmals,
nach Olivas Annali della Citta di Messina, in der Kathedrale dieser
Stadt ein Bild mit dem heil. Placidus; signiert und datiert 1467 (es
ging 1 791 bei einem Brande zugrunde). Gewifi war also Antonello audi
1467 in der Heimat.
Ob man dagegen aus dem Umstand, dafi im 17. Jahrhundert in
Palermo ein Ecce homo mit dem Namen des Malers und der Zahl
1470 beschrieben wird, mit La Corte-Cailler auf einen sichern Aufent-
halt in Sizilien schliefien darf, scheint doch zweifelhaft
1473 iibernimmt Antonello wiederum die Bestellung auf eine Fahne
fiir die Kirche della Trinita in Randazzo. Das war im Februar. Im
folgenden Monat erhalt er Zahlung fiir ein Bild, das er in friiherer Zeit
der Kirche S. Giacomo in Caltagirone verkauft hatte. Auch zu anderen
Malen erscheint Antonello im selben Jahre in Notariatsakten. Im August
1474 verpflichtet er sich ein grofies Altarbild mit der Verkundigung im
Auftrag eines Priesters fiir Palazzolo Acreide (in der Provinz Syrakus) zu
malen. Dieses Bild ist noch dort erhalten (La Corte-Cailler S. 375 IT.).
Nach diesem Termin, man kann nicht genau prazisieren, wann,
mufi die Reise Antonellos nach Venedig angesetzt worden. Aus den zwei
bisher bekannt gewesenen Dokumenten (cf. Repertorium XX, S. 347), von
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Literaturbericht.
467
denen seltsauierweise beide Autoren nur das erste kennen, war hervor-
gegangen, dafi er spatestens im August 1475 dort war> unc^ im Marz des
folgenden Jahres an den Hof nach Mailand berufen wurde. Am 14. No-
vember 1476 ist seine Anwesenheit in Messina wieder bezeugt. Danach kann
der Aufenthalt in Venedig im Hochstfall die Dauer von zwei Jahren er-
reicht haben. 1478 im November kontrahierte Antonello fur ein Banner,
das fur eine Kirche in Randazzo bestimmt war.
Am 14. Februar 1479 macht Antonello in seinem Hause Testament;
er setzt seinen Sohn Jacobello zum Haupterben ein und bestimmt, dafi
er in St. Maria di Gesu im Habit der Minoriten beigesetzt werden soil
(La Corte-Cailler Doc. XVI). Am 25. Februar verpflichtet sich Jaco-
bello das Kirchenbanner ftir Randazzo fertigzustellen; hier heifit es:
»cum honorabilis quondam magister antonius de antoneo .... tempore
vite sue obligavisset etc. ... at turn quia ipse magister ab hac luce
migravit« Damit wird das Todesjahr des Malers festgelegt, und der
Tag zwischen zwei kurz aufeinanderfolgenden Daten annahernd bestimmt.
Uber die weiteren Dokumente betreffend Jacobello, Salvo d' Antonio
und Antonello da Saliba darf, wegen des minderen Interesses, das sie
beanspruchen, hinweggegangen werden. Nur das eine mag erwahnt sein,
dafi im Januar 1480 der junge Antonello da Saliba damals im Alter von
13 — 14 Jahren von seinem Vater in die Lehre zu Jacobello gegeben
wurde (Doc. XXII bei La Corte-Cailler).
Es ist wohl iiberfltissig, hervorzuheben, wie wichtig diese neu ge-
wonnenen Tatsachen ftir die Erkenntnis der aufieren Umstande der Bio-
graphie Antonellos sind. Vor dem klaren Licht der Tatsachen miissen
alle Konjekturen zusammenfallen. Aber mag man fragen: sind der in
den Messineser Dokumenten genannte Antonius oder Antonellus (beide
Formen kommen vor) aus der Familie der Antonio und der bekannte
Maler ein und dieselbe Person? Nach manchem Zweifel glaube ich
doch, dafi die Frage bejaht werden mul). Allein der Umstand, dafi die
Venezianer Archive nicht eine einzige Nachricht iiber ihn hergegeben
haben, darf man gegen die Annahme eines sehr langen Aufenthaltes in
jener Stadt anftihren. Ratselhaft bleibt, dafi die anderthalb bis zwei
Jahre, die er dort gewesen sein kann, genugt haben, ihm einen so starken
Einflufi auf die zeitgenossischen Maler Venedigs zu sichern. Auch dafi
die Mehrzahl der von ihm Portratierten Venezianer sind, gibt zu denken,
mag aber dadurch erklart werden, dafi zahlreiche Venezianer Familien
(wie urkundlich zu erweisen ist; La Corte-Cailler S. 381) um des Handels
willen in Messina ansassig waren. Schliefilich: zur Annahme einer zweiten
Person greift man nur, wenn die Griinde zwingen. Nun wissen wir frei-
lich durch Ludwig von einem anderen Messinesen desselben Namens,
3i*
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468 Literaturbericht.
der in Venedig gelebt hat, und der mit demjenigen, auf den sich die
zitierten Dokumente beziehen, nicht identisch sein kann. Es ist aber
durch nichts bewiesen, dafi dieser die uns bekannten Bilder gemalt hat.
Auch an den Antonio Siciliano, der beim Anonyinus des Morelli zweimal
erwahnt wird (S. 201 und 219 der Frizzonischen Ausgabe),2) konnte man
erinnern. Aber mit alledem ist nicht weiter zu kommen, und wir werden
doch wieder dahin geftihrt, dafi der bekannte Antonello eben jener Maler
ist, der den grofiten Teil seines Lebens in Sizilien verbracht hat und in
der Vaterstadt Messina 1479 gestorben ist. G. Gr.
Kunsthandwerk.
Die Glasersammlung des nordbohmischen Gewerbemuseums in
Reichenberg. Im Auftrage des Kuratoriums herausgegeben von
Gustav E. Pazaurek. (Ornamentale und kunstgewerbliche Sammel-
mappe: Serie VII). Mit 37 Lichtdruck- und 3 Farbentafeln und 18
Textabbildungen. Leipzig, Karl W. Hiersemann, 1902, Fol., I u. 27 S.
Nordbohmens Kunst hat durch die deutschbohmische Glasindustrie
einen Weltruf erlangt. Mit vollem Rechte hat daher das nordbohmische
Gewerbemuscum in Reichenberg seit seiner Griindung sich bemiiht, in
seinen Sammlungen eine moglichst reichhaltige Abteilung von hervor-
ragenden Glasern zu schafTen. Sie war schon 1902 auf nahezu 600
Inventarnummern mit beilaufig 1300 Einzelstucken angewachsen und bietet
ganz Hervorragendes in der Gruppe der geschnittenen Glaser. An ihren
Objekten lafit sich die Glasdekoration von der altesten Zeit bis auf die
Gegenwart herauf verfolgen.
Das Museumskuratorium lost mit der vorliegenden Prachtpublikation,
die auch farbige Reize vortrefflich zur Geltung zu bringen versteht, eine
Ehrenschuld an seinem Eigenbesitze wie an seinem Heimatsgaue ein,
welcher schon seit langem erwarten durfte, dafi gerade von dieser Stelle
aus Geschmack und Gewerbefleifi der nordbohmischen Glasindustrie wiir-
dig gefeiert werden. In Pazaurek stand fur die Durchfuhrung der keines-
wegs leichten Arbeit eine vorziiglich geschulte Kraft zur Verfugung, die
nicht nur den Besitz dieser Sammlungen in alien Einzelheiten aufs ver-
lafilichste kennt, sondern auch vieljahrige Arbeit dem Aufbringen des ein-
a) Eine Frage mochtc ich hicr aufwerfen, fiir dereii Prlifung mir die aufieren
Hilfsmittel nicht zu Gebot stehen. Sollte das vom Anonymus im Hause Vendramin
gesehene »quadretto in tavola a oglio del S. Antonio con el ritratto di M. Antonio
Siciliano intero«, von niederlandischer Hand, nicht identisch sein mit dem Bild in
Kopenhagen, das Kammerer, Van Eyck S. 115 reproduziert?
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Literaturbericht. 460
schlagigen urkundlichen Materiales unci vergleichenden Studien in den
verschiedensten Sammlungen Europas gewidmet hat.
Man kann ihm nur Dank dafur wissen, dafi er die Gepflogenheit
der Einzelaufzahlung der Sammlungsgegenstande verliefi und die Aufnahms-
fahigkeit des Publikums nicht durch inventarmafiige Aufzahlung und Be-
schreibung der Stiicke ermiidete und abschwachte. Er versteht es ganz
ausgezeichnet, die wichtigeren und interessanteren Gegenstande durch Wort
und Bild wirksam in den Vordergrund zu stellen und an sie eine Menge
sehr beachtenswerter Erorterungen anzukntipfen, durch welche die Dar-
stellung selbst geradezu einen pragrnatischen Zug gewinnt. Den Schick-
salen hervorragender Personlichkeiten, kunstgewandter Meister und ihrer
Schiiler, der Entwicklung bestimmter Formen und Techniken ist iiberall
die geblihrende Aufmerksamkeit geschenkt, mit dem Gestriippe landlaufiger
Irrtiimer auf Grund verlafilichster, nicht immer leicht zu beschaffender
Angaben endgultig aufgeraumt und die wissenschaftliche Behandlung der
Geschichte des bohrnischen Glases eingeleitet, ftir welche die vorliegende
Publikation einen hochschatzbaren, mit dilettantischer Behandlung des
Gegenstandes erbarrnungslos brechenden Anfang bedeutet.
Joseph Neuwirth-Wien.
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Ausstellungen.
Mostra deir antica arte senese.
Die am 17. April e'roffnete, am 15. Oktober geschlossene Ausstellung
altsienesischer Kunst im alten Palazzo pubblico Sienas umfaflte in vierzig
Zimmern 2714 Nummern, welche von 380 Besitzern hergeliehen waren.
Die Hauptmasse dieser Bestande stellte Siena selbst: seine Kirchen,
Bruderschaften, Komitate, Sozietaten und Private waren die Besitzer.
Quantitativ Uberwog diese Bestande noch das, was aus der naheren Urn-
gebung herbeigetragen war. Es ist nicht notig, all die Orte zu nennen,
die selbstverstandlich beisteuerten. Das Zusammenwirken der staatlichen,
kommunalen und kirchlichen Behorden machte vieles mobil, was zuerst
zah sich widersetzte. Grofiere Partien sandten Montalcino, Montamiata,
Sa Fiora, Asciano, Pienza, Buonconvento, Sinai unga, Montepulciano, Poggi-
bonsi, S. Gimignano. Aus Florenz, Arezzo und Rom waren im ganzen
nur zwolf Nummern, darunter freilich ausgezeichnete Stiicke beigesteuert
worden. Die Ausstellung wollte einen umfassenden Uberblick tiber jede
Zeit und jeden Zweig der altsienesischen Kunst vom Ducento bis
Settecento geben. Aufier der hohen Kunst wurden vorgefiihrt: orifeceria,
bronzi, stofife, ricami, mobili, codici miniati, arazzi, monete, cofani, intagli,
ferro battuto, armi, gessi und cheramica.
Es braucht kaum versichert zu werden, dafi das Haus, welches
diese Schatze barg, stark zur Hebung des Ganzen beitrug. Die alten
Trecentofresken wirkten Uber funkelnden Reliquiarien und satten Brokaten
ungemein vornehm; die Palastkapelle barg im Halbdunkel die elektrisch
beleuchteten Goldschiitze. Dauernd wird die Mostra dem Stadtpalast
zugute kommen. Der Saal mit Simone Martinis Maesta ist der Advokatur
fiir immer entzogen worden; auch sonst haben manche Stuben ein frisches
Kleid bekommen. In der herrlichen Loggia des zweiten Stocks, die
nach Siidwesten schaut, war Quercias Fonte gaya im Original wieder
zusammengcsetzt und ihre verstiimmelten verwaschenen Gebilde wirkten
noch immer unendlich grofi. Querela war aufierdem im Gips fast voll-
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Ausstellungen. 4 y I
standig vertreten;. die Details des Bologneser Portals waren gut im ein-
zelnen zu studieren. Die alten Lupae aus dem Trecento, die jahrhunderte-
lang an der Palastfassade nach dem Campo zu gestanden hatten, waren
herabgenommen und fauchten den Eintretenden an. Die breiten Treppen
und die hohen Raume wirkten in dem lebendigen Ausstellungsgetriebe
ungemein. Selten hat eine Stadt ein solches Ausstellungslokal anzu-
bieten gehabt.
Die oben angefuhrten Zahlen der Bestande wirken auf den ersten Blick
sehr stattlich; wie bescheiden nehmen sich neben diesen 2718 Nummern
die der englischen diesjahrigen Ausstellung aus, die nur 70 Gemalde und
50 andere Objekte umfafite. Dennoch ist es mir zweifelhaft, welche
Ausstellung qualitativ hoher stand. In Siena vermifite man vor allem
die kluge Vorbereitung; es war niemand da, der den Besitz in weiterem
Sinne iibersah und vorgesorgt hatte. Als Corrado Ricci in letzter Stunde
berufen wurde, war es schon zu spat. tJbrigens ist auch Ricci, der
grofie Verdienste um die Mostra hat, nicht Spezialist auf diesem Gebiet,
wie seine Monographic liber die Ausstellung (Bergamo, 1904) deutlich
verrat. Das Ausland hat nur ganz ausnahmsweise (Benoit u. Chalandon-
Paris) beigesteuert; Berlin, namentlich die Sammlung Kaufmann, hatte
wichtiges gehabt, ebenso Wien und Chantilly, in Pariser Privatbesitz
(Dreyfus, Le Roy) war auch noch vieles. Viel peinlicher aber wirkte
das Ausbleiben so mancher entlegener Tafeln und Skulpturen des tos-
kanischen Berglandes, auf die man sicher gerechnet hatte. Man hatte
diese grofien Altare des Trecento und Quattrocento auf der Mostra um so
notiger gehabt, als diese Jahrhunderte hier recht schwach vertreten waren.
Um nur zwei klaflfende Lticken zu nennen: Pietro Lorenzettis Hauptbild
von 1328 in S. Ansano in Dofana; Vecchiettas Assunta aus Pienza (beide
Meister waren sehr schlecht vertreten). Die Tafeln der Uffizien und
Florentiner Akademie konnten doch wohl heriibergeliehen werden, zumal
da Ambrogio Lorenzetti sonst nur durch die — Fresken wirkte. Sein Bild
der Beschneidung in der Florentiner Akademie ist ebenso wie die Geburt
Mariae von Pietro (in der sieneser Domopera) unendlich oft nachgebildet
worden. Es ware Pflicht gewesen, diese Archetypen auszustellen. Die
Auswahl der Bilder aus den sieneser Kirchen war zum Teil gedankenlos
vorgenommen. Warum fehlte das Bild des S. Agostino novello aus
S. Agostino, iiber das man sich nicht einigen kann, weil es zu hoch
hangt, wahrend die »Strage« Matteo di Giovannis, die stets sehr gut
sichtbar war, aus derselben Kirche heriibergebracht war, freilich ohne sie
mit dem wertvolleren Exemplar in den Servi zu konfrontieren? Ebenso
hatte man von plastischen Stiicken gegriffen, was man bekommen konnte,
nicht was am wichtigsten war. Da sprechen ja nun freilich Transport-
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472 Ausstellungen.
gefahren mit. So mag es erklarlich sein, dafi der prachtige Taufer aus
S. Giovannino della StafFa von Cozzarelli und die zwar modern bemalte,
aber sehr bezeichnende Statue S. Lucias von demselben Meister aus
S. Lucia, die auch der Cicerone nicht erwahnt, nicht ausgestellt waren.
Weshalb aber fehlten die prachtigen Holzfiguren Martino di Bartolommeos
aus S. Gimignano? Weshalb alle Plastik aus Sa Fiora und Montepulciano?
Trecentoplastik war liberhaupt kaum ausgestellt.
Zu diesen Mangeln kamen noch zwei empflndlichere: die tech-
nischen Ausstellungsfragen waren in diesen glanzenden Salen sehr
nonchalant gelost und der Katalog wirkte einfach peinlich. »Non una
mostra, piii un bazaro«, sagten einsichtige Sienesen selber. Das Angebot
ist nicht gesichtet worden: und man kann sich denken, was heran-
gebracht wird, wenn jeder Sienese seine alten Schubfacher durchkramt
Die Unruhe der Vitrinen wurde verstarkt durch die ebenso schiefen
wie falschen Zettel; die einzige Angabe, die man brauchte, namlich die
Katalognummer, fehlte haufig. Der Ehrensaal des Oberstockes mit den
grofien Altartafeln war wohl die schmerzlichste Enttauschung. In diesem
Prunkraum hing auf den glanzenden Tapeten kein Bild, das Vergniigen
machte, sondern nur wohlbekannte Cinquecentisten, an denen man fruher,
wenn man sie in den Kirchen fand, schleunigst vorbeizueilen gewohnt
war. Und der Katalog? Dickleibig genug ist er; aber ungeniigend und
falsch auf jeder Seite! Er verschmaht es, Datierungen der Bilder an-
zugeben. Natiirlich fehlen auch die Lebensdaten der Kiinstler. Bei den
Plaketten die Nummern Moliniers anzugeben, wurde vermieden. Der
Drucker mufi stundenweise einen Hafi gegen die Zahl XIV und ihr
Jahrhundert gehabt haben; regelmafiig hat er XVI daraus gemacht
Agostino di Duccio wird ans Ende des XVI. Jahrhunderts geriickt;
ebenso Neroccio. Zusammengehorige Stiicke sind willkUrlich getrennt
aufgefiihrt. Von der bekannten Pieta-Gruppe Cozzarellis in der Osser-
vanza, tauchten die beiden dort fehlenden Eckfiguren des Johannes und
der Maddalena auf der Mostra auf; die Randspuren schlieflen jeden
Zweifel an der Zusammengehorigkeit aus. Der Katalog erwahnt nichts
davon; er gibt die eine Statue richtig Cozzarelli, die andere als »Neroccio,
fine del XVI sec.«! Man sehe sich Douglas' Londoner Katalog an, wie
ausgezeichnet da alle Beziehungen aufgecleckt sind. Er ist reichlich
ausfiihrlich; aber Douglas weifi eben, dafi man bei altsienesischer Kunst
werben mufi. Der sieneser Katalog ist wertlose Schreiberweisheit und ich
bedauere, dafi Ricci ihm das Vorwort gegeben hat; er durfte solche Stinden
nicht mit seinem Namen decken. Und eins durfte ihm bei aller fretta
nicht j>assieren: er durfte keine Fiilschungen aufnehmen. Das geflugelte
Wort: »Lorenzetti invenit, Ioni fecit« pafite auch hier wieder mehrfach.
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Ausstellungen. 473
Diese Ausstellungen an der Ausstellung sind nicht gemacht, urn zu
norgeln, wo wir zu danken haben, sondern im Hinblick auf kommendc
Veranstaltungen. Ftir derartige Unternehmungen braucht es prinzipiell
inindestens ein Jahr Vorbereitung und Manner, die eine Ubersicht iiber
den faktischen Bestand haben. 1st der richtige Generalissimus da, der
die kommunalen und vor allem kirchlichen Behorden auf seiner Seite
hat, so rnufi es gelingen, Einwandfreies und Vollstandiges zu schaffen.
Ich beginne mit der Plastik. Das Trecento setzte erst mit dein
Jahr 1370 ein; eine Verkundigungsgruppe aus Holz, von einem Maestro
Angelo ftir die arte der calzolai in Siena. Von diesen Holzstatuen war
eine ganze Gruppe vorhanden, die die Entwicklung bis zu Neroccio
deutlich machten. Die aus dem Santuccio stammende, leider frisch
vergoldete Gruppe, die bisher Neroccio gegeben wurde, diirfte doch
wohl Giovanni Turinos Werk sein; von Neroccio befindet sich eine
bisher unbeachtete Verkundigungsgruppe in den Regie scuole. Seine
reichsten Werke sind der S. Niccolo und die So Caterina aus den Regie
scuole und dem Haus der Caterina; in diesen beiden Figuren, denen
Florenz nichts gleichartiges an die Seite zu setzen hat, hat die sieneser
Holzplastik ihren Hohepunkt erreicht. Cozzarelli biegt dann in die
Terrakottaplastik um; man sah auf der Mostra seinen S. Vinzenzo Ferrer aus
S. Agostino und die erwahnten beiden Figuren von der pieta der Osservanza,
leider nicht die fruhen schonen Figuren aus So Spirito. Cozzarelli er-
scheint modern neben dem in der Empfindung und Behandlung kalli-
graphisch gebundenen Neroccio. Ubrigens wird Giacomo Cozzarelli vom
Katalog dauernd mit dem Maler Guidoccio Cozzarelli verwechselt. —
Jacopo della Quercia waren allzu viele Figuren zugeschrieben, die nur
seiner Richtung angehoren. Die bekannten flinf Statuen aus S. Martino,
die man nun endlich gut sehen konnte, weisen zwei Hande auf; die
Madonna ist die beste Figur und stammt vielleicht von jenem Giovanni
Francesco da Imola, der mit den Turini zusammen die Evangelistenreliefs
im sienser Dom gemacht hat. Vecchietta war leider nicht durch seine
beiden Holzstatuen aus Narni, sondern nur durch eine frischvergoldete
Holzfigur eines ungeschlachten Taufers aus. Folgiano vertreten; die Arbeit
ist von Donatellos Bronzefigur beeinfluflt und wollte scheinbar das Wilde
jenes Rufers im Streit noch Uberbieten. Lyrisch und naiv nahm sich da-
neben eine friihere Tauferfigur (um 1430) aus. Von dem Maler und Bild-
hauer Martino di Bartolommeo Bolgarini (4 Bilder in der sieneser Galerie
und Fresken im Pal. pubblico) sind die beiden entziickenden Verkiindigungs-
figuren aus dem Dom von S. Gimignano bekannt; die Mostra brachte
in VIIT 44 und 45 zwei kindlich muntere Verkundigungsfiguren aus
Chiusuri, die mir ebenfalls ein Werk Martinos scheinen. Am interessantesten
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474 Ausstellungen.
war in dieser Abteilung eine Holztafel mit flachem Relief aus Recanati
(VIII 46), die einen heiligen Bischof darstellte, zu dessen Fiifien vier
Monche knien. Bez.: 1395 Ludovicus de Senis me fecit .... - In
diesem Ludovico da Siena mochte man Quercias Lehrer vermuten;
wir wissen, dafl Quercia mit der Holzplastik begann. Die ganze Art der
Formenbehandlung und die Zeit passen trefflich zu Quercia. — Von
Quercia selbst waren aufier den Abglissen nach bekannten Werken drei
kleine calchi nach Reliefs im Pisaner Camposanto aufgehangt, die Ricci fur
Quercia in Anspruch nimmt. — Das Madonnenrelief des Conte Gamba
in Settimello war auch im Gips da. Es stammt zweifellos von dem-
selben Meister wie das aus dem Chiostro von San Francesco (ein zweites
Exemplar in der Via Rossi, ein drittes (modernes?) in Buonconvento).
Der Meister ist nicht Federighi, noch weniger aber der neuerdings vor-
geschlagene Cozzarelli. Vielleicht gehort er zu denen, welche Donatello
um 1457 in Siena nahe standen, als dieser die leider nicht gegossenen
Bronzetiiren fiir den Dom modellierte. — Das seit 20 Jahren in Berlin
befindliche Madonnenrelief (Nr. 154) war im Gips vorhanden und vom
Katalog nach Lecceto lokalisiert. Uber den Ktinstler bin ich jetzt
endlich zu einer festen Ansicht gekommen: es ist niemand anders als
Giovanni di Stefano, von dem bisher nur ftinf Werke bekannt waren : die
beiden Bronzeengel neben Vecchiettas Tabernakel im Dom, der S. Ansano
in der Taufkapelle, die Tabernakel in S. Domenico und am Pal. Bianchi.
Ich glaube ihm nicht nur das Berliner Relief, sondern auch die Ansano-
Reliefs am inneren Hauptportal des Doms und die Marmorbtiste der
hi. Caterina (Bes. Palmieri-Nuti) zuschreiben zu konnen, die auf der
Mostra den Namen Mino trug. Eine schwachere Replik dieser Biiste
findet sich im Louvre. Vielleicht stammt auch die grofle Marmormadonna
in Monteoliveto (1490) von seiner Hand. — Federighi war aufier durch die
bekannte Mosesfigur vom Ghetto-Brunnen mit einem ausgezeichnetem Stuck
vcrtreten: dem Bacco aus Pal. Elci, den Schmarsow in dieser Zeitschrift
friiher veroflentlicht hat. Leider fehlte die Tonstatue des S. Galgano
aus S. Cristoforo, die der Cicerone Federighi gibt; sie ist meines Erachtens
von Cozzarelli, ^benso wie der Terrakotta-Altar in der Cappella de' Diavoli,
der Francesco di Giorgio gegeben wird. Leider war von diesem be-
deutendsten und universalen Sienesen des Quattrocento nichts auf der
Mostra zu sehen, auch in der Gemaldeabteilung nicht, abgesehen von den
beiden kleinen Bernardinotafeln, die ja immer im Palazzo (Spinel losaal)
hangen. Das war eine Enttauschung. Vecchiettas Holzstatue aus dem
Louvre hatte wenigstens in Photographie ausgestellt sein mtissen; Bodes
Taufe hat sich hier wieder glanzend bestatigt Ich babe das Bedtirfnis,
an dieser Stelle darauf hinzuweisen, wieviel die Forschung auch auf
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Ausstellungen. 475
diesem Gebiete wieder Bode und dem Cicerone zu verdanken hat. Alle
Angaben weisen die richtige Linie, wenn man auch hier und da er
ganzen konnte. Man mufi dies den englischen Verdachtigungen gegen-
liber betonen, die sich Mrs. Perkins (Lucy Olcott) in ihrem Fuhrer ge-
leistet hat. — Ein dem Namen nach noch unbekannter Sienese, der in
Florenz (bei Mino) gelernt haben mufi, von welchem Madonnenreliefs im
Pal. Saracini, im Louvre (aus Pienza), in Pesaro, bei Bardini und bei
Schweitzer in Berlin sich befinden, ist der Alitor des kleinen Marmor-
reliefs II 240. Dieser Klinstler gehort in die Gruppe der Wandernden,
wie Agostino di Duccio, Francesco di Simone, die von Florenz aus
nach der Romagna oder westlich gezogen sind. Von dem Meister der
Marmormadonnen, der viel im Sienesischen gearbeitet hat und viel-
leicht mit Francesco di Simone identisch ist, war kein Relief zu
sehen. Dagegen war von Agostino di Duccio ein Alabasterrelief der
Faustina, ein Tondo, ausgestellt, das zu den Tondi im Bargello und
in Rimini ein Pendant bildet. Die Donatelloschule war noch in einem
Stucco vertreten, von dem auch Berlin ein Exemplar besitzt (zwei andere
in der Fontegiusta und in einer sienesischen Strafie neben dem Corso
Cavour). Von Urbano da Cortona war ein uberraschend gutes Relief:
S. Galgano, das Schwert in den Felsen stofiend, von Antonio Rossellino
ein Stucco der sog. russischen Madonna, von Bened. da Maiano ein
Stucktondo ausgestellt. Alle diese Namen fehlten im Katalog, abgesehen
von dem Agostinos. Die dem 15. Jahrhundert angehorenden Plaketten
— es war keine neue darunter — wurden ausnahmslos dem 16. gegeben.
Eine Holzfigur der Madonna auf der Mondsichel, die nach einem
spanischen oder italienischen Bild im Seicento gemacht sein mufi, wurde
ohne Zaudern Jacopo della Quercia zugeschrieben. Sie schien zum
Zweck der Ausstellung frisch angestrichen ; einfach schauderhaft. —
Marina glanzte durch Abwesenheit; ebenso Cieco di Gambacorti.
Wahrend die Grofiplastik des Trecento fehlte, war die Kleinkunst
der orefici dieser Zeit glanzend vertreten. Man sah die herrlichsten
Reliquiarien von Ugolino Vieri, Pietro di Lando, Viva di Lando, Gabriello
d' Antonio, Silber- und Bronzebiisten, von denen namentlich die fur das
Haupt der hi. Caterina von Siena (um 1390) bedeutend war; aus dem
15. Jahrhundert die Arbeiten Francesco d' Antonios, Goro di Neroccios etc.
In diesen Dingen wie in den Tiirklopfern, den Fahnenhaltern, den
Gittern, der Intarsia, den Mobeln hat Siena noch immer einen hervor-
ragenden Besitz, der jetzt zum Vorschein kam. Leider kann ich tiber
diese Abteilung nicht ausftihrlich berichten. Sehr enttauscht hat mich
die Maiolica; wer fruhe Stlicke sehen wollte, mufite in die Scala und
in den Pal. Saracini gehen. Der Fiirst Chigi, der Besitzer des letzt-
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476 Ausstellungen.
genannten Palastes, hatte leider nur seine feine kleine Sassettatafel her-
gegeben, sonst nichts. Namentlich vermiflte man seine vier kleinen, im
Dunkel hangenden Tafeln, die noch immer unter Duccios Namen gehen,
wiihrend sie von Giovanni di Paolo stammen. Auch das Botticelli ge-
nannte, Mainardi gehorende Frauenportrat, die Bilder von Neroccio und
die drei Marmormadonnen dieser Sammlung hatte man gem auf der
Mostra gesehen.
Die Bilder nahmen den ganzen Oberstock in Beschlag, abgesehen
von der Loggia. Sie umfaflten zeitlich den Ducento bis zum Cinque-
cento. Wirklich interessant war die Quattrocentoabteilung, die man
freilich auch stark hatte sieben sollen; und das Ausbleiben Vecchiettas
und Francesco di Giorgios war beklagenswert. Auch fehlte jedes Portriit;
London hatte drei (Salting, Mond und Agnew). Es fehlte fast alle Mytho-
logie, die seit Sodoma und Pacchia so oft gemalt wurde. Sano di Pietro
war wie immer allzu breit vertreten. Schon in der Pinacoteca halt man
es in den zwei Salen seiner Bilder kaum aus; nun kam hier noch ein
dritter dazu! Leider fehlten auch, wenn man von Stroganoflfs Bildern
absieht, alle Kabinettstticke. In tiberreicher Zahl waren dagegen ganzlich
iibermalte Madonnen jeder Zeit vorhanden.
Den Namen Duccios trugen sechs Madonnenbilder, von denen aber
nur das des Fiirsten Stroganoff (27, 37) ganz eigenhandig war. Die
anderen waren ohne Qualitaten, was ihren heutigen Zustand betrifft Von
Simone Martini hatte man den Altar aus Orvieto herangebracht, den jeder
Reisendc kennt; sehr schon und gut erhalten eine kleine Madonna beim
Fiirsten Stroganoff, das Vorbild flir Lippo Memmis viele kleinen Tafeln.
Die Verklindigung aus den Uffizien mit dem unbeschreiblichen Feuerglanz
des Engels stand wenigstens in der Wiederholung aus S. Pietro Ovile
da, die wohl von Andrea Vanni stammt. Der Katalog begnligte sich
mit dem nichtssagenden Titel Maniera di Simone Martini und gab das
Original nicht an. Die ursprtinglich zu diesem Bild gehorenden Fltigel
waren einer Madonna Pietro Lorenzettis aus derselben Kirche attachiert
(23, 12) und hier Vecchietta zugeschrieben. Meines Erachtens stammen
sie von Matteo di Giovanni, ebenso wie die Aufsatze auf der Annunzia-
zione. Alles dies war vom Katalog nicht erwahnt; es war eine arger-
liche, mit viel Zeitverlust verbundene Mlihe, diesen ursprtinglichen Sach-
verhalt wieder zu eruieren. Schade, dafl der neue Simone Martini der
romischen Corsiniana noch nicht ausgestellt werden konnte.
Die beiden Bruder Lorenzetti mufiten sich in der Ausstellung arg
an die Wand driicken lassen. Nichts war aufier den Fresken vorhanden,
was ihre Kraft verraten hatte. Von Ambrogio zwei ganzlich iibermalte
Madonnen: von Pietro die koloristisch sehr anziehende aus dem Besitz
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Ausstellungen. 477
Charles Loesers, die aber auch sehr gelitten hat, unci eine ihm nahestehende,
leidenschaftlich wirkende Madonna (28, 1 1). Aufierdem als bestes die
schon erwahnte Tafel aus S. Pietro Ovile. Seine Madonna aus S. Ansano
in Dofana von 1328 und das Bild der Uffizien von 1341, vor allem aber
der Altar der Sieneser Domopora hatten hier zusammen sein miissen.
Von Ambrogio sind klirzlich sehr interessante Fresken in San Galgano
aufgcdeckt worden ; das Hauptstiick scheint das Urbild all jener vielver-
breiteten Bilder zu sein, auf denen vor dem Thron der von Heiligen
umstandenen Madonna die Stammmutter Eva reuig im Gras lagert Solche
Bilder finden sich in Altenburg, Parma, bei Schniitgen-Koln, in Bonn
(Universitatssammlung). Die nur vom weiflen giirtellosen Henid bekleidete,
hingegossene Gestalt dieser Eva erinnert lebhaft an die Pax Ambrogios in
dem politischen Fresko. — Die vatikanische Sammlung, deren Bestande in
den Vitrinen so schlecht sichtbar sind, scheint die Beschickung der Mostra
prinzipiell versagt zu haben, sonst hatte man hier Ambr. Lorenzettis feine
Predella (C, 6 — 13) erwarten diirfen. Von Pietro hatte man noch un-
endliches beibringen konnen, wenn das Ausland (Altenburg, Berlin, Miinster,
Budapest) angegangen worden ware. — Von Giacomo die Mino Pelliciaio
war eine bez. Madonna von 1342 ausgestellt. — Ein ganz neues Relief
bckam der bisher ungeniigend gewiirdigte Bartolo die Maestro Fredi, den
Jacobsen mit Recht fur den Lehrer Sassettas halt; aber nicht nur Sassetta
und durch ihn Vecchietta, auch Taddeo di Bartolo, Andrea die Bartolo,
Domenico di Bartolo verdanken ihm ihre Kunst und wohl auch Barna,
der in der Mostra ganzlich ausfiel. In diesem Bartolo, dessen Lehrer wir
nicht kennen, meldet sich der erste Realismus der Sieneser Schule, der
freilich mit der Preisgabe von Ambrogio Lorenzettis feinem Kolorit cr-
kauft ist. Der Ktinstler scheint mir um so wichtiger ftir die Kunst-
geschichte, als in seinem Gefolge auch der Meister des Trionfo della
morte in Pisa, (Giovanni da Napoli?), zu suchen ist; Supinos alte Hypo-
these, die er jetzt in der »Arte pisana« wiederholt hat, dafi Jacopo Traini
der Maler sei, hat allseitige Ablehnung gefunden. — Von Andrea di
Bartolo gibt es meines Wissens nur zwei Bilder: eins in S. Caterina in
Pisa und eine grofie Assunta bei Mr. Yerkes-New York. Taddeo di
Bartolo hatte ausfuhrlicher vertreten sein konnen, namentlich durch die
Bilder aus Perugia. Sehr schon die bez. Tafel des Taufers 27, 35.
Die Meister des Quattrocento waren bis auf Vecchietta und Fran-
cesco di Giorgio gut vertreten; alien voran naturlich der frischeste Liebling
der Berensonianer, Sassetta. Von ihm war die grofie nascita aus Asciano
die Predella aus Pal. Saracini, und zwei der Franziscustafeln von dem
grofien Altar in Borgo San Sepolcro (bei Mr. Chalandon-Paris) ausge-
stellt. In der Tat hat hier Douglas cinen vcrgessenen hervorragenden
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478 Ausstellungen.
Mann wieder zu Ehren gebracht. Die Meister Martino di Bartolomineo
(s. Plastik), Giovanni di Paolo (sehr gut vertreten), Paolo di Giovanni,
Giovanni da Siena, Benvenuto di Giovanni, Girolamo di Benvenuto, Sano
di Pietro iibergehe ich, urn Uber Neroccio, Matteo di Giovanni und Guido
Cozzarelli noch einiges hinzuftigen. Von diesen ist der letztgenannte
durch die Ausstellung gesunken; er hat sich als ein skrupelloser Nach-
ahmer Matteo di Giovannis entpuppt, der aber die malerischen Feinheiten
des Meisters nicht nachzubilden wuflte. Seine Bilder haben alle einen
kalkig hellen, stumpfen Ton, was auf einen Einflufi Francesco di Giorgios
weist. Eine schone Anbetung der Konige von seiner Hand findet sich
in Stockholm; sie ist dem Liinettenbild uber Matteos Sa Barnaba in
S. Domenico nachgebildet. Cozzarelli und nicht Matteo gehort auch das
Madonnenbild im Saal der Fresken Spinello Antinos. — Matteos Bilder
waren der Glanzpunkt der Mostra. Namentlich seine Vielseitigkeit iiber-
raschte. Neben den bekannten Madonnen, die den Hohepunkt des
Sieneser Hausbildes darstellten, sah man ein Bild der »Strage« (S.
Agostino, er hat das Thema ftinfmal behandelt) und vor allem eine 1492
datierte Tafel, also ein ganz spates Werk, mit dem hi. Hieronymus
im Gehaus, ein Bild, das ohne weiteres an Botticeilis und Ghirlandaios
Fresken in den Ognissanti in Florenz, dartiber heraus aber an vlamische
Vorbilder (H. v. d. Goes?) erinnerte. Das Besondere dieses Bildes ist
nicht die Darstellung des Studio mit all seinen Utensilien (das gab
man in Padua schon um 1380!), sondern die malerische Einheit der
Tafel und das schone Leuchten der dunklen Tone. Leider hat der
alternde Meister in diesem Bemiihen keine Nachfolge gefunden. Sehr
crwiinscht ware die Ausstellung des Jugendwerkes Matteos, des Altars
in Borgo San Sepolcro, gewesen. — Der feine, liebliche, in Farbe und
Beleuchtung so zart gestimmte Neroccio war gut vertreten; ihm und
nicht Francesco di Giorgio gehorte auch die Madonna 35, 16 im
schonen alten Tabernakelrahmen. Ob auch der Cassone mit Davids
Triumph ihm zugeschrieben werden darf? Leider fehlten sehr wichtige
Stiicke: die Predella der Uffizien, die Claudia bei Dreyfus, der Tobias
bei M. Le Roy-Paris und die Mtinchener Predella, die wohl auch Ner-
roccio und nicht Francesco di Giorgio gehort. Neroccio mufi in hohem
Alter noch den Einflufi Signorellis erfahren haben; das beweist das Bild
der Sieneser Akademie VI. 8. von 1492. Er gehorte wie Vecchietta und
Martino di Bartolommeo zu den Malerplastikern Sienas. Ursprtinglich
haben diese Maler nur die Holzstatuen bemalt, die andere schnitzten.
Dann aber bildeten sie die doppelte Kunst aus, aus der Vecchietta sich
dann zu Sienas technisch erstem Giefier entwickelte. Uberragt wrerden
Vechietta und Neroccio von Francesco di Giorgio, der, in erster Linie
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Ausstellungen. 479
Architekt und Ingenieur, auch als Maler und Bronzegiefler hervorragendes
geleistet hat. Die Zuschreibung der Louvrepredella mit dem Raub der
Europa an Francesco, die Berenson vorschlagt, halte ich nicht fiir richtig.
Ein interessanter »Ritter Georg« war aus S. Cristoforo geliehen
worden. Das Bild tragt nicht sienesische Ztige, sondern eher oberita-
lienische, und der Meister scheint mir identisch mit dem, welcher das
bekannte Mobel in den Uffizien (jetzt hinter dem Castagnosaal aufgestellt)
bemalt hat. Keinesfalls heifit er Matteo de Pasti; aber auch er gehort
der Schule Pisanellos an.
Wenn ich es vorhin beklagte, dafi die Mostra kein Portrat enthielt,
so kann ich eine Ausnahme machen, auf die mich Jacobsen freundlich
aufmerksam machte. Auf dem Bild der Strage aus S. Agostino erscheint
das Selbstportrat des Ktinstlers, mit dem roten Barett. Sonst haben die
Sienesen des Quattrocento sich und andere selten konterfeit — es war
ein Thema, das ihrem lyrisch-poetischen Sinn und kalligraphischen Emp-
finden nicht lag. Wir haben uns leider gewohnt, Siena immer an
Florenz zu messen und den dabei sich ergebenden Ausfall in Sienas
Schuldbuch zu schreiben. Aber wer die Kunst dieser Bergstadt unbe-
fangen ohne Vergleiche studiert, wird zu viel positiveren Resultaten
kommen. In den Bildungen der Kunst wird hier nicht eine Bestatigung
und scharfere Pragung der Wirklichkeit gesucht, sondern die Gewahr
eines zarteren Kosmos, den man in den religiosen Geheimnissen, in der
Huldigung an Frauenschonheit, in dem Kultus einer hochst distinguierten
Palette sucht. Je verhaltener und geschlossener die Bildungen dieser
Schule aufierlich erscheinen, um so heifier und erregter rollt das Blut in
den Gestalten. Giovanni di Paolos Figuren gliihen bis in die Finger-
spitzen; und in Francesco di Giorgios Bildern rauscht schon der leonardeske
Sturm — sein Bild der nascita in S. Domenico erscheint auf den ersten
Blick wie ein spater Filippino. Aber das Thema des Portrats bleibt
lange aus, auch in der Plastik. Die Kopfe der Grabstatuen jener Zeit
sind reichlich konventionell. Auch die Medaille meldet sich erst spat.
Zu den beiden in Berlin Federighi zugeschriebenen Stlicken, der Frauen-
buste und dem Relief des schielenden Mannes, fand sich auf der Mostra
kein Gegenstiick und man wird die Debatte dariiber wieder aufnehmen
miissen.
Uber die spateren Sienesen (Pacchia, Pacchiarotto, Fungai, Matteo
Balducci, Pietro di Domenico, Andrea di Niccold, Sodoma, Beccafumi,
Peruzzi, Riccio usw.) geniigt die Mitteilung, dafi sie alle ausftihrlich ver-
treten waren, allerdings die meisten, wie auch Sodoma, mehr breit als
gut. Das Madonnenbild Peruzzis aus S. Ansano in Dofano wurde viel-
fach angezweifelt. Das Verdikt, das neuerdings Uber Sodoma verhangt
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a So Ausstellungen.
ist, schien wenig gerechtfertigt. Leider war seine »Eva« nur in Photo-
graphic ausgestellt unci ich konnte nicht erfahren, wo sich das Original
befindet, wie uherhaupt die photographischen Vitrinen ziemlich wertlos
waren wegen Unvollstandigkeit und mangelnder Unterschriften. In London
lagen drei dicke Albums mit Sieneser Photos aus, die bei jedem Zweifel
nachgeschlagen werden konnten. — Bei den Cinquecentisten war der
Eklektizismus, der jede Schule ausbeutete, sehr fiihlbar. Roiner, Floren-
tincr und Umbrer haben hier Pate gestanden. Beccafumi erschien der
Begabteste in dieser Gruppe.
Als Ganzes genoinmen hat die Mostra das Verdienst, Eigenart,
Breite, Kraft und Grenze der sienesischen Kunst weiteren Kreisen ver-
deutlicht zu haben. Es war eine populare Ausstcllung. Die Besucher
waren freilich meist recht hiilflos. In den Tagen der Erofifnung soil der
Besuch stark gewesen sein; als ich Anfang August einmal die Besucher
zahlte, waren wir vier. Die Hauptschuld an der Ratlosigkeit trug der
Katalog — dessen Abbildungen auch ungewohnlich toricht ausgewahlt
waren — und die Etikettierung. Wer sich in das Ganze hineingefunden
hatte, der kehrte immer wieder mit Freude in die herrlichen Sale zuriick
und genofi von der grofien Loggia aus den weiten Blick ins toskanische
Land, dessen Gluten alles in heifiem Lichte leuchten lieflen. Diese Loggia
und die in ihr aufgestellte Fonte gaya wird unvcrgefilich bleiben; hier
liegt auch das Hauptverdienst Corrado Riccis, der fiir viele Verfehlungen
nicht verantwortlich gcmacht werden kann. Quercias Name klang mit
brausendem Klang iiber all das feine Gefliister der anderen. Welche
Blutc ware der Sieneser Plastik beschieden gewesen, wenn dieser Genius
Nachfolger gefunden hatte! Aber er ist nicht wie Donatello der starkc
Anfang einer neuen Zcit, sondern der letzte groflte Kunstler der Hiitte,
welche die Domfassade gearbeitet hat. Paul Schiibring.
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t"M
Bei der Redaktion eingegangene Werke.
Bergner, Heinrich. Kirchliche Kunstalterttimer in Deutschland.
Mit zirka 8 Tafeln und Uber 500 Abb. im Text. Lieferung 3 — 4
(vollst in zirka 5 Lieferungen zu 5 M.). Leipzig. Chr. H. Tauchnitz.
Bryans Dictionary of Painters and Engravers. New Edition revised
and enlarged under the supervision of George C. Williamson.
Litt-D. With numerous illustrations. Vol. IV. N-R. London.
George Bell and Sons. 21/.
Burckhardt, Jakob. Gesch. der Renaissance in Italien. Vierte Aufl.
bearbeitet von Dr. H. Holtzinger. Mit 310 Illustrationen. Stuttgart.
P. Nefl.
Cohen, Walter. Studien zu Quinten Metsys. Ein Beitrag zur Gesch.
der Malerei in den Niederlanden. Bonn. Friedrich Cohen. M. 3.
Garelle, Emile. Le Maitre de Fle'inalle et quatre portraits
lillois. Lille. Imprimerie Lefebure-Ducrocq.
Hartwig, Paul. Anselm Feuerbachs Medea Lucia Brunacci. Leipzig.
S. Hirzel. M. 3.
Haupt, Albrecht. Peter Flettner, der erste Meister des Otto
Heinrichsbaus zu Heidelberg. Leipzig. Karl W. Hiersemann.
M. 8.
Hirth, Herbert. Studien und Kritiken. Gesammelt und mit einer
Lebensbeschreibung versehen von Dr. E. Bassermann-Jordan. Mtin-
chen. J. Werner.
Kind und Kunst. Monatsschrift fur die Pflege der Kunst im
Leben des Kindes. 1. Jahrg. 1. Heft (Oktober 1904). Darm-
stadt. Alex. Koch. Jahrlich 12 Hefte M. 12.
Klassiker der Kunst. HI. Tizian. Des Meisters Gemalde in 230 Abb.
Mit einer biogr. Einleitung von Dr. Oskar Fischel. Geb. M. 6.
IV. DUrer. Des Meisters Gemalde, Kupferstiche und Holzschnitte
in 447 Abb. Mit einer biogr. Einleitung von Dr. Valentin
Scherer. Geb. M. 10. Stuttgart und Leipzig. DeutscheVerlagsanstalt.
Sauerlandt, Max. Die Bildwerke des Giovanni Pisano. Mit 30
Abb. in Autotypie. Dtisseldorf u. Leipzig. K. R. Langewiesche.
Repertorium fUr Kunstwissenschaft, XXVII. 32
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n
Sauermann, Ernst. Die mittelalterlichen Taufsteine der Provinz
Schleswig-Holstein. Mit52Abb. Ltibeck. Bernh. Nohring. M. 10.
Schmidt, Robert. Schlofl Gottorp, ein nordischer Fiirstensitz.
Ein Beitrag zur Kunstgeschichte Schleswig-Holsteins. 2., durch Zu-
satze vermehrte Auflage. Mit vielen Lithogr. und Lichtdr. Heidel-
berg. J. H. Eckardt.
Sch5nbrunner, Jos., und Jos. Meder. Handzeichnungen alter Meister
aus der Albertina und andern Sammlungen. Band IX. Lie-
ferung 8, 9. Wien. Ferd. Schenk.
Schottmiiller, Frida. Donatello, Ein Beitrag zum Verstandnis
seiner kiinstlerischen Art. Mit 62 Abb. Munchen. P. Bruck-
mann. A.-G. M. 7.50.
Stengel, W. Formalikonographie (Detail aufnahmen) der Gefafle
auf den Bildern der Anbetung der Konige. 1. Heft. 19 Abb.
Strafiburg. J. H. Ed. Heitz.
Vasari, Giorgio. Dje Lebensbeschreibungen der beruhmtesten
Architekten, Bildhauer und Maler. Deutsch herausgeg. von
E. Jaeschke. II. Band. Die Florentiner Maler des 13. Jahr-
hunderts. Strafiburg. J. H. Ed. Heitz.
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Studien zur Trecentomalerei.
Von Wilhelm Suida.
II.
Maso und Giotto di maestro Stefano.
Unter alien schwierigen Fragen, welche die Chronologie der Werke
und die Kiinstlerindividualitaten des Trecento betreffen und deren Losung
erst allmahlich versucht werden kann, ist seit Vasaris Tagen eine der
verworrensten die, welche tiber Leben und Arbeiten des sogenannten
»Giottino« schwebt. Es ist bekannt, dafi Vasaris Gestalt ein Konglomerat
von drei Klinstlern ist, dem Maso (di Banco?), dem Giotto di maestro
Stefano und dem Bildhauer Tomaso di Stefano. Die sicheren Notizen
liber diese Personlichkeiten hat C. Frey zusammengestellt.1) Trotzdem
operiert aber die Geschichte der Trecentomalerei noch immer mit dem
im wesentlichen unveranderten Vasarischen »Giottino«.2) Es erscheint daher
nicht iiberfliissig, die Frage hier aufs neue zu behandeln, um durch
Dokumente und stilkritische Sichtung der Werke womoglich festen Boden
zu gewinnen.
Der Name eines Maso di Banco kommt in den Matrikeln der
Arte de' Medici und Speziali zwischen 1320 und 1352 doppelt vor, ein-
mal zwischen Januar und April 1346. Im Membro de' Pittori finden
sich drei Personen des Namens, ein Masus Michelozzi, Masus Banchi
und Masus Ciacchi (mehrfach genannt). In der Lukasgilde erscheinen
Maso di Ciaccho, Maso di Bertino Trombadore 1350, und Maso Banchi
dipintore. Welcher der spater heriihmte Maso war, wissen wir nicht mit
Sicherheit anzugeben. Einer aber hat sich vor den anderen ausgezeichet,
») II codice Magliabecchiano XVII. 17.
a) Crowe and Cavalcaselle, A history of painting in Italy, ed. by Langton Douglas
and S. Arthur Strong, London 1903.
Schubring (Giottino, Jahrbuch der kgl. preufl. Kunstsammlungcn 1900) tibertragt
einfach das ganze Oeuvre an Giotto di maestro Stefano, schreibt diesem sogar die
seelischen und persftnlichen Eigenschaften von Vasaris erdichtetem »Giottino« zu und laflt
Maso, der viel starkere Rechtstitel fttr sich hat, in Nichts versehweben.
Repertorium fiir Kunstwisscnschaft, XXVII. 33
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484 Wilhelm Suida:
Milanesi3) teilt ein Dokument mit, wonach im Jahre 1392 Benedetto di
Banco Albizzi von Niccolo di Piero Gerini ein Fresko der Beweinung
Christi im Cimitero bei S. Pier Maggiore, das »Maso dipintore, gran maestro «
fiir Drea di Albizzo del Rico gemalt hatte, vollenden und restaurieren
liefi. Ghiberti nennt Maso nach Stefano und Taddeo Gaddi als dis-
cepolo di Giotto und gibt einige seiner Werke in Florenz an, von denen die
Kapelle mit den Geschichten des hi. Silvester und des Kaisers Konstantin
in S. Croce erhalten ist. Billi kennt von »Maso Fiorentino« nur einen
»Duca d'Atene ed i suoi seguaci* an der Fassade des torre del Podesta
in Florenz, ein Fresko, das nicht identisch ist mit dem in der Academia
Filarmonica (via Ghibellina) erhaltenen. Der codice Magliabecchiano
XVII. 17 wiederholt die Angaben Ghibertis und Billis.
Giotto di maestro Stefano erscheint im Jahre 1368 in der Gilde
in Florenz, 1369 ist er in Rom beschaftigt mit Arbeiten im Vatikan und
in S. Giovanni in Laterano, 1369 werden auch vom Domkapitel in Pisa
70 Gulden einem Giotto pittore fiir zwei scrinei (Kasten) bezahlt, die als
Geschenke an die Dogaressa Margherita d'Agnello kamen. Im Codice
Petrei und Magliabecchiano XVII. 17 finden sich Werke eines »Giottino
pittore di Stefano, discepolo di Giotto « angegeben (unter ihnen auch die
verlorenen romischen Arbeiten), von denen sich nur ein Fresko der Ver-
kiindigung in stark iibermaltem Zustande in Ognissanti in Florenz er-
halten hat.
Was Vasari bewog, Namen, Personlichkeit und Werke dieser beiden
Maler in eines zu verschmelzen, wissen wir nicht Wir miissen aber,
um sicheren Grund zu gewinnen, fiir Maso von der Kapelle Bardi in
S. Croce, fiir Giotto di maestro Stefano von der Verkiindigung in
Ognissanti den Ausgang nehmen, wobei wir immerhin nicht vergessen
diirfen, dafi wir eine dokumentarische Bestatigung auch fiir diese Werke
nicht haben.
Dem Meister der Kapelle Bardi wurden von den meistens hierin
iibereinstimmenden Forschern folgende Werke zugeschrieben :
Florenz: S. Maria Novella, Grabkapelle der Strozzi: Geburt Christi und
Kreuzigung (Crowe und Cavalcaselle, von Schubring nicht erwahnt).
Uffizien (ehemals S. Romeo): Beweinung Christi (Vasari).
Assisi: S. Francesco, Unterkirche : Kronung Mariae und zwei Szenen der
Stanislauslegende liber der Kanzel (Vasari, danach Thode und
Schubring).
Assisi: Compagnia di S. Rufino, Christus am Kreuz, Fresko (Thode, von
Cr. und Cav. und Schubring nicht erwahnt).
3) S. Vasari Sansoni I, 628.
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Studien zur Trecentomalerci. 485
Bevor man weitere Zuschreibungen vornimmt, mufi das zeitliche
Verhaltnis dieser Werke bestimmt werden.
Die Cappella Bardi in S. Croce, deren genaue Beschreibung bei
Crowe und Cavalcaselle zu nnden ist, ist wahrscheinlich datierbar. In
dem Fresko des Jtingsten Tages4) sieht man unten den Stifter, nach Vasaris
Angabe, die in diesem Falle richtig sein kann, Bettino de' Bardi, der
1343 starb.5) Nach diesem Jahre also diirften die Fresken entstanden
sein. Von Maso sind hier die ganze Silvesterlegende und der Jiingste
Tag gemalt, sowie die Entwiirfe zu den Glasfenstern gegeben worden,
von einem ganz anderen Kiinstler aber, einem Gehilfen des Taddeo Gaddi,
ist die Grablegung6) hinzugefugt.
Stilistische Momente stlitzen durchaus die von Crowe und Caval-
caselle vorgenommene Zuschreibung der Malereien in der Kapelle des
fcleinen Klosterhofes von S. Maria Novella an Maso. Diese, dem
hi. Antonius geweiht, ist 1337 vom Bischof Fuligno Carboni erbaut worden,
1349 wurde der Bischof daselbst bestattet. Da der Stil der Geburt
Christi und der Kreuzigung noch ausgesprochen primitiver als derjenige
der Silvesterlegende ist, mochten wir die Entstehung der Fresken mbg-
lichst nahe an das Jahr 1337 heranriicken.
Fiir die Geburt Christi 7) halt sich Maso im wesentlichen an das
Vorbild Giottos in der Unterkirche von Assisi. Neu scheint einmal der
Akt des Anbetens Marias, neu ist auch die raumliche Anordnung, indem
die Krippenszene den Vordergrund erfullt, sodann eine Felswand die Ver-
kiindigung an die Hirten in den Hintergrund schiebt. Etwas grofier
gebildete Engel, die tiber die Felsen vorschauen nach dem Kinde, verwischen
allerdings die raumliche Gliederung. In der zweiten Liinette ist die Kreuzi-
gung8) mehr als grofie Reprasentationsdarstellung, denn als seelisch er-
schiitternde dramatische Szene gegeben. Longinus, der Krieger mit dem Essig-
schwamm und sogar Magdalena blicken auf den Beschauer, ihn zur Teil-
nahme gleichsam auffordernd. In der Gruppe der Frauen ist wenig natlirliche
Bewegung. Dagegen macht sich in beiden Ltinetten eine grofie Mannig-
faltigkeit der Typenbildung bemerkbar. Breitgebaute, gedrungene Kopfe
mit grofien und sehr verschiedenartig gebildeten Nasen sind charakteristisch.
Diese Nasen sind bisweilen breit, mit herabgezogenen Kuppen; bisweilen
schmal und tiberaus schon und vornehm gestaltet. Die Gesichter sind
auch in feinem grauen Tone modelliert mit zarten Ubergangen. Eine
4) Phot. Brogi 6981.
5) Ich sehe keinen Grund, waruni statt Bettino ein Andrea de' Bardi hier dar-
gestellt sein sollte (t 1367), wie Milanesi annimmt. Schubring auflert sich liber eine
Datierung nicht.
6) Phot. Alinari 3918. — 7) Phot. Alinari 4030. — 8) Phot. Alinari 4031.
33*
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486 Wilhelm Suida:
grofie Sensitivitat spricht sich in allem aus. Auch die Hande sind sorg-
faltig gezeichnet. Aufier Giottos Spatwerken klingen noch die Bernardo
Daddis in Masos Typen vernehmlich nach, das Sfumato aber mufi
man auf den Eindruck sienesischer Werke, vornehmlich des Simone
Martini zuriickfuhren. In der Korperbildung herrscht eine gewisse Plump-
heit vor, hohe Schultern, ein allzudicker, wenig detaillierter Rumpf,
verhaltnismafiig schwache Extremitaten. In der die Rundung des Korpers
betonenden Gewandung fehlen grofie bedeutende Motive. Uberraschend
vorziiglich sind die Tiere, Schafe, Widder und Hunde, Ochs und Esel
gebildet; ja Maso steht hierin hinter Giotto nicht zuriick. Ztige frischer
Naturbeobachtung, wie der den Engel anbellende Hund, der gespannt
aufhorchende Widder, die gemlitlich lagernden Tiere an der Krippe und
anderseits die zwar von sienesischen Mustern ausgehende, aber doch
ganz eigenartige Bildung schoner, jugendlich vornehmer Typen (z. B. der
Krieger in Pronl auf der Kreuzigung) begriinden den Reiz dieser
friihesten Arbeiten Masos. Ghibertis Angabe des direkten Schtilerver-
haltnisses zu Giotto wird durch die Stilkritik gestiitzt; jedoch ist Maso
einer der spatesten und jiingsten Schtiler. In den Halbfiguren von
Heiligen in den Deckenmedaillons (vier Propheten) und in der Leibung
des Eingangsbogens (vier Evangelisten, Laurenzius und Antonius Abbas)
konnte man auch Anklange an Taddeo Gaddi sehen (in den nach unten
zu breiter werdenden Kopfen).
Die Silvesterkapelle bedeutet in mannigfacher Beziehung einen
Fortschritt. Zunachst sind die Kompositionen ganz anders durchgebildet,
auch ist da, wo mehrere Szenen auf einem Felde vereinigt sind, wie in dem
besterhaltenen Bilde rechts unten, eine Einheit geschaffen. Fur die Bil-
dung des Raumes bleiben die Spatwerke Giottos im allgemeinen vor-
bildlich; deutliches Bestreben, die Tiefe zu charakterisieren, macht sich
jedoch in einer nahezu doktrinaren Weise in Ziigen geltend, wie der Auf-
stellung des geborstenen Bogens und der Saule im Vordergrunde vor den
Figuren in dem schon erwahnten Fresko.9) Zur Verdeutlichung des
Wunders der Auferweckung der beiden Monche greift Maso zu demselben
Mittel wie schon der Cecilienmeister (in dem Altar zu S. Miniato). Er
bringt die Figuren doppelt, liegend und aufgerichtet.' Korperverhaltnissc
und Gewandbehandlung weisen einen betrachtlichen Fortschritt gegeniiber
den Fresken in S. Maria Novella auf. Die Mannigfaltigkeit der Typen ist
einer ieineren Durchbildung weniger ausgewahlter gewichen. In jugend-
lichen Gestalten, wie dem Kaiser Konstantin, macht sich Masos Schon-
heitsgefuhl in bezaubernder Weise geltend. P'einer als fruher ist noch
9) Klass. Bilderschatz 763.
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Studien zur Trccentomalerci. «8y
das Sfumato geworden, in hellen, reichen, ungebrochenen Farben der Ge-
wander, Kobaltblau und kraftigem Rot, Lichtgelb, Grtin und dunklem
Karmin tritt ein starker, ausgebildeter Farbensinn zutage. Es kann keine
Frage sein, dafi Maso durch das Studium der Werke des grofien Ambrogio
Lorenzetti die entscheidende Fbrderung erfuhr, die ihn von den S. Maria
Novella-Fresken zur Silvesterkapelle fiihrte. Sein Sinn fur das Zarte fand
in der Wlirde und vollendeten Anmut Ambrogios sein Vorbild, sein
koloristischer Geschmack wurde durch die prachtige leuchtende Palette
des Sienesen gelautert; auch im Figurenstile und in Bewegungsmotiven
scheint mir eine nahe Beziehung vorhanden (vgl. den die Monche auf-
erweckenden Silvester mit clem ans Meeresufer schreitenden Nikolaus
auf der Predella aus S. Procolo in der Florentiner Akademie).
Krinnert die Lunette mit der Kronung Mariae iiber der Kanzel in
Assisi in manchen Ziigen noch an die friiheren Werke, so bezeichnen
die beiden Szenen der Stanislauslegende10) eine neue Phase in der Kunst
Masos. Die kiihn verkiirzte Ansicht eines mehrschiflfigen Kircheninnern,
die Ambrogio Lorenzetti zuerst auf der Predella der Akademie (Florenz)
versucht hatte, gibt Maso in dem Martyrium des Stanislaus, in dem er
auch durch die Vorbeugung und verkiirzte Ansicht riickwarts stehender
Gestalten Uber den Leichnam des Heiligen die Tiefe des Raumes zu
charakterisieren weifi. Erhohung der plastischen Wirkung durch kraftige
Schattengebung, die besonders bei den Kopfen auffallt, Vereinfachung
und Grofiziigigkeit der Gewandbehandlung leiten in diesen Fresken schon
zu dem spatesten und vollendetsten Werke Masos, der Beweinung Christi
aus S. Romeo in den Uffizien iiber. Diese ist zweifellos eine der stil-
vollendetsten Schopfungen des Trecento. Weit entfernt von dem er-
schiitternden Ausdnick verzweiflungsvollen Schmerzes, der Giottos Dar-
stellung in Padua erfiillt, ist doch auch Masos Pieta voll von tiefer
wahrer Empfindung. Die Trauer um Christus gleicht dem stillen ver-
haltenen Weinen der Kinder, die einen ersten grofien Verlust erfahren
und nun, unfahig ganz zu fassen, was geschehen, den unabanderlichen
Ernst erst ahnen; wogegen bei Giotto die ganze Kreatur aufschreiend
zusammenbricht. Komposition, Bildung der Gestalten und der Typen,
plastische Rundung der Kopfe und der frei und grofiartig gegebenen
Gewander, unschuldige Zartheit der Madchen und wiirdiger Ernst der
Greise waren in keinem friiheren Werke Masos zu gleicher Vollkommen-
heit gebracht worden. Dazu ist das Kolorit tief und leuchtend. Eine
Forderung in der Bildung des Nackten und der plastischen Modellierung
IO) Die Berichtigung von Vasaris Irrtum, der hicr von dor Nikolauslegende
spricht, ist von Crowe und Cavalcaselle und von Thode gegeben worden.
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488 Wilhclm Suida:
der Kopfe mag der altere Meister von Giovanni da Milano erfahren
haben, dessen im Jahre 1365 entstandener Cristo morto der floren-
tinischen Akademie alle Arbeiten der Zeitgenossen hierin weit uberragt.
Auch Masos Pieta darf gewifl bis in die sechziger Jahre hinaufgertickt werden.
Nachdem uns Entwicklung und annahernd auch Datierung der
Werke Masos klar geworden ist, suchen wir nach weiteren Arbeiten. Da
verdient an erster Stelle das bedeutungsvollste Fresko genannt zu werden
in der Compagnia di S. Rufino zu Assisi (oberhalb der Stadt) in dem
schon Thode11) die Hand des Uffizienineisters erkannte, das aber trotz-
dein von spateren Forschern ganzlich unbeachtet blieb. Dargestellt ist
Christus am Kreuz, zu dessen Ftiflen Magdalena und Franziskus knien,
with rend Maria und Johannes zu Seiten stehen. Maso hat sich genau
an Giottos Kreuzigung in der Unterkirche von S. Francesco gehalten.
Vier Engel erscheinen genau in gleichen Stellungen: das Fresko der
Compagnia ist geradezu Variante nach Giotto mit verminderter Figuren-
zahl. I'm so deutlicher tritt der Unterschied der Auffassung zutage. Alles
ist ruhiger, gedampfter geworden, alle Details der Modellierung sind mit
liebevollster Sorgfalt gegeben, tiefe leuchtende Farben, unter denen rot
und braunrot herrschen, lassen die schon emptmdungsvollen Gestalten
statuengleich hervortreten. Wir verlegen das Fresko in die Zeit der Be-
weinung aus S. Romeo, vielleicht ist es das spateste uns erhaltene Werk
Masos. Dieser mufl also zweimal in Assisi gewesen sein. Bei seinem
ersten Aufenthalte, vermutlich in den vierziger Jahren, mag er auch in der
Kirche S. Chiara12) in der Cappella di S. Giorgio ein Fresko an der
Altarwand gemalt haben: die Madonna auf gotischem Throne, ganz en
face mit dem auf ihrem Schofie aufrecht stehenden Kinde, das sich zu
einem nicht mehr erhaltenen knienden Stifter wendet. In besonderen
Nischen stehen zu seiten, in Beziehung mit der Mittelgruppe, der hi.
Michael mit der Wage und Johannes Baptista, aufien en face Franziskus
in der Haltung eines Predigenden und Klara.
Kin von Thode dem Oeuvre eingereihtes Predellenstiick bewahrt
das Museo Cristiano des Vatikan. Die Auferweckung eines Kindes durch
den hi. Dominikus wird in der uns bekannten Weise durch Neben-
einanderstellung des toten und des lebendigen veranschaulicht. Dieses
Bildchen gehort in die mittlere Zeit des Kunstlers. Damit schliefit die
Reihe der mir bisher bekannt gewordenen Arbeiten Masos.
Fassen wir unsere Resultate zusammen, so stellt sich Maso als ein
aus Giottos Atelier hervorgegangener von Taddeo Gaddi nicht ganz un-
") Franz von Assisi cf. pag. 554.
«) Vasari spricht von einer Tatigkeit seines »Giottino« in S. Chiara; da8 aber
dort die Deckenmalereien nicht von ihm sind, hat schon Thode (a. a. O.) ausgeftihrt.
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Studicn zur Trecentomalerei. 489
beeinfluflter Maler dar, der nach 1337 die Fresken der Antonskapelle bei
S. Maria Novella malt, durch Schulung an Giottos Spatwerken und denen
des Ambrogio Lorenzetti den seinem zartsensitiven Naturell entsprechen-
den hochst anziehenden Stil entwickelt, in Austausch mit Bernardo Daddi
und Orcagna lebt und endlich in seinen Spatwerken sich dem Giovanni da
Milano nahert Giovanni ist einer der groflten Maler die Florenz besafi,
die Durchdringung von Giottos plastischem Stile durch das malerische
Element ist sein Werk.
Von Giotto di maestro Stefano wissen wir aufler den oben
angefiihrten Dokumenten nichts. Ghiberti schweigt Uber ihn, und wenn
die von Billi dem »Giottino« zugeteilte Verktindigung an der Fassaden-
wand in Ognissanti sein Werk sein sollte, so ware dies Schweigen be-
greiflich.
Absicht der vorliegenden Zeilen aber ist es, durch Beziehung der
bisher »Giottino« genannten Arbeiten, auf den Ghibertischen Maso die
kunsthistorische Stellung des Malers par excellence im florentinischen
Trecento zu fixieren.
Von den neuerdings vorgenommenen Zuschreibungen an den
Meister der Silvesterkapelle habe ich folgende tiberpruft:
Aus dem Katalog der Sammlung Toscanelli (Florenz 1883) scheint
mir ein bestimmter Anhalt fur Maso nicht zu gewinnen, wohl aber diirften
sich in der Galerie Artaud de Montor (Peintres primitifs, Paris,
Challamel 1843) das Brustbild eines Propheten (pi. 17) und Halbfiguren
von Heiligen (pi. 32, hi. Gregor und hi. Agnes) mit Sicherheit ihm zu-
weisen lassen.
Berlin, Kgl. Galerie: Geburt Christi (Abbildung Jahrb. der Kgl.
preufl. Kunsts. 1900) hat gewifi mit dem Klinstler nichts zu tun.
Das Predellenbild ist gewifi spater, nicht vor 1380, gemalt, die Typen
haben keine Ahnlickeit mit denen Masos, die hochst mangelhafte Bildung
der Tiere schliefit den Gedanken an ihn aus.
Florenz, Academia filarmonica, via Ghibellina: Vertreibung des
Herzogs von Athen, Fresko; der schlechte Zustand desselben lafit eine
ganz sichere Beurteilung kaum zu, indes tritt die Verwandtschaft mit
anderen sehr bedeutenden, leider ebenso zerstorten Werken in dem kleinen
Klosterhof von S. Maria Novella doch noch deutlich zutage (Auferstehung
Christi, Verkiindigung des Engels an die hi. Anna und Spuren einer
Kreuzigung).
S. Spirito: Madonna und vier Heilige, Halbfiguren, scheint mir von
einem anderen, indes dem Maso verwandten Ktinstler herzuriihren.
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4<)o Wilhelm Suida: Studien zur Trcccntomalerei.
Sammlung des Herrn von Marcquard: Christus am Kreuz, ist nicht
von Maso, sowohl in der Formenbehandlung als koloristisch verschieden.
Das schone Bildchen schien mir Verwandtschaft mit Francesco da Vol-
terras Werken zu haben (vergl. die knieende Magdalena mit dem Stifter-
figtirchen auf des Francesco bezeichneter, aber nicht einmal von Crowe
und Cavalcaselle erwahnter Madonna in der Galerie von Modena).
Munch en, Kgl. altere Pinakothek: Abendmahl, nach meinem Dafur-
haltcn von Giotto selbst (ebenso Thode und Berenson). Kreuzigung ent-
schiedcn schwacher, allerdings auch arg ruiniert; iiberaus verwandt der
glcichen Darstellung von den Sakristeischriinken aus S. Croce in der
Florentiner Akademie. Ja gewifl reiferes Werk des gleichen Kiinstlers,
der von der Florentiner Folge noch die Auferstehung und Christi Kr-
scheinung vor den Fraucn ausfuhrte. Ferner gehort ihm eine Giotto zu-
geschriebene Darstellung des Christkindes im Tempel der Coll. H. Willet
in London und als Hauptwerk die Giirtelspende an den hi. Thomas in
der Sammlung der Collegiata zu Empoli, nach dem der >Meister der
Giirtelspende « vielleicht einstweilen benannt werden konnte. Kr scheint
Altersgenosse des Taddeo Gaddi, Ateliergenosse Giottos und alter als
Maso zu sein.
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\/
Die deutsche Passionsbiihne
und die deutsche Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts
in ihren Wechselbeziehungen.
Von K. Tscheuschner-Bern.
(Fortsetzung.)
Bei der Geifielung Christi lafit sich wiederum Punkt fiir
Punkt die weitgehendste Abhangigkeit zwischen geisdichem Schauspiel
und bildlicher Darstellung konstatieren. — In Dtirers Grofier Passion
sitzt einer der Schergen des Pilatus an der Erde, er stemmt seine Fiifle
gegen die Saule, urn so aus Leibeskraften das Seil, mit dem die Hande
Christi an den Saulenschaft gefesselt sind, noch fester zusammenzuziehen.
Das Donaueschinger Passionsspiel gibt diese Szene in gleicher Weise:
Nu nimpt Jesse die seil und bindet den Salvator und spricht:
(v. 2835) Ich wil im hie die hende binden,
das er sin sol vast wol entptinden.
Malchus bindet im die fufl und spricht:
Ich wil im inmassen binden die fiifl,
das er nit guten wirt dran grfifl. —
In den bildlichen Darstellungen sehen wir Jesus bald von vorn,
bald mit dem Rticken an die Saule gebunden. Audi hierflir ist das
Passionsspiel Vorbild. Im Heidelberger Spiel sagt einer der Knechte:
(v. 4753) Loyfl vnns jnn einn moll vmb wendenn,
Das wir jm rechtt dreffenn die lenndenn;
im Donaueschinger Spiel sagt Malchus:
(v. 2859) Vesse lofi im uff die seil,
so wird im am rucken ouch sin teil;
das Augsburger Spiel gibt sogar eine Geifielung von drei Seiten:
Der ander sch&rg Pylati:
(v. 1362) Schlagt in hinden, vorncn, neben,
das wir im seiner predigt geben. —
Durchgangig werden im Passionsspiel bei der Geifielungsszene
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492
K. Tscheuschner:
Ruten unci Geifieln verwendet. Im Donaueschinger und Augsburger
Passionsspiel schreibt Pilatus dies direkt vor. Im ersteren sagt er:
(v. 2809) mit rutten und geisslen schlahen in vast;
und im Augsburger Spiel:
(v. 1352) Nempt audi gavslen vnd gut rutten,
vnd macht im auch sein haut blutten!
In anderen Spiel en, wie etwa dem Frankfurter, ist das Verwenden
verschiedener Geifielungsinstrumente dem Belieben der Schergen iiber-
lassen; so heifit es beispielsweise in diesem Spiel:
Quartus miles Springendantz:
(v. 3452) Eya, wie slahet ir so bofllich:
ir kunt nit recht strichen!
gee abe, du Ruck- und -bein:
ich wil en bafl allein
bchauwcn sin rutmeisel
helffent die ruden nicht, so neme ich aber geiflel!
Im Bilde finden wir ebenfalls stets Rute und Geiflel. Urs Graf
begniigt sich sogar hiermit nicht, sondern fugt in seiner rohen Weise in
seiner Geiflelungsszene der Postilla Guillermi (Ausgabe von 1509) aufler-
dem noch eine geflochtene Peitsche und ein Seil als weitere Marterinstru-
mente hinzu. — Im Heidelberger Spiel werden die Ruten auf ofTener
Szene gebunden; es heiflt dort in der Biihnenanweisung:
(v. 4738) Darnach machenn sy dy rudenn. —
(ienau das gleiche Motiv findet sich in Diirers Grofler Passion und
in SchaurTelins Speculum passionis.
Gerade an dieser Szene der Geiflelung kann man besser als an
irgend einem andren Punkte konstatieren, wie im geistlichen Schauspiel
die Verrohung im Laufe der Zeit zunahm. Im Benediktbeurer Passions-
spiele, das aus dem 13. Jahrhundert stammt, wird die ganze Geiflelungs-
szene mit den Worten abgetan: (v. 189) Tunc ducitur Ihesus ad flagel-
landum. — Und nun halte man die folgende Szene des aus dem Anfang
des 16. Jahrhunderts stammenden Egerer Passionsspieles daneben, die
allerdings in ihrer unmenschlichen Brutalitat in der gesamten Passionsspiel-
literatur wohl einzig dasteht:
Primus miles dicit Helmschrot:
(v. 5306) So sehlach ich zu den ersten schlag,
Den andern, als fast ich mag.
Secundus miles Dietrich dicit:
Ich sehlach den dritten mit fleisse,
Vom fierden sol im die haut zu reissen.
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Die dcutschc Passionsbtthne usw. 493
Primus miles Helmschrot dicit:
Ich wil im gebcn den funfften resche,
Den sexten lean er nit abe lesche.
Secundus miles Dietrich dicit:
Ich wil im geben der schleg also vil,
Das ich ir nimer zellen wil.
Primus miles Helmschrot dicit:
Trail gesel, also thu auch ich,
Sich, das du frischlich wcrest dich.
Secundus miles Dietrich dicit:
Ich wil mein arm hoch auff recken
Und schlahcn, das die stump im leichnam stecken.
Kt sic illi duo flagellant recenter ad tempus, et sic alii accedant
et deligant eum et vertunt eum, dorsum ad statuam. Tercius miles
Hillebrant dicit:
Is gscllen, wir koren auch do hinzu;
Sezt euch nider und ruet nu.
Ich sich da noch ein grosse stat,
Di ir nicht getroffen hat.
Quartus miles Laurein dicit:
Gsell, sich im zu den armen
Und las dich sein nit crbarmen,
Da ist er noch ganz bios;
Wir wellcn in decken mit schlegen gros.
Tercius miles Hillebrant dicit:
Ich wil im geben den crsten schlag.
Quartus miles Laurein dicit:
Ich gib im den andern, als fast ich inag.
Tercius miles Hillebrant dicit:
Den dritten schlach ich dar an.
Quartus miles Laurein dicit:
So her auff, lieber compan.
Ich pin ganz mfidt in mein henden,
Ich mag kaum tragen mein lenden.
Et sic quartus cadit in terram. Tunc accedunt alii duo. Primus
inspicit eum, quasi nihil videns in eo absque vulnere, Helmschrot dicit:
Ich sich an im nichts ganz fiber all
Von dem haipt bis zu dem thall;
Darumb so wel wir in auff pinden
Und nimer hauen also geschwinden.
Et sic deligant eum. Tunc Ihesus inclinans se, ac si vellet cadere
in terram, tunc milites arripiunt eum.
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494
K. Tsclieuschner :
Wenn wir dies gelesen haben, so erscheint uns alles, was die bil-
denden Kiinstler bei der Darstellung der Geifielungsszene geben — so
abstofiend es auch im Anfang erschienen sein mag — , doch beinahe
mild, und wir ftihlen uns zu dem Bekenntnis gedrangt, dafi sie sich alle
dem gegenliber, was sich auf der Passionsbiihne als ihr Vorbild dar-
stellte, einer gewissen Mafligung beflissen haben.
Das geistliche Schauspiel begnugte sich ubrigens noch nicht damit,
den Akt der Geifielung selbst inoglichst grausam auszugestalten, es griff
auch bereitwillig nach anderen Motiven, die dazu beitrugen, den Ein-
druck des Abscheulichen, den diese ganze Szene hervorrufen mufite, noch
kiinstlich zu steigem. So lafit das Donaueschinger Spiel den Malchus,
der ja doch Christus wegen der Wiederansetzung seines Ohres dankbar
sein mufite, sich unter alien Knechten ganz besonders roh geberden. Im
St. (jailer Passionsspiel bietet der Jude Rufus den Knechten des Pilatus
20 Mark, wenn sie Christus nur recht tiichtig geifieln. Am weitesten
geht aber dann wieder das Donaueschinger Spiel, das, nachdem die
Kriegsknechte sich miide geschlagen haben, den Barrabas eine Flasche
Wein bringen lafit, die man gemeinschaftlich vertrinkt, um sodann die
Geifielung fortzusetzen.
Neben all diesen Brutalitaten, die fiir die Passionsspiele der spateren
Zeit (also fiir die Spiele, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts und zu
Anfang des 16. verfafit worden sind) charakteristisch sind, mochte ich
allerdings nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, dafi ein Passionsspiel aus
dem 16. Jahrhundert existiert, welches hiervon eine riihmliche Ausnahme
bildet. Es ist das Passionsspiel Sebastian Wilds. Alle Szenen, die wegen
ihrer Brutalitat dem Verfasser anstbfiig erschienen, sind hier einfach ge-
strichen; so die Geifielungsszene, der Gang nach Golgatha, sogar die
ganze Kreuzigung (es wird uns nur von derselben berichtet); die Dornen-
kronung geht sehr rasch und ohne Worte vor sich. — Auch in anderer
Beziehung noch weicht das Passionsspiel Wilds von den sonstigen
Passionsspielen ab; es hat namlich eine ganze Reihe direkt dichterisch
empfundener Ztige aufzuweisen. Ich will mich darauf beschranken, hier
einen einzigen derartigen Zug namhaft zu machen und fiihre zu dieseai
Zwecke die Schlufiszene des zweiten Aktes an. Die ubrigen Wachter
am Grabe Christi haben sich schlafen gelegt, nur Prunax allein, auf den
das Los gefallen ist, halt Wache:
Prunax geht vmbs Grab ein mal oder zwey vnnd spricht:
(v. 1310) Meine Gsellcn schlaftcn so wol.
Es mud mich schier, das ich nit soil
Auch da ligen vnd wic sie schnarchen.
Ich kan doch schier nit lenger harchen.
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Die deutsche Passionsblihne usw.
4Q5
Steht ein weyl still vnd doset, spricht weiter:
Es ist so ein schlaffrige nacht!
Ich het mir gleich schier gnug gewacht,
Ich wil rumb schawen in der nehe,
Ob ich nyemand hor oder sehe.
Geht wider vmb das Grab vnd spricht:
Ich hor und sich nyemands vmb mich.
Nit ein Vogelein riihret sich.
Ich will mich daher aufF das Grafllein
Stewren und laussen wie ein Hafilein.
Legt sich und schlaft. —
Wir haben hier ganz unverkennbar Ansatze zur Naturschilderung
und zur Stimmungsmalerei. Wer weifi, wie sehr auch jede Spur dich-
terischer Begabung alien anderen Verfassern geistlicher Schauspiele ab-
geht, wird diese Fahigkeit bei dem Verfasser der Wildschen Passion
doppelt zu schatzen wissen.
Wenn man sich angesichts der unglaublichen Roheiten, mit denen
die gesamte Passionsspielliteratur formlich vollgepfropft ist, die Frage
vorlegt, von welchen Gesichtspunkten liefien sich die Verfasser dieser
Spiele bei der iiberreichen Verwendung derartiger Szenen leiten, so darf
man hier auch nicht einseitig sein. Gewifi war das Bestreben, dem Pu-
blikum immer etwas Neues, noch nie Dagewesenes an Grausamkeit und
Roheit zu bieten, in vielen Fallen ein ausschlaggebender Faktor, man
kann indessen diese ganze Erscheinung auch von einem ganzlich anderen
Gesichtspunkte aus betrachten, der dieselbe nicht als ein Verfallsphanomen
des geistlichen Spieles, vielmehr als ein notwendiges Ubel erscheinen
lafit. Im Deutschland des 15. und 16. Jahrhunderts waren die grausam-
sten Leib- und Lebensstrafen an der Tagesordnung. Wollten nun die
Verfasser geistlicher Spiele dem Publikum recht eindringlich vor Augen
fuhren, was alles Christus fur die siindige Menschheit gelitten hat, so
mufiten sie, um einigermafien den gewunschten Eindruck zu erzielen, den
abgestumpften Nerven desselben immerhin schon ziemlich Betrachtliches
zumuten. Meiner Uberzeugung nach diirfte dieses Motiv und nicht die
Lust am Vorftihren von Grausamkeiten um ihrer selbst willen fiir die
Verfasser der Passionsspiele ausschlaggebend gewesen sein.
Fttr die Dornenkronung Christi finden sich in der bildlichen
Darstellung zwei Typen. Der eine, den wir bei Diirer, Kleine Passion
und Kupferstichpassion, Burgkmair, Leben und Leiden Christi, usw. finden,
zeigt die Kriegsknechte, die dem Heiland die Dornenkrone mit einem
zangenartigen Instrument aufs Haupt setzen, um dieselbe sodann mit Stock-
schlagen fester einzutreiben ; der andere (u. a. bei Altdorfer, Siindenfall
und Erlosung des Menschengeschlechts, und Schauffelin, Speculum passio-
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496 K. Tscheuschner :
nis) gibt die Situation so, dafi die Knechte mit dicken Staben, an die sie
sich zu beiden Seiten hangen, ihrem Opfer die Dornenkrone eindriicken.
Fur diesen letzteren Typus ist wiederum ohne Zweifel das Passionsspiel
vorbildlich. Ich fUhre als ein Beispiel flir viele die betreffende Szene
aus der Donaueschinger Passion an:
Nu bindent sy den Salvator uff und machet Malchus die kron, und
ziechent in die andern uff ein sessel und legent im ein roten mantel an
und kumpt Malchus und setzt im die kronen inmass uff, das im das blut
durch das antliit nider louft, und den nement sy die stangen und legent
die (uff die) kronen und spricht Malchus zu Mosse:
(v. 2881) Mosse, griffe die stangen an,
henck dich mit dinem lib da ran,
dam it im in daz houpt di tornen
gangen da hinden und da vornen.
Aus dem Anfang der Buhnenbemerkung, mit dem die eben zitierte
Szene einsetzt, geht zu gleicher Zeit hervor, dafi die Dornenkrone hier
auf offener Buhne gerlochten wird. Das namliche Motiv finden wir in
der Passionsfolge Martin Schongauers auf dem Blatte der Geifielung
(B. 12) im Hintergrunde.
Die bildliche Darstellung des Ecce homo, die in freier Aus-
gestaltung des Berichtes des Johannesevangeliums,3x) Pilatus zu Jesus
herantreten und ihn den Mantel desselben emporheben laflt, um durch
den Anblick des grausam zerschlagenen Leibes das Mitleid der Juden
wachzurufen, geht ebenfalls auf die Auffassung der Passionsbiihne zuriicL
Im Donaueschinger Spiele sagt Pilatus zu den Juden:
(v. 2901) Ich wil uch bringen her fur den man
und mein, ir sollens in lassen gan,
wann er ist gehandlet hart,
das sag ich uch zu disser vart,
und ist dar zu keim menschen glich,
laufi in gan und erend mich.
Nu gat Pilatus und nimpt den Salvator und furt in herfur und hept
im den mantel uff und spricht zun Juden:
Nemend war des menschen hie,
lugent ir Juden alle, wie
er so libel gehandlet ist;
land in gan zu disser frist.
Ganz ahnlich lautet die Stelle im Augsburger Spiel.
Hochst sonderbar ist die Schaustellung Christi bei Durer in dessen
Kleiner Passion und Kupferstichspassion gegeben. Wahrend Pilatus den
Juden den Schmerzensmann vorfiihrt, um seine Freilassung zu bewirken,
3«) Joh. 19, 4, 5.
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Die deutsche Passionsblihne usw.
497
erblicken wir seitlich in den Handen seiner Anklager bereits die drei
Kreuze, an denen er und die beiden Schacher sterben sollen. Dafi zwei
oder noch mehr zeitlich getrennte Handlungen im Bilde als gleichzeitig
geschehend vorgeftihrt werden, ist zur damaligen Zeit im allgemeinen
allerdings nichts befremdliches, doppelt storend erscheint es nur gerade
hier, wo in der Haupthandlung Pilatus ja die Freilassung Christi erwirken
will, wahrend die Nebenhandlung seine Verurteilung zum Tode bereits als
eine selbstverstandliche und beschlossene Sache gibt. Allerdings ist eine
andere Ausdeutung dieser Szene auch nicht ausgeschlossen. Es ist immer-
hin moglich, dafi Dtirer durch das Anbringen der Kreuze auf die Ant-
wort der Juden, die ja durch die ablehnende Geberde des Spottes allein
im Bilde nicht zum Ausdruck zu bringen war, namlich auf das: Crucifige,
crucifige eum!3a) hinweisen wollte. Bei einer derartigen Auffassung wiirde
dann, was zuvor Anstofi erregte, vollstandig fortfallen.
Die Szene der Verurteilung Christi ist im geistlichen Schau-
spiel insofern hochst interessant, als wir hier mehrfach altdeutsche Rechts-
und Gerichtsbrauche in die Darstellung der heiligen Geschichte tiber-
tragen sehen. — Schon vor der Verurteilung finden sich zuweilen derartige
Motive aus dem alten Rechtsleben, so in der Geifielungsszene der Sterzinger
Passion und im Heidelberger Passionsspiel anlafilich der Freilassung -des
Barrabas. Im ersteren Spiel wird die Geifielung Christi namlich im Sinne
einer Folterungsszene eingefuhrt, die den Zweck haben soil, dem An-
geklagten ein Gestandnis zu erpressen.
Pilatus dicit ad milites suos:
(v. 1806) Ir lieben ritter und knecht,
Vernempt meine wort gar recht:
Ich begund Ihesum viel zw fragen,
Er hat mir aber nicht wellen sagen;
Versuecht, ob er kam zw worten,
Das wir sein meinung hortten:
FUrt in hin dan in das haws
Und tziecht im nachkant und plos aus. . . . usw.
Im Heidelberger Passionsspiel mufi Barrabas bei seiner Freilassung
Urfehde schworen.
Der dritte Jiidde:
(v. 4901) Barrabas, jch sagenn dir ftir war,
Du sallt hie schwerenn vffenbar
Vnnd dich gegenn gott versprechen
Dys gefcngknus nitt zcu rechenn,
So will dich Pilatus ledig gebenn,
Des beheltestu dein lebenn.
3») Joh. 19, 6.
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4q8 K. Tscheuschner:
Barrabas antwortt vnnd schwertt:
Icb danncken vch allcnn sonnder spott
Vnnd schwernn bey dem lebendigen gott,
Das jch vfi diessenn landenn will gann,
N'nnd als lanng jch das lebenn hann,
So will jch dyfi gefengknus nit rechenn
Vnnd diessenn eydtt nymmer me brechenn.
Bei der Verurteilungsszene selbst ist folgendes zu erwahnen : Die
Richter sitzen bei Ausiibung ihres Amtes stets auf dem Richtstuhl. Im
Augsburger Spiel heiflt es (v. 1095): Yetz fiert Pylatus den herren ihesum
in das haws, sitzt auf sein stiil vnd ihesus stat gebunden vor im; die
Brixener Passion sagt bei der Verurteilung (v. 2227): Nu sitzt Pilatus aut
den Richter Stuel unnd verurtaylt Ihesum zum todt Ahnliche Anweisungen
finden sich in samtlichen Spielen. — Das Augsburger Passionsspiel gibt
eine vollstandige altdeutsche Gerichtsszene mit genauster Innehaltung alien
Zeremoniells: Pylatus setzt sich auf sein stul vnd nempt den stab in die
hand vnd spricht zu seinen knechten :
(v. 1502) Die zwen schacher ffirend auch her,
— wann da ist kain verziehen mer —
Vnd den mentschen! der mufl sterben
vnd schantlich mit in verderben.
Dar nach bricht Pylatus den stab ab vnd fellt das vrtail yber
ihesum :
Jch richter hie Pylatus sprich,
dar auf ich meinen stab ab brich,
Ain vrteil nach ewerem synn.
thond ir recht, ir werdens wol ynn,
Ffirt aufl den mentschen vnd die zwen!
creutzgend die selben vnd auch den !
Nach dem vnd das vrteil gefellt ist, so blaflt man auf der Busanen
.... Der bittel rftft yetzund aufl da vrteil pylati also sprechend: ....
In der Brixener Passion laflt Pilatus den Urteilsspruch, in dem genau
die Grllnde klargelegt werden, die ihn zu seiner Verurteilung bestimmt
haben, durch seinen Kanzler verlesen:
Nu sitzt Pilatus auf dem Richter Stuel unnd verurtaylt Jesum zum
todt. Unnd spricht zu dem Cantzler:
(v. 2227) Cantzler, du solt vernemen an mier:
Den sententz solstu lesen schier,
Wie der selbig laut von wort zu wortt,
Da mit man schier kum auf ain ortt
Mit Jesum, den unschuldigen Man;
Die juden anderst nit davon wellcn Lan.
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Die deutsche Passionsbtihne usw.
Cantzler spricht zu Pilato:
Grosraach tiger her mein,
Was du schafst, das solt sein!
Ir juden, nu merkht auf zu diser frist:
Die geben urtayln uber den gefangen Ihesum Christ.
Nu List er den Sentenz:
Ich pilate, ein Stathalter,
Des Romischen kaysers ain verwalter,
Aus dem gewalt, den ich hab Empfangen,
Richt ich euch heut nach eurem verlangen.
Auf eur geschray hab ich Barrabam
Los gelassen und von mir gen lann.
Als ein volmechtiger Richter der statt
Jerusalem, auch der juden eurs Ratt,
Und die weyl du, gegayselter Ihesu Christ,
Mier als Richter uberantwurtt bist
Durch die fursten, phariseer und der juden schar —
Die haben mir unter augen gesaget klar:
So ferr ich dich ledig las und frey,
Das ich nit ain freundt des Kaisers sey:
Solt ich Entsetzt werden von meinem Ampt,
Das war mier mein lebenlang ein schanndtl —
Das geschray der geschrifftgelerten und gleychsner,
Auch Eltisten des volckhs und phariseer,
So Uber dich ergangen ist,
Hat mich bewegt zu diser frist
Und die schuld, so du haben solt pegangen,
(Darumben dich dein volckh hat gefangen)
Mich darzue verursacht
(Unnerwaychlich ist das geschlacht):
Du solst mit deiner valschen predig und Leer
Das gantz galileisch Landt pisher,
Auch vil des judischen volckhs behenndt
Vom Rechten gelauben abgewendt;
Durch dich in vorgemelten Landen
Sey vil zwitracht und Irasl entstanden;
Dich selbs auf geworffen, ain kiinig der juden genent,
Wie du dan also gekronnt wirst erkhendt. —
Des hab ich dich nit klinen vertragen,
Dich lassn mit gaysln, dorn und Ruetten durchschlagen ;
Daran aber die juden nit haben genuegen,
Mich auf der geschray han muessen schmiegen:
Demnach uber Jesum von Nazareth leib und leben
Hab ich yetzundt das urtayl geben
Nach gewonhayt und gesag der Rflmer
Und auf des judischen geschlacht pegeer,
Das man in fuer an Calvaire die stat,
Wo man die schacher und ubelthetter zu richten hat;
Repertorium fiir Kunttwissenschaft, XXVII. 34
499
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c oo K. Tscheuschner:
Da selbs im auf los seine panndt
Und von ime ziech seine gewandt,
Also Nackhendt und auch ploss
Nagl an das Creutz so gross;
Er soil auch in dem Lufft von der erden
Uber die zwen schacher auf crhocht werden
L'nd also an des Creutzes Nott
Ersterben des schendlichisten todt.
Damit seyt ier judischen scharn pegntiegt.
Nu membt in hin, wan es euch fttegt
Irn Donaueschinger Spiel lafit Pilatus das Urteil durch Hornblaser
dreimal ausrufen. —
Ich mochte hier noch ein weiteres Motiv hinzufiigen, das zwar
zeitlich erst spiiter zu liegen kommt, dessen Besprechung indessen bereits
hier gerechtfertigt sein dlirfte, insofern es namlich ebenfalls dem alt-
deutschen Rechtsbrauch entlehnt ist Es handelt sich hierbei um den
letzten Trunk, der dem Verbrecher vor seiner Hinrichtung gereicht wird.
Das Heidelberger Spiel gibt diese Szene wie folgt:
Der erst Jiidde bewdtt Ihesu zcu drinckenn vnnd sprichtt:
(v« 5343) Ibesus, bistu sere schwach vnnd kranck,
So nym zcu dir diessenn gedranck.
Er ist gemacht von essig vnnd weynn
Verslich, ob er dir woll gesuntt sey.
Bei Matthaus und Markus findet sich zwar auch ein ahnliches
Motiv; bei Matthaus (cap. 27, 34) geben die Kriegsknechte Christus
»vinum cum felle mixtum«, bei Markus (cap. 15, 23) »myrrhatum vinunu
zu trinken. In beiden Fallen ist es also darauf abgesehen, seine Marter
noch zu erhohen. In der eben zitierten Stelle bietet der Knecht ihm
jedoch Essig mit Wein an und es liegt somit meines Erachtens nahe,
hier an einen der Henkersmahlzeit verwandten Brauch zu denken.
Die bildliche Darstellung lehnt sich, so weit dies moglich ist, auch
hier an das Passionsspiel an. Mit Ausnahme von Pilatus, der, wie wir
bereits sahen, zu den Juden heraustritt, sitzen die Richter bei der Aus-
libung ihres Amtes ausnahmslos auf dem Richtstuhl; ebenso halten sie
in der Regel einen Stab als Abzeichen ihrer Richterwurde in den Handen.
Eine Ausnahme hiervon bildet Kaiphas, dessen beide Hande bei dem
gewaltsamen Zerreifien seines Gewandes in Anspruch genommen sind.
Endlich ist als dritter und zugleich charakteristischster derartiger Zug
zu erwahnen: die Darstellung des letzten Trunkes, der dem Heiland, be-
vor er ans Kreuz geschlagen wird, gereicht wird. Ich habe diese Dar-
stellung dreimal gefunden; erstens bei Urs Graf, in dessen Postilla Guil-
lermi, Ausg. v. 1509: die Kriegsknechte haben Christus bereits das Ge-
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Die deutsche Passionsblihne usw.
501
wand ausgezogen, er lehnt aufrechtstehend an der Seite, ein Kriegsknecht
tritt mit einem Kruge an ihn heran, um ihm den letzten Trunk einzu-
schenken. Ahnlich ist die Situation dargestellt auf einem Blatt des
Monogramniisten (IC (Nagler II, 286 No. 4). In etwas anderer Auf-
I
fassung gibt die Szene endlich Lukas van Leyden (B. 73). Christus sitzt
hier neben dem Kreuz, das auf der Erde liegt, zwei Kriegsknechte reichen
ihm den letzten Trunk; der eine hat einen Krug, der zweite eine flache
Schussel, die er Christus gefullt vor den Mund halt.
Das Herrichten des Kreuzes, tiber das das Passionsspiel still-
schweigend hinweggeht, ist aufs genaueste dargestellt auf einem Blatte
Israels von Meckenem, auf der bereits bei anderer Gelegenheit genannten
Darstellung » Christus vor Pilatus«; im Hintergrunde links wird das Kreuz
von vier Zimmerleuten hergerichtet; drei von ihnen tragen das Holz
heran und der vierte bearbeitet dasselbe mit seinem Beil.
Im Egerer Spiele wird als Kreuz ein Balken verwendet, der zu-
falligerweise am Wege liegt: Sextus miles Pilati dicit ad Salvatorum
Tondulus :
(v. 5740) Wol auff, Ihesu, zu todes pein,
Volbracht werdt der wil des herren mein.
Ir Juden, habt ir aber bedacht,
Wa van das creuz wirt gemacht?
Das mufl wir haben zu der zeit,
Darumb secht darnach preit und weit.
Annas dicit:
Ritter, hie leit ein grofler palck,
Der wirt eben dem boshefftigen schalck:
Den sol man legen auff in,
Das ist warlich der peste sin,
Wan er ist langk und grofl. —
Bei der Kreuztragung finden sich in den Spielen zuweilen An-
weisungen iiber die Anordnung des Zuges; dieselben beschranken sich
allerdings zumeist auf die Angabe des Platzes, den Christus und die
beiden Schacher im Zuge einnehmen. So heifit es im Frankfurter Passions-
spiel (v. 3549): Et sic ducantur duo latrones ante Ihesum; und in der
Brixener Passion sagt Trosopp (v. 2320): Fuertt sy vor an die schacher
und Jesum hinten. — Die bildenden Kiinstler haben, wenn sie die
Schacher uberhaupt mit im Zuge anbringen, stets die gleiche Reihenfolge
innegehalten. — Eine ausfuhrlichere Anweisung gibt die Donaueschinger
Passion. Dieselbe schreibt vor (v. 3074): Und in dissem fachend die
Juden an den Salvator zefuren, und gat Barrabas mit den schachern vorn
hin, Cayphas paner zur rechten und Annas zur lincken sitten her, oder
34*
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502
K. Tscheuschner:
und Pilatus, oder all zehinderest uff den Salvator gat eins wegs Johannes
und Maria Magdalena, Martha, Veronica, Maria Jacobi und Maria Salome
und die Juden mit leitern, gabeln, seilen und solligem zug. —
Abgesehen von dem Fahnentrager, der nur sehr selten vorkommt
(er findet sich gelegentlich einmal in der Kreuztragung Bartel Bruyns
im Germanischen Museum zu Ntirnberg) haben wir hier genau die Reihen-
folge angegeben, an die die bildenden Kunstler sich mit Vorliebe hielten.
Einzelne Abweichungen hiervon werden wir weiter unten zu besprechen
haben.
Simon von Cyrene wird in Anlehnung an den Bericht der drei
Evangelisten Matthaus, Mark us und Lukas, gezwungen, Jesu das Kreuz
tragen zu helfen. Natiirlich lafit das geistliche Schauspiel sich die Ge-
legenheit nicht entgehen, dieses Motiv zu einer dramatischen Szene aus-
zugestalten. So heifit es beispielsweise im Frankfurter Spiel:
Abraham dicit Simoni:
(v- 3579) Symon, dir saget die Iudischeit,
das du hilffest den galgen breit
dragen diesem bosen diebe,
den wollen wir dorren als eyn grib!
Symon:
Abraham dicit
Entruwen wie quern ich dar zu?
ich wil sin entruwen nit thun!
Ho ho, menschin, du komst uns recht!
du bist uns ein wilkome knecht!
(Symon Cirenensis dicit:)
Hat mir der bischoff Kaiphas
und die Judden alle gebeden das,
so thun ich iO gem, so mufi ich leben:
ich wil erne gude hulflfe geben!
Abraham dicit Simoni:
Symon, wiltu eme nit helffen tragen,
so wirt dir din hut volgeslagen,
das du kume magst gegenl
dar ^mb hob uff und drage da hin !
Symon Cirenensis dicit:
Entruwen, ee ich mich slagen lies,
ich wolt ee dun, was man mich hies!
Uber die Personlichkeit des Simon sind sich die Verfasser der
geistlichen Spiele nicht einig. — Markus sagt: Et angariaverunt praeter-
euntem quempiam Simonem Cyrenaeum, venientem de villa 33)
33) Mark. 15, 21.
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Die deutsche Passionsbtthnc usw.
503
(im Urtext: Ip^ojisvov an: dypou). Fast wftrtlich (ibereinstimmend lautet
die Angabe bei Lukas.24) — Ganz abweichend hiervon tritt Simon im
Donaueschinger Passionsspiel auf, namlich als »ein altes br&derly, als
ein bilgern«; das Alsfelder Passionsspiel nennt ihn »virum simplicem«;
und im Frankfurter und Egerer Spiel figuriert er endlich, dem Sinne des
Evangelientextes wohl am nachsten kommend, als Bauer. Im Egerer
Spiele sagt Geball im Hinweis auf Simon (v. 6009): Heiss den paurn im
helffen tragen; und im Frankfurter Spiel sagt Abraham zu dem Centurio:
(v» 3572) Czinggraffe, sich, ich han begriffen
einen gebuem, der ist gar ungesliffen,
der heiset Simon Cireneus ....
Im Egerer Spiel ist dann diese Rolle des Bauern in hochst inter-
essanter Weise noch weiter ausgeftihrt. Symon Cyronessis elicit:
(v. 6014) Ach, wie zcugstu mich so graussemlich !
Kundt ir in nicht hengen an mich?
Kan den kcin ding auff diser erden
An den armen paurn volbracht werden?
Symon dicit:
(v. 6020) Ach, meins grossen herzen leit I
Kum ich erst her von der arbeit,
Ich pin mud und kan kaum gestan
Und soil mit Ihesu zu der marttcr gan!
O we den armen paurn,
Es sei regn oder schaurn,
Hiz, kelt oder frost,
Wider deines herzen lust
Vicht dich unsalt an.
Im Bilde finden wir Simon (wenigstens soweit mir bekannt ist) nie
als Bauern, vielmehr stets als ehrwiirdigen alten Mann dargestellt. Der
bildende Kiinstler hatte wohl auch seinen besonderen Grund, weshalb
er hier von dem Vorbilde der Passionsbuhne abwich. Derselbe war wohl
einfach der, dafi Simon, hatte man ihn mit dem elnfaltigen Gesicht und
dem groben Gewande eines Bauern im Bilde figurieren lassen, in seiner
ganzen Erscheinung sich allzu wenig von den rohen Gestalten der Kriegs-
knechte um ihn her unterschieden hatte.
Andere Figuren hingegen, die bei der Kreuztragung auftreten, hat
die bildende Kunst direkt aus dem Passionsspiel hertibergenommen. —
Im Frankfurter Spiel heifit es (v. 3537): Due tor ducit Ihesum ad cru-
cifigendum Ausfuhrlicher ist das Alsfelder Spiel. Die be-
treffende Stelle lautet:
34) Luk. 23, 26.
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t?04 K. Tscheuschner:
Ductor dicit ad Ihesum:
(v. 5346) Herre Ihesus, loiB dyn obel sehen!
unfler wylle sail doch geschehen,
und wel dich nu zu reeht snoren,
und myt dir den reyen furen!
Diese Gestalt des Fuhrers der Kriegsknechte, der Christus an einem
dicken Seil fiihrt, das diesem urn den Leib gebunden ist, findet sich im
Bilde haufig, u. a. bei Diirer, Grofie Passion, Israel von Meckenem (B. 17),
Hans Wechtlin (P. 37), und Schaufifelin, Speculum passionis. — Die be-
sondere Art, mit der Christus mit dem Seil gefesselt wird, gibt das
Donaueschinger Spiel an:
So sy also binden, so kompt Malchus mit grossen seilen und spricht
zu sinen gesellen:
(v. 3035) Ir herrn, ich will ouch tfin min teil,
ich bring uns hie die groflen seil,
das wir in konnend ffiren dar an.
Israhell, du must nit m&ssig stan,
se und gfirt ims umb sin lib,
wann der zouferer ist geschib;
solt er uns alien hie entloufen
wir wurdent ein ander roufen.
Diese Gestalt des Fuhrers tritt ubrigens auch bei anderer Gelegen-
heit noch auf, und zwar sowohl vor als auch nach der Kreuztragung.
Im Alsfelder Spiele macht der » Ductor « sich auch bei der Kreuzigung
viel zu schaffen und im St. Galler Spiele gibt derselbe in der Gestalt
des grausamen Rufus bereits bei der Vorfuhrung Jesu vor seine Richter
den Ton an. — Ich habe bereits an anderer Stelle35) darauf hinge-
wiesen, dafi diese Gestalt des Fuhrers der Kriegsknechte beispielsweise
in Dtirers Kleiner Passion nicht weniger als siebenmal wiederkehrt. —
Auch eine zweite Figur, die haufig in der bildlichen Darstellung
der Kreuztragung wiederkehrt, ist der Passionsbiihne entnommen. Wir
sehen oftmals im Bilde einen Mann, der ein Korbchen mit Zange,
Hammer, Nageln und Stricken in der Hand tragt, neben dem Zuge her-
laufen. Das Egerer Spiel fiihrt diese Figur in folgender Weise ein:
Primus schwiczbub dicit:
(v. 5646) Pilate, grofl mechtiger richtter und herr,
Ich bitt dich durch dein grosse er,
Du wellest mir verginden also drat
Den karb, der mit dem zeug da stat,
Den wil ich den rittern noch in tragen,
Das si daussen nit durffen klagen:
35) Albrecht Diirers Holzschnittfolgen. Erlautemder Text S. 55.
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Die deutsche Passionsbiihnc usw. 505
Wo ist hamer, nagel und zang?
Da mit si sich versaumtten lang:
Das wil ich in zu irn henden geben,
Da mit si Ihesum nemment das leben.
Zuweilen ist im Bilde der Mann, der den Korb mit den Marter-
werkzeugen in der Hand halt, mit dem Fiihrer der Kriegsknechte iden-
tisch, wie beispielsweise in Diirers Griiner Passion, wo derselbe den Korb
in der Rechten halt, wahrend er mit der Linken den Heiland gewaltsam
am Stricke vorwarts zieht.
Im Bilde sehen wir zuweilen ein oder zwei Personen zu Pferde
den Zug begleiten. Wir haben in denselben Kaiphas und Pilatus zu er-
kennen, die mit zur Richtstatte hinausreiten. Seltener, wie etwa in
Diirers kleiner Passion, ist einmal Hannas dabei. — Die Passionsspiele
zeigen das gleiche Motiv. In Sebastian Wilds Passionsspiel wird sogar
das Mithinausreiten des Pilatus noch niiher motiviert; Pilatus sagt hier
namlich, nachdem Jesus abgefiihrt worden ist:
(v. 867) Ich will gehn auch mit hinauss reytten
Und jnen zuschawen von weytten,
Wie sie mit jrem K6nig schertzen,
Der micli erbarmet in meim hertzen.
Wie schon erwahnt, folgen Maria, Johannes und die heiligen Frauen
sowohl im geistlichen Schauspiel, wie auch in der bildlichen Darstellung
in der Regel klagend dem Zuge. Die bildende Kunst bringt jedoch
ziemlich haufig auch noch eine andere AurTassung; sie lafit namlich
Maria, Johannes und die Frauen nicht dem Zuge folgen, vielmehr vom
Hintergrunde her, durch eine Seitengasse herankommen. Maria bricht im
Augenblick, wo sie ihres Sohnes ansichtig wird, ohnmachtig zusammen.
Wir flnden diese Darstellung u. a. bei Israel von Meckenem (B. 17); in
der Passionsfolge Lukas Cranachs (B. 6 — 20); bei Lukas van Leyden
(B. 64) und endlich in der beruhmten Groflen Kreuztragung Martin
Schongauers (B. 21). — lm Passionsspiel ist mir diese eigentiimliche Auf-
fassung nicht begegnet, dieselbe geht vielmehr zurlick auf das 46. Kapitel
der Vita Christi des Bonaventura. — Es ist nur zu begreiflich, dafi die
bildenden Klinstler sich gern an diese freie Ausgestaltung des Bonaven-
tura hielten, die ihnen gestattete, die Gruppe der Verwandten und
Freunde Christi von der Rotte seiner Widersacher abzusondern und den-
selben eine liebevollere Aufmerksamkeit zu widmen, als dies bei der
iiblichen Art der Darstellung, wo sie dem Zuge folgten, moglich war.
Folgten Maria und die Ihrigen dem Zuge, so lag es nahe, dafi es
zwischen ihnen und den Feinden Christi zu Reibereien kommen mufite.
Das Passionsspiel macht hiervon auch nur zu haufig Gebrauch. Die
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506
K. Tscheuschncr :
Kriegsknechte versuchen Maria und die Frauen gewaltsam fortzutreiben.
Im Alsfelder Passionsspiel ist es sogar Kaiphas selbst, der diese Rolle
(ibernimmt.
Caiphas dicit:
(v. 5368) Ganck von uns, du bofies wypp!
dissen trogcner drug dyn bofler lipp,
der uns hot bracht yn disse noit:
darumb hie hude den toit
mu8 lyden an diesBem tage!
were nach 80 groiB dyn klage,
80 enmagestu uns nyt erweichen!
ganck von uns! mer woln dich anders streichen!
Ein Kriegsknecht, der Maria und die Frauen laut anschreit, findet
sich in Diirers Kupferstichpassion ; ein Kriegsknecht, der dieselben ge-
waltsam fortzutreiben sucht, in Hans Multschers Altar iin Museum zu
Berlin. Fine direkt widerliche Szene gibt das Triptychon mit Passions-
darstellungen von der Hand Lukas Cranachs in der Mtinchener Pinako-
thek (Nr. 276). Maria folgt weinend dem Zuge; einer der Kriegsknechte
kehrt sich nach ihr urn, reiflt sich seinen Mund mit beiden Handen weit
auseinander und streckt die Zunge heraus, um ihr so ihr Weinen und
Plarren nachzumachen. Das namliche Motiv, allerdings erst bei der
Kreuzigung, findet sich auf einem Gemalde der Grofiherzogl. Galerie zu
Darmstadt. 36) — Auf einem Blatte des Meisters der Liebesgarten (Lehrs,
Katalog der im Germanischen Museum benndlichen deutschen Kupfer-
stiche des 15. Jahrhunderts, Nr. 7) sind, um die Marter der Kreuztra-
gung noch zu erschweren, an dem unteren Saume des Gewandes Christi
Bleigewichte befestigt. Nach Lehrs' Angaben findet sich dasselbe Motiv
auch noch auf einem Schrotblatt des Germanischen Museums (Inv. H.
1698). — Im Passionsspiel ist mir das letztere Motiv nirgends begegnet,
hingegen ein anderes, das sich wiederum fur die bildliche Darstellung
nicht verwenden liefi; im Haller und Egerer Passionsspiel wird Christus
namlich das Sprechen verboten.
In einzelnen Spielen begleitet Maria ihren Sohn nicht bei der
Kreuztragung ; so im Frankfurter Spiele, wo sie erst nach der Kreuzigung
durch Johannes iiber das, was geschehen ist, unterrichtet wird, und in
Sebastian Wilds Passionsspiel, in dem die Figur der Maria iiberhaupt
nicht vorkommt. Analoga in der bildlichen Darstellung habe ich nicht
gefunden.
36) Abgebildet in den »Jahrbuchern der Kgl. Preu8ischen Kunstsammlungen*.
Bd. XXI, S. 61.
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Die deutsche Passionsbtihne usw.
5°7
Auf einen Punkt, der allerdings auch bereits frliher hatte be-
sprochen werden konnen, mochte ich hier noch zurtickkommen. Es
handelt sich darum, dafi wir in den bildlichen Darstellungen der einzelnen
Passionsszenen (bei der Verspottung, Geifielung, Dornenkronung, Schau-
stellung und Kreuztragung) neben den Erwachsenen haufig Kinder an-
gebracht finden. In den seltensten Fallen ist es nur die Neugierde, die
dieselben herbeiftihrt, wie etwa in der Vorfuhrung Christi vor den Hohen-
priester in der runden Passion Lukas van Leydens (B. 59), oder in der
Verspottung Christi aus der gleichen Folge (B. 60), wo ein Knabe neu-
gierig fragend sich von einein Alten erklaren lafit, was geschieht und
weshalb — , zumeist mischen die Kinder sich dreist unter die Schar der
Hohnenden und Spottenden. Bald blasen sie in roher Lust auf Radau-
instrumenten, um den allgemeinen Larm noch zu vermehren (Diirer,
Grofie Passion, Geifielung), bald erheben sie wie die Erwachsenen hohnend
die Hande (Hans Holbein d. A., Ecce homo, Miinchener Pinakothek
Nr. 198), bald schreien sie dem Heiland Schmahworte ins Gesicht (Lukas
van Leyden, Runde Passion, Geifielung und Ecce homo (B. 61 und 63),
bald heben sie Steine vom Boden auf, um nach ihm zu werfen (Hans
Holbein d. A., Kreuztragung Christi, Miinchener Pinakothek Nr. 199 und
Hans Multscher, Kreuztragung, Altar von 1437, Museum Berlin). So
absolut sicher es mir scheint, dafi dieser in seiner Roheit direkt wider-
Hche Zug, auch Kinder als Peiniger Christi auftreten zu lassen, der
Passionsbtihne entlehnt ist, so ist es mir doch nicht moglich gewesen,
hierfur bestimmtere Anhaltspunkte zu gewinnen. Im ganzen habe ich
zwei Stellen gefunden, die auf die Anwesenheit auch von Kindern im
Passionsspiel auf dem Leidenswege Christi (bei anderer Gelegenheit
kommen ja Kinder im geistlichen Schauspiel bfters vor) hinweisen konnen.
Im Augsburger Passionsspiel schreibt, wie Christus im langen Zuge vor
Pilatus geftihrt wird, die Buhnenanweisung vor (v. 1055): >vnd all iuden
im Rat clain vnd grofi gand mit in« und in der Brixener Passion heifit
es in der Kreuzaufrichtung:
(v. 2517) Klain und groB, wo ier seit, hab kaincr Rue:
Kumbt und greiffet alle geleich zue
Die Art, wie Christus sein Kreuz tragt, hat in der bildlichen Dar-
stellung verschiedene Auffassungen zugelassen. Im wesentlichen haben
wir drei Typen zu unterscheiden. Am beliebtesten und zugleich auch
vom asthetischen Standpunkt aus am wohlgefalligsten wirkend ist die-
jenige Art der Darstellung, die das Kreuz Christus auf der Schulter
Hegend zeigt, den Kreuzesstamm nach hi n ten gerichtet. Die Langsachse
des Kreuzes und der Korper des zur Erde gesunkenen Heilandes haben
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508 K. Tscheuschner:
hier die gleiche Richtungstendenz. — Weniger gtinstig ist die Wirkung,
wenn der Kreuzesstamtn nach vorn gerichtet ist, wie wir dies etwa beim
Meister des Erasmus (P II, p. 220 Nr. 71) und in der kleinen Kupferstich-
passion des unbekannten Meisters finden, den Passavant Bd. II, p. 148
anfiihrt Es entsteht in diesem Falle ein schroffer Winkel zwischen der
Langsachse der Gestalt des Heilandes und der des Kreuzes. Durer hat
allerdings in seiner Kupferstichpassion gezeigt, dafi auch diese zweite
Art, das Kreuz zu tragen, die gtinstigste Wirkung erzielen kann, wenn
man namlich einmal Christus nicht zur Erde sinkend, sondern stehend
gibt, und zweitens den Stamm des Kreuzes nicht in seiner ganzen Lange
sichtbar werden lafit. — Die dritte Art, das Tragen des Kreuzes zu ver-
sinnbildlichen, ist endlich die unglticklichste. Sie zeigt den Stamm des
Kreuzes wieder nach hinten gerichtet, jedoch nicht wie in den beiden
friiheren Auffassungen das Kreuz mehr oder weniger auf die hohe Kante
gerichtet, dem Heiland auf der Schulter ruhend, vielmehr demselben in
seiner ganzen Breite auf dem Rticken liegend. Die Absicht, die der
bildende Kiinstler hierbei verfolgte, war augenscheinlich die, den Ge-
danken, dafi Christus durch die schwere Last des Kreuzes zu Boden
gedrtickt werde, recht eindringlich zur Anschauung zu bringen. Ist ihm
dies allerdings hiermit auch gelungen, so wirkt auf der anderen Seite
diese ganze Art der Auffassung so iiberaus brutal und nebenbei so un-
glaublich plump, dafi der ktinstlerische Eindruck, den dieselbe in uns
erweckt, stets ein im hochsten Grade unerfreulicher bleibt. lch habe
diese dritte Art der Darstellung gefunden beim Meister des Amsterdamer
Kabinets (Lehrs 13), bei Hans SchaufTelin (B. 33) und endlich in dem
schon mehrfach erwahnten Altar Hans Multschers im Berliner Museum.
Fast immer findet sich im Passionsspiel bei der Darstellung der
Kreuztragung auch die Gestalt der Veronica. Es ist ja begreiflich,
dafi die Verfasser geistlicher Schauspiele auf diese biihnenwirksame Episode
nicht gem verzichten wollten. Die typische Art, diese Szene zur Darstellung
zu bringen gibt die Frankfurter Passion:
Veronica clamat post Ihesum:
(v- 3597) Eva, lieber herre myn:
ich bit dich durch die martir dyn,
du wollest mir doch etwas geben,
das ich an dich, diewil ich leben,
gcdencken mag an undcrlaifi!
Salvator (licit:
Veronica, gang hcrzu bas !
hastu ein sleier by dir,
den saltu itzunt geben mir!
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Die deutsche Passionsbilhne usw.
5°9
Veronica dat sibi pepulum, et dicit Salvator:
Sehe, das hab dir nu zur letze:
damit saltu dich ergetzen!
Deinde gavisa Veronica currit ad alias mulieres dicens:
Secht, ir lieben swistern myn:
sal das nit ein grofi wunder gesein?
schauwent des herren angesicht!
noch gleuben die bosen Judden nicht !
den schatz halt ich, wil ich leben,
das mir der henre hude hat gegeben!
Et sic Veronica vertat se ad popuhim dicens:
Nu schauwet beide, arme und rich,
und biddent got gar flifllich,
das wir hernach mit guden rat
sehen die ewige trinitat!
Die Szene wird auf der Passionsbiihne jedoch zuweilen auch anders
behandelt. Sehr interessant ist so die Abweichung, die die Haller Passion
gibt; hier wird das Schweifituch ganz im Sinne der katholischen Kirche
durch den Heiland selbst zur wundertatigen Reliquie gestempelt Wie
Christus der Veronica das Tuch zurlickgibt, sagt er zu ihr:
(v. 1089) Diese lecz ich dir da schenckh :
Meines pittern lciden clapey gedenckh.
Lnd wer dises angesicht eret:
Was er mich pit, das wirt er gberet,
Das da zimlich zu pitten ist;
In der Sterzinger Passion kommt die Gestalt der Veronica zwar
auch vor, jedoch ist hier weder von dem Schweifituch noch von dem
Wunder die Rede. Veronica beklagt vielmehr nur das harte Geschick
Christi und seiner Mutter und wendet sich an die Zuschauer mit der
Mahnung, stets derselben eingedenk zu bleiben.
Im Bilde fmden wir zweierlei Auffassungen; entweder ist Veronica
mit im Zuge der Kreuztragung gehend dargestellt, wie dies die angeftihrte
Szene des Frankfurter Spieles wiedergibt (diese Auffassung ist die bei
weitem haufigere), oder aber das Schluflmotiv dieser Szene, wie Veronica
sich an die Zuschauer wendet und ihnen das Tuch vorweist, auf dem das
Antlitz des Herrn sich abgedrlickt hat, ist herausgegriffen und zu einer
selbstandigen bildlichen Szene verarbeitet, wie wir dies beispielsweise in
Diirers Kleiner Passion antreffen. Mit dieser letzteren Art der Darstellung
wollen wir uns noch etwas naher beschaftigen.
Dtirer gibt seine Kleine Passion im Sinne eines stetig fortlaufenden
Berichtes der tatsachlichen Geschehnisse der Leidensgeschichte Christi.
Mit dieser Darstellung des Schweifituches der Veronica, die zwischen
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S'o
K. Tscheuschner: Die deutsche Passionsbtihne usw.
Kreuztragung und Kreuzigung eingeschoben ist, wird er nun aber mit
einem Male dieseni Prinzip untreu. Weniger storend ware es noch
gewesen, wenn er die Heilige mit dem Schweifltuch allein dargestellt
hatte, man hatte dann hochstens einwenden konnen, der Meister sei von
der bisher rein erzahlenden Art der Darstellung hier plotzlich zur kon-
templativen iibergegangen; Diirer bringt jedoch im Vordergrunde, rechts
und links von Veronica stehend, noch die Gestalten des Petrus und
Paulus an, die weder in dem vorhergehenden, noch in dem nachfolgen-
den Blatte vorkommen, und hierdurch geht er nun allerdings der strengen
kompositionellen Einheitlichkeit, die im iibrigen diese ganze Bilderfolge
beherrscht, verlustig, indem namlich dieses Blatt sich zum Intermezzo im
cigentlichen Sinne gestaltct. — Ohne weiteres drangt sich uns hier die
Frage auf: wodurch hat sich Diirer, der alles, was er tat, so wohlweislich
bedachte, zu dieser Freiheit im Aufbau seiner Bilderfolge bestimmen
lassen ? Und auch hier diirfen wir wohl sagen, dafi die Passionsbiihen es
war, deren Beispiel ihm diese Freiheit nahelegte. Im Passionsspiel sind
namlich derartige Intermezzi, derartige Szenen, die die dramatische Ein-
heitlichkeit der Handlung und den logischen Fortgang derselben in will-
kiirlichster Weise unterbrechen, an der Tagesordnung. Ich flihre im
folgenden einiges hierher Gehorige an. — Im St Galler Passionsspiele
tritt am Schlufi einer jeden Szene der heilige Augustinus auf und kiindigt
an, was nun folgt; im Kgerer Passionsspiele erscheint nach der Verspottung
und nach der Domenkronung ein Engel auf der Biihne, der den Zu-
schauern anemj)fiehlt, sich das Leiden Christi zu Herzen gehen zu lassen.
Im Frankfurter Passionsspiel ubernimmt wieder Augustinus die Rolle des
Moralpredigers; beispielsweise nachdem Judas sich erhangt hat, wendet
Augustinus sich an das Publikum mit den Worten:
(v. 2671) By Judas mj uch kunt gethan,
das ir alle sullet ruwcn han
umb uwer sunde und mififellen
da> ir nit komct in die hellen! etc. . . .
(Schlufi folgt.)
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Unerkannte Darstellungen der Immaculata
in deutschen Galerien.
Die Bilder des Dosso Dossi, Dresdner Galerie Nr. 128 und
Nr. 129, werden von dem Katalog als » Vision der vier Kirchenvater^ be-
zeichnet In dem erklarenden Texte zu Nr. 128 heifit es irrtlimlich:
»oben setzt Christus der links neben ihm auf den Wolken knieenden
Maria die Krone aufs Haupt«.
Im Bilde ist der Vorgang ein anderer, der gleiche wie auf Nr. 129:
Gott Vater — nicht Christus — erhebt die Rechte ohne jedes Attribut; seine
Linke streckt den Stab gegen Maria aus. Maria tragt in beiden Gemalden
keine Krone, sodafi das Motiv einer Kronung Marias sich ausschliefit.
Das Thema beider Bilder ist die unbefleckte Empfangnis, der die
untere Gruppe der Kirchenvater in eifriger Unterredung zuschaut.
Knapp hat in seinem »Piero di Cosimo« auf die Darstellung
dieses Themas in der italienischen Kunst hingewiesen (S. 13). Durch Ent-
zifferung der Inschriften auf dem Jugendwerke des Piero in San Francesco
bei Fiesole hat er seine Behauptung belegt Das Charakteristische fur dieses
Thema ist der von Gott Vater tiber der Maria ausgestreckte Stab. Auch
bei Piero findet sich schon wie bei Dosso die untere Gruppe der Heiligen.
Knapp kannte damals nur ein Bild mit der gleichen Darstellung,
das in der Kapelle Peruzzi (Alinari 3974), welches er als »dem Granacci
verwandu bezeichnet. Statt der Gruppe von Heiligen sehen nur Rochus
und Sebastian dem Wunder zu.
Wiederum irrttimlich vom Katalog der Altenburger Galerie
wird Nr. 177 der dortigen Sammlung als » Kronung Marias« angeftihrt
(»ahertiimelnde Arbeit wahrscheinlich vom Ende des 17. Jahrhunderts«).
Maria kniet ohne Krone, den Kopf in ein Tuch gehullt, vor Gott Vater.
Dieser streckt rechts das Szepter gegen sie aus und halt in der Linken
die Weltkugel. Unten die typische Gruppe der vier Kirchenvater.
Anders hat Signorelli die »Immaculata« im Dome von Cortona
angeordnet. Auch hier halt Gott Vater (der hinter der Maria thront) den
Stab mit seiner Rechten iiber ihr, in seiner Linken ruht die Weltkugel.
Unten wiederum eine Gruppe verehrender Manner, darunter Konig David.
Wahrend aber in alien frtihern Bildern Maria vor Gott Vater knieend
dargestellt wird, s t e h t sie bei Signorelli in der Mitte des Bildes und
sieht mit verziickten Augen nach oben bereits in jener spateren Auf-
fassung, welche im 17. Jahrhundert ihren klassischen Ausdruck fand.
Henri ettc Mendelsohn.
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Ein Nachtrag zu »Sebald Weinschroter, ein Nurnberger
Hofmaler Kaiser Karls IV. «
In den von mir unter obigem Titel mitgeteilten archival ischen
Notizen (im lfd. Jahrgang des »Repertoriuins«)1) habe ich sowohl auf den
mutmafilichen Vater Sebalds, den im Jahre 131 1 als Biirge bei der Auf-
nahme eines »Sifrit Glaser« zum Neubtirger in Nlirnberg genannten
»Winschroter maler« hingewiesen, als auch einen, in den Meisterlisten
der Jahre 1363 und 1370 vorkommenden Fritz Weinschroter, den Sohn
oder Bruder des Meisters, als dessen kiinstlerischen Erben bezeichnet
Ich kann nun nachtraglich beztiglich des Fritz Weinschroter eine weitere
archivalische Notiz vom Jahre 1398 beibringen, beziiglich des Vaters
wenigstens eine Mutmafiung tiber dessen Vornamen und Heimat auflern.
Die von inir neuerlich festgestellte Erwahnung des ersteren findet
sich in einem der im k. Kreisarchiv Niirnberg verwahrten sog. Klagebucher
des Landgerichts des Burggrafentums Nlirnberg, das sind kurze proto-
kollarische Aufzeichnungen tiber die Person des Klagers und Beklagten,
sowie tiber den Inhalt der erhobenen Klage. Der die Jahre 1394 — 1398
umfassende Band 1 dieser Klagebticher enthalt nun folgenden Eintrag:
Judicium in Furt feria quarta post Katherine (= 27. November)
anno domini (13)98.
Fol. 183b.2) Fridrich Weinschroter der Moler von
Nuerfnberg] [klagt] ad Seybrechten Ortolff, darumb das er im ge-
sprochen hat 3) ftir der (sic!) von Vestenberg vmb Stechtzewge vnd
») Ich mochte die hier gebotene Gelegenheit benlitzen, einen mir eingangs des
Aufsatzes unterlaufenen Irrtum zu berichtigen. Ich war der Ansicht, dafi Burg Karlstein
nicht nur unter diesem Namen, sondern auch als »Karlsburg« erscheint, doch ist dies
nicht richtig.
2) Das Blatt, welches unsern Eintrag enthalt, kam beim Einbinden an die falsche
Stelle unter die Protokollc des Jahres 1397; es gehSrt richtig an den Schlufi des Ban des
hinter Fol. 320.
3) Einem sprechen ftlr einen = jemandem Btirgschaft ftir einen leisten. Lexer,
Mittelhochdeutsch. Handwtirterbuch, Bd. 2 (1876) s. v. sprechen. Hier steht allerdings
der Geneti v bei fur.
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A. Gttmbel : Ein Nachtrag zu »Sebald Weinschroter usw.« c 1 3
turneystzewge, X gulden wert, vnd die wolt er im selber betzalen.
dfamnum] X gulden.
A us diesem Protokoll geht hervor, dafi Friedrich Weinschroter fiir
einige dem frankischen Rittergeschlecht der Vestenberg angehorige Adelige
Stech- und Turnierzeug bemalt, das heifit wohl Schilde und Pferdedecken
mit Wappen verziert hatte. Fur die Bezahlung der Arbeit war ein ge-
wisser Seybrecht Ortolff als Selbstschuldner Btirge geworden, hatte dann
aber die Bezahlung verweigert oder verzogert; aus der Verfolgung seiner
Anspruche war dem Klager ein Schaden von 10 fl. erwachsen, dessen
Ersatz er nun neben dem Arbeitslohn einklagt. Uber den Ausgang der
Sache liegt keine weitere Angabe vor.
Was sodann meine Vermutung liber Vorname und Herkunft des
131 1 erscheinenden Malers Weinschroter, den ich als Vater des Sebald
bezeichnen mochte, betriflft, so lautete dieser Vorname vielleicht Hermann
und stammte er aus dem ca. 25 km siidostlich von Niirnberg gelegenen
Stiidtchen Hilpoltstein. 4)
Im Jahre 131 1 erscheint er als »Winschroter maler«, wie oben mit-
geteilt, als Btirge bei Aufnahme eines » Sifrit Glaser«.5) Dieser letztere
ist nun vielleicht identisch mit einem Sifrit de Vtenhoven (= Uttenhofen,
ein Dorf nordostlich von Hilpoltstein), der im Jahre 1305 und dann
wieder 1307 als Burger aufgenommen wird,6) wobei im Jahre 1305
»Ekker de Lapide (= Hilpoltstein) et pictor de Lapide« und 1307
» Herman maler et Ekker« als Btirgen genannt werden.7) Dafi der
Letztgenannte »Herman maler« mit jenem 1305 erwahnten »pictor de
Lapide* identisch ist, ergibt sich zweifelsfrei aus der Tatsache, dafi in
beiden Fallen derselbe Mitbtirge (Ekker) bei Aufnahme desselben Sifrit
de Vtenhoven aufgeftihrt wird.
Diirfen wir nun tatsachlich annehmen, dafi der 1305 und 1307
erscheinende Sifrit de Vtenhoven mit jenem Sifrit Glaser von 131 1 ein
4) In alterer Zeit stets nur »Stein« (Lapis) genannt. Den volleren Namen
erhielt es spater nach den verschiedenen Hilpolt von Stein, den letzten Besitzern der
Herrschaft und Burg Stein. Siegert, Geschichte der Herrschaft etc. Hilpoltstein. Verh.
des hist. Ver. v. Oberpf. u. Regensbg., Bd. 20 (1861).
5) K. Kreisarchiv Niirnberg, M. S. 314 a, Neubilrgerververzeichnis v. J. 131 1: Sifrit
Glaser, fidejusserunt Heinr[icus] Wusto sartor et Winschroter maler ante Michahel[is]
sabbato (— 25. September).
6) Diese wiederholte Zulassung zum Blirgerrecht (ad concivatum) mit der Ver-
pflichtung eine gewisse Anzahl von Jahren in der Stadt zu wohnen (residentiam habere
in civitate) ist eine haufige Erscheinung in diesen altesten Blirgerlisten.
7) Ebenda 1305: Sifrit de Vtenhoven, fidejusserunt Ekker de Lapide et pictor
de Lapide Thome Cantuarien[sis] (= 29. Dezember).
1307: Sifrit de Otenhoven, fidejusserunt Herman maler et Ekker circa nativi-
tatem beate virginis (8. September).
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514 A. Gtimbel: Ein Nachtrag zu »Sebald Weinschrttter usw.«
und dieselbe Personlichkeit ist,8) so entsttinde folgende Namensgleichung:
pictor de Lapide (1305) = Herman maler (1307) = Winschroter maler
(i3ii).9) Jener »Herinan maler « mag tibrigens ein Mann von Ansehen
und allgemeinem Vertrauen gewesen sein, denn noch zweimal in den
Jahren 13 10 und 13 12 erscheint er als Blirge bei der Aufnahme eines
gewissen Ch. Oberlin und eines Fritz Schewezlant.10) Auch der 1309 als
Biirge aufgefiihrte »Her[man] glaser« ist wohl mit ihm identisch.11)
Albert Gtimbel.
8) Im J. 131 1 wurde auf Klage »Sifridi de Vtenhoven« ein gewisser Heinrich
Nordelinger wegen Verwundung der Ehefrau des Ersteren aus der Stadt verwiesen.
9) Zu vergleichen ware auch der Anm. 28 meines Aufsatzes erwahnte Herman
Weinschroter v. J. 1 370.
,0) K. Kreisarchiv Nlirnberg, M. 8.314 a, NeubUrgerverzeichnis v. J. 1310: Ch. Oberlin,
fidejusserunt Hermjan] maler er Fritz Eppellin feria VI a ante Katerine (= 20. Novbr.).
Auch dieser Oberlin stammte aus Hilpoltstein, wie aus einem NeubUrgerverzeichnis vom
Jahre 1322 (k. Kreisarchiv, M. S. 229) hervorgeht. Es findet sich dort vorgetTagen:
Oberlin de Lapide, fidejusserunt Fritz Arnolt et Fritz Eppellein in crastino Symonis et
jude (= 29. Oktober). Vielleicht dUrfen wir aus dieser Notiz noch weiter schlieflen,
daB unser Maler Herman damals (1322) schon tot war, denn bemerkenswerterweise er-
scheint hier wiederum der gleiche Fritz Eppellein als Biirge wie im Jahre 1 3 10 bei Auf-
nahme desselben Oberlin, nicht aber jener »Herman maler«, an dessen Stelle ein Fritz
Arnolt getreten ist.
1312: Fritz Schewezlant, fidejusserunt Herm[an] maler et Heinricus LoheneT
Nicolai in crastino (= 7. Novbr.).
") Ebenda 1309: WofTenberger et Reicherus, fidejusserunt Ch. Pilgrim et Herm[an]
glaser sabbato ante Michahelis (= 27. Septbr.).
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Zu Lucas Cranach.
Auf dein Holzschnitt Cranachs : Christus und die Samariterin (Lipp-
rnann 30) stehen bekanntlich an der Brunnenmauer die Buchstaben LVC.
Zum Teil hat man angenommen, das seien die Anfangsbuchstaben des
Namens L(ucas) v(on) C(ranach), hat sie demgemafi durch Punkte ge-
trennt und auch wohl darin den Beweis dafiir gesehen, dafi Cranach
durch den Wappenbrief von 1508 geadelt worden sei. Mit Recht erhebt
Flechsig in seinen Cranachstudien (Band I S. 61) dagegen Einspruch, Der
Adel war Cranach durch den Wappenbrief nicht verliehen. Flechsig geht
noch weiter: Das LVC bezeichnet „ nicht den Meister Lucas, der den
Holzschnitt geschaffen hat, sondern den Evan gel is ten Lucas, bei dem
die Erzahlung von Christus und dem samaritanischen Wei be stent" Nun
mufi es ja freilich wunderlich erscheinen, wenn eine Signatur, die auf
den Kiinstler bezogen wenlen kann, plotzlich nicht mehr auf ihn gehen
soil, sondern auf die Quelle, aus der die Darstellung geschopft ist. Immer-
hin scheint die Hypothese bei oberflachlichem Zusehen etwas fiir sich zu
haben. Nichtsdestoweniger ist sie vollstandig hinfallig; denn die Erzahlung
findet sich bei Lucas uberhaupt nicht, sondern nur bei Johannes (Kap. 4).
Man wird sich also schon daran gewohnen miissen, das LVC als Ktinstler-
signatur fiir Lucas Cranach gel ten zu lassen. Ob eine Beziehung auf
L(ucas) v(on) C(ranach) an sich ganzlich ausgeschlossen erscheint — da
er >von< Cranach stammte, konnte er sich nach dem durchaus tiblichen
alteren Sj)rachgebrauch auch als von Cranach bezeichnen — wird sich
schwer entscheiden lassen. Da er aber nach Schuchardt (I S. 1 7) in den
Urkunden nur einmal so bezeichnet wird, so ist es nicht ilbermafiig
wahrscheinlich. Karl Simon-Posen.
Rcpcrtoriuin fiir Kiin!»t\vis>cnschaft, XXVIt. 35
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Literaturbericht
Mai ere i.
Robert Vischer. Peter Paul Rubens. Berlin, Bruno Cassirer 1904,
142 S.
»Ein Buchlein fur unzlinftige Kunstfreunde« hat Robert Vischer
auf dem Titelblatt seine Arbeit zubenannt — eine Abwehr an diejenigen,
die ein Buch nur auf neue Tatsachen hin ansehen. Wer aber so viel
tiber einen Meister zu sagen weifi, wer, mehr noch, was er sagt, in so
gelauterter Form sagt, darf darauf zahlen, dafi auch unter den Fach-
genossen sich viele finden, die ihm mit Vergntigen folgen.
In der Charakteristik des Meisters, die nicht ganz die Halfte des
Buches umfafit, wird nicht ein wesentlicher, fur das Verstandnis dieser
grandiosen und vollig einheitlichen Personlichkeit, die Rubens war, not-
wendiger Zug vermifit werden. Sein Entwicklungsgang, die Einflusse,
die er in Italien einpfing, sein Verhaltnis zur Natur und seine Auf-
fassung von dieser sind mit breiten, meisterhaften, ja direkt Rubensschen
Strichen dargelegt.
In einem »Beiwerk« uberschriebenen zweiten Abschnitt gibt Vischer
eine Auswahl von » pieces justificatives«. Hier koinmt Rubens selbst,
die Zeitgenossen und die nanihaftesten Forscher zum Wort Auf den
sehr bedeutsamen Abschnitt »Sein Kolorismus«, S. 77 — 103, sei nach-
driicklich hingewiesen.
Einige Hinweise sind in den »Anmerkungen« (S. 121 fT.) gegeben,
und ein »Nachwort« legt die Anschauungen von Julius Lange tiber
Rubens kurz und kritisch dar.
In einer Zeit, die an Einzelforschung so viel hervorbringt, erfreut
eine knapp zusammenfassende, rein charakterisierende Darstellung, wie
sie Vischer bietet. Freilich: nur wer seinen StofT meistert, der findet
auch so kunstlerische Form. Dafi jene Vorbedingung fehlt, tragt gewifi
an vielem Mifilungenen in der Gegenwart die Schuld. Unter diesem
Gesichtspunkt betrachtet, kann Vischers Buch vorbildlich sein.
Es gehort zu denjenigen, die es bewirken konnen, dafi das Inter-
esse an der Kunstgeschichte nicht ganz erlischt — bei den >unziinftigen
Kunstfreunden«. G. Gr.
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Literaturbericht. c I y
Kunsthandwerk.
Deutsche Schmelzarbeiten des Mittelalters und andere Kunst-
werke der kunsthistorischen Ausstellung zu Dtisseldorf 1902.
Herausgegeben von Ottov. Falke und Heinrich Frauberger. Frankfurt a. M.
1904. Joseph Baer u. Co., Heinrich Keller. Mit 130 Lichtdrucktafeln,
25 farbigen Lichtdrucktafeln und 55 Textabbildungen.
Die vorliegende Publikation ist keineswegs nur ein Prachtwerk,
welches dazu dient, die Kunstwerke, die eine gltickliche Gelegenheit zu-
sammengefiihrt hat, in Abbildungen festzuhalten und damit ein bleibendes
Andenken in der Biicherwelt zu schaffen, sondern sie bedeutet sehr viel
mehr, sie ist eine hervorragende wissenschaftliche Leistung und bringt
zum ersten Male Ordnung in ein kunstgewerbliches Gebiet, dessen Er-
zeugnisse den kostbarsten Teil der mittelalterlichen Kirchenschatze aus-
machen, das Email.
Dem Ausstellungsprogramm gemafi sind nur die deutschen Schmelz-
arbeiten herangezogen, doch sind es auch gerade diejenigen, uber die
man bisher am wenigsten feste Urteile besafi, wahrend das byzantinische
und das Limousiner Email schon eingehendere Behandlung gefunden haben.
Die Verfasser behandeln zuerst den Zellenschmelz auf Gold, dessen
Glanzzeit in Deutschland in das Ende des 10. Jahrh. fallt. Die Aus-
stellung zeigte einige der bedeutendsten Stiicke, wie den Trierer Andreas-
Tragaltar. Da der Ursprung dieser Kunst byzantinisch ist, so besteht die
Streitfrage haupts&chlich darin, ob die einzelnen Stiicke byzantinischer
Import oder in Deutschland gemacht sind. Die Entscheidung ist da
nicht leicht, beides scheint nebeneinander hergegangen zu sein, manche
Stiicke sind zu roh, als dafi sie fur importiert gel ten konnen, andere
geben sich, wenn auch nicht als schlechte, so doch mindere Nachahmung
besserer zu erkennen und lassen die besseren daher leicht als fremdes
Vorbild erscheinen, zumal wenn auch die ornamentalen Formen durch-
aus byzantinisch sind, wie bei einzelnen Stiicken des Andresal tares. Auch
v. Falke kommt nicht uberall zu einer absolut sicheren Entscheidung.
Man hat hier zu wenig feste Anhaltspunkte. Wenn d. V. die Emails des
Petrusstabes des Egbert von Trier als einheimisch betrachtet, weil sie
sich der Form der Hiille genau anpassen, so mag dies wohl richtig sein,
aber man konnte einwenden, dafi durch die Theophano, der auch in
diesem Buche ein grofier Einflufi auf die Einbiirgerung byzantinischer
Kultur zugestanden wird, ebensowohl ein byzantinischer Goldschmied der
Trierer Werkstatt zugefiihrt sein kann, und wenn andrerseits die Emails auf dem
Aachener Evangeliendeckel (Taf. 7) ftir griechischen Import gehalten werden,
weil sie eine Hinzufiigung aus dem Ende des 10. Jahrh. bilden, wahrend die
iibrigen Teile des Einbandes schon dem 9. Jahrh. angehoren, so mag auch
35*
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^ 1 8 1 .iteratiirbericht.
hier die Zuweisung rich tig sein, aber den Grund kann man bier erst recht
nicht zugestehen, denn der Kinband ist rneines Erachtens vollstandig ein-
heitlich, aus der Zeit um iooo, auch gehort das Elfenbeinrelief zu den
byzantinischen, deren Einflihrung erst seit dem Ende des 10. Jahrh. nach-
zuweisen ist und die getriebenen Goldreliefs haben zu starke Beziehung
zum Aachener Antependium um das Jahr iooo, als dafi man sie vor diese
selbe Zeit zuriickdatieren konnte. Dafi die schleifenartigen Bander sich
auch schon in karolingischer Zeit, dort aber in groberer Form, linden,
kann dagegen nicht die Wage halten. Kunstgeschichtlich ist diese ganze
Frage nicht sehr wichtig. Dafi Byzanz die Lehrerin ist, ist klar; dafi die
Schuler es zu einer grofien Fertigkeit brachten, zeigen ebenfalls noch
Stiicke genug; dafi die Technik noch durch das elfte Jahrhundert ge-
pflogt wurde, beweist die Serverinsplatte in Koln (Taf. 2). Die genaue
Trennung im einzelnen spitzt sich zu einer Kennerfrage zu.
Von viel grofierer Bedeutung ist die Behandlung des eigentlich
abendlandischen Grubenschmelzes. Der Verfasser legt in anschaulicher
Weise dar, wie die Grundlage fur alle die Wandlungen vom Zellen- zum
Grubenschmelz in dem Wechsel des Materials beruht. Statt des byzan-
tinischen Goldes nimmt man Kupfer, daher verschwinden die transparenten
Emails, die Sparsamkeit des Metalles hort auf, und dickere Platten fuhren
zum Einstechen der Gruben. Die Zellentechnik bleibt daneben, beson-
ders bei geometrischen Ornamenten, bestehen und »gemischtes Email «
gilt keineswegs als ein Zeichen der Ubergangszeit, sondern bildet sich
auch spater durch praktische Anpassung an ornamentale Erfindung.
Die Methode, die der Verfasser befolgt, um Ordnung in die zahl-
reichen Tragaltare, Reliquienschreine und Geratschaften zu bringen, ist
die einzig richtige. Er bildet Gruppen von formal und technisch uber-
einstimmenden StUcken und versucht dann die zusammengehorigen Ar-
beiten durch aufiere Angaben bei diesem oder jenem Stticke zeitlich und
ortlich festzulegen. Auf diese Weise gelangt er zu neuen und interessanten
Resultaten. Als unbedingt wichtiges Zentrum stellt sich Koln heraus
und zwar das Benediktinerkloster St. Pantaleon; hier laufen alle Faden
zusammen, es folgen dann Aachen, Trier, Hildesheim und neben Koln
und unabhangig von diesem die Tatigkeit in der Maasgegend, mit ihrem
Mittelpunkt wahrscheinlich in Ltittich. Siegburg, das bisher als eine
Hauptquelle fiir die rheinischen Emails des 12. Jahrhunderts gait, wird
entthront und den in Siegburg noch vorhandenen Werken eine fremde
Provenienz zugewiesen.
Es gllickt dem Verfasser nun auch, flir die meisten Gruppen eines
Kiinstlernamens habhaft zu werden, und so registriert er die Hauptwerke
unter diese Namen, was dem Gesamtaufbau ein sehr festes und klares
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Litcraturbericht. c j g
Gefiige gibt. Dieses Zusammenfiigen von Meistergruppen unci Werkstatt-
gruppen ist mit Freude zu begriifien, es erleichtert die Ubersicht und das
sichere Urteil des Verfassers bringt uns das Verwandte zueinander. Ein
etwas grofierer Vorbehalt als der Verfasser zugesteht, scheint mir aber
doch am Platz zu sein in bezug auf die Grenzen der einzelnen Kunstler-
personlichkeiten. Hier scheint mir doch haufig ein grofierer Nachdruck
auf eine Teilung in Werkstiitten oder wenigstens in Werkstattgenossen
an Stelle der Konzentration auf einen zufallig erhaltenen Meisternamen
notig. Wenn hierauf im folgenden zuweilen hingewiesen wird, so tut
dies der Hauptleistung, die im richtigen Gruppieren bestand, keineswegs
Eintrag.
Wir lernen zuniichst die Gruppe des Eilbertus Coloniensis kennen,
der sich auf einem Tragaltar im Welfenschatz als Verfertiger nennt.
Stilistisch schliefien sich die Arbeiten zusammen in Aufbau und Orna-
mentik. Zu ihnen gehort der 1129 datierte Viktorschrein in Xanten, und
so erhiilt die Gruppe ein festes Datum. Leider ist gerade dieses Werk
in sehr schlechter Erhaltung auf uns gekommen und mit vielen spjiteren
Zutaten versehen. Es bleiben nur die kleinen Pfeiler mit ihren orna-
mentalen Emails zur Vergleichung iibrig. Diese aber sind so viel sorg-
faltiger in der Ausfuhrung (ebenso wie die Kapitelle und Basen der
Pilaster) und zugleich so viel abwechslungsreicher in den Motiven als die
ganz einformigen des Wei fen tragal tars, dafi es mir zu gewagt erscheint,
sie derselben Hand zuzuschreiben ; auch die Verwandtschaft in der Schrift,
auf die der Verfasser nachdrucklich hinweist, ist nicht grofier, als dafi
sie auf gieiche Zeit und Gegend schliefien lafit, einzelne Buchstaben, wie
z. B. das R sind bei dem Xantener Schrein.ganz individuell unterschieden.
Und andrerseits wechseln auch oft bei ein und demselben Stiicke die
Schriften so sehr, dafi man damit wenig srharf operieren kann.
Die Lokalisierung wird durch einen aus Koln stammenden 'J'rag-
altar im Darmstadter Museum genauer bestimmt, dessen Stifter sich
Volbero nannte. Der Nachweis eines Benediktiners dieses Namens,
1117 — 1 165 erst als frater, dann als custos und schliefilich als Abt im
Kloster St. Pantaleon, bestatigt diese Statte als Ausgangspunkt der Ar-
beiten. Auch dieses Werk ist leider wiederum ziemlich dtirftig in der
Emailausstattung und bietet dafiir nicht sehr viele Anhaltspunkte. Da-
neben ware noch eine andere Stiftung desselben Marines heranzuziehen,
es ist eine hervorragend schone Platte, die, aus ihrer urspriinglichen
Zusammensetzung herausgelost, off en bar von einem modernen Handler
zur Restaurierung eines Limousiner Reliquiars im Berliner Kunstgewerbe-
Museum (Sammlung des Prinzen Friedrich Karl) verwandt worden ist.
Die Figuren der Kreuzigung, des Noli me tangere und der Frauen am
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C20 Literaturbericht.
Grabe sind in Vergoldung ausgespart, Grund und gegenstandliches In-
ventar emailliert, und zwar in selten vielfarbigen und zarten Tonen, wie
dreierlei verschiedenem Grau, Tiirkis, Gelbgriin, Gelb, wenig gelblichem
Rot und Weifl. Das sonst beliebte kraftige Blau fehlt ganz. Auch die
rosa fleischfarbene Emaillierung der an den Figuren eingravierten Zeich-
nung ist etwas Aufiergewohnliches. Der neben dem Kreuze stehende
Martyrer Ferrutius lafit darauf schliefien, dafi es sich um den Rest einer
Stiftung fiir das Benediktinerkloster Bleidenstadt zwischen Mainz und
Frankfurt handelt, wo die Gebeine dieses Heiligen aufbewahrt wurden.
Auch bier ist der am Boden liegende Stifter einfach wie in Darmstadt
als »Wolpero« (die etwas andere Orthographie spricht nicht gegen die
Identitat) bezeichnet, ohne Rangangabe; es mttflte also auch diese
Platte vor 1141 fallen, wenn die Annahme v. Falkes richtig ist, dafi der
blofle Name flir den noch amtslosen Frater spricht Der Stil der Figuren
aber macht dies zweifelhaft, er steht schon den Fridericus-Werken sehr
nahe. Jedenfalls wird das Bild der Technik im Kloster durch dieses
Sttick bedeutend erweitert
Die Fridericusgruppe folgt der des Eilbertus. v. Falke teilt sie in
eine altere und eine jiingere, benennt aber beide nach demselben Meister,
der sich auf dem der zweiten Gruppe angehtfrigen Maurinusschrein in
Koln (aus St. Pantaleon) nennt, weil zwischen beiden doch so viele
Ahnlichkeiten sind, dafi sie nur als Phasen in der Tatigkeit desselben
Mannes angesehen werden. Auch hier konnte man das Verhaltnis von
Werkstatt und Individuum verschieben, aber auch hier ist die Gruppierung
an sich vollstandig einleuchtend. Charakteristisch sind besondere spitzig
gezackte Blattformen, Distel- und Eichenblatt ahnlich, wohl in versuchter
Nachahmung des Akanthus, doch weichen dieselben in der zweiten Phase
fleischigeren Blattern mit einfacheren Konturen. Es hangt dies wieder
mit technischen Dingen zusammen, denn man fangt an, farbige Ranken
auf farbigen Schmelzgrund anstatt des stehengebliebenen Goldgrundes
zu setzen. Damit bekommt die Ornamentik einen ganz anderen Cha-
rakter. Auch der aufiere Aufbau wird reicher, die Turm- und Kuppel-
formen werden beliebt Das von Fridericus bezeichnete Sttick, der
Maurinusaltar, von dem viele Details in Abbildungen gegeben werden,
ist zugleich auch die hochste Leistung des Schmelzwerkes, seine Ent-
stehung wird um 1180 angesetzt und besonders in den grofien Email-
platten der Erzengel ein Einflufi vom Deutzer Heribertschrein angenommen.
Damit ist ein befruchtendes Element von auswarts festgestellt, denn der
Heribertschrein wird als ein Produkt der Maasschule bestimmt Der
Verfasser schreibt ihn dem Godefroid de Claire zu, der seinen Hauptsitz
in Liittich gehabt haben soil, dann etwa zwischen 1150 und 1169 den
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Literaturbericht.
521
Deutzer Schrein, vielleicht in Deutz selbst, gearbeitet und schliefilich in
Maastricht eine Werkstatt gegrundet hat. Die Gruppierung und Charak-
terisierung dieser niederlothringischen Werke des Maastales ist ein wesent-
liches Verdienst der Publikation, sie zeichnet auch scharfer den Umfang
des rheinischen Emails. Das figtirliche Email spielt in der Maasgegend
eine grofiere Rolle, die Verwendung erstreckt sich weiter auf die ver-
schiedensten Gegenstande des Kultus, wahrend in Koln die Reliquien-
bergung fast den einzigen Anlafi bietet. Urkundlich verknupft sich der
Name des Godefroid allerdings nur mit einigen spaten und wenig eigen-
handigen Silbersarkophagen von 1173, das friiheste datierte Werk derselben
Richtung aber fallt schon in das Jahr 11 45. Das Kloster Stavelot, reich an
Schatzen, das bisher fiir viele dieser Arbeiten in Anspruch genommen
wurde, verschwindet gegeniiber Llittich ebenso wie Siegburg gegeniiber
Koln.
Nun beginnen in Koln die grofien prunkhaften Reliquienschreine
vom Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts. Neue anonyme
Meister treten auf, wahrend Fridericus Hand noch an einigen dieser
Werke mitgeholfen hat. Der Annoschrein in Siegburg entstand urn 1183;
der Albinusschrein um 11 86 in S. Maria in der Schnurgasse stammt aus
S. Pantaleon und bekraftigt durch seine genaue Nachahmung des Anno-
schreines die Ansicht, dafi auch dieser aus demselben Kloster kam. Das
gewaltigste Stiick bildet der Kolner Dreikonigsaltar in der Form der
dreischiffigen Basilika, dessen Herstellung sich durch Jahrzehnte hinzog
und dessen Figuren schon das 13. Jahrhundert andeuten. Auch erreicht
bei diesem Schrein das geometrische Ornament im Email, das mit dem
Annomeister wieder einsetzt, eine starke Ausbildung und bleibt von jetzt
an bis zum Verfall des Kolner Emails herrschen. In der zweiten Halfte
des 13. Jahrhunderts erlischt das Kupferemail hier iiberhaupt in der auf-
strebenden Gothik. Die grofiere Verwendung des Silbers, die auf den
farbigen Schmuck verzichtete, mag von Einflufi gewesen sein, wie der
Verfasser angibt, mehr aber vielleicht noch die Neigung fiir Maafiwerk
und Durchbrechung der Flachen.
Eine besondere Gruppe bilden die lothringischen Emails. Magister
Nicolaus von Verdun hat 1181 und 1205 Werke signiert. Bei ihm liegt
der Nachdruck auf der Zeichnung, die sich in rot und blau emaillierten
Strichen auf der von blauem Grund umgebenen Goldfigur markiert.
In der Behandlung der bisher besprochenen Gruppen vermifit man
das nahere Eingehen auf die Emaillierung der gravierten Linien, die
ebenfalls ihre Verschiedenheit hat, in den Farben wechselt, oft auch ganz
fortbleibt. An die Werke desVerdunerMeisters schliefien sich solche vonTrier
und Koblenz. In der Idcntifizierung des Meisters der Trierer Reliquien-
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522
Literaturbcricht.
tafel der Matthiaskirche und des Mettlacher Kreuzreliquiars kann ich
dem Verfasser nicht folgen, jedenfalls scheint mir mit Clemen der
Zeichner der Gravierungen doch zu ungleich im Stil und in der Qualitat,
wenn auch der Gesauitcharakter der Stticke auf lokale Zusammengehorig-
keit weist.
Endlich werden die Aachener Munsterschreine behandelt und schon
aus der Mischung Kolner Einfliisse mit solchen von der Maasgegend
eine eigenc lokale Tatigkeit konstituiert, bei der manche Eigenheiten
hervorgehoben werden. Die Schreine dieser Gruppe gehoren schon ganz
dem 1 3. Jahrhundert an und bilden daher den Schlufi der Entwicklung.
Neben diesem grofien niederrheinischen Komplex, der alles Wesent-
liche der deutschen Emailhexstellung umfaflt, werden in dem Buch dann
noch einige Exkursionen in die westfiilisch-sachsische Gegend gemacht.
Schon in den Anfang des 12. Jahrhunderts fallen die Nielloarbeiten des
Rogkerus von Helmershausen, dem das zweite Kapitel gewidmet ist.
Fiir Paderborn sind die meisten seiner Arbeiten geschafTen. Sein Zeichen-
stil ist ein ganz charakteristischer.
Eine Abzweigung des richtigen Emails dagegen verlegt der Ver-
fasser nach Hildesheim. Es gehoren hierher Werke, die sich etwa an
die Kolner Arbeiten urn die Mitte des 12. Jahrhunderts anschliefien, sich
von diesen besonders durch kleine Metallstifte auszeichnen, die in dem
ausgehobenen Emailbett stehengeblieben sind und auf der Emailrlache
als unregermafiige goldene Tupfen ercheinen. Auch in der Art der
Zeichnung lassen sich Ubereinstimmungen finden. Die Provenienz vieler
Stiicke aus Hildesheim (dies gilt beim Verfasser sonst allerdings nicht
als Argument), die Anbringung Hildesheimer Heiliger und andere Be-
ziehungen der Stticke zu Sachsen machen es hochst wahrscheinlich,
dafi Hildesheim der Herstellungsort dieser Stiicke war. Der Verfasser
beginnt seine Darlegung mit zvvei Platten aus dem Hildesheimer Dom-
schatz, die auf der Diisseldorfer Ausstellung waren. Es gehoren dazu
noch vier andere ahnliche Platten im Domschatz, die ebenso wie die
publizierten viele figiirliche Szenen enthalten und damit das Vergleichungs-
material nicht unerheblich bereichern. Eine genauere Bestimmung des
auf einem Stiicke dieser Werkstatt knieenden Benediktinermbnches >We-
landus steht noch oflfen. Nach ihm ist die Gruppe einstweilen benannt.
Auch sie ist damit dem Orte Siegburg, dem Stiicke derselben friiher
durch Gracven zugewiesen wurden, entrissen.
Man ersieht aus dem Referat, wie grofi die Masse des Stofles und
wie verhaltnismafiig iibersichtlich seine Gliederung ist. Man wird von
jetzt ab weniger im unklaren tappen, sondern dank diesem Buch auf
der breiten (irundlage weiter bauen konnen. Im einzelnen wird. sich
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Literaturbcriclit.
523
durch Einfugen neuer Stiicke noch manches scharfer gestalten, einiges
modifizieren, die Richtschnur im ganzen aber ist damit geschaflfen. Und
schon jetzt laBt sich an dem in der Publikation gebotenen Stoff, der in
den ungefahr 200 Tafeln und Textabbildungen sehr bequem vorgelegt
wird, neben der Untersuchung des Emails manche andere vornehmen, vor
allem die der Entwickelung der Ornamentformen vom Anfang des 12.
zuni Anfang des 13. Jahrhunderts, woftir sich selten solches dem Ent-
stehungsort und der Materie nach gleichartiges Material in guten Ab-
bildungen beisammenfindet. Damit ist gesagt, dafi das Buch iiber den
speziellen Kreis seines Gegenstandes hinaus zu den wichtigen und nicht
sehr zahlreichen Werken gehort, die die Geschichte der deutschen mittel-
alterlichen Kunst zu ihrem Aufbau durchaus notig hat.
Adolph Goldschmtdt.
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Ausstellungen.
Die kunsthistorische Ausstellung zu Dusseldorf 1904.
Die altniederlandischen und altdeutschen Gemalde.
Von L. Schcibler.
Von Friihjahr bis Herbst 1904 fand in Dusseldorf eine Gartenbau- und
international Kunst-Ausstellung statt, woran sich eine kunsthistorische
anschlofi. Als Fortsetzung der von 1902, welche in der mittelalter-
lichen kirchlichen Kunst Westdeutschlands, hauptsachlich der plastischen,
ihren Schwerpunkt hatte, enthielt die diesjahrige meist westdeutsche
Gemalde vom 14. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Zunachst waren
es Erzeugnisse der Buchmalerei vom 7. bis zur Mitte des 16. Jahr-
hunderts, die sehr zahlreich und gut vertreten war; das von P. Clemen
verfafite Verzeichnis enthalt 121 Nummern (kurze Uberblicke daruber
von P. Schubring: Preufi. Jahrbucher 1904 II 58 und von A. Marguillier:
Gaz. d. b.-a. 1904 Okt. S. 266 — 7).1) Als Anhang dazu waren 16 Hand-
zeichnungen vorhanden, aus Berlin und Dresden, die Erganzungen zu den
Tafelgemalden bildeten. Weitere kleine Abteilungen (Verzeichnisse von
Paul Hartmann) enthielten Stickereien und Tapisserien, 15 Num-
mern, wovon sieben bis vor 1528, und Skulpturen, 2 o Nummern; von diesen
ist hervorzuheben die Bronzebliste Philipps des Guten, burgundisch, vom
letzten Viertel des 15. Jahrhunderts (Stuttgart, Kgl. Schlofi), woniber der
Katalog das Notige sagt. — liber die hollandischen Gemalde des 17. Jahr-
hunderts wird ein Fachgenosse berichten2); ich behandle hier nur die
friiheren Tafelbilder.
Als das von der Ausstellung beriicksichtigte Gebiet, worauf diese
Gemalde entstanden, nennt die von Clemen verfafite Einleitung des
J) Mir fehlte es an Vorkenntnissen und Zeit, urn mich ins Studium der Minia-
turen zu vertiefen; hoffentlich ist von Sachkennern diese auflergewohnliche Gelegenheit
benutzt worden, namentlich zur Klarstellung der Vorgeschichte des Eyck-Stils.
2) Flir die wenigen italienischen Bilder vgl. G. Frizzoni, Rassegna d'arte, Jan.
1905, S. 6 — 8; bei der Leda aus Neuwied billigt er Firmenichs Ansicht: Gian Pietrino.
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Ausstellungen. 525
Katalogs auf S. VII: vornehmlich den Niederrhein, Westfalen und die
Niederlande; als Anhange sind hinzugenommen: drei Hauptwerke vom
Oberrhein und zwei Gruppen vom Mittelrhein (Hausbuch-Meister und
ein Frankfurter Dtirerschliler). Die Anwesenheit der iibrigen oberdeutschen
Bilder erklart sich dadurch, dafi sie aus westdeutschem Besitz stammen.
Ausstellungen von Gemalden, wo die »primitiven« nordlichen
Schulen eine Hauptrolle spielten, hat es bisher in Deutschland und den
Niederlanden erst wenige gegeben; am Niederrhein und in Westfalen
nur: Koln 1855 und 1876, Bonn 1868, Miinster 1879, Aachen 1903.
Die gelungene und ergebnisreiche Briigger Ausstellung der Altniederlander
von 1902 hat anregend gewirkt, so dafi hoffentlich fortan solche Aus-
stellungen sich ofter wiederholen. — Es war ein Bestreben der Veran-
stalter, »die Hauptwerke eines Meisters, einer Schule, die gerade im
Mittelpunkt des Interesses stehen, an einem Ort zu vereinigen« (Clemen
in einem Artikel in der »Woche< Nr. 33 S. 1463). Leider war dies
lobliche Bestreben betreffs der Werke einzelner Meister nur bei Jan Jo est
erfolgreich, indem die vielbilderigen Kalkarer Altarflugel sein Gesamt-
werk darstellen (aufier dem auch vorhandenen zweifelhaften Pfingstbilde).
Bei den anderen am reichsten vertretenen Mai em (Stefan Lochner,
Severinsmeister, Bruyn d. A., die Dtinwegge-Gruppe, Ludger torn Ring,
Meister des Marientodes, Hausbuch-Meister, Cranach) fehlte eine betracht-
liche Anzahl von Hauptwerken; doch mufiten die Krforscher dieser
Kiinstler schon fur die mehr oder minder zahlreiche Auswahl dank-
bar sein. Betreffs der Reichhaltigkeit ganzer Schulen trat die west-
falische betrachtlich hinter der kolnischen Schwesterschule zuriick; hier
ware eine gleichmafiigere Vertretung erwiinscht gewesen, indem beide
im 15. Jahrhundert, namentlich in der ersten Halfte, sich so nahe stehen,
dafi die Gelehrten ofters iiber die Herkunft solcher Werke uneins sind.
Leider wurden von den wegen des Neubaues der Galerie zu Munster
verfiigbaren und gewiinschten vielen westfalischen Bildern nur dreizehn
hergegeben; aus naiven Gestandnissen der journalistischen Bericht-
erstatter ist zu ersehen, wie wenig »man« von der westfalischen Schule
und ihrem Stillleben im Museum zu Miinster und in westfalischen
Kirchen und Sammlungen weifl.
Es hat wohl an Raum gefehlt, um alles zu erhaltende und der
Aufstellung wiirdige unterzubringen, zumal die Kirchenbilder sehr urn-
fanglich sind; 3) hoffentlich ist bei der nachsten Gelegenheit viel mehr
3) Nur so war zu cntschuldigen, dafi der grofie Dortmunder FlUgelaltar der
Dtlnwegge so hoch angebracht war (viel hbher als an seiner Stelle in der Kirche),
dafi sein Studium und die Vergleichung mit den verwandten Bildern sehr schwierig
wurde (vgl. Voll Sp. 6).
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526 Ausstellungcn.
Platz zu schaffen. Aus Rauinmangel erklart sich auch, dafi in der Aus-
wahl etwas angstlich der Geschmack der fur die Primitive!! erst zu ge-
winnenden Laien beriicksichtigt wurde; man hatte sonst einen besonderen
Raum mit minderwertigen Stiicken fiir Spezialisten anfiillen und davor
eine das Publikum abschreckende Inschrift anbringen konnen. Ander-
seits freilich ist anzuerkennen, dafi kein Schund, namentlich nichts von
den massenhaft angebotenen Falschungen angenommen wurde. Einzelnen
grofien Sammlungen wurden besondere Kojen angewiesen; das hatte seine
gutcn Griinde, aber auch den Narhteil, dafi dadurch einige primitive
Hilder zu weit von den zugehorigen getrennt wurden. — BetrefTs zu
hoher Aufstellung kam nur der eine genannte Fall vor und betreffs zu
dunkler eines wertvollen Stiickes ist nur die Pieta Nr. 150 zu nennen;
an eine Fensterwand soil ten iiberhaupt keine Hilder gehangt werden.
Nirht immer war Sorge dafiir getragen, die bemalten Riickseiten von
Fliigelbildern besiehtigen zu konnen; z. 13. war die viel diskutierte Mainzer
Tafel Nr. 223 so befestigt, dafi die wichtige Riickseite durchaus unzu-
ganglich wurde.
Im ganzen waren gegen vierhundert Hilder zusammen; von den
Sammlungen, die ihre Schiitze hergegeben hatten, war am meisten vor-
handen von: Konsul Weber (32 Gemalde), Frau Werner Dahl (28), Frei-
herr von Brenken (23), Frau von Cars tan j en (19), Herzog von Arenberg
(10), Fiirst zu Salm-Salm (17), W'estfalischer Kunstverein zu Minister (13,
Fiirst zu Wied (n\ Frhr. v. Heyl-Herrnsheim (10), Karl von der Heydt (9),
Geh. Kommerzienrat Michel (9), Grofiherzog von Hessen (8), Frau Dr.
Virnich (8), Frau Prof. Bachofen-Burckhardt (7) und Prof. Dr. G. Martius (6).
Nicht an Zahl, doch an Wert der Stiicke glanzten die Beitrage von der Dres-
den crGalerie, Fiirst Liechtenstein, Rittmeister von zurMuhlen, Fiirst v.Hohen-
zollern, Galerie zu Strafiburg und Familienanwartschaft Wesendonk ; ferner
die Gemiilde aus Kirchen von Aachen, Dortmund, Essen, Kalkar, Kolmar,
Koln, Linz, Soest und Xanten. Allen Besitzem von Privatsammlungen,
sowie den weltlichen und geistlichen Korperschaften, die Einsicht,
Nachstenliebe und Interesse genug hatten, der an sie gestellten Auf-
forderung zu entsprechen, geblihrt der voile Dank der wenigen Kenner
und der vielen Liebhaber alter Gemiilde. Die anderen Besitzer guter
Hilder sind hoffentlich bei niichster Gelegenheit zuganglicher; denn es
fehlte allerhand, was man zu finden erwartet hiitte; aber man darf den
sachverstiindigen und tiitigen Feitem der Ausstellung zutrauen, dafi die
Schuld nicht an ihnen lag.
Von diesen Herren ist zunachst Prof. Dr. Paul Clemen zu nennen,
der Vorsitzende der Abteilung, welcher Hauptveranlasser der kunsthisto-
rischen Ausstellung war und das Program m aufstellte. Seiner Energie
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Ausstellungen. ^ 2 7
und Organisationsgabe, seinen amtlichen unci person lichen Verbindungen
verdankt die Ausstellung eine Reihe ihrer schonsten Erfolge; ihm fiel groflen-
teils die Aufgabe zu, Saminlungen und Kinzelwerke anzuwerben. — Dr. Ed-
mund Renard hatte als Schriftfiihrer den umfanglichen Schriftwechsel zu
bewaltigen und die Einlieferung und Aufstellung der Kunstwerke zu uber-
wachen. — Prof. Dr. Ed. Firmenich-Richartz stellte die Liste der zu
erstrebenden Tafel- und Leinwandgernalde auf; audi ferner ubernahm er
die gesamte wissenschaftliche kritisdie Arbeit fiir diese Bilder und stellte
seine Tatigkeit und gediegene Kennerschaft vollkomnien in den Dienst des
Un tern eh mens. Auf zahlreichen und ausgedehnten Reisen besuchte er
entlegene Kirdien und Adelssitze zur Priifung des Materials. — Ferner
machte sidi nodi durch Anwerbung von Kunstwerken verdient: Direktor
Dr. M. Fried lander (fiir Berliner und auslandische Sammlungen).
Der Katalog der verschiedenen Abteilungen ist allenthalben sehr gut
aufgenommen worden*); Aug. Marguillier nennt ihn in der Gazette des beaux-
arts »parfait a tous egards*. Das Verzeichnis der Gemalde von
Firmenich enthalt alle Angaben, die ein wissenschaftliches bringen soil,
auch mit der notigen Genauigkeit. Nur die Beschreibungen waren zuweilen
durch grofieren Verbrauch von > rechts« und »links« verwendbarer geworden:
man wiirde dadurch eher einBild nach der bloflen Beschreibung identifizieren
konnen. — BetrefTs der Freiheit bei der Meister-Benennung bringt
die Vorbemerkung Seite 2 den schwerwiegenden Satz: >Bei den Be-
zeichnungen muflte (vielfach) auf die Wtinsche der Aussteller Riicksicht
genommen werden« (das » vielfach « kam erst in der 2. Auflage hinzu).
Das ist ja bei Ausstellungen brauchlich; wir wollen uns schon freuen,
dafl der Verfasser doch ziemlich freie Hand hatte, namentlich bei den
Primitiven. Es zeigt sich darin ein betrachtlicher Fortschritt gegentiber
anderen Ausstellungen, z. B. den Londoner, wo die allertollsten Taufen der
beati possidentes kalt lachelnd angenommen werden; ebenso war es ja
beim offiziellen Katalog der Brugger Ausstellung, wo dann erst spater
ein kritischer all' den albernen Wust wegfegen mufite. In manchen
Fallen hatte Firmenich die Freiheit, seine abweichende Ansicht wenigstens
in einer Note auszusprechen ; jedoch bleibt noch eine ziemliche Anzahl
von zweifelhaften Zuschreibungen, wo eine solche fehlt. Bei meinen
Riicksprachen mit ihm sind mir die meisten seiner anderweitigen
Privatansichten bekannt geworden, doch habe ich sie auf seinen Wunsch
4) Nur Yoll ignoriert den Katalog und seine Verfasser: er spricht immer nur
von »man«; ich meine, grade die Kunsthistoriker miiflten eine so treffliche Vorarbeit
fiir ihre Studien dankbar anerkennen. — Cbrigens ist dieser Gebrauch von »man« ein
Unfug, weil versehwommen: man weifi nie, ob ein einzelner gemeint, oder einige,
oder viele (dies rman" grassierte im alten Pinakothek-Katalog Marggraffs).
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528 Ausstellungen.
nirgends erwahnt. Hoffentlich veranlaflt ihn mein Widerspruch gegen
nianche Katalogtaufen dazu, mit der Aussprache und Begrlindung seiner
davon abweichenden Ansichten hervorzutreten. Ubrigens enthalt die im
August ausgegebene zweite Auflage des Katalogs allerhand Zusatze und
Anderungen, auch in der Meisterbenennung ; bei der Eile, womit die
erste fertiggestellt werden mufite, sind ihre wenigen kleinen sachlichen
und anderen Irrtiimer sehr erklarlich. — Ferner bringt Firmenichs Text
zu dem Lichtdruckwerk5) manche wertvolle Zusatze zu den Bemerkungen
iiber die Bilder im Katalog; fast jedes der aufgenommenen Werke ist
hier historisch und asthetisch gewiirdigt. Ich konnte den Text noch
fur meine Besprechung des Katalogs verwerten und habe tiberall da auf
ihn hingewiesen, wo er neues zur Bilderbestimniung sagt
Die Fachgenossen werden mich vielleicht fragen, wie ich dazu
komme, nach langer Unterbrechung wieder einmal iiber die nordlichen
Primitiven zu schreiben. Das hat die Ausstellung zu verantworten, die
ich zuerst nur aus alter Vorliebe ftir diese Maler besuchte; dann aber ver-
anlafite mich die lehrreiche Zusammenstellung altniederlandischer, nieder-
rheinischer und westfalischer Bilder, meine Attribuzlereien zu Papier zu
bringen; dies namentlich wegen der dargelegten Beschaffenheit des
Katalogs: teils offiziell gefesselt, teils wissenschaftlich kritisch. Zudem
hat meines Wissens bisher noch kein grade in diesen Schulen Sachver-
standiger iiber sie Bericht erstattet, ftir Sachverstandige. 6)
In der Ausstellung lernte ich einen Fachgenossen kennen, Dr. Frei-
herrn Eberhard von Bodenhausen, und war erfreut, meine Ansichten
mit ihm austauschen zu konnen; er ist mit einem Werk iiber Gerard
David und seine Schule beschaftigt und hat deshalb auch die anderen
gleichzeitigen Niederlander griindlich angesehen, auf ausgedehnten Reisen.
— Nach meiner Ruckkehr kam ich mit Dr. Walter Cohen zu Bonn in
nahere Beziehung, durch seine noch zu erwahnende Massys-Schrift ; aus
gleichem Grunde wie vorgenannter hat er sich eingehend mit denselben
Meistern befaflt. Der Verkehr mit beiden Vertretern der jiingeren Gene-
ration war mir sehr wertvoll zur Auffrischung meiner arg eingerosteten
5) Die kunsthistorische Ausstellung zu DUsseldorf 1904, Meisterwerke west-
deutscher Malerei und andere hervorragende Gemalde alter Meister aus Privatbesitz,
herausgegeben von P. Clemen und E. Firmenich-Richartz. 90 Lichtdrucktafeln, Ein-
leitung von Clemen (22 S.) und Bilderbeschreibung von Firmenich (42 S.). F. Brack-
mann, Mtlnchen, M. 100 (die etwas klein bemessene Anzabl der Exemplare [150] ist
schon erschopft).
6) Wahrend der Durchsicbt der ersten Korrektur erhalte ich K. V oil's Artikel
(Beilage z. Allg. Ztg. v. 20. Dez. Nr. 292); ich habe auf ihn in wichtigen Fallen nach-
traglich Bezug genommen. Wie alles von Voll, ist er sehr anregend; leider groOenteils
zu entschiedener Ablehnung.
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Ausstellungen. 529
Kenntnis dieser altniederlandischen Maler und zur Bekanntschaft mit der
neueren Literatur. Ich danke ihnen fur ihre Belehrungen und habe ihre
Ansichten ofters angeftihrt, da es immer meine Art war, das Bilderstudium
kollegialisch zu treiben. Damit meine ich nicht gemeinschaftlichen
Besuch von Sammlungen (wovon ich nicht gerade viel halte), sondern
die Weise, bei schriftlichen Erorterungen iiber schwer zu bestimmende
Bilder auch die Ansichten von achtungswerten Sach vers tandi gen an-
zufiihren und zu besprechen. Es kommt auf diesem schwierigen Gebiet
ja nicht darauf an, zur Befriedigung unserer Eitelkeit nur unsere eigene
Meinung zu verfechten und die befugter Fachgenossen zu ignorieren,
sondern wir wollen durch Kollegialitat im guten Sinne die Erkenntnis
fordern.
Niederlander des 15. Jahrhunderts.
138. Der Engel der Verkiindigung (Worms, Frhr. v. Heyl): »Nieder-
land. Meister um 1430 s beachtenswert wegen der Frage iiber die
niederl. Malerei vor dem Genter Altar.
140. Stehende Madonna vor Brokatvorhang (Wewer, Frhr. von
Brenken): » Niederl. Meister Mitte 15. Jahrhunderts«; ich sehe
wie der Katalog hier eine Mischung der Eyck- und der Lochnerart; das
tiichtige und sehr eigenartige Bild braucht aber nicht gerade nieder-
landisch zu sein, sondern konnte auch einer anderen, wenig bekannten
Schule angehoren, z. B. der franzosischen.
139. S. Petrus als Papst in Kirche thronend nebst Stifter (Darm-
stadt, Freifrau v. Heyl, friiher Koln, Frau Stein): »Nachfolger des Jan
van Eyck« (Text S. 22: >spater Nachfolger«); auffallend hell und grau-
lich gehalten, Behandlung ziemlich eingehend und zart, etwas weich.
Einige finden entfernte Beziehung zu P. Cristus; Voll, Beil. Allg. Ztg.
1904, S. 333: verwandt zwei Bildern in Aix und Dijon in Art des
Fle'mallers.
141. Gottvater zwischen vier Heiligen stehend (Aachen, Museum):
» Meister von Llittich um die Mitte des 15. Jahrhunderts «. Der
Katalog ist hier derselben Ansicht wie Aldenhoven (Gesch. der Koln. Maler-
schule 1902, S. 409, Note 332), der das Bild »vielleicht aus der Ltitticher
Schule stammend« nennt, im Hinblick auf eine Madonna mit drei Heiligen
und Stifter in S. Paul zu Liittich (cit S. 200 — 201 und Note 331) mit
dem 1459 verstorbenen Stifter. Aldenhoven glaubt, der Kolner Meister
der Verherrlichung Marias (von dem Nr. 26 und 27 der Ausstellung) sei
wegen seiner Beziehung zu diesem Liitticher Bilde aus der dortigen
Schule hervorgegangen. Ich hatte schon in den achtziger Jahren, als
ich das Aachener Bild auf einer Berliner Auktion sah, eine entfernte
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e 3 o Ausstellungen.
Verwandtschaft mit dem genannten Kolner Meister zu sehen geglaubt
und halte daran auch jetzt fest. Auf der Bhigger Ausstellung war die
Liitticher Tafel als Nr. 5 (phot.); Friedlander nennt sie (Rep. 1903
S. 4) derb, provinziell zuriickgeblieben und geht auf Aldenhovens Aus-
fiihrungen nicht ein.
143. Jesus als Knabe unter den Schriftgelehrten, 38 v 26 (Nord-
kirchen, Hzg. von Arenberg): »Schule von Brabant, zweite Hiilfte des
15. Jahrhunderts; Nachfolger des sogen. Meisters von Flemalle ;
sehr lebhafte und ausdrucksvolle Bewegungen und Mienen, diese etwas
iibercharakteristisch ; im allgemeinen mit Weyden zusammenhangend.
172. S. Michael als Seelenwiigcr (Bonn, Frau Dr. Virnich):
Briisseler Meister von 1530; die Gestalt schlieflt sich an Rogers
Erzengel in Beaune an . Letzterem stimme ich zu: es ist wohl eine freie
Nachbildung; die Kntstehungszeit setze ich friiher an, noch ins 15. Jahrh.;
Fiirbung etwas trocken. Bodenhausen (ahnlich W. v.Seidlitz): Beziehung
zuin Flemaller, dem weit naher als dem Weyden; von derselben Hand
wie die trauernde Magdalena der Sammlung von Kaufmann (Nr. 2). .
144. Verkiindigung, 47 x 28 (Paris, Ch. Sedelmeyer): -Brabanter
Schule urn 1470; Schuhviederholung nach Weyden, Louvre Nr. 595 .
Gemeint ist das grofiere Breitbild im Louvre (nicht das kleine Hoch-
bild), besprochen von Firmenich in Z. f. bild. K. N. F. X 140, bei dem
er gegen die Flemal listen die Urheberschaft Weydens verteidigt; auch ich
hatte es schon 1877 so bestimmt. Von einigen (z. B. Bodenhausen)
wird das Louvrebild mit der Turiner Heimsuchung zusammen in die
bekannte (Jruppe der kleinen Feinbilder gesetzt (s. Firmenich 1. c. 136 II
bis 140), die teils fur Weyden, teils fur einen bestimmten Nachfolger
dieses Meisters, teils des von Flemalle gehalten wird. — Das Bild der
Ausstellung scheint mir richtig bestimmt; die Ausfiihrung ist ziemlich
fleiflig, der Ausdruck kleinlich.
149. Madonna thronend vor Teppich in Garten (Wewer, Frhr.
v. Brenken): Vlamischer Meister um 1500; Komposition auf Weyden
zuruckgehend v. Es ist ein leidliches Beispiel der vielleicht auf ein ver-
schollenes Original Weydens zurtickgehenden spateren Kopien, wovon der
Katalog die bei Earl of Crawford, Frhr. v. Oppenheim zu Koln und im
Liller Museum nennt. 7) Weales Benamsung des Kolner Bildes als
7) Abbildungeii in Guz. des b.-a. 1904, 1. Okt. S. 315, nebst der eines weitcren
Exemplars, klirzlich der Liller Galerie geschenkt. — Der Text von Francois Benoit
ist in Art der Freres Ignorantins auf dem (Jebiet der Altniederlander, die im vorigen
Jahrhundert zu Paris und Brlissel tonangebend waren. Ich dachte, jetzt sei man in Paris
bald so weit wie in Gent, d. h. da6 Artikel von so unberufener Hand in einem ge-
achteten Fachblatt unmoglich waren.
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Ausstellungen. 531
G. David war eine seiner beriichtigtsten Davidtaufen (vgl. v. Tschudi,
Rep. 1893, 106 unten bis 107 oben; Friedlander, dort 1900, 247 und
1903, 11). Hulins Vermutung: Meister der Briigger Lucialegende (Krit
Briigger Kat v. 1902, zu Nr. 114 und 132) ist wohl zu verwerfen. Ein
noch nicht erwahntes Exemplar ist im Dom zu Burgos, als Mittelstiick
eines Triptychons; hier ist hinzugefligt: ein Engel, der einen Fayenceteller
mit Trauben bringt und zwei musizierende (Mitteilung von W. Cohen,
nach Photographie).
146. Siindenfall (Schlofi Frens, Graf Beissel von Gymnich): »Vla-
mische Schule um i48o«; ferner eine Anmerkung von ftinf Zeilen
uber das Verhaltnis zu Goes' Wiener Bild, der ich mich in allem an-
schliefie. Das Stuck hat nur Interesse wegen der Beziehung zum ge-
nannten von Goes; die AusfUhrung ist untergeordnet. Abbildung in
Kunstdenkmaler der Rheinprovinz, Bd. 4 III 40.
242 — 243. Das Leben des Benediktiners S. Bertin (Neuwied, Fiirst
zu Wied): » Simon Marmion«. Dies umfangreiche Werk war die Piece
de resistance unter den hiesigen niederlandischen Bildern des 15. Jahr-
hunderts; seine Anwesenheit war sehr erfreulich, wenn es auch mehr auf
die Pariser Ausstellung der primitiven Franzosen gehort hatte. Ubrigens
kann ich (ebenso Bodenhausen) es nicht ganz so hoch stellen wie das
meist geschieht Ich halte den Meister flir einen tuchtigen, zwischen Jan
van Eyck und D. Bouts stehenden Maler, der in der Feinheit der Aus-
fuhrung die Hauptmeister der Schule erreicht, jedoch nur ein geschickter
Anempfinder ist, welcher den sechs Hauptmeistern (Eyk, Weyden, Bouts,
Goes, Memling, Geertgen) weder an Wert noch Eigenart gleichkommt
Voll Sp. 8 wagt hier die Andeutung, es konnten Jugendwerke Memlings
sein; dagegen lehne ich eine nahere Beziehung zu Memling ab. Voll
behauptet ferner, die Bilder hatten »ziemlich allgemein enttauscht«; als
echter Subjektivist halt er seine Ansicht flir die allgemeine (siehe zu
Jan Joest).
145. Fliigelaltarchen: Christus und Maria dol. (Aachen, Dr. Adam
Bock): »Aelb. Bouts, der Meister der Himmelfahrt Mariae; die
Gemalde der Fliigel [innen Renaissancerahmen mit lat. Gebetsformeln,
aufien Verktindigung] von geringerer Qualitau. Ferner wurde von Firmenich
das Werk eingehend gewiirdigt in seinem Aufsatz uber den Meister
(Denkschrift des Suermondt- Museums, Aachen 1903, S. 21 — 27, mit
guten Abbildungen) ; dort heifit es (S. 23): >Sie durften durch Ursprting-
lichkeit der Empfindung, an Vollendung der Ausfuhrung alien weiteren
Exemplaren iiberlegen sein usw.< Ich bin wegen der aufiergewohnlichen
Gtite dieser Exemplare erst allmahlich auf den Meister gekommen. Uber
die Verkiindigung der Riickseiten sagt Firmenich S. 25: »Die Kompo-
Repertorium fiir Kunstwissenschaft, XXVIL x6
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532 Ausstellungen.
sition erinnert in manchen Ztigen an Nr. 446 in Petersburg, das der
Katalog mit der Munchener Darstellung in Verbindung setzU [?]. H. v.
Tschudi bespricht den Maler im Berliner Galeriewerk, Altniederlandische
Schule S. 23 — 24. PaulHeiland, in seiner erstaunlich sachverstandigen
und eingehenden Dissertation von 1903: »Dirk Bouts und die Haupt-
werke seiner Schule, ein stilkritischer Versuch« behandelt den Meister
ausfiihrlich (S. 156—165), macht aber den gewagten Vorschlag, die ihm
bisher (seit c 1880) zugeschriebenen Werke unter zwei Hande zu ver-
teilen: einen Goesschtiler und einen Boutsschtiler.
147. S. Hieronymus btifiend in Landschaft (Basel, Frau Prof.
Bachofen-Burckhardt ; friiher M. Schubart) : »H. Me m 1 i n g«; vgl. Friedlander,
Rep. 1902, S. 20 (Brligger Ausstellung Nr. 86): »echt, aus der mittleren
Periode«. Auch ich habe die Echtheit nie bezweifelt, wahrend sie bei
der Auktion Schubart 1889 noch viel Widerspruch fand. Freilich gehort
das Bild zu seinen weniger erfreulichen : die Haltung ist schwachlich,
der Ausdruck beschrankt. Friedlander, Rep. 1899, 503; Kammerer, Mlg.
S. 116; Voll, Kunstchronik 8 Nov. 1900, 117: Schule.
147 a. Madonna, Halbfigur hinter Briistung, 0,225x0,18 (Kdln,
Erben Bourgeois): » Schule Memlings, in Anlehnung an Marienbilder
M.s, vornehmlich das Niewenhove-Diptychon«. Diese » Anlehnung « zeigt
sich nur beim Kinde (aber von der Gegenseite und mit Ausnahme des linken
Unterschenkels) und in den Handen Marias. Dafi das Kind nach der
grofien Zehe greift, ist bei Memling vereinzelt und wohl von Bouts ent-
lehnt. Mir scheint besser, das Bildchen »Werkstatt Memlings « zu
nennen, da es genau in seiner Art ist, nur ein wenig schwacher.8) Hier
gilt, was Voll und Gefolge betonen, mit Recht, dafi gerade bei einem
so fruchtbaren und beliebten Meister wie Memling moglichst scharf
zwischen eigenen Werken und guten Nachahmungen zu scheiden ist
(Beil. z. Allg. Ztg. 1902 Nr. 223 S. 613 oben; 1903 Nr. 156 S. 91 II;
1899 Nr. 172 — 173).
142. Madonna von zwei Engeln gekront (Aachen, Museum):
»Brtigger Meister der Ursulalegende«, nach Friedlanders Zu-
sammenstellung seiner Werke (Rep. 1902, 22). Es mag dieser Meister
sein, da er zu den neu aufgestellten gehort, in deren Kenntnis ich erst
ein Anfanger bin; jedoch wundre ich mich, dafi Friedlander bei ihm
nur von Beeinflussung durch Memling redet; im Aachener Bilde wenigstens
sehe ich viel mehr von Weydens und am meisten von Goes' Art; die
Nardus-Madonna steht freilich dem Memling naher.
8) Im Auktionskatalog Bourgeois (Koln 1904 Nr. 53 S. Ill u. 30) mit Lichtdruck
heiflt es »Meister der Ursulalegende«, wie ein in Zeichnung sehr ahnliches Bildchen
Nr. 54, 0,27 X 0,21, das Memling viel ferner steht (Original mir unbekarmt).
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A usstellungen . 5 •? 3
148. Kreuzigung 0,33 X 0,265 (I-eipzig, H. Felix) »Nieder-
landischer Meister des 16. Jahrhunderts, zur Bildergruppe gehorig,
die M. Coffermanns zugeteilt wirdx; vgl. Friedlander, Repert 1897, 414.
160. Madonna und Engel unter Steinbaldachin (Enghien, Herzog
von Arenberg): »Meister von Brugge, Mitte 16. Jahrhunders« ; wie das
in der Note genannte Mtinchener Bild eine spatere Kopie, vielleicht auf
R. v. d. Weyden zuruckgehend.
Niederlander der ersten H&lfte des 16. Jahrhunderts.
I. Briigger (Archaisten).
150. Madonna, grofie Halbfigur auf blauem Grund, 81X62 (Paris,
Ch. Sedelmeyer) : » Gerard David «; die zweite Auflage des Katalogs
bemerkt, dafi v. Tschudi und Bredius das Bild »bestimmt fiir Adriaen
YsenbranU (Pseudo-Mostaert) halten. Bodenhausen, der die Bilder
G. Davids und seiner Schule umfassend kennt, urteilt so: »Keinesfalls
vom Meister selbst; steht Adriaen Ysenbrant (wie das Bild auch im
Friihjahr beim Besitzer hiefi) sehr nahe, ohne dafi die Zuschreibung mit
voller Bestimmtheit erfolgen kann. Ebenso stark sind jedenfalls die Be-
ziehungen zu Albert Cornelisz, von dem das beglaubigte Engelsbild
in S. Jakob zu BrUgge, gemalt 15 17 — 22 nebst Gehlilfen«. — Diese
Briigger Tafel war auf der dortigen Ausstellung Nr. 170, Tafel 56 des
Prachtwerks; der Maler ist ein dem Ps.-Mostaert paralleler, etwas ge-
ringerer David-Schtiler. Das Bild wirkt durch die ganz gleichforrnigen
unzahligen jugendlichen Engelfiguren recht langweilig; auch die ftinf
anderen Figuren zeigen wenig Gabe flir Charakteristik, worin der Maler
selbst von Ps.-Mostaert stark tibertroffen wird. — Bei der Madonna von
Sedelmeyer schwankte ich zuerst zwischen G. David und Ps.-Mostaert;
nach einer Besprechung vor dem Bilde mit Bodenhausen gab ich ihm
insofern recht, dafi der Maler ein dritter, beiden verwandter sein kdnne.
Bei der grofien Gleichfiftrmigkeit der Briigger Archaisten ist es nur einem
Spezialisten dieser Schule moglich, die Werke G. Davids von seinen
Hauptschillern und diese unter einander genUgend zu unterscheiden.
159. Pieta in Landschaft (Bonn, Karl Rottgen): »Briigger Meister
um 1530s (1. Aufl.: »Flandrischer« etc.). Dies hervorragende Bild
kenne ich seit 1880; es hatte leider einen dunklen Platz an der Fenster-
wand. Ich setze es wie voriges in die nachste Umgebung G. Davids;
schon die Komposition weist darauf hin: zu vergleichen die Pieta der
Sammlg. Kaufmann und die Beweinung auf dem Hauptwerk Ps.-Mostaerts
in BrUgge (vgl. P. Heiland, D. Bouts S. 140). Bodenhausen bemerkt: »Das
36»
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c 3 4 Ausstellungen.
gute Bild entstammt dem weiteren Einflufikreise G. Davids, Brtigge
1530— 40«.
195. Grofier Fltigelaltar: Gefangennahme Christi; Innenseiten der
Fltigel: schwebende Engel mit Leidenswerkzeugen (Dresden, Galerie):
Hollandischer Meister um 1500c Woermanns Dresdener Katalog
(3. Aufl. 1896 S. 283) enthalt Nachrichten tiber die Geschichte des
Werkes, das von 1604 an in Wittenberg nachweislich ist; wahrscheinlich
war das Altarwerk schon viel fruher dort, da die Aufienseiten der Fliigel
zwei Heilige in Art der Fruhwerke Cranachs zeigen; ferner erwahnt
Woermann meine frlihere Ansicht: Geertgen van Haarlem, die er nicht
billigt; er bestimmt es wie der Dusseldorfer Katalog und stellt von
naherem nur fest: >eine Schulverwandtschaft mit Gerard David«, was
auch Friedlanders Ansicht. Bekanntlich hat dieser seit Mitte der neun-
ziger Jahre eine Bildergruppe zusammengestellt, die sich enger an die
Hollander, besonders Geertgen, anschliefit, als Davids Gerichtsbilder von
1498, die bisher als seine fruhesten galten. Zu jenen Fruhwerken Davids
hat nun das Dresdener Nachtstiick auch nach meiner jetzigen Ansicht Be-
ziehungen, aber doch nicht so, dafi man genotigt ware, dieselbe Hand
anzunehmen; fur David scheinen mir die Korper etwas lang, Bewegungen
und Mienen teilweise zu lebhaft Zu untersuchen ware die Beziehung
zu den Fruhwerken Mabuses (vgl. Dulberg, Leydener Malerschule, S. 33,
Note), an deren erschopfender Zusammenstellung und zeitlicher Anord-
nung es noch fehlt ; nach der Photographie des Dreikonigsbildes in Castle
Howard zu urteilen, lehnte sich Mabuse in Fruhwerken stark an David an.
Auch die Olbergszene hinten links erinnert lebhaft an die gleiche
Nachtszene der Berliner Galerie Nr. 551 A, die der Katalog jetzt als
zweifel loses Werk aus Mabuses Jugendzeit erklart, nach Ubereinstimmung
mit genanntem englischen Hauptbilde. Dagegen findet sich keine n ah ere
Ubereinstimmung mit den Nachtszenen auf Jan Joests Fliigel bild em. Es
ist ein Hauptwerk der niederlandischen Schule um 1500, schon allein
wegen der meisterhaft durchgefuhrten nachtlichen Beleuchtungseffekte.
153a. Stehende Madonna in Architektur vor Landschaft, 22 X 17
(Berlin, Otto Feist): > Meister der sieben Schmerzen Maria; freie
Kopie nach Eycks Antwerpener Bild«. Firmenich folgt hier der Be-
nennung dieses Meisters, welche Weales und Hulins Kataloge der Brtigger
Ausstellung geben; ich ziehe vorlaufig die Bezeichnung Pseudo-Mostaert
vor, da es hoffentlich gelingt, ihm den festen Namen Adriaen Ysen-
braht zu sichern. Das ungewohnlich haufige Vorkommen der Bilder
dieses Malers und solcher in seiner Art mufl uns veranlassen, hier besonders
kritisch zu verfahren. Diese Madonna ist in Figuren und Landschaft eines
seiner feinsten kleinen Bilder; die Landschaft ist im allgemeinen Patinir-
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Ausstellungen. c^c
artig, aber mit wesentlichen Unterschieden : die groflen Lichter sind teils
effektvoller, teils weicher als bei Patinir (vgl. zu Nr. 168); Bodenhausen:
»bestimmt Ysenbrant, eines seiner besten Werkec
153. Brustbild der Maria Magdalena (Frankfurt, Fritz Gans): »der-
selbe :< ; auch ich sehe hier ein typisches Werk der gewohnlichen spateren
Zeit dieses Meisters, wo er seinem Lehrer G. David nicht mehr so ver-
wechselbar nahe steht wie frliher. Bodenhausen: » nicht ganz sicher, ob
Ysenbrant oder Albert Cornelisz naher stehend«.
151. Halbfigur der Madonna nebst vier Engeln (Aachen, Louis
Beissel): »derselbe«; zwar in Art des Meisters, aber hochst wahr-
scheinlich kein Original; vielleicht eine leidliche, etwas spatere Kopie
(urn 1550). Am meisten widerspricht ihm die Landschaft: fliichtig hin-
gewischt und wesentlich moderner gehalten. Bodenhausen: »Schulkopie
nach einem Nachfolger G. Davids « (siehe zu Nr. 162).
154. Fliigelaltar: Anbetung der Konige ; Fltigel, innen: Geburt, Dar-
stellung; auflen: Verkiindigung in Grisaille (London, Durlacher brothers)
>Brtigger Meister, Beginn des 16. Jahrhunderts*. Es wurde
kiirzlich von Friedlander ausfiihrlich behandelt (Jahrb. d. preufi. Kunstslg.
1904, 114 — 8; vorher Rep. 1900, 251); er liefert den dankenswerten
Nachweis, dafi der alteste Konig wahrscheinlich auf ein verschollenes
Original von Goes zuriickgeht, von welchem Bilde in Berlin und Munchen
(hier von G. David) spatere Nachbildungen. Den Urheber unseres Altar-
chens bestimmt er als »Brtigger Meister um 15 10, verwandt mit Pseudo-
Mostaert < (was auch meine Ansicht); es stehe nahe dessen Flugelaltarchen
mit Darbringung in Brugge, S. Sauveur (dortige Ausstellung Nr. 184).
Friedlander wie Firmenich (Note im Katalog mit Hinweis auf Mabuses
frtihes Dreikonigsbild) scheinen den Wert dieses leidlich tiichtigen Werkes
etwas zu iiberschatzen, das schon die vielen vom Katalog erwahnten
Entlehnungen in schlechtes Licht setzen (ebenso Bodenhausen).
152. Drei Heilige in Landschaft, hinten Kreuzigung (Paris, Ch.
Sedelmeyer): >Meister der sieben Schmerzen Maria<; dies ist auch
Friedlanders und Hulins Ansicht (bei Gelegenheit von Nr. 185 der
Brugger Ausstellung). Der erste stofit sich dabei freilich etwas am
schwarzlichen Ton; ich finde diesen fur Pseudo-Mostaert so auffallend,
dafi ich lieber an die Sippschaft Claessens denke (ahnlich Bodenhausen:
>spater Nachfolger Ps.-Mostaerts <). Schreiend falsch (a la Wauters und
Hasse) ist diesmal Hulins Ansicht: >Friihwerk Ps.-Mostaerts «, dessen
beide Mlinchener friihen Bilder er dabei wohl vergessen.
170. Grofic Madonna vor Landschaft (Bonn, Prof. Walb) >Flandri-
scher Meister um 1520 ,; ich sctze es weit spater, um 1550 (ebenso
Bodenhausen: •> stark c Bcziehungcn zu A. Benson < und W. Cohen), der Rich-
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tr 3 6 Ausstellungen.
tung der Claessens verwandt, jedoch, neben deren Vorbildern G. David
und Ps.-Mostaert, auch raffaelischen Einflufl zeigend. In der Landschaft
sieht man schon das braunliche Grau, das ursprtinglich Blau war; auch
die Figuren wirken recht archaisierend, doch ansprechend.
II. Antwerpener.
a) Quinten Massys9) und nachste Nachfolger.
162. S. Johannes Ev. und S. Agnes, je 47 X 13 (Berlin, Frau
von Carstanjen): »Q. Massy s«. In einer Note von zwolf Zeilen wendet
sich Firmenich gegen diese von mir zuerst ausgesprochene Benennung.
Freilich sind die Ansichten der Sach vers tandi gen geteilt: fur Massys
sind ferner Friedlander, Hulin, Bodenhausen, W. Cohen; gegen ihn:
v. Tschudi, Gliick, Firmenich (die Namen von Fachgenossen, die ich
auf diesem Gebiet nicht fiir geniigend berufen halte, habe ich ausge-
lassen). Gegen Firmenichs Einwande spricht schon Walter Cohen
in seinen »Studien zu Q. Metsys<; S. 83 10); ersterer legt Wert darauf,
dafi die Tafeln schon friih mit einer (geringen) Briigger Madonna (Nr. 1 $ 1
der Ausstellung) zusammengerahmt wurden; mir scheint das unerheblich,
da es nicht urspriinglich geschehen zu sein braucht11) Zwei von denen,
welche fiir Massys sind, haben betreflfs der Landschaften Bedenken;
Friedlander (Repert. 1903, 37) sagt: »sie erinnern an Patinir* , und
W.Cohen: »die Landschaft von Patinir« ; er ist jedoch nach erneuter
Untersuchung hiervon nicht mehr so iiberzeugt Nach Priifung dieser Frage
gebe ich zu, dafi Mittelgrund und Feme nicht der gewohnlichen Art von
Massys entsprechen, dagegen etwas dem Patinir Verwandtes haben (be-
sonders im dunkeln Ton); das gentigt aber nicht, um die Landschaften
fiir eher von Patinir als von Massys zu halten. Der Baum gleich hinter
Agnes spricht sogar sehr fiir Massys und gegen Patinir. Betreflfs der
Figuren sehe ich nicht den geringsten Grund, sie dem Massys abzu-
9) Da Massys, obgleich von Ltfwen ausgegangen (sowohl nach Geburt wie Kunst-
weise), doch seine Haupttatigkeit erst in Antwerpen entfaltete, halte ich die Antwerpener
Schreibart Massys fiir besser als die Ltfwener Metsys.
10) Diese im Sommer 1904 erschienene Schrift (Bonn, Friedr. Cohen, gr. 8° 91 S.)
bringt viel neues, das mir zudem richtig scheint; tiberhaupt steht sie Uber dem Durch-
schnitte der kunsthistorischen Doktorarbeiten.
") Einige halten den Maler fiir einen guten Briigger Meister unter Massys' Ein-
flu8. — FUr die Schwierigkeit der Bestimmung spricht, dafi zwei der Genannten um-
gesattelt haben: Tschudi von fiir zu gegen, Bodenhausen umgekehrt. Dieser hat kiirzlich
in der Kreuzigung (Antwerpen, Meyer van den Bergh) das fehlende Bindeglied kennen
gelernt; er halt sie fiir eigenhandig, im Gegensatz zu den gleichen Darstellungen in
London und Slg. Liechtenstein.
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Ausstellungen. 537
sprechen, und zwar gehoren sie seiner bekanntesten Periode an, der des
Briisseler und des Antwerpener Altars, um 1510.
163. Bildnis eines Chorherrn vor Landschaft (Wien, Ftirst Liechten-
stein): »Q. Massys*. Ein Meisterwerk in jeder Beziehung (vgl. die ein-
gehende Wtirdigung von Bode, Graph. Ktinste 1895, 120). Dies Bildnis
lafit es tief bedauern, dafi von Quinten so wenig unzweifelhaft echte
nachgewiesen sind, denn es steht in der Auffassung auf der vollen Hohe
der besten von Dtirer und Holbein und Ubertrifft sie in der malerischen
Wirkung. W. Cohens genannte Schrift zahlt im »Versuch eines Ver-
zeichnisses der echten Gemalde von Q. M.« S. 81 — 91 nur sechs echte
Bildnisse auf (Frankfurt, Longford Castle, Mtinchen, Frau Andre in Paris,
Fiirst Stroganoff in Rom, Wien), die der Verfasser aufler denen in Eng-
land und Rom selbst kennt Das Bildnis des Jehan Carondelet in Mtinchen
(Pinakothek Nr. 133), das wohl auf meinen Vorschlag (personlich an
Bayersdorfer) dort seit etwa 1884 als M. gilt (frtiher »H. Holbein d. J.«),
wirdvon Cohen anerkannt.12) Das Erasmusbild von 15 17 bei Fiirst Stroganoiif
in Rom sah ich 1886 in Mtinchen; Bayersdorfer hielt es fur eigenhandig;
dagegen notierte ich mir: »Recht fein, aber eher alte Kopie nach einem
Original von M.«
164. Beweinung (Bonn, Frau Dr. Virnich); »Nachfolger des
Q. Massys «; ferner bemerkt der Katalog: »Von derselben Hand in
der Berliner Galerie eine Magdalena« (aus Lucca, Gal. Mansi).x3) Diese
halte ich ftir wesentlich besser, und die Beweinung nur ftir ein mafliges
Erzeugnis aus Massys' Nachfolge; der Ausdruck ist hier teils etwas kleinlich,
teils karikiert (auf die >Bles«-Gruppe deutend). Beziehung zur Magdalena
zeigt sich nur in der dunkeln Farbung und der glatten, harten Be-
handlung.
164a. Beweinung (Kleve, Wilh. Mertens) »Nachfolger des
Q. Massys«; hat in den Figuren Verwandtschaft mit dessen Fruhwerken.
210. Brustbild eines alten betenden Mannes, von vorn (Rotterdam,
Dr. Lanz); >Art des P. Brueghel «; nach Mitteilung von W.Cohen ist es
eine Kopie nach einem der >beiden Heuchler«, einem unbekannten
Original des Q. Massys, wovon Cohen drei alte Kopien nennt (siehe seine
Massysschrift S. 89). Die Malweise erinnert allerdings an P. Brueghel.
158. Heilige Familie nebst zwei weiblichen Heiligen (Darmstadt,
Grofiherzog von Hessen: »Brtigger Meister um 1520c; nach Note:
«) Vgl. Friedlander, Berliner Galeriewerk, Niederliindischc Schule des 16. Jahr-
hunderts, S. 36: nicht Massys, wie zwei Bildnisse derselben Hand.
*3) Naher ausgefiihrt von Friedlander, Berliner Galeriewerk, S. 32 — 33. — Meiner
Ansicht ist VV. Cohen; die Berliner Magdalena halt er flir ein gutes Bild in Massys'
Art; frtiher gait sie allgemein als von ihm selbst.
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r 3 8 Ausstellungen.
nahe dem Meister von Saint-Sang. — Helles, ziemlich flaues Bild unter
vorwiegendem Massys-Einflufl, mit entfernter Beziehung zu dessen ge-
nanntem Brtigger Nachfolger.
157. Mannliches Bildnis (London, Colnaghi u. Comp.): Brugger
Bildnismaler um 1525 «; Friedlander hat in Rep. 1902, 28 — 29 vier
Bildnisse dieses mafiigen, beschrankten Malers zusammengestellt; er halt
ihn fiir G. David verwandt, ich sehe dagegen hier mehr von Massys' Art
184. Bildnis eines Junglings (Wewer, Frhr. von Brenken) »Nieder-
landischer Meister urn i5 20«; nach der Note sind »Bildnisse der-
selben Hand ziemlich zahlreich«; ein tiichtiger, obgleich etwas altertUm-
lirher Maler, verwandt mit Massys und dem Meister des Marientodes.
165. Thronende Madonna und zwei Kinderengel (Haus Stovern,
Frh. v. Twickel): »Marinus van Roymerswale< ; erst in der 2. Auflage
des Katalogs ihm sicher gegeben. Ich stimme hier unbedingt zu, ebenso
Bodenhausen (nach anfanglichen Bedenken); ich rechne dies Werk zu
den besseren des Malers (ebenso W. Cohen). Der Katalog gibt Auskunft
iiber die Entlehnungen aus Diirer (iiber solche vgl. Friedlander, Berliner
Galeriewerk, S. 33).
b) Antwerpener Landschafter.
167. Landschaft mit Jagdstaffage (Berlin, Wesendonk): »Patinir«;
eine seiner besten Landschaften, von schlagender Echtheit, deshalb gut
zur Untersuchung der anderen hiesigen Landschaften in seiner Art und
vom Meister des Marientodes. J4) Die zierlichen Staffagefigiirchen sind so
gut und so wenig dem Patinir entsprechend, dafi sie wohl von anderer
Hand herrtihren.
169. Allegorische Scherzdarstellung: Wie kommt man durch die
Welt? 28X42. (Anholt, Fiirst zu Salm-Salm): > Flandrischer Meister
um i52o« (in 2. Auflage); in Landschaft wie Figuren gleich tuchtig.
Erstere ist in Art der siidniederlandischen Landschafter um 1510 — 30,
einschliefilich der Maler von Figurenbildern mit Landschaften; die Figuren
erinnern an Orlei.
166. Landschaft mit Meeresbucht und Tobias-Staffage, (Basel, Frau
Prof. Bachofen-Burckhardt): >Patinir«; von einem kleineren Antwerpener
in dessen Art geschickt gemacht; durch nachdunkeln beeintrachtigt
m) Voll, Sp. S, der dem Bilde zwolf Zeilen widmet, gibt nur zu, dafi es dem
Meister »zum mindesten nahe steht«; ein htlbsches Beispiel seines hyperkritischen Be-
strebens (vgl. zu No. 168). D.izu pafit prachtig, dafl er bei dem Turiner hi. Franziskus
in Landschaft die Art J. van Eycks ftir die Patinirs halt (vgl. Friedlander, Repert. 1900,
477, Bode, Jahrb. d. prcufi. Kunstslg. 1901, 129 und F. Rosen, Die Natur in der Kunst.
1903, 105—9, 133-36).
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Ausstellungen. 53 n
168. Waldlandschaft mit Ruhe auf der Flucht (Berlin, Wesendonk):
» Patinir «. Urn Patinir, selbst seine Art, abzulehnen gentigt M. E. die Ver-
gleichung mit Nr. 167; es ist aber ein gutes Bild, das ich gern Ps.-Mo-
staert geben mochte, von dein es ja mehrere derartige Landschaften mit
mehr oder weniger nebensachlichen Figuren gibt (vgl. zu Nr. 153 a);
freilich hat die StarTage mit Ps.-Mostaert nichts gemein. — Bodenhausen :
keinesfalls Ps.-Mostaert, Schule Patinirs; Voll, Sp. 8: kaum Patinir (!).
189. Flufllandschaft mit S. Christophorus (Wewer, Frhr.vonBrenken):
: Art von Bles«. Von ihm selbst (ebenso W. Cohen): es ist ein feines
Bild aus dem Anfang der Kunstweise, die man seinen Spatstil zu nennen
pflegt. Die Behandlung des Vordergrundes (in Boden, Felsen, Baumen)
erinnert hoch an die von Patinir ausgehenden friihen Landschaften des
MeistersI5); Mittel- und Hintergrund deuten jedoch schon auf die spatere
Zeit. Audi die gute, von Diirer beeinfluflte, kraftig gefarbte Figur ist
von der namlichen Hand [nach spaterer Mitteilung von W. v. Seidlitz ist
sie Diirers Stich B. 52 von 152 1 entlehntl
c) Der Meister des Marientodes und Narhfolger.
I>ieser ebenso hochbedeutende wie seit 1874 viel erorterte Meister
war reich vertreten, mit neun echten Bildern. Der Katalog ftihrt ihn in
alter Wei se unter den Kolnern an; das wird zur Ausstellungscliplomatie
gehoren : er mufite zu den niederrheinischen Deutschen gerechnet werden,
sonst hatten mehrere Besitzer Bedenken gehabt, ihre Bilder herzugeben.
Nach den Angaben desselben Katalogs war der Meister jedoch ein
niederlandischer Maler, sehr wahrscheinlich mit dem Antvverpener
Joos van Cleef identisch, unci audi nach Fried! cinder (Text zum
Briigger Prachtwerk von 1903 S. 26) wird er jetzt gewohnlich als Antr
werpener angesehen. Audi ich bin seit geraumer Zeit iiberzeugt, dafi
Antwerpen sein Hauptsitz war, wohin er wohl aus Haarlem gekommen.16)
— Ich bespreche seine hiesigen Bilder in der Folge der mutmafilichen
Entstehungszeit, die Bildnisse jedoch zuletzt.
Seiner ersten Periode gehoren die beiden nachstgenannten Bilder
an: 58. Anbetung der Konige 1,10 x 0,70 (Dresden, Galerie);1?) ein
'5) Vgl. meine Darlegung im Kepert. 1887, 290.
,6) Vgl. spater, zu Knde der »Blesgruppe«. — Fried landers neueste Darlegung
seiner Ansichten Uber den Meister (Berliner Galeriewerk, Xiedcrlander des 16. Jahr-
hunderts S. 35—36) unterschreibe ich, aufler seiner Unterschiitzung der Bildnisse (siehe
spater). — Dagegen sind die 28 Zeilen von Voll (Sp. 7) ein Nest verdammlicher
Ketzereien, die er hofTentlicb einmal abschwort; sonst wird er mit Wurzbach und Toman
zur HSlle fahren.
J7) Da seine Bilder fast alle im Katalog richtig benannt sind, so fiihre ich dessen
Angaben hier nur ausnahmsweise an. — Dagegen Voll: »Von den ausgestellten Cie-
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540 Ausstellungen.
Hauptwerk seiner Friihzeit, von besonders freundlichem, ja lustigem
Ausdruck und prachtiger, goldiger Farbung. — 57. Brustbild der Ma-
donna (sie gibt dem Kinde ein Glas Rotwein zu trinken) 50 X 37
(Paris, R. Kann), es ist edit, aber keins seiner besseren. Bei Maria wird
der freundliche Ausdruck leicht grinsend, wie ja ofters bei ihm. Die Miene
des Kindes dagegen wirkt auffallend ernst fur den Meister, wohl wegen der
Symbolik auf das Abendmahl. Die Landschaft ist merkwiirdig fliichtig
gegeben. Das Kolorit wird sehr durch den bertichtigten Pariser Firniss
entstellt, welcher den unerlafilichen Goldton hervorbringen soil.
57a. Heilige Familie (London, Captain Holford); besprochen durch
H. v. Tschudi, Rep. 1893, 113 und Friedlander, 1900, 252 und in
seine mittlere Zeit gesetzt, wie der Wiener Flugelaltar. Tschudi ver-
gleicht diese heilige Familie dabei mit der ebenso ausgezeichneten fruheren
in G. Saltings Besitz (ausgestellt in der Londoner Galerie) und kenn-
zeichnet dabei kurz die Unterschiede bei der Behandlung des Nackten in
den drei Perioden des Meisters: In der fruheren Zeit fest mit pastosem
Auftrag; in der mittleren fleiflige malerische Behandlungsweise und rbt-
liches Inkarnat; in der spaten glatt modellierend, etwas glasig, grau-
schattig«. Ich glaube, dafi schon allein wegen der Behandlung des
Nackten das hiesige Bild etwas spater anzusetzen ist, in den Ubergang
von der mittleren zur spaten Periode (wie der Wiener Altar). Auch
hat Maria schon etwas von seinem spaten Typus, der mit Mabuse zu-
sammenhangt; sie wie Joseph haben dazu einen ernsteren Ausdruck als
friiher. Von der Landschaft sagt Tschudi: Die blaugrtine Landschaft
lafit den Einflufl Patinirs erkennen«. Das scheint mir nicht notig; der
Mittelgrund ist freilich ziemlich dunkel, was aber beim Meister T. M.
nichts seltenes.
59. S. Johannes auf Patmos (London, Colnaghi u. Comp.); ein
Beispiel seiner seltenen Bilder, worauf die Landschaft mehr Raum ein-
nimmt als eine oder mehrere maflig grofie Figuren im Vordergrunde, wie
bei der ausgezeichneten Ruhe auf der Flucht in Briissel (Nr. 47 A,
Wauters Nr. 349: »Patinir«) und deren freier Schulwiederholung in
Miinchen (mit ganz anderer Landschaft). Zu solchen Bildern ist der
Meister wohl durch Patinir angeregt worden, der ja von 15 15 bis zu
seinem Tode 1524 in Antwerpen nachweislich ist, und der mit Vor-
liebe Bilder genannter Art make (neben wirklichen Landschaften
maiden waren die meisten ihm mit Unrecht zugeschrieben« ; Wurzbach redivivus!
Auch der wollte ja unter den vielen dem Meister gegebenen Werken >furchterlich
Musterung halten« (vgl. Repert. 1883, S. 64). Dafi hier noch manches zur Scheidung
von Eignem, Werkstatt und Schule zu geschehen, leugne ich nicht; hoffentlich schenkt
Firmenich uns bald wenigstens ein kritisches Verzeicbnis.
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Ausstellungen. 541
mit ganz kleinen Figuren), z. B. die Ruhe auf der Flucht in Berlin und
Madrid. Nach Angabe des Katalogs hatte der »M. T. M. gemeinsam
mit Patinir gearbeitet«, d. h. es gebe Bilder genannter Art, worauf
der erste die Figuren, der zweite die Landschaft gemalt habe. Ich
halte das ftir einen Irrtum, der davon herriihrt, dafi man auf solchen
ganz vom M. T. M. gemalten Bildern die Landschaft fiir Patinir erklart
Schon dem van Mander kann das begegnet sein, als er von einer Madonna
des Joos van Cleef redete, deren Landschaft von Patinir sei. Als ich 1899
Antwerpen itnd Briissel wieder einmal besuchte, habe ich die mir damals
neue Briisseler Ruhe auf der Flucht besonders daraufhin untersucht,
ob die Landschaft von Patinir hemihre;18) ich kam zum Ergebnis, dafi auch
diese, obgleich ihm ahnlich (woriiber spater), doch unzweifelhaft auch
vom Meister des Marientodes ist, dessen Behandlung der Landschaft durch
die vielen auf seinen Figurenbildern bekannt genug sein sollte. Alles ist
ahnlich, doch unterscheidbar anders behandelt als bei Patinir: ohne
dessen harte Zusammenstellung von saftigem Griin und dunklem griin-
lichem Blau; bei Patinir fehlen die pikanten Lichteffekte des M. T. M.
Eine Vergleichung der ausgezeichneten Hanfstanglschen Photographie (die
namentlich die Lichteffekte gut wiedergibt) mit solchen der Patinir-
Bilder bei Wesendonk und in Wien kann zeigen, dafi der Baumschlag
bei den vorderen Baumen verschieden ist: bei Patinir eingehender, aber
schematischer als beim M. T. M. *9) — Auch bei dem Johannes auf Patmos
halte ich die weite Landschaft bestimmt fiir vom M. T. M., obgleich der
auffallend dunkle rotlichbraune Ton vorn in Boden und Felsen an Orleis
zweite Periode erinnert (siehe Nr. 183). — Die Johannesfigur gehort zu
den verfehlten, manieriert aufgeregten des Malers, wie schon mehrere auf
den beiden Marientoden ; beim Johannes kommt noch etwas romanistisches
hinzu. Die Entstehung mochte ich ans Ende der mittleren Periode setzen.
60. Crucifixus, Maria, Johannes (Hamburg, Konsul E. Weber).
BetrefTs der ausgedehnten Landschaft gilt dasselbe wie vom vorigen
Bilde: sie ist durchaus in seiner Art und von seiner virtuosen Behand-
,8) Vgl. Jahrbuch d. preufi. Kunstslg. 1895, 11, wo K. Justi berichtct, ich habe
das Bild »vermutungsweise« dem M. T. M. zugeschriebcn ; das geschah damals nur
mlindlich, nach der Photographic Justi selbst sagt dort, das Bild werde »nicht ohne
Grand Patinir* genannt, obwohl die Madonna in Art des M. T. M. sei. In seiner
Ubervorsichtigen Art roach t er dazu die Note: »Damit soil nicht behauptet werden,
dafi im Brtisseler Bilde oder in der Mtlnchener freien Schulwiederholung Kompagnic-
arbeit der beiden Maler wirklich vorliege.«
»9) K. Justi, an vorher genannter Stellc 11 : »Die Ahnlichkeit vieler seiner
Hintergrlinde mit Patinir liegt auf der Hand.* Friedlander, Berlin. Galeriewerk, 35:
»Besonders nahe in der Landschaftsdarstellung steht dem Patinir der Meister vom Tode
Mariae.«
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542 AusstclluDgen.
lung, also vom M. T. M. selbst. Die Figuren gehoren zu seinen wenigst
erfreulichen, wie uberhaupt die Darstellung aufgeregter und schmerzlicher
Szenen seinem Talent nicht entspricht. Hier kommt noch hinzu das ihm
wohl durch Mabuse vermittelte romanistische, das sich in der manieriert
verrenkten Gebarde des Johannes abschreckend zeigt. Haltung und
Ausdruck von Christus und Maria sind dagegen zu kalt. Das Bild
gehort in die spiiteste Zeit des Malers (wie die grofie Pariser Altar-
tafel); er ist hier durch auflerliche Aufnahme des antikisierenden etwas
entartet20)
Ferner sind hier vom Meister des Marientodes an Bildnissen
zwei Ehepaare: zunachst 61 — 62 auf blaugriinem, schwarziibermaltem
Grunde (Wien, Fiirst Liechtenstein), die seit Waagen bei alien Sach-
verstandigen als gute friihe Bilder des Meisters gelten;21) sie gehoren zu
seinen besten, in Haltung und Ausdruck lebendigsten Bildnissen.
74 — 75. Junger Mann; Frau in reicher Tracht (Riickseite: Memento
mori), griiner Grund, beide datiert 1531 (Schlofi Eringerfeld,Frhr.v.Ketteler):
>Barthol. Bruyn«. Es ist nicht immer leicht, Bildnisse des M. T. M. und
des bis um 1525 stark von ihm beeinfluflten B. Bruyn zu unterscheiden.
Z. B. en thai t die Kasseler Galerie ein grofies Ehepaar auf griinem Grunde,
von 1525 — 1526, Nr. 11 — 12, das Eisenmann eine Zeit lang fur Bruyn
hielt, dann sich aber meiner Ansicht: M. T. M. immer mehr naherte.
Ferner in Koln: Nr. 236 — 37 Gerhard Pilgrum (Kolner Ratsherr 1530,
T 155 1) und Frau Anna geb. Straufl, auf griinem Grunde, (Riickseite:
Memento mori)22); im Katalogvon 1902: »Kolnisch 1. Halfte des 16. Jahrh.«
und Firmenich (B. Bruyn u. s. Schule, 1891, 100): >>Zweifellos ein cha-
rakteristisches Werk vom M. T. M., wohl in den zwanziger Jahren ent-
standen.« — Beim Eringfelder Ehepaar gibt uns das Datum 1531 gliick-
licherweise einen festen Anhaltspunkt dafiir, Bruyn zu verwerfen. Denn
schon der Agrippa von Nettesheim, datiert 1524 (Nr. 73 der Ausstellung),
zeigt, trotz noch merklicher Anlehnung an den M. T. M., genug auf
2°) Voll Sp. 7 spricht es ihm ab; das zeigt nur, dafl er entweder die SpiitbiJder
nicht geniigend kennt, oder dafl es ihm an Scharfe des Blickes lehlt. In der Tat be-
stiitigt sein Aufsatz meine Ansicht, dafl genaue Stilunterscheidung nicht seine Starke i<t
(vgl. meine AusfUhrung iiber Hyperkritik und Kritiklosigkeit, Repert. 1883 S. 32).
ai) Mit zwei Ausnahmen: VV. Bode (t'ber Galerie Liechtenstein in Graph. Kiinste
1895, 126): >Bruyn«; es war wohl nur eine vortibergehende Entgleisung, in welchem
Falle der entgleisungsfrohe Wauters sagen wiirde: »J'ai pense un instant a Bruyn«.
Ferner Voll Sp. 7: »Recht wahrscheinlich [dafl vom M. T. M.j, aber in Anbetracht der
Beziehungen zur Antwerpener Malerei [(). Massys] doch unsicher« (netter Einwurf!
»recht wahrscheinlich, doch unsicher« ist echtester Voll).
M) Auf beiden steht ol)en: 28; ol> auf das Datum oiler das Alter gehend,
ist unMchcr.
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Ausstellungen. c 4 3
Bruyns gewohnliche Art vordeutendes; und die femeren datierten Bild-
nisse bis 1531: Johann van Ryht in Berlin von 1525, das Ehepaar im
Haag von 1529, und das mannl. Bildnis in Wien von 1531 sind schon so
sehr in der Weise von Bruyns voll ausgebildeter mittlerer Periode (siehe
Firmenichs eigene Schilderung von Bruyns Entwickelung als Portraitist,
S. 68 — 70 seiner B.-Schrift von 1891), dafi es nicht angeht, das Ering-
felder Ehepaar von 1531, das durchaus den Bildnissen des M. T. M. ent-
spricht, dem Bruyn zu schenken.23) Bodenhausen, dem ich den Fall in
Dusseldorf vortrug, stimmte mir, nach Untersuchung des dort vorliegenden
guten Materials, unbedingt zu. Bei Nr. 74 — 75 hat das Fleisch noch
nicht das gleichmafiig und entschieden Rotliche, das Bruyn schon damals
liebte (hingegen ist der Mann hell fleisch farbig, die Frau weifilich); die
Modellierung im Fleisch ist zart gegen Bruyn; der Ausdruck ist geist-
reicher, nervoser (besonders beim Manne) als bei dem etwas ruhigen und
prosaischen Bruyn; das namliche gilt fur die Hande; auch in der Mal-
weise zeigt sich die effektvoll scharfe Behandlung des M. T. M.2*) — FUr
diese Unterscheidung zwischen den Bildnissen beider Meister bietet die
Ausstellung ein prachtiges Material (vom M. T. M. die Lichtensteinbilder;
von Bruyn der Agrippa und ein Ehepaar von 1534, Nr. 76 — 77, das
typisch ftir seine Weise um diese Zeit ist).
Folgende Bilder sind in Art des Meisters des Marientodes: 96 — 98
(Innenseite) Flligelbild mit Szenen aus der Legende der H. Crispinus und
Crispinianus; (Aufienseiten andrer Fliigel) zwei ritterliche Heilige, Grisaillen
aufier den Kopfen (Rees, kathol. Pfarrkirche) : Niederrheinischer
Meister zu Beginn des 16. Jahrh.;; tiich tiger Maler um 1500 — 15 15,
vervvandt mit dem M. T. M. und Bruyns Friihzeit; Zeichnung und Kopfe
etwas derb, doch kraftig; bei Nr. 96 ein schones, farbenfrohes Kolorit
63. Anbetung der Konige (Berlin-Grunewald, Prof. Dr. Vofi):
»Nachfolger des J 00s van Cleef, der Mohrenkonig nach seinem
Altar in Genua s,; ein kleiner, karikierender Nachfolger, mit schwarzlichen
Schatten; vom selben wohl eine Beweinung in Schleifiheim.
174. Madonna, 43 x 32 (Koln, Dr. Braubach, friiher bei Nelles):
Art des Barend von Orley; ein Briisseler Maler, dessen Arbeiten
mehrfach vorkommen< . Auch andre glauben, weitere Madonnen von ihm
gefunden zu haben (v. Tschudi, Repert. 1896, 80). Ich habe das be-
23) Vgl. Report. 1883 S. 63 unten Uber das Kassckr Ehepaar.
«4) F'riedliinder (Berliner Galeriewerk S. 35 — 36) gibt eine recht abschatzige
Kennzeichnung der Bildnisse des Meisters nach dem dortigen Nr. 615. Da dies nur
ein maBiges (echtes?) Beispiel von ihm ist (lange unerkannt), so war es ungeeignet,
die Bildnisse des Meisters danach zu kennzeichnen, deren hohe Schatzung in der bis-
herigen Literatur ich teile.
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544 Ausstellungen.
sonders im Kolorit ansprechende Bildchen 1894 in der Zeitschrift fur
christl. Kunst Spalte $$ — 35 behandelt (nebst Lichtdruck) und dem
Meister des Marientodcs zugewiesen, mit Benutzung eines italienischen
Vorbildes aus Raffaels Umgebung. Die erneuerte Untersuchung bestatigt
mir die starke Verwandtschaft mit jenem, doch ist der Widerspruch zu
beachten, und ich gebe zu, dafi das Stiickchen Landschaft dem Meister
nicht entspricht, sondern mehr in der Art von Orleis Spatzeit ist
d) Manieristen (die »Bles«-Gruppe).
185. Anbetung der Konige (Neuwied, Ftirst zu Wied) »Herri met
de Bles«. — 186. Fliigelaltar: Anbetung der Konige; Flligel, innen:
Salomo die Konigin von Saba empfangend; die drei Helden vor David,
(Kitzburg, von Groote): »derselbe«.
Der Katalog bleibt bei dem bis vor kurzem iiblichen Brauch, die
verschiedenartigsten Stucke dieser Gruppe »Bles« zu benennen; Firmenich
hatte wenigstens in einer Note seine Uberzeugung von der wahren
Sachlage aussprechen konnen (im Text S. 26 driickt er sich kritischer
aus). Denn diese »Frlihwerke von Bles« waren den Forschern ja schon
langst unheimlich geworden, und endlich fand die Uberzeugung von
der Unhaltbarkeit der Bles-Hypothese eine offene Aussprache durch
G. Gltick in der Einleitung zu seiner Arbeit iiber Dirk Vellert (Jahrb.
d. kaiserl. osterr. Kunstslg. 1901 S. 5 — 9). Er erklarte diese Bilder-
gruppe fiir das Erzeugnis einer ganzen Anzahl von Malern verschiedener
Art und Wertes, die, von etwa 15 10 an in Antwerpen tatig, haupt-
sachlich Massys manieristisch und karikierend nachahmten, teilweise
auch vom Meister des Marientodes beeinflufit wurden oder italienische
akademische Einflusse aufnahmen; K. Justi nannte diese Richtung gltick-
lich: die Barockzeit der Eyckschule. Friedlander brachte die Sache
darauf zur Sprache in seinem Bericht iiber die Brtigger Ausstellung
(Repert. 1903 S. 39 — 41), ohne Glucks Darlegung zu erwahnen; er
halt an der Moglichkeit fest, dafi die Miinchener Tafel echt be-
zeichnet sei;25) also sei die kleine Gruppe der genau sich an-
schliefienden Bilder wahrscheinlich von Bles.26) Dann stellt er zwei andere
Hauptgruppen zusammen, die er, soviel ich ihn verstehe, zwei dem »Bles«
der Miinchener Tafel verwandten, minder manierierten Malern zuteilt.
a5) Hoffentlich beseitigt endlich einmal jemand diesen Stein des Anstofles durch
den Nachweis, dafi die Inschrift unecht ist.
i6) Auch Bode bleibt noch in der neuesten Auflage des Cicerone (1904) dabei,
Landschaften von Bles und Figurenbilder der Antwerpener Manieristen der namlichen
Hand zu lassen. — In Friedlanders Text zum Berliner Galeriewerk S. 35 I ist jedoch
liei Rlcs von den »KrQh\vcrkcn« nicht mehr die Rede; der Teufel hat sie geholt.
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Ausstellungen. 545
Diesen drei, auch von mir anerkannten Gruppen mochte ich noch zwei
hinzuftigen: die vierte schliefit sich an den Brtisseler Magdalenen-Altar
(Sigmaringen, Vermahlung Marias; London, Kreuzigung und eine Mag-
dalena; Mtinchen, h. Sippe; Briissel, Altar: Anbetung der Konige Nr. 119
[nicht Nr. 78] und wohl noch manche andere); Friedlander erwahnt S. 43
oben den Brtisseler Altar etwas abschatzig und stellt dazu nur eine h. Anna
selbdritt in Worlitz. — Das Hauptwerk meiner f tin f ten Gruppe sind die
grofien Hochbilder im Kolner Museum (Nr. 448 — 55), wozu zwei in
Schleiflheim und eins in Nlirnberg gehoren; ich hielt sie friiher fur
Kolnisch, wo der Meister des Marientodes als ein hauptsachlich in
Koln tatiger Meister gait Dieser hat namlich einen besonders starken
Einflufi auf den Maler der ftinften Gruppe ausgetibt, hauptsachlich
in der Farbung. Durch P. Clemen (Kstdkm. d. Rheinprovinz Bd. 1 I 63,
1891) und Stephan Beissel (Stimmen aus Maria Laach, 1895, ^e^ 0
wurde seitdem nachgewiesen, dafi eine Anzahl von Schnitzaltaren am
Niederrhein mit derartigen gemalten Fltigeln aus An twerp en stammt,
wegen der eingebrannten Hand am Schnitzwerk. Fruher benannte ich diesen
Maler nach zwei solchen (geringeren) Altaren in Linnich (nordlich von
Aachen) den » Meister von Linnich « (s. Woermann, Gesch. d. Mai. II
497). Ubrigens bildet seine und ahnlicher geringerer Maler 27) Tatigkeit
einen weiteren Beleg fiir die neuere Ansicht, dafi der Hauptsitz des
Meisters vom Marientode Antwerpen war.28) — Um auf die beiden zur
»Bles« -Gruppe gehorigen Bilder der Ausstellung zuriickzukommen : diese
Darstellungen der Anbetung der Konige zeigen wieder recht, wie ver-
schiedene Bilder man hier derselben Hand zugeschrieben hat; beide ge-
horen ubrigens zu den besseren der Art, obgleich sie keiner der fiinf
Gruppen sicher einzuordnen sind. Das Einzelbild 185 (vgl. Friedlander,
Repert. 1894 Heft 5) hat eine mittelhelle, klare Farbung; die Zeichnung
ist nicht sonderlich manieriert, dagegen etwas raffaelisierend (man pflegt
das »Orleiartig« zu nennen). — Der Fliigelaltar 186 hat ein stark ab-
weichendes braunliches Kolorit, mit weifilichen Lichtern im Fleisch,
die Kopfe sind stark judaisierend, doch charakteristisch.
187. Heilige Sippe (Wewer, Frhr. v. Brenken): »Art des Bles,
freie Schulkopie nach dem Mtinchener Bilde«; sehr gering.
»7) Zu dieser gehcirt Adriaen van Overbeke, von dem ein beglaubigter und
1 5 13 datierter Schnitzaltar mit FlUgelbildern in der Kirche zu Kempen (vgl. Clemen,
Kstdkm. d, Rheinprov. Bd. 1 I S. 62, nebst Abbildung zweiei Gemalde).
2*) Voll sperrt sicli zwar mit Leibeskraften gegen diese auOerst wahrscheinliche
Annahme, aber es finden sich immer mehr Bclege daftir. Gegen Tatsachen ist Voll so
ohnmachtig wie Wurzbach und Toman; trotzdem werden die drei Genossen schwerlich
je zugeben, dafl sie Unrecht hatten. — Auch Walter Cohen halt den Meister bestimmt
fur vorwiegend in Antwerpen tatig.
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546 Ausstellungen.
III. Romanisten.
171. Madonna, 24 x 18 (Neuwied, Furst zu Wied): »Flandrischer
Meister um 1520^ [1. Aufl.: urn 1530]; nach Zusatz in 2. Aufl.: in
Art Mabuses. — Ich bin bier bestimmt fiir diesen selbst, da die Feinheit
der Ausftihrung seiner wiirdig ist (auch Bodenhausen und Cohen waren
darauf gekommen); das Bildchen ist in Art der bezeichneten in Mlinchen
und Wien von 1527. Die Kopfe sind freundlich, doch etwas leer; das
kleine Sttick feiner Landschaft parallel Patinir, Meister des Marientodes
und Orlei.
155. Madonna, Halbfigur (Miinster, Kunstverein) »Mabuse«, echt
bezeichnet; ein typisches Werk seiner spateren Zeit
156. Madonna und zwei Engelknaben unter spatestgotischem Stein-
baldachin (Schlofi Gnadental, Frhr. Otto von Hovel): »Art Mabuses; freie
Wiederholung nach dem Mittelbilde des Fliigelaltarchens zu Palermo*.
Es ist eine spatere Kopie von fleifiiger, doch nur leidlich geschickter
Ausftihrung (vgl. Friedlander, Rep. 1900, 254).
Von Bernaert van Orlei sind zwei gute Bilder vorhanden:
183. Heilige Familie und ein Engel (Berlin, Max Schulte):
Niederl. Meister, dem Orley verwandt; von derselben Hand Abend-
mahle in Liittich und BriisseU. Gemeint ist das 1531 datierte Bild in
Briissel (Waut. Nr. 107, Fe'tis 29) und die Wiederholung von 1530 in
Liittich, wovon noch eine Anzahl alter Kopien vorkommen; vgl. Woermann,
Gesch. d. Mai. Ill, 69, wo Untersuchungen von Hymans und mir ange-
ftihrt sind, die Peter Coeck van Aalst als Urheber wahrscheinlich
machen; dazu Friedlander, Rep. 1902, 46. Ich kann die Ansicht des
Katalogs nicht billigen, denn die erwahnten Abendmahle zeigen einen
Nachfolger von Orleis dritter Periode29), wahrend das vorliegende Bild
noch viel von seiner zweiten hat und ich keinen Grund sehe, es ihm
selbst abzusprechen. Es zeigt eine sehr lebhafte und warme Farbung;
die Landschaftsbehandlung dieser Periode Orleis, mit viel Braun im
Vordergrund; die Falten in Art seines damaligen Vorbildes Mabuse un-
ruhig geknittert. Dagegen deuten freilich Zeichnung und Kopfe schon
auf seine noch starker romanisierende (direkt rafFaelistische) dritte Periode;
also mochte ich das tiichtige Bild in den Ubergang von der zweiten
zur dritten setzen. — Lehrreich fur die Kenntnis dieser beiden Stilperioden
des Meisters ist die Vergleichung mit folgendem Stuck :
173. Kreuztragung (Basel, Frau Prof. Bachofen-Burckhardt; bis
1900: Berlin, Ulrike von Levetzow): »Bernaert van Orley.-; ein
29) Mcine Ansicht Uber Orleis drei Stilperioden ist dargelegt in Woermanns (iesch.
d. Mai. II, 515—516 von 1882.
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Ausstellungen. 547
schlagend echtes Hauptwerk von ausgezeichneter Erhaltung aus dem
Beginn seiner dritten Periode; es ist koloristisch noch sehr gut: leb-
haft und warm, doch ohne Buntheit. Auch in den Bewegungen stort
der akademische Zug noch nicht zu sehr, wahrend die Kopfe schon etwas
leer sind. — Nach Mitteilung Bodenhausens stammt aus derselben Zeit eine
Enthauptung der h. Katharina in reich mit Figuren belebter Landschaft,
Petersburg, Graf Kutusoff. Solche Bilder beweisen, dafi Orlei auch in
dieser Periode noch tiichtiges leisten konnte; uberhaupt mochte ich
Friedlanders Aufierung: » Orlei ist ein weit geringerer Meister als
GossaerU (Rep. 1902, 45) nicht unterschreiben ; dieser ist zwar in
Technik und Auffassung feiner, dagegen wird er im Ausdruck bald be-
denklich leer, wahrend Orlei oft etwas derb wirkt, aber kraftig bleibt
(z. B. die Madonna beim Earl of Northbrook, Nr. 330 der Briigger Aus-
stellung, Taf. 72 des Prachtwerkes).
175. Verkiindigung, 42 x 30 (Worms, Frhr. v. Heyl): »Art Orleys«;
Art seiner Spatzeit.
177. H. Maria Magdalena, Brustbild hinter Tisch (Anholt, Fiirst
zu Salm-Salm): » Meister der weiblichen Halbfiguren« ; ein typi-
sches eigenhandiges Hauptwerk unter diesen seinen Lieblingsdarstellungen,
von guter Erhaltung. Es kann uns warnen, mit solchen guten Werken
oft vorkommende geringere Nachahmungen zu verwechseln, z. B.:
180. Lautenspielerin (Hamburg, Konsul Weber), rich tig einem
Nachfolger gegeben. — Der zwischen Pseudo-Mostaert und Orlei schwan-
kende Meister bei 177 steht letzterem naher.3°)
178. Madonna mit Papagei (Aachen, Louis Beissel) »Art des M.
d. wbl. Halbfiguren «. — 179. Fltigelaltar: Anbetung der Konige
(Aachen, Wilh. Paulus): »derselbe«. Beide Werke sind richtig als von
der namlichen Hand zusammengestellt; es ist ein angenehmer aber
kleiner Maler. Auch ich gebe eine starke Einwirkung des genannten
Meisters zu, glaube aber noch mehr eine solche vom Meister des Marien-
todes zu sehen, obgleich Bewegung und Miene ruhiger, befangener sind
und die Farbung unscheinbarer. Wahrscheinlich ist der Maler auch
ein Antwerpener.
65. Mannl. Bildnis (Strafiburg, Galerie): »Joos van Cleef
der Jiingere«; (iberzeugend echt, nach Mafigabe von teilweise be-
glaubigten Bildnissen in England (vgl. Friedlander, Berlin. Galeriewerk
s. 36—37).
3°) Wickhoffs Aufstellung, der Meister sei identisch mit Jean Clouet, hat bis
jetzt keine Anhanger gefunden; durch nahere Untersuchung der kirchlich en Bilder ergibt
sich vielleicht genaueres tiber den Wohnsitr. des Millers (am ehesten Antwerpen).
Repcrtoriura fur Kunstwissenschaft, XXVII. ^7
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g 4 8 Ausstellungen.
IV. Hollander.
192. Fliigelaltarchen: Beweinung, 0.36X0,265; FlUgel innen:
S. Johannes Ev. unci Adrian (Aachen, Theodor Nellessen; friiher Koln,
Nelles): » Holland. Meister Ende d. 15. Jahrh.« Die Flugelbilder
sind nierklich geringer als das Mittelstiick, doch verwandt; es ist von einem
freundlichen Archaisten um 1500 — 10, von heller, zarter Farbung, vielleicht
hollandisch (v. Tschudi, Repert. 1896, 80: erinnert an Geertgen und David).
194. Kreuzabnahme, Beweinung, Grablegung, je 0,31 X o>*95
(Bonn, Frau Dr. Virnich) »ebenso<^; von einem kleinen, jedoch fein
ausfuhrenden Hollander, der neben Geertgen auch Q. Massys kannte, was
besonders in Farbung und Landschaft bemerklich; Bewegung und Aus-
druck von hollandischem Phlegma.
(Der grofie Fltigelaltar mit Gefangennahme Nr. 195, der starke
Beziehung zu den Hollandern um 1500 hat, ist schon bei G. David
behandelt)
100. Martyrium der hi. Agatha (Wewer, Frhr. v. Brenken): »Nieder-
rheinisch-hollandischer Meister«; wohl hollandisch, Anfang des
16. Jahrhunderts, von feiner Ausfuhrung und auffallend lebendiger Be-
wegung.
1 01. Flugelbilder (einer Kreuzigung in Holzschnitzerei von Loede-
wich 1498 — 1500); zwei untere grofie Fliigel: innen vier Szenen aus der
Passion nebst vier spateren bis Tod Marias; aufien: acht Szenen aus
Leben Jesu bis vor Passion; zwei obere kleine Fltigel : innen: Moses die
eherne Schlange zeigend; aufien: Geburt, Verklindigung (Kalkar, Pfarr-
kirche); Jan Joest, gemalt von 1505 — 1508. Dies Werk war unter den
grofien Altarbildern sowohl nach Umfang wie Kunstwert der Glanzpunkt
der Ausstellung. Ich hake den Hollander Jan Joest mit den Siidnieder-
landern David, Massys und dem Meister des Marientodes fur die
Haupter der niederlandischen Malerei aus ihrer Periode; von gleich-
zeitigen Deutschen sind nur Durer, Griinewald, Holbein d. J. (und allenfalls
Cranach in seiner Friihzeit) den vier Niederlandern gewachsen, also
steht die Wage ziemlich gleich.31) Die Kalkarer Bilder sind gleich
hervorragend in Zeichnung, plastischer Modellierung, Ausdruck der
Kopfe, Landschaft, Farbung (kraftig und harmonisch) und feiner Aus-
fuhrung. Diese erstreckt sich gleichmafiig liber das ganze grofie Werk;
die sonst oft so vernachlassigten Aufienseiten sind sogar durch etwas
bessere Erhaltung jetzt wirkungsvoller als die Innenseiten (deren Zustand
immerhin noch recht gut ist). Erstaunlich fUr einen Hollander ist der
31) Ich sehe schon, wie Voll sich hierbei auf den Kopf stellt und Friedlander
den seinen wenigstens schtittelt (vgl. Berliner Galeriewerk S. 30).
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Ausstellungeri. e a q
Sinn fur Schonheit, ja Anmut in Figuren und Kopfen, wahrend ja sonst
seinen Landsleuten des 15. und 16. Jahrhunderts charaktervolle »Hafilich-
keit« eignet. Aber auch in dieser leistet der Meister bedeutendes, wo er
es fur angebracht halt, wie in den fiinf ersten Innenbildern ; fur zarte Ge-
m titer 3*) wohl zu arges.33) — In kunstgeschichtlicher Beziehung war die hier
gebotene Gelegenheit wichtig, Jan Joest mit dem Meister des Marientodes
und einigen Hauptwerken aus Bruyns Friihzeit (bis 1525) zu vergleichen.
Die langst bekannte Anlehnung des M. T. M. an Jan Joest fallt sehr in
die Augen, ebenso dessen Einflufi auf Bruyn, wovon bei diesem die Rede
sein wird. — Eingehende Besprechung von F. Fries in Die Rheinlande
1904, Nov., S. 558 — 60.
102. Pfingsten (Berlin, Wesendonk): »Jan Joest «; dazu Hin-
weisung auf meinen Artikel von vier Spalten im > Kunstfreund « 1885
Nr. 13, worin ich, im Anschlufi an Eisenmann, das Bild der Spatzeit
dieses Meisters »mit grofier Wahrscheinlichkeit« zuschrieb. Gegeniiber
der mehrfach ausgesprochenen Hinweisung auf Massys' Art war es mir
erfreulich, dafi Walter Cohen hierzu sagt: ^-Hochstens Malweise und
Kolorit haben etwas Massysartiges ; aber bei wie vielen Bildern der Zeit
finden sich diese Anklange!« Alle dem stimme ich zu. Weiter sagt
genannter: »Die unmittelbare Vergleichung mit dem Kalkarer Altar be-
seitigte meinen friiheren Zweifel an Scheiblers Bestimmung«. — Mein
anderer \Nothelfer«, Bodenhausen, dachte zuerst an Beziehung zum
Meister des Marientodes (wie schon der alte Forster); dann aber kam er
auf etwas, das eine Annaherung an meine Ansicht bedeutet: »Das Bild
steht in ganz auffallender Beziehung zu Frey Carlos«; auch verweist er
auf die Ahnlichkeit einzelner Figuren (B. hat kiirzlich dessen Bilder in
Portugal gesehen). Justi hat diesem bedeutenden Meister, wahrschein-
lich ein in Portugal tatiger Niederlander, in seinem Artikel iiber die
portugiesische Malerei des 16. Jahrh. (Jahrb. d. preuss. Kstslg. 1888, III)
anderthalb Seiten gewidmet. Es heifit darin: »Die klinstlerische Herkunft
dieses Carlos weist weder nach Antwerpen34); noch nach Brtigge . . . Wohl
3») Vgl. die Note zu Nr. 202.
33) Voll wird diesen Lobespsalm ebenso geschmacklos finden, wie ich seine nur
mafiige Schatzung das Werkes; er widmet ihm 18 Zeilen, nennt es »sicherlich nicht
mittelmafiig, doch nicht bedeutend« (er versteht darunter ausgezeichnet) und meint, es
habe »als die grofie Enttauschung gewirkt«. Das behauptet er auch von den Marmion-
Bildern, mit gleichem Unrecht; denn, wie ich aus bester (Quelle erfahre, haben letztere
auf alle Arten von Freunden und Kennern alter Bilder, besonders auf die KUnstler, ent-
ziickend gewirkt, namentlich wegen der malerischen Vorziige. Von den Kalkarer Bildern
wurden die AuOensciten allseitig bewundert, nur die Xnnenseiten enttauschten etwas.
34) Gl ticks Verweisung des Frey Carlos nach Antwerpen finde ich so wenig
glticklich wie einige seiner Bestimmungcn von Antwerpener Bildern.
37*
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cj eo Ausstellungen.
aber gleicht er unter alien bekannten Groflen der Zeit keinem so wie
dem Meister von Kalkar; in diesem Eindruck stimmt mir auch Scheibler
bei . . .« (noch 5 Zeilen). — F. Diilberg, der in seiner Dissertation Uber
die Leidener Malerschule, 1899, Jan Joest auf S. 37—38 betreffs seiner
Beziehung zu Geertgen bespricht, raumt dem Pfingstbilde dreiviertel Seiten
ein. Er sagt: »Die Bestimmung als J. J. wird gesichert durch die vor-
geschrittenen Architekturformen und durch die ahnlich in Kalkar vor-
kommenden Typen zweier Apostel; des zur Linken mit der aufgestulpten
Nase und des in reich gebllimtem Gewand . . . Die Farben sind hell
leuchtend und zart wie bei Massys . . . Alles Wesentliche und Beste
von Joests bekannterem Nachfolger, dem M. T. M., ist hier bereits ent-
halten«. In einer Anmerkung ftigt Diilberg hinzu: »Wenn ich die am
Fries liber den Saulen [besser: oben am Pilaster, der links neben der
Mitte steht] angebrachten Zeichen richtig deute, stammt das Bild aus dem
Todesjahr des Meisters«. Wahrend der Katalog dies nicht beach tet,
stimme ich in der Lesung der von Diilberg gefundenen Inschrift: 15 19
li herein. — Ich bin bei erneuter Vergleichung mit den drei Apostel-
bildern des Altars bei meiner 1885 vorgetragenen und begrlindeten An-
sicht geblieben und bin nur gespannt darauf, wie die Mehrheit der
wirklich sachverstandigen Fachgenossen sich zu dieser Frage stellen wird.
200. Fliigelaltar: Jlingstes Gericht nebst Stifterfamilie (Berlin,
Wesendonk): »Jan Mostaert«; die 2. Aufl. des Katalogs ftigt eine Notiz
Obreens hinzu, wonach die Wappen der betreffenden Geschlechter, die
bisher als Utrechter galten, in die Haarlem-Leidener Gegend gehoren;
dies wlirde auch besser zu dem in Haarlem tatigen Mostaert passen.
Dafl die bekannte Bildergruppe von diesem ist, wird ja jetzt von den
meisten als wahrscheinlich angenommen. Betreffs der von Hulin vor-
geschlagenen Verteilung der Bilder unter zwei einander sehr ahnliche
Meister (Brligger Cat crit. 71 u. bis 72 ob., 93 m. bis 94 m.) bleibe ich
bei Friedlanders Widerspruch (Rep. 1903, 50). Die nachste Aufgabe wird
sein, durch gemeinsame Arbeit der Berufenen alle zu dieser Gruppe ge-
horigen Gemalde zusammenzustellen. Dann mag jemand eine Mono-
graphic des Meisters schreiben, und dabei einen Nachfolger aufstellen,
wenn er das fur durchaus notig halt. 35) Denn liber so feine Unterschiede
bestimmt zu urteilen sind schon solche Bilderforscher schwerlich imstande,
deren Spezialgebiet nur die Niederlander des 15. und der ersten Halfte
des 16. Jahrhunderts umfaflt, noch weniger aber solche, welche die
35) Siehe Hulins feine Kennzeichnung entgegengesetzter Naturen; die einen sagen:
»air das ist vom selben Maler« ; die anderen : »man mufi mehrere Hande unterscheiden*
(Cat. crit. Bruges L).
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Ausstellungen. c c i
deutschen Schulen dieser Zeit hinzunehmen, wie es die meisten »Kenner<:
der Altniederlander und Altdeutschen tun; und so weiter! Unser
Fliigelaltar wurde schon friiher dem Mostaert zugewiesen. Ich finde hier
teilweise den Zusammenhang mit Geertgen van Haarlem besonders
merklich, namentlich in den weiblichen Kopfen und in der Landschaft
links von der Mitte des Ganzen, welcher Teil breiter und weicher be-
handelt ist, als meist bei Mostaert Dagegen ist in Art seiner Bildnisse
vor Landschaft: das Scharfe in der Behandlung der Stifterkopfe, die
rechte Seite der Landschaft (kahl und diirr) und die kleinen Hinter-
grundsfiguren. Dies Werk spricht also gegen Hulins Zweiteilung der
Bildergruppe. — Eingehende Beschreibung von Diilberg, Repert. 1899, 39*
Von dem schrullig eigenartigen aber tiichtigen Amsterdamer Jacob
Corn elisz. van Oostsanen sind zwei gute Bilder hier, von 15 17 und
1 5 19, beide richtig benannt:
197. Fltigelaltarchen : Anbetung der Konige; Fltigel innen: zwei
Heilige und Stifterfamilie; auflen: zwei Heilige (Neuwied, Fiirst zu Wied);
datiert 15 17. Es ist schon besprochen in meinem Artikel liber den Meister
(Jahrb. d. preufi. Kstslgn. 1882): »Ein Hauptwerk unter seinen kleineren, von
besonders feiner Ausfiihrung und guter Erhaltung, noch den Werken der
mittleren Periode naher stehend als denen der spateren«. Damals be-
stimmte ich, nach datierten Bildern, die mittlere Periode als von urn
1511 bis 1517 gehend, die letzte von spatestens 1523 bis 1530.36) Dem
Katalog ist entgangen, dafi das 1520 datierte Bild der Sammlung
R. von Kaufmann in Berlin eine Wiederholung des Mittelbildes ist; die
einzige wesentliche Abweichung besteht darin, dafi das Kind im Berliner
Exemplar den alten Konig ansieht, beim anderen nach rechts wegblickt.
Folgendes bisher unerwahnte Bild kommt zu seinen nach 1882 bekannt
gewordenen datierten:
198. HI. Maria Magdalena, Brustbild (Wewer, Frhr. von Brenken)
bezeichnet: ANNO DNI '519. Die zweite Auflage des Katalogs schreibt
das Bild mit Recht dem Meister selbst zu und erklart die Buchstaben
L. K. fur spateren Zusatz; sie sind eine altere grobe Falschung, auf
Cranach gehend. Spatere Zusatze sind ferner der hinter der Heiligen auf-
gespannte Teppich und vielleicht auch der reich verzierte Heiligenschein.
Sonst ist das Bild gut erhalten und von feiner Ausfiihrung, besonders in
dem vielen Zier- und Beiwerk; es ist wohl ein Bildnis als Magdalena.
196. Heilige Nacht 64 X 50 (Wewer, Frhr. v. Brenken) ; »Holland.
Meister, Beginn d. 16. Jahrh.«; in der Note wird auf das Exemplar der
36) Vol], Sp. 8, leistet hier wieder merkwUrdiges in vcrzwickter Hyperkritik ; or
hat von A. v. Wurzbach viel gelernt.
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552 Ausstellungen.
Sammlung v. Kaufmann zu Berlin verwiesen. Dies ist viel besser als das
geringe aus Wewer, aber doch nur eine gute Kopie nach dem unbekannten
Original eines ttichtigen Hollanders, in Art des Jakob Cornelisz.
202. Kreuzigung, ursprtinglich ein Fltigelaltar (Basel, Frau Prof.
Bachofen-Burckhardt) : »Cornelis Engebrechtz.« Das Bild wurde zu-
erst wohl von mir so bestimmt, 1892, als es in Kbln bei Gebr. Bourgeois
war (»Bles«); beiin damaligen kunsthistorischen Kongrefl wurde das allgemein
anerkannt, und einer von der Gilde kaufte es (W. v. Seidlitz in Dresden).
F. D til berg bespricht es eingehend, als dem Mittelbilde des beglaubig-
ten Leidener Kreuzigungsaltars (um 15 10) besonders nahe stehend, je-
doch einige Jahre spater (Leydener Malerschule 1899, 61 m. bis 63 m).
Der Gesamtton ist mittelhell und warm, goldig; das Kolorit wirkungs-
voll und eigenartig, durch grelle weiflliche Lichter aber etwas fleckig.
Die Kopfe sind teilweise arg karikiert, jedoch charaktervoll (DUlberg:
>>wohl dasjenige Werk, wo Engebrechtz. seinem Drang zum Hafllichen
am meisten folgte«). Technik: charakteristisch hinwischend, doch teilweise
nicht zu dtinn. Einiges Gespensterhafte bei den hinteren Gruppen, wie
auch ibr graulicher Ton, erinnert an Hier. Bosch, wie ofters bei Engebrechtz.
Das Bild bestatigt besonders die von mehreren ausgesprochene Ansicht,
dafi der Kolner Severinsmeister mit E. zusammenhange (Aldenhoven,
Gesch. d. Koln. Malerei 1902, S. 284 und Note 480); von jenem war hier
viel vorhanden, auch der grofie Aachener Altar Nr. 56 zu vergleichen. 37)
188. HI. Familie mit hi. Katharina und zwei Engeln (Rotterdam,
Dr. Lanz) »Art des Bles<; hollandisch, am nachsten dem C. Engebrechtz.
stehend, aber nur alte Kopie.
Nun kommen zwei ausgezeichnete Bilder, die ich fiir Lukas van
Leiden in Anspruch nehmen mochte.
203. S. Johannes B. und Magdalena, Halbfiguren in Landschaft,
31 X 24 (Aachen, Museum): » Co me lis Engebrechtz«, auch in Aachen
so benannt, ebenso von Friedlander, Bodenhausen und Dulberg (Leyd.
Mai. S. 80 m., 81 ob.). Dieser widmet dem Bildchen 13 Zeilen; er nennt
es >in den Farben auflerst frisch« und stellt es zusammen mit der auch
von mir dem C. E. zugeschriebenen Darstellung aus der Kreuzlegende,
Nr. 299 der Wiener Galerie Harrach. Beide Werke nennt er: »von gleicher
Feinheit, aber ohne die etwas gedrehten Formen des spaten grofien
Kreuzigungsaltars im Utrechter Erzbisch. Museum [echtj und zumal der
kleineren freien Wiederholung bei Graf Pettenegg in Wien [mir unbekanntj,
und geistreich leichter in der Ausfiihrung«. Im Aachener Museum ist
37) Vgl. bei diesem auch die Hinweisung auf Griinewald, als Erzieher der Kumt-
liistoriker zu einem weniger formlichen Geschraack.
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Ausstellungen. c c 3
eine rich tig benannte Beweinung, Nr. 34, von C. E., die Dulberg S. 69
fiir etwas friiher halt als den spateren Altar (mit Beweinung) in Leiden
(urn 1525). Die beiden Aachener Bilder habe ich seit 1877 besonders
oft gesehen, und wegen der Beweinung, die genau die gewohnliche Art
von C. E. zeigt, bezweifelte ich immer, dafi auch das Heiligenbild
von ihm sei, 38) dachte hier vielmehr eher an seinen bedeutenderen und
weit beruhmteren Schiiler Lukas van Leiden. C. E. zeigt in seinen
Arbeiten zwar starke Unterschiede, sowohl dein Stile wie dem Werte nach,
aber ein Bild wie die beiden Heiligen, das ganz auf der Hohe von guten
des Lukas stent, ist mir sonst von seinem Lehrer nicht vorgekommen.
Freilich ist die Unterscheidung zwischen Gemalden beider Meister zu-
weilen schwierig. 39) Der Farbenauftrag ist pastos, die Behandlung des Bei-
werks sehr eingehend; die Landschaft in der Art von Lukas (wie beim
hi. Hieronymus in Berlin und dem Diptychon in Munchen).
204. Die hi. Einsicdler Paulus und Antonius in der Wildnis,
33 X 47 (Wien, Fiirst Liechtenstein): » Lukas van Leiden «; dazu Be-
merkung (in 2. Aufl.): » Landschaft und Formbildung stimmen nicht zu
den wenigen Gemalden des L., rlihrt jedenfalls her von einem hervor-
ragenden, dem Cornelis Engebrechtz. nahestehenden Meister «. — Die
Benennungen dieses ausgezeichneten Bildes haben eine merkwiirdige
Geschichte. Der alte Name, noch jetzt der offizielle, war Lukas van
Leiden: er wurde von Waagen noch 1862 (Hdbch. I 151) und 1866
^Kunstdenkm. Wiens I 277) gebilligt: > schemes und wohlerhaltenes Bild
des Meisters. Als ich 1877 — 1878 in Wien war, verwarf ich Waagens
Ansicht und kam auf Bles. Woermann lehnte schon 1882 beide Namen
ab (gegen L. v. L. in Gesch. d. Mai. II 533; gegen Bles: Mitteilung an
mich). Bode besprach das Bild eingehend 1895 (Graph. K (ins te S. 1 18);
er ist gegen L. van Leiden und flir Bles, obgleich er zugibt, dafi es »in
der blonden Farbung und in den Gestalten dem Lukas nahe stent «. Als
ich nun in Diisseldorf das seit 1878 nicht gesehene Stuck wieder unter-
suchte, kam ich bald darauf, dafi der an sich langst so verrufene Name
»Bles« hier nicht passe, sondern der alte: Lukas van Leiden wieder-
herzustellen sei. Hier hat das allerdings vorhandene »Kauzchen« oder
vielmehr Eule, wieder einmal Unfug gestiftet. Erst spater erfuhr ich, dafi
Dulberg schon 1899 hier ein Frlihwerk von Lukas erkannt hatte (Leid.
Mai. 76); es habe noch viel verwandtes mit zwei Bildern von Cornelis Enge-
38) Das namliche ergibt die Vergleichung mit der Kreuzigung Nr. 202. — VV.
Cohen: »Meine frtlhere Zustimmung zu Scheiblers Ansicht nehme ich zuriick, nachdem
ich ahnliche feine Bilder von C. E. kennen gelernt«.
39) Vgl. Friedlander: Artikel liber den Meister im » Museum* S. 4 1 und im
Berl. Galeriewerk 40 — 1.
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554 Ausstellungen.
brechtz. aus der Zeit seines frtiheren Leidener Altars : Verstofiung Hagars
in Berlin, Witwe von Friedr. Lippmann und Versuchung des hi. Antonius
in Dresden; auch finde sich das Doppelkreuz des Antonius auf letzterem
ganz ahnlich wieder. Bodenhausen hatte, ohne Kenntnis dieser Vor-
geschichte, schon in der Liechtensteingalerie init Bestimmtheit einen Lukas
van Leiden darin erkannt. Die in der 2. Auflage hinzugekonimene Bemer-
kung von Firnienich zeigt, dafi auch er sich unserer Ansicht wenigstens
nahert. Ubrigens liegt bei dem Sibyllenbilde der Wiener Akademie derselbe
Fall vor: die Gelehrten sind uneins, ob hollandisch (L. v. L. oder ein
anderer Nachfolger von C. E.) oder »Bles«-artig (ich bin bestimmt fiir
ersteres). Der siidniederlandischen »BIesgruppe« entspricht eben eine hol-
landische Gruppe, deren Hauptmeister Cornelis Engebrechtz. ist; beide an
sich so verworrene Gruppen werden noch viel durcheinander geworfen. —
Beim Wiener Bilde ist in Lukas* Art der Auftrag pastoser, die Modellierung
plastischer wirkend als bei der »Blesgruppe«, wofiir man die Anbetung der
Konige Nr. 185 aus Neuwied vergleichen kann; die Zeichnung der Figuren
ist durchaus frei und charaktervoll, nicht eigentlich manieriert, wie meist
bei »Bles«; die Kopfe deuten stark auf L., auch die Art, wie der eine
durch die Kapuze fast versteckt wird. Der stark braunliche Ton*0) in
Fleisch wie Landschaft spricht fiir eher hollandische Herkunft Die Ge-
wander zeigen L.s unruhiges Geknitter mit seiner feinen Modellierung. Die
Tiere (vorn Rabe und Eule) und die fernen Monchsfigiirchen sind sehr
lebendig und wirkungsyoll gegeben. Der Baumschlag hat allerdings
Beziehung zu »Bles' Friihwerken«, wie auch das saftige Grtin; beides
aber nicht so, dafi hier ein frtihes Werk von Lukas ausgeschlossen ware;
auf der' hiesigen Kreuzigung seines Lehrers ist der Baumschlag ver-
wandt, wenn auch derber.
207. Zwei Flligelbilder mit Stifterfamilie (Hamburg, Konsul Weber)
»ArtdesJanvanScorel«; so sind sie auch in Woermanns Verzeichnis
dieser Galerie von 1892 bezeichnet, das auf S. 69 die Literatur dariiber
zusammenstellt und bespricht Ich nehme meine friihere Ansicht: »Friih-
werke von B. Bruyn d. Jting.« zurtick und glaube jetzt auch, dafi die
Bilder von einem Hollander sind, der Scorel wenigstens in der Landschaft
verwandt ist, wahrend die Figuren, namentlich die Kopfe, stark abweichen.
Die zweimal vorkommende Jahreszahl 1539 ist an sich nicht verdachtig,
aber Malweise und Trachten sprechen eher fiir spatere Entstehung.
Damit sind die niederlandischen Gemalde bis um 1550 endlich er-
ledigt; ich habe ihre Besprechung etwas ausfiihrlich gehalten, weil die
40) Er wird verstftrkt durch den nicht ursprtinglichen braunen Firnis, der die
hellen Gewander fleckig macht.
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Ausstellungen. etc
Niederlander der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts, welcher
Zeit ja die meisten dieser Bilder angehoren, bekanntlich noch immer not-
leidend sind, im Verhaltnis zu den viel ofter und ausfiihrlicher behandelten
Meistern des fiinfzehnten, aufler Gerard David. 41)
Den noch zu erledigenden Teil der Primitiven, die eigentlichen
altdeutschen Schulen, werde ich dagegen viel kiirzer behandeln. Bei den
Kolnern erklart sich das dadurch, dafi iiber sie Karl Aldenhovens
Geschichte der Kolner Malerschule von 1902 vorliegt, wo fast alle diese
Bilder eingehend gewiirdigt sind. Mit den Westfalen habe ich mich
in den Jahren 1876 — 77 zwar auch viel befafit, seitdem aber ihre
Heimat nicht mehr besucht, wahrend ich mit den Kolnern seit 1890
durch die Nahe meines Wohnortes (Bonn), mein Verhaltnis zu Alden-
hovens Schrift (siehe dort S. 433 Note 586) und das zugehorige, von
mir ausgewahlte Tafehverk wieder in Fuhlung geraten und geblieben
bin. Die Oberdeutschen (einschliefilich der Mittelrheiner) kommen
der Menge nach wenig in Betracht, doch ist bei ihnen eine Anzahl der
besten Stiicke der Ausstellung.
Kdlnische und niederrheinische Schule.
Hier lasse ich Bilder folgender Arten ganz aus oder erwahne sie
nur kurz: unbedeutende; solche, wortiber ich nichts anderes zu sagen
weifl als der Katalog; solche, woriiber Aldenhovens Werk schon alles
notige und mir rich tig scheinende en thai t. Ich darf ja wohl voraus-
setzen, dafi jeder Erforscher dieses Gebiets sich in den Besitz eines
Katalogs setzt (noch zu haben bei Schmitz & Olbertz, Diisseldorf, M. 2) J2)
4») Das beste neuere iiber die Niederlander um 1500 — 50 enthalten zwei Ar-
tikel M. J. Friedlanders: die betreffenden Abschnitte in der Besprechung der Briigger
Ausstellung (Repert. 1903) und im Berliner Galeriewerk (undatiert). Meinen Dank fUr
die durch sie gebotcne Anregung und die Krweiterung meiner Kenntnis dieser Meister
bezeigte ich dadurch, da8 ich Friedlander frei widersprach, wo mir das angebracht schien.
— Vol Is Artikel bringt dagegen iiber diese Meister auffallend wenig; er fertigt sie auf
einer halben Spalte ab, behauptet, »wirklich bedeutende Stiicke seien fast gar nicht
gekommen« und bespricht nur drei Bilder (aufier Jan Joest und dem Meister des
Marientodes, die er fiir eher Deutsche erklart). Frcilich, da Voll weniger objektiver
Bilderkenner ist, sondern vorwiegend Liebhaber alter Bilder (vergl. Friedlander,
Repert. 1900, 470 und Bode, Jahrb. pr. Kunstslg. 1901, 130), so darf er sagen:
»Car tel est mon plaisir«, d. h. »ich vertiefe mich in die Bilder, Meister und Schulen,
die mir Iiegen ; die andern behandle ich en canaille*. In der Tat geht aus seinen ander-
weitigen AuBerungen iiber die Niederlander der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts hervor,
daB er eben so wenig Kenntnis von ihnen wie Verstandnis fiir sie hat (Beilage zur
Allg. Ztg. 1899, No. 172, S. 3 II; 1902, No. 223, S. 614 II — 5 I).
4*) Mit guten Netzdmcken (77 in der 2. Auflage) die einige andre Abbildungen
als die erste enthalt.
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556 Ausstellungen.
6. Kreuzigung (Aachen, Herm. Clemens); ich teile die Ansicht des
Katalogs, dafi sie vom Hauptmeister43) selbst ist, wahrend Aldenhoven
(S. 93 — 95) hier, wie ofters bei diesem Meister, inir hyperkritisch vor-
kommt.
7. Madonna und Heilige (Leipzig, Hans Felix); derselbe Fall wie
beini vorigen; Ahvn. (70 — 71; 341) denkt an einen westfalischen Schiiler
des Hauptmeisters. Das war friiher eine Zeitlang auch meine Ansicht,
dem hat Fried lander (Repert. 1897, 412) jedoch schon mit Recht
widersprochen und sich filr genannten Kolner erklart Voll, Sp. 2 — 3
gonnt achtzchn Zeilen dem feinen, doch durch neuere Ubermalung be-
eintrachtigten Bildchen (darin sah Friedlander scharfer); da er die gleich-
zeitigen Westfalen nicht geniigend kennt, verdunkelt er das durch
unklaren Ausdruck.
9. FlugeltUren eines Reliquiens( hreins : zwolf Heilige (Koln, S.
Kunibert): »K6lnischer Meister um i4io«; das scheint mir richtig,
gegen Ahvns Ansicht (108), dafi diese in dcr Farbung auffallend gut er-
haltenen Bilder zur Soester Schule gehoren.
13 — 14. Kronung und Tod Mariae (Wewer, Frhr. v. Brenken):
»K6lnischer Meister um i4 2o«; in der 2. Aufl. richtig naher be-
stimmt: als »Meister der grofien Passions.
16. Madonna mit vier musizierenden Engeln (Darmstadt, Kommer-
zienrat Wittich): »K6lnischer Meister um 1440*; ein bisher unbe-
kanntes ausgezeichnetes Werk, durch alte Restauration stark beeintrachtigt;
noch vorwiegend in Art »Wilhelms«, doch schon auf Stephan hindeutend.44)
1 1 a, der bekannte kleine ausgezeichnete Paradiesgarten aus Frankfurt,
hiefi ^Rheinischer Meister um 1420 «; Zusammenstellung der Literatur
in Firmenichs Text S. 4. F. Rosen, Die Natur in der Kunst, 77 — 80.
Voll (Sp. 2) spricht Uber das Bildchen eben so begeistert wie verntinftig.
Stefan Lochner war zahlreich und gut vertreten, wenn auch
das in Aussicht genommene Darmstadter Bild ausgeblieben war. Sehr
bekannt sind ja die grofie Madonna aus dem erzbischoflichen Museum zu
Koln und die Kreuzigung aus Nurnberg (No. 19); bei dieser ist Ahvn. (172)
unsicher, ob sie vom Meister selbst oder nur aus seiner Werkstatt her-
riihre; ich fand keinen Grund, ersteres zu bezweifeln (Voll : Schule). Bis-
her recht unbekannt war
43) Hier scheint mir Volls (Sp. 2) vorsichtige Hal tun g gegenUber der bekannten
Auf st el lung Firmenichs richtig; ich wtinsche dieser alles gute, hoffe aber, dafi sic
noch weitere Sttitzpunkte finde.
44) Vgl. Miss. Jocelyn Ffoulkes (Athenaeum 1904, 24. Septb.) und G. Frizzoni,
Rassegna d'arte 1905 S. 3 I: vielleicht Lochner; beider Autoritat auf diesem Gebiet ist
mir unbekannt.
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Ausstellungen. c c 7
21. Anbetung des Kindes, Rtickseite Kreuzigung (Altenburg, Prin-
zessin Moritz von Sachsen), das erst Stephan selbst zuerkannt wurde, als
es vor einigen Jahren in Koln war (Ahvn., Scheibler, Firmenich). Es ist
eins seiner feinsten kleinen Stucke, sowohl in der Ausflihrung, wie in
Ausdruck und Farbung, dabei trefflich erhalten; vgl. Ahvn. 162 und
Firmenichs Text S. 5. Voll war hier von seinem Qualitatsgeftihl so ver-
lassen, dafi er dies Juwel mit N. 20 und 19, die wesentlich geringer sind,
nur als Schulwerk gelten lafit.
20. S. Johannes Ev. und Magdalena (Berlin, Slg. v. Kaufmann); ich
glaube wie der Katalog, dafl die Tafelchen eigenhandig sind; Ahvn. 176:
>verwandt«; audi andere (aufier Voll) bezweifeln die Eigenhandigkeit. —
Ein bisher wenig bekanntes Altarchen:
23. Madonna im Paradiesgarten ; Fliigel S. Johannes Ev. und Paulus
(Darmstadt, Frau von Lichtenberg; friiher Prinz Wilhelm von Hessen)
setzt der Katalog wie Ahvn. (175) in die Schulc Lochners; es ist so
gut, dafi es fast auf seiner Hohe steht (erst spater aufgehiingt).
Jetzt folgen die Werke der Kolner der zweiten Halfte des
15. Jahrhunderts bis ins 16. hinein, unter Einflufl der Niederlander ;
von alien Hauptmeistern waren zwar wenigstens einige gute Werke vor-
handen, aber die Anzahl der Stucke hatte grofier sein konnen, in An-
betracht, dafi der Meister des Marienlebens und der hi. Sippe doch recht
fruchtbar waren; nur vom Severinsmeister waren zahlreiche Werke da.
In der Literatur bekannt sind die beiden Stticke des Meisters
derVerherrlichung Mariae:45) Anbetung der Konige, jetzt in Slg. Beissel
zu Aachen und die Verherrlichung Mariae in Worms; dies gut erhaltene
Stuck, das durch die vielen, aber nicht einformigen Kinderengel den
Meister von seiner liebenswtirdigen Seite zeigt, fand weniger Verstandnis
als es erwarten durfte (F. Fries, Rheinlande, Aug. 1904 S. 449 — 50).
Von eigenhandigen und guten Bildern des Meisters des Marien-
lebens waren vorhanden: zunachst drei altbekannte Werke,
28 — 29. Heimsuchung und Madonna mit zwei Heiligen, (Paris,
Crombez, friiher Koln, Clave), und
31. Altar mit Kreuzigung (Bonn, Frau Dr. Virnich); dann
33. Madonna und zwei Heilige (Hamburg, Slg. Weber). — Dagegen
scheint mir
45) Voll (Sp. 3 — 4) rechnet den Meister noch ganz zu Lochners Schule, dem
Jttngsten Gericht zu Koln nahe stehend, 'und parallel rait No. 19, 20, 21; man glaubt
einen Anfanger im Studium der Kolner des 15. Jahrhunderts reden zu horen. Die dor-
tigen Maler unter niederlandischem Einflufl scheinen Ubrigens nicht in seiner Gnade zu
stehen, denn er bespricht von den sechs in Dlisseldorf anwesenden Meistern nur zwei:
den genannten und den des hi. Bartholomaus.
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558 Ausstellungen.
32. Himmelfahrt (ebendort) keins der besseren des Meisters, falls
es uberhaupt eigenhandig ist (vgl. Woermann, Verz. der Gal. Weber S. 7 ;
bei dieser Sammlung folgt der Ausstellungskatalog dem der Slg. Weber).
Aus der Schule und Nachfolge des Meisters sah man sechs Werke;
untergeordnet sind die beiden folgenden:
34. Madonna und sechs Heilige (Berlin, Kgl. Museum), nur wegen
des Datums 1468 bemerkenswert, und
37. S. Petrus mit Stifter (Hamburg, Slg. Weber); Ahvn. 206.
^S. Die Szene aus dem Leben des hi. Bruno (Bonn, Frau Dr. Virnich)
vertritt gut die bekannte Folge, der es angehort, 1st dabei auffallend gut
erhalten.
35. Altar mit Kreuzigung (Aachen, Flamm) nennt Ahvn. (224) unter
den eigenhandigen spaten Werken des Meisters; es ist freilich noch recht
gut, aber ich glaube jetzt mit dem Katalog, dafi es eher in seine Schule
gehort.
36. Den Marienaltar aus Linz gibt die zweite Auflage des Katalogs
mit Recht dem Meister der Lyversberger Passion, auf den schon die
erste hingewiesen hatte; namentlich die Apostelkopfe beim Pfingstbilde ent-
sprechen genau denen auf der Kolner Passionsfolge (Ahvn. 218: Werk-
statt des Meisters des Marienlebens).
39. Verkiindigung (Basel, Frau Prof. Bachofen-Burckhardt): >K61ni-
scher Meister um i48o« ist ein htibsches Bild von einem spateren
Nachfolger des Meisters des Marienlebens (dem Sippenmeister ferner).
Der Meister der heiligen Sippe wurde wenigstens durch zwei
aufiergewohnlich gute Werke dargestellt,
40. Votivbild des Grafen Gumprecht von Neuenahr, der 9. Marz
1484 starb. Der alteren Literatur war es unbekannt, obgleich schon
Wolfgang Miiller es im vor-Niessenschen Katalog der Kolner Galerie
erwahnt und richtig benannt hatte; es fuhrte zu Bloemersheim ein Still-
leben, bis es fiir die Sammlung von Carstanjen erworben wurde.
41. Anbetung der Konige (Schlofi Velen bei Bocholt); bisher war
dies entlegene Bild nur durch eine Photographic bekannt, nach der es
dem Sippenmeister zugeschrieben wurde. Die Gewinnung fiir die Aus-
stellung war also sehr erfreulich, zumal es unter seinen teilweise stark die
Beteiligung der Gesellen zeigenden Werken durch Feinheit der Ausfiihrung,
charaktervolle Kopfe und bltihende Farbung hervorragt. »J'ai pense un
instant « an den Severinsmeister, und zwar an (lessen spatere Zeit, wo er
formfeinere Werke hervorbrachte, z. B. die beiden Heiligenpaare in
S. Severin und die grofie heilige Damengesellschaft im Kolner Museum.
Schliefllich bin ich aber auf den Sippenmeister zuruckgekommen; viel-
leicht hat er hier von jenem Zcitgenossen etwas angenommen. Aldenhoven
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Ausstellungen. c c q
hebt mit Recht die bildnisartigen vier Kopfe rechts liber den Konigen
hervor (er kannte nur die Photographie). Sie zeigen, wie die Kopfe iiber-
haupt, eine kraftigere Charakteristik und plastischere Ausfiihrung, als man
es sonst bei diesem Meister gewohnt ist (man vergleiche die Nachbil-
dungen derselben Darstellungen in Valkenburg und MUnchen). Firmenichs
Text S. 8 weist bin auf eine »erneute Bekanntschaft mit den Leistungen
niederlandischer Realisten«.
Vom Meister des hi. Bartholomaus war dort die bekannte
Mainzer Tafel, die zu der Londoner gehort; ferner
45. eine kleine heilige Familie aus Sigmaringen, wovon Ahvn.
S. 257 sagt: »vielleicht nur Werkstattwiederholung«; auch mir ist das
wahrscheinlicher (Firmenich, Z. f. chr. Kst. 1900 S. 10: echt, doch »etwas
fliichtig in der Ausfiihrung «).*6) — Selir erfreulich war die Anwesenheit der
noch nicht lange bekannten Anbetung der Konige aus Sigmaringen N. 44,
eins der wenigen Bilder des Meisters, die aus seiner gewohnlichen Art
herausfallen und ihn auf verschiedenen Stufen seiner Entwicklung zeigen.47)
Firmenich (cit. S. 8 — 9) und Aldenhoven (256 — 257) besprechen das ziem-
lich kleine Werk eingehend und weisen auf die Beziehung zu Schongauer
hin, Ahvn. auch auf die zur schwabischen Schule; naheres zu 236a.
Der Meister von S. Severing) und seine Art war reich und gut
vertreten, durch neun Werke. Von bekannten eigenhandigen waren es
die Flugelbilder des grofien Altars der Sammlung Weber, die beiden
Heiligenpaare aus S. Severin, das Votivbild von 15 15 aus S.Ursula und
die beiden weiblichen Bildnisse in Bonn und Koln. Erst seit einigen
Jahren bekannt war die kleine Messe S. Gregors (Koln, Karl Essingh)
auf Seide, ein Gegensttick zu dem Bildchen mit weiblichen Heiligen im
Kolner Museum, und eine Himmelfahrt (Wewer, Frhr. von Brenken); ihre
Fliigelbilder sind auffallenderweise in B. Bruyns Friihstil (Ahvn. 306),
woriiber spater.
55. Szene aus der Katharinenlegende (Straflburg, Galerie), wozu
eine dortige Tafel aus der Agneslegende gehort, nennt die zweite Auf-
46) Ubcr die freie Wiederholung in Pest macht Ahvn. S. 257 nahere Angaben als
der Katalog; nach Vergleichung mit Photographie sind auBer den ganz verschiedenen
Hintergrlinden viele Abweichungen im einzelnen.
47) Voll, Sp. 6, verwirft das Bild natUrlich, da er streng verbietet, dafl ein Maler
anders als nach einer bestimmten Schablone arbeite, wahrend doch gerade die ver-
schiedenartigen Werke dieses unter oberdeutschen wie niederlandischen EinflUssen
stehenden Kolners Volls Veto widerlegen; er widmet ihm Y3 Spalte.
48) Ich sehe vorlaufig keinen genttgenden Grund, Aldenhovens Ansicht anzunehmen,
dafl ein betrachtlicher Teil der bisher diesem Meister zugeschriebenen Werke von einem
nahe verwandten sei, dem Meister derUrsulalegende; auch andern hat das meines
Wissens bisher nicht eingeleuchtet (vgl. Friedlander, Repert. 1904, 81).
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560 Ausstellungen.
lage des Katalogs >Art des Meisters von S. Severin< ; es ist ein
tiichtiger, ihin verwandter Maler von einheitlichem braunlich-grauem Ton.
56. Grofler Fliigelaltar: Kreuzigung usw.; Fliigel: Dornenkronung
und Beweinung (Aachen, Dom): »Niederr*heinischer Meister um
1 5 io«; in der Note wird die Kreuzigung Nr. 1040 der Londoner Galerie
und deren Fliigel in Liverpool genannt, als von verwandter Hand. Ich
glaube hier die gleiche zu sehen, wie schon mehrfach gesagt wurde, vgl.
Ahvn. 291. Ich halte den Maler ftir einen dem Severiner parallelen
Meister, der vielleicht wie dieser aus Holland nach Koln gekommen war
und durch ihn (in zweiter Linie voni Sippenmeister) beeinflufit wurde.
Friedlander (Repert 1900, 258) nennt ihn einen > wilden Meister « (was
bei Griinewald uns recht, ist andern Meistern auch erlaubt). Am besten
ist er im sehr farbigen und doch nicht bunten Kolorit, das zudem aus-
gezeichnet erhalten. Eingehende Besprechung in Firmenichs Text S. 9.
Mit Bartholomaus Bruyn treten wir ins voile sechzehnte
Jahrhundert; von ihm war viel vorhanden, sowohl Kirchenbilder wie
Bildnisse, diese alle gut, von anderen Werken waren aber nur aus seiner
Friihzeit vier grofie Hauptbiider dort, wahrend seine mittlere und spate
Zeit sich geringwertiger darstellte, als sie an sich schon ist. Sehr
erfreulich war die Gelegenheit, die beiden Hauptwerke aus dem Anfang
seiner Tatigkeit unmittelbar vergleichen zu konnen, beide echt datiert:
der Altar mit Kronung Mariae (Koln, Franz Hax) von 15 15 und die
Heilige Nacht (Berlin, Slg. v. Kaufmann) von 15 16, beide mit demselben
Stifterpaar: Dr. juris Peter von Clapis und Frau Sibylla. Das zweite
Sttick hat noch so viel von dem Meister des Marientodes, dafi ich es
lange diesem zuschrieb;49) ich halte noch immer ftir moglich, dafi hier
eine freie Nachbildung Bruyns nach einem unbekannten Gemalde dieses
seines damaligen Hauptvorbildes vorliegt. Ubrigens habe ich mich
jetzt durch genauere Untersuchung aus der Nahe und durch Vergleichung
mit der Kronung Mariae davon uberzeugt, dafi es wirklich von Bruyn
herrtihrt Bekannt ist, dafi die Komposition sehr frei einem hollandischen
Bilde entnommen ist, von dem auf der Ausstellung eine sehr schwache
Kopie vorhanden war (Nr. 196), und wovon die Slg. v. Kaufmann eine
viel bessere besitzt;5°) einiges auf dieser, namentlich die nackten Putten,
deuten auf Jakob Cornelisz (vgl. sein Bild in Neapel). — Ferner waren
49) Firmenich im Text S. 1 1 : »Es steht stilistisch den Werken des Joos van
Cleef und des Jan Joest nahe«. — In seiner Bmyn-Dissertation wird es als Werk des
Meisters vom Marientode genannt, aber nur, weil er das damals unzuganglicbe Bild
nicht kannte.
5°) Vgl. Firmenich im Text S. 1 1 ; die hier auch genannten Ex em pi are einer
anderen heil. Xacht stehen in der Komposition ferner (Wien: zwei, Mlinchen, Annaberg).
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Ausstellungfen. 56 r
von den vier grofien Tafeln in Essen die beiden besten vorhanden:
Geburt Christi von 1524 und Anbetung der Konige von 1525; sie bilden
den Ubergang von Bruyns friiher zur mittleren Art und zeigen ihn im
Kolorit noch auf einer mit dem Meister des Marientodes wetteifernden
Hohe. tJbrigens konnte man sich durch das Altarwerk Jan Joests da-
von uberzeugen, dafi Bruyn nicht blofl bei der friihen Kronung Mariae,
sondern noch bei dein Essener Werk auch von Jan Joest beeinfluflt
wurde, worauf schon Firmenich hingewiesen hatte; besonders ist diese
Beziehung in der Auffassung Marias merklich. — Die schon beim Severins-
meister erwahnten Hochbilder:
81 Stigmatisation des hi. Franziskus und Tempelgang Mariae, welche
jetzt die Fltigelbilder zu einer Himmelfahrt des Severiners bilden, nennt
der Katalog rich tig »Art Bruyns«; sie zeigen die Art einer Gruppe ganz
friiher Werke Bruyns, sind aber nicht gut genug fur ihn selbst; da manche
solcher Bilder vorkommen, mufi er schon frtih einen Werkstattsbetrieb
gehabt haben. In Anbetracht verschiedener Beziehungen Bruyns zum
Severiner (vgl. Aldenhoven 307 unten) konnte man glauben, die Fltigel
hatten ursprtinglich zum Mittelbilde gehort; aber die Gegenstande passen
zu wenig zusammen. — Das grofie Altarwerk
82 Madonna mit sechs heiligen Jungfrauen, Fltigel je zwei Heilige
und Stifter (Bonn, Frau Dr. Virnich) nennt die Note im Katalog
»Nachfolger Bruyns «; es ist von einem tiichtigen Meister, der sich
eng an eine Bildergruppe besonders heller Farbung aus Bruyns Friihzeit
anschlieflt.
Nun folgen die wenig erfreulichen Kirchenbilder aus Bruyns spateren
Perioden; aus der mittleren ruhren her:
70. HI. Familie und Elisabeth (Hamburg, Weber) und
69. Altar mit Anbetung der Konige (Basel, Frau Prof. Bachofen-
Burckhardt); dies der Literatur noch unbekannte Werk ist bemerkenswert
durch die schon ira Katalog erwahnte freie Benutzung von Nr. 41 der
Ausstellung vom Sippenmeister, die bei einem so spaten Werk des
Malers auffallt. — Das bekannte Standebild
71. ist fur die spate Zeit, der es angehort, noch ziemlich ttichtig.
Dagegen ist die grofie Madonna
72. aus Kamp, die zu den spatesten Werken zahlt, in Zeichnung,
Ausdruck und Farbung besonders unerfreulich; die italienischen Ent-
lehnungen erwahnt der Katalog.
Die folgenden vier Bildnisse zeigen Bruyn wieder von seiner besseren
Seite; bekannt waren der Agrippa von Nettesheim von 1524 und die
Frau bei F. Hax zu Koln, beide zu seinen besten gehorig; bisher un-
erwahnt:
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c 6 2 Ausstellungen .
76 — 77 das Ehepaar bei James Simon zu Berlin, datiert 1534,
beide recht gut (das Ehepaar von 1531 Nr. 74 — 75 habe ich beim Meister
des Marientodes besprochen).
Von Barth. Bruyn dem Jiingeren war das bezeichnete Diptychon
der Sammlung Weber vorhanden, auf Grund dessen Firmenich meinem
» Meister der blassen Portraits « den bestimmten Namen geben konnte,
welche Benennung allgemeine Anerkennung gefunden hat; ferner das
weibliche Bildnis aus Gotha.
Der an sich schon etwas langweilige Anton von Worms lang-
weilte uns durch seine drei gleichartigen Bilder aus Worms und Darmstadt
Als Anhang zur Kolnischen Schule lafit der Katalog eine Anzahl
von Bildern folgen, die er niederrheinisch nennt; Firmenich meint
damit einesteils solche niederrheinische Gemalde, die nicht ausgesprochen
kolnisch sind, anderenteils aber Werke vom unteren Niederrhein, dem
Grenzgebiet von Deutschland und Holland. Besser ware gewesen, beide
Arten nicht zusammenzuwerfen, sondern ftir die zweite einen besonderen
Ausdruck zu suchen.
Bei der sehr friihen Kronung Mariae aus Sigmaringen Nr. 87 war
bedauerlich, dafi das Gegenstuck aus Berlin fehlte.
88. Marienaltarchen (Bonn, Pro vinzial museum); schwer zu lokali-
sieren; nach der Mitteilung im Text S. 3 (Clemen) aus S. Maria ad gradus
zu Koln stammend.
191. Kreuzigung (Budapest, National galerie) : »Niederrheinisch-
hollandischer Meister um i48o«. Erst jetzt lernte ich das Original
dieses bedeutenden und eigenartigen Bildes kennen, dessen Photographie
ich schon 1876—77 bei den Reisen zum Studium der Westfalen mitfiihrte.
Ich hielt es damals ftir wahrscheinlich westfalisch und fand die meiste
Ubereinstimmung mit dem grofien Breitbild einer Kreuzigung, N. 81 aus
AmelsbUren, im Museum zu Munster. Diese rechnete ich zur realistischen
Richtung der Westfalen der zweiten Halfte des 15. Jahrhunderts, ohne
andere Werke derselben Hand nachweisen zu konnen. Spater haben
Nordhoff und Ferd. Koch sie dem Joh. Koerbecke zugeschrieben. Ich
fand namen tlich die drei Gekreuzigten in Korpern und Kopfen denen
auf dem Pester Bild ahnlich. Bei Kenntnis von dessen Original glaube
ich jedoch, dafi hier die grofiere Feinheit der Ausfuhrung gegen west-
falischen Ursprung spricht, vielmehr auf Holland oder den untersten
deutschen Niederrhein hinweist. Der westfalische Maler der Kreuzigung
aus Amelsburen mag von Bildern wie dem Pester beeinflufit sein. Be-
sprechungen in Dulberg, Leydener Malerschule S. 34 und Firmenichs
Text S. 26. W. v. Seidlitz: verwandt mit Friihbilderu der Diinwegge?
[moglich1.
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Ausstellungert. 563
90. Altar mit Tod Mariae aus der Kalkarer Kirche: »Nieder-
rheinisch, Ende des 15. Jahrhunderts«; hier hatte der Katalog an-
geben konnen, dafi dies steife und provinziale Werk wenigstens darin
beachtenswert ist, dafi es eine Vorstufe zur Kunstweise der Dtinwegge
darstellt (vgl. Zeitschrift fur bildende Kunst 1882 Bd. 18, 60). Das Vor-
kommen ihrer Gemalde am unteren Niederrhein (Rheinberg, Wesel, Kalkar)
beweist ja, dafi sie nicht nur fiir Westfalen arbeiteten; vielleicht war
jene Gegend sogar ihr Hauptsitz. Nr. 90 steht ihnen weit naher als
voriges Stlick.
91. Altarfliigel aus der kath. Pfarrkirche zu Orsoy (siidlich von
Wesel), Darstellungen aus der Passion und der Nikolauslegende: »Ende
des 15. Jahrhunderts« ; mehr eigenartig als bedeutend; einige Beziehung
zu D. Bouts, auch mit dessem Phlegma; nur im Kolorit einigermafien
tUchtig (vgl. Clemen, Kunstdenkm. der Rheinprovinz Bd. 1 III 44 — 45:
Haarlemer um 1480 — 90; Firmenich im Text S. 12).
92 — 95 je ein Evangelist und ein Kirchenvater untereinander
(ebendort); von einer besseren Hand als die vorigen, aber verwandter
Farbung (Clemen, cit 45: niederrheinisch).
99. Errichtung der ehernen Schlange (Hamburg, Sammlung Weber):
»Niederrheinisch, Beginn des 1 6. Jahrhunderts«; eher hollandisch,
mit entfernter Beziehung zu Geertgen; untergeordnet.
Westfalische Schule.
Den Anfang bildete das alteste Tafelbild dieser Schule, das be-
kannte Antependium aus Soest vom Beginn des 13. Jahrh.; verwandt ist
ein anderes,
103 a, der Stadt Goslar gehorig, in die zweite Halfte des Jahr-
hunderts gesetzt. — Zahlreicher werden die westfalischen Tafelgemalde
seit dem Ende des 14. Jahrh.; das frtiheste dieser Zeit ist
104, der gemalte Kruzifixus auf der Rtlckseite eines Triumph-
kreuzes (Soest, Mtinster), das vorn einen geschnitzten zeigt. Es wurde
ktirzlich besprochen in Aldenhovens Werk tiber die Kolner Maler-
schule S. 97, das auch die westfalische bis zur Mitte des 15. Jahrhundert
in Kapitel IV ziemlich eingehend behandelt, als Parallele zur gleichzeitigen
Kolnischen.
no, die Altartafel aus Soest, S. Pauli, mit Kreuzigung und vier
Seitenbildern, setzt die zweite Auflage des Katalogs wohl richtig in den
Anfang des 15. Jahrh.; Aldenhoven, der dem Werk eine Seite widmet
(99 — 100), ist der Ansicht (S. 100 unten, 103 oben), es »geh6re der-
selben Werkstatt an« wie der bekannte Niederwildunger Altar von Konrad
Repcrtorium fur Kunstwissenschaft, XXVII. 38
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564 Ausstellungen.
von Soest urn 1403 51), und entspreche dessen friiheren Teilen (s. dort
100 — 3), sei freilich wesentlich geringer. Dagegen habe ich 1877 nichts
von einer Verschiedenheit zweier Hande im Wildunger Altar bemerkt und
hake friiher wie jetzt die Soester Tafel fiir wesentlich roher und alter-
tiimlicher als den Altar; vielleicht hat Nordhoffs friiher ausgesprochene
Ansicht (Jahrb. d. Ver. d. Altertumsfreunde im Rheinl. Heft 67 S. 128,
Heft 68 S. 68) Ahvns Urteil getrtibt; kurze Besprechung in Firmenichs Text
S. 15. — Bedauerlich war, dafl das bezeichnete und datierte genannte
Hauptwerk Konrads von Soest der Ausstellung versagt wurde: es ist be-
kanntlich die westfalische Parallele zum gleichzeitigen Kolner Haupt-
meister, dem sogenannten Wilhelm. — Bei den beiden feinen weiblichen
Heiligen
106 — 7 aus Miinster habe ich gegen die seit Nordhoff (cit H. 67,
135) Ubliche Benennung »Konrad von Soest« nichts einzuwenden; 1877
sah ich sie kurz vor dem Altar und stimmte der mir schon damals
bekannten Ansicht Nordhoffs gem zu52). — Der thronende S. Nikolaus
aus Soest
105 gilt allgemein als Konrad von Soest; ihm verwandt ist er
jedenfalls. Er war sehr verschmutzt, wurde deshalb ktirzlich gereinigt,
vielleicht etwas zu sehr; Besprechung in Firmenichs Text S. 14 und Voll
Sp. 3. — Die grofie Altartafel aus Warendorf
1 08 und die Geifielung aus Freckenhorst
109 sind gute Beispiele der Westfalen, die sich naher oder
entfernter an genannten Hauptmeister ihrer Heimat anschlieflen. — Da-
gegen glaube ich bei
1 10 a, zwei Tafeln mit acht Szenen aus Leben Jesu, aus Frondenberg:
»Westfalischer Meister um 142 i«, eine auffallende Ahnlichkeit mit
den gleichen Darstellungen auf dem Klarenaltar im Kolner Dom zu
sehen; der Maler war also wohl ein Westfale, der die Kolner kannte
(vgl. Aldenhoven 111, der gerade hier nichts von kolnischem Ein-
flufi sagt).
Wir kommen jetzt zu den Westfalen der zweiten Halfte des
15. Jahrhunderts, unter Einflufl der Niederlander53). Von den wenigen
5») Zum Datum des Niederwildunger Altars vgl. den Zusatz in Firmenichs Text
S. 42, welcher nach neuen scharfen Photographien die betrefTende Stelle liest: mcccc
.... pso die etc., wahrend Aldenhoven (S. 103) las: mcccc . . 10 ipso die etc. und
daraus schlofl, das io mttsse zu tercio erganzt werden.
5*) Voll, Sp. 3, erlaubt sich, seine Leser uber die Bilder in Art des Konrad von
Soest zu belebren, ohne das Niederwildunger Hauptwerk zu kennen.
53) Voll Sp. 3 bringt diese „um die Mitte des 15. Jahrhunderts ausgefUhrten*
Bilder wegen der darin „herrschenden eigentttmlich starken und vollen Emailfarben* in
Beziehung zu Stefan Lochner. Damit verkennt er, dafl diese Westfalen zu dessen
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Ausstellungen. c6<
kleinen Bruchstttcken des bertihrnten Liesborner Altars, die in West-
falen geblieben, war nur die das Kind anbetende Engelgruppe und ein
einzelner Engel aus Minister vorhanden. — Den hi. Michael
1 1 6, erst kUrzlich durch Ubergang in die Sainmlung Weber be-
kannt geworden, halte ich gut genug fur ein eigenhandiges Werk des
Liesborners (Katalog: Schule). — Als Gemalde nachster Nachfolger des
Meisters sehe ich an:
117 Altartafeln aus Liinen (nicht Alt-Lilnen, wie es in der 1. Aufl.
des Katalogs und bei Koch heiflt) und
114. Vier Szenen aus der Kreuzlegende (bei E. von zur Mtihlen);
das zweite ist wesentlich geringer und von ganz anderer Farbung als
das erste. Auch der Kat setzt beide Werke in die Schule und Nach-
folge des Liesborners, ohne naheren Zusammenhang, wahrend Ferd.
Koch 54) sie als Erzeugnisse derselben Werkstatt ansieht, ja »sich sti-
listisch am nachsten stehend« (S. 21). Es soli die Werkstatt des be-
deutendsten Nachfolgers des Liesborners sein, den er den »Meister der
Lippborger Passion « nennt, nach einer jetzt im Museum zu Munster be-
findlichen Tafel55). Von diesem soil (nach Koch) auch
118 herriihren, das bekannte grofie Breitbild der Kreuzigung etc
aus der Soester Hohenkirche; da Firmenich darauf nicht eingeht, so
wird er sich gegen diese und andere Aufstellungen Kochs so ablehnend
verhalten wie ich; es ist tibrigens, wie der Katalog und der Text S. 16
gebtihrend betonen, ein Hauptwerk der westfalischen Malerei und zeigt
die Liesborner Richtung weniger ans weichliche streifend als meist. Da-
gegen halte ich eine Beziehung der Diinwegge zum Meister dieser Tafel
ftir weniger eng, als Firmenich annimmt (vgl. zu Nr. 90).
Beim Altar aus Schoppingen, dessen beide Fliigelbilder vorhanden
waren, Nr. in, billigt Koch meine Ansieht, dafi er von derselben Hand
herruhrt, wie der grofie Kreuzigungsaltar in Berlin und Mtinster; ferner
gibt er der namlichen
ina: zwei Fliigel des Altars aus Haldern im Kolner Dom; der
Katalog nimmt das an, mir aber kamen beide Werke nur verwandt vor.
Den Meister des Schoppinger Altars, den Koch auf ungentigende Grtinde
hin Johann von Soest benennt, fafit er wie ich auf: als ein Ver-
bindungsglied zwischen der idealistischen und der realistischen Richtung
der Westfalen dieser Zeit.
Form en gar keine Beziehung zeigen, eine grofie dagegen zum Ktflner Meister des
Marienlebens (wenigstens die Liesborner Richtung).
54) Ein Beitrag zur Geschichte der altwestffcl. Malerei, Dissertation, MUnster 1899.
55) Ich hielt diese ftir so hervorragend, dafi ich sie dem Liesborner Meister selbst
zuschrieb.
3«»
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e 66 Ausstellungen.
Ein guter, wenn auch einseitiger Vertreter der letzteren Richtung
ist der Meister des bekannten Annenaltars von 1473 : Nr. 1 20 aus der Soester
Wiesenkirche. Der Katalog weist auf den Stecher FVB hin, was mir
einleuchtet; das Werk ist also von den Erforschern des Kupferstiches
zu beachten. Der Stecher hat bekanntlich nahe Beziehung zu D. Bouts.
Mit der Dunwegge-Gruppe gelangen wir ins sechzehnte Jahr-
hundert; aus ihr waren neun Werke vorhanden, meist umfangreich und
aus mehreren Tafeln bestehend. Es war also ein treffliches Material
vorhanden, um die betreffenden Fragen zu untersuchen. Da ein Doktorand
der Kunstgeschichte im Begriff ist, diese Gruppe zum Gegenstande seiner
Abhandlung zu machen, so veranlafit mich das, diesen Abschnitt ktirzer
zu behandeln, als ich es sonst tun wiirde. Nach selbstandiger Bildung
unserer Ansichten haben wir uns tiber diese Fragen vor den Bildern unter-
halten, wobei sich ergab, dafi wir in den Hauptpunkten (ibereinstimmen. —
Es handelt sich um folgende Fragen: 1. Ist im urkundlich beglaubigten
Hauptwerke der Meister Viktor und Heinrich Diinwegge von 1521, dem
grofien Fltigelaltar 123a aus Dortmund, wofiir beide Material, Lohn
und Kost erhielten, zu unterscheiden, was jeder von ihnen gemalt hat?
2. Ist der von Scheibler 1882 aufgestellte Meister des Kappen-
berger Altars (123)56) identisch mit einem der beiden Maler? 3. Gibt
es aufier den Diinwegge und dem Kappenberger noch einen dritten her-
vorragenden Meister der Gruppe? — Zu 1: schon Llibkes Versuch von
1853, zwei Hande zu unterscheiden, hatte mich 1876 — 77 nicht uber-
zeugt,57) und jetzt ebensowenig die neueren von Clemen (Kstdkm. d.
Rheinprov. Bd. 1 III n 1 — 112)58) und Fir men ich (in einer eingehenden
Ausflihrung zu Nr. 123a). Diese beiden weichen zudem darin ab, welche
Teile des Altars sie jeder der zwei Hande geben, und was von der
jiingeren sein soil. — Zu 2 : Clemen hat an genannter Stelle die Ansicht
ausgesprochen, der eine der von ihm im Dortmunder Altar unterschiedenen
Maler sei mein » Kappenberger «, und zwar sei es der altertumlichere,
also wahrscheinlich der in der Urkunde erstgenannte Viktor. Dagegen er-
kenne ich nicht an, dafi die von Clemen genannten Teile des Altars
(die Gemalde auf den Flugeln, besonders den Aufienseiten) gentigend
mit dem Stil des Kappenbergers libereinstimmen, um diesen Meister ftir
56) Zeitschr. f. bild. Kunst Bd. 18, 60.
57) Ebenso Woermann, Gesch. d. Mai. II 500 von 188 1.
5*) Auch M. Friedlander (Text zum Berliner Galeriewerk, Deutsche Schule S. 81)
wendet sich gegen Clemens Unterscheidung zweier Hande im Dortmunder Altar und
dessen Ansicht, die eine sei der Kappenberger. Er unterschatzt diesen aber etwas (wohl
nach geringeren VVerken); denn die besten Leistungen, z. B. die Xantener Bilder, halte
ich fUr nicht viel geringer als den Dortmunder Altar (vgl. Voll, Sp. 6).
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Aussteilungen. 567
identisch mit einem der Dlinwegge zu halten. Und ferner sehe ich um-
gekehrt im Kappenberger eine etwas spatere Kunstart, als sie sich beim
Dortmunder Altar zeigt; ebenso Firmenich im Text zu Nr. 126 bis
127 (Kappenberger): »Hauptwerke in der reifen Typik der spatere n
Zeit«. Firmenich im Katalog spricht sich iiber meinen zweiten Punkt
nicht aus, stellt aber die Bilder tier ganzen Gruppe unter der Uberschrift
>V. und H. Diinwegge «. zusammen, ohne Unterabteilungen zu bilden,
wahrend doch schon zur Belehrung des Publikums zu sagen war, dafi die
vom alteren Diinweggestil leicht zu unterscheidenden drei dortigen Werke,
die Scheibler seinem > Kappenberger « gibt, eine besondere Gruppe bilden
(123 der Altar aus Kappenberg; 126 — 127 zwei Fliigel mit vier
Sippenbildem und 128 zwei Fliigel: zwei Szenen der Antoniuslegende
und je zwei Heilige, alle aus Xanten)59). Auch im Text zu Nr. 126 — 127
und 128 vermeidet Firmenich dem zu belehrenden Leser zu sagen, dafi
beide letztgenannte Werke von derselben Hand sind, wie auch 123. —
Zu 3: Bei 121 — 122, Anbetung des Kindes und Kreuzigung, urspriinglich in
Rheinberg, langere Zeit beim Kunsthandler Maurer in Miinchen, jetzt im
Museum zu Mtinster, fiel mir in der Ausstellung gleich etwas auf, was ich
friiher nicht gesehen60): sie stehen dem Diinweggestil freilich sehr nahe,
unterscheiden sich aber deutlich durch viel hellere Farbung und freund-
lichere Auffassung, die bei der Anbetung sehr ansprechend wirkt, bei der
Kreuzigung zum Ausdruck schmerzlicher Empfindungen jedoch nicht geniigt.
Zwei Predellentafeln mit Halbfiguren von vier Heiligen 119, benannte
die erste Auflage des Katalogs » Westtal. Schule nach i47o« ; die zweite Auf-
lage gibt wenigstens zu, dafi sie teilweise »der Art des Viktor Diinwegge
iiberaus nahe stehen «; sie entsprechen am meisten Nr. 121—122.
59) Vol I, Sp. 6, vermeint, die meisten der ausgestellten »Dlinwegge« -Bilder
»werden wohl vom Kappenberger herrtihren«, . . . »der leicht von dem Diinwegge
zu trennen ist«. — Dagegen war in Dtisseldorf jeder Sachkenner der Ansicht, dafi die
Gesamtgruppe in die drei angegebenen Untergruppen zerfiillt, und dafi von diesen die
der Diinwegge selbst die zahlreichste ist. — Ferner glaubt Voll, die Diinwegge hatten
sich in Figuren und Farbung weniger eng an die Deutschen angeschlossen [Kfilner],
als an die Hollander, besonders an Geertgen. Beziehungen zu hollandischem gebc ich
zu (vgl. zu Nr. 191), nahere zu Geertgen sehe ich jedoch nicht, und noch weniger zu
seinem Nachfolger Mostaert, der zumal nicht alter ist als diesc Westfalen. Obgleich
ich kein so gewaltiger Bouts -Kenner bin wie Voll, wage ich doch zu gestehen, dafi
mir die Diinwegge dem Bouts viel verwandtcr vorkommen, als dem Geertgen, sowohl
in Figuren wie Landschaft; grade ihr Miinchener Bild zeigt das (besonders frtih).
Obrigens warfen die Mtlnchener und Ntlrnberger Kataloge die Werke dieser Westfalen
und des Kolner Sippenmeisters eine Zeit lang lustig durcheinander.
60) Bei meinen frtiheren Erwahnungen der Bilder (Zeitschr. f. bild. Kunst Bd. 1 8,
1882, S. 60 und Westdeutsche Zeitschr. f. Kunst u. Altert. 1883, 303) hatte ich sie
als von den Diinwegge selbst genannt.
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t?68 Ausstellungen.
Bei 129 S. Lukas die Madonna malend (seit kurzem im Museum
zu Mtlnster) schreibt auch erst die zweite Auflage des Katalogs das
gute und durchaus echte Bild den Diinwegge selbst zu (zuerst: »Nach-
folger«). — Ihre noch unerwahnten Werke der Ausstellung sind beide
folgenden altbekannten Stticke:
124. Kreuzigung aus Mtinster, frllher Berlin (von besonders schoner
Erhaltung des Kolorits);
125. Gerichtsbild aus Wesel, das nach einer Angabe in Clemens
Kunstdenkmalern der Rheinprovinz um 1520 entstanden sein soil (fest
datiert von der ganzen Gruppe ist nur der Dortmunder Altar). Es fand
bei den journalistischen Berichterstattern grofien Anklang, wegen der
naiven und frischen Auffassung des Vorgangs.
Den Schlufi der Westfalen bilden die in der zweiten Halfte des
16. Jahrhunderts bltihenden tiichtigen Bildnismaler torn Ring, Hermann
und Ludger der Jtlngere ; vom ersten waren zwei vorhanden, vom zweiten
ftinf, meist schon der alteren Literatur bekannt. Neu war von Ludger
das fruhe ausflihrlich bezeichnete Selbstbildnis von 1547 (Basel, R, Para-
vicini-Vischer), das noch etwas an Hermann erinnert (tiber die beiden
torn Ring: Friedlander im Berliner Galeriewerk, Deutsche Schule S. 8 I.
Oberdeutsche Schulen.
Aus dem Gebiet des Oberrheins waren nur drei Bilder vorhanden,
alle aber von grofier Bedeutung. Zunacht zwei bekannte, kurz vor der
Mitte des 15. Jahrh. entstandene, die den seit kurzem wieder mehr be-
achteten frtihesten deutschen realistischen Werken, gleichzeitig den der-
artigen Niederlandem, angehoren. Von Konrad Witz waren da die viel
besprochenen zwei weiblichen Heiligen aus Strafiburg; dies in Farming
und Lichtwirkung hervorragende Bild kam zur Vergleichung mit dem gut
vertretenen Stefan Lochner sehr gelegen.
Die beiden heiligen Einsiedler vor Landschaft, 236 aus Donau-
eschingen von 1445, sind von einem gleichzeitigen tiichtigen Lands-
mann, den Dan. Burckhardt61) ftir einen Baseler Nachfolger von Witz
halt; eine gute Wurdigung des Bildes steht schon in Janitscheks Gesch.
der deutschen Malerei 246, der auch »die in schlichter Naturtreue und
dabei doch so stimmungsvoll dargestellte Landschaft « gebiihrend hervor-
hebt; einige Ausstellungsberichte (z. B. Schubring in Preufl. Jahrbiicher
1904 II 46) stellen das Bild zu sehr gegen Witz zuriick.
TJber Schongauers Madonna im Rosenhag von 1473 habe ich schon
bei Gelegenheit der Augsburger Ausstellung von 1886 berichtet, freilich nur
6») Baseler Festschrift von 1901, Malerei S. 308—310.
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Ausstellungen. 569
tiber die alte Ubermalung (Repert. 1887, 25 — 26). Ich sprach bereits
damals aus, dafi Marias K 1 e i d durchweg mittels Aufsetzung weifier Lichter
(ibermalt wurde, um es von dem urspriinglich wohl gleichfarbigen Mantel
zu unterScheiden. Jetzt wurde mir das dadurch bestatigt, dafi der Uber-
maler den Teil des Kleides verschont hat, der linkes Knie und Unter-
schenkel bedeckt (rechts vom Beschauer); an dieser Seite liegt der Mantel
iiber Knie und Schoofi Marias. Aufierdem hat der gedankenlose Uber-
maler noch zwei andere kleine Teile des Gewahdes tibersehen. Audi
im Laub, das sonst so geschickt und wirkungsvoll behandelt ist, sind
stellenweise derbe Lichter aufgesetzt; ebenso ist allerhand im Fleisch
iibermalt, wie bei der linken Hand Marias.62)
An Schongauer schliefit sich gut der Meister des Hausbuches
an, der wesentlich von jenem beeinflufit wurde ;63) von ihm und aus seiner
Werkstatt waren sechs Werke vorhanden, wobei mindestens drei seiner
besten. Als Gebiet seiner Tatigkeit wird jetzt bekanntlich der Mittelrhein
angesehen. Seit den Artikeln von Kammerer, Mitte 1896 und
Flechsig, Ende 1896, die zuerst von dem bis dahin nur als Stecher
und Zeichner bekannten Meister Gemalde nachwiesen, wurde manches
iiber sie geschrieben, das beste von Thode (Jahrb. d. preufi. Kunsts.
1900, Heft 2).
Vom Freiburger Altar, dem Hauptwerk des Meisters, war wenigstens
das Mittelbild, die grofie Kreuzigung 226 vorhanden; ich halte es flir
das altertiimlichste seiner Gemalde, namentlich wegen des noch ziemlich
dunkeln Kolorits mit Vorliebe fur braunliches Rot und griinliches Blau,
eine Farbenzusammenstellung, die auf Schuchlin zuriickzugehen scheint.
Nahe verwandt ist die Auferstehung 227 aus Sigmaringen, in jeder
Beziehung eines seiner besten Bilder und allgemein als eigenhandig an-
erkannt; ausgezeichnet in Ausfiihrung und Erhaltung.
Die mir seit 1880 bekannte, erst kiirzlich von der Dresdener Galerie
angekaufte grofie Beweinung 225 (friiher in Aachener Privatbesitz), bisher
**) Leider hatte ich tibersehen, dafi Max Bach das Bild ftir hochstens eine
spat ere Kopie halt (Beilage z. Allg. Ztg. 1893 Nr- 242— 3; Repert. 1895, 267) und
das Datum 1473 der Rlickseite bezweifelt; Voll Sp. 5 billigt ersteres. Hoffentlich haben
ernste Sachverstandige die Ansicht beider Beurteiler geprlift. Ich habe weder frtther (1886)
noch jetzt die Eigenhandigkeit bezweifelt, namentlich wegen der vorwiegend gut er-
haltenen Engel.
63) Betreffs der Bildergruppe, die jetzt dem Hausbuchmeister allgemein zuerkannt
wird (nur Voll scheint das noch immer sehr fraglich), ist dies eine alte Ansicht von mir;
sie wurde bestatigt durch eine neuere Besichtigung der Stiche und des Hausbuches.
Freilich ist es jetzt gebrauchlich, die Beziehung zu Schongauer ganz zu leugnen oder
doch als gering darzustellen. Das geht wohl von M. Lehrs aus; nur Voll widerspricht
auch bier.
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eyo Ausstellungen.
in der Literatur tiber die Geinalde des Meisters unerwahnt, ist auch ein
gutes Werk von ihm, wenn auch nicht ganz so fein ausgeflihrt wie die
beiden vorigen. Es wird etwas spater sein, indem es in Zeichnung und
Farbung schon mehr von Schongauerscher Art hat (vgl. Repertorium 1883
S. 50 Note).
Leider war die Kreuzigung N. 175 in Darmstadt ausgeblieben, die
allenthalben mit Recht als ein eigenhandiges Hauptwerk des Meisters
gilt. Mir scheint sie zwischen das Dresdner Bild und die spateren Mainzer
Werkstattbilder zu fallen; doch lassen solche Fragen sich schwer ohnc
Konfrontation entscheiden (Thode: friih und dem Meister des Marien-
lebens nahe).
Die Mainzer Folge von 1505, wovon drei Stlicke, 228 — 231, vor-
handen waren, zeigt die spate Art des Meisters, mit noch wesentlich
hellerer Farbung als das Dresdner Bild; iibrigens bin ich hier der An-
sicht mehrerer, dafl diese Folge wegen der geringeren Feinheit der Aus-
fuhrung als (noch ziemlich gute) Werkstattarbeit anzusehen ist, wahrend
der Katalog und andere sie als eigenhandig gelten lassen.
Der Schule ist dagegen zugewiesen: 232, Verktlndigung aus S. Goar,
die ich als gleichartig mit den Mainzer Bildern ansehe.6*)
Das vielbesprochene Liebespaar aus Gotha 231 liefi der Katalog
dem Meister des Hausbuchs, erkliirte aber in einer Bemerkung der
2. Aufl. diese Benennung aus drei Grlinden ftir »recht zweifelhaft«. Zu-
erst hat Flechsig es ihm zugeschrieben, und zwar mit grofier Sicherheit
(cit. 9 I, 15 II— 17); hauptsachlich veranlaflten ihn dazu wohl die ahn-
lichen Gruppen unter den Stichen des Meisters. Dessen in Diisseldorf
vorhandene Gemalde bestatigten das aber nicht, wenigstens nicht so
zwingend, wie das bei wirklicher Identitat des Meisters hatte sein miissen.65)
Thode, der die Urheberschaft des Hausbuchmeisters bestimmt verwirft,
spricht am genannten Orte die Ansicht aus, es sei das Werk eines un-
**) In seiner Doktorarbeit Uber die Kolner Maler, von 1880 S. 46, beging
Scheibler hier eine arge Jugendeselei, indem er den Altar dem Meister der Verherr-
lichuhg Mariae aufhalste; als ich aber um 1893 die Photographie erblickte, bemerkte
ich gleich, dafl es der Meister der Mainzer Folge sei.
65) Von meiner friiheren Verrautung, das Bild sei von SchUchlin, halte ich soviel
fest, dafl das Kolorit noch an ihn erinnert. Bodenhausen, der neulich kurz nach
Diisseldorf Tiefenbronn besuchte, ist gegen SchUchlin; er findet beim Liebespaar die
Modellierung des Karnats und die Zeichnung der Hande weit besser. — Ich glaube,
dafl ich und die vielen anderen, die sich an der Zusammenstellung der (JcmaJde des
Meisters beteiligt haben, in der Ablehnung des Liebespaars zu weit gegangen sind,
wohl aus Mifltrauen gegen Flechsigs weitherzige Zuschreibungen. — W. v. Seidlitz:
»Vielleicht eine etwas spatere Kopie nach ihm, wegen der harten Umrisse«. Bodenhausen :
kein eigenhandiges Wcrk des Meisters. Voll gehort in seinen Kreis,
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Ausstellungen. 571
mittelbaren Vorgangers Grlinewalds oder ein friihes von ihm selbst,
wie auch der »genau iibereinstimmende« Altar in Aschaffenburg; und
Franz Bock hat klirzlich beide frohlich Grtinewald geschenkt. w) Da
ich das Original des zweiten Werkes nicbt mehr genau in Erinnerung
habe, so erlaube ich mir kein sicheres Urteil; nach Mafigabe der Ab-
bildungen bei Thode und Bock ist jedoch das Aschaffenburger Werk
wesentlich moderner und der bekannten Weise Grlinewalds naher als das
Gothaer, das mir noch ganz ins 15. Jahrh. zu gehbren scheint. — Ebenso
uneinig wie tiber den Urheber sind Kunstgelehrte und Journalisten
liber die nahere Deutung des Vorganges, trotz der umstandlichen Bei-
schrift Meine Deutung ist so: jeder halt das Geschenk, das er vom
andern empfangen. Der Jlingling hatte, wie es seine Pflicht war, als erster
dem Madchen etwas kostbares geschenkt: das Armband, welches sie mit
der Rechten halt; und sie verehrte ihm darauf etwas von ihr gearbeitetes,
das »Schnurlin« (das Schnurwerk mit den zwei Quasten, das sein Miintel-
chen zusammenhalt). Dafi das Armband auf die eine Quaste aufgestreift
ist, fallt freilich etwas auf; ich denke, das verliebte Madchen hat damit
ein kindliches Spiel getrieben. Jedenfalls sollten beide Geschenke recht
deutlich nebeneinander gezeigt werden, der Inschrift entsprechend. —
Wahrend die einen (wie Lehmann6?) und Bock) hier »deutscheste«, keusche
Liebe sehen, reden andere (wie Schubring und Bie) von einer Cortigianen-
szene, wenn auch >von feinster Zurlickhaltung«. Ich sehe ftir die zweite
Deutung keinen Grund; sie ist wohl nur aus Miflverstandnis des »genissen
Ian*68) der Inschrift entstanden, das sich jedoch weit eher auf die Schenkung
des Armbandes bezieht; auch spricht das Wappen dafiir, dafi hier ein
Familienbild vorliegt.
Von der schwabischen Schule, die nicht in das Gebiet der
Ausstellung einbezogen war, fanden sich nur zwei Stticke vor. Eine An-
betung der Konige 236a (Berlin, Eugen Schweitzer): »Schwabischer
Meister vom Schlufi des 15. Jahrh.«, hatte ihr Die cur hie in der
Beziehung zum Kolner Meister des Bartholomaus, wcgen deren Friedlander
ihre Sendung veranlafit hatte. Es ist in der Tat ein Schaflfner verwandter,
aber mehr altertiimlicher Schwabe von merkwlirdig gezierter Zeichnung,
tt) Die Werke des M. Grlinewald, Straflburg 1904 S. 71 unt. bis 73 ob. und Note 80.
— Auf Zustimmung von Bock wird Thode freilich wenig geben, denn jenes Bilderliste
ist oft sehr anfechtbar; dies schon in der Zeitfolge, z. B. setzt er die Versuchung des
Antonius in Koln (die mir noch immer als echt gilt) vor die viel altertilmlichere (sehr
fragliche) kleine einzelne Anbetung des Kindes in Aschaffenburg.
67) Eingehende Besprechung in: Das Bildnis bei den altdeutschen Meistern 87.
68) So weit ich aus grofien Lexiken ersehen kann (Grimm, He)ne, Sanders), hat
»genieflen lassen« im mittel- und neuhochdeutschen keine vorwiegend obszone Be-
deutung.
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57 2 Ausstellungen.
der zur Vergleichung mit dein frlihen Sigmaringer Bilde des Kolners
aufforderte, das deutlich auf die schwabische Schule hinweist. Schon
Aldenhoven hatte ein Altarwerk aus Thalheim in der Stuttgarter Galerie
genannt (S. 257), auch aus Schaffners Richtung, worin er ahnliche Formen
wie im Sigmaringer Bilde sieht (ich war nicht darauf gekommen). — Als
H. Holbein d. J. liefi der Katalog ein Bildnis des Thomas Moms (Fiirst
zu Wied) gelten, Wiederholung eines bei Henry Huth; es ist in Auf-
fassung und Ausflihrung wenig ansprechend; die Eigenhandigkeit wird
allgemein abgelehnL
Zur Frankischen Schule des 16. Jahrh. und ihrer Umgebung
gehorten zehn Bilder; zwei davon fielen ins Gebiet der Ausstellung, in-
dem ihr Maler wahrscheinlich in Frankfurt tatig war: die grofie An-
betung der Konige aus Mainz 223 und das Patrizierbildnis 224 (Frank-
furt, Georg Frhr. von Holzhausen). Da sie in letzten Jahren mehrfach
und grtindlich behandelt wurden (Thode, Bayersdorfer, Rieffel, Haack,
Weizsacker), will ich sie in Ruhe lassen, zumal man sich vorlaufig ziemlich
geeinigt hat, dafi der Maler ein der Fruhzeit Baldungs nahe verwandter
Dtirerschtiler war, wohl in Frankfurt tatig.
Diirer selbst wurden zwei Stilcke zugewiesen: 219 Bildnis eines
Jtinglings (Grofiherzog von Hessen), zuerst bei der Mtinchener Renaissance-
ausstellung von 1901 bekannt geworden, wonach Friedlander dartiber
berichtete (Repert. 325); ich schliefie mich seiner Ansicht an, dafi es
ganz der Art von Dtirers frlihen Bildnissen entspricht, aber durch aller-
hand ungeschicktes in Figur und Landschaft sowie den etwas flauen Aus-
druck Zweifel an der Eigenhandigkeit erregt; W. v. Seidlitz: »Wohl aus
Dtirers friiher Schule «. Firmenich im Text S. 32 halt an der Echtheit
fest; er erwahnt alte Aufschriften der Riickseite, die einen Anton Newpauer
als Maler nennen. — Voll, Sp. 7, teilt jetzt wie friiher Fiiedlanders
Ansicht, die also wohl richtig (vgl. diesen Zeitscht. f. bild. Kunst 1902, 27).
220. Kleine heilige Familie auf Pergament, Federzeichnung mit
Wasserfarben koloriert; die Echtheit ist auch hier nicht uberzeugend. —
Vom Meister von Messkirch ist ein grofier S. Werner und eine
Tafel mit zwei Heiligen vorhanden, der erste sehr gut, die zweite iiufier-
licher (beide aus Wewer, Frhr. v. Brenken).
Altdorfer 212. Abschied der Apostel, mit Monogramm (Frank-
furt, Fritz Gans); echt und gut, wohl spat. Voll: echt (Gott sei Dank!).
^Meister von Regensburg, Beginn 16. Jahrh. «: 235. Bildnis
eines vornehmen Mannes (Schlofi Breill, Baron von Failly-Goltstein).
Hans Sebald Beham: 213. Der verlorene Sohn in Gesellschaft
(Basel, Dr. Dan. Burckhardt) datiert 1537; vielleicht richtig bestimmt,
doch sind seine Gemalde meines Wissens noch nicht kritisch gesichtet;
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Ausstellungen. 573
am besten im farbenfrohen venetianischen Kolorit — Auch Firmenich er-
kennt im Text S. 34 die vom Besitzer herriihrende Benennung nicht fest an.
Voll, Sp. 7: wohl von Ostendorfer; W. v. Seidlitz: Meister von Mefikirch [zu
erwagen, doch nicht (iberzeugend; vgl. Phot des Stuttgarter Bildes].
G. Pencz: 237. Halbfigur S. Sebastians, mit Monogramm und 1548
(Anholt, Ftirst zu Salm-Salm); ein arger Gegensatz zum vorigen Bilde:
auch stark italisierend, aber in unangenehmster Art, von leerem Ausdruck
und lederbrauner Farbung.
Endlich waren von den Sachsen, d. h. L, Cranach, ftinf Bilder zu
sehen. Die grofie Madonna auf Holzbank 214 (Darmstadt, Max. Frhr.
v. Heyl) ist ein gutes Beispiel seiner »Friihzeit«, von Flechsig um 1513
gesetzt (Tafelbilder Cranachs N. 17).
Dagegen ist die Madonna mit Kuchen 217 von 1529? (Basel, Frau
Prof. Bachofen-Burckhardt, bis 1899 Slg. Schubart) ganz in seiner spateren
Art, und zu den besseren gehorig.
Die beiden Prinzen 215 — 216 von 1526 (Grofiherzog von Hessen)
sind, wie N. 214 von der Dresdener Cranach-Ausstellung her bekannt; fein,
doch auffallend ktihl.
Der Liebesgarten 218 (Diiren, Geh. Kom.-Rat Leop. Peill) war ursprung-
lich echt und gut, hat aber stark gelitten; die Tiere sind wieder recht
gut; auch die menschlichen Figuren von ihm selbst; die Wiese mit
Blumen und Baumen ist aber zu schematisch behandelt, auch die Land-
schaft gering.
Zur Kritik einiger hollandischer Bilder.
Von Corn. Hofstede de Groot.
Die Dusseldorfer Ausstellung unterschied sich auf das vorteil-
hafteste von vielen anderen Ausstellungen durch die hohe Qualitat und
die richtige Benennung der Bilder. Nur ganz wenige unter den Hollandern
des 17. Jahrhunderts gaben zu kritischen Bemerkungen Anlafi.
Von den drei Stilleben des Abraham van Beyeren ist das eine
Nr. 282 ein anerkanntes Meisterstiick aus der Sammlung von der Heydt
in Berlin, doch erwecken die beiden andern (Nr. 280, 281 von Brenken,
Wewer) ernste Bedenken. Das Monogramm A B, welches der Katalog
ftir das eine (Nr. 281) angibt, beruht wohl auf einer Verwechslung mit
Nr. 282. Ich habe es wenigstens trotz wiederholtem langem Suchen
nicht finden kbnnen. Dies angebliche Monogramm war wohl die Veran-
lassung ftir die Umtaufe auf Andreas Benedetti, dessen Bilder in Wien
und Budapest lange als Werke van Beyerens gegolten haben und ihnen
in Bezug auf Komposition und Farbenpracht sehr nahe stehen. Benedetti
war jedoch ein Antwerp ener Kunstler und Schiiler Jan de Heems.
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e 7 4 Ausstellungen.
Seine Werke haben einen entschieden vlamisch - zeichnerischen
Charakter im Gegensatz zu dem hollandisch-malerischen der Ge-
malde van Beyerens, der auch fur diese Bilder (Nr. 280, 281) bezeichnend
ist. Trotz der iibereinstimmenden Mafle (0,94 zu 1,24 m) wage ich nicht,
sie mit Bestimmtheit fur das Werk eines und desselben Kiinstlers zu
erklaren. Moglicherweise sind sie durch einen friiheren Besitzer zu Gegen-
stucken gemacht worden. Ftir Nr. 280 habe ich keine andere Bestim-
mung als etwa die: Nachahmer des Abraham van Beyeren, der ihni sehr
nahe kommt, aber fliichtiger, dekorativer und farbenreicher malt; dagegen
mochte ich bei Nr. 281 mit mehr Bestimmtheit auf Jacques de Claeu
hinweisen, den vielfach verkannten »Kunst-, Zeit- und Stadtgenossen«
van Beyerens, wie Houbraken sagen wiirde, den Schwiegersohn Jan van
Goyens und den Schwager Jan Steens. Seine Kunst beschrankte sich
auf die Stillebenmalerei, ist in derselben aber ziemlich vielseitig. Er
malte Vanitasbilder, die den Ubergang bilden zwischen den friiheren des
J. de Heem und des Pieter Steenwijk einerseits und denjenigen E. Colyers
und Vermeulens andrerseits. Wieder andere, wie das im Rijksmuseum, stehen
verwandten Stucken eines Pieter Potters nahe. Eine ganze Gruppe von
Obstbildern hat man durch Falschung des Monogramms zu Werken des
J. de Heem gemacht (Museen in Haarlem und Brussel). Endlich befand
sich seit geraumer Zeit im Mlinchner Kunsthandel ein grofles, voll signiertes
Friihstiicksbild , welches einen engen Zusammenhang mit den beliebten
Kompositionen der Heda, Koets und Pieter Claesz verrat. Dies letzte
Bild ist, wenn meine Erinnerung mich nicht sehr tauscht, beweisend fiir
das von Brenkensche Gemalde. Es en thai t eine ganze Reihe derselben
Motive, unter denen die Fasanenpastete einen ebenso ins Auge fallenden
Platz einnimmt Die auseinanderfallende, unruhig wirkende Komposition,
der graue, langweilig behandelte Hintergrund und die nachlassige Mal-
weise sind Eigenschaften , die beiden Bildern gemeinsam sind und sie
von den bessern Werken der genannten Haarlemer Meister unterscheiden.
Herr Julius Bohler, bis vor kurzem Besitzer des vollbezeichneten Friih-
stiicksbildes von Jacques de Claeu, bestatigt mir auf meine Anfrage die
vollstandige Ahnlichkeit der Malweise beider Bilder.
Nr. 309. Italienische Gebirgslandschaft von Johannes Hackaert
tragt mit Unrecht diesen Namen, ist vielmehr ein Werk des F. de
Moucheron.
Nr. 334. Fernsicht am Abend von Philips Koninck. Dies Bild hat
neben der noch erhaltenen Jahreszahl 1644 eme Kunstlerbezeichnung getra-
gen, die sicherlich nicht die des Koninck war. Man glaubt noch den An-
fangsbuchstaben L. zu erkennen und bringt diesen mit Lodewijk van Ludick
in Verbindung. Ich mufi jedoch bemerken, dafi die wenigen mir bekannten
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Ausstellungen. cjc
sicheren Werke dieses Klinstlers (Prag, Milnchen, Bamberg) einen anderen, siid-
licheren Charakter tragen als dieses Bild, dessen Urheber ich wegen des eigen-
ttimlichen Baumschlages lieber in der Nahe der van Croos suchen mochte.
Eine unter dem Narnen Maes (Nr. 339a) ausgestellte Familiengruppe
im Freien gab zu berechtigtem Zweifel, der auch in einer Anmerkung des
Katalogs zum Ausdruck kam, Anlafl. Das Bild erinnert an die wenigen
bezeichneten Bilder des Reinier Covijn, eines Dordrechter Schiilers von
Maes. In diesem Falle ware es weitaus das importanteste Bild, das uns
von diesern Maler erhalten ist
Die von Bredius herrlihrende Umtaufe des Metsu der Sammlung
Martius (Nr. 340) in Joostvan Geel hat sehr viel fur sich. Doch mufi
ich gestehen, dafi es mir nicht ganz sicher ist, ob sich das Kostum und
besonders die Kopfbedeckung der Frau mit der Zuschreibung an einen
Meister des 17. Jahrhunderts vertragt
Nr. 363. Der barmherzige Samariter unter Rernbrandts Namen hat
sich hier wohl endgiiltig als das Werk eines Nachahmers herausgestellt.
Es ist ein Meister, der einzelne Motive aus den friiheren Werken Rern-
brandts, wie grofie Stauden im Vordergrund, Kiirbisflaschen, vielfarbige
Turbane, mit Geschick zu verwerten weifi, sogar Rembrandtsche Modelle
(den Vater) benlitzt, aber dennoch in andern Punk ten wesentlich abweicht.
So wiirde es sehr schwer halten, fur das Pferd in samtlichen Jugend-
bildern Rernbrandts ein Analogon zu finden, so weicht auch die ver-
schwommene Feme von Rembrandtscher Gewohnheit ab, so hat vor allem
die schrag-strichelnde Art der Pinselfiihrung in vielen Partien einen vollig
abweichenden Charakter. Obwohl ich noch nicht ganz im klaren bin,
ob das Bild von einem zeitgenossischen Schuler oder von einem spateren
Pasticheur herrtihrt, neige ich vor der Hand zu letzterer Ansicht.
Ein Bild, welches Rernbrandts Zeitgenossen Jan Lievens zuge-
schrieben wird (Nr. 337), lebensgrofier mannlicher Studienkopf, hat mit
diesem Kiinstler nichts zu tun. Es ist ftir ihn viel zu fliissig gemalt und
zu frei aufgefafit. Ich wiirde es am ehesten dem Anton van Dyck
geben. Sicher gehort es in die unmittelbare Umgebung des Rubens,
An den Namen des G. ter Borchs kniipfen sich in dieser Ausstellung
die verschiedensten Probleme. Es sind ihm fiinf Werke zugeschrieben,
von denen zwei ihm ohne jeden Widerspruch gelassen werden konnen:
das Bild seines Verwandten Lambert Quadacker (Nr. 389) und das Biwak
(Nr. 388). Letzteres vertritt die Frtihzeit des Meisters und zeigt, wie er aus
der Gruppe der Wachtstubenmaler hervorgegangen ist. Durch Zufall oder
aus Absicht ist es in dieselbe Sammlung gelangt, in der sich einBild ahn-
lichen Gegenstandes befindet (Nr. 387), welches frtiher, ehe man diese Maler-
gruppe genau auseinanderzuhalten wufite, auch dem ter Borch gegeben wurde.
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cy6 Ausstellungen.
Es hangt aufs engste mit einer Wachtstube im Louvre, dort friiher Duck ge-
nannt, zusamuien, unci ist wie diese ein Werk des Willem Duyster. Ein im
ganzen iibereinstimmendes, nur in einzelnen Details abweichendes zweites
Exemplar war in der Sammlung Pfungst in London und ist mit ihr in den
Besitz des amerikanischen Sammlers van Alen iibergegangen. Auf diesem
Exemplar fand sich gelegentlich der Utrechter Ausstellung(i894), wo beide
Bilder nebeneinander zu sehen waren, auf der Trommel die Signatur W. D.
Die geringe Ahnlichkeit mit dem zweiten Duyster aus derselben
Sammlung (Kat.-Nr. 299) kdnnte zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser
Bestimmung Veranlassung geben, doch ist dagegen zu bemerken, dafi es
neben einer Anzahl farbenkraftiger Bilder mit starken Lokaltonen auch
eine ganze Reihe Duysters mit weniger ausgebildeten Farben und einheit-
licherer Gesamtstimmung gibt, zu der neben den drei erwahnten Bildern
eine Einzelfigur im Mauri tshuis, eine ahnliche Offiziersgestalt in der ehe-
maligen Sammlung Muyser im Haag und mehr andere gehoren.
Diese fest umgrenzte Gruppe wird durch das Monogramm auf dem
Pfungst- van Alenschen Bild gesichert und weicht, wie gerade die Neben-
einanderstellung der beiden Dahlschen Bilder auf der jetzigen Ausstellung
beweist, erheblich von den frtihen ter Borchs ab. Letztere besitzen
schon im wesentlichen die feinen silbergrauen Tone, die uns an den
spatern Meisterwerken des Kiins tiers stets begegnen.
Eine schwer zu knackende Nufi bilden die beiden Bilder, welche
als Vermachtnis des Herrn HiifTer 1895 m den Besitz der Stadt Mtinster
gelangt sind und sich beide auf die dem westfalischen Friedensschlufl
vorangehenden Unterhandlungen beziehen (Nr. 390, 391).
Das eine grofiere stellt die Ankunft des hollandischen Plenipoten-
tiarius Adriaen Pauw in Mtinster dar. Pauw sitzt mit Frau und Tochter
in seiner sechsspannigen Staatskarosse und wird von einer Anzahl rot-
gekleideter Diener zu Fufl und zu Pferde begleitet. Nur diese Gruppe
und einige stark ins Auge fallenden Landleute links kommen fur ter Borch,
dessen Name sich links in der Ecke befindet, in Betracht, wahrend das ganze
ubrige: die Landschaft mit der ausfuhrlich behandelten Ansicht der Stadt
von einem Maler G. V. H. herruhrt, dessen Initialen sich merkwiirdiger-
weise und auffallend zwischen den ftir ter Borch in Anspruch genommenen
roten Figuren befinden. Wer dieser G. V. H. ist, bleibt einstweilen unaufge-
klart. Die Vermutung der ersten Auflage des Katalogs, es konne Guilliam
de Heusch sein, ist in der zweiten Auflage mit Recht beseitigt Fiir uns
ist die weitaus wichtigere Frage: ist ter Borch der Maler der Staflfage:
Diese Frage glaube ich nach eingehendem Studium und wieder-
holtem genauem Vergleich mit authentischen Bildern ter Borchs auf das
bestimmteste verneinen zu mtissen. Die Figuren sind ter Borch-artig, sehr
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ter Borch-artig, wenn man will, aber doch bei weitein nicht fein genug
fiir ihn selbst. Selbst nicht die drei Figuren iui Reisewagen, die noch
am ehesten in Retracht kamen. Welchen MafJstab man an ter Borch
sogar in dieser verhaltnismafiig friihen Zeit anzulegen berechtigt ist, be-
weist das Friedensbild in der National Gallery und beweisen die Jugend-
bilder, wie die in Berlin und Bremen. Ersteres ist ungefahr gleichzeitig
mit dem Miinsterschen Bild entstanden, letztere gehen diesem sogar urn
mehrere Jahre voran.
Am besten tun wir daher, einstweilen zu versuchen, den Namen
des Meisters G. V. H. zu ermitteln. Wissen wir erst, wer dies war, und
ob er Figuren- oder Landschaftsmaler war, dann konnen wir im letztern
Fall weiter suchen nach dem Urheber der Staffage dieses Bildes.
Der zweite Miinstersche ter Borch stellt »die Versammlung der
Delegierten des Friedenskongresses zu Munster zur Trauerfeier am Kata-
falk mit der Steinfigur des verstorbenen spanischen Gesandten Joseph de
Bergaigne, Erzbischof von Cambrai, am 24. Oktober 1647 « dar. Der
Grund, bei diesem Bilde an die Urheberschaft ter Borchs zu denken, lag
besonders nahe. Nicht so sehr wegen der falschen Inschrift des Bildes
»G. Terburg«, als wegen der grofien Ahnlichkeit mit dem Londoner Bild:
kommen doch alle Figuren des Mtinsterschen Bildes von der ersten bis
zur letzten auch auf dem Londoner vor. Die einzigen Abweichungen
bestehen in der modinzierten Gruppierung und in der Haltung der Hande
(der eine stutzt sich auf einen Stock statt auf eine Stuhllehne, ein andrer
halt einen Hut, statt die Hand zum Schwur zu erheben, ein dritter halt
einen Hut statt ein Blatt Papier). Ich brauche dies nicht weiter im
einzelnen auszufuhren; wer die Abbildungen beider Bilder nebeneinander
legt, kann sich sehr leicht selbst uberzeugen. Es bleibt nur die Frage
zu erortern tibrig: spricht diese Ubereinstimmung fiir oder gegen die
Echtheit des Miinsterschen Bildes. Hierbei ist vom Londoner Bild aus-
zugehen, dessen Echtheit durch kunstlerische Qualitat und aufiere Be-
glaubigungen tiber jeden Zweifel erhaben ist. Dies Bild stellt die Be-
schworung des Vertrages durch die Bevollmachtigten der kriegftihrenden
Parteien am 15. Mai 1648 vor, das Miinstersche dagegen eine am
24. Oktober des vorangegangenen Jahres stattgefundene Leichenfeier. rst
nun letzteres friiher gemalt, dann hatte ter Borch die spatere Darstellung
eines weit wichtigeren Begebnisses ebenso gedankenlos aus der friiheren
erweitert und modifiziert, als er im umgekehrten Fall die ausfiihrlichere
Darstellung dieses spateren Ereignisses mechanisch fiir den friiheren Her-
gang zusammengezogen hatte. Beide Mbglichkeiten sind an sich gleich
unwahrscheinlich. Es fehlte ter Borch in Wahrheit nicht das Konnen,
beide Begebenheiten in unabhangiger Weise abzubilden!
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Zu diesem aufieren Grunde gesellt sich der innere, dafl die Malerei
nicht ganz auf der hohen Stufe ter Borchscher Kunst steht. Zwar kommt
sie ihr naher als die Hauptfiguren des andern Bildes, aber die zur Voll-
endung notige ultima lima fehlt dennoch. Die Technik hat die glatte
Leere, die den Kopisten verrat Es wlirde mich nicht wundern, wenn
als solcher sich Gerard Lundens herausstellte, von dem mehrere
Kopien nach Schtitzenbildern bekannt sind, wie die der Nachtwache in
der National Gallery und die des Jakob Backer im Amsterdamer Rathaus
bei Andreas Achenbach in Dtisseidorf. Auch im Museum in Valencia in
Spanien befindet sich nach Bredius ein derartiges Bild.
Ein interessantes Werk eines wenig vorkommenden und daher oft
verkannten Kiinstlers ist die Flohesucherin (Nr. 409a), das als Unbe-
kannter Hollander des 1 7 . Jahrhunderts aufgeftihrt wird. Diese Frau
zeigt die charakteristische Farbengebung des Michael Sweerts, wie be-
sonders der Vergleich mit dem schonen bezeichneten mannlichen Bildnis
in der Akademie in St. Petersburg lehrt. Wahrend bis vor kurzem unsre
Kenntnis dieses Meisters sich auf 2 — 3 Bilder beschrankte, sind jetzt
allmahlich 1 — i1 2 Dutzend ans Licht gekommen und darunter mehrere
signierte oder auf andere Weise beglaubigte. Da von seiten Dr. Martins
ein zusammenfassender Aufsatz tiber Sweerts zu erwarten ist, werde ich
mich hier nicht weiter iiber den Kunstler verbreiten. Ich bemerke nur
noch, dafi ein Bild im stadtischen Museum in Magdeburg, welches ihm
zugeschrieben wird, ein Werk des franzosischen Kunstler Lenain und aus
dem Oeuvre des Sweerts auszuscheiden ist
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Bei der Redaktion eingegangene Werke.
Dulberg, Franz. Frtihhollander. VI. Althollandische Gemalde
im Erzbischoflichen Museum zu Utrecht. Haarlem. K. Klein-
mann & Co.
Esswein, Hermann. Moderne Illustratoren. I. Thomas Theodor
Heine. II. Hans Baluschek. Mtinchen u. Leipzig. R. Piper & Co.
Floerke, Hanns. Der Dichter Arnold Bocklin. Mtinchen u. Leipzig.
Georg Mliller.
Floerke, Hanns. Studien zur niederlandischen Kunst- und Kultur-
geschichte. Die Formen des Kunsthandels, das Atelier
und die Sammler in den Niederlanden vom 15. — 18. Jahr-
hundert. Mit 4 Bildbeilagen. Mtinchen u. Leipzig. Georg Miiller.
M. 7.50.
Frimmel, Theodor v. Blatter ftir Gemaldekunde. Heft 1 — 6. Wien.
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Hedicke, Robert. Jacques Dubroencq von Mons. Ein nieder-
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M. 30.
Jung, Wilhelm. Die Klosterkirche zu Zinna im Mittelalter. Ein
Beitrag zur Baugeschichte der Zisterzienser. Mit 6 Tafeln, einem
Schaubild und 9 Abb. im Text Strafiburg. J. H. Ed. Heitz.
M. 5.
Kern, Joseph. Die Grundztige der linearperspektivischen Dar-
stellung in der Kunst der Gebriider Van Eyck und ihrer
Schule. I. Die perspektivische Projektion. Mit 3 Zeichnungen im
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schweig. George Westermann. M. 9.75.
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mik romanischer Innenraume in der Normandic. Mit 3
Doppeltafefn. Strafiburg. J. H. Ed. Heitz. M. 4.
Raupp. Malerei. 4. Aufl. Webers IlJustrierte Katechismen. Band 133.
Leipzig. J. J. Weber. M. 3.
Rossi, Attilio. Santa Maria in Vulurrella (Tivoli). Ricerrhe di Storia
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& Co. L. 8.
Rothes, Walter. Die Bliitezeit der sienesischen Malerei und
ihre Bedeutung ftir die Entwicklung der italienischen
Kunst. Mit 52 Lichtdrucktafeln. Stiaiiburg. J. H. Ed. Heitz.
M. 20.
Schonbrunner, Jos., und Jos. Meder. Handxeichnungen alter M e i s t e r
aus der Albertina und anderen Sammlungen. Band IX.
Lieferung 10, 11. Wien. Ferd. Schenk.
Schweitzer, Hermann. Die Bi Iderteppicbe und Stickereien in
der stadtiscben Altertiimersammlung zu Freiburg i. Br.
Sonderabdruck aus Schauinsland.. Freiburg. Herdersche Ver-
lagsbuchhandlung. M. 2.50.
Stengel, Walter. (loin iil de-Solo oder Gemalde-Konzert. Strafi-
burg. J. H. Ed. Heitz. M. 0.80.
Stevenson, R. A.M. Velasquez. Ubersetzt und eingeleitet von Dr. Eber-
hard Freiherr von Bodenhausen. Miinchen. F. Bruckmann.
M. 4.
Weber Siegfried. Fiorenzo di Lorenzo. Eine kunsthistorisrhe Studie.
Mit 25 Tafeln in Licbtdruck. Strafiburg. J. H. Ed. Heitz. M. 12.
Wie studiert man Archaologier Von einem Archiiologen. Leipzig.
Rossbergsche Verlagsbuchhandlung. M. 0.80.
Witting, Felix. Kirch en b a u ten der Auvergne. Mit 2 Abb. im Text.
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MAR 2 5 195;
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